Arzneimittelkunde

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Lehrmittel
Arztsekretär / Arztsekretärin
Arzneimittelkunde
ISBN 978-3-03787-183-6
Inhaltsverzeichnis
Teil A
Grundlagen der Arzneimittelkunde
ASK
7
1
Einführung in die Arzneimittelkunde
ASK
8
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
1.6
Lernziele
Einleitung
Heutige Entwicklung eines neuen Medikaments
Grundlagen
Arzneimittellagerung
Informationsquellen
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
8
8
8
13
16
16
Aufgaben
ASK
18
2
Der Weg der Wirkstoffe im Organismus
ASK
19
2.1
2.2
2.3
2.4
Lernziele
Pharmakokinetik
Pharmakodynamik
Blutspiegelkurven
ASK
ASK
ASK
ASK
19
19
23
24
3
Begriffe aus der Arzneimittellehre
ASK
27
3.1
3.2
3.3
Lernziele
Allgemeine Begriffe
Dosierungsbegriffe
ASK
ASK
ASK
27
27
28
Aufgaben
ASK
29
4
Lokale und systemische Wirkung
ASK
31
4.1
4.2
4.3
Lernziele
Lokale Wirkung
Systemische Wirkung
ASK
ASK
ASK
31
31
31
5
Arzneiformen
ASK
32
5.1
5.2
5.3
5.4
5.5
5.6
5.7
5.8
5.9
5.10
5.11
Lernziele
Einleitung
Orale Arzneiformen
Dermatika
Parenterale Arzneiformen
Inhalanda, Aerosole
Buccale Arzneiformen
Ophtamologika
Rectalia
Vaginale Arzneiformen
Verschiedene Applikationswege im Vergleich
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
32
32
32
33
34
35
35
35
36
36
36
Aufgaben
ASK
38
ASK 1
Pharmakologie ASK Grundlagen der Arzneimittelkunde
ASK 2
6
Reglementation der Arzneimittel
ASK
39
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
Lernziele
Listeneinteilung
Betäubungsmittelgesetz (BetmG)
Selbstdispensation
LOA IV
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
39
39
40
40
40
Aufgaben
ASK
42
Teil B
Spezielle Arzneimittelkunde
ASK
43
7
Analgetika
ASK
44
7.1
7.2
7.3
7.4
Lernziele
Schmerzentstehung
Pharmakologischer Eingriff
Nicht-opioide Analgetika, WHO-Stufe I
ASK
ASK
ASK
ASK
44
44
44
46
8
Opioide
ASK
51
8.1
8.2
8.3
8.4
8.5
8.6
8.7
8.8
Lernziele
Historisches
Wirkung der Opioide
Einsatz der Opioide
Unerwünschte Arzneimittelwirkung der Opioide
Wirkstoffe
Toleranzbildung
Antagonisten am Opioidrezeptor
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
51
51
52
53
53
55
55
55
Aufgaben
ASK
57
9
Sedativa
ASK
58
9.1
9.2
Lernziele
Benzodiazepine
ASK
ASK
58
58
10
Antidepressiva
ASK
63
10.1
10.2
10.3
10.4
10.5
10.6
10.7
10.8
Lernziele
Grundlagen
Pathogenese
Wirkmechanismus der Antidepressiva
Therapeutische Wirkungen der Antidepressiva
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen der Antidepressiva
Wirkstoffe
Lithiumsalze
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
63
63
64
64
65
65
66
67
11
Neuroleptika
ASK
68
11.1
11.2
11.3
11.4
11.5
11.6
11.7
Lernziele
Grundlagen
Pathogenese
Wirkmechanismus der Neuroleptika
Einsatz von Neuroleptika
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen von Neuroleptika
Wirkstoffe
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
68
68
69
69
70
70
71
Aufgaben
ASK
72
12
Antibakterielle Pharmakotherapie
ASK
73
12.1
12.2
12.3
12.4
12.5
Lernziele
Einleitung
Typische Nebenwirkungen von Antibiotika
Hemmstoffe der Zellwandsynthese
Hemmstoffe der bakteriellen Proteinsynthese
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
73
73
75
76
77
13
Antivirale Pharmakotherapie
ASK
78
13.1
13.2
Lernziele
Pharmakotherapie
ASK
ASK
78
78
14
Antimykotische Therapie
