DIE CHATTEN INHALT: 1) DIE HERKUNFT DES STAMMES 2) DER WERDEGANG DER CHATTEN IM 1.Jh.v.CHR. 3) DER WERDEGANG DER CHATTEN VON TRAJAN BIS ZUM ERSTEN AUFTRETEN DER ALAMANNEN IM JAHRE 289 4) DER WERDEGANG DER CHATTEN AB DER SPÄTANTIKE 1) DIE HERKUNFT DES STAMMES: Die Beleggeschichte des Chattennamens beginnt 11 v.Chr. und endet im 5.Jh.. Wer war dieser Stamm, der so unvermittelt und gleichzeitig massiv das Licht der Geschichte betrat und aus welchen rechtsrheinischen Regionen stammte er? Erste Hinweise liefert uns der Bericht des Cassius Dio über Drusus Germanenfeldzüge. Darin heißt es: „„Mit Frühlingsanfang aber brach er wieder zum Kriege auf, überschritt den Rhein und unterwarf die Usipeter, schlug eine Brücke über die Lippe und fiel in das Land der Sugambrer ein. Er rückte durch dieses auch in das Gebiet der Cherusker vor, bis zur Weser. Er war hierzu in der Lage, weil die Sugambrer gegen die Chatten, die einzigen unter ihren Nachbarn, die sich nicht mit ihnen hatten verbünden wollen, hierüber erbittert, mit ihrem gesamten Heerbann zu Felde gezogen waren; gerade in diesem Zeitpunkt war Drusus heimlich durch ihr Gebiet gezogen. Er hätte auch die Weser überschritten, wenn er nicht Mangel an Lebensmitteln gehabt hätte und der Winter hereingebrochen und auch ein unheimlicher Bienenschwarm in seinem Lager erschienen wäre. Deswegen rückte er nicht weiter vor. Auf dem Rückmarsch in befreundetes Gebiet geriet er in furchtbare Gefahr, denn die Feinde taten ihm nicht nur durch Hinterhalte manchen Schaden: einmal hätten sie ihm, als sie ihn in einem engen Talkessel eingeschlossen hatten, ums Haar den Untergang bereitet und ihn mit seiner ganzen Streitmacht vernichtet, wenn sie nicht aus Verachtung des Gegners, den sie schon gefangen und auf den ersten Hieb fallen wähnten, mit den Römern in ungeordneten Haufen das Handgemenge begonnen hätten. So aber wurden sie geschlagen und hatten seitdem nicht mehr den gleichen Kampfesmut, sondern suchten ihnen nur noch aus der Ferne Abbruch zu tun: zum Nahkampf wagten sie sich nicht mehr heran, so dass Drusus, der sie seinerseits verachtete, dort, wo die Lippe und Elison sich vereinigen, ein Kastell gegen sie errichtete sowie ein anderes im Gebiet der Chatten, unmittelbar am Rhein (Cassius Dio 54, 33, 1ff.).“ Dank dieses Berichtes erfährt man einige interessante Einzelheiten über die Chatten: Erstens waren sie prorömisch, bis sie im Jahre 11 v.Chr. von ihren nördlichen Nachbarn, den Sugambrern angegriffen wurden. Anschließend wechselten sie die Fronten und traten aus Ärger über die Römer, die ihnen nicht zu Hilfe eilten, der antirömischen Partei in Germanien bei. Zuletzt erfährt man, dass die Römer als Reaktion darauf, ein Militärlager in ihrem Lande einrichteten, das in rheinnähe lag! In Frage kann nur das ehemalige Stammesgebiet der Ubier in Frage kommen, die 19 v.Chr. von Agrippa auf die linksrheinische Seite um Köln umgesiedelt wurden. Möglicherweise lag das noch unentdeckte Lager im Neuwieder Becken. Dies bedeutet gleichzeitig, dass die Chatten erst ab 19 v.Chr. in dieses Gebiet einwandern konnten und dass auch nur mit ausschließlich römischer Erlaubnis. Da zudem die Römer mit ihnen militärisch problemlos fertig wurden, kann dieser Stamm zahlenmäßig nicht groß gewesen sein. Doch 26 Jahre später sollte dies schon gänzlich anders aussehen. Trotz des interessanten Berichtes bleibt aber immer noch unklar, woher sie kamen, beziehungsweise wo die Römer sie das erste Mal antrafen und bei ihnen anfragten, ob sie Interesse hätten, ins ubische Gebiet umzusiedeln. Auch bleibt unklar, ob alle Chatten umsiedelten oder zahlreiche Stammesgenossen in ihrer alten Heimat, wo auch immer sie lag, zurückgeblieben sind. Der erste antike Autor, der sich mit den Verhältnissen rechts des Rheins ausführlich auseinander setzte, war Julius Caesar. Im Zuge des Gallischen Krieges lernte er aus eigener Anschauung die rechtsrheinischen Verhältnisse kennen. Interessant ist, dass Caesar ab 55 v.Chr. die Cherusker kannte, also die unmittelbaren Nachbarn der Chatten ab nachweislich 15 n.Chr.. Doch erwähnte er die Chatten mit keinem Wort. Was erzählen die anderen antiken Autoren über sie? Fangen wir mit Strabon an. Strabon nennt ihren Namen gleich mehrmals! Bei der ersten Nennung zählt er sie zu den 11 Nordweststämmen, welche noch ärmer seien als die Sueben. „Andere noch ärmere germanische Völker sind die Cherusker, Chatten, Gambrivier und Chattuarier, ferner in der Nähe des Ozeans die Sugambrer, Chauber, Bataver, Cimbern, Chauken, Kaulken, Kampsiarier und andere mehr (7,13).“ In der Folge stellt Strabon die Chatten aus den Nordweststämmen heraus und beschreibt ihre besondere Rolle, die sie neben Sugambrern und Cheruskern in den augusteischen Germanenkriegen spielten. Plinius zählte die Sueben, Hermunduren, Chatten und Cherusker zu den Hermionen. Den mit Abstand umfangreichsten ethnographischen Bericht über sie schrieb schließlich Tacitus. Er stellte in seiner Germania zugleich sie den Sueben gegenüber. Für Tacitus ist der Hercynische Wald (kommt aus dem keltischen und bedeutet „hoch, erhaben“) die Urheimat der Chatten und beschreibt sie als eine Kriegerkaste, die in vielen Zügen an die Berserker in der altnordischen Literatur erinnert. Auch waren sie mit den Batavern verwandt! „Es gibt fünf Hauptstämme der Germanen: Die Vandiler, zu denen die Burgodionen, Variner, Chariner und Gutonen gehören. Der zweite Hauptstamm sind die Inguäonen, die sich in die Cimbern, Teutonen und die Stämme der Chauker aufteilen. Die dem Rhenus am nächsten sind aber die Istuäonen, von denen die Sugambrer ein Teil sind. Im Landesinneren wohnen die Hermionen, zu denen die Sueben, Hermunduren, Chatten und Cherusker gehören. Der fünfte Teilstamm sind die Peukiner und Bastarnen, die den oben erwähnten Dacern benachbart sind (Plinius, Buch IV, 100).“ „Weiter nördlich (vom sogenannten Decumatenland aus gesehen – es ist das Gebiet zwischen Rhein und obergermanischer Limes!) beginnt mit dem hercynischen Walde das Land der Chatten. Sie wohnen nicht in so flachen und sumpfigen Gebieten wie die übrigen Stämme, die das weite Germanien aufnimmt. Denn die Hügel dauern an und werden erst allmählich seltener und so begleitet der Hercynische Wald seine Chatten und endet mit ihnen. Bei diesem Volk sind kräftiger die Gestalten, sehnig die Glieder, durchdringend der Blick und größer die geistige Regsamkeit. Für Germanen zeigen sie viel Umsicht und Geschick. Sie stellen Männer ihrer Wahl an die Spitze, gehorchen den Vorgesetzten, kennen Reih und Glied, nehmen günstige Umstände wahr, verschieben einmal einen Angriff, teilen sich ein für den Tag, verschanzen sich für die Nacht. Das Glück halten sie für unbeständig und nur die eigene Tapferkeit für beständig. Und was überaus selten und sonst allein römischer Kriegszucht möglich ist: sie geben mehr auf die Führung als auf das Heer. Ihre Stärke liegt ganz beim Fußvolk, dem sie nicht nur Waffen, sondern auch Schanzzeug und Verpflegung aufbürden. Andere zieht man in die Schlacht ziehen, die Chatten in den Krieg. Selten kommt es zu Streifzügen und nicht geplanten Kampf. Es ist ja auch die Art berittener Streitkräfte, rasch den Sieg zu erringen und rasch wieder zu entweichen. Doch Schnelligkeit grenzt an Furcht, Zögern kommt standhaftem Mute näher Ein Brauch, der auch bei anderen germanischen Stämmen vorkommt, Jedoch selten und als Beweis vereinzelten Wagemuts, ist bei den Chatten allgemein üblich geworden: mit dem Eintritt in das Mannesalter lassen sie Haupthaar und Bart wachsen, und erst, wenn sie einen Feind erschlagen haben, beseitigen sie diesen sie diesen der Tapferkeit geweihten und verpfändeten Zustand ihres Gesichts. Über dem Blut und der Waffenbeute enthüllen sie ihre Stirn und glauben, erst jetzt die Schuld ihres Daseins entrichtet zu haben und des Vaterlandes sowie ihrer Eltern würdig zu sein. Die Feigen und Kriegsscheuen behalten ihren Wust. Die Tapfersten tragen überdies einen eisernen Ring, sonst eine Schande bei diesem Stamm, wie eine Fessel, bis sie sich durch Tötung eines Feindes davon befreien. Vielen Chatten gefällt dieses Aussehen, und sie werden grau mit ihren Kennzeichen, von Freund und Feind gleichermaßen beachtet. Sie eröffnen jeden Kampf; sie sind stets das vorderste Glied, ein befremdender Anblick; denn auch im Frieden nimmt ihr Gesicht kein milderes Aussehen an. Keiner von ihnen hat Haus oder Hof sonstige Pflichten. Wen immer sie aussuchen, von dem lassen sie sich je nach den Verhältnissen bewirten. Sie sind Verschwender fremden und Verächter eigenen Gutes, bis das kraftlose Alter sie zu so rauhem Kriegerdasein unfähig macht.......Jetzt habe ich von den Sueben zu berichten. Sie sind nicht, wie die Chatten und Tencterer, ein einheitlicher Stamm. Sie bewohnen nämlich den größeren Teil Germaniens und gliedern sich wieder in besondere Stämme mit eigenen Namen, wenn sie auch insgesamt als Sueben bezeichnet werden..... (Tacitus; Germania 30, 31 und 38,1).“ „Von allen diesen Stämmen sind die Bataver am tapfersten. Sie bewohnen einen Streifen am linken Ufer und in der Hauptsache die Rheininsel. Ursprünglich ein Zweig der Chatten, zogen sie wegen des inneren Zwistes in die jetzigen Wohnsitze, wo sie dem römischen Reich einverleibt werden sollten (Tacitus; Germania 29,1).“ .......Germanicus übergab also Caecina vier Legionen, 5000 Mann Bundestruppen und die schnell zusammengerafften Scharen diesseitiger Germanen. Ebensoviel Legionen und doppelt soviel auxiliarer Truppen nahm er unter seinen eigenen Befehl, erbaute auf dem Taunusgebirge über den Trümmern der von seinem Vater angelegten Befestigungen ein Kastell (Friedberg oder Bad Nauheim, Rödgen ist wohl nicht gemeint) und führte das gepäcklose Heer eiligst in das Chattenland. L.Apronius blieb zurück, um die Straßen und Flüsse in gangbarem Zustand zu erhalten. Der Marsch war nämlich infolge einer in jenem Klima seltenen Dürre, bei geringem Wasserstand der Flüsse, ohne Hindernis vonstatten gegangen. Nun fürchtete er, bei dem Rückmarsch Regenwetter und angeschwollene Flüsse zu finden. Den Chatten kam seine Ankunft derart unerwartet, dass alle Widerstandsunfähigen, Greise, Kinder, Weiber, auf der Stelle gefangen genommen oder niedergehauen wurden. Die Krieger hatten sich schwimmend über die Eder gerettet, und suchten den Bau einer Brücke, den die Römer begannen, zu hindern. Wurfmaschinen und Pfeile verjagten sie; sie machten vergebliche Versuche, Friedensunterhandlungen anzuknüpfen. Dann liefen einige zu Germanicus über; die übrigen ließen Gau und Dorf im Stich und zerstreuten sich in die Wälder. Der Caesar steckte Mattium (irgendwo nördlich der Eder), so heißt der Hauptort des Stammes, in Brand, verwüstete das offene Land und kehrte an den Rhein zurück, ohne dass die Feinde wagten, die Abziehenden auf dem Marsch zu beunruhigen. Sie pflegen das zu tun, wenn sie mehr aus List als aus Furcht zurückgewichen sind. Die Cherusker hatten beabsichtigt, den Chatten zu Hilfe zu kommen; doch Caecina, der sich bald hier, bald dort zeigte, setzte sie in Schrecken, ebenso wie er die Marsen, die den Kampf mit ihm wagten, durch ein glückliches Treffen in Schach hielt (Tacitus Annalen; Buch I, 56).“ In demselben Sommer wurde zwischen Hermunduren und Chatten eine große Schlacht geschlagen, in der sie um den salzführenden Grenzfluss stritten. Außer ihrer Neigung, alles mit den Waffen zu entscheiden, wirkte dabei noch die religiöse Überzeugung mit, daß dieses Land dem Himmel am nächsten sei, und dass die Götter nirgends die Gebete der Menschen aus größerer Nähe hörten. Daher komme auch durch die Gnade der Götter in jenem Strome und in jenen Wäldern Salz zutage, nicht wie bei den anderen Völkern durch Ausscheidung beim Eintrocknen des Seewassers, sondern indem Wasser über einen brennenden Holzstoß gegossen werde, wachse das Salz aus den feindlichen Elementen Feuer und Wasser zusammen. Der Krieg war für die Hermunduren glücklich und wurde für die Chatten um so verhängnisvoller, als die Kämpfenden im Falle des Sieges die Gegner dem Mars (Tiu) und Merkur (Wotan) geweiht hatten. Durch dieses Gelübde verfällt alles Lebendige, Ross und Mann, dem Tode. Und so wüteten unsere Feinde (die beiden sich bekämpfenden Stämme) mit ihren Gelübden gegen sich selber (Tacitus Annalen; 13.Buch, 57).“ Dank Tacitus erfahren wir zahlreiche interessante Einzelheiten über die Chatten. Besonders interessant ist, dass sie in bestimmte Beziehungen zu den Batavern und Mattiakern standen, vor allem zu ersteren und dass sie einen anderen Hauptgott anbeteten als ihre Nachbarn, die Hermunduren, und dass, obwohl beide laut Plinius zum selben Hauptstamm der Germanen, den Hermionen, angehörten! Dieses Bedarf Erklärungen. Laut Tacitus opferten die Chatten dem Mercurius und die Hermunduren dem Mars. Mars wird üblicherweise mit Tiwaz und Mercurius mit Wodan gleichgesetzt. Aber opferten die Chatten tatsächlich Wodan? Jetzt müssen wir auf die Bataver zu sprechen kommen. Eine der bedeutendsten Städte der von Bataver hieß Lugdunum Batavorum! In der bedeutendsten keltischen Götter auf, ein Hinweis sein, dass die Bataver in Germanen waren! den Chatten abstammenden diesem Namen taucht einer nämlich Lugus! Dies könnte Wahrheit Kelten und keine Warum sonst hätten sie einen Städtenamen beibehalten sollen, der auf dem Namen eines fremden Gottes beruht? Auch andere batavische Gründungen tragen einen keltischen Namen wie Noviomagus oder Batavodurum. In jedem Fall führten die Bataver keltische Traditionen mit sich. Wenn die Bataver ihre Hauptstadt dem Lugus weihten, dann wird Lugus erst recht für Chatten und Mattiaker eine gewichtige Gottheit gewesen sein. Wenn sie alle tatsächlich keltische Stämme gewesen sind, dann stellt sich die Frage nach ihrem Ursprungsgebiet. Ws haben wir bisher aus den Quellen erfahren? Der Reihe nach: Die Chatten tauchen erstmals im Raum des Neuwieder Beckens auf, die Bataver am Niederrhein. Anschließend finden sich die Chatten im mittleren Lahntal, ehe sie für 15 n.Chr. erstmals in Nordhessen belegt sind. Doch gibt es da noch die wenig beachtete Quelle des Velleius Paterculus. Er berichtet für das Jahr 6 n.Chr., dass Chatten in Mainfranken siedelten wie man seit der Entdeckung des augusteischen Legionslagers von Marktbreit am Main nahe Würzburg sicher weiß. Wie kommen die Chatten in diese Region? Zog sich nach der Niederlage gegen Drusus im Jahre 11 v.Chr. ein Teil nach Mainfranken zurück, während die anderen im mittleren Lahntal verblieben? „Diesen Mann (Marbod) und dieses Land beschloss Tiberius Caesar im nächsten Jahr (6 n.Chr.) von verschiedenen Seiten anzugreifen. Sentius Saturninus erhielt den Auftrag, nach Rodungen der Waldungen an den hercynischen Wald (bei Marktbreit?) zu stoßen, durch das Land der Chatten (gemeint ist Mainfranken und nicht Nordhessen!) die Legionen nach Bojohemum - so heißt die Gegend, welche Maroboduus inne hatte - rücken zu lassen.....(Velleius Paterculus; Buch II, 109).“ „....Aber er kümmerte sich nicht darum, sondern fiel in das Gebiet der Chatten ein (9 v.Chr.) und rückte bis zum Gebiet der Sueben vor. Das Land, das er betrat, unterwarf er, aber nicht ohne blutige Kämpfe. Von da zog er zum Lande der Cherusker, überschritt die Weser und zog bis zur Elbe, indem er das ganze Land verwüstete......(Cassius Dio; 55, 1).