Felslabor Mont Terri SWISSTOPO ANDRA BGR CHEVRON CRIEPI DOE ENRESA ENSI GRS IRSN JAEA NAGRA NWMO OBAYASHI SCK•CEN Forschung für die geologische Tiefenlagerung Ein Felslabor im Tongestein Au n ah tob tun l ne rhe n len tol itss olle rst he Sic o Lab 50 m 1 km hn a tob Au 6 A1 Felslabor Mont Terri St-Ursanne In 300 Meter Tiefe Das Felslabor Mont Terri liegt nördlich von St-Ursanne im Kanton Jura. Es befindet sich rund 300 Meter tief unter der E ­ rd­­oberfläche und ist über den Sicherheitsstollen des Mont-Terri-Autobahntunnels der Transju­ rane erreichbar. Die Laborstollen in der Opalinustonschicht sind insgesamt zirka 500 Meter lang. Nachdem die ersten Experimente im Jahr 1996 in acht kleinen Nischen entlang des ­Sicherheitsstollens durch­geführt worden waren, wurde 1998 ein separater For­ schungsstollen ausgebrochen, der 2004 und 2008 e ­ rweitert wurde. Das Felslabor dient ausschliesslich For­ schungszwecken; die ­ Lagerung von ra­ dio­aktiven Abfällen kommt hier nicht in ­Frage. geneigt und durch kleinere ­Störungen ver­ setzt. Die Schichtmächtigkeit des Opalinu­ stons beträgt am Mont Terri rund 150 Me­ ter. Der Opalinuston ist zu 40 bis 80 Prozent aus Tonmineralen zusammengesetzt. Davon sind zehn Prozent quellfähig. Bei Wasser­ zutritt führt dies zu einer Volu­men­zu­nahme des Gesteins. Weitere Bestandteile sind Quarz, Calcit, Feldspat, Siderit und Pyrit sowie organische Partikel. Wasser aus dem Meer Der Opalinuston ist sehr gering durch­lässig und das Porenwasser bewegt sich praktisch nicht. Untersuchungen zeigen, dass in je­ dem Liter Porenwasser bis zu 20 Gramm Salze gelöst sind. Das Wasser in den fei­ nen Poren enthält noch immer Anteile von Meerwasser, das viele Millionen Jahre alt ist. Heutiges Meerwasser enthält zum Ver­ gleich 37 Gramm Salze pro Liter. ­ Bautechnik Weil Tongesteine beim Stollenbau oft nicht genügend standfest sind, werden die Stol­ lenwände mit Felsankern und Spritzbeton gesichert. Geologie – Gestein aus dem Meer In der Jurazeit, vor rund 175 Millionen Jah­ ren, entstand der Opalinuston durch Abla­ gerung von feinen Schlammpartikeln auf dem Grund des Meeres. Vor etwa zehn Millionen Jahren entstand während der Bil­ dung des Juragebirges eine Grossfalte (An­ tiklinale), die gegen Nordwesten über den Tafeljura der Ajoie aufgeschoben wurde. Im Bereich des Felslabors sind deshalb die Schichten etwa 45 Grad nach Südosten Felslabor Mont Terri NW SE m ü. M. 1000 800 Courgenay (Ajoie) Mont Terri St-Ursanne 600 400 0 1000 Kalk Sandstein Malm Tertiär 2000 Dolomit/ Kalk Trias Mergel/ Anhydrit Mergel/ Kalk Lias Tafeljura Geologisches Profil entlang dem zirka 4 km langen Autobahntunnel Mont Terri. 3000 Opalinuston Dogger Faltenjura Kalk 3962 m Mergel Kalk Malm Projekte im Felslabor Mont Terri Experimente 1 – Prozessverständnis in ungestörtem Opalinuston DR/DR-A Diffusion und ­Retention von Radionukliden DS Gebirgsspannungen HT Diffusion von Wasserstoff im Ton PC-C Gleichgewichts­ zustände von Porenwasser und gelösten Gasen SM-A/SM-B Seismische Überwachung unter Tage & Monitoring SO/VA Sedimentologie Opalinuston, Variabilität von Sedimentstrukturen 2 – Experimente in ­gestörtem Tongestein CD Zyklische Deformatio­ nen, Selbstabdichtung von Rissen DM-A, DM-B LangzeitDeformationsmessungen um Bohrungen EZ-B Kluftbildung in der Auflockerungszone HG-A, HG-D Gasfliesswege durch Gestein und längs ­Abdich­tungen, Gastransport MA Mikrobiologische Experimente SE-H/TIMODAZ Selbstabdich­tung von Rissen in der A ­ uf­lockerungszone 3 – Experimente, die