ASK
80
14.1
14.2
14.3
14.4
Lernziele
Einleitung
Pilze als Krankheitserreger
Pharmakotherapie
ASK
ASK
ASK
ASK
80
80
80
80
Aufgaben
ASK
81
15
Protonenpumpenhemmer (PPI)
ASK
82
15.1
15.2
15.3
15.4
Lernziele
Eigenschaft und Wirkung
Nebenwirkungen
Wirkstoffe
ASK
ASK
ASK
ASK
82
82
83
83
16
Magen- und darmmotilitätsfördernde Mittel
ASK
84
16.1
16.2
16.3
Lernziele
Eigenschaft und Wirkung
Wirkstoffe
ASK
ASK
ASK
84
84
84
17
Laxantien
ASK
85
17.1
17.2
17.3
Lernziele
Einleitung
Wirkstoffe
ASK
ASK
ASK
85
85
85
18
Diarrhö
ASK
87
18.1
18.2
18.3
Lernziele
Therapie der Diarrhö
Wirkstoffe
ASK
ASK
ASK
87
87
87
ASK 3
Pharmakologie ASK Grundlagen der Arzneimittelkunde
ASK 4
19
Antihypertensiva
ASK
88
19.1
19.2
19.3
19.4
19.5
Lernziele
Einleitung
Pharmakotherapie
Betablocker
ACE-Hemmer, Sartane, Renin-Hemmer
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
88
88
88
90
90
20
Diuretika
ASK
92
20.1
20.2
20.3
20.4
20.5
20.6
Lernziele
Einleitung
Allgemeine Nebenwirkungen
Schleifendiuretika
Kaliumsparende Diuretika
Wirkstoffe
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
92
92
93
94
94
94
21
Koronarmittel
ASK
95
21.1
21.2
21.3
Lernziele
Einleitung
Pharmakotherapie
ASK
ASK
ASK
95
95
95
22
Herzglykoside
ASK
98
22.1
22.2
22.3
22.4
Lernziele
Eigenschaft und Wirkung
Wirkstoffe
Nebenwirkungen
ASK
ASK
ASK
ASK
98
98
98
98
23
Antiarrhythmika
ASK
99
23.1
23.2
23.3
23.4
23.5
23.6
Lernziele
Einleitung
Bradykarde Herzrhythmusstörungen
Tachykarde Herzrhythmusstörungen
Schwierigkeit bei der Behandlung mit Antiarrhythmika
Wirkstoffe
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
99
99
99
100
100
101
24
Thrombozytenaggregationshemmer
ASK 102
24.1
24.2
24.3
Lernziele
Einleitung
Hemmung der Thrombozytenaggregation
ASK
ASK
ASK
25
Antikoagulantien
ASK 104
25.1
25.2
25.3
25.4
25.5
Lernziele
Einleitung
Heparin
Vitamin K-Antagonisten, Cumarin-Derivate
Rivaroxaban
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
26
Lipidsenker
ASK 108
26.1
26.2
26.3
Lernziele
Einleitung
Statine
ASK
ASK
ASK
102
102
103
104
104
105
105
106
108
108
108
27
Diabetes Mellitus
ASK 110
27.1
27.2
27.3
Lernziele
Typ-1-Diabetes
Typ-2-Diabetes
ASK
ASK
ASK
Aufgaben
ASK 112
28
Asthma bronchiale
ASK 113
28.1
28.2
28.3
28.4
28.5
Lernziele
Einleitung
Pathogenese
Pharmakotherapie von Asthma bronchiale
Inhalative Medikamente bei Asthma
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
29
Chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung (COPD)
ASK 116
29.1
29.2
29.3
29.4
Lernziele
Einleitung
Grundlagen
Pharmakotherapie der COPD
ASK
ASK
ASK
ASK
30
Krebsleiden
ASK 117
30.1
30.2
30.3
30.4
30.5
Lernziele
Einleitung
Angriffspunkte der Krebstherapie
Nebenwirkungen der Zytostatikatherapie
Gezielte onkologische Therapie
ASK
ASK
ASK
ASK
ASK
Aufgaben
ASK 120
Anhang
ASK 121
Literatur- und Quellenverzeichnis
ASK 122
Stichwortverzeichnis
ASK 123
Abbildungsverzeichnis
ASK 124
Teil C
110
110
110
113
113
113
113
115
116
116
116
116
117
117
118
119
119
ASK 5
Pharmakologie ASK Grundlagen der Arzneimittelkunde
ASK 6
Teil A Grundlagen der Arzneimittelkunde
ASK 7
Pharmakologie ASK Grundlagen der Arzneimittelkunde
1 Einführung in die Arzneimittelkunde
1
Einführung in die Arzneimittelkunde
1.1
Lernziele
Die Lernenden können
A
A
A
A
A
A
A
A
A
A
A
den Begriff «Pharmakologie»erklären.