“ In diesem Zusammenhang gewinnt plötzlich eine Quelle bei Caesar an Bedeutung, die bislang nicht einfach zu deuten war. Er weiß für den mainfränkischen Raum und Umgebung folgendes zu berichten: „Es gab einst eine Zeit, da die Gallier die Germanen an Tapferkeit übertrafen, sie aus freien Stücken bekriegten und wegen der Größe ihrer Bevölkerung und des Mangels an Ackerland Kolonisten über den Rhein schickten. So besetzten die tectosagischen Volcer die fruchtbarsten Landschaften Germaniens um den hercynischen Wald, den schon Eratostheuer (275 – 196 v.Chr.) und andere Griechen unter dem Namen des Orcynischen vom Hörensagen kannten. Jene Tectosagen leben bis auf den heutigen Tag in diesen Wohnsitzen und genießen wegen ihrer Gerechtigkeit und Tapferkeit hohes Ansehen.....(Caesar, Bellum Gallicum, Buch VI, 24).“ Tacitus wusste zu berichten, daß im Hercynischen Wald die Chatten lebten. Dagegen lebten laut Caesar seit mindestens um 200 v.Chr. die Volcae Tectosages. Wer waren diese Leute? Bei den Volcae handelt es sich wohl um einen Oberbegriff für alle keltischen Stämme, die rechts des Rheins lebten. Der Begriff Tectosagen bedeutet soviel wie „Herumtreiber, nach Wohnsitzen suchende“. Der Begriff Volcae könnte etwas mit Wölfen zu tun haben. Das heißt, Volcae Tectosages bedeutet soviel wie „herumstreunende Wölfe“. Das keltisch-germanische Mischphänomen, das Caesar bei den Volcae beschreibt, finden wir bei Tacitus bei den Chatten wieder! Der Hercynische Wald ist die geographische Klammer, die Volcae und Chatten miteinander verknüpft. War deren Siedlungsgebiet identisch? In jedem Fall scheinen die Chatten zu den Volcae gehört zu haben. Sie waren wohl deren nordwestlichster Exponent. Chatten wie wohl auch die Bataver und Mattiaker waren wohl der bedeutendste verbliebene Stammesverband, seit Helvetier und Boier um 85/60 v.Chr. nach Süden auswichen. Daher behielten sie zunächst auch den übergeordneten ethnischen Begriff Volcae bei. Strabon und Velleius um die Zeitenwende und Tacitus um 100 kannten dagegen schon keine Volcae mehr. Schuld daran dürften vor allem die augusteischen germanischen Feldzüge gewesen sein, als in deren Zuge die Römer Germanien bestens kennenlernten. Möglicherweise setzte auch schon mit der Konfrontation zwischen Caesar und Ariovist 58 v.Chr. die Germanisierung der chattischen Volcae in eine entscheidende Phase. Doch verlief sie allen Anschein nach langsam. Nun erneut zu den Batavern. Die Bataver besiedelten auch eine Insel mit dem heutigen Namen Walcheren. Die Wortbildungsbasis erinnert an Walha, die germanische Wiedergabe des Völkernamens Volcae. In der belgischen Provinz Namur existierte der Ort Valceodurum. Urheber der Benennung Walcheren dürften die Franken gewesen sein. Im Nordosten Galliens, vor allem in der Pfalz, äußert sich der gallische Götterglauben auf eine besondere Weise. Hier finden sich Weihungen an eine Gruppe von Gottheiten namens „dii Casses“, die wegen ihres Namens als Stammesgötter der oder bestimmten CassesStämme aufgefasst werden müssen. Sie lebten nahe zu den Chatten. Der Chattenname ist somit also ursprünglich keltisch und passt nicht nur hinsichtlich seiner sprachlichen Form und Etymologie, sondern auch hinsichtlich seines Inhalts. Der Chattenname tauchte aber wie zuvor erwähnt erst ab den augusteischen Germanenkriegen auf und die Gewährsleute waren wohl in erster Linie Germanen gewesen. „Casses“ bedeutet soviel wie „ordentlich frisiert“. Bei den Chatten sollte die verwilderte Frisur ausdrücken, dass ihre Träger, ähnlich den Beserkern, außerhalb der gesellschaftlichen Ordnung standen, in den meisten Fällen aber nur vorübergehend. Eine Frage, die offen bleibt, ist, warum es zum Streit zwischen Bataver und Chatten kam sowie wo und wann. Letzteres kann man zeitlich eingrenzen zwischen dem Beginn des Bellum Gallicums 58 v.Chr. und dem Beginn der augusteischen Germanenkriege 12 v.Chr. oder kurz vor der Umsiedlung der Ubier 19 v.Chr.. Hatte der Streit vielleicht etwas mit der Konfrontation zwischen Caesar und Ariovist zu tun gehabt oder der arvernisch-haeduischen Auseinandersetzung seit 72 v.Chr., in der auch die damals noch rechtsrheinischen Helvetier, Boier und Ariovist verwickelt waren? Konnte man sich nicht einigen, auf wessen Seite man sich schlagen sollte? Auffallend ist in jeden Fall, dass ab 11 v.Chr. Bataver wie Mattiaker auf römischer Seite, also antichattischer Seite standen! Laut Tacitus sind die Chatten zudem die einzigen, bei denen die Sitte des Berserkertums ganz regelmäßig, während dieses bei den benachbarten Stämmen nur selten und als Zeichen des persönlichen Wagemutes angeeignet haben. Auch die Chatten sind vom Phänomen der Gefolgschaftsaristokratie geprägt. Hier weist sie aber ein besonders archaisches religiöses Gepräge auf. Kriegertum hatte bei den Chatten sakrale Wurzeln, eine Art Weihekriegertum. Auch kann es kein Zufall sein, dass die antike Literatur den Brauch der rot gefärbten Haare bei Chatten, Mattiakern und Batavern lokalisiert. Demzufolge sind die Chatten rechts des Rheins derjenige Stamm, der am ehesten die Bezeichnung Volcae/Wölfe verdient. „Civilis (ein Bataver um 69/70) hatte nach einem bei Barbaren üblichen Gelübde nach Ausbruch des Krieges gegen die Römer sich das Haupthaar lang wachsen lassen und rot gefärbt. Nun erst, nach dem Blutbad unter den Legionen, schnitt er es ab. Man berichtet auch, er habe seinem kleinen Sohn einige der Gefangenen als Zielscheibe für seine Kinderpfeile und Kinderspeere überlassen (Tacitus Historien; Buch IV, 61,1).“ Plinius berichtete: „....Seife, eine Erfindung der gallischen Provinzen für das Rotfärben der Haare, man macht sie aus Talg (Fett) und Asche, die beste aus Buchenasche und Ziegentalg, und zwar in zwei Varianten, fest und flüssig. Für beide haben bei den Germanen mehr die Männer als die Frauen Verwendung...(Naturalis historiae Buch 28, 191)“ Martial Epigramme 14,26: „....chattische Seife entflamme die teutonischen Haare.“ Epigramme 14,27: „Wenn du deine vom Alter grauen Haare zu färben gedenkst, nimm mattiakische Seifenkugeln.“ Epigramme 8,33,20: „batavische Seife färbt latische Haare.“ Interessant ist, dass die roten Haare anderswo nicht beschrieben werden, weder für Goten, Sueben, Hermunduren oder Marcomannen. Sie verbleiben somit im geographischen, zum guten Teil aber auch im ethnographischen Umfeld der Chatten! Daher ist es nicht ungewöhnlich, dass sich auch die keltischen Galater und Boier ihre Haare rot färbten. Die Galater stammten wohl ursprünglich aus dem Raum der Volcer-Völker und die Boier waren ihre unmittelbaren südlichen Nachbarn gewesen. 2) DER WERDEGANG 1.JH.n.CHR.: DER CHATTEN IM Nach dem offiziellen Kriegsende im Jahre 19 durch Kaiser Tiberius zogen sich die Römer aus Germanien weitgehend zurück. Hauptgrenzlinie wurde der Rhein mit seinen zahlreichen Militärlagern. Ob im Zuge des Kriegsendes auch zu Verträgen mit den Chatten kam, ist unklar. In jedem Fall war das Verhältnis zwischen Rom und den Chatten um diese Zeit herum nicht durchgehend feindlich gewesen. Am 26.5.17 nahmen Chatten als Gefangene wie auch als Gäste auf der Ehrentribüne am Triumphzug des Germanicus in Rom teil. Während des Krieges gab es wohl auch prorömische Chatten. „Dafür mussten sie (die Aufständischen) aber alle büßen und dem jüngeren Germanicus die Gelegenheit zu einem glänzenden Triumph bieten, bei dem die vornehmsten Männer und Frauen persönlich im Triumphzug aufgeführt wurden: Segimuntus, der Sohn des Segestes, Anführer der Cherusker, und seine Schwester Thusnelda, die Frau des Arminius, der bei den Cheruskern Heerführer gewesen war, als sie gegen Quintilius Varus vertragsbrüchig wurden, und der noch jetzt (!) den Krieg fortführt, und deren dreijähriger Sohn Thumelicus, ferner Sesithacus, Sohn des Cheruskerfürsten Segimerus, mit seiner Frau Ramis, Tochter des Chattenführers Ucromerus, und der Sugambrer Deudorix, Sohn des Baetorix, eines Bruders des Melo. Segestes aber, der Schwiegervater des Arminius, hatte sich von Anfang an seinen Plänen widersetzt, war bei günstiger Gelegenheit übergelaufen und war nun beim Triumphzug über seine engsten Verwandten unter den Ehrengästen; auch Libes, Priester der Chatten, nahm als Zuschauer teil. Im Triumphzug mitgeführt wurden auch andere Vertreter der besiegten Stämme, der Kauker, Kampsaner, Bructerer, Usiper, Cherusker, Chatten, Chattuarier, Lander, Tubantier (Strabon; Geographika 7,1,4).“ Auch fragte im Jahre 20 ein Chatte bei den Römern an, ob er Arminius vergiften dürfe: „Bei Schriftstellern jener Zeit aus dem Senat finde ich die Nachricht, dass im Senat ein Brief des Chattenhäuptlings Adgandestrius verlesen wurde, in welchem dieser sich anbot, Arminius zu töten, wenn man ihm Gift schicke (gab es im Chattenland keine Gifte?), um diese Tat auszuführen. Die Antwort lautete, das römische Volk nehme an seinen Feinden nicht hinterlistig und heimlich, sondern offen und mit dem Schwert in der Hand Rache (mal was Neues). Mit diesem edlen Verhalten stellte sich Tiberius jenen alten Feldherrn an die Seite, die es abgelehnt hatten, den König Pyrrhos vergiften zu lassen, und ihm von dem Anschlag Mitteilung gemacht hatten. Übrigens wollte sich Arminius nach dem Abzug der Römer und der Vertreibung Marbods zum König machen, stieß aber bei seinen freiheitsliebenden Landsleuten (hier: Cherusker) auf Widerstand. Es kam zu einem Krieg gegen ihn. Er kämpfte mit wechselndem Glück und fiel dann durch die Arglist seiner Verwandten (Tacitus Annalen; 2.Buch, 88).“ Anschließend bleibt es an der chattischen Front für viele Jahre ruhig. Beide Seiten scheinen einen Vertrag miteinander geschlossen haben, der alle zufrieden stellte. Im Jahre 41 war es jedoch mit dem Frieden zwischen beiden definitiv wieder vorbei, als der obergermanische Statthalter Sulpicius Galba zu Beginn der Regentschaft Kaiser Claudius die Chatten angriff. „Es besiegte in diesem Jahr Galba Sulpicius die Chatten.....(Cassius Dio; Römische Geschichte 60,8).“ „Vom Kaiser Caligula wurde Galba an Stelle von Gaetulicus zum Legaten von Obergermanien ernannt. Gleich am Tage nach seiner Ankunft bei den Legionen verbot er den Soldaten, bei einem festlichen Schauspiel, ihren Beifall durch Händeklatschen zu bekunden und erließ einen Tagesbefehl, sie hätten die Hände unter dem Mantel zu halten. Sofort hieß es im ganzen Lager: „Lern' Soldat, soldatisch Wesen, Galba ist's, nicht Gaetulicus!“ Mit gleicher Strenge verweigerte er Urlaubsgesuche. Die gedienten Leute wie die Rekruten härtete er durch ununterbrochenen Dienst ab. Sehr bald warf er die Barbaren, deren Einfälle sich bis nach Gallien hinein erstreckt hatten, zurück und gewann, als der Kaiser Gaius (Caligula) das Land besuchte, sowohl für seine Person als für sein Heer in dem Maße die kaiserliche Anerkennung, dass unter den unzähligen, aus allen Provinzen zusammengezogenen Truppenteilen keiner eine höhere Belobigung und Belohnung erhielt (Sueton Galba 6.2.).“ Das ist schon alles. Wieso und weshalb es zum Krieg kam, ist unklar. Bekannt ist, dass Kaiser Caligula, der am 24.1.41 ermordet wurde, im Jahre 39 einen Germanenfeldzug startete, nachdem kurz zuvor Germanen Gallien erfolglos angegriffen hatten. Leider sind die Quellen aus jener Zeit mehr als unklar und Tacitus Angaben sind zu allem Überfluss auch noch verschollen. Unklar ist auch, wo genau die Kämpfe zwischen Römern und Chatten stattfanden, außer in Obergermanien. Da die Kämpfe anscheinend nicht lange andauernden, scheinen sie vor allem im Untermainraum und Wetterau stattgefunden zu haben, dem Einfallstor nach und von den chattischen Stammesgebieten. Anschließend wurde es wieder an der chattischen Front ruhig und Kaiser Claudius konnte in aller Ruhe im Jahre 43 seinen Britannienfeldzug starten. Im Jahre 49/50 kam es jedoch wieder erneut zu Kämpfen zwischen Chatten und Römern. Und dieses Mal wurde nachweislich um den Untermainraum und die Wetterau gekämpft. Zur selben Zeit setzte die Ankunft der Chatten, die auf Raub ausgingen, Obergermanien in Angst. Der Legat P.Pomponius sandte die Auxiliarcohorten der Vangionen (um Worms) und Nemeter (um Speyer) samt bundesgenössischer Reiterei aus und erteilte den Auftrag, die Räuber abzuschneiden oder sie unvermutet zu umzingeln, wenn sie sich zerstreut hätten. Mit Eifer kamen die Soldaten der Anordnung ihres Befehlshabers nach. Sie bildeten zwei getrennte Züge. Der eine nahm seinen Weg links und schloss die Feinde, die sich an ihren Beuteschätzen gütlich getan hatten und in tiefem Schlafe lagen, auf dem Heimweg ein. Der Erfolg war um so erfreulicher, als sie einige Leute von der Niederlage des Varus her nach vierzigjähriger Gefangenschaft befreien konnten. Die andere Abteilung marschierte rechter Hand und hatte also einen kürzeren Weg eingeschlagen. Die Feinde stießen mit ihr zusammen, wagten eine Schlacht und erlitten eine noch schlimmere Niederlage. Mit Beute und Ruhm bedeckt, gingen sie zum „mons tauno“ (Friedberg in der Wetterau) zurück, wo Pomponius mit den Legionen bereitstand, falls die Chatten, um Rache zu nehmen, sich auf eine Schlacht einlassen sollten. Die aber fürchteten, die Römer möchten ihnen auf der einen Seite, die Cherusker, mit denen sie ewig im Kampf liegen, auf der anderen Seite den Weg abschneiden, und schickten Gesandte und Geiseln nach Rom. Pomponius erhielt die Triumphalabzeichen, die aber nur einen kleinen Teil des Ruhms ausmachen, den er bei der Nachwelt genießt. Er ist als hervorragender Dichter bekannt (Tacitus Annalen XII, 27 – 29).“ Der Legat Obergermaniens P.Pomponius Secundus wehrte also den chattischen Angriff mit zwei aus Vangionen und Nemetern gebildeten gemischten Kampftruppen erfolgreich ab. Unklar ist nur, ob es sich hierbei um reguläre Cohorten oder kurz zuvor ausgehobene Einheiten handelte. Auch ist der Verlauf der Kämpfe unklar, die aber mit Sicherheit die gesamte Wetterau und wohl auch das mittlere Lahntal umfasst haben. Interessant ist in jedem Falle, dass seit Germanicus erstmals wieder römische Legionen am „mons tauno“ standen. Eine Vorentscheidung im Kampf um die Wetterau und dem unteren Maintal war somit gefallen und zwar zugunsten der Römer. 49, also dem Jahr der Kämpfe wurde nach neusten Erkenntnissen auch die Pfahljochbrücke bei Koblenz errichtet. Die Römer versuchten also auch im Neuwieder Becken rechts des Rheins Fuß zu fassen. Ebenfalls wurden am Niederrhein zahlreiche neue Kastelle errichtet und in Süddeutschland wurden die Kastelle vom Rhein an die Donau vorverlegt. Anschließend war es wieder für einige Jahre ruhig. Erst im Jahre 57, nun unter Kaiser Nero, wurde es im Land der Chatten unruhig. Schuld daran waren die Chauken, die aus unbekannten Gründen die Ampsivarier aus ihrem Lande gejagt hatten und diese nun ziellos in Germanien umherzogen, ehe sie versuchten im unmittelbaren Vorfeld des römischen Machtbereiches zu siedeln. Das passte den Römern überhaupt nicht und erneut mussten sie sich neues Siedelland zu suchen, auch bei den Chatten. Dies passte ihnen ebenfalls nicht. „Hierüber erregt antwortete Avitus: man müsse die Herrschaft der Besseren ertragen, es sei der Wille der Götter, die sie anriefen, dass bei den Römern die Entscheidung bleibe, was sie geben, was sie wegnehmen wollten, und dass sie keinen anderen Richter duldeten als sich selbst. Die entgegnete er den Ampsivariern in ihrer Gesamtheit, dem Boiocalus selbst aber erklärte er sich bereit, im Gedenken an seine Freundschaft Land zu geben. „Zum Leben kann der Raum uns fehlen, zum Sterben nicht.“ So schieden sie, Feindschaft im Herzen. Jene riefen die Bructerer, die Tencterer und auch entferntere Stämme als Bundesgenossen zum Krieg auf. Avitus schrieb an Curtilius Mancia, den Legaten der oberen Provinz, er solle den Rhein überschreiten und seine Waffen im Rücken des Feindes zeigen. Er selbst führte seine Legionen in die Mark der Tencterer und bedrohte sie mit der Vernichtung, wenn sie sich nicht von jenen trennten. Als diese zurücktraten, wurden die Bructerer durch dieselbe Drohung abgeschreckt. Und da auch die anderen sich von fremder Not abwandten, so blieb der Stamm der Ampsivarier allein und wich zurück zu den Usipetern und Tubanten. Als sie, aus deren Ländern vertrieben, die Chatten und dann die Cherusker angriffen, Fremdlinge im Elend, Feinde auf anderer Leute Boden, da wurde ihre Jungmannschaft erschlagen, die Wehrunfähigen als Beute verteilt (Tacitus Annalen; 13.Buch, 56).