Vom „Verschwinden“ der deutschsprachigen Minderheiten Ein schwieriges Kapitel in der Geschichte Jugoslawiens 1941–1955 Flucht, Vertreibung und Deportation der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg sind mittlerweile ein vielbeachtetes Thema. Die Ereignisse nach 1944/45, ihre Ursachen und ihre Folgen werden heute zunehmend in einer europäischen Perspektive betrachtet. Das Land Jugoslawien, das nach dem Zusammenbruch der Habsburger Monarchie entstand und in dessen Grenzen über eine halbe Million Menschen deutscher Herkunft lebten, und das Schicksal der Jugoslawiendeutschen zwischen 1941 und 1955 wurden in diesem Zusammenhang bisher jedoch nur vereinzelt untersucht. Im kommunistischen Jugoslawien wurde das Thema der deutschen Minderheiten mit einem Tabu belegt. Die offizielle Sprachregelung hieß, dass die Deutschen „verschwunden“ seien – einerseits suggerierte der Begriff, dass sie sich mit der Wehrmacht „zurückgezogen“ hätten, andererseits wurde der Begriff euphemistisch verwendet. Jüngste Forschungen dokumentieren ein zunehmend differenzierteres Bild zu einem wichtigen Kapitel der gemeinsamen Geschichte. Im vorliegenden Band werden die Ergebnisse der Internationalen Tagung Vom „Verschwinden“ der deutschsprachigen Minderheiten: Ein schwieriges Kapitel in der Geschichte Jugoslawiens 1941—1955 präsentiert. Vom „Verschwinden“ der deutschsprachigen Minderheiten Ein schwieriges Kapitel in der Geschichte Jugoslawiens 1941–1955 ISBN 978-3-946867-00-5 Vom „Verschwinden“ der deutschsprachigen Minderheiten Ein schwieriges Kapitel in der Geschichte Jugoslawiens 1941–1955 Vom „Verschwinden“ der deutschsprachigen Minderheiten Ein schwieriges Kapitel in der Geschichte Jugoslawiens 1941–1955 Inhalt 6 Vorwort 118 Christian Glass, Andreas Kossert Vom „Verschwinden“ der deutschsprachigen Minderheiten Ein schwieriges Kapitel in der Geschichte Jugoslawiens 1941–1955 Sanja Petrović Todosijević Die Betreuung deutscher Kinder in jugoslawischen Kinderheimen nach dem Zweiten Weltkrieg (1946 –1952) 126 Georg Wildmann Die Entstehung der Dokumentation Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien Deutsche in Jugoslawien nach 1918 Minderheiten und Mehrheiten 137 Mathias Beer ‚Flucht und Vertreibung‘ aus Jugoslawien in vergleichender Perspektive: zehn Thesen 10 Günter Schödl Südslawen und Deutsche: Zur langfristig-historischen Dimensionierung der Vertreibung aus Jugoslawien 24 Zoran Janjetović Die jugoslawische Minderheitenpolitik zwischen den beiden Weltkriegen 39 Carl Bethke Gab es „Jugoslawiendeutsche“? Regionale Spezifika und nationale Integrationsprozesse deutscher Minderheiten im Gebiet des südslawischen Staates (1918 –1948) Das „Dritte Reich“ NS-Besatzungspolitik und Holocaust 58 73 Thomas Casagrande Die „volksdeutsche“ SS-Division „Prinz Eugen“ und die nationalsozialistische Aufstandsbekämpfung in Jugoslawien (1941–1944) 152 Stefan Karner Die deutschsprachige Volksgruppe Sloweniens und AVNOJ 160 Aleksandar Krel Die ethnische Mimikry der deutschen Minderheit im sozialistischen Jugoslawien 171 Leni Perenčević Donauschwäbische Erzählungen über Internierung und Enteignung. Beispiele aus der volkskundlichen Sammlung des Instituts für Volkskunde der Deutschen im östlichen Europa (IVDE) 184 Wolfgang Kessler Das historische Umfeld des Zweiten Weltkriegs in Jugoslawien im Spiegel donauschwäbischer Ortsheimatbücher 196 Jože Dežman Das vergessene Vermächtnis der deutschen Minderheit in Slowenien 210 Thomas Dapper Wege nach Mramorak 220 222 227 228 231 Abkürzungsverzeichnis Konkordanz der Ortsnamen Bildnachweis The authors Impressum Milan Koljanin Holocaust in Serbia: Ideology and Experience Das „Verschwinden“ der deutschsprachigen Minderheiten Vertreibung, Deportation, Internierung 82 Mitja Ferenc Das Schicksal der deutschen Minderheit in Slowenien nach dem Zweiten Weltkrieg 96 Michael Portmann Die donauschwäbische Bevölkerung in der Vojvodina: Flucht, Internierung und Aussiedlungspolitik (1944 –1954) 107 Danach Donauschwaben – eine Spurensuche Vladimir Geiger Die Internierungslager für die deutsche Bevölkerung in Kroatien (1945 –1947) 6 CHRISTIAN GLASS/ANDREAS KOSSERT Christian Glass Andreas Kossert Vom „Verschwinden“ der deutschsprachigen Minderheiten Ein schwieriges Kapitel in der Geschichte Jugoslawiens 1941–1955 Radkersburg. Seit dem Frieden von St. Germain 1919 ist die kleine Stadt an der Mur geteilt. Der historische Stadtkern liegt in der österreichischen Steiermark, Burg samt Vorstadt – Oberradkersburg oder Gornja Radgona – in der heute slowenischen Štajerska. Auf der slowenischen Seite der Brücke über die Mur steht am Flussufer der Grenzstein mit der Inschrift „St. Germain 28 juin 1919“. In der Südsteiermark, entlang der Mur, offenbart sich die Tragik des europäischen Kontinents, die hier in besonderer Weise manifest wird. Aus der Konkursmasse des Habsburger Reiches fiel der südliche Teil, über fünfzig Prozent des Gemeindebezirks, an das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, aus dem auch das heutige Slowenien hervorging. Der Rest kam zur neu gegründeten Republik Österreich. Nach heftigen Kämpfen und nationalistischem Schlagabtausch folgte die umstrittene Grenzziehung, die jahrzehntelang einen tiefen Graben zwischen beiden Seiten zur Folge hatte. Die Besatzung Sloweniens durch die Nationalsozialisten mit ihrer brutalen Germanisierungspolitik befeuerte einen neuen Höhepunkt des Konflikts in der Region, der zur Vertreibung der Deutschen aus Slowenien nach Kriegsende führte. Jahrzehntelanges Schweigen war die Folge. Erst allmählich besann man sich beiderseits der alten neuen Nachbarschaft, die hier besonders greifbar ist. Zeichen dieses neuen Dialogs ist die „Europabrücke“ über die Mur, die Slowenien und Österreich nicht mehr trennt, sondern symbolisch die historischkulturelle Verbundenheit der Region unterstreicht. Diesen symbolischen Ort hatte die Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung gemeinsam mit dem Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm für die Internationale Tagung vom 21. bis 23. März 2012 unter dem Titel Vom „Verschwinden“ der deutschsprachigen Minderheiten: Ein schwieriges Kapitel in der Geschichte Jugoslawiens 1941-1955 gewählt. Als Kooperationspartner konnten das Deutsche Historische Museum in Berlin, das Muzej Vojvodine im serbischen Neusatz/Novi Sad, das Hrvatski Institut za povijest im kroatischen Zagreb sowie das Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgen-Forschung und das Institut für Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte der Universität Graz gewonnen werden. Weit über hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Serbien, Kroatien, Slowenien, Österreich, Bosnien, Ungarn und Deutschland fanden den Weg in das historische Zehnerhaus am Radkersburger Hauptplatz. Flucht, Vertreibung und Deportation der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg sind mittlerweile ein vielbeachtetes Thema. Die Ereignisse nach 1944/45, ihre Ursachen und ihre Folgen werden heute zunehmend in einer europäischen Perspektive betrachtet. Das Land Jugoslawien, das nach dem Zusammenbruch der Habsburger Monarchie entstand und in dessen Grenzen über eine halbe Million Menschen deutscher Herkunft lebten, und das Schicksal der Jugoslawiendeutschen zwischen 1941 und 1955 wurden in diesem Zusammenhang bisher jedoch nur vereinzelt untersucht. „Verschwinden“, so beschrieb man in Serbien lange Zeit euphemistisch die Leerstelle, die aus der Vertreibung von mehreren Hunderttausend Deutschen resultierte. Im kommunistischen Jugoslawien war das Fehlen der Nachbarn lange Zeit aus dem öffentlichen Diskurs verdrängt worden. Das Donauschwäbische Zentralmuseum und das VORWORT Museum der Vojvodina hatten das Thema erstmals in der gemeinsam konzipierten Ausstellung Daheim an der Donau. Zusammenleben von Serben und Deutschen in der Vojvodina aufgegriffen. Die Darstellung des Schicksals der Donauschwaben in der Ausstellung, die 2009 zunächst in Neusatz/Novi Sad und anschließend in Ulm gezeigt wurde, löste besonders in Deutschland und Österreich lebhafte Diskussionen aus. Der Geschichte des „Verschwindens“ und dem Schicksal der „Verschwundenen“ galt deshalb das Hauptaugenmerk der Tagung. Präsentiert wurden neue Forschungsergebnisse renommierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in dieser Form erstmalig den Gesamtkontext aus Vorgeschichte, Ursachen und Motiven für die Vertreibung der Deutschen aus Jugoslawien, vor allem der Donauschwaben, in den Blick nahmen. In dem vorliegenden Band präsentieren wir die Ergebnisse der Tagung. Wir danken allen Institutionen, die gemeinsam mit uns dieses Experiment gewagt und die Herausforderung gemeistert haben. Ebenso danken wir allen Mitwirkenden für ihre engagierten Beiträge, die wir mit diesem Band als europäisches Projekt in serbischer und deutscher Sprache dokumentieren. Namentlich möchten wir Zoran Janjetović (Belgrad) erwähnen, der von Anfang an das Konferenzprojekt wie auch den vorliegenden Band begleitet hat. Ebenso danken wir Hans Supritz, dem Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Donauschwaben, für sein Engagement als Brückenbauer zwischen Donauschwaben und Serben. Unter den vielen, denen wir zu großem Dank verpflichtet sind, nennen wir namentlich Leni Perencević, Leonie Mechelhoff, Wolfgang Kessler und Marianne Graumann. Wir hoffen auf wichtige Impulse für die weitere Beschäftigung mit dem Schicksal der Donauschwaben in Jugoslawien, die auch die Radkersburger Tagung nur ansatzweise aufgreifen konnte. Wir gedenken Zoran Ziletić (Belgrad), der leider im Dezember 2013 verstorben ist. Sein Name steht für serbisch-deutsche Versöhnung und sein zivilgesellschaftliches Engagement hat wesentlich zur Thematisierung des Schicksals der Donauschwaben in Serbien beigetragen. Auf dem Podium Deutsch-serbischer Dialog. Rückblick und Perspektiven wurde, auch durch die Beiträge von Zoran Ziletić, deutlich, dass dem „Verschwinden“ längst eine differenzierte Aufarbeitung der Geschichte Jugoslawiens gefolgt ist. Der fruchtbare Dialog in Radkersburg zeigte: Die gemeinsame Aufarbeitung der Geschichte ist nicht nur möglich, sondern sie wird bereits lebhaft praktiziert. Die besondere Tagungsatmosphäre brachte wichtige Impulse für eine Verständigung zwischen einst konkurrierenden nationalen Denkkategorien. Die frühe Märzsonne tat ihr Übriges. An der Grenze vormals verfeindeter Welten gelegen, erwies sich Radkersburg als ein sehr geeigneter Ort für die Überwindung von Vorurteilen, einseitig nationalen Denkkategorien, Klischees und Tabus in den Köpfen. Diese Botschaft ging von Radkersburg aus. Sie hat Grenzen überwunden, nicht nur über die Mur. 7 8 9 Deutsche in Jugoslawien nach 1918 Minderheiten und Mehrheiten 10 GÜNTER SCHÖDL Günter Schödl Südslawen und Deutsche: Zur langfristig-historischen Dimensionierung der Vertreibung aus Jugoslawien1 Einer der frühen wissenschaftlich-literarischen Wegbereiter des Nachdenkens über das Zusammenleben der Völker im Donau-Karpaten-Raum war der aus einer deutschen Bürgerfamilie in der oberungarisch-slowakischen Zips (ung. Szepes/slowak. Spiš) stammende Theologe und Pädagoge Jakob Glatz (1776–1831). Nicht grundlos anonym und nur außerhalb Ungarns griff er nach seinem Studium in Deutschland unter dem Eindruck von Französischer Revolution und napoleonischer Expansion, von kollektiver Gewalt und früher magyarischer Nationalbewegung die Debatten über das ungarisch-deutsche Verhältnis in seinen Freymüthigen Bemerkungen eines Ungars über sein Vaterland 2 auf: „Außer den Nationalungern giebt es in Ungarn eine Menge Einwohner anderer Nationen“, aber der „Nationalstolz oder Nationalhaß“ des „Madjaren oder Nationalungers“ richte sich vor allem gegen die Deutschen. In mehrfacher Hinsicht ist Glatzens Diktum bemerkenswert. Es ist ein Beleg dafür, dass die seit Jahrhunderten kulturell geformte Wahrnehmung des Zusammenlebens von Magyaren und Deutschen in Ungarn von jeher auch vorurteilhaft-konfliktartige Züge aufwies; ferner dafür, dass sie um 1800 einen Wandel durch Nationalisierung zu erfahren beginnt; schließlich berührt Glatz die im frühen 19. Jahrhundert charakteristische Kombination von ungarischem staatsbezogenem Patriotismus mit deutschungarischem Nationalbewusstsein, das in erster Linie noch kulturell und in einem vornationalen Sinne ethnisch geprägt war. Diese wechselseitige Nationalisierung des ungarisch-deutschen Verhältnisses vom „nationalen Erwachen“ um 1800 bis hin zur aggressiven Entladung im Kontext des Zweiten Weltkrieges ist auch für die Erörterung des südslawisch-deutschen Verhältnisses von Bedeutung. Entfaltung und programmatisch-mentale Prägung der slowenischen, kroatischen und serbischen Nationalismen sind zum Teil unter den langfristig-strukturellen Bedingungen des historischen Ungarns bzw. der Habsburgermonarchie zustande gekommen. Ganz besonders gilt dies für unser Thema der Wechselwirkung zwischen südslawischer Nationalpolitik und deutschen Minderheiten. Nicht von selbst versteht sich derzeit die Erforschung eines längeren geschichtlichen Zeitraums vor der deutsch-südslawischen Gewaltexplosion zwischen dem Angriff NS-Deutschlands auf Jugoslawien im Frühjahr 1941 und der Vertreibung der donauschwäbischen Minderheit seit Kriegsende. Insbesondere nicht im öffentlichen Diskurs in Deutschland. So war sie in der Ausstellung Erzwungene Wege3 ebenso schwach ausgeprägt wie weithin in slowenischen, kroatischen und serbischen Meinungsäußerungen. Gerade in der massenmedial-publizistischen Debatte über die Vertreibung von Deutschen aus Ostmittel- und Südosteuropa zeichnet sich eine Art historiographisches Do-ut-des ab. Die Vertriebenenverbände einerseits akzeptieren mehr oder weniger die bisherige These „der Anderen“, die Vertreibung sei als Reaktion der ostmitteleuropäischen Staaten auf NS-Deutschlands Ostexpansion und Terror zu erklären; andererseits kommt es in den teilweise vertriebenenkritischen deutschen Massenmedien ebenso wie in den „Vertreiberstaaten“ zur allmählichen Enttabuisierung einer vorbehaltlosen Erforschung der tatsächlichen Vertreibungsereignisse. So entfallen Political-Correctness- und Revanchismuseinwände. Unzweifelhaft positiv zu bewerten sind zwar die damit verbundenen neuen Chancen historisch-politischer Kommunikation zwischen den Deutschen und ihren östlichen Nachbarn, auch Chan- SÜDSLAWEN UND DEUTSCHE cen für die Befriedigung des wachsenden Good-will- und Integrationsbedarfs der EUOsterweiterung. Aber derlei erinnerungs- und europapolitische Dogmatisierung eines bestehenden historiographischen gentlemen agreement ist nicht ohne Weiteres mit der überfälligen Verwissenschaftlichung der Vertreibungsthematik vereinbar. Die notwendige Enttabuisierung und Überwindung von Kommunikationsbarrieren sollten nicht dadurch erkauft werden, dass Problembewusstsein und wissenschaftliche Analyse durch eilfertige Kompromissrituale ersetzt werden. Es sind besonders zeitgeschichtliche Ereignisse im Kontext des Zweiten Weltkrieges, darunter eben auch der Untergang deutscher Minderheiten ab 1945, die oftmals so wahrgenommen werden, als sprächen sie für sich selbst. Rekonstruktion von Abläufen und Zuschreibung kausaler Anteile