die Prozessschritte der Entwicklung eines neuen Medikaments (Targeting, Vorklinische
Entwicklung, Klinische Entwicklung) erklären.
das Heilmittelgesetz (HMG) als regulatorisches Gesetz für Arzneimittel nennen.
die Begriffe Arzneimittel und Medizinprodukt unterscheiden.
das Arzneimittelkompendium und die Swissmedic-Plattform (swissmedicinfo.ch) als
Nachlagewerk für Arzneimittel nennen.
den Begriff Monographie erklären.
wiedergeben, wo Informationen über Vergiftungen eingeholt werden können.
die korrekte Lagerung von Arzneimitteln beschreiben.
erläutern, wie Medikamente benannt werden (Phantasienamen, ATC, INN).
erklären, weshalb Medikamente nicht umgefüllt werden dürfen.
folgende Begriffe erklären und Beispiele nennen:
Magistralrezeptur, Spezialität
1.2
Einleitung
Der Begriff «Pharmakologie» beschreibt die Wissenschaft von den Wechselwirkungen zwischen den Stoffen und den Lebewesen. Ein Stoff, der mit Lebewesen wechselwirkt, wird Pharmakon (englisch «drug») genannt.
1.3
Heutige Entwicklung eines neuen Medikaments
Die Entwicklung eines neuen Medikaments ist ein sehr teurer (>1.2 Milliarden CHF) und langer
Prozess (acht bis zwölf Jahre). Bis zur Marktreife eines Medikaments werden über 1 Million Substanzen getestet. Letztlich tritt eine Verbindung hervor, die dann eingesetzt werden kann. Ist die
Verbindung auf dem Markt, wird sie weiterhin überwacht und kann bei unerwünschten Nebenwirkungen, die zuvor unerkannt blieben, zurückgezogen werden (Bsp. Rückzug Vioxx® am 30.9.
2004 nach Einführung 1999 aufgrund des erhöhten Risikos für einen Herzinfarkt (Quelle Merck).
Abb. 1
Abb. 1www.interpharma.ch
ASK 8
Werdegang eines Medikaments
1 Einführung in die Arzneimittelkunde
Abb. 2
Entwicklungskosten eines Medikaments
Abb. 2www.interpharma.ch
Im Folgenden werden die einzelnen Entwicklungsschritte erläutert, die ein potentieller Wirkstoff
bis zum Markteintritt passieren muss.
Abb. 3
Entwicklungsstufen eines Medikaments
Abb. 3gezeichnet, basiert auf www.novartis.at
Forschung
Target
Identifizierung
und
Validierung
ScreeningAuffinden von
aktiven
Substanzen
Präklinik
Chemische
Optimierung
1.3.1
A
PräklinikFrühe
klinische
Sicherheit und
Wirksamkeit
Klinische Phase
Phase-IStudien
Untersuchung
mit Gesunden
Phase-IIStudien
Untersuchung
mit wenigen
Kranken
Verkauf
Phase-IIIStudien
Untersuchung
mit vielen
Kranken
Zulassung
Markteinführung
Forschung
Target-Identifizierung und Validierung
Bevor ein neuer Wirkstoff entwickelt werden kann, muss eine Krankheit identifiziert werden,
resp. deren Wirkmechanismus geklärt sein. Ein Wirkmechanismus beschreibt den Prozess, wie
eine Krankheit entstehen kann. Durch den Einsatz von Medikamenten versucht man genau diesen Wirkmechanismus zu manipulieren. So kann ein Wirk- bzw. Krankheitsmechanismus die
Produktion eines Eiweisses sein. Jetzt besteht die Möglichkeit, entweder dieses Eiweiss zu
hemmen, damit es im Körper keinen Schaden anrichten kann, oder man versucht die Entstehung dieses Eiweisses zu verhindern, wodurch die Entstehung der Krankheit unterbunden werden kann. Neben einem Eiweiss kann auch ein Rezeptor, der Prozesse in Gang setzt, ein «Target» sein, das man zu manipulieren versucht. Ist dieses «Target» gefunden, muss es zunächst
validiert werden. Dass heisst, es muss geprüft werden, ob das Target wirklich für diese Krankheit verantwortlich ist. Ziel eines neuen Medikaments ist es nun, dieses Target beispielsweise
zu hemmen, zu induzieren (aktivieren) oder zu substituieren (ersetzen). Ein Beispiel: Bei Diabetes
Typ I ist die Insulinproduktion eingeschränkt oder nicht mehr vorhanden. Durch Substitution
durch gentechnologisch hergestelltes Insulin kann die Krankheit bedingt therapiert werden.