“ Kaum hatten die Chatten dieses für sie unangenehme Problem gelöst, bekamen sie ein neues. Es kam noch im selben Jahr zu schweren Kämpfen mit ihren östlichen Nachbarn, den Hermunduren. Da diese Verbündete der Römer waren, ist damit zu rechnen, dass sie ihre Hände mit im Spiel hatten. „In demselben Sommer wurde zwischen Hermunduren und Chatten eine große Schlacht geschlagen, in der sie um den salzführenden Grenzfluss stritten. Außer ihrer Neigung, alles mit den Waffen zu entscheiden, wirkte dabei noch die religiöse Überzeugung mit, dass dieses Land dem Himmel am nächsten sei, und dass die Götter nirgends die Gebete der Menschen aus größerer Nähe hörten. Daher komme auch durch die Gnade der Götter in jenem Strome und in jenen Wäldern Salz zutage, nicht wie bei den anderen Völkern durch Ausscheidung beim Eintrocknen des Seewassers, sondern indem Wasser über einen brennenden Holzstoß gegossen werde, wachse das Salz aus den feindlichen Elementen Feuer und Wasser zusammen. Der Krieg war für die Hermunduren glücklich und wurde für die Chatten um so verhängnisvoller, als die Kämpfenden im Falle des Sieges die Gegner dem Mars (Tiu?) und Merkur (Lugus) geweiht hatten. Durch dieses Gelübde verfällt alles Lebendige, Ross und Mann, dem Tode. Und so wüteten unsere Feinde (die beiden sich bekämpfenden Stämme) mit ihren Gelübden gegen sich selber (Tacitus Annalen; 13.Buch, 57).“ Beim in den Quellen genannten salzführenden Grenzfluss handelt es sich offensichtlich um die Salinen von Soden an der Werra, wo heute noch die Grenze zwischen Hessen und Thüringen verläuft. Selbst Lambert von Hersfeld, er lebte im 11.Jh., nannte diesen Fluss als Grenze zwischen Hessen und Thüringen. Im Jahr 57 wurde diese Grenze für immer festgelegt. Von den Teilnehmern der Schlacht hatte bestimmt niemand geahnt, dass ihr Tun solche gravierende Folgen haben könnte. Der eigentliche Sieger dieser Kämpfe waren jedoch die Römer gewesen, die mit diesem Schachzug damit gesorgt hatten, dass die Chatten vorerst anderweitig beschäftigt waren, so dass sie die Wetterau- und Untermainregion vorläufig in Ruhe lassen mussten. Ab dem Jahr 57 blieb es 12 Jahre ruhig in Germanien, ehe es erneut drunter und drüber ging. Doch dieses Mal waren die Probleme aus römischer Sicht hausgemacht. Am 9.6.68 verübte Kaiser Nero auf Druck der römischen Bevölkerung Selbstmord. Da er kinderlos war, starb mit ihm das julische Kaiserhaus aus. Dies war die Sternstunde ehrgeiziger Generäle und gleich drei von ihnen meldeten sich sowie ein Angehöriger des kaiserlichen Hofstaates. Da mit Vitellius auch der Westen des Reiches diesbezüglich einen Vertreter stellten, war vom beginnenden Bürgerkrieg selbstredend auch diese Region betroffen gewesen. Den germanischen Stämmen blieb dies nicht verborgen. Im Zuge des Bürgerkrieges gelang es den Chatten im Verbund mit Mattiakern und Usipetern, Mogontiacum (Mainz) zu belagern, also ein Legionslager! „Dann besannen sich die Einser, Vierer und Zweiundzwanziger und folgten wieder reumütig dem Vocula, von dem sie neuerlich unter Eid auf Vespasian genommen und zum Entsatz von Mogontiacum geführt wurden. Die Belagerer waren bereits abgezogen, ein aus Chatten, Usipern und Mattiakern zusammengewürfeltes Heer. Sie hatten genug Beute gemacht, mußten aber schweren Blutzoll zahlen, als sie ohne feste Ordnung und ahnungslos dahinzogen, waren unsere Soldaten über sie hergefallen. Sogar einen mit Faschinen verstärkten Erdwall errichteten die Treverer entlang ihrer Grenzen. Sie lagen im Krieg mit den Germanen, unter großen Verlusten auf beiden Seiten (Tacitus; Historien, Buch IV, 37).“ Sieger des Bürgerkrieges wurde im Jahre 70 Vespasian, der das Kaiserhaus der Flavier begründete. Gleich nach seinem Sieg beendete er die chaotischen Verhältnisse an der Rheingrenze. Statthalter in Obergermanien wurde Annius Gallus, der 74 durch Pinarius Cornelius Clemens abgelöst wurde. Unter ihm erfolgten die geplante Eroberungen in diesem Raum für das Jahr 74, der dafür die Triumphalinsignien erhielt. Es gab drei Operationsgebiete: a) Wetterau, b) die rechte Rheintalebene und c) der obere Neckarraum. Die ersten Erkundungszüge begannen wohl schon 70/71. Gleichzeitig wurden auch in Britannien Feldzüge getätigt. Die Operationen zur Eroberung Südwestdeutschlands erfolgten von Argentorate und Vindonissa (Windisch – legio XI Claudia). Es war die Geburtsstunde des Alblimes (Schwäbisch Alb), wenn er nicht doch erst unter Trajan errichtet wurde. Mogontiacum stellte ebenfalls Truppenteile. Unklar ist, wer zu diesem Zeitpunkt in der Wetterau siedelte. Stammesnamen sind nicht bekannt, was schließen lässt, dass hier keine größeren ethnische und politische Verbände existierten, was auch in gewisser Weise Tacitus bestätigt: „Nicht zu den Völkerschaften Germaniens möchte ich die Leute rechnen, die das Decumatenland bebauen, wenn sie sich auch jenseits von Rhein und Donau angesiedelt haben; gallisches Gesindel und aus Not Verwegene eigneten sich den umstrittenen Boden an. Bald darauf wurden der Grenzwall angelegt und die Wachen vorgeschoben; seither gilt das Gebiet als Vorland des Reiches und Teil der Provinz (Tacitus Germania 29,3).“ Aufgrund der Bodenfunde kann man sagen, dass in der ersten Hälfte des 1.Jhs. in der Wetterau und in der nördlichen Untermainebene eine germanische Bevölkerungsgruppe lebte, die intensive Beziehungen zu Mogontiacum und Umgebung unterhielten. Sie war aber nicht so groß, dass es zur Anlage ausgedehnter, längerfristig belegter Nekropolen kam. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass im rechtsrheinischen Vorfeld von Mogontiacum und Argentorate germanische Militärsiedler angesiedelt wurden und zwar in einer gewissen zeitlichen Staffelung, um die Neuansiedlung besser unter Kontrolle zu haben. Diesen Siedlern oblag die Vorfeldsicherung und der Schutz von Brücken und Straßen. Hierbei könnte es sich um mattiakische Stammesgruppen gehandelt haben, die nachweislich im östlichen Vorfeld von Mogontiacum siedelten. Unbedingt zuverlässig waren sie nicht, wie der Bataveraufstand bewies. Andererseits muss das Verhältnis zwischen ihnen und den Römern in großen und ganzen gut gewesen sein, denn sonst hätten die Römer sie aus ihrem Vorfeld um Mogontiacum wieder vertrieben und mit Sicherheit hätten die Römer später nicht die „Civitas Mattiacorum“ eingerichtet. Selbst nach der erfolglosen Belagerung von Mogontiacum unter anderem durch die Mattiaker ist nichts von römischen Strafmaßnahmen gegenüber ihnen bekannt geworden. Die Wetterau wurde flächenmäßig erschlossen. Sehr wahrscheinlich erhielt Clemens die Triumphalinsignien für die Besetzung der Wetterau. Denn nur hier gab es einen nennenswerten Feind zu bekämpfen: die Chatten eben. Unter Vespasian herrschte schließlich an der Chattenfront Ruhe. Dies änderte sich unter Kaiser Domitian, dem jüngsten Sohn Vespasians im Jahre 83. Es folgte ein dreijähriger Krieg, der schwerste zwischen Römern und Chatten seit Ende der augusteischen Germanenkriegen. Interessant ist, dass dieses Mal die Römer nicht auf einen chattischen Angriff reagierten, sondern selbst in die Offensive gingen. Leider ist dieser Teil von Tacitus Historien verloren gegangen, so dass bislang unklar ist, warum es zu diesem schweren Krieg kam und war für Ziele die Römer eigentlich verfolgten. „Auch einen Feldzug gegen Gallien und die germanischen Provinzen unternahm er, ganz unnötigerweise und gegen den Rat der Freunde seines Vaters (Vespasians), nur um nicht an Macht und Ansehen hinter seinem Bruder (Titus) zurückzustehen. Dies zog ihm den heftigen Tadel seines Vaters zu; damit er so eher an seine Jugend und seine Stellung gemahnt würde, musste er seitdem bei seinem Vater wohnen (Sueton Domitian 2,1).“ „Seine Feldzüge unternahm er teils aus eigenem Antrieb, teils gezwungenermaßen. Von sich aus den gegen die Chatten, aus Zwang einen gegen die Sarmaten, welche eine Legion samt ihrem Legaten niedergemetzelt hatten, und zwei gegen die Dacer; das eine Mal, um die Niederlage des Consularen Oppius Sabinus, das zweite Mal, um die des Praefecten der Praetorianercohorten, Cornelius Fuscus, zu rächen, dem er den Oberbefehl in diesem Krieg übertragen hatte. Nach mehreren Gefechten von ungleichem Erfolg hielt er über die Chatten (83 und 89) und Dacer (86 und 89) je zweimal einen Triumph. Zur Feier seines Sieges über die Sarmaten begnügte er sich, dem Capitolinischen Jupiter seinen Lorbeerkranz darzubringen (Sueton Domitian 6,1).“ „...Da der Kaiser Domitian Augustus Germanicus die Germanen, die unter Waffen standen, überwältigen wollte und wohl wusste, dass sie den Krieg mit größerem Kräfteaufgebot führen würden, wenn sie von der Ankunft eines so mächtigen Heerführers vorher Kunde erhielten, verschleierte er seinen Aufbruch zum Krieg durch das Eintreiben von Steuern in Gallien. Während dieser Aktion griff er sie unerwartet an, zerschlug die wilde Kraft der furchtbaren Völker und widmete sich dann wieder dem Wohl der Provinzen (Frontinus, Strategemata – Kriegslisten – I,1).“ „...Da die Germanen unsere Truppen nach ihrer Sitte öfter aus Wäldern und dunklen Schlupfwinkeln angriffen und einen sicheren Rückzug in die Tiefe der Wälder hatten, ließ der Kaiser Domitian Augustus auf 120 Meilen limites errichten und veränderte hierdurch nicht nur die Kriegslage, sondern unterwarf auch die Feinde seiner Gewalt, da er ihre Zufluchtsorte abgeschnitten hatte (Frontinus, Strategemata, I,3).“ „...Als die Chatten öfter das Reitergefecht durch ihren Rückzug in die Wälder hineinzogen, befahl der Kaiser Augustus Germanicus seinen Reitern abzusitzen, sobald sie auf Hindernisse stießen, und das Gefecht zu Fuß zu führen. Durch dieses Verfahren erreichte er, dass kein Ort seinen Sieg mehr aufhielt. ...Als der Kaiser Augustus Germanicus in dem Krieg, in dem er durch den Sieg über die Feinde den Beinamen Germanicus verdiente, im Gebiet der Kubier Kastelle errichtete, ließ er für die Ernte der Felder, die er durch seinen Wall umschloss, Schadenersatz bezahlen, und so machte er sich durch den Ruf der Gerechtigkeit alle zu Anhängern (Frontinus, Strategemata, II, 2-3).“ „Bei diesem Volk sind kräftiger die Gestalten, sehnig die Glieder, durchdringend der Blick und größer die geistige Regsamkeit. Für Germanen zeigen sie viel Umsicht und Geschick. Sie stellen Männer ihrer Wahl an die Spitze, gehorchen den Vorgesetzten, kennen Reih und Glied, nehmen günstige Umstände wahr, verschieben einmal einen Angriff, teilen sich ein für den Tag, verschanzen sich für die Nacht. Das Glück halten sie für unbeständig und nur die eigene Tapferkeit für beständig. Und was überaus selten und sonst allein römischer Kriegszucht möglich ist: sie geben mehr auf die Führung als auf das Heer. Ihre Stärke liegt ganz beim Fußvolk, dem sie nicht nur Waffen, sondern auch Schanzzeug und Verpflegung aufbürden. Andere zieht man in die Schlacht ziehen, die Chatten in den Krieg. Selten kommt es zu Streifzügen und nicht geplanten Kampf. Es ist ja auch die Art berittener Streitkräfte, rasch den Sieg zu erringen und rasch wieder zu entweichen. Doch Schnelligkeit grenzt an Furcht, Zögern kommt standhaftem Mute näher (Tacitus; Germania 30).“ „Hierauf zog er nach Gallien aus und plünderte einige Stämme jenseits des Rheines, die in friedlichen Beziehungen mit den Römern standen, eine Leistung, auf die er sich viel einbildete, wie wenn er etwas Großes zustande gebracht hätte (Cassius Dio; Römische Geschichte, Buch 67, 8,2).“ „Domitian unternahm einen Feldzug nach Germanien und kehrte zurück, ohne nur irgendwo etwas vom Krieg gesehen zu haben (Cassius Dio; Römische Geschichte, Buch 67, 8,4).“ „Die schwersten Kriege hatten die Römer zu dieser Zeit mit den Dacern zu führen, die damals unter dem König Decebalus standen (Cassius Dio; Römische Geschichte, Buch 67, 8,6).“ Das ist leider schon wieder alles, was uns die antiken Historiker über die zwei Chattenkriege des Domitians überliefert haben. Wieviele Feldzüge letztendlich geführt wurden und wo sie verliefen, ist praktisch unbekannt. Frontinus berichtet von einem Guerillakrieg der Chatten gegen die Römer, das heißt sie stellten sich ihnen keiner Entscheidungsschlacht. Dies zwang Domitian dazu mittels Schlagen von Schneisen in die Wälder auf diese Weise den Nachschub zu sichern. Gleichzeitig sicherte er damit auch das eroberte Gebiet. Wo diese aber angelegt wurden und wann genau, ist unklar. Möglicherweise datiert die spätere erste Limesanlage im Taunus und in der Wetterau in die Zeit des ersten Chattenkrieges. Andererseits war dieses Gebiet seit den Feldzügen des Legaten Clemens 72/74 fest in römischer Hand! Wie weit nach Norden führten die Feldzüge? Auch darüber schweigen die Quellen, auch die archäologischen. Sie konzentrierten sich in jedem Falle auf das Wetterau- und Taunusgebiet. Das könnte bedeuten, dass es Domitian tatsächlich wohl vor allem nur darum ging, dass einst von Clemens erreichte für alle Zeiten für Rom zu sichern. Für diese Annahme könnte eine Bemerkung Cassius Dio sprechen, als er meinte, dass die Römer den wichtigeren Krieg gegen die Dacer kämpften und nicht gegen die Chatten und dass Domitian ihn aus eigenen Antrieb begann und nicht aus Notwendigkeit. Auch dass er angeblich im ersten Feldzugsjahr keinen Feind zu Gesicht bekommen haben soll, spricht nicht unbedingt für die These, dass es Domitian darum ging, die Chatten ins Römische Reich einzugliedern. Merkwürdig ist auch die Stelle bei Frontinus, dass Domitian im Gebiet der Kubier Kastelle anlegen ließ. Außer in dieser Stelle werden die Kubier sonst nirgends in der antiken Literatur erwähnt. Möglicherweise griff Frontinus hier auf eine ältere Quelle aus augusteischer Zeit zurück. Vielleicht liegt hier eine Begriffsverwechslung oder ein Schreibfehler vor und gemeint waren die Ubier, die 19 v.Chr. von Agrippa umgesiedelt wurden. Wenn dies stimmen sollte, dann würde diese Stelle beweisen, dass einst die Wetterau und der Taunus ubisches Stammesland gewesen war. Wichtig zu wissen ist, dass Domitian bis zu seiner Thronbesteigung im Jahre 81 immer im Schatten seines älteren Bruders Titus gestanden hatte. Nach seiner Thronbesteigung stand er schließlich vor dem gleichen Problem wie seine Vorgänger Caligula und Claudius. Sie mussten ihre virtus imperatoria gegenüber ihrem Heer beweisen. Als Kaiser hatten sie Anspruch auf den militärischen Oberbefehl, doch keiner der drei genannten Kaiser konnte bei Amtsantritt irgendwelche militärischen Leistungen vorweisen. Dabei war es für einen Kaiser lebensnotwendig, von ihrem Heer anerkannt zu werden. Um diese Anerkennung von ihnen zu erlangen, musste er einen erfolgreichen Feldzug führen. Nur noch die Chatten boten sich bei seinem Amtsantritt als ernstzunehmender Gegner an sowie die permanent unruhige Donauregion. Cassius Dio schrieb zwar von einem unnötigen Krieg, doch kann dies nicht ganz der Wahrheit entsprechen; denn dazu bereitete er den Krieg sehr sorgfältig vor. Zuerst inszenierte er in Gallien einen census (Steuererhebung), ehe er überraschend die Chatten angriff. Wie wichtig ihm dieser Feldzug war, lässt auch die hohe Anzahl der am Feldzug beteiligten Legionen vermuten. Es waren sage und schreibe fünf Legionen samt einer Vexillation. Seit den Tagen des Germanicus hatte kein römischer Feldherr mit solch einer großen Streitmacht das freie Germanien angegriffen. Aus Obergermanien