scheinen schon allein aus ihrer ereignisgeschichtlichen Dramatik eindeutig zu sein, zumal, wenn sie sich mit aktuellen geschichtspolitischen Erwartungen decken. In der Folge nimmt sich zuweilen die zusätzliche Berücksichtigung zeitlich vorgelagerter Sachverhalte als analytisch scheinbar entbehrlich aus. In der Literatur über die Ursachen der deutschen Zwangsmigration seit 1944/45 erweist sich diese verbreitete methodische Praxis als Einbruchstelle für die Instrumentalisierung von Geschichte zur historischen Bebilderung und Legitimierung nach tagespolitischen Bedürfnissen. Ein Korrektiv ist darin zu suchen, dass die langfristig-strukturellen, kausal verdichteten Vorstufen und Bedingungen zur Sprache gebracht werden. Im Falle der südslawisch-deutschen Konfliktkonstellation vor und nach 1945 sind insofern zu erörtern: zum einen die programmatische Repräsentation südslawischer Staatsbildung – hier vorrangig am kroatischen Beispiel. Zum anderen wird eine langfristig „gelernte“ Disposition südslawischer Nationen zu Selbstkult und gleichermaßen Unsicherheit im Umgang mit „Fremden“ zu betrachten sein. Ergänzend zu thematisieren ist die frühe „deutschnationale“ Transformation deutschsprachiger Streusiedlungen in eine einzige, nationalistisch definierte deutsche Minderheit in südslawischer Umgebung schon vor dem Ersten Weltkrieg.4 Aufgrund dieser Vorüberlegungen skizzieren die folgenden Ausführungen „strukturell“ verfestigte Sachverhalte programmatisch-kultureller und organisatorisch-taktischer Art, die sich schon im Laufe des 19. Jahrhunderts vorbereiten. Diese haben – dies sei als Hypothese vorangestellt – dazu beigetragen, dass sich mit Beginn 1939/41 im deutsch-südslawischen Verhältnis die Spiralbewegung der Radikalisierung und der Enthemmung wechselseitiger Gewalt immer mehr beschleunigte und schließlich selbstzerstörerisch verselbstständigte. Mit anderen Worten: Längst vor der heißen Phase von Radikalisierung und Konflikt im Zweiten Weltkrieg sind im südslawischdeutschen und südslawisch-österreichischen Verhältnis Wahrnehmungen und Denkweisen, Verhaltensmuster und politische Praktiken geformt worden, die irreversibel konfliktträchtig waren. Allerdings haben sie die Gewaltexplosion bei Kriegsende noch nicht vollständig und unabwendbar vorprogrammiert. So werden konstituierende Momente in der kroatischen und serbischen Einstellung zu den Deutschen in der Habsburgermonarchie, dem Deutschen Reich sowie zu den deutschen Minderheiten vor Ort zu ermitteln sein; ferner die Tendenzen zur Absolutsetzung einer national durch Abgrenzung definierten In-group, desgleichen der zentrale diskursive Topos des deutschen „Drangs“ nach Osten. I. Mit diesem Erkenntnisinteresse die geschichtlich-langfristige Herausbildung des südslawisch-deutschen Verhältnisses – zunächst dessen kroatische, dann die serbische Variante – zu erörtern, kann an dieser Stelle nicht für den gesamten Zeitraum vom frühen 19. Jahrhundert bis zur jugoslawischen Staatsbildung Ende 1918 unternommen werden. Stattdessen sollen einige konstitutive Teilphänomene betrachtet werden. Der Blick richtet sich dabei auf langfristig vorprogrammierte und im Verlauf des 20. Jahrhunderts wirksame Elemente der südslawischen Wahrnehmung deutscher Minderheiten und auf die politische Praxis gleichermaßen. Um frühe und langfristig 11 12 GÜNTER SCHÖDL wirksame Erscheinungsformen nationaler Selbstdefinition, Abgrenzung und Identitätsbildung geht es dabei ebenso wie um alarmistische Visualisierung des Deutschen überhaupt, als Übermacht mit dem sinnbildlichen Topos „Drang (nach Osten)“, außerdem als nationale Minderheit, welche die südslawische Nations- und Staatsbildung gefährdet oder sogar verhindert. Das frühe nationalpolitische Denken im Zeichen des Illyrismus5 wie auch die frühe politische Praxis – die Eliten-, Programm- und Organisationsbildung – der illyristischen Bewegung seit dem Anfang der Dreißigerjahre des 19. Jahrhunderts entfalteten sich von Anfang an weniger aus eigenem Antrieb als in Reaktion auf einen umfassenden Wandel der politischen Umwelt. Das kulturell-politische Selbstverständnis der südslawischen Bevölkerung hatte, allerdings schichten- und regionsspezifisch außerordentlich unterschiedlich, zunächst inhaltliche Impulse aufklärerischer, schließlich durch napoleonische Expansion und Gründung der Illyrischen Provinzen, auch politischer Art empfangen. Diese ersten nationalen und zugleich liberalen Ansätze erfuhren nach 1815 das ganze Ausmaß der eigenen Ohnmacht und des Assimilationsdrucks infolge der Restabilisierung der habsburgischen Macht, und noch stärker durch die ungarische Reform- und Nationalbewegung Ende der 1820er Jahre – nun nicht mehr als Germanisierung, sondern als Magyarisierung. Die Südslawen vor allem im ungarischen Teil der Habsburgermonarchie lernten die politische Moderne als gleichermaßen anziehend und gefahrvoll kennen. Schon im Anfangsstadium der südslawischen, besonders der kroatischen nationalen Bewusstseinsbildung war eine widerspruchsvolle, konfliktträchtige und labil-alarmistische Psychodynamik angelegt: Sie bewegte sich zwischen den Gegenpolen von romantischem Sentiment und ambitioniertem Aktionismus, von illusionärer Programmdogmatik und latent aggressivem Opfermythos. Dieser erste illyristische Anlauf zur nationalen Selbstdefinition und Selbstorganisation der Kroaten unter den deformierenden Bedingungen der Ära Metternich blieb nicht ganz ohne Ergebnis. Er hatte wenigstens in städtischen Intellektuellenzirkeln die Einsicht zu Tage gefördert, dass angesichts des Wandels der ungarischen Adelsnation zur modernen, sich liberal artikulierenden Nation eine antiassimilative Gegenwehr nicht mehr im Namen der traditionellen kroatischen Adelsnation möglich war. Die illyristische Programmbildung konzentrierte sich in der Folge auf die „Schaffung einer Sprach- und Kulturnation im von der kroatischen ständischen politischen Tradition vorgegebenen Rahmen.“6 Und spätestens nach dem Scheitern der Revolution von 1848/49 meldete sich außerdem eine selbstbewusste illyristische Verweigerung gegen den Führungsanspruch (pan-)slawischer Politikprojekte zu Wort. Unter diesen Bedingungen nahm die frühe kroatische Nationalpolitik der ersten Jahrhunderthälfte überwiegend die defensive Signatur eines Projekts von Selbstdefinition und Selbsterhaltung an. Die Nationalisierung der ungarischen Adelsnation führte dazu, dass alle Staatsbürger Ungarns ungeachtet ihrer ethnisch-sprachlichen Zuordnung als individuell gleichberechtigte, gegebenenfalls zu assimilierende Angehörige einer homogenen magyarischen Staatsnation reklamiert wurden. Hingegen führte die mit dem Illyrismus beginnende, fast gleichzeitige Nationalisierung der kroatischen Adelsnation ihrerseits zur Kombination eines südslawischen Homogenitätsideals mit markant erhöhtem Bedarf an Abgrenzung sowohl gegen die expansive magyarische Staatsnation als auch gegenüber den benachbarten Südslawen. Diese wurden bis in die 1860er Jahre hinein noch nicht endgültig als Kroaten, Slowenen oder Serben identifiziert. Charakteristisch war auch die ausgeprägte Anti-Disposition gegenüber Minderheiten überhaupt, insbesondere gegenüber der deutschen. Die deutsche Minderheit wird als Vorposten, als Irredenta eines „Drangs“, das heißt einer nach mittelalterlicher Ostsiedlung und habsburgischer Südostwendung dritten deutschen Ostexpansion, aufgefasst und zuweilen geradezu dämonisiert. Nationalpolitische Entwicklungstendenzen dieser Art erfuhren Mitte des 19. Jahrhunderts unter dem Einfluss von Neoabsolutismus, Verfassungsexperimenten und dem Österreichisch-Ungarischen Ausgleich von 1867 eine Verstärkung.7 Die reichspolitische Rangerhebung Ungarns zu einer weitgehend autonomen Reichshälfte, zu einer SÜDSLAWEN UND DEUTSCHE „Monarchie in der Monarchie“ mit eigener Regierung und Franz Joseph als König, ignorierte als „dualistische“ Umstrukturierung des Kaisertums Österreichs die kroatischen Hoffnungen auf Zusammenfassung der kroatischen Länder, das heißt Kroatiens mit Dalmatien und Slawonien, als Dreieinigem Königreich mit weitgehender Autonomie. Die Teilung der kroatischen Länder wurde sogar vertieft, weil Kroatien und Slawonien der ungarischen Reichshälfte zugeordnet wurden. Offensichtlich ließ sich die nationalpolitische Mobilisierung der Südslawen innerhalb dieser österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie aber nur noch verzögern. Dagegen war eine Entnationalisierung, bis 1848 wohl noch nicht ausgeschlossen, per Assimilierung nicht mehr vorstellbar. Im Mittelpunkt der nationalpolitischen Debatte der Kroaten stand neben der Positionierung zu dem übergeordneten ungarischen Staatswesen weiterhin die innersüdslawische Identitätsproblematik, also die Selbstdefinition und Taktik der Kroaten gegenüber den anderen Südslawen. Dabei zeichneten sich zwischen den 1850er und 1870er Jahren zwei konkurrierende nationalpolitische Denkrichtungen ab, beide nicht so scharf voneinander zu unterscheiden wie die Literatur8 zuweilen den Anschein erweckt. Ihr zeitweilig scharfer Gegensatz relativiert sich, wenn nicht nur der zeitgenössische weltanschaulich-programmatische Habitus, sondern auch dessen taktischer und soziostruktureller Zusammenhang berücksichtigt wird. Dies gilt besonders für die Unterscheidung einer kulturell-nationalen und einer politisch-staatlichen Ausrichtung dieser beiden Strömungen der kroatischen politischen Modernisierung. Die beiden Denkrichtungen wurden durch zwei sehr unterschiedliche „Lehrer der Nation“ vertreten, den katholischen Bischof Josip Juraj Strossmayer (1815–1905) und Ante Starčević (1823–1896). Strossmayer formulierte gemeinsam mit Franjo Rački (1828–1894) das „jugoslawistische“ Programm einer zunächst lediglich kulturellen Einigung der Südslawen aus kroatischer Initiative innerhalb der Habsburgermonarchie. Dies in der Nachfolge jener Illyrischen Partei (Ilirska Stranka), in der sich seit 1841 unter anderen Ljudevit Gaj (1809–1872) gegen die assimilatorische „Kollaboration“ der KroatischUngarischen Partei (Horvatsko-vugerska stranka), danach der Unionisten wandte. Schließlich trat der ebenfalls illyristisch inspirierte, aber ausgesprochen österreichfeindliche Starčević in den Vordergrund. Sein weniger politisch-praktisch als politisch-pädagogisch gemeinter Appell an die kroatische Nation, ihren historisch- und naturrechtlich legitimierten Anspruch auf selbstbestimmte Staatsbildung durchzusetzen, steht am Anfang einer langen, seither vielfach abgewandelten Tradition des „exklusiven“ kroatischen Nationalismus. Sie reicht sowohl bis zum Ustascha-Staat als auch zu der nach 1991 in Kroatien zunächst regierenden HDZ.9 Während Strossmayer die jugoslawistische Parteirichtung der 1860 gegründeten Nationalpartei (Narodna Stranka) repräsentiert, geht die konkurrierende Partei des [historischen, G. S.] Rechts (Stranka Prava) von 1878 auf Starčević und seine Staatsrechtsbewegung aus den 1860er Jahren zurück. II. Die nationalpolitischen Zielsetzungen dieser beiden konkurrierenden Strömungen wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vielfach aus taktischen Gründen zugespitzt. Die Strossmayer‘sche Richtung proklamierte zunächst die lediglich kulturelle Einigung der Südslawen, und zwar innerhalb, erst seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts auch außerhalb einer föderalisierten Habsburgermonarchie. Dagegen wollte Starčević mit Hilfe seiner großkroatischen Vision einer von den Alpen bis zur Ägäis ausgreifenden Staatsbildung nach Auflösung der Habsburgermonarchie in erster Linie die absolut gesetzte kroatische Nation vor der Selbstaufgabe bewahren, sie regelrecht mobilmachen. Strossmayers Jugoslawismus berücksichtigte durchaus die Ergebnisse einer jahrzehntelangen Debatte über sprachlich-ethnische und historisch-territoriale Abgrenzungskriterien bei der Definition bzw. der innersüdslawischen Abgrenzung des Kroatischen. Der radikale Nationalismus der Starčevićaner dagegen zeigte sich gleichermaßen ungeduldig und unduldsam. Er negierte sowohl die Möglichkeit einer 13 14 GÜNTER SCHÖDL multinational-austroslawischen Habsburgermonarchie als auch die nationalen Identitäten der nichtkroatischen Südslawen, zumal der Serben. Einig war man sich jedoch in der Ablehnung einer – über eine lockere habsburgische Personalunion hinausgehende – Realunion mit Ungarn, vor allem aber in der Ablehnung jedweder Variante von neoabsolutistischem oder deutschliberalem Wiener Zentralismus. Zwar war diese Variantenbildung des kroatischen Nationalismus in der europäischen Epoche des Nationalen durchaus nichts Ungewöhnliches. Beide Varianten konnten die gewissermaßen funktionale Legitimierung als Integrationsideologie einer nach Identität und Selbstbestimmung strebenden Großgruppe beanspruchen. Dennoch waren sie, wie die anderen südslawischen Nationalbewegungen auch, charakterisiert durch die radikalisierungsanfällige Kombination von kollektiver Existenz- und Entnationalisierungsangst mit aufgestauter Frustration, die sich auf die gesellschaftlichen Existenzbedingungen insgesamt bezog. Die historische Erfahrung mit verunsichert-emanzipatorischen Nationalismen belegt von jeher einen gesteigerten, aggressionsträchtigen Projektionsbedarf. „Den Deutschen“ als Projektionsobjekt dieser Art zu betrachten, war trotz des unterschiedlichen Radikalisierungsgrads der beiden Nationalismusphänomene die ihnen gemeinsame massenpädagogische Praxis. Dies ist allerdings keineswegs mit der aggressiven Massendynamik populistischen Deutschenhasses als komplementäre Begleiterscheinung von Nationalismus und Demokratie gleichzusetzen. Als Beleg aus dem epochentypischen Bereich politischer Architektur sei auf eine symbolträchtige Entscheidung Bischof Strossmayers hingewiesen: Trotz seiner oberösterreichischen Abstammung und seiner Prägung im deutschsprachigen Kulturleben Wiens (1840–1842 und 1849) und Pests (1833–1837) wählte er für den symbolkräftigen Ausbau des Doms von Đakovo eben bewusst – entgegen dem Zeitgeschmack – nicht gotische Vorbilder, die von deutschem Mittelalter und Reichstradition gekündet hätten, sondern romanische. Nicht symbolisch-indirekt, sondern praktisch-explizit war Starčevićs nationalistische Stigmatisierung des deutschen bzw. österreichischen Elements im Zusammenhang mit seinem extensiv-kroatischen Bekenntnis von 1883 gemeint, dass „alle Einwohner Kroatiens ohne Rücksicht auf jene einzelnen Namen [Nationalitäten, G. S.] einträchtig sein müssen. Indem wir uns an diesen Grundsatz halten, lieben wir [...] den Serben, Deutschen, Italiener, Juden, Zigeuner [...].“10 In der „genetischen“ Grundmasse dieser radikalen Nationalismusvariante und ihrer Nachfolgephänomene im 20. Jahrhundert ist eine geradezu strukturelle Ignoranz gegenüber der nationalen Minderheit als solcher, außerdem die kroatozentrische Negation slowenischer und serbischer nationaler Identitäten verankert. Und außerdem eine grundsätzliche Anti-Haltung gegenüber deutscher oder österreichischer Präsenz im Südosten. Ob Wiener Zentralismus oder Austroslawismus, ob „Magyaroler“ oder deutsche Minderheitsbevölkerung vor Ort: dies alles wird alarmistisch-deformiert wahrgenommen als Gefahr der Germanisierung, als deutscher „Drang“ [nach Osten, G. S.]