B
Screening – Auffinden von aktiven Substanzen
In einem weiteren Schritt wird eine grosse Anzahl von chemischen Verbindungen in einem
sogenannten «high throughput screening» (HTS) in Bezug auf das oben identifizierte Target
ASK 9
Pharmakologie ASK Grundlagen der Arzneimittelkunde
1 Einführung in die Arzneimittelkunde
getestet. Die Pharmafirmen verfügen über eine grosse Anzahl chemischer Verbindungen in
einer Bibliothek, die sie für diese Tests verwenden. Diese Tests sollen aufzeigen, ob die chemische Verbindung eine Reaktion auslösen kann. Durch dieses hochgradig automatisierte Verfahren ist es möglich, in relativer kurzer Zeit Moleküle zu finden, die Eigenschaften besitzen, um
das Target beispielsweise zu hemmen.
C
Chemische Optimierung
Werden potentielle Leitstrukturen («leads») gefunden, die beim Target eine gewünschte Aktivität aufzeigen, werden diese in einem weiteren Verfahren optimiert. Kriterien sind Eigenschaften
wie z. B. Wirksamkeit, Verträglichkeit und Verteilung im Körper. Durch chemische Modifikationen der Strukturen kann beispielsweise die Bindungsaffinität (Bindung des Arzneimittels an den
Wirkort) verstärkt und verbessert werden. Einige Kandidaten werden bei dieser Prüfung verworfen.
Ein Beispiel der chemischen Modifikationen bildet die allseits bekannte Acetylsalicylsäure (Aspirin®). Die Salicylsäure, gewonnen aus der Weidenrinde, war schon in der Antike bekannt. Erst
1874 gelang es dem Marburger Professor H. Kolbe, die Salicylsäure synthetisch herzustellen,
wodurch die industrielle Produktion der Salicylsäure ihren Lauf nahm. Die Salicylsäure hat
schmerzlindernde Wirkung. Ein Problem aber war, dass sie einen schlechten, bitteren
Geschmack hatte und die Schleimhäute erheblich reizte. Der Chemiker Felix Hoffmann, der
selbst unter Arthritis litt und Salicylsäure einnehmen musste, entwickelte angeblich wegen dieser Nebenwirkungen eine neue Form der Salicylsäure, die Acetylsalicylsäure. Dieses Produkt,
das er 1897 hergestellt hat, verbesserte die Eigenschaften der Salicylsäure erheblich. Die Reizung der Schleimhäute, der unangenehme Geruch und die entzündungshemmende Wirkung
wurde verbessert. Diese chemische Modifikation, die nur eine zusätzliche chemische Gruppe
am Molekül ist, ist ein exemplarisches Beispiel, wie Medizinalchemiker Wirkstoffe verändern
und auch verbessern können, falls dies möglich ist.
Abb. 4
O
O
OH
OH
Acetylierung
OH
CH3
O
O
1.3.2
Präklinik – Frühe klinische Sicherheit und Wirksamkeit
Die präklinische Phase ist die Untersuchungsphase, bevor die Struktur am Menschen getestet
wird. Denn am Menschen werden nur Substanzen getestet, die sich als unbedenklich erweisen.
Eine hundertprozentige Unbedenklichkeit kann allerdings nie garantiert werden (siehe Rückzug
Vioxx®). Natürlich ist man versucht, toxische (giftige) Verbindungen so früh wie möglich zu eliminieren.