sich auf den Betrieb oder die Zeit nach dem Verschluss eines Tiefenlagers beziehen CI, BN Wechselwirkung ­­Zement-Ton, Wechselwirkung von Bitumen-Nitrat-Ton EB Engineered barrier emplacement experiment in Opalinus clay Internationale Forschungsplattform Im Felslabor Mont Terri wird seit 1996 ­international geforscht. Das Bundesamt für Landestopografie (swisstopo) ist Betreiber des Felslabors und ­ leitet das Mont-TerriProjekt. An den unterirdischen Forschungsvor­ha­ben beteiligen sich fünfzehn Organisa­tionen aus Belgien, Deutschland, Frankreich, ­ Japan, Kanada, Spanien, der Schweiz und den USA. Verschiedene weitere ­Länder ziehen Tonge­ steine ebenfalls als mögliche Wirt­ gesteine für geologische Tiefenlager in Be­ tracht. Ein Wirtgestein ist das geo­­ lo­ gische Medium, in welchem die Lagerstollen für radio­aktive Abfälle gebaut werden. Bei regelmässigen Treffen diskutieren die Projektpartner die Resultate laufender Ex­ perimente und beraten über die Durch­ führung und Finanzierung neuer Experi­ mente. Jedes Jahr kann ­jeder Partner von neuem entscheiden, an w ­ elchen Experi­ menten er sich beteiligt. Know-how für alle Das Know-how aus dem Felslabor Mont Terri kann in Zukunft auch mit anderen For­ schungszweigen ausgetauscht werden, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Entsor­ gung von chemischen Abfällen oder in der Erdölindustrie, die CO2 Speicherung und die Tiefengeothermie. Sic ah ntu tol nn len EB el PC-C DR-A HE-E HT FE MO Entwicklung der Messtechnik zur Langzeitüber­ wachung eines Tiefenlagers CS CO2 Speicherung in geologischen Formationen: Dichtigkeit von Bohrungen im Opalinuston itss CS HE-E In-situ-Heizversuch in verschiedenen Sand-TonGemischen IC, IC-A Korrosionsexperi­ mente Stahl-Opalinuston und Stahl-Bentonit tob rhe DS 1) Entwicklung von Methoden Weil in Tongestein so gut wie kein Wasser fliesst, müssen spezielle hydrogeolo­gische Testmethoden und Programme zur Auswer­ tung der Messdaten ent­ wickelt werden. Dies betrifft zum Beispiel die Messung von Porenwasserdrücken, die Ermittlung der Durchlässigkeit und die Entnahme von Was­ serproben. Damit in Tongesteinen stabile Bohrungen ausgeführt und ungestörte Bohrkerne ent­ nommen werden können, müssen die Bohrund Kernentnahmetechniken an­ gepasst und verbessert werden. Die heute in Kristallingestein gängigen Me­ thoden zur Ermittlung des Spannungs­feldes im Gestein und rund um die Stollen funktio­ nieren in Tongestein nur bedingt und müs­ sen deshalb weiter entwickelt werden. Die gekoppelten Prozesse (gegenseitige Beeinflussung von z. B. Temperatur, ­Was­sergehalt und Druckverhältnissen) stel­ len neuartige Anforderungen an die Me­ thoden zur Untersuchung von Pro­ zessen, die im Felslabor studiert werden. Au he FE 1:1-Einlagerungsversuch mit drei Heizelementen, Langzeitmessung des Wärmeeintrags ins Gebirge und Aufsättigung Forschung und Entwicklung Die Experimente im Felslabor Mont Terri konzentrieren sich auf drei Schwerpunkte und Ziel­setzungen: MA SE-H/TIMODAZ CD IC DM-B IC-A SO/VA MO CI HG-D N BN EZ-B CD DM-A DR HG-A DS Stollensystem des Felslabors Mont Terri mit Experiment-Standorten. Diffusion Den passiven Konzen­tra­ tionsausgleich von ­gasförmigen oder gelösten Stoffen zwischen Bereichen höherer und niedrigerer Konzentration nennt man Diffusion. Radionuklide Von jedem chemischen ­Element gibt es stabile und spontan zerfallende (= radio­aktive) Atomarten. Radio­aktive Atom­arten nennt man auch Radio­nuklide. Freigabegrenze Die Freigabegrenze bezeichnet einen