. Geradezu als funktionales Amalgam erweist sich diese Verbindung von verspätet-unsicherer Selbstdefinition und negativer Wahrnehmung des Fremdnationalen an sich, insbesondere des deutschen Elements im eigenen Lande. Die politische Kultur der Südslawen innerhalb der Habsburgermonarchie, wie sie sich schließlich am Vorabend des Ersten Weltkriegs darstellt, bietet weitere Belege für die langfristig bedeutsame Kontinuität vorurteilhaft-negativer Wahrnehmung deutscher respektive deutschösterreichischer Übermacht in Zentraleuropa sowie deutscher Minderheiten im Südosten – wenn auch noch nicht für weit verbreiteten, gezielten Deutschenhass. Die nach dem Zusammenbruch der österreichischen Machtposition in Italien 1859 kaum noch erwartete Restabilisierung der Habsburgermonarchie, der preußisch-deutsche Sieg gegen Frankreich von 1870/71 und die robuste magyarische Hegemonie in Kroatien-Slawonien in Verbindung mit der Zersplitterung des politischen Lebens in Kroatien hatten die Voraussetzungen geschaffen für die Wahrnehmung Deutschlands respektive Österreichs als Übermacht. Die seit Österreichs Niederlage gegen Preußen gehegten Hoffnungen Starčevićs und insgeheim auch Strossmayers auf SÜDSLAWEN UND DEUTSCHE eine Revolutionierung Zentraleuropas und der Habsburgermonarchie gingen so zu Schanden. Nach jahrzehntelanger politischer Depression schufen Erschütterungen der Habsburgermonarchie im Zeichen deutsch-tschechischer Auseinandersetzungen ab 1897 sowie des verstärkten Unabhängigkeitsbegehrens Ungarns ab 1903 neue Konditionen für die politische Mobilisierung der Südslawen. Die kroatische Politik in Ungarn orientierte sich neu. Sie war nun – trotz der Ohnmacht gegenüber dem magyarischen Hegemoniedruck – zur Zusammenarbeit mit Budapest, dessen neue Regierung die Zugehörigkeit zur Habsburgermonarchie zu lockern suchte, gegen Wien bereit. Zugleich solidarisierten sich – über die „dualistische“ Grenze zwischen Österreich und Ungarn hinweg – die Kroaten und Serben der beiden Reichshälften. Vor allem aber unternahmen es die jugoslawistischen Erben Strossmayers zusammen mit einem pragmatischen Flügel der Starčević-Bewegung unter antiösterreichischen bzw. antideutschen Vorzeichen, den kroatisch-serbischen Gegensatz zu überwinden. Zwischen 1903 und 1905 formierte sich im Sinne der kroatisch-serbischen Einheitsparole „Eine Nation“ („Jedan narod!“) eine programmatisch gewandelte südslawische Nationalpolitik innerhalb der Habsburgermonarchie, die allerdings schon ab 1908/09 während der bosnischen Annexionskrise wieder entzaubert wurde. Unter überwiegend kroatischer Führung mit teilweiser Einbeziehung zweier rivalisierender serbischer Parteien regierte ab 1905 die Kroatisch-Serbische Koalition (Hrvatsko-srpska koalicija). Ihr Nahziel war die Aufwertung der Südslawen innerhalb der Habsburgermonarchie, und zwar zunächst per Ablösung der dualistischen Reichsstruktur von 1867 durch einen österreichisch-ungarisch-südslawischen Trialismus. Es sollte sich aber spätestens 1908 zeigen, dass dieser Neue Kurs (Novi kurs) auch eine Schattenseite hatte. Die mit ihm verbundene Betonung des Nationalen, überhaupt nationaler Homogenität im jugoslawistischen Sinne, engte nicht nur gegenüber dem ungarischen Koalitionspartner die Kompromiss- und Koalitionsmöglichkeiten ein, sondern auch gegenüber anderen kroatischen Parteien. So gegenüber der radikalen Variante der StarčevićBewegung, der Reinen Rechtspartei (Čista stranka prava) unter Josip Frank und der Kroatischen Volks- und Bauernpartei (Hrvatska pučka seljačka stranka) der Brüder Stjepan und Antun Radić. Außerdem musste selbst das Führungspersonal der Kroatisch-Serbischen Koalition (KSK) um Frano Supilo widerwillig das Illusionäre seines kroatisch-serbischen Einheitsprogramms zur Kenntnis nehmen. Gerade diese Erfahrung begünstigte den Bedarf an Ablenkungsstrategien primär durch die negative Markierung des deutschen respektive österreichischen Elements, zumal angesichts der fortschreitenden Verfeindung zwischen Habsburgermonarchie und Serbien aufgrund der Annexionskrise von 1908/09. Aktiviert wurde das traditionelle Deutschenstereotyp in Verbindung mit dem Bedrohungstopos „Drang“ [nach Osten, G. S.] als Methode der Überwindung innersüdslawischer Solidarisierungshindernisse, überhaupt des Politisierungsdefizits der südslawischen Bevölkerungsmehrheit. Mit anderen Worten: je mehr sich die südslawische Homogenität, besonders die kroatisch-serbische Zusammenarbeit, als Illusion erwies, desto negativere, tendenziell paranoid-aggressive Züge nahm die öffentlich verbreitete Wahrnehmung des Deutschen an. Dies ist vor allem an der KSK-Agitation gegen die Ostpolitik des Deutschen Kaiserreiches, an der seit 1906 intensivierten Balkanpolitik Österreich-Ungarns und mancherorts an den wachsenden Spannungen entlang der deutsch-slowenischen Sprachgrenze sowie in Syrmien abzulesen. Bei der sprachlich-propagandistischen Darstellung des deutschen Elements als negativer Folie südslawischer Selbstwahrnehmung, schließlich jugoslawistischer Selbststilisierung, kam die führende Rolle nicht etwa den südslawischen KSK-Politikern aus der ungarischen Reichshälfte zu, die am ehesten mit der deutschen Minderheitsbevölkerung in Berührung kamen. Tonangebend waren vielmehr die dalmatinisch-kroatischen Wortführer der KSK wie Josip Smodlaka, Frano Supilo und Ante Trumbić, die nicht über derartige eigene Erfahrung verfügten. Trumbić hatte eine geradezu paradigmatisch-vollständige Formulierung geliefert, als er am 7. November 1903 im dalmatinischen Landtag das Programm der künftigen KSK präsentierte und 15 16 GÜNTER SCHÖDL dabei sein Auditorium auf die Gefahr des deutschen „Drangs“ einschwor: „Von den Alpen bis zur Mariza – auf zur Verteidigung gegen das Deutschtum!“11 Parlament und Öffentlichkeit waren auf eine Erläuterung dieser emblematischknappen Chiffre nicht mehr angewiesen. Sie stand für jedermann erkennbar in der Kontinuität einer älteren politischen Begriffs- und Bildersprache. Im Kontext der kroatischen Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts entstanden, war sie mit dem Auftreten der Kroatischen Fortschrittlichen Jugend (Hrvatska Napredna Omladina) als neuer Trägergeneration der kroatischen und serbischen Politik innerhalb der Habsburgermonarchie seit Mitte der 1890er Jahre im kollektiven Bewusstsein verankert worden. Als Smodlakas These, dass „Drang“, Habsburgermonarchie und deutsche hegemoniale Präsenz im Südosten mit Existenz und Entfaltung der Südslawen grundsätzlich nicht vereinbar seien, sollte sie Gemeingut werden.12 Als Beispiel für ihre programmatischparteipolitische Präsenz sei das Programm der zur KSK gehörenden Kroatischen Volksund Fortschrittspartei (Hrvatska pučka napredna stranka) vom 4. Juni 1906 angeführt: „Jede Nation hat das Recht, sich zu vereinigen und ihr Schicksal in ihrem Staate zu lenken [...]. Kroaten und Serben sind eine Nation mit zwei gleichberechtigten Namen [...].“ Kroatische Politik bedeute daher: „Erweckung des kroatischen Nationalbewußtseins [...], Verbreitung des Bewußtseins der Einheit der kroatischen und der serbischen Nation, [...] kulturelle und wirtschaftliche Annäherung an Slowenen und Bulgaren; Schutz gegen kulturelle und wirtschaftliche Eroberungstendenzen von welcher fremden Politik auch immer und Einvernehmen [...] mit den Donau- und Balkanvölkern zum Zwecke der Verteidigung gegen diese Eroberungsbestrebungen [...].“13 So ausgeprägt die Wechselbeziehung zwischen einerseits tatsächlich unsicherem und verspätetem nationalen Bewusstsein der Kroaten und andererseits dem Kult nationaler Homogenität respektive alarmistischer Wahrnehmung deutscher Präsenz und Einflussnahme auch war, es gab im ohnehin sehr zersplitterten kroatischen Parteiwesen auch Gruppierungen, die aus unterschiedlichen Gründen diesem Trend der Selbstvergewisserung per nationaler Abgrenzung nicht gleichermaßen folgten. So wahrte die Radić-Partei, die sich in der Zwischenkriegszeit als Kleinbürger- und Bauernpartei fast dem Rang einer nationalen Repräsentanz nähern sollte, in der Vorkriegszeit durchaus Abstand zur KSK. Dabei war auch sie unter dem Einfluss der Fortschrittlichen Jugend sowie Tomáš Garrigue Masaryks entstanden. Allerdings gewichtete sie den sozialen Reformbedarf stärker; einer Koalition mit dem ungarischen Unabhängigkeitsstreben zog sie durchaus eine kroatische, eventuell trialistisch aufgewertete Autonomie innerhalb einer föderalisierten, womöglich austroslawischen Habsburgermonarchie vor. Die deutsche „Gefahr“ aber wurde von ihr nicht weniger als von der KSK artikuliert und propagandistisch genutzt. Daneben war es Josip Franks großkroatische Reine Rechtspartei, die die Chance kroatischer nationaler Staatsbildung eher in der Unterstützung Wiens und einer aktiven Balkanpolitik der Mittelmächte sah. Damit stand sie in scharfer Opposition zur KSK, zum Jugoslawismus und zur Anlehnung an Budapest. Im Grunde eine paradoxe Konstellation: Ausgerechnet der radikalnationalistische Flügel der einstigen StarčevićBewegung koalierte mit Wien, und dies trotz der „Nibelungentreue“ zwischen den beiden mitteleuropäischen Monarchien, die das deutsche Element in Mitteleuropa gegen den Jugoslawismus bildeten. Eine Allianz, welche die spätere Zusammenarbeit zwischen deutschem und kroatischem Radikalnationalismus im Zweiten Weltkrieg, und damit die Katastrophe der deutschen bzw. donauschwäbischen Minderheit, in gewissem Maße bereits vorzeichnete. III. Die politische Kultur der Serben in der Habsburgermonarchie entwickelte sich im 19. Jahrhundert unter anderen Voraussetzungen. Anders als für die frühe illyrischkroatische Nationalbewegung, war für sie kein vergleichbarer politischer Rahmen aus alteuropäisch-ständischer Überlieferung vorgegeben, welcher der Formierung einer Sprach- und Kulturnation den Weg hätte weisen können.14 Die „österreichischen“ Ser- SÜDSLAWEN UND DEUTSCHE ben waren von den ungarischen Ständen als „illyrische“ Nation zwar anerkannt, aber sie waren lediglich mit kirchlichen Autonomierechten ausgestattet. Außerdem war ihr Territorium nicht im engeren Sinne politisch definiert, sondern lediglich kirchenpolitisch durch die Zuständigkeit des orthodoxen Metropoliten von Karlowitz. Die Herauslösung eines serbischen Eigenbewusstseins aus dieser vornationalen kirchlichen Gemeinschaft, erste Ansätze nationaler serbischer Kulturinstitutionen und ein serbisches Bürgertum kamen zwar schon vor der kroatischen Nationalbewegung zustande. Dennoch garantierten weder die günstigen Bedingungen in der kroatischslawonischen Militärgrenze (bis 1871/1881), noch die Nachbarschaft mit dem konnationalen Fürstentum Serbien (ab 1882 Königtum) oder die Existenz des selbstständigen Kronlandes Serbische Woiwodschaft und Temescher Banat (1849 –1860) eine langfristige Herausbildung serbischer nationaler Identität oder gar einer besonderen österreichisch-serbischen Identität. Günstigere Bedingungen in dieser Hinsicht ergaben sich paradoxerweise erst Ende des 19. Jahrhunderts. Die Intensivierung des Assimilationsdrucks im 1867 wesentlich selbstbewusster gewordenen Ungarn sorgte in Kroatien-Slawonien dafür, dass die serbische Politik ihre zeitweilige Kollaboration mit Budapest nicht aufrecht halten konnte und so nach der Jahrhundertwende reif für die Zusammenarbeit mit den Kroaten, das heißt mit dem Jugoslawismus der KSK wurde. Außerdem provozierte der Magyarisierungsdruck seit den späten 1890er Jahren in der Batschka und dem Banat als wichtigsten donauschwäbischen Wohngebieten erste Ansätze zur minderheitenpolitischen Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Serben. So kam es zum Zusammenwirken zwischen Edmund Steinacker, dem Begründer der ungarndeutschen Bewegung, und dem serbischen Politiker Mihajlo Polit-Desančić. Solange es keine deutschen Minderheitsvertreter im ungarischen Reichstag gab, vertrat Polit-Desančić in Abstimmung mit Steinacker dort sogar zuweilen donauschwäbische Interessen. Polit-Desančić gehörte der 1869 von Svetozar Miletić (1826 –1901) gegründeten Serbischen Freisinnigen Volkspartei (Srpska narodna slobodoumna stranka) an. Er führte seit 1885 die wichtigste Nachfolgepartei, für die charakteristisch war, dass sie in der Praxis ihre serbisch-nationalen Ziele jener Abwehr von Magyarisierung und politischer Benachteiligung unterordnete, die sie im Zusammenwirken mit den anderen nationalen Minderheiten, eben auch mit den Deutschen, betrieb. Dieser Kurs war das Ergebnis von Miletićs Enttäuschung über seine seit 1860 praktizierte Zusammenarbeit mit der ungarischen Nationalbewegung gegen Wien. Nach Miletićs Meinung war der Assimilationsdruck, der vom zentralistischen deutschösterreichischen Neoabsolutismus, vom „Germanismus“ überhaupt, auf die Serben ausgeübt wurde, durch die Aufwertung Ungarns im Jahre 1867 nicht überwunden, sondern durch forcierte Magyarisierung nur variiert worden. Das Feindbild „Germanismus“ bezog sich aber nicht so sehr auf die Wahrnehmung der Deutschen in der ungarischen Vojvodina, sondern auf Österreich und auf das deutsche Element in Zentraleuropa überhaupt. Dies war wiederum Ergebnis der Erfahrungen mit Krone und Wien seit der ungarischen Revolution von 1848/49 gewesen. Die „Gefahr, die den kleineren Völkern droht, kommt aus dem Westen, und zwar nicht nur durch den Kanal des Germanismus, sondern auch durch den Kanal des Absolutismus.