In dieser Untersuchungsphase werden computergestützte Verfahren (sogenannte «in silico»Verfahren) zur Erkennung von toxischen Verbindungen eingesetzt. Weiter werden toxische Wirkungen an Zellkulturen getestet und weitere Labortests («in vitro») durchgeführt. Auch «in vivo»Tests an geeigneten Versuchstieren (verschiedene Spezies) werden durchgeführt.
1.3.3
Klinische Phase
Bevor der Wirkstoff an einer grossen Gruppe von Patienten in verschiedenen Zentren getestet
werden kann (Phase-III-Studien), werden Machbarkeitsstudien (Proof of concept, PoC-Studien)
durchgeführt, zu diesen Studien zählen Phase-I und Phase-II-Studien.
ASK 10
1 Einführung in die Arzneimittelkunde
A
Phase-I-Studien
In der Regel wird in der Phase I an einer Gruppe von 20–80 Gesunden getestet. Zu Beginn werden nur niedrige Wirkstoffdosen verabreicht. In dieser Phase geht es darum, die Sicherheit,
sichere Dosierung, sowie die unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu ermitteln.
B
Phase-II-Studien
Sobald die Phase-I-Studie erfolgreich abgeschlossen ist, wird die neue Wirksubstanz an 100–
300 Patienten mit entsprechender Erkrankung getestet. Um die Wirksamkeit oder einen Vorteil
gegenüber einem bisher verfügbaren Medikament zu beweisen, wird in der Regel eine Doppelblindstudie durchgeführt. Doppelblind heisst, dass weder der Patient noch der verabreichende Arzt wissen, ob sie das neue Medikament, das Vergleichsmedikament oder ein Placebo
abgeben bzw. erhalten. Nach abgeschlossener Studie sollte die optimale Dosierung, Wirksamkeit und Verträglichkeit optimiert und bekannt sein.
C
Phase-III-Studien
In dieser Phase wird das Medikament an vielen tausend Patienten an internationalen Zentren
getestet. Ziel dieser grossen Verteilung ist es, möglichst viele Informationen bezüglich Wirksamkeit und Verträglichkeit zu gewinnen, auch im Hinblick auf die genetischen Unterschiede
der Populationen. Schliesslich soll eine unbedenkliche Anwendung der Arznei bewiesen werden. Nach Abschluss dieser Phase kann die Zulassung bei den Arzneimittelbehörden beantragt
werden.
1.3.4
A
Zulassung, Markteinführung
Zulassung
In der Schweiz werden neue Medikamente durch die schweizerische Arzneimittelbehörde
«Swissmedic», in der EU durch die EMA (European Medicines Agency, Sitz in London) zugelassen. Die Behörden beurteilen die Dossiers des Herstellers eingehend auf Qualität der Medikation, Wirksamkeit und Sicherheitsdaten. Kommt die Behörde zum Schluss, dass diese Anforderungen erfüllt sind, wird die Zulassung für das neue Medikament erteilt.
ASK 11
Pharmakologie ASK Grundlagen der Arzneimittelkunde
1 Einführung in die Arzneimittelkunde
Abb. 4
Abb. 5Pharmamarkt Schweiz 2013
ASK 12
Zulassungsverfahren Swissmedic
1 Einführung in die Arzneimittelkunde
B
Markteinführung
Wenn das neue Produkt eingeführt ist, wird es weiterhin überwacht. Ärzte und Apotheker sind
gesetzlich verpflichtet, auftretende Nebenwirkungen der Arzneimittelbehörde zu melden
(➔ Pharmakovigilanz). Wie unter Kapitel 1.2 erwähnt, kann es bei schweren unerwünschten
Arzneimittelnebenwirkungen zum Rückzug des Medikaments kommen. Ebenso werden nach
Markteintritt weitere statistische Daten seitens des Herstellers für wissenschaftliche Zwecke
gesammelt. Wird eine neue Anwendungsmöglichkeit (Indikation) für das Medikament entdeckt,
werden wiederum klinische Studien durchgeführt, um diese Erkenntnis zu belegen. Sollte sich
die Entdeckung bestätigen, wird die neue Indikation im Rahmen eines neuen Zulassungsverfahrens untersucht. So werden heute frühere Antihistaminika zur Behandlung von Allergien als
Medikamente zur Behandlung leichter Schlafstörungen eingesetzt (Neue Indikation: leichte
Schlafstörungen).
