Bayerischer Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bayerischer Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Postfach 22 00 12 80535 München An die Präsidentin des Bayerischen Landtags Frau Barbara Stamm, MdL Maximilianeum 81627 München Ihr Zeichen, Ihre Nachricht PI/G-4253-3399 U vom 08.01.2010 Unser Zeichen R 4-7940-646 München 10.06.2010 Schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Christian Magerl vom 05.01.2010 betreffend „Management von Wasservögeln in der Stadt München und Umgebung“ Anlagen 3 Kopien dieses Schreibens Sehr geehrte Frau Präsidentin, zu der o. g. Anfrage kann ich Ihnen in Abstimmung mit dem Staatsminister für Umwelt und Gesundheit Folgendes mitteilen: Allgemeines zur Gänseforschung im Stadtgebiet München: Die Anfrage bezieht sich im Schwerpunkt auf ein wissenschaftliches Projekt der TU München (TUM) „Management von Wasservögeln in urbanen Gebieten: Modellgebiet München“, welches in den Jahren 2006 bis 2009 u. a. auf Anregung sowohl der Stadtverwaltung München wie auch der Schlösser- und Seenverwaltung durchgeführt wurde. Zur Beantwortung der Anfrage kann darüber hinaus auf folgende weitere Studien zurückgegriffen werden: Seite 1 von 13 E-Mail [email protected] Internet www.stmelf.bayern.de Telefon 089 2182-2200 Telefax 089 2182-2710 Ludwigstraße 2 80539 München Postfach 22 00 12 80535 München „Studie zur Populationsentwicklung von Graugans und Kanadagans an Münchner Parkgewässern“ in den Jahren 1990 und 1991 von Faas & Döring (1993) (LBV). „Ökologie ausgewählter Wasservogelarten (Gänse/Schwäne) in Bayern (Bestand, Wanderung, Populationsbiologie, Problempotential, Managementvorschläge) von Homma und Geiter (2003)“. „Studie über freilebende Gänse in der Stadt München (Bestand, Wanderung, Auswirkung, Managementvorschläge insbesondere im Hinblick auf die Problematik der Graugans unter Berücksichtigung der Schwäne und der Kanadagänse)“ von Homma und Geiter (2003). Zu den einzelnen Fragen der o. g. Anfrage wird wie folgt berichtet: Zu Frage 1 a) und c) Weder aus dem Englischen Garten noch aus dem Schlosspark Nymphenburg liegt ein durchgängiger Datensatz über Sommer- und Wintergansbestände der letzten 25 Jahre veröffentlicht vor. Bei der Studie von Faas & Döring (1993) wurden der Englische Garten sowie der Nymphenburger Schlosspark nicht erfasst; Homma & Geiter (2003) stellten bei ihrer Studie überwiegend auf die Mauserbestände ab (mit Ausnahme der Graugans in Nymphenburg). 1. Sommerbestand (vorliegende Daten 1998-2010) Der Sommerbestand kann anhand vorliegender Daten zum Mauserbestand sowie zu Brutvögeln ab 1998 dargestellt werden. Beim Mauserbestand werden nur Daten über Altvögel verwendet, da im Olympiapark im Jahr 2002 (Homma & Geiter 2003) sowie im Nymphenburger Schlosspark zwischen 2007 und 2009 (TUM-Projekt) eine Gelegebehandlung getestet wurde und somit die Vergleichbarkeit aller zur Mauserzeit anwesenden Gänse (Jungund Altvögel) nicht gegeben ist. 1.1 Graugans- Mauserbestand Die Entwicklung der Graugans-Mauserbestände lässt sich anhand der Daten von Homma & Geiter (2003) sowie den aktuellen Daten der TUM für ganz Seite 2 von 13 München, dem Englischen Garten und dem Nymphenburger Schlosspark aufzeigen (Abbildung 2). Abbildung 2: Mauserbestand der Graugans (nur Altvögel) zwischen 2000 und 2009 (Quellen: 2000-2002* Homma und Geiter (2003), 2008-2009 TUM) 1.2 Kanadagans-Mauserbestand Der Mauserbestand der Kanadagans (Altvögel) im Nymphenburger Schlosspark ist seit 1998 leicht