“15 Die Auflösung und Wiedereingliederung der Serbischen Woiwodschaft in Ungarn hatte das nationalpolitische Hauptziel zunichte gemacht, die Einheit und Selbstbestimmung der serbischen Bevölkerung des Kaisertums Österreich mit legalen Mitteln zu erreichen. Miletić als einflussreichster serbischer Politiker im engeren Ungarn, das heißt außerhalb Kroatien-Slawoniens, repräsentierte eine Spielart serbischer Nationalpolitik, die erst nach der Okkupation Bosnien-Herzegowinas durch die Habsburgermonarchie 1878 Züge eines revolutionären Großserbismus und der Feindschaft gegen Wien annahm. Eine andere, ursprünglich anarchistisch-sozialistische Denkrichtung der serbischen nationalpolitischen Debatte stieß bei Miletić, überhaupt bei den Konnationalen in Südungarn und den kroatischen Ländern, auf skeptische, letztlich nur schwache Resonanz. Es war Svetozar Marković (1846 –1875), Mitgründer der Nationalen Radikalen Partei (Narodna radikalna stranka) im Jahre 1869, der das Nationale 17 18 GÜNTER SCHÖDL lediglich als Instrument, in der serbischen Gegenwart zudem als Hindernis, der erstrebten gesellschaftlichen Transformation auffasste. Er war sich des Problems der westbalkanischen kleinräumigen Mischkonstellationen bewusst, auch des Problems der Abgrenzung südslawischer Ethnika untereinander. Daher versuchte er, das tradierte nationalpolitische Ziel homogener Staatsbildung, generell der nationalen Mehrheits-Minderheits-Unterscheidung, zu relativieren. Den notwendigen Entwicklungsprozess Serbiens hielt er für unvereinbar mit der Einflussnahme von Großmächten und mit verkrusteten internen Interessenkonstellationen. Deren Funktionalisierung für Wandel und Entwicklung, beide überfällig, könnten grundsätzlich nicht auf die Mobilisierung von Individuen in großen, nationalstaatlichen Verbünden, sondern nur in kleinen, frei assoziierten und selbstbestimmten Gemeinschaften gegründet werden. Das Nationale zur modernisierenden und selbstbestimmten Aktivierung der Gesellschaft von unten zu nutzen, sei Voraussetzung dafür, dass sich überlebte Staatsgebilde wie das Fürstentum Serbien und die Habsburgermonarchie auflösen, auch dafür, dass die Unterscheidung von Nationen und nationalen Minderheiten überflüssig werde. Die Karriere seines anfänglichen Gesinnungsgenossen, Nikola Pašić (1845–1926), seit den späten 1890er Jahren mehrfacher Ministerpräsident Serbiens, sollte unter anderem ganz im Gegenteil darauf beruhen, die manipulative, antimodernistischherrschaftstechnische Zweckentfremdung des Nationalen zur serbischen Expansion und innersüdslawischen Machtverteilung zu perfektionieren. Die von Pašić führend mit vorbereitete Gründung des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen am 1. Dezember 1918 sollte das vollendete Gegenstück zu Markovićs theoretischem Entwurf werden, mithin auch zu dessen Konzept, die Menschen nicht primär als Träger einer bestimmten nationalen Identität wahrzunehmen. Marković wollte, dass die deutsche Minderheitsbevölkerung in serbischer Umgebung nur als solche betrachtet werde und nicht von vorneherein als „geborene“ Repräsentantin, als Vorposten habsburgischer oder reichsdeutscher Macht im Südosten. SÜDSLAWEN UND DEUTSCHE Josip Juraj Strossmayer (1815–1905) Ante Starčević (1823–1896) Ljudevit Gaj (1809 –1872) Frano Supilo (1870 –1917) Josip Frank (1844 –1911) Stjepan Radić (1871–1928) Antun Radić (1868 –1919) Edmund Steinacker (1839–1929) Mihajlo Polit-Desančić (1833 –1920) Svetozar Miletić (1826 –1901) Svetozar Marković (1846 –1875) Ante Trumbić (1864–1938, rechts), Nikola Pašić (1845–1926, links) Jovan Cvijić (1865 –1927) Tin Ujević (1891–1955) Jovan Skerlić (1877–1914) IV. Wie Markovićs Gedanken zur Zähmung und zivilisatorischen Nutzung des Nationalen der Unbill widriger politischer Zeitläufte zum Opfer fielen, so schloss sich um 1900 auch das schmale Zeitfenster für die Verwirklichung einer nicht nationalistisch verzerrten gegenseitigen Wahrnehmung von Südslawen und Deutschen, das sich zu dieser Zeit in Südungarn und Kroatien-Slawonien kurzfristig geöffnet hatte. Die lokalen wie die reichspolitischen Bedingungen hatten sich geändert. Die beginnende deutschnationale, ansatzweise auch deutschvölkische Organisation der Donauschwaben vor allem in der Batschka und dem Banat einerseits,16 andererseits wiederum in Kroatien und Dalmatien die Formierung der österreich- und deutschkritischen Kroatisch-Serbischen Koalition 1903/1905 begünstigten im Südosten jene unheilvolle deutsch-slawische Verfeindung, die als Nebenerscheinung der säkularen Nationalisierung Ost- und Zentraleuropas seit Mitte des 19. Jahrhunderts entlang der deutsch-slawischen Sprachgrenze im Gang war. So sind es nicht nur die allmähliche antirussische und antislawische Außenpolitik des Deutschen Reiches, auch nicht die balkanpolitische Initiative der beiden Mittelmächte ab 1906/08, welche die serbische Wahrnehmung der deutschen Präsenz in Serbiens Politik wie auch bei den Serben in der Habsburgermonarchie veränderten, sondern auch die im Zeichen der KSK zustande kommende deutschkritische Konfliktorientierung ungarnserbischer Politik. Es waren Radikalisierungsimpulse dieser Art, welche die gegenseitige Wahrnehmung mit geradezu anonym-elementarer Kraft deformierten. Verzerrte Wahrnehmung und aggressive Konditionierung, wie sie drei Jahrzehnte später vor allem in der Batschka und dem Banat während und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg zur Entladung kommen werden, sind insofern nicht nur aus der Kriegssituation seit 1939/41 und sicher nicht primär aus dem Zusammenleben von Serben und Deutschen in der Vojvodina selbst zu erklären, sondern in hohem Maße aus langfristig und überregional zustande gekommenen Voraus- 19 20 GÜNTER SCHÖDL setzungen. Dass Wahrnehmung und Sprache, Emotionen und politische Praktiken im deutsch-serbischen Verhältnis längst vor der Gewaltexplosion in der Mitte des 20. Jahrhunderts ihrer eigenen Epoche fremd zu werden und eine verhängnisvolle Zukunft anzukündigen begannen, lässt auch ein kurzer Blick auf die letzten Jahre vor dem Ersten Weltkrieg erahnen. Als die KSK zu erschlaffen schien, als die jugoslawistische Mobilisierung innerhalb der Habsburgermonarchie zeitweilig Ermüdungserscheinungen zeigte, wurde die zunehmende Solidarisierung mit dem Königreich Serbien gegen den Griff der Habsburgermonarchie zunächst nach Bosnien-Herzegowina, dann nach dem Westbalkan, zum Radikalisierungsimpuls. An die Stelle der Gründergeneration der KSK und der Fortschrittlichen Jugend in den kroatischen Ländern 1890er Jahre trat seit 1910/12 die Nationalistische Jugend (Nacionalistička omladina), verzweigt in den südslawischen Gebieten Österreichs und Ungarns, Bosniens und der Herzegowina sowie Serbiens. Wenn die Fortschrittlichen wie Dušan Mangjer 1897 ihre Aufgabe darin erblickten, das Bewusstsein der einen „kroatischen oder serbischen“ Nation herzustellen, um einen Schutzwall gegen den deutschen „Drang nach Osten“17 zu errichten, dann begriff man nun das Deutsche an sich als die Antithese des Jugoslawismus. Man identifizierte sich während der Balkankriege von 1912/13 im Sinne eines Jovan Cvijić mit Serbien, mit einem naturalistischen Machtkult, mit den „siegreichen Rächern Kosovos“ und Selbstopfermythen, die sich um „Türkenkriege“ und das Kosovo ranken, mit nationalrevolutionärer Gewalt an sich.18 Seit den 1890er Jahren wurde das Ziel kroatisch-serbischer Einheit, zuweilen auch der langfristig-evolutionären Staatsbildung, in den romantisch-historischen, literarisch-bildungsbürgerlichen Kategorien des klassischen Nationalismus zur Debatte gestellt. Nun ist es der appellative, integrale Nationalismus eines Milan Marjanović, der die Vision kroatisch-serbischer Einheit zu einer einzigen, jugoslawischen Identität zuspitzt. Oder vielleicht auch das Vorbild eines Maurice Barrès, der den französischen radikalen Nationalismus vor 1914 prägte. Seiner apodiktisch-irrationalen Bekenntnissprache bedienten sich Tin Ujević, Oskar Tartaglia und andere. Sie zelebrieren mit Barrès – „Je ne puis vivre que selon mes morts. Eux et ma terre me commandent une certaine activité“19 – eine nationale Pflicht des Einzelnen, die aus Rasse, Blut und Boden spreche: „Wir fühlen sie in unserem Blut.“20 In diesem Kontext führte Jovan Skerlić, der einst von Marković inspirierte serbische Stichwortgeber einer jungen, bewusst jugoslawischen Generation am Vorabend von 1914, das klassisch nationalistische Einheitspostulat zusammen mit dem inhaltsleer-radikalen, objektlos-disponierten Nationalismus. Die integrale, absolute Gemeinschaft, wie er sie unter Berufung auf Starčević beschwor, lasse keinerlei Beeinträchtigung zu, weder von außen noch von innen, weder durch deutsch-mitteleuropäische Macht noch durch deutsche Minderheiten im jugoslawischen Staat selbst. Alle Auffassungen dieser Art, ob südslawische Einzelnationalismen, ob visionärer integraler Jugoslawismus oder hegemonialer großserbischer Nationalismus, traten mit Beginn der bosnisch-herzegowinischen Annexionskrise im Oktober 1908 in eine Phase anhaltender Mobilisierung ein. Sie gehört insbesondere durch wechselseitige Radikalisierung der öffentlichen Meinung in Serbien wie in Deutschmitteleuropa bereits zur unmittelbaren Vorgeschichte von Julikrise 1914 und Erstem Weltkrieg. Zwei Organisationen sind in diesem Zusammenhang der Radikalisierung des serbischen Nationalismus und damit einer nationalistisch verzerrten Wahrnehmung des deutschösterreichischen und reichsdeutschen Elements, zu nennen. Zum einen die Nationale Verteidigung (Narodna odbrana), gegründet im Oktober 1908 als Protestbewegung gegen die Annexion der als serbisch beanspruchten, aber bereits seit 1878 durch die Habsburgermonarchie kontrollierten osmanischen Verwaltungseinheiten (Vilajets) Bosnien und Herzegowina. Zum anderen die schon etwa seit der Jahrhundertwende aktive, formell erst im Mai 1911 gegründete Geheimorganisation Vereinigung oder Tod (Ujedinjenje ili smrt), auch Schwarze Hand (Crna ruka) genannt, eine Art Offiziersverschwörung. SÜDSLAWEN UND DEUTSCHE Zwischen diesen beiden Organisationen existierten gewisse Verbindungen, womöglich eine vereinbarte Arbeitsteilung. Als öffentlich agierende Spezialorganisation für nationalistische Agitation ähnlich dem Alldeutschen Verband oder der Action Française ist die Nationale Verteidigung (Narodna odbrana) zu nennen. Sie zielte auf die Einfügung der historisch aufgeladenen und alarmistisch präsentierten Topoi „Bedrohung“ (seitens Deutschmitteleuropas) und „Gegenwehr“ (seitens Serbiens) in Bildersprache, Symbolketten und Gefühlswelt der öffentlichen Meinung. Die althergebrachten, inzwischen eher stereotypen Warnungs- und Mobilisierungsformeln wurden in der Propaganda der Nationalen Verteidigung stärker situations- und anwendungsbezogen ausformuliert: „Aus dem Norden kommen neue Türken, furchtbarer und gefährlicher als die alten [...]. Schon sind die Vorzeichen des kommenden Kampfes zu fühlen. Das serbische Volk steht vor der Frage: ‚Sein oder Nichtsein‘.“21 Diese charakteristische, paranoid-aggressive Argumentation repräsentiert den psychodynamischen Kern des Piemontismus als extrem nationalistischer Mobilisierungssprache. Sie implementiert in das kollektive Bewusstsein nicht nur ein bestimmtes Feindbild, sondern versucht, das südslawische, zumindest das breite kroatisch-serbische Identitätenspektrum im serbischen Sinne zu reduzieren. So werden Serbentum und Jugoslawismus tendenziell gleichgesetzt. Zumindest in Teilgebieten wie Bosnien-Herzegowina oder dem Banat und der Batschka werden die kroatische Identität und die charakteristische kleinteilig-plurale Nationalitätenstruktur ignoriert. V. Die bisherigen Darlegungen gelten der These, dass die Gewaltexplosion im südslawisch-deutschen respektive donauschwäbischen Verhältnis unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges nicht nur als Reaktion auf die Kriegsereignisse zu erklären ist. Was besonders in der Vojvodina und Slowenien nach Evakuierung und Flucht an Gewalttaten gegen die verbliebene deutschsprachige Bevölkerung geschehen ist, kann mit dem Terminus „Vertreibung“ nicht voll und ganz erfasst werden. Der anschauliche, aber im Übermaß ausdeutbare Begriff „Vertreibung“ erweist sich weniger als konzise Definition denn als Metapher dokumentarisch-appellativen Zuschnitts. Vor allem lässt seine situative Ereignisbindung nicht erkennen, dass in der „Vertreibung“ auch die destruktive Wirkung langfristig verfestigter Fehlwahrnehmung und bereits vor dem Zweiten Weltkrieg „gelernter“ kollektiver Verfeindung zur Entladung gelangte. Forschung wie gegenwärtiges öffentliches Interesse in den jugoslawischen Nachfolgestaaten richten sich nicht mehr primär auf Erinnerung und Dokumentation. Mit zunehmender zeitlicher Entfernung vom subjektiven Erlebnishorizont der betroffenen Generation gelten sie eher einer objektivierenden, vergleichend-systematischen Erschließung und Aktualisierung dieser Sachverhalte. In diesem Sinne war es Zweck der vorliegenden Ausführungen, einige langfristig zustande gekommene Entstehungsund Gestaltungsfaktoren der südslawisch-deutschen Konfrontation während und nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich zu machen. Was in dieser knappen Skizze einer „Entstehungsgeschichte“ nationalpolitisch dimensionierter Wahrnehmung und ihrer politischen Konkretisierung beim gegenwärtigen Forschungsstand noch nicht möglich war und nur durch detaillierte Forschung, die bi- oder multinational angelegt sein muss, zu leisten sein wird, ist: die Rekonstruktion der Art und Weise, wie diese inhaltlich-mentale Prägung des südslawischen Deutschenbildes sich verhaltens- und entscheidungsprägend auswirkte. Wie gelangte sie zur Anwendungsreife und wie funktioniert sie, wie müssen ihre Gründe gewichtet werden? Es liegt nahe, diese Untersuchungsschritte nicht etwa nur für die südostdeutschen, sondern für alle „Vertreibungsgebiete“ vergleichend durchzuführen. Diese Untersuchung der Vertreibung von Deutschen aus dem östlichen Europa kann nicht mehr ausschließlich aus der Perspektive der Betroffenen, also nicht nur aus der deutschen Perspektive, sondern nur bi- oder multinational unternommen werden. Dies ist eine Voraussetzung für Entnationalisierung und Objektivierung, insgesamt für die Verwissenschaftlichung der einschlägigen Forschung und massenmedialen 21 22 GÜNTER SCHÖDL Präsentation. Insofern sind diese Ausführungen lediglich als Anregung gedacht. Diese Art der historisch-langfristigen Spurensuche, des Recherchierens nach frühen nationalpolitischen Zeugnissen vorurteilhafter Definition und konfliktträchtiger Aufladung der südslawischen Wahrnehmung des deutschen Elements im Südosten, sollte nicht politisch überfrachtet werden. Es geht nicht um deutsches historiographisches Aufrechnen südslawischen Fehlverhaltens gegen die deutsche Schuld an Krieg und Okkupation. Stattdessen ist die systematisch-übernationale Thematisierung langfristiger kognitiver und politischer Voraussetzungen eines bestimmten zwischennationalen Konflikts das eigentliche Anliegen. Beim gegenwärtigen, durchaus noch defizitären Forschungsstand können diese Ausführungen nur vorläufiger, essayistischer Art sein. Für ihre systematische Komplettierung wären beispielsweise gesicherte und zwischennational kommunizierte, kultur- und alltagsgeschichtliche Kenntnisse auch der deutschen Wahrnehmung ostmitteleuropäischer Nachbarnationen nötig. Mehr noch jenes Bildes, das die Deutschen im östlichen Europa im alltäglichen Zusammenleben abgegeben haben und des Bildes, das sich ihre national fremde Umwelt von den Deutschen und Österreichern gemacht hat. Eine Beeinträchtigung der Vertreibungsforschung im deutschen Sprachraum ist darin zu erblicken, dass – so paradox dies auch klingen mag – sie zu sehr nur als Vertreibungsforschung betrieben worden ist. Wenn Entstehungsbedingungen und Vorstufen, kognitive Verfeindung und kollektive Einübung aggressiven Verhaltens vom Beginn des nationalen Zeitalters an, also seit dem frühen 19. Jahrhundert, a priori und alternativlos als geradezu zwangsläufige Entwicklung hin zu Krieg und Vertreibung erörtert werden, ist dies gleichbedeutend mit weitgehender Vorprogrammierung der Ergebnisse. Ein weiteres Defizit der Forschung liegt darin, dass konstitutive Begriffe und Kategorien nationalstaatlicher Provenienz weiterhin gültig sind. Beispielsweise sorgt eine Strukturierung der Bevölkerung der „Vertreiberstaaten“ entsprechend den nationalpolitischen Kategorien von „Staatsnation“ und „nationale Minderheit“ von vorneherein für eine der südslawischen Realität widersprechende Ausblendung diverser Abstufungen zwischen beiden Kategorien respektive assimilativen Übergängen. Dies behindert eine Ausdifferenzierung mittels Verhaltens- und Kausalvarianten, die für das Gesamtgeschehen von nationalgesellschaftlicher Inklusion und Minderheitenexklusion sehr wohl von Bedeutung wären. Mit anderen Worten: Die Forschung, die a priori von einem Untersuchungsobjekt „(deutsche) Minderheit“ ausgeht, verfehlt den Umstand, dass dies so, das heißt, kompakt und scharf abgegrenzt von „Staatsnation“, eher ein Ausnahmephänomen war. Es ist vielmehr erst durch deutschnational-nationalsozialistische „Volksgruppen“-Strategie und durch Erinnerungspolitik nach der Vertreibung konstituiert worden. So aber wird die erstrebte Antwort auf die Frage nach der Genesis der Vertreibung der Deutschen mehr oder weniger vorweggenommen. Und dies unabhängig davon, ob die Vertreibung als kurzfristiges, situatives Ergebnis spontaner kollektiver Gewalt oder als langfristiges und zwangsläufiges Ergebnis einer geradezu teleologischen Entfaltung des nationalen Prinzips aufgefasst wird. 1 2 3 4 Erweiterte und durch Belege ergänzte Fassung des Vortrags. Der mündliche Ductus der Ausführungen ist beibehalten worden. Jakob Glatz, Freymüthige Bemerkungen eines Ungarn über sein Vaterland, Teutschland 1799, zitiert nach Wolfgang Kessler, Politik, Kultur und Gesellschaft in Kroatien und Slawonien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Historiographie und Grundlagen. München 1981, S. 83. Katharina Klotz, Doris Müller-Toovey, Wilfried Rogasch (Hg.), Erzwungene Wege. Flucht und Vertreibung im Europa des 20. Jahrhunderts, Zentrum gegen Vertreibungen, Berlin 2006. Siehe dazu Günter Schödl, Am Rande des Reiches, am Rande der Nation, in: Ders. (Hg.), Land an der Donau (Deutsche Geschichte im Osten Europas, Bd. 5). Berlin 1999 (2. Auflage), S. 349 – 655, S. 666 – 671, S. 692 –701. SÜDSLAWEN UND DEUTSCHE 5 Siehe dazu Kessler, Politik, Kultur und Gesellschaft in Kroatien, S. 91; Arnold Suppan, Die Kroaten, in: Adam Wandruszka und Peter Urbanitsch (Hg.), Die Habsburgermonarchie 1848 – 1918 Bd. III,1: Die Völker des Reiches. Wien 1980, S. 626 –733; Wolf Dietrich Behschnitt, Nationalismus bei Serben und Kroaten 1838 – 1914. Analyse und Typologie der nationalen Ideologie. München 1980, S. 133 –161; Ludwig Steindorff, Kroatien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Regensburg/München 2001, S. 94–151; Günter Schödl, Kroatische Nationalpolitik und „Jugoslavenstvo“. Studien zu nationaler Integration und regionaler Politik in Kroatien-Dalmatien am Beginn des 20. Jahrhunderts. München 1990, S. 13 – 47. 