1.4
Grundlagen
1.4.1
Definition Arzneimittel
Das Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte kurz Heilmittelgesetz (HMG) vom
15.12.2000 reguliert in der Schweiz den Umgang, Vertrieb etc. von Arzneimitteln.
Auszug HMG vom 15.12.2000
Abb. 5
Abb. 6
1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1
Zweck
1
Dieses Gesetz soll zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier gewährleisten, dass nur qualitativ hoch stehende, sichere und wirksame Heilmittel in Verkehr
gebracht werden.
2
Es soll zudem:
a.
Konsumentinnen und Konsumenten von Heilmitteln vor Täuschung schützen;
b.
dazu beitragen, dass die in Verkehr gebrachten Heilmittel ihrem Zweck entsprechend und massvoll verwendet werden;
c.
dazu beitragen, dass eine sichere und geordnete Versorgung mit Heilmitteln,
einschliesslich der dafür nötigen fachlichen Information und Beratung, im
ganzen Land angeboten wird.
3
Beim Vollzug dieses Gesetzes, insbesondere beim Erlass von Verordnungen und
bei der Anwendung im Einzelfall, ist darauf zu achten, dass:
a.
die Leistungsfähigkeit und die Unabhängigkeit der schweizerischen Heilmittelkontrolle gewahrt werden;
b.
für die Forschung und Entwicklung im Heilmittelbereich günstige Rahmenbedingungen bestehen;
c.
die miteinander im Wettbewerb stehenden Marktpartner den gleichen gesetzlichen Sicherheits- und Qualitätsanforderungen genügen.
ASK 13
Pharmakologie ASK Grundlagen der Arzneimittelkunde
1 Einführung in die Arzneimittelkunde
Auszug HMG vom 15.12.2000
Abb. 6
Abb. 7
Art. 4
1
Begriffe
Im Sinne dieses Gesetzes gelten als:
a.
Arzneimittel: Produkte chemischen oder biologischen Ursprungs, die zur
medizinischen Einwirkung auf den menschlichen oder tierischen Organismus bestimmt sind oder angepriesen werden, insbesondere zur Erkennung,
Verhütung oder Behandlung von Krankheiten, Verletzungen und Behinderungen; zu den Arzneimitteln gehören auch Blut und Blutprodukte;
b.
Medizinprodukte: Produkte, einschliesslich Instrumente, Apparate, In-vitroDiagnostika, Software und andere Gegenstände oder Stoffe, die für die medizinische Verwendung bestimmt sind oder angepriesen werden und deren
Hauptwirkung nicht durch ein Arzneimittel erreicht wird;
c.
Herstellen: sämtliche Arbeitsgänge der Heilmittelproduktion von der Beschaffung der Ausgangsmaterialien über die Verarbeitung bis zur Verpackung, Lagerung und Auslieferung des Endproduktes sowie die Qualitätskontrollen und die Freigaben;
d.
Inverkehrbringen: das Vertreiben und Abgeben von Heilmitteln;
e.
Vertreiben: die entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung oder Überlassung eines Heilmittels mit Ausnahme des Abgebens;
f.
Abgeben: die entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung oder Überlassung
eines verwendungsfertigen Heilmittels für die Verwendung durch den Erwerber oder die Erwerberin sowie für die Anwendung an Drittpersonen oder
an Tieren;
g.
Pharmakopöe (Pharmacopoea Europaea und Pharmacopoea Helvetica):
eine Sammlung von Vorschriften über die Qualität von Arzneimitteln,
pharmazeutischen Hilfsstoffen und einzelnen Medizinprodukten.
2
Der Bundesrat kann durch Verordnung die übrigen in diesem Gesetz verwendeten
Begriffe sowie die Begriffe nach Absatz 1 voneinander abgrenzen, näher ausführen
und gestützt auf neue Erkenntnisse in Wissenschaft und Technik sowie in Anlehnung an die internationale Entwicklung Ausnahmen vorsehen.
Das Gesetz definiert was ein Arzneimittel ist und grenzt es von den Medizinprodukten ab.