im Steigen begriffen (Abbildung 3). Im Zeitraum zwischen 2000 und 2009 wurden im Englischen Garten keine mausernden Kanadagänse beobachtet. Seite 3 von 13 Abbildung 3: Mauserbestand der Kanadagans (Altvögel) im Nymphenburger Schlosspark zwischen 1998 und 2009 (Quellen: 1998-2002* Homma & Geiter (2003), 2008-2009 TUM) 1.3 Brutvögel Die Entwicklung der Zahl der Brutvögel von Grau- und Kanadagans zwischen 2007 und 2009 im Nymphenburger Schlosspark und im Englischen Garten zeigt Abbildung 4. Abbildung 4: Brutvögel der Grau- und Kanadagans in den Jahren 2007 bis 2009 im Englischen Garten und im Nymphenburger Schlosspark (TUM) Seite 4 von 13 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Sommerbestand zumindest der Graugänse, abgeleitet aus Mauserbestand und Brutvögeln, in München seit 2002 eine zunehmende Tendenz aufzeigt. 2. Winterbestand (vorliegende Daten 2001-2010) Anhand der Daten des Wasservogelmonitoring des LfU (2000/01 bis 2005/06) sowie der Daten aus dem TUM-Projekt lassen sich die Winterbestände der einzelnen Gänsearten in den beiden Gebieten in etwa abschätzen (Abbildung 5). Abbildung 5: Wintermaxima im Englischen Garten zwischen 01/02 und 09/10 (Quellen: 2001-2006 Wasservogelmonitoring des LfU, 2007-2010 TUM). Seite 5 von 13 Abbildung 6: Wintermaxima im Schlosspark Nymphenburg zwischen 01/02 und 09/10 (Quellen: 2001-2006 Wasservogelmonitoring des LfU, Homma & Geiter (2003), 2007-2010 TUM). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich insbesondere der Graugansbestand in den letzten zwanzig Jahren in den betreffenden Gebieten sowie in ganz München tendenziell erhöht hat. Zu Frage 1 b) Der Starnberger See ist nicht Bestandteil des TUM-Projektes. Den Jagdstrecken als indirekter Weiser können vage Anhalte über die Bestandsentwicklung der Gänse im Bereich des Starnberger Sees entnommen werden. So wurden seit dem Jahr 2000 jährlich zwischen 2 und 11 Graugänse erlegt, bei den Kanadagänsen zwischen 10 und 94. Die Zahlen schwanken zwischen den Jahren, ein Trend ist daraus allerdings nicht abzuleiten. Nach Homma und Geiter (2003) bilden die Graugänse des Starnberger Sees eine eigene relativ abgeschlossene und nur kleine Gruppe. Der Bestand scheint seit Jahren auf niedrigem Niveau stabil. Im Sommer mausern nur etwa 30 adulte Graugänse im Nordteil des Sees. In den letzten Jahren wurden höchstens drei erfolgreiche Bruten festgestellt. Die Gänse bleiben mit Ausnahme vom Herbst ganzjährig am See, dann fliegen sie gelegentlich an den Ammersee und seine Umgebungsgewässer. Fremde Graugänse erscheinen nur selten am Starnberger See. Die Auswertung der Daten der Wasservogelzählung zeigt, dass Graugänse am Starnberger See oft nur unstet nachzuweisen sind. Dies hängt wohl v. a. mit dem Verhalten der Gänse zusammen, die sich tagsüber zu einem gewissen Anteil auf seefernen Äsungsflächen aufhalten und damit nicht immer vollständig erfasst werden können. Seite 6 von 13 Mit einigen Ausnahmen in den Wintermonaten November bis Dezember, in denen bei 15 % der Zählungen vereinzelt über 50 Graugänse festgestellt wurden, erreichten die Gänsezahlen in über 80 % der Zählungen gerade einmal 10 Individuen. Insgesamt lassen die Zahlen keine Zu- oder Abnahme der Graugänse am Starnberger See erkennen, der Mittelwert liegt über die Jahre bei ca. 20 Individuen. Am Starnberger See leben nach Homma und Geiter (2003) in den Sommermonaten etwa 150 bis 200 Kanadagänse. Der Jungvogelanteil in dieser Population liegt bei etwa 40 bis 50 Individuen (entspricht ca. 7 bis 10 Brutpaare). Die Gänse bleiben überwiegend ganzjährig am Starnberger See. Einzelne Trupps suchen im Winterhalbjahr gelegentlich auch den Ammersee auf. Abgesehen von einzelnen Familien, die in der Nähe des Sees an kleineren Gewässern brüten und nach der Brutzeit an den Starnberger See kommen, gibt es offensichtlich keinen nennenswerten Zuzug von außerhalb. Es konnte bisher trotz der Nähe keine Verbindung zum Stadtgebiet München nachgewiesen werden. Die Bestandszahlen der Kanadagans erreichen vor allem im Dezember und Januar regelmäßige Werte von über 100 Individuen. Im Mittel liegt der Winterbestand bei etwa 50 Individuen, bei leicht zunehmender Tendenz. Zu Frage 2 a) Das wissenschaftliche Projekt der TUM „Management von Wasservögeln in urbanen Gebieten: Modellgebiet München“ mit einer Laufzeit von drei Jahren wurde aus Mitteln der Jagdabgabe in den Jahren 2006, 2007 und 2008 mit je 22.667,- Euro (in Summe 68.001,- Euro) gefördert. Die Schlösserverwaltung hat das Projekt in Erwartung von praktikablen Lösungen zur Reduzierung der durch Gänse verursachten Schäden und Probleme (Fraß- und Trittschäden an den Sommerblumenrabatten, Verunreinigung von Wegen, Wiesen und Gewässern) in den Jahren 2007, 2008 und 2009 mit jeweils 10.000,- Euro finanziell unterstützt. Die Stadt München unterstützte das Projekt durch Eigenleistung (Personal). Seite 7 von 13 Zu Frage 2 b) Im Bereich der Landeshauptstadt München spielen lediglich die Graugans und Kanadagans eine gewisse Rolle. Deren Bejagung richtet sich nach den jagdrechtlichen Vorgaben. Im Stadtgebiet bestehen 18 Jagdreviere, nur in einem Teil dieser Reviere kommen Gänse vor. Der Englische Garten und der Schlosspark Nymphenburg sind befriedete Gebiete, in denen jagdliche Handlungen nur mit Genehmigung der unteren Jagdbehörde in Einzelfällen möglich sind. In der sog. Streckenliste B für nicht abschussplanpflichtiges Wild werden auch Graugans und Kanadagans differenziert erfasst. Der folgenden Tabelle sind die Streckenmeldungen seit 1986 zu entnehmen. Jahr Graugans Kanadagans 1986 0 0 1987 6 0 1988 0 0 1989 0 0 1990 0 0 1991 0 27 1992 1 0 1993 0 0 1994 0 0 1995 0 0 1996 4 0 1997 11 0 1998 6 0 1999 19 0 2000 0 0 2001 26 0 2002 8 0 2003 14 0 2004 6 0 Seite 8 von 13 2005 17 0 2006 2 0 2007 2 0 2008 12 0 Tabelle 1: Auszug Streckenliste B für Graugans und Kanadagans im Zuständigkeitsbereich der Landeshauptstadt München. Eine Streckennachweisung für per Ausnahmegenehmigungen erlegtes Wild in befriedeten Bezirken wird aufgrund fehlender Zuordnung dieser Flächen zu einem Jagdbezirk in der Jagdstatistik in der Regel nicht erhoben. Zu Frage 2 c) Im Rahmen des TUM-Projektes wurden keine Grau- bzw. Kanadagänse durch jagdrechtliche Ausnahmegenehmigung zu Mauserfängen getötet. Zu Frage 3 a) Eine Gelegebehandlung bei Gänsen fand erstmals im Rahmen der Studie von Homma und Geiter (2003) im Olympiapark statt. In den Jahren 2007 – 2009 konnte im Rahmen des TUM-Projektes im Englischen Garten sowie im Nymphenburger Schlosspark bei der Graugans eine Verdoppelung der Brutpaare beobachtet werden. Die Zahl der Brutpaare bei der Kanadagans ist um 80 % angestiegen. Seite 9 von 13 Abbildung 7: Brutpaare im Nymphenburger Schlosspark sowie im Englischen Garten zwischen 2007 und 2009 Eingriffe in die Gelege wurden im TUM-Projekt bei Grau- und Kanadagans im Jahr 2007 im Englischen Garten sowie im Nymphenburger Schlosspark durchgeführt. In den Jahren 2008 und 2009 wurden nur Gelege im Nymphenburger