waren am Feldzug die legio I Adiutrix, XIV Gemina VIII Augusta und die legio XI Claudia beteiligt. Aus Niedergermanien nahm die legio XXI rapax aus Bonna teil sowie eine Vexillation der legio IX Hispana aus Britannien. Als Ersatz für die legio XXI rapax wurde die neuausgehobene legio Flavia Minerva in Bonna stationiert, die möglicherweise ebenfalls am Krieg teilgenommen hatte. Zumindest hatte sie den Rücken Domitians gedeckt. Nahmen aber andererseits alle gleichzeitig an den Feldzügen teil? Und warum waren so viele Legionen nötig? Kann es sein, dass sich die Feldzüge nicht nur auf die nordhessischen Chatten beschränkte, sondern sich auch gegen die mainfränkischen Chatten richtete, die in der entgegengesetzten Richtung lebten? Dafür könnte das 14ha große Kastell von Hanau-Kesselstadt westlich der Kinzig gelegen sprechen. Es war neben Rottweil das größte flavische Militärlager rechts des Rheins! Es diente möglicherweise als Depotund Versorgungslager für möglicherweise in Richtung Mainfranken operierende Verbände. Interessant ist, dass dieses Lager wohl von Anfang an aus Stein bestand! Es bestand aber nicht lange. Wohl im Zusammenhang mit den Saturniusaufstand Anfang 89 wurde es wieder aufgegeben. Ein weiteres Militärlager aus dieser Zeit lag in Bad Nauheim und war rund 6ha groß, also deutlich kleiner als das von Hanau-Kesselstadt. Nahe des weiter nördlichen gelegenen späteren Limeskastells Arnsburg entdeckte man kürzlich zwei weitere Militärlager. Ihre Zeitstellung ist noch unklar. Falls eines aber domitianisch sei sollte, spricht dies auch für massive Militäroperationen gen Norden. Was machten zudem eigentlich die römischen Verbündeten in Germanien, die bekanntlich an das Land der Chatten grenzten, also die Cherusker und Hermunduren? Waren die Chatten wirklich so stark, um sage und schreibe drei Jahre dieser Übermacht standzuhalten? Wenn meine Annahme bezüglich Mainfranken zutrifft, dann ließe sich erklären, warum der erste Chattenkrieg fast drei Jahre lang dauerte. Die römischen Heere hatten mit Nordhessen und Mainfranken ein riesiges Operationsgebiet abzudecken, dass zudem stark bewaldet und teilweise kaum besiedelt war wie der Odenwald und Spessart. Dies führte mit Sicherheit an vielen Stellen zu gravierenden Nachschubproblemen. Was war der konkrete Anlass dieses Krieges? Cassius Dio spricht von Ausplünderungen rechtsrheinischer Stämme, die bis dahin positiv zu den Römern standen. Was heißt das? War das der Grund, warum wir von germanischen Verbündeten auf römischer Seite nichts hören? Wie standen die Chatten zu Rom und den Flaviern nach Beendigung des Bataverkrieges? Viele Fragen, keine Antworten. Wie gesagt, an diesem Krieg ist vieles seltsam. Schade, dass Tacitus Berichte über diesen Krieg verschollen sind. „Als Nachbarn der Chauken und Chatten gaben sich die Cherusker unbehelligt einem allzu langen und erschlaffenden Frieden hin. Der brachte ihnen mehr Behagen als Sicherheit; denn es ist verfehlt, unter Herrschsüchtigen und Starken der Ruhe zu pflegen. Wo das Faustrecht gilt, sind Mäßigung und Rechtschaffenheit Namen, die nur dem Überlegenen zukommen. So werden die Cherusker, die einst die guten und gerechten hießen, jetzt Tölpel und Toren genannt; den siegreichen Chatten rechnet man das Glück als Klugheit an. Der Sturz der Cherusker riss auch die Foser mit sich, einen benachbarten Stamm; im Missgeschick sind sie Bündner gleichen Rechts, während sie im Glück zurückstehen mussten (Tacitus Germania 36).“ Leider sagt Tacitus nicht, wann genau die Chatten die Cherusker endgültig besiegten. Was heißt in diesem Zusammenhang „einen langen und erschlaffenden Frieden“? Endeten mit Italicus Sturz die Bürgerkriege der Cherusker oder erst viel später? Da Tacitus seine Germania im Jahre 98 schrieb, müssen die Chatten die Cherusker irgendwann zwischen 47 und 98 besiegt haben. Chariomerus, König der Cherusker, war wegen seiner Freundschaft mit den Römern durch die Chatten der Herrschaft beraubt worden. Zuerst sammelte er Gefährten, gewann die Oberhand und kehrte in sein Reich zurück; danach wurde er, da er den Römern Geiseln geschickt hatte, von seinen Gefährten im Stich gelassen und wandte sich nun hilfesuchend an Domitian. Beistand wurde ihm nicht gewährt, doch er erhielt Geld (Cassius Dio; Römische Geschichte; Buch 67, 10,5).“ Leider ist auch hier unklar, wann genau die Geschichte stattfand. Entweder geschah dies um 90 unmittelbar nach dem zweiten Chattenkrieg oder vielleicht unmittelbar vor dem ersten Chattenkrieg ab 83. Cassius Dios Angabe liegt leider nicht im Original vor! Noch eine kleine Geschichte am Rande: „Masyus aber, König der Semnonen, und Ganna, eine Jungfrau, die nach Veleda in Germanien als göttliche Weissagerin aufgetreten war, kamen zu Domitian; nachdem sie ehrenvolle Aufnahme bei ihm gefunden hatten, kehrten sie wieder in ihre Heimat zurück (Dies geschah im Jahr 84). Den bedeutendsten Krieg aber hatten die Römer in dieser Zeit gegen die Dacer zu führen (im Jahr 86.) (Cassius Dio, Römische Geschichte 67, 12,3).“ Hängen alle drei Geschichten miteinander in direkten Bezug? Wenn ja, dann könnte man es sich erklären, warum es zu einem dreijährigen Krieg mit den Chatten kam. Nach erfolgreicher Ausschaltung der Cherusker war das von den Römern in Germanien geschaffene Gleichgewicht empfindlich zu Gunsten der Chatten verschoben wurde. Was machten eigentlich die Hermunduren zu dieser Zeit? Hängt deren Nichterwähnung in irgendeinen Zusammenhang mit der römischen Kontaktaufnahme zu den an der Elbe lebenden Semnonen? Viele Fragen, aber keine sicheren Antworten. Da die legio XXI rapax aus Bonna am Feldzug teilnahm, deutet daraufhin, dass es nicht nur gegen die Chatten ging, sondern auch gegen die im Neuwieder Becken lebenden Usipeter, die mit den Chatten oft gemeinsame Sache gemacht haben. Für diese Vermutung könnte ein Ereignis aus Britannien sprechen, als 83 eine nach Britannien verlegte Usipetercohorte desertierte. Das bedeutet wiederum, dass es Domitian schon gleich zu Anfang gelungen war, das Neuwieder Becken zu besetzen. Ab 85 findet man auf viele Münzen die Nachricht vom Sieg gegen die Chatten. Vielleicht ließ Domitian zudem unter nachweislicher Beteiligung der legio XIV Gemina den Ehrenbogen von Mainz-Castel errichten. Die legio XIV Gemina war vor 43 und zwischen 70 und 97 in Mogontiacum stationiert gewesen. Desweiteren ließ Domitian im gesamten Reich weitere Siegesdenkmäler errichten. Das zeigt, wie innenpolitisch wichtig dieser Krieg für Domitian gewesen war. Aber auch aus militärischen Gründen war dieser Krieg alles andere als unnötig gewesen wie es uns die antiken Autoren glauben machen wollen. Durch das Abdrängen der Chatten ins Innere Germaniens hatte er für den im Sommer 85 beginnenden Dacerkrieg die Hände frei gehabt. Er musste keinen Zweifrontenkrieg mehr befürchten. Der Chattenkrieg Domitians war so gesehen ein voller Erfolg! Nicht umsonst sprach Domitian von der „Germania capta“ („besiegtes Germanien“), auch wenn Tacitus darüber nur müde lächeln konnte: „640 Jahre zählt unsere Stadt, als man unter dem Consulat des Caecilius Metellus und Papirius Carbo zum ersten Male von den Waffentaten der Cimbern vernahm. Rechnen wir von da ab bis zum zweiten Consulat des Kaisers Trajan, dann ergeben sich ungefähr 210 Jahre: so lange schon wird Germanien besiegt (Tacitus, Germania 37)!“ Aber vielleicht hatte Tacitus ihn missverstanden und mit „Germania capta“ feierte Domitian weniger den Sieg über die Chatten und über ganz Germanien als die erfolgreiche Einrichtung der neuen germanischen Provinzen. Immerhin nahm Domitian bekanntlich schon im Herbst 83 den Ehrentitel „Germanicus“, obwohl der Chattenkrieg offiziell noch längst nicht beendet war. Wurden wegen der Einrichtung zweier neuer Provinzen so viele Legionen benötigt? Unklar bleibt nur, wie Rom mit den geschlagenen Chatten umgegangen ist. Ins Reich wurden sie in jedem Fall nicht eingegliedert. Wie sah daher der Friedensvertrag aus, den es mit Sicherheit gegeben haben muss, denn sonst hätte schließlich Domitian kaum mit solchen Pomp seinen Sieg über die Chatten feiern können? Kam es zu Unterwerfungsszenen seitens chattischer Adliger? Wurde ein Clientelverhältnis begründet? Das wiederum würde bedeuten, dass es den Römern gelungen, die romfeindliche Partei bei den Chatten zu vertreiben oder zumindest stark zu schwächen. Die Quellen schweigen. In jedem Fall war es Domitian gelungen, die römischen Positionen in Hessen, die seit Vespasian bestanden, zu behaupten und zwar auf Dauer. Durchaus ein großer Erfolg! Bleibt noch eine interessante Frage offen. Was hat es mit den bei Frontinus genannten „limites“ auf sich, die 120 Meilen lang gewesen sein sollen und wo lagen diese? Man nimmt heute überwiegend an, dass es sich nicht um die Urlinie des obergermanischen Limes handelt, sondern um von den Römern in die Wälder geschlagenen Schneisen, um den Vormarsch römischer Truppen zu erleichtern. Neuerdings nimmt man an, dass eine dieser limites in der östlichen Wetterau lag, an der Linie Heldenbergen - Windecken - Mittelbuchen Hanau-Salisberg. Jedoch ist noch unklar, ob diese Linie tatsächlich in die Jahre des Chattenkrieges gehört und nicht vielleicht doch ein wenig später errichtet wurde. Im Januar 89 kam es in Mogontiacum zu einem Aufstand des dortigen Statthalters Saturnius. An diesem nahmen auch die Chatten auf Seiten des aufständischen Statthalters teil. Doch konnte der Aufstand rasch zugunsten des Kaisers entschieden werden. So mussten sich die Chatten vom Rhein wieder zurückziehen. „Einen Bürgerkrieg, welchen der Statthalter von Obergermanien, Lucius Antonius, angezettelt hatte, beendete Domitian, ohne persönlich einschreiten zu müssen, mit Hilfe eines wunderbaren Glücksumstandes; denn gerade in der Stunde des Entscheidungskampfes taute plötzlich der Rhein auf und verhinderte die Truppen der Barbaren (Chatten), die zu Antonius stoßen wollten, am Überschreiten des Stromes. Von diesem Siege erfuhr der Kaiser früher durch Vorzeichen, als durch Boten. Am Tage der Entscheidungsschlacht nämlich umfasste ein prächtiger Adler seine Statue in Rom mit den Flügeln und stieß dabei helle Jubelschreie aus. Kurz darauf verbreitete sich die Nachricht, Antonius sei erschlagen, mit solcher Bestimmtheit, dass viele sogar steif und fest behaupteten, sie hätten seinen nach Rom gebrachten Kopf gesehen (Sueton, Domitian 6,2).“ „Er (Domitian) verbot, zwei Legionen in ein Lager zusammenzuziehen; ferner durfte kein Soldat mehr als 1000 Sesterzen bei der Legionskasse hinterlegen. Denn es stellte sich heraus, dass Lucius Antonius, der zwei Legionen in einem Winterlager vereinigt hatte, seinen Aufstandsversuch gerade im Vertrauen auf die hohen Summen der von seinen Soldaten deponierten Gelder in die Wege geleitet hatte. Durch eine jährliche Zulage von drei Goldstücken erhöhte der Kaiser die Löhnung der Soldaten um ein Drittel (Sueton, Domitian 7,3).“ Im Zuge dieser Ereignisse wurden die beiden germanischen Provinzen gegründet. Unklar ist bislang nur, wann genau. Zwei Militärdiplome setzen die Gründung jedoch zwischen dem 20.9.82 und dem 27.10.90. Möglicherweise hatte Domitian dies schon seit längerem geplant und nutzte den ersten Chattenkrieg als Anlass zum Umsetzen seines Vorhabens. In diesem Falle wäre die Gründung frühestens für das Jahr 84 anzusetzen. Andererseits könnte die Ernennung des L.Iavolenus Priscus zum neuen Statthalter Obergermaniens 89 für einen Zeitansatz nach den beiden Chattenkriegen sprechen. Priscus war immerhin einer der berühmtesten Juristen seiner Zeit. Auch hatte er kurz vorher in Britannien bewiesen, was er auf diesem Gebiet konnte, nämlich eine ganze Menge. Für diese Aufgabe war er somit bestens qualifiziert. Auch sprach Domitian nach seinem Sieg über die Chatten von der „Germania capta“. Gleichzeitig bedeutete die Berufung eines Juristen auf diesen wichtigen Posten eine Abkehr von einer weiteren Eroberungspolitik gegenüber dem freien Germanien. Auch die Tatsache, dass nur noch drei statt vier Legionen in Obergermanien stationiert blieben, ist ein Indiz hierfür. In Argentorate lag die legio VIII Augusta und in Vindonissa die legio XI Claudia, sowie in Mogontiacum die legio XXII, beziehungsweise bis 97 vielleicht doch noch die legio XIV. Zu Priscus Aufgaben gehörte auch, die neue Provinz auch nach außen hin zu schützen und zu festigen. Das heißt die Schäden des Jahres 89 mussten als allererstes beseitigt werden. Wie die Chatten auf die neueingerichteten Provinzen reagierten, ist unbekannt. Da man aber bis zum Jahre 161 nichts mehr von ihnen hört, ist damit zu rechnen, dass es zu irgendeinen römisch-chattischen Vertrag gekommen sein muss, in dem die Einflussspähren beider Mächte bestimmt wurden. Von einem Limes, wie man ihn heute im Gelände noch größtenteils sehen kann, ist aber unter der Herrschaft Domitians noch nicht zu sehen. 3) DER WERDEGANG DER CHATTEN VON TRAJAN BIS ZUM ERSTEN AUFTRETEN DER ALAMANNEN IM JAHRE 289: Nach 101 lagen in den beiden germanischen Provinzen nur noch jeweils zwei Legionen, also vier insgesamt. Noch im Jahre 10, also ein Jahr nach der römischen Niederlage im Wiehengebirge, dem antiken Teutoburger Wald, standen immerhin neun Legionen am Rhein, also mehr als doppelt so viele. Allein dieser Umstand zeigt, wie sehr Rom die inneren Angelegenheiten Germaniens mit der Zeit in den Griff bekommen hatte. Rom brauchte wirklich nicht mehr Germanien bis zur Elbe zu erobern. Nur die Zahl der in Germanien stationierten Hilfstruppen (Auxilien) blieb konstant. Wohl um 110 wurde schließlich die erste Linie des obergermanischraetischen Limes eingerichtet. Er erhielt laut Ammianus Marcellinus den Namen „Munimentum Traiani“. Wie reagierten die Chatten eigentlich auf diese sichtbare neue Grenzlinie? Da man nichts von ihnen in dieser Phase hört, wurde sie wohl vertraglich festgelegt. Im Zuge des Limesbaues ist es zudem sehr wahrscheinlich, dass unter Trajan die ersten civitates eingerichtet wurden. Schließlich war er es, der die Truppen aus dem Limeshinterland an die Front verlegte. Erst mit dieser Maßnahme war es möglich geworden, die Provinz zivil zu strukturieren. Unklar ist nur, in welchem Jahr dies geschah. Schon 98 oder erst mit dem endgültigen Truppenabzug? Es waren die civitates Ulpia Mattiacorum mit dem Hauptort Aquae Mattiacae (Wiesbaden), die civitates Ulpia Taunensium mit dem Hauport Nida (Frankfurt-Römerstadt), die civitates Auderiensium mit dem Hauptort Med...(Dieburg) und die civitates Ulpia Sueborum Necretum mit dem Hauptort Lopodunum (Ladenburg). Unklar ist, ob unter Trajan noch weitere Civitates eingerichtet werden sollten. Als heißer Kandidat gilt das Hessische Ried mit seinem Zentrum Groß-Gerau (Vicus Augustana?). In einem Mithräum fand sich für spätere Zeit eine Weiheinschrift eines Stifters aus Castellum Mattiacorum. Wurde das Ried schließlich der Civitas Mattiacorum oder eher der Civitas Taunensium angeschlossen? „Sein Nachfolger war Ulpius Crinitus Trajanus, zu Italica (nordwestlich von Sevilla) in Spanien geboren, aus einer mehr alten als berühmten Familie; denn sein Vater war der erste in ihr, der das Consulat bekleidete; zum Kaiser aber wurde er bei Agrippina (Köln) in Gallien ausgerufen. Seine Staatsverwaltung war eine solche, dass er mit Recht allen anderen Regenten vorgezogen wird. Er besaß eine außerordentliche Leutseligkeit und Tapferkeit. Die Grenzen des Römischen Reiches, das seit Augustus mehr verteidigt als ansehnlich vergrößert worden war, dehnte er weit und breit aus; er eroberte die Städte Germaniens jenseits des Rheins wieder, unterwarf Dacien (101 – 103 und 105 – 106) nach Besiegung des Decebalus und gründete jenseits der Donau eine Provinz (106) in den Landstrichen, welche jetzt die Thaipalen, Victoalen und Thervinger inne haben. Diese Provinz hatte einen Umfang von einer Million Schritten (ca.200 Meilen) (Eutrop, Abriss der Römischen Geschichte VIII, 2).