FLORA und FAUNA FLORA: 1. Begriffliche Einführung: Um die Erklärungen zu den einzelnen Pflanzen besser verständlich zu machen, werden im Folgenden die wichtigsten Begriffe einführend erläutert. 1.1 Die Blüte Die Blüte ist die Struktureinheit der sexuellen Fortpflanzung. Die unten stehende Abbildung 1 zeigt den Aufbau eines Blütenkopfes sowohl im Querschnitt als auch in der Aufsicht. Er gliedert sich von Außen nach Innen in: ¾ Kelchblätter (Calyx) → meist grüne Blätter der Blütenhülle ¾ Kronblätter (Korolle) → bunt gefärbte Blütenblätter ¾ Staubblätter (Androeceum) → männlicher Blütenteil ¾ Fruchtblätter (Gynoceum) → Samernanlagen tragende Blätter; hier dargestellt als Fruchtknoten (miteinander verwachsene Fruchtblätter) Abb. 1: Aufbau eines Blütenkopfes Quelle: Lippert 1985: Die folgende Abbildung zeigt unterschiedliche Blütenformen: Abb. 2: Blütenformen Quelle: Kremer 2001: 16 1.2 Das Blatt Blätter sind seitliche Auswüchse der Sprossachse und können in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen auftreten. Ausschlaggebend sind hier vor allem die Blattformen (z. B. linealisch, lanzettlich) und die Blattränder (z. B. ganzrandig, gezähnt). Die folgenden beiden Abbildungen zeigen die wichtigsten Blattformen und Gestaltungsformen der Blattränder: Abb. 3: Unterschiedliche Gestaltungsformen von Blatträndern Quelle: Lippert 1985: 257 Abb. 4: Unterschiedliche Blattformen einfacher Blätter Quelle: Lippert 1985:256 Man unterscheidet außerdem Grundblätter und Stengelblätter voneinander, wobei die Grundblätter die untersten Blätter sind, welche direkt an der Basis des Stengels entspringen. Die Stengelblätter dagegen sind die auf die Grundblätter am Stengel folgenden Blätter. 2. Die Vegetation unseres Untersuchungsgebietes im Wallis In den von uns untersuchten Gebieten am Rhone-, Aletsch-, Gries- und Oberaargletscher haben wir die folgenden Pflanzen gesehen und bestimmt. Die Pflanzen sind nach Familien sortiert und in den Punkten Merkmale, Standort, Verbreitung und Blütezeit charakterisiert. Für die Richtigkeit der Angaben übernehmen die Autoren keine Garantie. Bei dem Untersuchungsgebiet handelt es sich um die alpine Vegetationsstufe, welche sich oberhalb der Baumgrenze befindet. Die Vegetation besteht einerseits aus Rasen- und Mattengesellschaften mit Gräsern und Sauergräsern und andererseits aus Schneebodengesellschaften sowie Schutt- und Felsfluren (Heß 2001: 126). Da wir uns großteils in Gletschernähe aufgehalten haben, handelt es sich bei den hier beschriebenen Pflanzen überwiegend um Pionierpflanzen. Die durch den Gletscherrückgang neu entstandenen Ökosysteme auf den Gletschervorfeldern unterlaufen eine schnelle Besiedelung: Schon etwa fünf Jahre nach dem Abschmelzen des Eises wachsen erste Blütenpflanzen auf den Moränen, die so genannten Pionierpflanzen. Folgearten, welche überwiegend Schutt- und Felsspaltenpflanzen sind, treten hinzu und erste Pflanzengesellschaften entstehen. Die Geschwindigkeit der Weiterentwicklung hängt stark ab von der Hangexposition und auftretenden Ereignissen wie Lawinenabgängen und Erdrutschen sowie möglichen Abflussgewässern. Als Schlussgesellschaften treten nach einigen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten Rasengesellschaften oder Zwergstrauchgesellschaften auf, welche die Pionierpflanzen endgültig verdrängen (Erschbamer 2005: 46). Anhand der