1.4.2
Pharmazeutische Spezialität
Eine pharmazeutische Spezialität wird gemäss der Pharmacopoea Helvetica (Schweizerisches
Arzneibuch) ein Arzneimittel bezeichnet, welches im voraus hergestellt wurde und in seiner verwendungsfertigen Form mit einer besonderen Bezeichnung (Markenname) oder Aufmachung
(Verpackung etc.) angeboten wird.
ASK 14
1 Einführung in die Arzneimittelkunde
Abb. 7
Vom Pharmakon zum Fertigarzneimittel (Spezialität) anhand des Beispiels Panadol®
Abb. 8
Pharmakon
Pharmakologische Prüfung
Arzneistoff
i t
Hilfsstoffe
Pharmazeutisch-technologisch
(galenische) Verarbeitung
Plat
P
Pl
lat
atzh
zhal
a te
ter
Billd wir
Bil
ird
ird
rd ge
gelie
l fe
fert
Arzneimittel
i
Zulassung
industrielle Fertigung
Fertigarzneimittel
1.4.3
Namensgebung von Spezialitäten
Chemisch definierte Arzneistoffe werden weltweit nach einem WHO festgelegten Freinamen (=
generic name= international non- proprietary name =INN) bezeichnet. Hinter diesem Freinamen
verbirgt sich ein System. Pharmakologisch verwandte Gruppen von Wirkstoffen werden charakterisiert und können anhand der Namensgebung zueinander zugeordnet werden.
Beispiel
A
Cephalosporine besitzen das Präfix «Cef-»
●
Cefuroxim, Cefixim
A Corticosteroide besitzen das Infix «-cort»
●
Hydrocortison, Fluocortolon
A Benzodiazepine besitzen das Suffix «-azepam»
●
Diazepam, Nitrazepam
Des Weiteren wird jedem Wirkstoff einem ATC- Code zugeordnet (Anatomisch- TherapeutischChemischen Klassifikationssystem). Mit diesem Code werden die Wirkstoffe den entsprechenden Therapeutischen Gruppen zugeordnet.
Bsp. Paracetamol = N02BE
N
= Nervous System
02 = Analgesic
B
= Other Analgesics and Antipyretics
E
= Anilides
Der Markennamen, worunter die Medikamente vertrieben werden ist ein Phantasienamen, der
von den Firmen selbst bestimmt wird. Dieser ist geschützt und durch ein ® gekennzeichnet (Bsp.
Voltaren®, Wirkstoff Diclofenac).
1.4.4
Magistralrezeptur
Bei einer Magistralrezeptur handelt es sich um ein Arzneimittel, welches auf ärztliches Rezept
für eine bestimmte Person oder Tier ad hoc (zur unmittelbaren Gabe) hergestellt wird. Die Herstellung erfolgt in einer öffentlichen Apotheke, Spitalapotheke oder in bestimmten Betrieben.
ASK 15
Pharmakologie ASK Grundlagen der Arzneimittelkunde
1 Einführung in die Arzneimittelkunde
Die Herstellung erfolgt gemäss einer Rezeptur, die Qualitätssicherung erfolgt gemäss dem Arzneibuch (Pharmacopoe).
1.5
Arzneimittellagerung
Arzneimittel sind während der Lagerung permanent verschiedenen Umwelteinflüssen ausgesetzt. Im Wesentlichen handelt es sich um Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Sauerstoff, Licht und
Mikroorganismen. Diese und weitere Faktoren verändern das Arzneimittel von aussen, je stärker und je länger es ihnen ausgesetzt ist. Es ist daher sinnvoll, das Arzneimittellager so klein und
übersichtlich wie möglich zu halten, um die Lagerdauer zu begrenzen.
Auf folgende Punkte muss bei der Arzneimittellagerung geachtet werden:
A
A
A
A
A
A
A
Temperatur: Raumtemperatur (15–25 °C), Kühllagerung (8–15 °C), Kühlschrank (2–
8 °C), Kühlkette, Tiefkühlung (<–15 °C)
Licht, Luftsauerstoff, Mikroorganismen, Staub, Feuchtigkeit: Braunglas, Kartonschachtel
Mechanische Einflüsse: beim Transport, beim Einfüllen, durch Fallenlassen, Haarrisse
Zeit: Verfalldatum, Anbruchdatum
Erkennen von Veränderungen: Geruch, Farbe, Trübungen, Ausfällungen, Brechen von
Emulsionen, Konsistenz, Oberflächenveränderungen bei festen Arzneiformen (Risse, Aufquellen)
Arzneimittelschrank: alphabetische Einordnung, Lagerung von Betäubungsmitteln,
feuergefährliche Flüssigkeiten
Mehrdosenbehältnisse: Anbruch kennzeichnen, Aufbrauchsdatum anbringen, z. B. bei
Salben, Lösungen, Ampullen zur Mehrfachentnahme
Einen wichtigen Grundsatz im Umgang mit Arzneimitteln gilt es immer zu beachten:
Das Umfüllen von Medikamenten ist verboten!