6 Kessler, Politik, Kultur und Gesellschaft in Kroatien, S. 91. 7 Siehe dazu Mirjana Gross, Počeci moderne Hrvatske. Neoapsolutizam u civilnoj Hrvatskoj i Slavoniji 1850 –1860 [Die Anfänge des modernen Kroatiens. Neoabsolutismus in Zivilkroatien und Slawonien 1850 – 1860], Zagreb 1985; zum größeren Zusammenhang dies. (Hg.), Društveni razvoj u Hrvatskoj. Od 16. stoljeća do početka 20. stoljeća [Die gesellschaftliche Entwicklung in Kroatien. Vom 16. Jahrhundert bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts]. Zagreb 1981; Heinrich Lutz, Österreich-Ungarn und die Gründung des Deutschen Reiches. Europäische Entscheidungen 1867–1871. Frankfurt am Main u. a. 1979; Helmut Rumpler, 1804–1914: eine Chance für Mitteleuropa. Bürgerliche Emanzipation und Staatsverfall in der Habsburgermonarchie (Österreichische Geschichte, Bd. 1804, hrsg. v. Herwig Wolfram). Wien 1997; András Gergely, Magyarország története a 19. században [Ungarische Geschichte im 19. Jahrhundert]. Budapest 2003, S. 279 –326, 360 – 384. 8 Vgl. Behschnitt, Nationalismus, S. 175 f., 184 ff. und Steindorff, Kroatien, S. 117–121. 9 Hrvatska demokratska zajednica = Kroatische Demokratische Gemeinschaft. 10 Ante Starčević, Slowenen und Serben, 1883, zitiert nach Behschnitt, Nationalismus, S. 184; zum Zusammenhang siehe Mirjana Gross, Povijest pravaške ideologije [Geschichte der Ideologie der Rechtspartei], Zagreb 1973. 11 Zitiert nach Schödl, Kroatische Nationalpolitik, S. 247; zur KSK siehe Schödl, Am Rande des Reiches, S. 234 – 298. 12 Schödl, Kroatische Nationalpolitik, S. 270. 13 Zitiert nach Behschnitt, Nationalismus, S. 366. 14 Kessler, Politik, Kultur und Gesellschaft in Kroatien, S. 91 und 96 ff. 15 Svetozar Miletić, Srbi i Mađari [Serben und Ungarn], 1868, zitiert nach Behschnitt, Nationalismus, S. 91; siehe dazu Dimitrije Đorđević, Die Serben, in: Wandruszka und Urbanitsch (Hg.), Die Habsburgermonarchie, S. 173 f. 16 Siehe dazu Günter Schödl, Alldeutscher Verband und deutsche Minderheitenpolitik in Ungarn 1890–1914. Zur Geschichte des deutschen „Extremen Nationalismus“. Frankfurt am Main u. a. 1978; ders., Am Rande des Reiches, S. 392 – 454. 17 Dušan Mangjer, Narodna misao [Der nationale Gedanke]. Zagreb 1897, S. 2, zitiert nach Behschnitt, Nationalismus, S. 202. 18 Behschnitt, Nationalismus, S. 201– 230. 19 Zitiert nach Günter Schödl, Alldeutsch-deutschnationale Politik in der Habsburgermonarchie und im Deutschen Reich, in: Ders. (Hg.), Formen und Grenzen des Nationalen. Beiträge zu nationaler Integration und Nationalismus im östlichen Europa (Erlanger Osteuropa-Studien, Bd. 2). Erlangen 1990, S. 49 – 89, hier S. 49. 20 Oskar Tartaglia, zitiert nach Behschnitt, Nationalismus, S. 225. 21 Nationale Verteidigung (Narodna odbrana). Belgrad 1911, S. 21, zitiert nach Behschnitt, Nationalismus, S. 304, Anm. 324. 23 24 ZORAN JANJETOVIĆ Zoran Janjetović Die jugoslawische Minderheitenpolitik zwischen den beiden Weltkriegen Die Festung Peterwardein in osmanischer Zeit, Stich von Gaspar Bouttats aus dem Werk Sacr. Caes. Ma. Leopoldo has Turcis ereptas, et Favente Deo eripiendas Hongariae Civitates, aliasque Turcias (Diese durch die Heilige Majestät Kaiser Leopold den Türken entrissenen und mit Gottes Hilfe noch zu entreißenden Städte Ungarns und andere türkische [Städte]), Antwerpen, um 1700. In diesem Referat werden wir die Politik des jugoslawischen Staates gegenüber seinen nationalen Minderheiten skizzieren und die Gründe, die ihn zu dieser Politik bewogen haben. Dabei werden wir berücksichtigen, wie sich die jugoslawische Minderheitenpolitik in verschiedenen Bereichen des Lebens der deutschen Minderheit widergespiegelt hat. Das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, das 1929 in Königreich Jugoslawien umbenannt wurde (wie es umgangssprachlich von Anfang an genannt wurde), entstand im Herbst 1918 aus den Ruinen der Habsburgermonarchie und des Osmanischen Reiches, das bereits 1912 vom Balkan zurückgedrängt worden war. Diese Reiche hatten jahrhundertelang Südosteuropa dominiert, waren aber beide ausgesprochen multiethnische Gebilde, die in ihren (sich verändernden) Grenzen eine Vielzahl von Völkern und Religionen vereinten. Im Unterschied zu den anderen Nachfolgestaaten vereinigte das SHS-Königreich Gebietsteile von beiden verschwundenen Imperien: einige wurden 1918 angeschlossen, einige 1912 oder 1913, einige hatten sich (wie Serbien und Montenegro) in einem langen Befreiungsprozess vom Osmanischen Reich gelöst. Die jahrhundertelange Herrschaft der beiden großen Imperien brachte nicht nur zahlreiche bis heute spürbare kulturelle Einflüsse, sondern wirkte sich in bedeutendem Maße auch auf das demografische Bild der Gebiete aus, von denen heute die Rede ist.1 Slawen haben sich auf der Balkanhalbinsel im Laufe des 6. und 7. Jahrhunderts angesiedelt, allerdings war das Territorium, in dem sie sich niedergelassen haben, bedeutend größer als das, auf dem heute, die Bulgaren eingeschlossen, die südslawischen Völker leben. Dies ist vor allem eine Folge des Fehlens einer slawischen politischen Herrschaft im größeren Teil dieser Territorien und im überwiegenden Teil ihrer Geschichte.2 Innerhalb fremder Staaten kam es zur leichten und spontanen Assimilation der relativ dünn siedelnden Bevölkerung. Auf diese Weise verloren die Slowenen fast die Hälfte ihres ethnischen Territoriums.3 Daneben kam es infolge von Kriegshandlungen zu massiven Bevölkerungsverschiebungen – sei es in Form von Flucht, sei es durch die systematische Besiedlung verlassener Gebiete mit neuer Bevölkerung, um die militärische Kampfkraft zu heben4 oder die Wirtschaftskraft zu stärken. Kriege schufen auch die Möglichkeit der spontanen Ansiedlung einer neuen Bevölkerung in DIE JUGOSLAWISCHE MINDERHEITENPOLITIK ZWISCHEN DEN BEIDEN WELTKRIEGEN den Räumen, die die ältere Bevölkerung vollständig oder teilweise verlassen hatte. Die Machthaber haben auch in Friedenszeiten aus ökonomischen und fiskalischen Gründen Menschen, oft ihrer Nationalität, angesiedelt, was das ethnische Bild der Ansiedlungslandschaften verändert hat. Auf diese Weise führte die 1100 Jahre dauernde Dominanz der Deutschen über die Slowenen durch schrittweise friedliche Besiedlung zur Durchdringung des slowenischen ethnischen Territoriums mit deutscher Bevölkerung, die mit der Zeit in einem großen Teil dieses Gebiets zur Mehrheitsbevölkerung wurde. Die Feudalherren siedelten Deutsche auch in Gebieten mit größerer Bevölkerungsdichte von Slowenen an, so im Fall der untersteirischen Städte oder der Gottschee, die zu einer überwiegend deutschen Insel in einem slowenischen Meer wurde. Deutsche kamen auch in andere slowenische Städte, und durch den sozialen Aufstieg der zugezogenen Slowenen stieg dort durch deren Assimilation die Zahl der Deutschen. Diese soll, stellten später slowenische Autoren fest, gewaltsam gewesen sein, doch sind sie dabei der Komplexität des Phänomens nicht gerecht geworden. Albaner begannen in das „Heilige serbische Land“, das Kosovo-Gebiet, seit dem Ende des 17. Jahrhunderts in größerer Zahl einzuwandern, als viele Serben das Gebiet verlassen hatten. Damit begann ein 300 Jahre dauernder Prozess, der sich nicht, wie oft in der serbischen Historiografie zu lesen ist, unvermittelt ereignete5 und nicht ausschließlich gewaltsam stattfand. Gewalt spielte tatsächlich eine wichtige Rolle, aber auch viele andere Faktoren (Natalität, Assimilation, gesellschaftliche und religiöse Unterschiede, Opportunismus, Unterstützung der Regierung, der Umgang Serbiens mit den Albanern 1878) trugen zur Veränderung des ethnischen Bildes von Kosovo, Metohija und Westmakedonien bei. Die türkische Invasion verdrängte große Massen der serbischen Bevölkerung nach Westen und Norden auf das Gebiet des Königreichs Ungarn (einschließlich Kroatiens).6 Eine beträchtliche Zahl von Türken ließ sich in Städten unter osmanischer Herrschaft nieder, einige aber auch in den Dörfern Makedoniens, Serbiens und des Kosovos. Nach dem Rückzug der osmanischen Macht verließ ein großer Teil dieser Türken die Heimat.7 Nach der Befreiung von den Türken war das südliche Ungarn (die heutige Vojvodina und darüber hinaus) vor allem mit serbischen und rumänischen Hirten sehr dünn besiedelt. Die ungarische Bevölkerung war zum größten Teil vor der osmanischen Herrschaft geflüchtet oder während ihrer Herrschaftszeit verschwunden, weshalb die Türken Serben als Arbeitskräfte ansiedelten. Vor dem Fall der osmanischen Herrschaft in Pannonien war die serbische Bevölkerung durch Flüchtlinge aus Serbien und dem Kosovo zahlenmäßig verstärkt worden. Da diese Bevölkerung zahlenmäßig unzureichend und wirtschaftlich nicht produktiv genug war, gingen die habsburgischen Behörden und die privaten Großgrundbesitzer (denen das neu befreite Land zugeteilt worden war) dazu über, Deutsche, Ungarn, Slowaken, Rusinen, Tschechen, Spanier und Angehörige anderer Völker anzusiedeln. Diejenigen, die sich nicht anpassen konnten, sind verschwunden oder fortgezogen, während Deutsche, Ungarn, Slowaken und Rusinen nach anfänglichen Schwierigkeiten in der neuen Heimat Wurzeln schlugen.8 Südslawische Historiker und noch häufiger Politiker haben diese Ansiedlung fremder Bevölkerung als Usurpation angesehen, als Begründung dienten ihnen Beispiele für Unterdrückung, Zwangsumsiedlung und Robotdienst, den die Serben leisten mussten, um den Besitz für die Kolonisten vorzubereiten, sowie die Steuer, die sie für die privilegierten Kolonisten einige Zeit zahlen mussten. Auch wenn es das alles 25 Einwohner verschiedener Nationen im Königreich Ungarn: Serben, Kroaten, Deutsche, kolorierter Stich, 2. Hälfte 19. Jahrhundert. 26 „Kaiser Joseph II unterschreibt das Ansiedlungspatent“, aus dem Buch Szeghegy im ersten Jahrhundert seines Bestandes von Johann Jauß, Kula, 1886. ZORAN JANJETOVIĆ gegeben hat, wird oft vergessen, dass auch serbische Ansiedler bestimmte Privilegien genossen haben, doch machten Politiker und Propagandisten der Zwischenkriegszeit für das gesamte im Verlauf der Kolonisation durch Deutsche, Ungarn und andere erlittene Unrecht deren entfernte Nachkommen, ihre Zeitgenossen, verantwortlich. In Kroatien und Slawonien erscheinen Deutsche und Tschechen schon Ende des 17. Jahrhunderts, in größerer Zahl kamen sie allerdings erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, angezogen durch die niedrigen Bodenpreise.9 Ähnlich war es auch in Bosnien, wo neben einigen staatlichen Kolonien von Deutschen und Polen mehrere Siedlungen aus privater Initiative von Zuwanderern entstanden. Der Zuzug auswärtiger Industriearbeiter in die bosnischen Städte hinterließ kaum Spuren, da diese in der Mehrheit nach 1918 wieder wegzogen.10 Die Ansiedlungs- und die Lebensbedingungen der fremdstämmigen Bevölkerung blieben der einheimischen Bevölkerung und den einheimischen Politikern bis in die Zwischenkriegszeit ein Dorn im Auge. Die fremden Kolonisten haben häufig Privilegien erhalten, die ihnen einen schnelleren ökonomischen Aufstieg ermöglichten. Dass sie oft dieselbe Sprache sprachen wie die herrschenden Kreise, machte die Sache noch schlimmer: soziale Unterschiede wurden mit nationalen gleichgesetzt, obwohl z. B. die Gottscheer Bauern ausgesprochen arm blieben – wie auch ein Großteil der Ungarn in der Vojvodina, der Deutschen in Bosnien und der Albaner und der Türken in den südlichen Gebieten. Dennoch bestand bei der Intelligenz und den Politikern aller drei „staatsbildenden“ Nationen im SHS-Königreich ein starkes Gefühl der historischen Ungerechtigkeit, an der die Völker „schuld“ sein sollten, deren Angehörige sich durch die Schaffung des neuen Staates in der Lage nationaler Minderheiten fanden. Dieses Gefühl war Teil des nationalen Gedächtnisses und der Selbstperzeption, das heißt Teil der nationalen Identität, die wie immer zum Gutteil auf den Unterschieden zu anderen wie auch auf Animosität diesen gegenüber gründete.11 Der jugoslawische Staat entstand als Triumph des serbischen, kroatischen und slowenischen Nationalismus über die multinationalen Imperien. Unter den veränderten Bedingungen konnten die Angehörigen der ehemals führenden oder privilegierten Völker, die sich jetzt in der Lage nationaler Minderheiten wiederfanden, nicht mit einer gleichberechtigten Behandlung rechnen. Obwohl sie den größten Teil der Minderheitenbevölkerung ausmachten, wurden auch die Angehörigen der anderen, überwiegend slawischen Minderheiten nicht gleichberechtigt behandelt. Das war bereits bei der Entstehung des Staates der Südslawen abzusehen. Auch wenn er sich auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker berief, entstand er nicht auf demokratische Weise. Die große Mehrheit der jugoslawischen Bevölkerung wurde nicht nach ihrer Meinung gefragt. Das galt in noch größerem Maß für die Angehörigen der Minderheiten. Albaner und Türken waren bereits 1912/13 gegen ihren Willen und gegen ihren Widerstand in die Königreiche Serbien und Montenegro bzw. 1918, wieder gegen albanischen