Reaktionen in der NS-Zeit

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Inhaltsverzeichnis
Reaktionen in der NS-Zeit
3—
Wissen und Haltung der nichtjüdischen Deutschen
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Haltung der Alliierten
Reaktionen in der NS-Zeit
Wissen und Haltung der nichtjüdischen Deutschen
Während die zunehmende Judenverfolgung in Deutschland vor aller Augen geschah, achtete
das NS-Regime bei der „Endlösung“ auf strengste Geheimhaltung. SS-Angehörigen war es unter
Androhung der Todesstrafe verboten, über die Ermordung von Juden oder Sinti und Roma zu
berichten.
Der übrigen Bevölkerung stellte man die Deportationen der Juden aus dem Reich offiziell als
„Umsiedlungen“ dar. Eine Mehrheit nahm diese Lüge hin, obwohl allein diese Massendeportationen
ein schweres Unrecht waren. Dass „Umsiedlung“ tatsächlich Massenmord bedeutete, erfuhren
manche Deutsche nur vom Hörensagen, etwa von Soldaten auf Heimaturlaub, und durch
„Flüsterpropaganda“ (Hannah Arendt). Der Widerstandskämpfer Helmuth James Graf von Moltke
schrieb 1943: Mindestens neun Zehntel der Bevölkerung weiß nicht, dass wir Hunderttausende
von Juden umgebracht haben. Doch selbst das Zehntel, das ansatzweise Bescheid wusste, hat –
von wenigen Ausnahmen abgesehen – nichts dagegen unternommen, obwohl das allmähliche
Verschwinden der Juden aus dem gesellschaftlichen Leben in Deutschlands für jeden offensichtlich
war.
Obwohl der Völkermord an den Juden die geplante Folge der nationalsozialistischen Rassenpolitik
war, glaubten damals und glauben noch heute manche Menschen, dass die Bilder und Berichte
aus den Konzentrationslagern Bestandteil der britischen und amerikanischen Kriegspropaganda
seien. Nichtwissen und Nicht-Wissen-Wollen über den Holocaust gehen dabei ineinander über.
Haltung der Alliierten
Seit 1933 kritisierten ausländische Staaten die nationalsozialistische Innenpolitik, besonders
die Verfolgung von Juden und anderen Minderheiten. Bei der von US-Präsident Roosevelt
angestoßenen Konferenz von Évian im Juli 1938 war jedoch fast kein Teilnehmerstaat zur
Aufnahme jüdischer Flüchtlinge oder Erhöhung seiner Einwanderungsquoten bereit.
Nach Kriegsbeginn verstärkte sich die Kritik der Alliierten; dennoch wurden die europäischen
Juden nicht präventiv vor den vorrückenden Truppen der Achsenmächte evakuiert. Seit
1942 wurde den Alliierten die systematische Ausrottungspolitik des NS-Regimes bekannt.
Sie verurteilten diese äußerst scharf und begründeten damit auch ihre Kriegsstrategie. Mitte
Dezember 1942 warnten die USA, Großbritannien und weitere 10 Regierungen die deutsche
Regierung, dass „die Verantwortlichen einer Vergeltung nicht entgehen“ würden (Interalliierte
Erklärung zur Vernichtung der Juden vom 17. Dezember 1942). Gezielte Maßnahmen, um den
Holocaust zu beenden oder aufzuhalten, ergriffen sie aber nicht. Ihre Kriegsführung richtete sich
seit Kriegseintritt der USA auf die vollständige Kapitulation des NS-Regimes.
Als die ersten Nachrichten über die Massenvernichtung eintrafen, versuchte das USAußenministerium deren Veröffentlichung zu unterdrücken. Auf Druck der öffentlichen Meinung
trat im April 1943 auf Bermuda erneut eine internationale Konferenz zusammen, um Lösungen
für Flüchtlinge zu erörtern. Wie die Vorkriegskonferenz von Evian verlief auch sie ergebnislos.
Erst nach Intervention des Finanzministers Henry Morgenthau kündigte Roosevelt am 22. Januar
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1944 die Einsetzung des War Refugee Board an. Dieses Gremium trug zur Rettung mehrerer
Tausend Juden bei.
Die britische Regierung behinderte und unterließ in einzelnen Fällen mögliche Hilfeleistungen.
Als im Dezember 1942 einige britische Abgeordnete verlangten, jüdischen Flüchtlingen müsse
sichere Zuflucht versprochen werden, lehnte der britische Außenminister dies mit der Begründung
ab, es gebe „Sicherheitsbedenken“ und „geografische Probleme“. Anfang 1943 wurde bekannt,
dass man gegen Hinterlegung einer gewissen Summe in der Schweiz 70.000 rumänische Juden
hätte retten können. Die Regierung hatte den Plan jedoch blockiert, da sie eine Schwächung der
eigenen und eine Stärkung der deutschen Position befürchtete.
Die sowjetischen Behörden lieferten deutsche Juden – darunter viele Kommunisten, die in der
Sowjetunion Zuflucht gesucht hatten – nach Abschluss des Hitler-Stalin-Paktes im August 1939
den Nationalsozialisten aus. Nach dem Überfall der Wehrmacht im Juni 1941 blieb die besondere
Gefährdung der sowjetischen Juden unberücksichtigt. Die sowjetische Berichterstattung
verschwieg die deutsche Ausrottungspolitik. Jüdische Flüchtlinge fanden oft keine Unterstützung
durch die Partisanen, wurden von diesen nicht als Mitkämpfer aufgenommen und zum Teil ihrer
Waffen und Nahrungsmittel beraubt.
Nach Kriegsende trafen in der britischen und amerikanischen Besatzungszone etwa 200.000
jüdische Flüchtlinge ein, die meist jahrelang in besonderen Lagern untergebracht wurden.
Ein britischer General, der die United Nations Relief and Rehabilitation Administration leitete,
behauptete, eine jüdische „Geheimorganisation“ würde Juden nach Deutschland „schmuggeln“.
Sie seien „gut gekleidet, wohlgenährt und rotwangig“ und besäßen „große Geldbeträge“. Mitte
1946 untersagten die britischen Behörden jüdischen Flüchtlingen den Zugang zur britischen
Besatzungszone.
Wegen solcher Erfahrungen vermuten manche Vertreter jüdischer Opfergruppen, dass einige
führende Kräfte im Westen der NS-Propaganda erlagen, wonach das „Weltjudentum“ den Krieg
verursacht habe, um sich der Herrschaft über die angelsächsischen Staaten zu bemächtigen. Eine
gesamteuropäische Verantwortung für den Holocaust betonen auch Kirchenvertreter seit 1945:
oft auch, aber nicht immer zur Relativierung des deutschen Schuldanteils.
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