Der Vertrag von Misenum Die Vertragspartner Octavianus und Antonius zogen gemeinsam in Rom ein. Die Außenseiterrolle des Lepidus zeigte sich schon darin, dass er hieran nicht mehr beteiligt wurde. Der Triumphzug, den der Senat den beiden zugestand, war nach traditionellem Maßstabe völlig unberechtigt, da nie ein auswärtiger Gegner besiegt worden war. Es handelte sich vielmehr um einen Akt, welcher in Monarchien üblich ist: den Einzug des Herrschers. Nichts illustriert den Zustand des römischen Staates anschaulicher als diese Zeremonie. Den Römern war alles Andere wichtiger als einen fragwürdigen Triumph zu feiern. Es herrschte nackter Hunger. Das Volk forderte von den Triumvirn eine rasche Einigung mit Sextus Pompeius. Es ging soweit – so Appian – dass es den Triumphatoren die Zerstörung ihrer Villen androhte, falls sie nicht für eine Besserung der Situation sorgten. Diese reagierten mit blutiger Unterdrückung. Die Triumvirn gerieten so in die Rolle der Tyrannen, und Sextus Pompeius erhielt den Nimbus des Retters der Republik, wobei sein Vater und seine Rolle im Kampf gegen Iulius Caesar natürlich eine verklärte Hintergrundfolie abgab. Pompeius selbst verstärkte diese Bewegung nach Kräften. Auf Münzen stilisierte er sich als Neptun und prägte das Bild seines Vaters. Das Volk bejubelte im Circus beim Einzug der Götterstatuen das Bild Neptuns. Die Triumvirn wurden in die Tyrannenrolle gedrängt, als das Volk nach einer Steuererhebung den offenen Aufstand probte und Octavian mit Steinen bewarf, als er sich einmal zeigte. Er geriet in derartige Bedrängnis, das Antonius ihn von Soldaten heraushauen ließ, wobei es zahlreiche Todesopfer gab. Die Leichen ließ Antonius in den Tiber werden. Darauf herrschte in Rom Friedhofsruhe. Zudem setzte eine Welle von Begünstigungen ein, welche die triumviri rei publicae constituendae in Form von Ämtern auf ihre Getreuen herabregnen ließen. Die Leiche der Republik wurde gefleddert. Im Jahr 38 gab es 67 Praetoren; normal waren in der Endphase der Republik 16. Es blieb nur die Möglichkeit, Sex. Pompeius einzubeziehen. Die Einigung erfolgte nach Beratungen im Sommer 39. Bei Misenum wurde im Meer vor der Küste eine Holzplattform verankert, auf der sich die Vertragspartner nach streng ausgehandelten Regeln trafen. Pompeius bekam die großen Inseln, welche er ohnehin besaß, nun vertraglich bestätigt. Da Octavian forderte, auch Antonius müsse aus seinem Herrschaftsbereich etwas herausrücken, trat der Pompeius noch die Peloponnes ab. Im Gegenzug hob er die Blockade gegen Italien auf und garantierte die Getreideversorgung. Seine großenteils aus entlaufenen Sklaven rekrutierten Soldaten erhielten den Status ordentlicher Legionäre. Der Vertrag wurde feierlich bei den Vestalinnen hinterlegt. Wieder einmal herrschte Frieden. Bleicken datiert Vergils 4. Ekloge in die Zeit nach Misenum. Im Januar heiratete Octavian die damals knapp 20jährige Livia, nachdem er deren Ehemann Ti. Claudius Nero nachdrücklich zum Einverständnis mit einer Scheidung gedrängt hatte. Sie gebar drei Monate später einen Jungen, der als Drusus bekannt wurde. Er war der zweite Sohn der Ehe von Ti. Claudius Nero und Livia; ein älterer Sohn hieß Tiberius wie sein Vater. Beide adoptierte Octavian nach dem Tod ihres leiblichen Vaters bald nach diesen Ereignissen. Die Ehe blieb kinderlos, und Octavians einziges leibliches Kind war seine Tochter Iulia aus der Ehe mit Scribonia, die um der Heirat mit Livia willen eilends geschieden worden war. Der Vertrag von Misenum wurde sehr schnell obsolet. Noch im Jahre 38 scheiterte eine erste Invasion Siziliens. Die horazischen Epoden 7 und 16 könnten mit ihrem resignativen Ton die Reaktion auf den erneuten Ausbruch von Bürgerkriegen sein. Nach der Schlappe ging Octavian den Kampf gegen Sextus Pompeius energischer an, zumal dieser die Seeblockade Italiens wieder aufgenommen hatte. Agrippa legte den portus Iulius bei Puteoli an und schuf so die Voraussetzungen für die Schaffung einer mächtigen Kriegsflotte. Erst im September 36 konnte Agrippa in den Seeschlachten bei Naulochos und Mylai Pompeius endgültig besiegen. Nach einer abenteuerlichen Odyssee wurde Sex. Pompeius im Jahr 35 in Kleinasien verhaftet und vom römischen Statthalter, ob auf Weisung von Antonius, ist unsicher, hingerichtet. Diese Siege besserten das Ansehen Octavians erheblich auf. Er konnte sich nun als Befreier Italiens darstellen. Die Öffentlichkeit scheint ihm in dieser Interpretation gefolgt zu sein, denn er konnte es sich leisten, dem bisherigen Stil unnachgiebiger Härte einen ganz neuen der Milde und Fürsorge folgen zu lassen. Im Westen war Octavian unangefochtener Herrscher. Lepidus war völlig kaltgestellt, da er im Seekrieg als derjenige dagestanden hatte, welcher für die Niederlagen verantwortlich war. Seine Soldaten liefen zu den Truppen Octavians über. Er musste den Rest seines Lebens bis 12 v. Chr. am Capo Circeo verbringen, wo er vergessen und verachtet starb. Seine Würde als pontifex maximus war es wohl, die Octavian davon abhielt, in einfach beseitigen zu lassen. Das römische Reich war im Jahr 36 jedoch an seinem absoluten Tiefpunkt angelangt. Zerstörungen, Hunger, Entwurzelung, die Nöte, welche die Demobilisierung von Dutzenden Legionen mit sich bringen, und über allem die Militärdiktatur zweier allmählich offen miteinander rivalisierender Machthaber, die ihrerseits Sklaven ihrer eigenen Legionen waren.