Vegetation ist daher der 1850er Gletscherstand, welcher der letzte Gletscherhöchststand war, deutlich zu erkennen. Die Bereiche oberhalb dieses Eisstandes sind deutlich dichter bewachsen als jene, welche noch vor etwa 150 Jahren von Eis bedeckt waren. Das folgende Foto des Aletschgletschers soll dies verdeutlichen: 1850er Eisrand Abb. 5. Eigenes Foto Alpenwucherblume – Leucanthemopsis alpina Abb. 6: eigenes Foto Familie: Korbblütler (Asteraceae) Merkmale: Höhe 5-15 cm; rasenbildend; einköpfig; >15 weiße Zungenblüten, Röhrenblüten goldgelb; Stengel aufrecht, grau-grün, nur im unteren Teil beblättert; Grundblätter kammförmig fiederteilig; Stengelblätter linealisch, ganzrandig oder an der Spitze dreizähnig Standort: auf 1800-3800 m ü. NN; auf kalkarmen, leicht feuchten Böden; auf Moränen, Schneetälchen Verbreitung: Westalpen, Pyrenäen Blütezeit: Juli-August Graues Kreuzkraut – Senecio incanus subsp. incanus Abb. 7: Eigenes Foto Familie: Korbblütler (Astaraceae) Merkmale: Höhe bis 15 cm; weißfilzig, mit mehrköpfigen Stengeln; gefiederte Blätter; 1-3 cm breite Köpfe mit je 3-6 gelben Zungenblüten Standort: meist über 2000 m ü. NN; auf kalkfreien Böden, Felsschutt oder Rasen Verbreitung: Alpenraum südlich und westlich des Gotthard Blütezeit: Juli-September Silberdistel/ Großer Eberwurz – Carlina acaulis Abb. 8: Uray, P. und A. Wolf 1999-2004 (Internetquelle) Familie: Korbblütler (Asteraceae) Merkmale: i. d. R. fast stengellos, selten eine Höhe von bis zu 40 cm; meist einköpfig; distelartig, milchsaftführend; silberfarbene, vereinzelt rosane Hüllblätter, Blütendurchmesser bis 13 cm; Blätter rosettig, fiederspaltig, stachelig gezähnt Standort: bis 2800 m ü. NN; meist auf kalkhaltigen, nährstoffarmen Böden; in lichten Gehölzen, steinige Hänge Verbreitung: Gebirge Mittel- und Südeuropas Blütezeit: Juni-September Alpen-/ Gebirgs-Vergißmeinnicht – Myosotis alpestris Abb. 9: Eigenes Foto Familie: Rauhblattgewächse/ Borretschgewächse (Boraginaceae) Merkmale: Höhe bis 30 cm; rauhaariger Stengel; Blätter oval bis linealisch; Blüten ohne Tragblätter; Kelch stets dicht behaart; flach ausgebreiteter, hell- bis tiefblauer Kronsaum (bis 9 mm breit) Standort: 1500-3000 m ü. NN; feuchte Böden, Felsschutt, Rasen Verbreitung: Alpen, europäische Gebirge Blütezeit: Mai-September Scheuchzers Glockenblume – Campanula scheuchzeri Abb. 10: Eigenes Foto Familie: Glockenblumengewächse (Campanulaceae) Merkmale: Höhe 5-40 cm; kahler, aufrechter Stengel; meist einblütig; Stengelblätter lanzettlich bis linealisch, ganzrandig; Blüten blauviolett, einzeln, nickend, bis 2,5 cm lang Standort: bis über 3000 m ü. NN; leicht saure Böden, Rasen, Schutt, Zwergstrauchbestände, Bergwälder Verbreitung: Alpen, Pyrenäen, Jura, Schwarzwald, Apennin, Balkanhalbinsel Blütezeit: Juni-September Berg-Hauswurz – Sempervivum montanum Abb. 11: Eigenes Foto Familie: Dickblattgewächse (Crassulaceae) Merkmale: Höhe 5-20 cm; meist 12 Kronblätter, Blütenfarbe purpur, fleischige Rosetten bildende, lanzettliche Blätter, grün mit rötlicher Spitze, Blätter am Rand und auf der Fläche dicht drüsig behaart; sukkulent Standort: 1500-3200 m ü. NN; auf kalkfreien, sauren Böden; Felsen, Schutt, karger Untergrund, Rasen Verbreitung: Pyrenäen, Alpen, Karpaten, Apennin, Korsika Blütezeit: Juli-September Schmalblättriges Wollgras – Eriophorum angustifolium Abb. 12: Eigenes Foto