1.6
Informationsquellen
Sämtliche in der Schweiz von Swissmedic zugelassenen und registrierten Medikamente werden im Arzneimittelkompendium der Schweiz aufgeführt. Das Arzneimittelkompendium wurde
im Jahr 2013 das letzte Mal gedruckt und ist ab 2014 nur noch online verfügbar. Neben der
Fachinformation mit der ausführlichen Beschreibung wird auch eine Patienteninformation
erstellt, die von Laien einfacher verstanden werden sollte. Jedes Medikament wird als Monographie (eine umfassende Beschreibung des Medikaments) unter seinem Markennamen ausgewiesen.
ASK 16
1 Einführung in die Arzneimittelkunde
Eine Monographie beinhaltet folgende Informationen über ein einzelnes Medikament:
Handelsname des Produkts
Zusammensetzung (Wirkstoff, Hilfsstoffe)
Unerwünschte Wirkungen
Galenische Form(Arzneiform) und Wirkstoffmenge pro
Einheit
Überdosierung
Indikation/Anwendungsmöglichkeiten
Eigenschaften/Wirkungen
Dosierung/ Anwendung
Pharmakokinetik
Kontraindikationen
Präklinische Daten
Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen
Sonstige Hinweise
Interaktionen
Zulassungsnummer
Schwangerschaft/Stillzeit
Zulassungsinhaberin
Wirkung auf Fahrtüchtigkeit und auf das Bedienen von
Maschinen
Stand der Informationen
Weiter sind im Arzneimittelkompendium folgende Informationen vorhanden:
A
A
Abgabekategorien (Btm, A, B, C, D, E)
Häufigkeiten von unerwünschten Wirkungen
(>10 %, >5 % häufig, 5–0,1 % gelegentlich, >0,1 % selten)
Die kostenpflichtige Datenbank pharmavista.ch bietet neben der regulären Arzneimittelinformation auch die Möglichkeit, ausländische Präparate nachzuschlagen.
Bei einem Vergiftungsfall mit einem Medikament kann das Schweizerische Toxikologische
Informationszentrum unter der Nummer 145 (www.toxi.ch) während 24 h angerufen werden.
Seit Januar 2013 betreibt Swissmedic (Schweizerisches Heilmittelinstitut) das Arzneimittelinformations-Publikationssystem (AIPS), worin die aktuellsten Informationen zu allen zugelassenen
Arzneimitteln in der Schweiz online verfügbar sind. Diese Plattform ist unter www.swissmedicinfo.ch als Datenbank für die Öffentlichkeit abrufbar. Das Hochladen der entsprechenden Fachinformation ist bei der Neuzulassung eines Medikaments Voraussetzung für die Marktzulassung.
ASK 17
Pharmakologie ASK Grundlagen der Arzneimittelkunde
Aufgaben
Aufgabe 1
Was wird im Rahmen der Entwicklung eines neuen Medikaments im Prozess des Targeting, der
präklinischen und der klinischen Entwicklung jeweils untersucht?
Aufgabe 2
Sind die folgenden Beispiele Arzneimittel oder Medizinprodukte?
Arzneimittel
Medizinprodukt
Antikörper gegen Masern
Herzschrittmacher
Thrombozytenkonzentrat
Desinfektionsmittel
Aufgabe 3
Nennen Sie drei mögliche Gefahren, die beim Umfüllen von Medikamenten auftreten können.
Aufgabe 4
Zeichnen Sie bei der unten stehenden Medikamentenpackung folgende Begriffe ein:
Markenname (1), INN (2), Arzneiform (3), Medikamentengruppe (4)
Abb. 9
ASK 18
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