“ Jenseits des Rheins kann Trajan zu dieser Zeit keine Städte erobert haben, weil es nämlich keine gab. Daher vermutet man, Eutrop könnte gemeint haben, dass Trajan endgültig alte Positionen für Rom jenseits des Rheins wieder zurückerobert habe und mit dem Aufbau einer richtigen Provinzialverwaltung begann. Diese Stelle ist der einzige überlieferte versteckte Hinweis, dass tatsächlich unter Trajan die Civitates rechts des Rheins eingerichtet wurden. Im Zuge dieser Verwaltungsorganisation wurden wohl auch die letzten im Hinterland liegenden Kastelle mit Ausnahme des in der Wetterau strategisch wichtig gelegenen Friedberg aufgelöst. In Friedberg war bis um 260 die „cohors I Flaviae Damascenorum milliaria equitata Sagittariorum“ stationiert. Andererseits brechen die Münzreihen im Hinterland nicht völlig ab und laufen weiter. Aus diesem Grunde lässt sich der Zeitpunkt der Auflösung der Kastelle im Hinterland mit Ausnahme von Friedberg nicht eindeutig bestimmen. Auch lässt sich nicht sagen, ob der Standortwechsel von der Mitte an die Ränder in einem Jahr oder in mehreren Jahren erfolgte. Obwohl dieses von Trajan initiierte Grenzsystem äußerst empfindlich gegenüber feindlichen Übergriffen war, änderte man an diesem Grenzkonzept nichts mehr. Es ist zudem zu vermuten, dass berittene Aufklärungseinheiten existierten, die ihr zugewiesenes Vorfeld regelmäßig kontrollierten. Auch römisch/griechische Händler werden ihr Scherflein als Kundschafter zur Sicherheit des Decumatenlandes beigetragen haben. So war kein Germanenstamm in der Lage gewesen, einen Großangriff auf die Provinz unbemerkt zu planen und durchzuführen. Nur kleinere Räuberbanden konnten daher für die Bewohner des Decumatenlandes ernsthaft gefährlich werden, da man sie höchstens durch Zufall rechtzeitig entdecken konnte. Interessant in diesem Zusammenhang sind auch die zu dieser Zeit von Rom herausgegebenen Münzen. Besonders unter Trajans Nachfolger Hadrian (117 – 138) ließen deren Münzbilder keinen Zweifel daran, dass Rom Germanien als einen Teil des Reiches ansah. Rom hatte mit seiner Interpretation der Verhältnisse in Germanien noch nicht einmal unrecht. Von Propaganda kann meines Erachtens in diesem Falle keine Rede sein, denn es gab in ganz Germanien für Rom zu dieser Zeit keinen ernstzunehmenden Gegner mehr. Hadrian legte schließlich die Grenzlinie endgültig fest, indem er um 119 den obergermanischen Limes mit einer Palisade befestigen ließ. 121/122 erschien der Kaiser gar persönlich in Germanien und an der Grenzlinie, um zu sehen, ob seine Befehle auch tatsächlich wie gewünscht ausgeführt wurden. Dabei wurden wohl erneut Verträge mit den Grenznachbarn, allen voran den Chatten, geschlossen. „Danach reiste er nach Gallien, wo er alle Gemeinden mit verschiedenen Beweisen seiner Huld unterstützte. Von dort ging er nach Germanien hinüber und übte, mehr nach Frieden als nach Krieg trachtend, die Truppen ein, als ob der Krieg bevorstünde. Dabei gab er den Soldaten ein Vorbild im Ertragen von Strapazen.... ....Um diese Zeit – wie auch sonst öfter – ließ er in vielen Gegenden, in denen die Barbaren nicht durch Flüsse, sondern durch Grenzwälle von uns geschieden werden, mächtige Baumstämme als einen mauerartigen Zaun tief in den Erdboden einrammen und miteinander verbinden und errichtete so eine Markscheide zwischen uns und den Barbaren. Den Germanen gab er einen König, Unruhen bei den Mauren unterdrückte er,...(Scriptores historiae Augustae, Hadrian).“ Den Germanen gab er einen König! Was heißt das? Meinte er sich gar selbst? Man kann nur spekulieren. Wieviel Holz waren zum Bau der Palisade notwendig? Geht man von einem durchschnittlichen Pfahldurchmesser von 15cm aus, so benötigte man für 1km ca.6.660 Pfähle oder je nach verwendeter Baumart beziehungsweise. –größe rund 2000 bis 3000 Bäume. Für den obergermanischen Limes benötigte man maximal rund 1.125.000 Bäume, für den raetischen Limes maximal rund 525.000 Bäume, für den obergermanisch-raetischen Limes insgesamt rund 1.650.000 Bäume! Ausbesserungsarbeiten der raetischen Limespalisade zwischen Gunzenhausen und Weißenburg fanden mittel eines Flechtwerkzaunes statt. Dies war wohl als ein Provisorium gedacht, da anscheinend der Ausbau mit Mauer schon geplant war oder gab es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr genügend Holz? „Hadrian durchreiste eine Provinz nach der anderen, wobei er die einzelnen Länder und Städte aufsuchte und alle Garnisonen und Festungen besichtigte. Einige von diesen verlegte er an passendere Plätze, andere hob er ganz auf, und wieder andere richtete er neu ein. Hierbei nahm er alles und jedes persönlich in Augenschein und überprüfte nicht nur die allgemeinen Ausstattungen der Lager wie Waffen, Maschinen, Gräben, Wälle und Palisaden, sondern auch die persönlichen Dinge eines jeden Einzelnen, sowohl der in der Truppe dienenden Mannschaften als auch der Offiziere selbst, als da sind Lebensweise, Quartiere und Sitten. Und in vielen Fällen änderte und verbesserte er ihre Lebensgewohnheiten und Einrichtungen, die allzu üppig geworden waren. Er exerzierte die Leute in jeder Kampfesweise, zeichnete die einen aus, tadelte die anderen und unterwies alle in den nötigen Aufgaben. Und damit sie aus seinem persönlichen Vorbild Nutzen zögen, führte er allenthalben eine harte Lebensweise, legte sämtliche Strecken zu Fuß oder zu Pferd zurück und bestieg in dieser Zeit weder ein leichtes Gefährt noch einen vierrädrigen Wagen. Er bedeckte auch weder bei Hitze noch bei Kälte sein Haupt, sondern ging sowohl in den Schneemassen Germaniens wie unter der Sonnenglut Ägyptens gleichermaßen barhäuptig einher. Kurz gesagt, durch sein Beispiel wie durch seine Anweisungen drillte und erzog er so das gesamte Heer über das gesamte Reich hin, dass selbst heute noch die von ihm eingeführten Ordnungen den Soldaten als Norm der Kriegführung dienen. Vor allem deshalb lebte auch Hadrian die meiste Zeit in Frieden mit den fremden Völkern; denn da sie seinen Rüstungsstand sahen und selbst keinen Übergriffen ausgesetzt waren, ja sogar noch Zahlungen empfingen, dachten sie an keinen Aufstand. Sein Militär war tatsächlich so ausgezeichnet geübt, dass die sogenannte batavische Reiterei in ihrer Rüstung den Ister durchschwamm. Indem sich nun die Barbaren dies alles vor Augen hielten, erzitterten sie vor den Römern und wandten sich lieber gegeneinander, wobei sie Hadrian zum Schiedsrichter ihrer wechselseitigen Streitigkeiten nahmen (War dies vom Schreiber der Scriptores gemeint, als er davon sprach, daß er den Germanen einen König gab?). Er errichtete, während er durchs Land von Stadt und Stadt reiste, auch Theater und ließ Spiele abhalten. Dabei verzichtete er aber auf den kaiserlichen Prunk, dessen er sich niemals außerhalb Roms bediente. Und doch sah er nie sein Heimatland, wiewohl er ihm große Ehrungen erwies und viele glänzende Geschenke machte (Cassius Dio, Römische Geschichte, Buch 69, 9 und 10).“ Nachdem Hadrian die Verhältnisse an der obergermanisch-raetischen Grenze geklärt hatte, sah man und hörte man auch weiterhin nichts von kriegerischen Aktivitäten seitens der Chatten. Wahrscheinlich hatten sie vom Kaiser günstige Handelsverträge und Zutrittsbedingungen in die beiden Provinzen erhalten, die es ihnen erleichterte, diese neue Grenze endgültig zu akzeptieren. Wohl 145/46 wurde der Limes in Stein ausgebaut. Ab 155 begannen schließlich die Römer den Limes auf einer Linie von Wörth nach Pförring um rund 30km auf die Linie Miltenberg-Aalen-Eining vorzuverlegen. Dies geschah wohl unter dem obergermanischen Statthalter C.Popilius Carus Pedo. Spätestens abgeschlossen war die Vorverlegung im Jahre 161/62, als Agricola obergermanischer Statthalter war. Zwischen Pedo und Aufidius Victorinus war Tuscus Statthalter der Provinz. Die Vorverlegung war wohl eine Reaktion auf einen starken Bevölkerungszuwachs im mainfränkischen Raum, also im chattischen Raum gewesen. Die Reaktion seitens der Chatten ließ nicht lange auf sich warten. 162 folgten schwere chattische Angriffe auf den obergermanisch-raetischen Limes. „Es drohte ein Krieg in Britannien, und die Chatten waren in Germanien und Raetien eingefallen. Gegen die Britannier wurden nun Calpurnius Agricola und gegen die Chatten Aufidius Victorinus geschickt (Historia Augusta; Marcus Aurelius 8).“ Der praktisch nur so nebenbei erwähnte Einfall der Chatten von 162 muss jedoch gefährlicher gewesen sein wie oft vermutet. Dies könnte ein unscheinbarer Grabstein aus Obernburg am Main (Nemaninga?) beweisen. In der Inschrift heißt es wie folgt: „Den Totengöttern. Für die Eheleute Girisoni, Sohn des Cubus, und Bibulia, Tochter des Verecundus, hat Gibais aus Pflichtgefühl dieses Erinnerungsmal errichten lassen. Auch im Gedenken an den Spartaner Othryades.“ Interessant ist besonders die letzte Zeile, die auch einen Spartaner namens Othryades nennt. Wer war dies? Dazu muss man weit zurückgehen in die Zeit des großen griechischen Geschichtsschreibers Herodot aus dem 5.Jh.v.Chr.. Unter anderem berichtete er von einem Kampf zwischen 300 Argeiern und 300 Spartanern, die sich bis auf zwei Argeiern und den Spartaner Othryades gegenseitig getötet hatten. Othryades war so unglücklich darüber, dass er als einziger überlebt hatte, dass er sich schließlich selbst umbrachte. Und so nannte man noch in der römischen Kaiserzeit eine Schlacht, bei der es sehr viele Tote gegeben hatte, „Schlacht des Othryades“! Wohl gleichen Datums ist eine weitere Inschrift, genauer Bauinschrift, aus Obernburg aus dem Jahre 162. Es heißt: „Dem Imperator Caesar Marcus Aurelius Antoninus Augustus pontifex maximus, Consul zum dritten Mal, und dem Imperator Caesar Lucius Aurelius Verus Augustus, im zweiten Jahr seiner tribunizischen Gewalt, Consul zum zweiten Mal, von der mit dem Bürgerrecht ausgestatteten cohors IIII Aquitanorum equitata.“ Beide Inschriften beweisen meiner Meinung nach, dass es 162 im Mittelmaingebiet sehr schwere Kämpfe zwischen Römern und mainfränkischen Chatten gegeben haben muss, die für beide Seiten äußerst verlustreich waren und zu schweren Schäden an den Mittelmainkastellen führten, die sich archäologisch auch nachweisen lassen. Ab 165 begannen die Marcomannenkriege (165 – 175 und 177 – 182), die zeitweise ganz Germanien in Unruhe versetzten. Im Zuge dieses auch für die Römer verlustreichen Krieges versuchten 170/71 die Chatten erneut, die römische-chattische Grenze zu ihren Gunsten zu revidieren. Doch auch dieses Mal scheiterten sie und zwar gegen den obergermanischen Statthalter Didius Julianus. „...Das Aedilat erhielt er dank der Fürsprache des Marcus. Demselben Gönner verdankte er die Praetur. Nach seiner Praetur kommandierte er in der Provinz Germanien die 22.Legion, die den Beinamen Primigenia führt. Dann verwaltete er lange Zeit höchst gewissenhaft die Provinz Belgica. Dort trat er den Chauken, germanischen Stämmen, die an der Elbe wohnten und hereingebrochen waren, mit Hilfstruppen aus der Provinz entgegen, die er in der Not eilig zusammengerafft hatte. Dadurch erwarb er sich laut kaiserlichem Zeugnis einen Anspruch auf das Consulat. Auch die Chatten schlug er völlig....(Scriptores Historiae Augustae, Didius Julianus, 1).“ Dies ist die letzte sichere Erwähnung der Chatten in der antiken Überlieferung. Alle weiteren Erwähnungen der Chatten gelten als unsicher. Wo genau die Chatten in Obergermanien eingefallen waren, ist nicht ganz klar. Aber die archäologischen Befunde sprechen von größeren Zerstörungen im Bereich der Wetterau und Nidas, als uns die Quellen glauben machen wollen. Nach einem 1962 in Stockstadt gefundenen Münzschatz zu schließen, war auch das Untermaingebiet von den Unruhen betroffen gewesen. Der Münzschatz, in einer Papierfabrik gefunden, umfasste 1316 Denare und sechs Goldstücke. Er ist um 170 im Inneren des Kastells in einem Tonkrug vergraben worden. Sein(e) Besitzer hatte(n) ihn nicht wieder heben können. Da er innerhalb des Kastells gefunden wurde, ist damit zu rechnen, dass hier die Ersparnisse von Soldaten vergraben wurden, die möglicherweise in den Kämpfen umkamen. 171 wurden durch Helvius Pertinax, dem späteren Kaiser (1.1.193 – 28.3.193) Raetien und Noricum wieder von seinen Feinden befreit. Als Folge der germanischen Besetzung wurde Raetien von einer procuratorischen in eine praetorische Provinz umgewandelt. Bis 170 war der Chef der Verwaltung ein nahezu allmächtiger ritterlicher Procurator gewesen, der vom Kaiser bestimmt wurde. Danach übernahmen senatorische Legaten die Verwaltung, die nun vom Senat bestimmt wurden. In Raetien fungierten bis ca.290 die Ritter aber als ihre Stellvertreter, ehe sie wieder Raetien ganz übernahmen. Der Besetzungswechsel geschah spätestens 179, dem Jahr, in der das Legionslager von Castra Regina (Regensburg) eingeweiht und mit der legio III Italica belegt wurde, die sich spätestens seit 174 nördlich der Alpen bewegte und zur Überraschung in Obergermanien, genauer im Limeskastell von Osterburken stationiert wurde. Es ist durchaus möglich, dass beide Provinzen, nämlich Raetien und Obergermanien zu dieser Zeit eine gemeinsame Verwaltung hatten. Für diese These spricht ein in Osterburken aufgestellter Weihestein (CBFIR 152) und die Tatsache, dass eine römische Großoffensive unmittelbar bevorstand. Da war es durchaus von Vorteil, wenn die militärische Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Provinzen, die an der Flanke lagen, reibungslos funktionierte. Kompetenzprobleme zwischen den Statthaltern und Legionskommandanten konnte Marc Aurel zu diesem Zeitpunkt daher überhaupt nicht gebrauchen. Ab 179 wurde schließlich Raetien zum ersten Male seit den Alpenfeldzügen des Tiberius und Drusus Standort einer Legion! Diesen Hintergrund vor Augen ist es durchaus möglich, dass zur Reorganisation Raetiens Truppen aus Obergermanien abgezogen wurden und dies die mainfränkischen Chatten nutzten, um Beute zu machen und wie erwähnt die obrgermanisch-raetische Grenzlinie zu revidieren. Gab es irgendwelche Absprachen mit den Marcomannen? Man war schließlich immerhin Nachbarn! Nach 171/72 hört man wieder lange nichts mehr von den Chatten. Die Römer hatten sich mit ihrer Grenzpolitik demnach erfolgreich durchgesetzt. 185 wurden die germanischen Grenzprovinzen vom Maternus-Aufstand heimgesucht. Wie die Chatten darauf reagierten, ist unbekannt. Bekannt ist nur, dass Commodus am raetischen Limes ein Bauprogramm startete und die obergermanischen Hilfstruppen mit Waffen beschenkte. Dies hatte aber wohl nur mit den Truppenaufstand zu tun gehabt. Interessant ist, dass sich nach Beendigung der Marcomannenkriege zahlreiche Germanen in den Vici der Limeskastelle ansiedelten, das heißt, die Römer müssen ihre Grenzen für Einwanderungswillige geöffnet haben. Hauptgrund waren wohl die schweren Folgen der aus Persien eingeschleppten Pest, die für rund 20 Jahre im Römischen Reich wütete und wohl mehr Opfer kostete als die Marcomannenkriege. Mit dieser Maßnahme linderten sie den Bevölkerungsdruck vor der germanisch-raetischen Grenze. Auf diese Weise herrschte wieder Ruhe an den Grenzen auch während der Bürgerkrieges zwischen Septimius Severus und Clodius Albinus von Anfang 196 bis zum 19.2.197. Zur Vorbereitung dieses Krieges folgten durch Septimius Severus um 194 Bauarbeiten am obergermanischen Limes. Möglicherweise unter ihm wurde das WallGraben-System ohne Palisade errichtet. Im späterhin hessischen Gebiet war der römische Personenname „Cassius“ besonders beliebt. Man findet die Namen auch in Nida, Mainz, Worms, aber auch in Köln. Viele Träger dieses Namens waren wohl chattischer Herkunft und wurden nach ihrer Abstammung Happjans (altgermanisch) genannt. Die germanische Lautung wurde durch das galloromanische Cassius wiedergegeben. In den Jahren von 206 bis 208 kam es im Mittelmaingebiet zu umfangreichen Holzfällerarbeit, da Septimus Severus für 208 einen Britannienfeldzug plante. Er benötigte Holz für seine Flotte. Das Holz wurde vor allem wohl im chattischen Gebiet geschlagen. Da von keinen Kämpfen die Rede ist, scheinen die Römer für das Holz bezahlt zu haben. In dieser Phase wurde auch das Wall-Graben-System des obergermanischen Limes errichtet! 