Schlosspark behandelt. Anzahl der im Rahmen des TUM–Projektes behandelten Eier: München: 2007 : 125 Eier von 251 Eiern (Grau-/Kanadagans) im Nymphenburger Schlosspark und Englischem Garten 2008 : 52 Eier von 61 Eiern (nur Graugans) im Nymphenburger Schlosspark 2009: 93 Eier von 136 Eiern (Grau-/Kanadagans) nur im Nymphenburger Schlosspark Starnberger See: Gehört nicht zum Projektgebiet der TUM. Zu Frage 3 b) Seite 10 von 13 Je nach Brutbeginn (abhängig von der Witterung) fand eine Behandlung zwischen Mitte März und Anfang April statt, da die Eier in den ersten zwei Wochen nach dem Legen behandelt werden müssen (Homma & Geiter 2003). Eine Nachkontrolle der Gelege wurde bis Ende April durchgeführt. Zu Frage 3 c) Alle betrauten Personen sind wildbiologisch und gänseökologisch ausgebildet, haben neben dem Studium durch Ablegen der Jägerprüfung zusätzlich ihre Artenkenntnis sowie Kenntnisse über Jagd- und Schonzeiten von Wildgänsen nachgewiesen. Darüber hinaus wurden zuvor die Gelege nach Arten differenziert kartiert (Abbildung 7). Zu Frage 4 a) Die Mitarbeiter des TUM-Projektes wurden genauestens angewiesen, nur Gelege zu behandeln, die sie sicher Grau- oder Kanadagänsen zuordnen können. Die Maßnahmen wurden von zwei bis drei Personen durchgeführt. Es fanden jeweils Kontrollgänge statt. Zu Frage 4 b) Die Graugans beginnt bereits ab (Feb.) März (Bauer et al. 2005, S.71) und die Kanadagans bereits ab März (Bauer et al. 2005, S.54) mit der Brut. Die Weißwangen-(Nonnen-)gans brütet erst ab (April) Mai (Bauer et al. 2005, S. 57) und die Streifengans fängt ebenfalls erst im April/Mai mit der Brut an (Bauer et al. 2005). Damit brüten bzw. beginnen die beiden geschützten Gänsearten (Weißwangen- und Streifengans)mit der Brut gut einen Monat nach Grau- und Kanadagans, womit ein versehentliches Behandeln der geschützten Arten ausgeschlossen werden kann. Darüber hinaus wurden zuvor die Gelege nach Arten differenziert kartiert. Zu Frage 4 c) Dem Kreisverwaltungsreferat München, Untere Jagdbehörde, liegen solche Berichte nicht vor. Seite 11 von 13 Im Gegensatz zu den Generalisten Grau- und Kanadagans haben Weißwangen- und Streifengans in urbanen Gebieten generell mehr Probleme. Dies drückt sich auch in den Bestandszahlen aus. Weißwangen- und Streifengans sind in ihren Bestandszahlen seit Jahrzehnten fast unverändert. Somit ist davon auszugehen, dass diese beiden Arten mit der Brut zwar beginnen, diese aber nicht jedes Jahr erfolgreich abschließen. Zu Frage 5 a), b), c) Das TUM Projekt befindet sich derzeit in der Abschlussphase; der Abschlussbericht liegt noch nicht vor. Zu Frage 6 a) Siehe zu Frage 5). Zu Frage 6 b) Die Bejagung der dem Jagdrecht unterliegenden Gänse erfolgt nach den jagdrechtlichen Vorschriften. Darin sind auch Einzelgenehmigungen, wie z. B. die Bejagung in befriedeten Bezirken, vorgesehen. Im Rahmen des TUM-Projektes wurden keinerlei Ausnahmegenehmigungen zum Mauserfang erteilt. Zu Frage 7 a) Jede Entscheidung des Kreisverwaltungsreferats als untere Jagdbehörde ergeht stets unter Zugrundelegung der einschlägigen Gesetzgebung nach sorgfältiger Prüfung mit pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung aller vorliegenden und vorgetragenen Faktoren und Umstände. Zu Frage 7 b) Der Landesjagdverband Bayern e.V. wurde im Verwaltungsvollzug von der Unteren Jagdbehörde diesbezüglich nicht gehört. Mit freundlichen Grüßen Helmut Brunner Seite 12 von 13 II. Kopie von I. Per E-Mail Landtagsamt: [email protected] Seite 13 von 13