gesetzlich festgelegten Aktivitätswert, bis zu welchem der Einsatz von radioaktiven Stoffen ohne Genehmigung erlaubt ist. Forschung aktuell Eine Darstellung der aktuellen Untersuchungen im Felslabor Mont Terri findet sich auf der Website www.mont-terri.ch. 2) Charakterisierung des Opalinustons Das Einschlussvermögen des Opalinustons wird durch seine physikalischen und che­ mischen Eigenschaften charakterisiert. Da­ bei gilt das Haupt­interesse der Durchlässig­ keit und der Fähigkeit zur Selbstabdichtung, sowie dem Diffusionsverhalten von Radio­ nukliden. Wenn Feuchtigkeit in offene Entlastungs­ klüfte eindringt, schwillt der Opalinus­ ton; offene Risse, die während des Stollenbaus entstanden sind, werden dabei geschlos­ sen. Durch diese Selbst­­ab­dichtung vermin­ dert sich die Durch­ lässigkeit, die wieder Werte des unge­störten Gesteins erreichen kann. In verschiedenen Experimenten wer­ den diese Zusammenhänge untersucht. Das Diffusionsverhalten von Radionuk­liden und das Rückhaltevermögen werden zum Beispiel im Experiment DR/DR-A untersucht. In einem kleinen Bohrloch wird ein abge­ trenntes Testintervall mit Wasser aufgesät­ tigt und anschliessend eine k­ontrollierte Menge Markierstoffe (z. B. Tritium) zugegeben. Nach frühestens einem Jahr ­ wird das kleine Loch überbohrt. Am neuen und grösseren Bohrkern wird nun unter­ sucht, wie weit der Markier­stoff ins Gestein eingedrungen ist (vgl. Foto unten). Dabei breiten sich «nicht­haftende» Radio­nuklide (z. B. Tritium) schneller aus als stark Konzentration Tritium Resultat eines Diffusions-Experiments. Aufbau des Demonstrationsexperimentes EB (Engineered barriers Technische Barrieren). Stahlbehälter auf Bentonitsockel. Rund um den Stahlbehälter wurden für den Versuch Sensoren und Bewässerungsrohre verlegt. Der restliche Hohlraum wurde anschliessend mit Bentonitgranulat verfüllt. Über mehrere Jahre hinweg wird beobachtet, wie sich die Verfüllmaterialien und das Gestein durch Wasserzutritt verändern. «haftende» Radio­ nuklide (z. B. Caesium, Kobalt), wie sie in einem Tiefenlager für hochaktive Abfälle vorhanden sein wer­ den. Die Aktivität der eingesetzten Radio­ nuklide liegt dabei weit unter der Freigabe­ grenze. 3) Demonstrationsexperimente Mit Demonstrationsexperimenten werden Verfahren zur Einlagerung von Abfall­ behältern erprobt. Diese Experimente die­ nen dem Nachweis der Machbarkeit eines geo­logischen Tiefenlagers. Das Experiment FE stellt eine Weiterent­ wicklung von EB dar (siehe Bilder unten). Im Massstab 1:1 wird das Einlagerungskon­ zept für verbrauchte Brennelemente über­ prüft. Dabei werden die durch radioaktiven Zerfall entstehende Abwärme und das Ge­ wicht der Abfallbehälter mit Heizelementen simuliert. Über mehrere Jahre wird beo­ bachtet, wie sich die Verfüllmaterialien und das Gestein unter Temperatureinwirkung verhalten. Solche Demonstrationsexperimente sind zu­ dem geeignet, den Besuchern das K ­ onzept der Tiefenlagerung anschaulich zu erklären. Fragen und Antworten Was ist Opalinuston? Opalinuston ist ein Tongestein, das vor rund 175 Millionen Jahren in einem Flach­ meer der Jurazeit entstanden ist. Im Opali­ nuston sind fossile Schalen des Ammoniten «Leioceras opalinum» weit verbreitet. Der Name ist auf den schillern­ den (opa­ lisierenden) Glanz der Schalen zurück­ zuführen. Jurameer Strassburg Stuttgart München Bern Entstehungsgebiet des Opalinustons Experimente in Felslabors Naturanaloga Beurteilung der Langzeitsicherheit eines Tiefenlagers Standortuntersuchungen