213 war es aber mit dem Frieden zwischen Römern und Chatten wieder vorbei gewesen. Kaiser Caracalla, Sohn und Nachfolger von Septimius Severus, startete persönlich einen kurzen Feldzug von Raetien aus gegen die mainfränkischen Chatten. Warum er dies tat und was die Ziele dieses Feldzuges waren, darüber lassen uns die Quellen uns im Unklaren. „Wenn Antoninus (Caracalla) auf seinem Feldzug gegen die Alamannen irgendwo einen zur Anlage von Gebäuden geeigneten Platz sah, befahl er: „Hier soll ein Kastell gebaut werden! Hier soll eine Stadt gegründet werden!“ Und er gab den Orten Benennungen nach seinem Namen, ohne dass die einheimischen Benennungen geändert wurden; die einen wussten nichts davon, die anderen meinten, er scherze. Daher verachtete er sie, ließ sie auch nicht in Frieden. Im Gegenteil, den Menschen, zu denen er seinen Worten nach als Bundesgenosse gekommen war, tat er das Feindseligste und Böseste an: Er rief ihre jungen Männer zusammen, angeblich sollten sie in Sold genommen werden: er ließ alle, auf ein Zeichen hin, wozu er selbst den Schild hob, umringen und niederhauen; die übrigen ließ er durch nach allen Seiten ausgeschickte Reiter einfangen. Antoninus hatte da den Pandion, früher ein Diener der Zügelhalter, der im Krieg gegen die Alamannen sein Wagenlenker war und dazu sein Freund und Mitstreiter; diesen lobte er vor dem Senat in einem Brief (gemeint ist der Siegesbericht des Kaisers an den Senat), da er von ihm aus einer ungeheuren Gefahr gerettet worden sei. Antoninus zog gegen die Alamannen, erkaufte aber den Sieg, oder was so aussah, mit Geld. Er nahm auch Frauen als Kriegsgefangene, wobei die Frauen zu bewundern waren: als er sie fragte, ob sie verkauft oder getötet werden wollten, sagten sie „getötet werden“. Als sie verkauft wurden, töteten die meisten sich selbst. Alle Frauen der Chatten und Alamannen, die gefangen wurden, wollten den Sklavenzustand nicht ertragen. Als Antoninus fragte, ob sie lieber verkauft oder getötet werden wollten, wählten sie den Tod. Als sie dann verkauft wurden, töteten alle sich selbst, manche auch ihre Kinder. Den Antoninus hatten die Zaubersprüche der Feinde verrückt und irre gemacht. Denn einige Alamannen, die davon hörten, sagten, sie hätten gewisse Zaubermittel angewendet, um seinem Verstand einen Schock zu versetzen. Er war krank, körperlich litt er an teils deutlich erkennbaren, teils unerklärlichen Krankheiten, seelisch an heftigen, quälenden Wahnvorstellungen. Aber keiner der Götter, obschon er sich an alle die berühmtesten wandte, gab ihm eine Antwort, die seinem Leib oder seiner Seele Besserung brachte. Das zeigte sehr deutlich, dass sie nicht auf seine Weihegeschenke und Opfer, sondern auf seine Gesinnung und Taten achteten. Denn weder Apollo Grannus, noch Asklepios, noch Sarapis halfen ihm, obgleich er oft und ausdauernd zu ihnen inständig betete. Auch wenn er auf Reisen war, schickte er Gebete, Opfer und Weihegeschenke an diese Götter, und viele Boten liefen hin und her, die dem einen und dem anderen derlei überbrachten. Und er kam auch persönlich zu ihnen in der Hoffnung, durch sein Erscheinen mehr erreichen zu können und tat alles, was auch die Frömmsten getan hätten, aber er erlangte nichts, was seine Genesung vorangetrieben hätte (Cassius Dio Römische Geschichte, LXXVII 13, 4-6; 14,2; 15,2 und 3 bis 5).“ „Die Alamannen, ein Stamm mit zahlreichen Angehörigen, der ausgezeichnet zu Pferde kämpft, besiegte er völlig in der Nähe des Flusses Moenus (Main) (Aurelius Victor 21,2).“ „In Raetien tötete er nicht wenige Barbaren und ermahnte und beschenkte seine Soldaten, als wären es Sullas Krieger.....Als er die Germanen unterworfen hatte, nannte er sich Germanicus, wobei er, sei es im Spaß oder im Ernst, einfältig und verrückt wie er war, bemerkte, wenn er die Lukaner besiegt hätte, müsste er Lucanius heißen......(Scriptores Historiae Augustae, Ant.Caracalla 5 , 4-5).“ „Nachdem er an den Senat wie nach einem Sieg eine Botschaft gerichtet hatte, wurde er Parthicus genannt; den Namen Germanicus hatte er nämlich schon zu Lebzeiten seines Vaters erlangt.... (Scriptores Historiae Augustae, Ant.Caracalla 6, 5).“ „Es ist wohl nicht abwegig, hier auch einen Witz, der auf seine Kosten (Caracallas) geht, anzuführen. Da er sich die Titel Germanicus, Parthicus, Arabicus, Alamannicus beilegte - er hatte nämlich die gens der Alamannen völlig besiegt - ,soll Helvius Pertinax, der Sohn des erwähnten Pertinax (sein Vater war 193 römischer Kaiser), spöttisch gesagt haben: „Nenne dich doch, bitte, auch Geticus Maximus!“ – er hatte nämlich den Geta, seinen Bruder, getötet und Getae werden auch die Goten genannt, die er auf dem Weg in den Osten in hastigen Gefechten nebenbei erledigt hatte (Scriptores Historiae Augustae, Ant.Caracalla 10,5f.).“ „Antoninus gewann auch alle Germanen dort für sich und brachte sie in ein Freundschaftsverhältnis, so dass er auch Hilfstruppen von ihnen nahm und seine Leibwachen, wozu er vornehme und gutaussehende Männer auswählte. Oft legte er auch die römische Chlamys (den römischen Mantel) ab und zog die germanischen Überwürfe an; er ließ sich in Gewändern sehen, wie sie bei ihnen üblich sind, mit Silber aufgeputzt. Und er setzte sich blonde Haare auf den Kopf, die nach dem Haarschnitt der Germanen hergerichtet waren. Darüber freuten sich die Barbaren und waren ihm über die Maßen zugetan (Herodianus IV, 7,3).“ „In diesem Jahr wurden am 16., 14. und 13.Tage vor den Kalenden des Juni (17., 19. und 20.Mai) für je 100 Denare gespeist. Und die Teilnehmer riefen aus: Glück und Heil! Glück und Heil! Glück und Heil, wenn es dir wohl ergeht und du Sieger bist! O wir glücklichen, die wir dich als Kaiser sehen! Auf Kosten unserer Jahre mehre Jupiter dir die Jahre! Die Götter mögen dich, größter Bezwinger der Germanen, bewahren! Die Götter mögen dich, größter Bezwinger der Britannier, bewahren! Geht es dir wohl, sind auch wir wohlbehalten und sicher! Unter deinem kaiserlichen Regiment ist der Senat glücklich! Augustus, die Götter mögen dich in Ewigkeit bewahren! Ein junger Mann an Triumphen, ein Greis als Kaiser! Du, größer als Augustus, die Götter mögen dich bewahren!....Am dritten Tage vor den Iden des August (11.August) kamen, weil unser Herr, der hochheilige und gnädige Kaiser Marcus Aurelius Antoninus Augustus, der Pontifex maximus, im Begriff stand, über den limetem Raetia hinweg in das Land der Barbaren einzudringen, um die Feinde mit Stumpf und Steil auszurotten, die Arvalbrüder auf dem Capitol vor der Cella der Juno Regina zusammen, auf dass ihm dieses Unternehmen gut und glücklich ausgehe, und sie opferten.....Unter denselben Consuln kamen am Tage vor den Nonen des Oktober (6.Oktober) wegen des Heils des Kaisers Marcus Aurelius Antoninus, des gnädigen und glücklichen Augustus, des größten Bezwingers der Parther, Britannier und Germanen, des Pontifex maximus, Inhabers der tribunizischen Gewalt zum 16.Male, Imperator zum dritten Male, Consul zum vierten Male und Proconsul, wegen des kaiserlichen Sieges über die Germanen und wegen des Heils Julia Augusta, der gnädigen und glücklichen Mutter unseres Kaisers Antoninus Augustus, des Senats, der Militärlager und des Vaterlandes, die Arvalbrüder auf dem Capitol vor der Cella der Juno Regina zusammen und opferten (Auszug aus den Akten der Arvalbrüder; CIL VI 2086).“ „Dem Gaius Octavius Appius Suetrius Sabinus, Clarissimus vir, Pontifex und Augur, Consul ordinarius, Legatus Augusti pro praetore von Pannonia inferior,....., Legatus Augusti pro praetore der Provinz Raetia, Vexillationsbefehlshaber während der Germanicae expeditionis, Begleiter unseres Kaisers, Legaten der Legio vicesima secunda Primigenia, Juridicus in der Aemilia und der Liguria,....Curator der Gemeinde von Ocriculum, Praetor de liberalibus causis, Kandidaten für das Volkstribunat und für die Quaestur, die Bevölkerung von Aquinum als ihrem ganz vortrefflichen Patron (CIL X 5398, Ehreninschrift aus dem Jahr 214).“ „Für......, Legatus Augusti pro praetore der Provinz....., Legatus Augusti pro praetore der Provinz....., Legatus Augusti pro praetore der Provinz Raetia, Begleiter des Augustus, Führer von Vexillationen der Legio prima Italica und der Legio undecima Claudia im Feldzug gegen die Germanen, Legaten der Legio vicesima secunda Primigenia, Pontifex und Augur, Juridicum in der Aemilia und der Liguria, Curator der Gemeinde von Ocriculum, Legaten der Provinz Africa, Praetor de liberalibus causis, Kandidaten für das Volkstribunat und für die Quaestur, Sevirn von Reiterabteilungen, Decemvir stlitibus iudicandis.....(CIL VI 1551).“ „Den Totengeistern. Für Septimius Aistomodius, regi Germanorum, ihren unvergleichlichen Bruder, haben diesen Stein gesetzt Septimius Philippus und Septimius Heliodorus (CIL III 4453).“ „Für Jupiter Optimus Maximus, Silvanus, dem Bewahrer, und Diana Augusta, die Vexillation der Legio XXII Antoniniana Primigenia Pia Fildelis, als Ausführende in Sachen Holzbeschaffung unter der Aufsicht des Optio Mamertinus Justus hat diesen Altar geweiht, als die beiden Asper Consuln waren (CIL XIII 6618; Trennfurt am Main, für das Jahr 212).“ „Zur Ehre des göttlichen Kaiserhauses, für Jupiter Optimus Maximus Dolichenus, die Vexillation der Legio XXII Primigenia Antoniniana Pia Fidelis, als Ausführende in Sachen Holzbeschaffung unter dem Anführer...., unter der Aufsicht des Optio....Celsius, als Mesalla und Sabinus Consuln waren (CIL XIII 11781; Stockstadt am Main, für das Jahr 214).“ Könnte der Anlass des Feldzuges vielleicht irgendetwas mit den inschriftlich bezeugten römischen Holzbeschaffungsmaßnahmen zu tun gehabt haben. War der Krieg vielleicht ein Krieg um Rohstoffe, in diesem Fall um das um 200 immer knapper werdende Holz? Viele Bäder wurden damals reduziert. In jedem Fall kam, sah, siegte und verschwand der Kaiser wieder so schnell er gekommen war. Tatsache jeden Fall ist, dass nach diesem Ereignis an den germanisch-raetischen Grenzen erneut wieder jahrelang Ruhe herrschte und zwar nachweislich bis 231 als die Bonner Legion laut einer Inschrift Militäroperationen rechts des Rheins aus unbekannten Gründen durchführte. Unter Caracalla erhielten im Jahre 212 im übrigen alle freie Bewohner des Reiches das römische Bürgerrecht. Zudem erhielten zahlreiche Städte, wenn auch nicht alle, des sogenannten Decumatenlandes Stadtmauern. Man traute anscheinend dem Frieden so recht nicht mehr. 233 kam es nach langer Zeit dann wieder erneut zu schweren Kämpfen an der Chattenfront, wenngleich die Chatten seit 213 nicht mehr genannt werden. Die zeitgenössischen Historiker wissen nur von Germanen als Angreifer. Aber das Hauptkampfgebiet lässt nur den Schluß zu, dass erneut die Chatten die Angreifer waren. Auslöser waren der umfangreiche Truppenabzug aus den westlichen Grenzregionen durch Kaiser Alexander Severus. Er benötigte die Truppen im Kampf gegen die Perser. Dies nutzten die Chatten sogleich aus. Wie gefährlich letzten Endes der chattische Angriff war, ist unklar. Mogontiacum, Argentorate, Castra Regina und Augusta Vindelicum wurden definitiv nicht erreicht. Auch Nida im Norden Frankfurt am Main wurde nicht attackiert. Wahrscheinlich konnten sie den Limes trotz des Truppenabzuges nicht nennenswert überwinden. Dennoch erzwangen die Westtruppen vom Kaiser den Abbruch des Perserfeldzuges und kehrten eiligst zurück. In Mogontiacum sammelten sich schließlich im Frühjahr 235 die Truppen. „Plötzlich beunruhigten Nachrichten und Briefe den Alexander und versetzten ihn in größere Besorgnis; die mit der Verwaltung Illyriens Betrauten nämlich meldeten ihm, dass Germanen dabei seien, den Rhein und die Donau zu überschreiten, das römische Reich zu verwüsten und die Lager, Städte und Dörfer an den Flussufern mit großer Streitmacht zu berennen; so seien die illyrischen Völker, die an Italien angrenzen und ihm benachbart sind, in nicht geringer Gefahr. Also brauche man seine Gegenwart und das gesamte Heer, das mit ihm sei. Diese Eröffnungen beunruhigten den Alexander und bekümmerten die aus Illyrien stammenden Soldaten, die offensichtlich von zweifachem Unglück betroffen waren: von dem, was sie im Kampf gegen die Perser erlitten hatten, und von dem, was sie erfuhren über den Untergang ihrer Angehörigen durch die Germanen. Sie waren erzürnt und gaben dem Alexander schuld, da die Stellung im Osten aus Sorglosigkeit oder Feigheit preisgegeben habe, bei den Problemen im Norden sei er bedenklich und zaudere. Schon hatten Alexander selbst und die Freunde in seiner Umgebung sogar Sorge um Italien; denn sie glaubten, die Gefährdung von seiten der Perser sei nicht so schlimm wie die von den Germanen drohende. Die im Osten Wohnenden, durch lange Land- und weite Meerstrecken abgetrennt, hören ja kaum etwas vom Land der Italiker; aber die illyrischen Völker, auf engem Raum und mit ihrem wenigen Land direkt an die Römer anschließend, machen insofern die Germanen zu Angrenzern und Nachbarn der Italiker. Alexander gab also widerwillig und voll Unmut den Befehl zum Aufbruch, nur weil die dringende Notwendigkeit ihn dazu trieb....Er selbst zog in das Gebiet der Germanen mit den übrigen Truppen. Nachdem er den Weg mit großer Eile zurückgelegt hatte, stand er an den Ufern des Rheins und rüstete zum Germanenkrieg. Mit Hilfe von Schiffen überspannte er den Fluss; er glaubte, dieser werde, mit aneinander gebundenen Schiffen überbrückt, den Soldaten einen mühelosen Übergang gewähren.... Alexander brachte sehr viele Maurusier und eine große Anzahl Bogenschützen aus dem Osten und aus dem Land der Osroëner mit; auch einige Leute von den Parthern, Überläufer oder durch Geld gewonnene, waren als Hilfstruppen mit ihm gekommen; diese stellte er bereit, um sie gegen die Germanen einzusetzen. Denn ein solches Heer wird ihnen besonders beschwerlich; da die Maurusier aus großer Entfernung die Speere werfen und so die Vorstöße und Rückzüge unwirksam machen, und die Bogenschützen auf die ungeschützten Köpfe und langen, großen Körper der Germanen sehr leicht auch von weitem zielen und treffen...sie liefen herzu zum Nahkampf und hielten stand; oft waren sie den Römern gleichwertig. Alexander also war mit diesen Angelegenheiten beschäftigt; überdies beschloss er, eine Gesandtschaft zu den Germanen zu schicken und über Frieden zu verhandeln. Er versprach ihnen, alles zu gewähren, was sie brauchten; er habe reichlich die Mittel. Denn dadurch lassen sich Germanen am ehesten bereden; sie sind geldgierig und stets verschachern sie den Frieden an die Römer um Gold. Daher wollte Alexander lieber versuchen, den Vertrag bei ihnen zu erkaufen, als das Risiko des Krieges einzugehen. Die Soldaten allerdings waren ärgerlich, dass eine sinnlose Verzögerung entstehe, und dass Alexander gar keine edle, tapfere Einstellung zum Krieg zeige, sondern mit Wagenlenken und Schwelgereien sich die Zeit vertreibe, während man doch ausrücken und die Germanen für ihre dreisten Taten strafen müsse..... ...Die