Familie: Riedgräser (Cyperaceae) Merkmale: Höhe 20-50 cm; Blütenstand mit 3-7 etwa 1-2 cm langen, weißwolligen, hängenden Ähren; Wollhaare ca. 4-5 cm lang; in der Regel leicht dreikantiger, aufrechter oder nickender Stengel Standort: bis 2300 m ü. NN; nasse, schlammig-torfige Böden; kalkfreie Flachmoore, Quellfluren, Nasswiesen Verbreitung: Alpen Blütezeit: März-August Abb. 13: Eigenes Foto Frühlingsenzian – Gentiana verna Abb. 14: Eigenes Foto Familie: Enziangewächse (Gentianaceae) Merkmale: Höhe bis 15 cm; sehr kurze Blütenstengel; Grundblätter wesentlich größer als Stengelblätter, in Rosetten, lanzettlich; Krone tiefblau mit breiter Röhre und ausgebreiteten Kronzipfeln Standort: Felsschutt, lückiger Rasen, in der Regel auf Kalk Verbreitung: Kalkgebiete der Alpen, Gebirge von Spanien bis zur Mongolei, Alpenvorland, Mittelgebirge Mitteleuropas Blütezeit: März-August Zwerg-Enzian – Gentianella nana Abb. 15: Eigenes Foto Familie: Enziangewächse (Gentianaceae) Merkmale: Höhe bis 5 cm; Grundblätter in Rosetten, eiförmig, zur Blütezeit oft schon verwelkt; Blüten meist fünfzählig, selten vierzählig; Krone blauviolett-helllila, Kelch glockenförmig Standort: 2200-2800 m ü. NN; feuchte, kalkarme Böden; auf Silikat, Moränen, Feinschutt, Rasen Verbreitung: Zentralalpen Blütezeit: Juli-September Fleischers Weidenröschen/ Kies-W. – Epilobium fleischeri Abb. 16: Eigenes Foto Familie: Nachtkerzengewächse (Onagraceae) Merkmale: Höhe bis 50 cm; rasenbildend; wechselständige Blätter, bis 4 cm lang und bis 5 mm breit, linealisch-lanzettlich, gezähnt; endständige Trauben aus 5-10 Blüten; Blüten vierzählig, Kelchblätter purpurn bis rotbraun, Kronblätter rosarot Standort: bis über 2500 m ü. NN; Bachufer, Felsschutt, Moränen, auf Silikat Verbreitung: Zentralalpen Blütezeit: Juli-September Sumpf-Herzblatt – Parnassia palustria Abb. 17: Eigenes Foto Familie: Herzblattgewächse (Pernassicaceae) Merkmale: Höhe bis 50 cm; Grundblätter herzförmig, ganzrandig; Blüten einzeln, bis 3 cm Durchmesser, Kron- und Kelchblätter eiförmig Standort: bis ca. 2700 m ü. NN; Sumpfwiesen, Flachmoore, Rasen, Felsschutt Verbreitung: Alpen, Gebirge in Nordafrika, Europa; Sibirien Blütezeit: Juni-September Alpen-Säuerling – Oxyria digyna Abb. 18: Eigenes Foto Familie: Knöterichgewächse (Polygonaceae) Merkmale: Höhe bis 50 cm; krautige, kahle Pflanze; Grundblätter breiter als lang, nierenförmig; sauer schmeckend; Blüten 4-zählig, grün-rot, hängend, in Quirlen; Frucht linsenförmig, 5 mm breit mit breitem rotem Rand Standort: bis etwa 3000m ü. NN; kalkarmer, gut durchfeuchteter Felsschutt Verbreitung: Alpen, europäische Gebirge, Arktis Blütezeit: Juni-August Abb. 19: Eigenes Foto Gemeiner Augentrost – Euphrasia rostkoviana Abb. 20: Eigenes Foto Familie: Braunwurzgewächse (Scrophulariaceae) Merkmale: Höhe bis 30 cm; oben meist drüsig behaart; Blätter eiförmig, teilweise gezähnt; weiße Rachenblütchen mit gelben Flecken, violette Äderung der Oberlippe; meist auf Gräsern/ Sauergräsern parasitierend Standort: Wiesen, Weiden Verbreitung: Alpen, Mitteleuropa Blütezeit: Mai-Oktober Gebirgs-Veilchen – Viola tricolor subsp. subalpina Abb. 21: Eigenes Foto Familie: Veilchengewächse (Violaceae) Merkmale: Höhe bis 30 cm; Kronblätter gelb, mehrfarbig oder selten einheitlich blau, Kronblätter spitz, lanzettlich; untere Blätter rundlich, gekerbter Rand; obere Blätter lanzettlich Standort: meist oberhalb 1000 m ü. NN; Wiesen, Felsschutt Verbreitung: Alpen, Pyrenäen, Karpaten Blütezeit: Mai-September Literatur: AICHELE, D. & R. und H.