Widerstand, in das SHS-Königreich einbezogen worden.12 In Slowenien wurde die deutsche Bevölkerung vor vollendete Tatsachen gestellt, und die neuen Grenzen wurden mit Waffengewalt und Unterstützung des serbischen Heeres gesichert.13 Die Murinsel mit ihrer kroatisch-ungarischen Bevölkerung wurde ebenfalls in einer bewaffneten Aktion angeschlossen.14 Im innerhalb Ungarns autonomen Königreich Kroatien-Slawonien wurde die Vereinigung durch einen kleinen DIE JUGOSLAWISCHE MINDERHEITENPOLITIK ZWISCHEN DEN BEIDEN WELTKRIEGEN Kreis von Politikern proklamiert, die auf der Grundlage eines sehr restriktiven Wahlrechts gewählt worden waren.15 Die Minderheiten mussten einfach den Willen der „Mehrheit“ achten, den die politische Elite auszudrücken vorgab. In der Batschka, der Baranja und im Banat, Gebiete, die die serbische Armee nach dem sogenannten Belgrader Waffenstillstand mit Ungarn am 13. November 1918 friedlich besetzte, wurde die Vereinigung ebenfalls ohne jedes demokratische Verfahren ausgerufen und am 25. November 1918 durch die Große Nationalversammlung proklamiert. Deren Delegierte waren auf lokalen Treffen ausgerufen worden, an denen slawische Bürger, sofern sie darüber informiert waren, nach eigener Entscheidung teilnehmen konnten. Deshalb fehlte der Versammlung selbst in Bezug auf die slawische Bevölkerung die formale demokratische Legitimation. In der Großen Nationalversammlung waren neben 578 Serben und 89 Kroaten auch 62 Slowaken und 21 Rusinen sowie sechs Deutsche und ein Ungar vertreten.16 Das zeigt, dass die Deutschen etwas besser als die Ungarn behandelt wurden, aber man muss bedenken, dass es sich dabei um den Versuch handelte, die auf wenige nationalbewusste deutsche Anführer gestützte Minderheit von den Ungarn zu trennen. Diese Politik gegenüber der deutschen und den slawischen Minderheiten wurde in der Vojvodina in den ersten Nachkriegsjahren fortgesetzt, was zeigt, dass die Serben Verbündete gegen die früher herrschenden Ungarn brauchten und nicht etwa die Notwendigkeit einsahen, den Minderheiten nationale Rechte zu gewähren. Die Große Nationalversammlung „erinnerte“ sich erst auf Intervention von Jaša Tomić daran, in ihre Deklaration auch die Zusage von Rechten für die nationalen Minderheiten aufzunehmen.17 Das alles war in Hinsicht auf die künftige Rolle der Minderheiten im politischen und im öffentlichen Leben von Bedeutung. Der Minderheitenschutzvertrag, den das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen nach reichlich Widerstand am 5. Dezember 1919 unterschrieb, garantierte im neuen Staat völkerrechtlich ein Minimum an Minderheitenrechten.18 Es sollte sich bald zeigen, dass in vielen Teilen noch nicht einmal dieses Minimum beachtet wurde, auch wenn in manchen Fragen die Regierung mehr konzedierte, als im Vertrag zugesagt worden war. Davon profitierte neben der rumänischen und der italienischen gerade die deutsche Minderheit. Die Minderheiten selbst blieben weiterhin unzufrieden mit der Umsetzung des Minderheitenschutzvertrags und der Haltung des Völkerbunds, der sich um die Umsetzung kümmern sollte.19 Dabei beschwerten sich die Deutschen in nur einer Petition über das Vorgehen der jugoslawischen Behörden, während die Ungarn und die (vom Staat nicht als eigene Volksgruppe anerkannten) Makedonier die Mehrzahl der Petitionen einreichten.20 Bei innenpolitischen Rechtsakten nahmen die jugoslawischen Behörden nur minimal Rücksicht auf die Minderheiten. Auf der einen Seite war das Königreich bestrebt, sich im Gegensatz zur Realität der Welt als mehr oder weniger homogener Nationalstaat darzustellen, in dem die Minderheitenfrage keine wesentliche Rolle spielte. Damit wurde diese gleichzeitig bewusst aus dem öffentlichen und politischen Leben verdrängt, was Teil der Strategie war, die Minderheiten in allen Bereichen zurückzudrängen. Auf der anderen Seite wollte sich die jugoslawische Regierung nicht die Hände binden.21 Zugeständnisse wurden, wenn sie gemacht wurden, auf dem Verordnungsweg gewährt (wie zu Beginn der 1930er Jahre, als Erleichterungen für das deutsche Schulwesen zur Diskussion standen) oder durch internationale Verträge erzwungen (wie im Falle des Vertrags mit Italien und der Schulkonvention mit Rumänien). Auf politischem Gebiet bot der neue Staat von Anfang an formal weitergehende Möglichkeiten des Minderheiteneinflusses auf politische Entscheidungen. Im Unterschied zu Österreich-Ungarn und zum Osmanischen Reich gewährte er – freilich nur für Männer – das allgemeine und gleiche Wahlrecht, was der höchste politische Standard jener Zeit war. Die Stimmabgabe war allerdings öffentlich und stand deshalb unter dem Druck der Behörden. Daneben bestand für Angehörige der Minderheiten eine Reihe formaler und faktischer Einschränkungen, wollten sie ihrem politischen Willen erfolgreich Ausdruck geben. Den Minderheitenangehörigen in der Vojvodina wurde wegen des erst Mitte 1922 auslaufenden Optionsrechts bis dahin unter dem Vorwand kein Wahlrecht gewährt, dass sie als „Bürger auf Widerruf “ nicht über die 27 28 ZORAN JANJETOVIĆ Verfassung des Landes entscheiden dürften.22 Gleichzeitig wurde von denselben Staatsbürgern verlangt, dass sie Steuern zahlten und Militärdienst leisteten. Die Angehörigen der slawischen Minderheiten hatten von Anfang an das Wahlrecht, aber wegen ihrer geringen Zahl, ihrer großen Zerstreuung und des fehlenden Entgegenkommens der großen serbischen Parteien davon keinen Vorteil. Die Rusinen zogen sich deshalb und wegen des Einflusses des unierten Klerus sofort aus dem politischen Leben zurück, der tschechischen Elite gelang es nicht, auf einer zentralistischen Basis die Konnationalen zu sammeln, die überwiegend für kroatische Parteien stimmten, während die Slowakische Nationalpartei ohne jeden konkreten Erfolg agierte.23 Im Süden war die Lage anders. Dort besaßen die Minderheiten bereits seit 1913 die bürgerlichen Rechte und damit auch das Wahlrecht. Albaner, Türken und slawische Muslime organisierten sich 1919 in der Partei Džemijet, die jedoch vor allem für die materiellen Interessen der Agas und Begs eintrat. Immerhin war sie als solche in der Position, die notwendige Mehrheit für die Annahme der Verfassung 1921 zu sichern. Als Gegenleistung versprach die herrschende Nationalradikale Partei bestimmte Konzessionen in der Agrarfrage.24 Das war das einzige Beispiel von Minderheiteneinfluss auf Schlüsselentscheidungen im Staat. Die Partei Džemijet gewann 1923 bei den Wahlen 14 Mandate, war aber bis zum Ende des Jahres 1924 durch innere Spaltung und Druck der Regierung praktisch vernichtet.25 Im Nordteil des Landes haben Ungarn und Deutsche 1922 ihre Parteien gegründet, zum Jahresbeginn 1923 auch die Rumänen. Sie alle setzten sich für allgemeine Bürger- und besondere Minderheitenrechte ein und wurden gleich nach ihrer Gründung unter Polizeiaufsicht gestellt. Als irredentistisch wurden besonders die ungarische und die rumänische Partei verdächtigt. Wegen innerer Zwietracht blieben sie wenig erfolgreich. Die rumänische Partei wurde zudem durch die (zahlenmäßige, wirtschaftliche und kulturelle) Schwäche der rumänischen Minderheit eingeschränkt, während die ungarische Partei in großem Maße elitär blieb – begrenzt auf die ungarische Intelligenz und einen Teil des Bürgertums, der Mehrheit der armen ungarischen Bevölkerung blieb sie jedoch fremd.26 Die Deutsche Partei erwies sich (ausgenommen die Anfangserfolge des Džemijet) bedingt als die erfolgreichste. Ihr Erfolg zeigte sich weniger in konkreten Wohltaten, die sie für die jugoslawischen Deutschen ausgehandelt hätte,27 als vielmehr darin, dass sie ständig die Zahl ihrer Wähler steigerte und sich als Institution etablierte, die half, die heterogenen deutschen Gruppen zu einer homogenen nationalen Minderheit zu verschmelzen.28 Sie war besonders in der Vojvodina aktiv – wo die Behörden den Deutschen gegenüber nachgiebiger waren, um sie von den Ungarn zu trennen und wo, außer in Slowenien, der größte Teil der nationalbewussten Deutschen lebte. In Slowenien war die Aktivität der Partei begrenzt wegen der sinkenden Zahl an Deutschen und der revanchistischen Politik der Regierung, die auf allen Feldern das „historische Unrecht“ an den Slowenen korrigieren und den politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Einfluss der „Volksdeutschen“ schwächen wollte. Am 6. Januar 1929 begann die Königsdiktatur, die für alle Parteien, und damit auch für die Minderheitenparteien, das Aus bedeutete. Nach dem Wiederaufleben des politischen Lebens zweieinhalb Jahre später wurden die Minderheitenparteien nicht wieder erneuert. Seit dieser Zeit wurden nur einzelne ihrer Repräsentanten in die Regimeparteien kooptiert, in denen sie trotz des gelegentlichen Vorbringens von Minderheitenklagen und -bitten nur eine dekorative Rolle spielten und zur Gewinnung der Minderheitenstimmen dienten. In den 1930er Jahren hatten die Minderheiten auf politischer Ebene nur als Wählermasse Bedeutung, die allerdings immer häufiger Ratschlägen aus dem jeweiligen Mutterland folgte. Das gilt insbesondere für die deutsche Minderheit bei den letzten Wahlen vor dem Zweiten Weltkrieg im Jahre 1938.29 Um einerseits „das historische Unrecht zu korrigieren“ und andererseits die soziale Lage der Angehörigen der Mehrheitsvölker zu verbessern, führte die Regierung gleich zu Beginn eine Reihe sozialer und wirtschaftlicher Maßnahmen durch. Die wichtigste DIE JUGOSLAWISCHE MINDERHEITENPOLITIK ZWISCHEN DEN BEIDEN WELTKRIEGEN war in jedem Fall die Agrarreform, die auf die Entmachtung der größtenteils fremdnationalen Großgrundbesitzer zielte. Ihre Besitzungen waren jedoch nicht das einzige Ziel der Agrarreform, unter der ebenfalls große Gemeinden, die Banken und die Glaubensgemeinschaften litten. Wenngleich dabei auch die Gemeinden, Banken und Glaubensgemeinschaften der Mehrheitsvölker belastet wurden, trafen die relativen Verluste die Angehörigen der Minderheiten stärker. Vor allem blieben sie, die kleine Zahl der Slowaken ausgenommen, von der Zuteilung des von der Agrarreform erfassten Landes ausgeschlossen. Das traf vor allem die Deutschen, aber mehr noch die wesentlich zahlreicheren armen Ungarn, die auf dem Großgrundbesitz arbeiteten oder von ihm Land gepachtet hatten. Das von ihnen bearbeitete Land wurde unter lokalen slawischen Agrarinteressenten aufgeteilt, unter Kolonisten aus weniger entwickelten Gebieten und vor allem unter national begeisterten Kriegsfreiwilligen. Die Gemeinden, die Land verloren, mussten dabei dieselben Steuern zahlen wie früher, und an vielen Orten lehnten die Kolonisten es auch nach dem Verstreichen des Freijahrs ab, die Gemeindeumlagen zu zahlen. Das alles schwächte die Minderheiten wirtschaftlich, schuf Unzufriedenheit, zumal es einem großen Teil der Kolonisten – insbesondere im Süden – nicht gelang, sich wirtschaftlich zu etablieren.30 Der Verlust des Kirchenbesitzes erschwerte das Funktionieren der kirchlichen Fürsorge- und Bildungseinrichtungen. Dass fast alle Schulen bald verstaatlicht wurden, war ein schwacher Trost. Der Verlust des Großgrundbesitzes tangierte die deutsche Minderheit weniger als die ungarische: die meisten deutschen Großgrundbesitzer gab es in Slowenien, und die Zerschlagung der Güter betraf die deutsche Minderheit im Großen und Ganzen nicht. In der Vojvodina und in Slawonien war die Zahl der deutschen Großgrundbesitzer auch nicht allzu groß, und sie lebten in der Regel nicht auf ihrem Besitz. Die deutschen Pächter und Lohnarbeiter blieben ohne Land, doch war generell die Lage der Schwaben in diesen Gebieten günstig, weil bei ihnen der Prozentsatz der Landlosen viel geringer war als bei den Ungarn. Eine andere Methode, die Wirtschaftskraft der Minderheiten zu schwächen, war die Schließung ihrer Geldinstitute oder deren Umwandlung in jugoslawische Institute (die sogenannte Nationalisierung). Diesem Prozess fiel die deutsche Minderheit – zumindest in der Vojvodina – letztendlich nicht zum Opfer. Die Zahl ihrer Geldinstitute hatte sich zwar verringert, aber nicht ihr Gesamtkapital und der Prozentsatz, mit dem diese Geldmittel am Kapital der Vojvodina beteiligt waren. Es kam zu einer Stärkung der Banken und Sparkassen, und auch viele Nichtdeutsche vertrauten den deutschen Instituten ihr Geld an.31 Auch in Slowenien blieben die deutschen Banken sehr stark.32 Darüber hinaus wurden auch Maßnahmen ergriffen, um jugoslawische Mitglieder in die Verwaltungs- und Aufsichtsorgane der Minderheitenbanken und -unternehmen zu bringen. Diese Maßnahmen blieben reine Formalität, bei der jugoslawische Politiker eine Sinekure erhielten, während die Unternehmen weiter arbeiteten wie zuvor. Einige Unternehmen beriefen sogar bewusst jugoslawische Politiker in ihre Aufsichtsorgane, um sich vor Missgunst der Staatsverwaltung zu schützen und um über sie eine Verbindung zur Regierung zu haben.33 In der gesamten Zwischenkriegszeit gelang es den Behörden nicht, die Eigentumsverhältnisse an den Wirtschaftsunternehmen wesentlich zu verändern. Sie gehörten im nördlichen Landesteil auch weiterhin zum größeren Teil Juden, Deutschen, Ungarn und anderen Nichtjugoslawen, sogar wenn es sich um Aktiengesellschaften handelte.34 In den südlichen Landesteilen mit ihrer weniger entwickelten Wirtschaft war die Lage von Anfang an günstiger für die Jugoslawen. Das Schulwesen war seit dem 19. Jahrhundert nicht nur ein Mittel zur Bildung, sondern auch eine Waffe zum Ausbau der Nation. Als solche wurde es auch in der Habsburgermonarchie eingesetzt, wenngleich dort die freie Wahl unter verschiedenen Schularten bestand. Bald nach der Bildung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen (1920) wurde das gesamte Schulwesen verstaatlicht. Auf diese Weise wollten die Behörden die kulturellen Unterschiede überwinden, die die südslawische Bevölkerung trennten, und den Einfluss der katholischen Kirche sowie das Nationalbewusstsein der 29 30 Die dritte und vierte Klasse der staatlichen Grundschule in Gakowa, um 1930. Ein Schüler zeigt Bilder der jugoslawischen Königsfamilie Karađorđević. ZORAN JANJETOVIĆ Minderheiten schwächen. Das Minderheitenschulwesen wurde stark beschnitten. Der Minderheitenschutzvertrag wurde so interpretiert, dass er keine Minderheitenschulen in den Gebieten vorsah, die Serbien und Montenegro bis 1913 erworben hatten; deshalb wurden die dort ohnehin wenigen türkischen, albanischen und zinzarischen (aromunischen) Schulen geschlossen.35 In Slowenien wurde das deutsche Schulwesen drastisch eingeschränkt, und dieser Prozess wurde in der gesamten Zwischenkriegszeit mit der Begründung fortgesetzt, dass sich die Zahl der Deutschen vermindert hätte.36 Auf der einen Seite wurden in Kroatien ungarische Schulen geschlossen, die sowohl für die Angehörigen der ungarischen Minderheit als auch zur Madjarisierung der übrigen Bevölkerung eröffnet worden waren,37 während die ohnehin wenigen deutschen Schulen zweisprachig waren.38 Zudem wurden die zahlreichen ungarischen Schulen in der Vojvodina massenhaft geschlossen und die Lehrer, die nicht den Treueeid leisten wollten oder nicht rechtzeitig die neue „Staatssprache“ erlernt hatten, entlassen.39 Die rumänische Minderheit wurde durch den freiwilligen Exodus der Intelligenz, die