Soldaten erinnerten einander an ihre Niederlagen im Osten, die durch das Zaudern Alexanders entstanden waren, und dass er, ins Land der Germanen gekommen, so gar keine tapfere, kraftvolle Haltung zeige. Maximinus hatte den Strom überbrückt und war im Begriff hinüberzuziehen gegen die Germanen. Denn zugleich mit der Übernahme der Herrschaft begann er sofort mit Kriegshandlungen... Maximinus hatte also die Schiffsbrücke zusammengefügt und wollte hinüberziehen gegen die Germanen. Aber von Magnus sagte man, er habe Soldaten – nicht wenigen, aber den hervorragendsten, und vor allem denen, welchen die Bewachung der Brücke und die Sorge für sie anvertraut war – zugeredet, die Brücke auseinanderzunehmen, nachdem Maximinus hinübergegangen sei, und ihn den Barbaren preiszugeben, da es dann ja keinen Rückweg für ihn gebe. Durch seine Breite und Tiefe werde der Riesenstrom, der da fließt (gemeint ist der Rhein), für ihn überschreitbar, wenn die Brücke unterbrochen sei; auf dem feindlichen Ufer gebe es auch keine Schiffe. Nach den oben erwähnten Anordnungen zog Maximinus mit dem ganzen Heer furchtlos über die Brücke und schickte sich an zum Kampf gegen die Germanen. Eine große Menge, und zwar fast die ganze Streitmacht der Römer führte er mit sich, eine riesige Anzahl von maurusischen Speerwerfern und von osroenischen und armenischen Bogenschützen, die teils unterworfen, teils befreundet und verbündet waren; auch einige Parther, die durch Geld gewonnen und übergelaufen waren oder im Krieg gefangengenommen waren, dienten den Römern. Diese Heeresmassen waren schon zuvor von Alexander gesammelt worden; dann von Maximinus noch vermehrt und zum Kriegsdienst gedrillt worden. Vor allem die Speerwerfer und Bogenschützen erweisen sich als geeignet zum Kampf gegen die Germanen, indem sie behende auf sie zulaufen, wenn sie es nicht erwarten, und leicht wieder zurückweichen. Als Maximinus ins Feindesland gekommen war, zog er weit hinein, ohne dass jemand ihm Widerstand leistete; die Barbaren waren zurückgewichen. Er verheerte das ganze Gebiet, als das Getreide gerade reif war, zündete die Dörfer an und überließ sie den Truppen zum Plündern. Sehr leicht nämlich verbreitet sich das Feuer über die Städte, die sie bewohnen, und überhaupt über alle Behausungen. Denn an Steinen und gebrannten Ziegeln ist bei ihnen Mangel, aber Wälder voller Bäume gibt es, daher sie Holz in Hülle und Fülle haben, und dies fügen sie zusammen, bearbeiten es und schlagen so ihre Hütten auf. Maximinus also drang weit vor, tat wie oben gesagt und schleppte Beute weg, gab auch den Soldaten die Herden, die man antraf. Die Germanen aber waren vom ebenen Land und den baumlosen Gebieten, die es da etwas gab, zurückgewichen, sie versteckten sich in den Wäldern und hielten sich rings um die Sümpfe auf, in der Absicht, dort ihre Kämpfe und Angriffe durchzuführen, da die zusammenhängenden Gewächse die Geschosse und Speere der Feinde in sich festhalten und die Tiefe der Sümpfe für die Römer, wegen deren Unkenntnis der Gegend, gefährlich sein werde; ihnen selbst aber, die sie aus Erfahrung ihr Land kennen und welche dem Fuß Halt geben, werde es, auch wenn sie bis zum Knie nass würden, leicht sein durchzukommen. Sie sind auch geübt zu schwimmen, da sie als einziges Bad die Flüsse haben. In jenen Gegenden nun vor allem geschahen die Zusammenstöße. Dort begann der Kaiser selbst aufs tapferste den Kampf. Da war ein riesiger Sumpf, in den die Germanen auf der Flucht zurückwichen, den zur Verfolgung zu betreten die Römer zögerten; Maximinus drang als erster auf seinem Pferde in den Sumpf ein, wenngleich das Pferd bis über den Bauch nass wurde, er tötete die Barbaren, die Widerstand leisteten, so dass das übrige Soldatenvolk sich schämte, den für sie kämpfenden Kaiser im Stich zu lassen, Mut fasste und in die Sümpfe eindrang: auf beiden Seiten fielen eine Menge, von den Römern..., von den Barbaren fast die ganze vorhandene Streitmacht (Schlacht am Harzhorn?); Maximinus zeichnete sich aus durch Tapferkeit, so dass die Tümpel voller Leichen waren, das mit Blut gemischte Sumpfwasser den zu Fuß kämpfenden Truppen den Anblick einer Seeschlacht bot. Diese Schlacht und seine Tapferkeit verkündete Maximinus nicht nur durch Briefe dem Senat und dem Volk, sondern er ließ dies auch auf gewaltigen Gemälden darstellen, die er vor dem Senatsgebäude anbringen ließ; damit die Römer von den großen Ereignissen nicht hören, sondern sie auch sehen konnten. Maximinus hatte viele Gefangene bei den Germanen in seine Hand bekommen und Beute weggeschleppt; nun brach schon der Winter ein und er zog zurück nach Pannonien.... Es folgte ihm (dem Kaiser Maximinus Thrax) auch eine nicht zu verachtende Zahl Germanen, die er durch Waffengewalt in seine Hand gebracht oder durch Überredung zu Freundschaft und Waffengemeinschaft an sich gezogen hatte....(Herodian, Geschichte des Kaisertums nach Marcus (Aurelius); VI 7,2 – 8,3; VII 1,5 – 8,10).“ „Er (Alexander) eilte schnellstens nach Gallien, das durch die Plünderungen der Germanen heimgesucht wurde... ....Sie (Maximinus und sein Sohn Julius Verus) hatten zwei Jahre die Macht in der Hand und kämpften nicht ohne Erfolg gegen die Germanen...(Aurelius Victor, Caesares 24,2 und 26,1).“ „Es war äußerst belastend für den Staat und für ihn (Alexander) selbst, dass durch die Raubzüge der Germanen Gallien verwüstet wurde. Und es vergrößerte diese Beschämung die Tatsache, dass nach dem Sieg über die Parther noch immer dieses Volk dem Staat sozusagen im Nacken saß, das doch immer schon durch unbedeutendere Kaiser unterworfen schien.....der ganze Militärapparat, der später von Maximinus nach Germanien geführt wurde, gehörte dem Alexander, und er war sehr stark durch die Armenier, Osroener, Parther und Menschen der verschiedensten Abstammung....Als Maximinus auf einer Schiffsbrücke in das Gebiet der Germanen hinübergehen wollte, hatte man beschlossen, dass seine Gegner mit hinübergehen sollten, die Brücke dann aufgelöst werde, er auf Barbarengebiet umstellt und niedergehauen werde und Magnus (Mitglied des Senats und Mitglied einer Verschwörung gegen Maximinus Thrax) die Herrschaft an sich reiße. Dann zog Maximinus nach Germanien mit dem ganzen Heer, den Mauren, Osroenen, Parthern und allen Leuten, die Alexander mit sich in den Krieg führte. Deshalb vor allem nahm er orientalische Hilfstruppen mit sich, weil keine andere Waffenart besser ist im Kampf gegen die Germanen als bewegliche Bogenschützen... Er marschierte also in das Germanien jenseits des Rheins, und 30 oder 40 Meilen weit im Land der Barbaren verbrannte der Dörfer, trieb die Herden weg, schleppte Beute davon, schlug die meisten Barbaren nieder, führte seine Soldaten mit reichem Gewinn zurück, machte zahllose Gefangene. Wenn die Germanen nicht aus den freien Feldern in Sümpfe und Wälder geflüchtet wären, hätte er ganz Germanien in die Gewalt der Römer gebracht. Er selbst tat noch dazu vieles mit eigener Hand: er drang sogar ins Sumpfgebiet ein und wäre von den Germanen umstellt worden, wenn ihn, der mit seinem Pferd steckenblieb, seine Leute nicht befreit hätten. Er hatte eben diese barbarische Tollkühnheit, dass er meinte, ein Feldherr müsse immer auch die eigenen Hände gebrauchen. Schließlich lieferte er eine Art Seegefecht im Sumpf und erledigte die meisten Germanen bei dieser Gelegenheit. Als Germanien so besiegt war, schickte er einen Brief nach Rom an Senat und Volk, der nach seinem Diktat geschrieben war, dessen Inhalt etwa folgender war: „Wir können, Senatoren, gar nicht alles sagen, was wir getan haben. 40 oder 50 Meilen weit haben wir die Dörfer der Germanen verbrannt, die Herden weggeholt, Gefangene abgeführt, Bewaffnete niedergemacht, im Sumpf gekämpft. Wir wären ins Waldgebiet eingedrungen, wenn uns die tiefen Sümpfe nicht den Durchgang verwehrt hätte.“... Er ließ Bilder malen mit der Darstellung des Krieges und vor der Kurie anbringen, damit das Gemälde seine Taten erzähle. Nach seinem Tod ließ der Senat diese Bilder entfernen und verbrennen (Scriptores Historia Augustae Alex.Severus 59,2 und 61,8 / Maximinus 10,2 und 11,7 – 12,27).“ Nach dem Tod Alexander Severus gingen die Kaiser so schnell wie sie an die Macht gekommen waren. Besonders schlimm war es 238, als es sage und schreibe fünf bis sechs Kaiser auf einmal gab, ehe sich noch im selben Jahr Gordianus III. als alleiniger Kaiser für ein paar Jahre durchzusetzen vermochte. Ob da auch die Chatten bei all den Kaisern noch den Überblick behalten hatten? Nahmen zudem einige dieser Kaiser und solche, die sich dafür hielten in jenen Jahren Kontakt mit ihnen auf, in der Hoffnung, von ihnen unterstützt zu werden? Möglich, aber derzeit nicht belegt. 242/43 erfolgte ein neuerlicher Germanenangriff und zwar in den Raum um Castra Regina, da Gordianus III. zahlreiche Truppen gegen die Perser benötigte. Das Legionslager wie auch das Umland erlitten schwere Schäden. Mit Gordian III. schließen auch die Münzschätze von den raetischen Grenzkastellen von Gunzenhausen und Pförring. Augusta Vindelicum wurde aber erneut nicht betroffen. Wie es in Obergermanien zur selben Zeit zuging, ist unklar. Kämpfe dort sind auch archäologisch nicht belegt. Da der Regensburger Raum betroffen war, ist unklar, wer die Angreifer waren. Denn es kommen mehrere Kandidaten in Frage. Allen voran natürlich die Chatten, aber vielleicht auch schon Jouthungen und Semnonen, die für Sommer 260 tatsächlich nachweislich in diesem Raum aktiv wurden, eventuell auch Hermunduren. Wie Jouthungen und Semnonen überhaupt nach Mainfranken gelangen konnten, ist völlig unklar, auch woher die für das Jahr 260 erstmals genannten Jouthungen kamen? Hatten die Römer dabei ihre Hände im Spiel gehabt, wenn ja aber wie? 253 zog Valerian zahlreiche Truppenverbände vom Limes ab und sammelte sein Heer in Raetien, da er im Auftrag Kaiser Gallus einen Feldzug gegen dessen Konkurrenten Aemilianus führen sollte. In Raetien wurde er jedoch von seinem Heer zum neuen Kaiser ausgerufen. Da kurz darauf seine beiden Rivalen ermordet wurden, kam es zu keinem Bürgerkrieg. Im Frühjahr 254 zog er mit seinen Truppen gegen die Perser zu Felde. Zurück ließ er seinen Sohn und späteren Nachfolger Gallienus, der sich sogleich gegen germanische Angriffe erwehren musste. Die Germanenüberfälle erfolgten in das Oberrheingebiet und in das nordwestliche Raetien. Der raetische Limes wurde schwer getroffen. Wie es am obergermanischen Limes aussah, ist unklar. In jedem Fall wurde 253 in Mogontiacum eine Stadtmauer errichtet. 255 siegte Gallienus gegen Germanen am Rhein. 257/260 folgten Kämpfe am Niederrhein. Die hier durchgebrochenen Germanen drangen bis Hispanien vor, vielleicht gar bis Africa. 257/60 ließ Gallienus sich als „Germanicus Maximus V“ feiern. Gegen wen Gallienus in Germanien genau gekämpft hatte, wird in den vorhandenen Quellen nicht gesagt. Dies ändert sich am 24/25.April 260. Dank einer Siegesinschrift hören wir von einer schweren Schlacht zwischen Römern und Germanen, die für die Römer siegreich verlief. Überraschend ist die Nennung der Gegner. Anstelle der zu erwarteten Chatten hören wie von Jouthungen und Semnonen als Gegner! Wie gelang es den Semnonen von der Elbe an die raetische Grenze vorzustoßen? Und wie erwähnt, wer waren eigentlich die erstmals genannten Jouthungen? Und was ist mit den in Mainfranken siedelnden Chatten geschehen, die letztmals 213 genannt wurden? Viele Fragen, aber keine Antworten. Indirekt werden die Semnonen letztmals für das Jahr 278 genannt, die Jouthungen für 430. 260 begann zudem erneut ein Bürgerkrieg zwischen Gallienus und Postumus, der sich in Köln zum Gegenkaiser erhoben hatte. Vor allem Raetien und Obergermanien waren von den folgenden jahrelangen Kämpfen betroffen gewesen. Auf diese Weise konnten sich die Limestruppen nicht mehr erholen und das Decumatenland auch nicht. Diese Region ging wirtschaftlich regelrecht pleite und die Menschen wanderten aus, wenn sie vorher nicht im Bürgerkrieg umkamen. „Der geheiligten Göttin Victoria wegen der Barbaren des Stammes der Semnonen „sives“ Jouthungen am Tag, dem 8. und 7., vor den Kalenden des Mai (24./25.April), niedergemacht und in die Flucht geschlagen von den „militibus provinciae Raetia“, aber auch von den „Germanicianis“, sowie von „popularibus“, wobei herausgerissen wurden viele Tausende gefangener „Italorum“. Mächtig seiner Gelübde hat Marcus Simplicinius Genialis, Ritter, handelnd anstelle des Statthalters, mit demselben Heer freudig, nach Gebühr (den Altar) aufgestellt. Geweiht am dritten Tag vor den Iden des September (11.September), als der Herrscher unser Herr Postumus Augustus und Honoratianus Consuln waren.“ 275/76 gelang es germanischen Verbänden, den Limes rechts des Rheins zu durchbrechen. Also auch nach dem Ende des sogenannten Postumusreiches im Westen 274 muss der obergermanisch-raetische Limes noch in Funktion gewesen sein. Aber auch für dieses Ereignis erfahren wir nicht den/die Namen des Gegners. Schwer getroffen wurden nachweislich Xanten, Speyer und Kaiseraugst. „Ein Kaiser (Tacitus) muss gewählt werden....da auch eine Notlage dazu zwingt. Denn die Germanen sollen den Limes jenseits des Rheins durchbrochen und starke, angesehene, reiche mächtige Städte besetzt haben (Script.Hist.Aug. Tac.3,3f.).“ 281 hatte sich die militärische Lage so weit wieder beruhigt, dass der Kaiser, der nun Probus hieß, endlich ordnend in die Verhältnisse. Er war seit 235 der erste Kaiser, der mit seinem Heer persönlich das sogenannte Decumatenland aufsuchte. Im Zuge dieses Feldzuges kam es zu einem Vertrag mit neun germanischen Königen oder Stammes-, Sippenführer. Es dürfte sich um einen Ansiedlungsvertrag gehandelt haben. Dank der ständigen Bürgerkriege war der obergermanischraetische Limes und dessen Hinterland ausgeblutet und bedurfte dringend neuer Bewohner. Daher dürfte Rom die Limesgrenzen für von ihnen akzeptierten Neusiedler zeitweise geöffnet haben. Als Gegenleistung durften von nun an die Neusiedler den obergermanisch-raetischen Limes bewachen, während die Reichstruppen auf die Rhein-Donau-Iller-Linie zurückgezogen wurden. Limes und sogenanntes Decumatenland blieben aber auch weiterhin römisches Staatsgebiet! „Dann eilte er (Probus) mit einem riesigen Heer in die gallischen Provinzen, die seit der Ermordung des Postumus ganz in Unruhe geraten und nach dem Tod des Aurelians von Germanen in Besitz genommen worden waren. Er führte dort so gewaltige Schlachten und mit solchem Kriegsglück, dass er 60 sehr angesehene Städte auf gallischem Gebiet von den Barbaren zurückgewann, dazu die ganze Beute, durch die die Barbaren außer zu Reichtum, auch zu besonderem Ruhm gekommen waren. Und als sie sich noch auf unserem Rheinufer und überhaupt in ganz Gallien unbehelligt umhertrieben, da machte Probus an die 400.000 nieder, die römischen Boden besetzt hatten; die übrigen trieb er zurück bis über den Fluss Nicer (Neckar) und die Alba (Schwäbische Alb). Soviel Beute brachte er von den Barbaren, wie sie den Römern weggenommen hatten. Den römischen Städten gegenüber errichtete er feste Plätze auf barbarischem Gebiet (!) und legte Besatzungen hinein. Äcker und Scheunen und Wohnungen und Getreidevorräte verschaffte er allen Leuten jenseits des Rheins, das heißt denen, die er auf den Vorposten gestellt hatte. Die Kämpfe hörten nicht auf, da ihm täglich Barbarenköpfe gebracht wurden, das Stück zum Preis eines Goldstücks, solange bis neun reguli (Könige?) von verschiedenen gentes (Stämmen?) kamen und sich dem Probus zu Füßen warfen. Zunächst verlangte er Geiseln von ihnen, die sofort gestellt wurden, dann Getreide, schließlich auch Kühe und Schafe. Es heißt, er habe es streng befohlen, so dass sie keinen Gebrauch von ihren Schwertern machten, da sie den Schutz der Römer erwarten dürften, wenn sie vor irgend jemand gesichert werden müssten (!). Aber offensichtlich konnte das nur geschehen, wenn der römische Grenzwall vorgeschoben und ganz Germanien zur Provinz gemacht würde (!). Vor allem also ging man, mit Zustimmung der reges, gegen die vor, die die Beute nicht gewissenhaft zurückgaben. Außerdem bekam Probus 16.000 Rekruten, die er alle auf verschiedene Provinzen verteilte, in der Weise, dass er nun den numeri oder Abteilungen der limitanei je 500 oder 600 einreihte, wobei er sagte, man müsse es spüren, nicht sehen, wenn der Römer durch barbarische Hilfstruppen unterstützt würde. Nachdem er die Dinge in Gallien geordnet hatte, schrieb Probus folgenden Brief an den Senat: „...Ganz Germanien soweit es sich erstreckt, ist unterworfen; neun reges von verschiedenen gentes haben sich flehend mir, vielmehr Euch, zu Füßen geworfen. Alle Barbaren pflügen nun für Euch, dienen Euch und stehen in Kriegsdienst gegen die Stämme weiter im Innern des Landes....Auch 400.000 Feinde sind getötet, 16.000 Bewaffnete uns angeboten, 70 sehr angesehene Städte aus der Hand der Feinde gerettet, überhaupt ist ganz Gallien befreit....Die ganze Beute ist zurückerobert, dazu weitere genommen, in größerer Menge, als zuvor uns gerissen war. Die gallischen Äcker werden mit den Zugtieren der Barbaren gepflügt, erbeutete Gespanne der Germanen bieten unseren Pflügern die Nacken; für unsere Versorgung weidet das Vieh verschiedener gentes, selbst ihre Pferde werden aufgezogen für unsere Reiterei, mit Barbarengetreide sind unsere Vorratsspeicher gefüllt. Was soll ich noch sagen? Nur den Erdboden haben wir ihnen gelassen, alles was sonst ihnen gehört, besitzen wir. Wir hatten die Absicht, Senatoren, einen neuen praeses (Statthalter?) für Germanien (!) aufzustellen, doch haben wir es aufgeschoben bis zur noch vollständigeren Erfüllung unserer Wünsche...