-W. & A. SCHWEGLER (²1987): Blumen der Alpen: über 500 Arten auf 528 Farbfotos. Stuttgart. ERSCHBAMER, B. (2005): Gletschervorfelder – ein neuer Lebensraum entsteht. In: Bedrohte Alpengletscher. Fachbeiträge des Oesterreichischen Alpenvereins Serie: Alpine Raumordnung 27 (2005), Seite 56-59. FINKENZELLER X. und J. GRAU (1996): Alpenblumen. München. HEß, D. (2001): Alpenblumen: Erkennen – Verstehen – Schützen. Stuttgart. KREMER, B. P. (2001): Was blüht in den Alpen? Stuttgart. LIPPERT, W. (2002):Alpenblumen der Ost- und Westalpen: Bestimmen – Kennenlernen – Schützen. Bindlach. LIPPERT, W. (1985): GU- Naturführer Alpenblumen: die wichtigsten Blütenpflanzen der Ost- und Westalpen erkennen und bestimmen. München. URAY, P. und A. Wolf (1999-2004): Grazer Bergland. Silberdistel. Internet: http://www.grazer-bergland.com/html/20040210144646.html (01.10.06). STICHMANN, W. (²2006): Der große Kosmos Naturführer: Tiere und Pflanzen. Stuttgart. FAUNA: Alpensteinbock – Capra ibex Abb. 1: Eigenes Foto Klasse: Säugetiere (Mammalie); Ordnung: Paarhufer (Artiodactyla); Familie: Hornträger (Bovidae) Merkmale: ziegenartig; sowohl Männchen als auch Weibchen haben starke, nach hinten gebogene Hörner mit Querwülsten auf der Vorderseite, Hörnergröße beim Männchen bis 1 m; lebt im Sommer in Rudeln getrennt nach Geißen und Böcken, starke Alpensteinböcke häufig auch Einzelgänger; gutes Kletter- und Sprungvermögen; Kopf-Rumpf-Länge: 115-140 cm, Schwanzlänge: ca. 15 cm, Gewicht: 40-120 kg Lebensraum: oberhalb der Baumgrenze, in Höhen zwischen 2500-3000 m ü. NN, in Felsregionen, im Winter an schneefreien Südhängen Vorkommen: Gebirge Mitteleuropas Gletscherfloh – Isotoma saltans Abb. 2: Eigenes Foto Klasse: Springschwänze (Collembola); Ordnung: Entomobryomorpha; Familie: Isotomidae Merkmale: Größe ca. 1,5-2,5 mm; Überleben bei Temperaturen von bis zu -20°C möglich auf Grund von speziellen Zuckern und Alkoholen in seiner Körperflüssigkeit; spezielle Eiweißmoleküle verhindern Eisbildung; Auftreten in der Regel in großer Anzahl Lebensraum: zwischen Neuschnee und Eis in Schmelzmulden, Hohlräumen Abb. 3: Eigenes Foto Murmeltier – Marmota marmota Abb. 4: Eigenes Foto Klasse: Säugetiere (Mammalie); Ordnung: Nagetiere (Rodentia); Familie: Hörnchen (Sciuridae) Merkmale: gedrungene Gestalt, kurze Ohren; Winterschläfer; errichtet bis zu 3 m tiefen Bau; markante Warnpfiffe; Kopf-Rumpf-Länge: 45-60 cm, Schwanzlänge: 1318 cm, Gewicht: 4-6 kg Lebensraum: Almen und Weiden der Gebirge, bevorzugt an Südhängen Vorkommen: 1000-3000 m ü. NN; Alpen, Karpaten; in der Schwäbische Alb, dem Schwarzwald und dem Bayerischer Wald eingegliedert Literatur: HEITLAND, W. und W. BÄUMLER (2003): Vögel und Säuger: Ein kleines Nachschlagwerk zum Kurs »Bestimmungsübungen an Vögeln und Säugern«. Internet: http://www.faunistik.net/BSWT/_MAIN/index.html (28.09.06). STICHMANN, W. (²2006): Der große Kosmos Naturführer: Tiere und Pflanzen. Stuttgart. TEMME, G (2004): Genius Loci: Der Geist des Ortes. Portraits: Der Gletscherfloh. Internet: http://www.emmet.de/por_gfloh.htm (28.09.06). ZIMMERMANN, M. (2002): Natur-Lexikon.com: 868 Arten mit 4.758 Bildern online. Internet: http://www.natur-lexikon.com/ (01.10.06).