großenteils gerade aus Lehrern bestand, getroffen. Andererseits wurden Schulen für Südslawen eröffnet, und diese Möglichkeit wurde auch den Slowaken und den Deutschen geboten, die sich dadurch von ihren promagyarischen Sympathien abwenden sollten, die viele von ihnen hegten.40 In den ersten Jahren wurde eine ganze Reihe deutscher Schulen eröffnet, doch wurde bald die Praxis der Namensanalyse eingeführt, um die Einschreibung von Minderheitenangehörigen mit slawischen Familiennamen in ungarische und deutsche Schulen zu verhindern. Obwohl mehrfach abgeschafft, blieb diese Praxis fast die gesamte Zwischenkriegszeit hindurch in Gebrauch. Obgleich die Behörden behaupteten, die Praxis sei zur Behebung der Magyarisierungsfolgen gedacht,41 waren auch Deutsche davon betroffen – was in einer Region mit ausgeprägter interethnischer Mischung insbesondere innerhalb derselben Glaubensgemeinschaft verständlich ist. Zudem garantierte der Minderheitenschutzvertrag nur das Elementarschulwesen in der Muttersprache, und die Elementarschulen in Jugoslawien hatten nur vier Klassen. In ihnen wurden parallele Minderheitenabteilungen eingerichtet. Im Unterschied zu den übrigen Minderheiten erhielten die Deutschen in der Vojvodina zu Beginn der 1930er Jahre über das gesetzliche Minimum und die Bestimmungen einiger Artikel des Minderheitenschutzvertrags hinaus gewisse Erleichterungen auf dem Gebiet des Schulwesens. Im September 1930 wurde ihnen durch eine Verordnung des Bildungsministers ermöglicht, Kinder auf der Grundlage einer Erklärung DIE JUGOSLAWISCHE MINDERHEITENPOLITIK ZWISCHEN DEN BEIDEN WELTKRIEGEN der Eltern und der Muttersprache einzuschulen. Zur Kontrolle wurden paritätische Kommissionen aus Eltern und Lehrern vorgesehen. Deutschen Lehrern wurde erlaubt, Kurse für Analphabeten zu halten, das Deutsche wurde als Unterrichtssprache in den ersten beiden Klassen der höheren Volksschule zugelassen, der Unterricht in der „Staatssprache“ begann erst in der dritten Klasse und private Kindergärten wurden erlaubt. Vorklassen, wie sie das Volksschulgesetz für Minderheitenangehörige vorsah, waren für Deutsche nicht mehr verpflichtend, die Gründung einer privaten deutschen Lehrerbildungsanstalt wurde genehmigt. Sie nahm im Oktober des Folgejahres in Groß-Betschkerek den Lehrbetrieb auf und wurde zwei Jahre später nach Neu-Werbass verlegt. Damals wurde dort auch eine private deutsche Bürgerschule eröffnet.42 Die Regierung gewährte diese Konzessionen nicht aus innerer Überzeugung, sondern weil sie die Beziehungen zur Weimarer Republik verbessern wollte, von der sie sich Hilfe bei der Lösung der Wirtschaftskrise versprach. Trotzdem gab es bei der Umsetzung dieser Vorrechte Probleme in Kroatien,43 insbesondere aber in Slowenien,44 wo die lokalen Behörden die alte Politik fortführten. Die Annäherung an das „Dritte Reich“ und die Niederlage Frankreichs, der jugoslawischen Schutzmacht, führten 1940 zur Eröffnung von vier privaten deutschen Gymnasien und einer Landwirtschaftsschule.45 Der winzigen italienischen Minderheit in Dalmatien wurden 1924 durch den Vertrag über Zusammenarbeit und Freundschaft mit Italien und seine Auslegung Konzessionen im Bereich des Schulwesens gewährt,46 während mit dem verbündeten Rumänien erst nach langen Verhandlungen 1933 ein Vertrag über die Minderheitenschulen im Banat unterschrieben wurde, den Jugoslawien nur langsam und unwillig umsetzte.47 Diese drei Beispiele beweisen eindeutig, dass die jugoslawische Regierung nur unter Druck von außen bereit war, ihre dem Wesen nach assimilatorische Schulpolitik zurückzunehmen. Presse und Vereinswesen waren die Gebiete des Minderheitenlebens, auf die die Regierung am wenigsten Einfluss nehmen konnte. Die Pressefreiheit war im Zwischenkriegsjugoslawien immer durch Zensur eingeschränkt, und diese betraf die Minderheitenblätter oft stärker als die anderen. Trotzdem verfügten die beiden größten Minderheiten im Nordteil des Landes, die Deutschen und die Ungarn, über ein ziemlich entwickeltes Pressewesen. Während die ungarische Presse vor allem politisch gefärbt war, bestand bei den Deutschen neben dem Deutschen Volksblatt, das vorgab, das Organ der gesamten Minderheit zu sein, eine Reihe anderer Blätter – Unterhaltungs-, Wirtschafts- und Fachblätter usw. Die anderen Minderheiten im Nordteil des Landes hatten – wegen ihrer kleinen Zahl und ihrer zerstreuten Siedlung – keine so vielfältige Presse, auch wenn jede von ihnen über einige Periodika verfügte.48 Im Süden war die Situation völlig anders: Der größte Teil der albanischen und türkischen Massen bestand aus Analphabeten, so dass kein Bedarf an einem Pressewesen bestand. Zudem erschwerte in diesen Gebieten die allgemeine Armut die Existenz einer Minderheitenpresse, und die Behörden waren nicht geneigt, Blätter in albanischer oder türkischer Sprache zu erlauben. Deshalb existierten dort nur wenige kurzlebige Blätter der Minderheitenparteien.49 Mit dem Vereinswesen stand es ähnlich: Im Süden gab es kaum Vereine, denn das dortige zurückgebliebene Milieu und die Gesellschaft, die zu einem guten Teil immer noch über Familien und Stämme funktionierte, hatte keinen Bedarf an Vereinigungen.50 Im Norden hatten diese eine lange und reiche Tradition. Die neue Regierung liquidierte oder slawisierte seit 1918 viele, insbesondere kulturelle, Minderheitenvereine.51 Die ungarischen Gesellschaften haben sich nach einigen Jahren erholt, erhielten aber niemals vollständige Handlungsfreiheit.52 Gegenüber den Deutschen in der Vojvodina waren die Behörden entgegenkommend, so dass diese bereits 1920 den Kulturbund als kulturelle, soziale und wirtschaftliche Dachorganisation gründen konnten, aus dem sich bald mehrere Abteilungen mit besonderen Aufgaben entwickelten. Weit entfernt davon, dass die Arbeit des Kulturbunds ohne Hindernisse gewesen wäre (er wurde 1924 und 1929 aufgelöst), war er die Vertikale der kulturellen und aller anderen Zusammenschlüsse der Deutschen in der gesamten Zwischenkriegszeit und eine 31 32 ZORAN JANJETOVIĆ Organisation, die die Angehörigen aller anderen Minderheiten, aber auch des Mehrheitsvolkes, bewunderten.53 Seine Zweiggruppen waren allerdings nicht gleichmäßig über das Land verteilt. Die meisten gab es in der Vojvodina, während sie sich in Bosnien, Slawonien und Slowenien erst nach 1927 in wesentlich geringerer Zahl entwickelten. Zudem wurde seit Beginn der 1930er Jahre der Kulturbund durch den Konflikt zwischen der alten Führung und den jungen, pronationalsozialistischen „Erneuerern“ zerrissen. Das führte zur Gründung einer rivalisierenden Organisation in Slawonien, und zu Beilegung des Konflikts kam es erst 1938/39 auf Initiative Berlins. Allerdings kam die pronationalsozialistische Garnitur an die Spitze, die in allem wohlwollend den Weisungen aus dem Reich folgte, was sich letzten Endes an der deutschen Minderheit rächen sollte.54 Die Vereinigungen der übrigen Minderheiten waren oft durch Zwietracht gespalten, litten unter Geldmangel und wurden manches Mal durch allzu große Ambitionen belastet.55 Insgesamt genommen war die Lage der nationalen Minderheiten im Königreich Jugoslawien nicht gut. Sie war durch die historischen Erfahrungen der südslawischen Völker im Osmanischen und im Habsburger Reich bedingt, durch einen gewachsenen, allerdings unsicheren Siegernationalismus und die Praxis der Minderheitenpolitik in allen Nachbarländern sowie nahezu allen europäischen Staaten. Die Lage der deutschen Minderheit war in einigen Segmenten besser als die einiger anderer zahlenmäßig, wirtschaftlich und kulturell schwächerer Minderheiten, die zudem kein so starkes Mutterland besaßen. Die „Volksdeutschen“ standen im Durchschnitt besser da als die übrige Bevölkerung (zum Teil auch dank ihrer gut organisierten Genossenschaften), besaßen ein entwickeltes Pressewesen und zahlreiche Organisationen, und zu Beginn der 1930er Jahren erhielten sie im Schulwesen größere Konzessionen als jede andere Minderheit. Im Unterschied zur Mehrzahl der anderen Minderheiten mussten sie heterogene Gruppen in eine einheitliche nationale Minderheit verschmelzen und trafen dabei in Kroatien und Slawonien, besonders aber in Slowenien auf eine zurückweisende Politik der Behörden. Insgesamt gesehen war die Lage der nationalen Minderheiten in Jugoslawien zwischen den beiden Weltkriegen nicht glänzend, entsprach aber dem europäischen Durchschnitt des Umgangs mit Minderheiten in dieser Zeit. Die Deutschen befanden sich aus den genannten Gründen in einer etwas besseren Lage als die anderen, aber das reichte nicht aus, um Loyalität zum neuen Staat zu entwickeln. Diejenigen, die an der Macht waren, praktizierten eine restriktive Politik gegenüber den Minderheiten, um den Staat zu konsolidieren, und waren sich dabei nicht bewusst, dass sie ihn auf diese Weise nur schwächten. Das sollte sich klar im Verlauf des Zweiten Weltkriegs zeigen. 1 2 3 4 Die immer noch beste Übersicht über die auf dem Territorium Jugoslawiens historisch entstandenen gesellschaftlichen, kulturellen, religiösen und anderen Unterschieden bietet Milorad Ekmečić, Stvaranje Jugoslavije 1790 –1918 [Die Schaffung Jugoslawiens 1790–1918], Bd. 1– 2, Belgrad 1989. Istorija naroda Jugoslavije, Bd. 1– 2, Belgrad 1953 –1960. Milko Kos, Kolonizacija i germanizacija slovenske zemlje [Kolonisation und Germanisierung der slowenischen Gebiete], in: Historijski zbornik 4 (1951), S. 9 –19. Das beste Beispiel ist die habsburgische Militärgrenze, die zunächst mit geflüchteten Serben, Wlachen und Kroaten besiedelt wurde, später mit Deutschen, Rumänen usw. Auf ihrer Seite siedelten die türkischen Machthaber im Grenzgebiet zunächst slawische, später unterschiedliche muslimische Bevölkerung an. Ähnlich ging die Republik Venedig vor. Vgl. Johann Heinrich Schwicker, Die Geschichte der österreichischen Militärgrenze, Wien/Teschen 1883; Peter Krajasich, Die Militärgrenze in Kroatien (Dissertationen der Universität Wien 98), Wien 1974 oder 1976; Istorija naroda Jugoslavije 1953, passim; Karl Kaser, Freier Bauer und Soldat. Die Militarisierung der agrarischen Gesellschaft an der kroatisch-slawonischen Militärgrenze 1535–1881 (Zur Kunde Südosteuropas 2,22), Wien/Graz 1997; Milan Turkovićk, Die Geschichte der ehemaligen Croatisch-Slavonischen Militärgrenze, Sušak 1936; Franz Vaniček, Specialgeschichte der österreichischen Militärgrenze, Bd. 1– 4, Wien 1875; Gunther E. Rothenberg, The Military Border in Croatia 1740–1880, Chicago/London 1966; Olga Zirojević, Srbija pod turskom vlašću DIE JUGOSLAWISCHE MINDERHEITENPOLITIK ZWISCHEN DEN BEIDEN WELTKRIEGEN 5 6 7 8 9 10 1459 –1804 [Serbien unter türkischer Herrschaft 1459 –1804] (Etnološka biblioteka 21), Belgrad 2007, S. 121–125; Dušan Popović, Srbi u Vojvodini [Die Serben in der Vojvodina], Bd. 1, Novi Sad 1990, S. 212 – 262; Josef Wolf, Entwicklung der ethnischen Struktur des Banats 1890–1992 (Atlas Ost- und Südosteuropa: Bevölkerung 8, Beiheft), Wien 2004, S. 22 – 23, 33 – 35; Zef Mirdita, Vlasi. Starobalkanski narod [Die Wlachen. Ein altbalkanisches Volk], Zagreb 2009, S. 113 –159. Im Verlauf der Großen Wanderung der Serben 1689 haben nicht annähernd alle Serben das Kosovogebiet verlassen wie auch bei weitem nicht alle, die gewandert sind, aus dem Kosovo stammten und nicht alle Serben gewesen sind. (Es gab nämlich auch katholische Albaner unter den Flüchtlingen.) Die Albaner sind nach und nach zugewandert, und die Serben sind nach und nach abgewandert. Dazu hatte die Migration nicht nur eine Richtung: Es gab Serben, die zuwanderten, und Albaner, die aus dem Kosovo weiter nach Norden und Osten auswanderten. Dazu Dimitrije Bogdanović, Knjiga o Kosovu [Das Buch über das Kosovo] (Posebna izdanja/Srpska akademija nauka i umetnosti 656), Belgrad 1985, S. 98 –118; Zirojević, S. 146 –187; Stefan Čakić, Velika seoba Srba 1689/90 i patrijarh Arsenije III Crnojević [Die Große Wanderung der Serben 1689/90 und der Patriarch Arsenije Crnojević], Novi Sad 1982; Radovan Samardžić (Hg.): Kosovo i Metohija u srpskoj istoriji, Belgrad 1989, S. 133 –193; Atanasije Urošević, Ethnic Processes in Kosovo During the Turkish Rule, in: Ranko Petković (Hg.), Kosovo. Past and Present, Belgrade [1989], S. 41–47, Popović, Srbi u Vojvodini, Bd. 1, S. 308–345; Wolf, Entwicklung der ethnischen Struktur, S. 33–35. Popović, Srbi u Vojvodini, Bd. 1, S. 71–109; Zirojević, Srbija pod turskom vlašću, S. 121–125; Mirdita, Vlasi, S. 113 –159. Jovan F. Trifunoski, O Turcima u SR Makedoniji [Über die Türken in der Sozialistischen Republik Makedonien], in: Geografski pregled 10 (1966), S.140–141; ders.: Tursko stanovništvo u SR Makedoniji [Die türkische Bevölkerung in der Sozialistischen Republik Makedonien], in: Novopazarski zbornik 10 (1986), S. 131–139, Aleksandar Stojanovski (Hg.), Istorija na makedonskiot narod [Geschichte des makedonischen Volkes] 3, Skopje 1998, S. 83 – 88. Borislav Jankulov, Pregled kolonizacije Vojvodine u XVIII i XIX veku [Übersicht über die Kolonisierung der Vojvodina im 18. und 19. Jahrhundert] (Matica srpska: Posebna izdanja), Novi Sad 1961; Konrad Schünemann, Österreichs Bevölkerungspolitik unter Maria Theresia, Bd. 1 (Veröffentlichungen des Instituts zur Erforschung des deutschen Volkstums im Süden und Südosten in München 6), München 1935; Oskar Feldtänzer, Donauschwäbische Geschichte, Bd. 1: Das Jahrhundert der Ansiedlung 1686 –1805 (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3: Beiträge zur Volksund Heimatforschung 120), München 2006; Márta Fata, Einwanderung und Ansiedlung der Deutschen (1686 –1790), in: Günter Schödl (Hg.), Deutsche Geschichte im Osten Europas. Land an der Donau, Berlin 1995, S. 89 –186; Wolf, Entwicklung der ethnischen Struktur, S. 40 – 52. Holm Sundhaussen, Die Deutschen in Kroatien-Slawonien und Jugoslawien, in: Günter Schödl (Hg.), Deutsche Geschichte im Osten Europas. Land an der Donau, Berlin 1995, S. 291– 348; Vladimir Geiger, Nijemci u Đakovu i Đakovštini [Die Deutschen in Djakovar und im Djakovarer Gebiet] (Biblioteka Hrvatska povjesnica: Monografije i studije 11), Zagreb 2001, S. 9 – 56; Milan Šenoa, Doseljavanje tuđinaca u Srijem [Die Ansiedlung von Fremden in Syrmien], in: Rad Jugoslavenske akdemije znanosti i umjetnosti 201 (1914), S. 1–13; Egon Lendl; Die Stellung des Slawoniendeutschtums unter den südostdeutschen Volksinseln, in: Der Auslandsdeutsche 20 (1937), H. 4, S. 202 – 207; Wilhelm Sattler, Die deutsche Volksgruppe im unabhängigen Staat Kroatien. Ein Buch vom Deutschtum in Slawonien, Syrmien und Bosnien (Schriften des Südostdeutschen Institutes Graz 9), Graz 1943; Valentin Oberkersch, Die Deutschen in Syrmien, Slawonien und Kroatien bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Ein Beitrag zur Geschichte der Donauschwaben, Stuttgart 1972, S. 16 – 35; Vlatka Dugački, Češka i slovačka manjina u međuratnoj Jugoslaviji (1918.