(Script.Hist.Aug. Prob. 13,5 – 15,7).“ „...ließ er Raetien so befriedet zurück, dass dort keine Spur eines Verdachtes irgendeines künftigen Schrecken zurückblieb (Script.Hist.Aug. Prob. 16,1).“ Erneut lassen uns die Quellen im Stich, wer eigentlich als Neusiedler angeworben wurden. Tatsache ist, dass kurz danach zeitgenössisch für das Jahr 289 ein neuer bislang unbekannter germanischer Stamm genannt wird: die Alamannen. Schon 297 wird das sogenannte Decumatenland als „pars Alamannorum“ bezeichnet. 291 werden im übrigen erstmals zeitgenössisch die Franken genannt. Von den Chamaven könnte der Name „Franci“ seinen Ausgang genommen haben. In der Peutingischen Tafel tragen die Chamaven den Vermerk „Quielpranci“, was gewöhnlich als „qui et Franci“ gelesen wird, also „die auch Franken heißen“. 4) DER WERDEGANG DER CHATTEN AB DER SPÄTANTIKE: Mit dem Auftauchen der Alamannen verschwinden nun die Chatten und Semnonen. Aus den Hermunduren wurden die um 400 erstmals genannten Thüringer. Wer aber waren diese Alamannen und was wurde aus den Chatten? Waren sie ein Teilstamm der Alamannen oder Franken? Oder blieben sie irgendwie weiterhin selbständig? „Die Alamannen sind, wenn man dem Asinius Quadratus folgen darf, einem Italiker, der Verhältnisse und Geschichte der Germanen genau beschrieben hat, ein zusammengewürfeltes Mischvolk, und das drückt auch ihre Benennung aus (Agathias, Historiae, 6,3).“ „Weil also Sueven mit Alamannen gemischt den Teil Germaniens jenseits der Donau, den Teil Raetiens zwischen Alpen und Donau und den Teil Galliens bis an den Araris (Aare in der Schweiz) besiedelt haben, wobei die richtigen alten Namen erhalten blieben, wollen wir von den Bewohnern den Namen ihrer Heimat ableiten und sie Alamannien oder Suevien nennen. Es gibt also zwei Namen, die ein Volk bezeichnen; mit dem ersten benennen uns die umliegenden Völker, die Latein sprechen, mit dem zweiten pflegen uns die Barbaren zu bezeichnen. Wir wissen, dass ähnlich die Franken Teilen Germaniens oder Galliens nicht nur ihre Herrschaft, sondern auch ihren Namen auferlegt haben (Walahfrid; Leben des Heiligen Gallus, Aus der Vorrede).“ Dank diesen beiden Quellen erfahren wir interessante Einzelheiten über die Herkunft der Alamannen. Erstens war es kein neugegründeter, geschlossener Stamm gewesen, zweitens war ihr Name keine Eigenbezeichnung, sondern stammte von den Lateinern, also Römern und ihr zweiter Name Suaven gaben ihnen ihre germanische Nachbarn! Und wie nannten sie sich selbst? Einen Hinweis gibt uns Ammianus Marcellinus um 360. Er nannte vier Teilstämme der Alamannen in seinen Werken: Brisigavi, Bucinobantes, Lentienses und Raetovarii. Jeder dieser Teilstämme hatte zudem seinen eigenen König. Einen Großkönig kannten die Alamannen nicht. Die vier überlieferten Teilstammnamen richteten sich nach ihrer neuen Heimat. Die Brisigavi lebten im Breisgau, die Bucinobantes im Untermain-Wetterauraum, die Lentienses nördlich vom Bodensee im Linzgau und die Raetovarii im Nördlinger Ries. Die Einwanderer hatten also nicht die Namen aus ihrer alten Heimat mitgenommen. Von großem Interesse bezüglich des weiteren Werdeganges der Chatten im 4.Jh. sind die Bucinobanten. Die Bucinobanten waren im ehemaligen chattisch-mattiakischen Gebiet zu Hause. Waren sie ein Teilstamm der Chatten? In diesem Namen steckt nämlich der Name der Bacensis/Buconia, ein in Antike und Mittelalter oft genannter Wald zwischen Rhein und Elbe. In der Antike nannte man ihn „silva Bacenis“, im Mittelalter „Buconia silva“, im althochdeutschen „Buochunna“. Südlich von Mainz lag ein Ort namens Buconica. Daneben existieren noch die Begriffe „bucina“ und „bucinatores“. Ersteres war ein Militärblasinstrument aus Bronze und letztere waren römische Militärmusiker mit dem genannten Instrument. Wo lag aber nun die „Buconia silva“? Die Belege konzentrieren sich um das Gebiet um Fulda zu Zeiten Bonifatius im 8.Jh.. Bei Gregor von Tours im 6.Jh. und Fredegar im 7.Jh. liegt der Wald in rheinnähe. Zumindest ein großer Teil muss m heutigen Hessen gelegen haben. Bei Caesar trennte die Bacenis 55 v.Chr. Cherusker und Sueben. Der Name könnte etwas mit Buchen zu tun haben oder wurde aber abgeleitet vom keltischen Waldgott Baco! Nach Angaben der antiken und frühmittelalterlichen Quellen überschneiden sich Hercynia silva und silva Bacenis/Buconia offenbar im Gebiet der Chatten. Die Bucinobanten waren wohl die spätantiken Nachfolger der Chatten, die sich nun ethnisch den Alamannen angeschlossen und dabei ihre eigene Tradition verloren oder in die alamannische Stammestradition eingebracht haben. Macrian sollte im 4.Jh. der berühmteste Vertreter der Bucinobanten werden. Er trug auffallend einen römischen Namen, sein Bruder Hariobaudes dagegen einen germanischen. Macrian fiel nach 374 im Kampf gegen die Franken! Die Bucinobanten waren antifränkisch! Im alamannischen Raum konzentrieren sich die Abbildungen von Wolfskriegern! Auch färbten sich zumindest Teile der Alamannen ihre Haare. Ammianus Marcellinus berichtet: „Chnodomar, der unheilvolle Anstifter dieses Krieges, trug einen flammendroten Helmbusch....(16.Buch; 12.Kapitel, 24).“ Diese Geschichte spielte am Tag der Schlacht bei Argentorate (Straßburg) im Jahre 357. War Chnodomar, der alle Alamannen damals um sich scharen konnte etwa ein Bucinobante? Er verlor im übrigen die Schlacht gegen die Truppen Julians, wurde gefangengenommen und verbannt. Die nächste Geschichte spielte sich 365 ab unter Kaiser Valentinian I.: „Allmählich rückte der außerordentlich fähige Feldherr (Jovinus) weiter vor und erfuhr aus zuverlässiger Quelle, dass eine Schar von Plünderern einige Landhäuser in der Umgebung ausgeraubt hatte und sich nun am Fluss ausruhte. Schon näherte er sich ihnen, hielt sich aber in einem Tal verborgen, das durch dichte Baumpflanzungen beschattet war. Da sah er einige baden, andere sich gewohnheitsmäßig die Haare rot färben, und wieder einige, die ihren Durst stillten (27.Buch, 2,2).“ Handelte es sich um Bucinobanten? Bei den Alamannen dürfte vor allem sie es gewesen sein, die sich ihre Haare rot färbten. Wenn die Bucinobanten tatsächlich die unmittelbaren Nachfahren der Chatten waren, dann hatten sie letztendlich doch noch ihr Ziel erreicht, die Wetterau und Untermaingebiet unter ihre Kontrolle zu bekommen. Dennoch hatte der Kaiser auch hier immer noch das letzte Wort und noch immer lebten vor allem in den rechtsrheinischen Städten wie Nida, Dieburg und Kastellen wie Bad Ems und Friedberg starke romanische Bevölkerungsteile. Das führende Brüderpaar Macrian und Hariobaudes könnte zudem ein Indiz dafür sein, dass es im 4.Jh. zu einer Verschmelzung romanischer und chattischer Bevölkerungsteile gekommen war. Die antike Überlieferung des Chattennamens endet im 5.Jh. mit der Nennung im AvitusPanegyrikon des Sidonius Apollinares. „...Sobald er (Avitus) die Last der ihm aufgedrängten Stellung übernommen hatte, schickst Du, Alamanne, Gesandte, die um Gnade bitten sollen für das vorherige Wüten, hört der Ansturm des Sachsen auf, hält die Elbe den Chatten fest mit ihrem sumpfigen Flußlauf....(Sidonius Apollinaris; Lobrede auf den Kaiser Avitus vom 1.1.456).“ Als Galloromane könnte er durchaus diesen Stamm gekannt haben, ohne auf irgendwelchen alten Karten diesen Namen für seine Lobrede einfach zu übernehmen. Auffallend ist aber in jedem Fall, dass er die Chatten weder den Franken noch den Alamannen zuordnet. Was dies zu sagen hat, darüber kann man nur spekulieren, solange man nicht weiß, wie er von diesem Namen erfahren hat. Interessant in diesem Zusammenhang wäre auch noch eine andere Quelle und zwar die des Kosmosgraphen Julius Honorius. Er fertigte zum Unterrichtsgebrauch eine nur schwer lesbare Weltkarte im 4./5.Jh. an, die gegen seinen Willen später von seinen Schülern veröffentlicht wurde und die heute in drei Rezensionen vorliegt. In allen dreien wird der Name der Chatten erwähnt. Die Rezensionen zwei und drei sind hierbei zu vernachlässigen, da sie im Namensbestand so sehr erweitert wurden, dass man hier sogar die Stammesnamen der Cimbern und Teutonen findet. In der ersten Fassung, die in einer Handschrift des 6.Jh. erhalten ist, kommen zwar neben den Chatten auch die wohl nicht mehr existierenden Cherusker, Chauken und Usipeter vor, aber interessant ist hierbei wie der Name der Chatten geschrieben wurde, nämlich cazzi. Liegt hier ein Abschreibfehler oder eine Lautverschiebung von t nach zz vor? 738 werden erstmals der Stamm Hessi erwähnt, die in Nordhessen lebten. Chatti – Cazzi –Hessi? Darf man soweit gehen? Während die Chatten verschwinden, bleiben die Chattuarier. Sie gibt es auch noch zu Zeiten der Hessi. Die Chattuarier lebten im niederdeutschen Gebiet und unterlagen somit keiner Alamannisierung. Sie schlossen sich den Franken an. Es existierten auch die Chasuarii, die Tacitus für um 98 erstmals erwähnte. Sie lebten südöstlich der Angrivarier und Chamaven und nahe zu den Chattuariern. Die Chasuarii wurden nur drei Mal erwähnt, letztmals um 260. Ob Chattuarier und Chasuarier mit den Chatten verwandt waren, ist unklar. Am 9.5.480 verstarb der letzte weströmische Kaiser Julius Nepos und seitdem war der Westen des Römischen Reiches ohne Kaiser, beziehungsweise der Ostkaiser übernahm juristisch auch den Westen. So gesehen war das Reich wieder unter einer Kaiserkrone vereint. Dennoch etablierten sich neue Mächte im Westen, wenngleich mit formaler Zustimmung von Byzanz. Vor allem die Franken Chlodwigs sollten die großen Sieger im Machtkampf in Gallien und Germanien werden. Zwischen 496 und 506 folgten mindestens drei Feldzüge Chlodwigs gegen die Alamannen, die die Franken alle für sich entschieden. Dies hatte für die Alamannen schwere Folgen. Ein Großteil der Alamannen flüchtete sich ins Ostgotenreich unter Theoderich dem Großen und der Rest musste von nun an unter fränkischer Oberherrschaft leben. Was geschah mit den Bucinobanten? Im Rhein-Main-Gebiet hatten sie in jeden Fall nichts mehr zu sagen gehabt. Es tauchen nun vermehrt Gräber fränkischer Großer auf. Orientierten sich die Bucinobanten bis 496/506 an die Alamannen, mussten sie sich von nun an umorientieren. 534 schrieb König Theudebert einen Brief an Kaiser Justinian, in diesem er behauptete, die Nordsavorum in sein Reich eingegliedert zu haben. Es ist auch das Jahr, in dem das Thüringerreich endgültig von den Franken besiegt wurde. Mit den Nordsavorum können eigentlich nur die Bewohner Nordhessens gemeint sein. Gleichzeitig ist dies ein Hinweis, dass die Chatten/Bucinobanten tatsächlich zu den Alamannen zählten und sich die nördlichen Alamannen nach der Niederlagenserie gegen die Franken möglicherweise den Thüringern angeschlossen hatten. Gregor von Tours, der fränkische Geschichtsschreiber des 6.Jh., kannte die Chatten nur aus einem bericht des Sulpicius Alexander aus dem Jahre 392. Andererseits, da das von den Römern 392 heimgesuchte Gebiet zwischen Ruhr und Ijssel lag, ist eher damit zu rechnen, dass es die Chattuarier und nicht die Chatten waren. In jedem Fall kannte Gregor die Chatten nicht, dafür aber Alamannen, Baiern, Sachsen und Thüringer. Auch Fredegar kannte keine Chatten oder Hessen, als er ausführlich über die Kämpfe zwischen König Sigibert und dux Radulf von Thüringen berichtete. Die Feldzüge des Königs berührten auch Nordhessen. Fredegar berichtet: „Sigibert überschritt mit dem Heer den Rhein, dann versammelten sich bei ihm die gentes undique de universis regni sui pagus ultra Renum cum ipsum adunati sunt (Völkerschaften von überall her, aus allen Gauen, die jenseits des Rheins zu seinem Reich gehörten.)....(Fredegar; Buch IV, Kapitel 86).“ Fredegars Beschreibung lässt keine Zweifel zu. In Nord- und Mittelhessen existierte im 7.Jh. definitiv kein Großstamm mehr, sondern nur noch Kleinstämme! Sie waren dem König direkt unterstellt. Ein Herzogtum wie in Thüringen ab 631 und Mainfranken ab um 660 wurde hier nie eingerichtet. Für 699 ist erstmals der Hessenname als Ortsname, aber nicht als Stammesname, belegt und zwar im linksrheinischen Lothringen! Sie heißen „ad Chassus“ und „Cassus“ südlich von Saarburg. Für 720 erfahren wir, dass Nordhessen der Kontrolle der Mainzer Kirche unterlag, die seit um 550 wieder einen Bischof nach rund 100-jähriger Pause beherbergte. Endlich im Jahre 738 erfahren wir dank eines Briefes von Papst Gregor III. an Bonifatius wie es in Hessen nördlich des Mains aussah. Es heißt darin: „Papst Gregorius allen Edlen und dem Volk in den Provinzen Germaniens, den Thuringis und Hessis, Bortharis und Nistresis, Wedreciis und Lognais, Suduodis und Graffeltis sowie allen im östlichen Landstrich Wohnenden.....(Bonifatius; Brief 43).“ 738 existierten wie schon bei Fredegar angedeutet eine Reihe von unabhängigen Stämmen. Woher stammt aber eigentlich der Begriff „Hessen“ und was bedeutete er? Interessant ist, dass das Verb „hessen“ erstmals bei den Alamannen in der Lex Alamannorum (9.Jh.) auftaucht und gehört eindeutig in die Jagdterminologie und erscheint weitgehend synonym mit „hetzen“, fast schon wie ein Formvariante des Wortes. Der hier auch zu findende Begriff „hessehunt“ bedeutet Jagdhund. Es scheint, die Alamannen haben das Verb „hessen“ erstmals geprägt. Das Verb lebt auch im Niederdeutschen und Niederländischen fort. Es war also nicht autochthon, stammte aber mit Sicherheit aus der unmittelbaren Nachbarschaft, wohl aus dem hessischen Raum. Dieses Gebiet bildete schließlich die Kontaktzone zwischen Alamannen und Franken. In den Quellen des 8.Jh. werden die Hessen auch als „Hassi, Hessi, Hessiii, Hassones, Hessiones, Hessones und Hazzoarii bezeichnet. Im 16.Jh. bezeichnete man mit „Hessen“ auch kurze Stoßdegen, so der Chronist Wigand Lauze.