Modellierungen Wieso braucht es ein Felslabor? Ein Felslabor bietet realistischere Versuchs­ bedingungen als dies bei herkömmlichen Laborstudien der Fall ist. Experimente kön­ nen hier im Massstab 1:1 durchgeführt wer­ den. Die Experimente im Fels­labor liefern wesentliche Erkenntnisse über die Mach­ barkeit und Sicherheit von Tiefen­ lagern. Felslabors allein genügen aber nicht. Zur Beurteilung der Langzeitsicherheit eines Tiefenlagers (Sicherheitsanalyse) braucht es auch ­Beobachtungen an Natur­analoga, Modellierungen und Standortuntersu­ chungen. Wie verläuft ein Experiment? Ein Versuchskonzept wird durch Pro­ gno­ serechnungen auf seine Machbarkeit über­ prüft. Wenn klar ist, dass dieses Ziel mit herkömmlichen Laborversuchen nicht zu erreichen ist, wird ein Testort im Fels­la­bor bestimmt. Vor der Durch­füh­rung des Tests werden die Anfangs- und Randbedingungen direkt am Testort ermit­telt. Erst dann wird mit ­Tätigkeiten wie Bohren, ­Instrumentieren und Messen b ­egonnen. Nach Monaten oder Jahren werden die Resultate ausgewertet, interpretiert und mit der Prognose­rechnung verglichen. Wieso wird Opalinuston untersucht? Der Opalinuston weist mehrere Eigenschaf­ ten auf, die sich auf die Sicherheit ­eines geologischen Tiefenlagers günstig auswir­ ken. Dazu gehören neben dem ­guten Ein­ schlussvermögen, der sehr ­geringen Was­ serdurchlässigkeit und dem vorwiegend diffusiven Transport gelöster Stoffe auch eine homogene Struktur, die Rückhaltung von Radionukliden an den Tonmineralober­ flächen sowie die Fähigkeit, Risse und Klüf­ te durch Quellung selbst zu verschliessen. Kann man das Felslabor besuchen? Ja! Für Besuchergruppen (ab ca. 10 Per­ sonen) werden ganzjährig Führungen im Felslabor Mont Terri organisiert. Auskunft erhalten Sie bei: Heinz Hauser Tel +41 32 461 39 88 [email protected] Grosses Bild: Opalinuston unter dem Rasterelektronenmikroskop. Die plättchenförmigen Tonmineralien sind oberflächenaktive Teilchen und können Wassermoleküle und Schadstoffteilchen fixieren (Bildbreite ca. 0,07 mm). Kleines Bild: Gehäusereste des Opalinuston-Leitfossils «Leioceras opalinum». Projektdirektion Bundesamt für Landestopografie (SWISSTOPO) Mont Terri Project Projektpartner SWISSTOPO Bundesamt für Landestopografie ENSI Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat NAGRA Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle SCK•CEN Studiecentrum voor Kernenergie • Centre d‘Etude de l‘Energie Nucléaire BGR GRS Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit mbH ANDRA IRSN Agence Nationale pour la Gestion des Déchets Radioactifs Institut de Radioprotection et de Sûreté Nucléaire OBAYASHI Obayashi Corporation JAEA Japan Atomic Energy Agency CRIEPI Central Research Institute of Electric Power Industry NWMO Nuclear Waste Management Organisation, Toronto ENRESA Empresa Nacional de Residuos Radiactivos, S. A. DOE CHEVRON U.S. Department of Energy, Washington DC Chevron Energy Technology Company, Houston Mitfinanzierung ausgewählter Experimente Europäische Union (EU) Unterstützende Forschungsorganisation Paul Scherrer Institut (PSI), Schweiz Eigentümer Tunnelanlagen, Bewilligungen Sicherheitsgalerie: ASTRA (Bundesamt für Strassen) Felslaborstollen und Gestein: République et Canton du Jura Felslabor Mont Terri swisstopo Fabrique de Chaux Rue de la Gare 63 CH-2882 St-Ursanne Tel +41 32 461 20 40 Fax +41 32 461 36 88 www.mont-terri.ch Mai 2012 Fotos: Comet (Zürich), Mediacolor‘s (Zürich), swisstopo (Wabern), R. Nüesch (Zürich), TimeLineFilm (Meiringen)