–1941.) [Die tschechische und die slowakische Minderheit im Zwischenkriegsjugoslawien], ungedruckte Dissertation, Zagreb 2011, S. 23 – 30, S. 39 – 40; Božena Vranješ-Šojan, Naseljavanje Mađara u Slavoniji 1880–1910 [Die Ansiedlung von Ungarn in Slawonien 1880 –1910], in: Damir Agičić (Hg.), Zbornik Mire Kolar-Dimitrijević. Zbornik radova povodom 70. rođendana, Zagreb 2003, S. 257–270; Josip Gujaš, „Nacionalna obrana“ Mađara u Slavoniji na prijelomu XIX i XX st. u okviru Slavonske akcije [Die „Nationale Verteidigung“ der Ungarn in Slawonien an der Wende vom 19. zum 20. Jh. im Umfeld der Slawonischen Aktion], in: Historijski zbornik 23 – 24 (1970/71), S. 45 – 96, hier S. 62– 63, S. 88 – 93. Margareta Matijević, Franz Pfanner (1825 –1909) – ili ukratko o doprinosu njemačkih trapista gospodarskom razvitku banjalučkog kraja [Franz Pfanner (1825 –1909). Oder kurz über den Beitrag eines deutschen Trappisten zur Wirtschaftsentwicklung des Gebiets Banja Luka], in: VDG Jahrbuch [9] (2002) = Godišnjak Njemačke narodne zajednice, S. 279 – 286; Hans Maier, Die deutschen Siedlungen in Bosnien (Schriften des Deutschen Ausland-Instituts Stuttgart: Reihe A, kulturhistorische Reihe 13), Stuttgart 1924; Tomislav Kraljačić, Kolonizacija stranih seljaka u Bosnu i Hercegovinu za vrijeme austrougarske uprave [Die Ansiedlung fremder Bauern in Bosnien und der Herzegowina in der Zeit der österreichisch-ungarischen Verwaltung], in: Istorijski časopis 36 (1989), S. 111–124; Artur Burda, Poljski naseljenici u Bosni [Polnische Einwanderer in Bosnien], in: Zbornik krajiških muzeja: Banja Luka, Bihać, Drvar, Jajce i Prijedor 3 (1968/69), S. 185–189; Ferdo Hauptman, Reguliranje zemljišnog posjeda u Bosni i Hercegovini i počeci naseljavanja stra- 33 34 ZORAN JANJETOVIĆ 11 12 13 14 15 16 17 18 nih seljaka u doba austrougarske vladavine, in: Godišnjak Društva istoričara Bosne i Hercegovine 16 (1965), S. 151–171; Adnan Busuladžić, Pojava grkokatoličkog stanovništva u Bosni i Hercegovini (od 1878. do najnovijeg doba) [Das Vorkommen von griechisch-katholischer Bevölkerung in Bosnien-Herzegowina (von 1878 bis in die neueste Zeit)], in: Časopis za suvremenu povijest 35 (2003), Nr. 1, S. 173 –187; Šćepan Grđić, Kolonizacija u Bosni i Hercegovini [Die Kolonisation in Bosnien und in der Herzegowina], in: Pregled 1912, Nr. 6; Dušan Drljača, Kolonizacija i život Poljaka u jugoslovenskim zemljama od kraja XIX do polovine XX veka = Colonization and Life of the Polish Population in Yugoslav Countries from the end of the XIX to the mid-XXth century (Srpska akademija nauka i umetnosti/Etnografski institut: Posebna izdanja 29), Belgrad 1985. Einer der führenden Nationalismustheoretiker, Anthony D. Smith, definiert die Nation als „Gemeinschaft der Mythen und der Erinnerung“. Vgl. Antoni D Smit/Slobodan Đorđević, Nacionalni identitet [Die nationale Identität] (Biblioteka XX veka), Belgrad 1998, S. 68. Der bedeutende serbische Schriftsteller Borislav Pekić sagte scharfsinnig, dass sich ein Volk verbindet durch den Hass auf die Nachbarn und durch Irrtümer über die gemeinsame Vergangenheit. Đorđe Mikić, The Albanians and Serbia During the Balkan Wars, in: Béla K. Király/Dimitrije Đorđević (Hg.), East Central European Societies and the Balkan Wars (War and Society in East Central Europe 18) (Atlantic Studies on Society in Change 37) (East European Monographs 215), Boulder 1987, S. 165 –196; Andrej Mitrović, Albanci i politika Austrougarske prema Srbiji 1914–1918 [Die Albaner und die österreichisch-ungarische Serbienpolitik 1914–1918], in: ders. (Hg.): Srbi i Albanci u XX veku [Serben und Albaner im 20. Jahrhundert] (Naučni Skupovi/ Srpska akademija nauka i umetnosti 61), Belgrad 1991; Dragoslav Janković, L‘annexion de la Macédoine a la Serbie 1912 –1914, in: Mihailo Apostolski (Hg.), La Macédoine et les Macédoniens dans le passé, Skopje 1970; Branko Babić, Politika Crne Gore u novooslobođenim krajevima 1912–1914 [Die Politik Montenegros in den neu befreiten Gebieten 1912 –1914] (Iz prošlosti Crne Gore), Cetinje/Titograd 1984; Novica Rakočević, Crnogorsko-albanski odnosi 1878 –1914 [Die montenegrinisch-albanischen Beziehungen 1878 –1914], in Andrej Mitrović, Srbi i Albanci u XX. veku [Serben und Albaner im 20. Jahrhundert] (Naučni Skupovi/Srpska akademija nauka i umetnosti 61), Belgrad 1991; Ljubodrag Dimić/Đorđe Borozan (Hg.), Jugoslovenska državava i Albanci [Der jugoslawische Staat und die Albaner], 2 Bde., Beograd 1998 –1999; Gligor Todorovski, Makedonija po Balkanskite vojni. Opštestveno-ekonomski i prosvetni priliki po Vardarska Makedonija (1912–1915) [Die Makedonier und die Balkankriege. Die sozio-ökonomischen und kulturellen Verhältnisse in Vardar-Makedonien (1912–1915)] (Savremena opštestvena istorija), Skopje 1981; Bogumil Hrabak, Stanje u Vardarskoj Makedoniji u jesen i zimu 1918 [Die Lage in VardarMakedonien im Herbst und Winter 1918], in: Istoriski glasnik 1966, Nr. 4, S. 3–52; ders., Reokupacija oblasti srpske i crnogorske države s arbanaškom većinom stanovništva u jesen 1918. godine i držanje Arbanasa prema uspostavljenoj vlasti [Die Wiederbesetzung der Gebiete des serbischen und des montenegrinischen Staates mit albanischer Bevölkerungsmehrheit im Herbst 1918 und die Haltung der Albaner zur etablierten Verwaltung], in: Gjurmime albanologjike 1969, Nr. 1, S. 254 – 297. Anton Vončina, Maribor v letih 1918 –1919 [Maribor in den Jahren 1918 –1919], in: Kronika 4 (1956), H. 2, S. 94 – 98; Lojze Ude, Boj za severno slovensko mejo 1918 –1919 [Der Kampf um die slowenische Nordgrenze 1918–1919], Maribor 1977; Janko Oroženm, Zgodovina Celja in okolice [Geschichte von Cilli und Umgebung], Bd. 2, Celje 1971, S. 314; Lojze Penić, Konec avstrijske oblasti v Mariboru 1918–1919 [Das Ende der österreichischen Herrschaft in Marburg (Drau) 1918–1919], in: Časopis za zgodovino in narodopisje, N.F. 15 = 50 (1979), H. 1/2, S. 384 – 390; Fran Kovačič, Slovenska Štajerska in Prekmurje. Zgodovinski opis [Die slowenische Steiermark und das Übermurgebiet. Historische Beschreibung], Ljubljana 1926, S. 399 – 401. Dragutin V. Perko, Oslobođenje Međumurja [Die Befreiung der Murinsel], in: Petar Jelavić (Hg.), Hrvati u borbama za oslobođenje sjevernih krajeva Jugoslavije: Međumurja, Prekomurja, Koruške i Štajerske [Die Kroaten im Kampf um die Befreiung der Nordgebiete Jugoslawiens: Murinsel, Übermurgebiet, Kärnten und Steiermark], Zagreb 1940, S. 83 – 116. Josip Horvat, Politička povijest Hrvatske [Politische Geschichte Kroatiens], 2. Aufl., 2 Bde., Zagreb 1989, hier Bd. 2, S. 85 – 98. Kosta Milutinovic, Vojvodina i stvaranje Jugoslavije, Koreferat na drugom kongresu jugoslovenskih istoričara u Zagrebu 24. novembra 1958 [Die Vojvodina und die Schaffung Jugoslawiens. Koreferat auf dem 2. Kongress der jugoslawischen Historiker am 24. November 1958 in Zagreb; zum internen Gebrauch vervielfältigtes Tagungsmaterial]; Petar Pekić, Povijest oslobođenja Vojvodine [Geschichte der Befreiung der Vojvodina], Subotica 1939, S. 201–203, 310 –313; Ljubinka Krkljuš, Pitanja organizacije vlasti u Vojvodini 1918 –1919. godine [Fragen der Organisation der Regierungsgewalt in der Vojvodina 1918 –1919], in: Slavenko Terzić (Hg.), Srbija na kraju Prvog svetskog rata = La Serbie à la fin de la Première Guerre Mondiale (Zbornik radova/Istorijski institut 8), Belgrad 1990, S. 143 –156, hier S. 146. Pekić, Povijest oslobođenja Vojvodine, S. 313. Andrej Mitrović, Jugoslavija na konferenciji mira u Parizu 1919–1920 [Jugoslawien auf der Friedenskonferenz 1919–1920], Belgrad 1968, S. 52, S. 200–206; Ivo J. Lederer, Yugoslavia at the Paris Peace Conference. A Study in Frontiermaking, New Haven/London 1963, S. 225–226, S. 239 –249, DIE JUGOSLAWISCHE MINDERHEITENPOLITIK ZWISCHEN DEN BEIDEN WELTKRIEGEN 19 20 21 22 23 24 25 26 S. 254 – 257; Bogdan Krizman/Bogumil Hrabak (Hg.), Zapisnici sa sednica delegacije Kraljevine SHS na mirovnoj konferenciji u Parizu 1919–1920 [Protokolle aus den Sitzungen der Delegation des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen auf der Friedenskonferenz in Paris 1919–1920], Belgrad 1960, S. 141–144, S. 164, S. 168, S. 170, S. 176 –195; Zoran Janjetović, Pitanje zaštite nacionalnih manjina u Kraljevini SHS na konferenciji mira u Parizu 1919–1920 [Die Frage des Schutzes der nationalen Minderheiten im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen auf der Friedenskonferenz in Paris 1919 –1920], in: Istorija 20. veka 18 (2000), Nr. 2, S. 31– 43. Marco Dogo, Kosovo. Albanesi e Serbi: le radici del conflitto, Lungro di Cosenza 1992, S. 178 –179, 234 – 235, S. 253 –273; Enikő A Sajti, Hungarians in the Vojvodina 1918–1947 (Atlantic Studies on Society in Change 110; East European Monographs 624), Boulder 2003, S. 134 –137; Vuk Vinaver, Jugoslavija i Mađarska 1918 –1933 (Studije i monografije/Institut za savremenu istoriju), Belgrad 1971, S. 422 – 423; Martin Scheuermann, Minderheitenschutz contra Konfliktverhütung? Die Minderheitenpolitik des Völkerbundes in den zwanziger Jahren (Materialien und Studien zur Ostmitteleuropa-Forschung 6), Marburg 2000. Ferenc Eiler, International Minority Defense System. The League of Nations, in: Nándor Bárdi/ Csilla Fedinec/László Szarka (Hg.), Minority Hungarian Communities in the Twentieth Century (Atlantic Studies on Society in Change 138; East European Monographs 774), Boulder 2011, S. 92 –101, S. 95. Die Ungarn reichten zwölf und die Makedonier elf Petitionen ein, die vom Völkerbund zur Behandlung angenommen wurden. Zoran Janjetović, Deca careva, pastorčad kraljeva. Nacionalne manjine u Jugoslaviji 1918 –1941 [Kinder der Kaiser, Stiefkinder der Könige. Die nationalen Minderheiten in Jugoslawien 1918 –1941], Belgrad 2005, S. 139–143. Branislav Gligorijević, Parlament i političke stranke u Jugoslaviji (1919 –1929) [Das Parlament und die politischen Parteien in Jugoslawien 1919 –1929] (Biblioteka “Studije i monografije”), Belgrad 1979, S. 71; Zlatko Matijević, „Građani na odkaz“ – njemačka nacionalna manjina i 9. članak Zakona o izborima narodnih poslanika za Ustavotvornu skupštinu Kraljevine SHS (1920.) [„Bürger auf Widerruf “ – Die deutsche nationale Minderheit und § 9 des Wahlgesetzes zur Wahl der Verfassungsgebenden Versammlung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen (1920)], in: VDG Jahrbuch = Godišnjak Njemačke narodnosne zajednice 10 (2003), S. 163 –173. Branislav Gligorijević, Politička istupanja i organizacija Slovaka i Čeha u Kraljevini SHS [Das politische Auftreten und die Organisation der Slowaken und Tschechen im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen], in: Zbornik Matice srpske za istoriju 24 (1981), S. 137–155, hier S. 141, S. 143, S. 144; Josip Hanzl/Josip Matušek/Adolf Orct, Borbeni put Prve čehoslovačke brigade „Jan Žiška z Trocnova“ [Der Kampfweg der Ersten Tschechoslowakischen Brigade „Jan Žiška von Trocnov“], Daruvar 1968, S. 49; Leopold Lenard, Narodne manjine u SHS. [1.] Slovenske manjine [Nationale Minderheiten bei den Serben, Kroaten und Slowenen], in: Jubilarni zbornik života i rada Srba, Hrvata i Slovenaca 1918–1928, T. 2 (Matica živih i mrtvih Srba, Hrvata i Slovenaca), Belgrad 1928, S. 728 –734, hier S. 730, S. 732; Dugački, Češka i slovačka manjina, S. 72 – 95, S. 216 – 230, S. 239 –281. Bogumil Hrabak, Džemijet. Organizacija muslimana Makedonije, Kosova, Metohije i Sandžaka 1919 –1928 [Der Džemijet. Die Organisation der Muslime Makedoniens, aus dem Kosovo, der Metohija und dem Sandschak 1919 –1928], Belgrad 2003, S. 140 –141; Gligorijević, Parlament i političke stranke, S. 103 –104, S. 108 –110; Tomislav Milenković, Stav Radikalne stranke prema agrarnoj reformi (1919 –1929) [Die Haltung der Radikalen Partei zur Agrarreform (1919 –1928)], in: Istorija XX. veka 11 (1970), S. 58 – 60; Milovan Obradović, Agrarna reforma i kolonizacija na Kosovu (1918 –1941) [Agrarreform und Kolonisation im Kosovogebiet (1918 –1941)], Priština 1981, S. 56; Nikola Gaćeša, Agrarni programi građanskih političkih partija u Jugoslaviji između dva svetska rata [Die Agrarparteien der bürgerlichen Parteien in Jugoslawien zwischen den beiden Weltkriege], in: ders.: Radovi iz agrarne istorije i demografije, Novi Sad 1995, S. 125 –171, hier S. 132 –133. Hrabak, Džemijet, 130 ff. Šandor Mesaroš, Položaj Mađara u Vojvodini 1918 –1929 [Die Lage der Ungarn in der Vojvodina 1918 –1929] (Monografije/Filozofski Fakultet u Novom Sadu, Institut za istoriju 19), Novi Sad 1981, S. 151–156; Sajti, Hungarians in the Vojvodina, S. 34 –50; Aleksandar Kasaš, Mađari u Vojvodini 1941–1946 [Die Ungarn in der Vojvodina 1941–1946], Novi Sad 1996, S. 14 –15; Matthias Annabring, Volksgeschichte der Donauschwaben in Jugoslawien (Geschichte der Donauschwaben 2), Neuhausen/F. 1955, S. 31; Oskar Plautz, Das Werden der deutschen Volksgemeinschaft in Südslawien, Belgrad 1940, Sonderabdruck aus dem Deutschen Volksblatt, S. 48 –50; Hans Rasimus, Als Fremde im Vaterland. Der Schwäbisch-Deutsche Kulturbund und die ehemalige deutsche Volksgruppe in Jugoslawien im Spiegel der Presse (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3: Beiträge zur Volks- und Heimatforschung 39), München 1989, S. 216 – 218; Gligor Popi, Rumuni u jugoslovenskom Banatu između dva rata (1918 –1941) [Die Rumänen im jugoslawischen Banat zwischen den beiden Kriegen 1918 –1941] (Monografije/Institut za izučavanje istorije Vojvodine 16), Novi Sad 1976, ders, Formiranje, razvoj i delovanje Rumunske stranke (1923–1929) [Bildung, Entwicklung und Tätigkeit der rumänischen Partei (1923–1929), in: Istraživanja 3 (1974), S. 309 –365, hier S. 323 – 326; Carl Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten in Kroatien und der Vojvodina 1918 –1941. Identitätsentwürfe und 35 36 ZORAN JANJETOVIĆ 27 28 29 30 31 32 33 34 ethnopolitische Mobilisierung (Balkanologische Veröffentlichungen 47), Wiesbaden 2009, S. 287–286. An konkreten Ergebnissen können wir erwähnen, dass es der Partei der Deutschen zweimal gelang, aus den Finanzgesetzen die Bestimmungen zu entfernen, die den Anhängern der Minderheit den Landkauf im Grenzgürtel verbot sowie die Schreibung deutscher Namen in der ursprünglichen (und nicht der phonetischen) Form in Dokumenten. Obwohl letztere Regelung auf den ersten Blick unbedeutend erscheinen mag, haben die Behörden die unterschiedliche Schreibweise benutzt, um Wahlberechtigte aus den Wählerlisten zu streichen. Plautz, Das Werden der deutschen Volksgemeinschaft, S. 55 – 65; Rasimus, Als Fremde im Vaterland, S. 232 – 255; Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 287– 296. Janjetović, Deca careva, pastorčad kraljeva, S. 200 – 213. Milivoje Erić, Agrarna reforma i kolonizacija u Jugoslaviji 1918 –1941. godine [Agrarreform und Kolonisation in Jugslawien 1918 –1941], Sarajevo 1958; Obradović, Agrarna reforma i kolonizacija na Kosovu; Juraj Demetrović, Agrarna reforma i kolonizacija u Jugoslaviji [Agrarreform und Kolonisierung in Jugoslawien], Belgrad 1933; Nikola Gaćeša, Agrarna reforma i kolonizacija u Bačkoj 1918 –1941 [Agrarreform und Kolonisation in der Batschka 1918 –1941] (Monografije/Institut za izučavanje istorije Vojvodine 10), Novi Sad 1968; ders., Agrarna reforma i kolonizacija u Sremu 1919 –1941 [Agrarreform und Kolonisation in Syrmien 1919 –1941] (Monografije/Institut za izučavanje istorije Vojvodine 10), Novi Sad 1975; ders., Agrarna politika i kolonizacija u Banatu 1919 –1941 [Agrarpolitik und Konlosation im Banat 1919 –1941] (Monografije/Institut za izučavanje istorije Vojvodine 2), Novi Sad 1972; ders., Radovi iz agrarne istorije i demografije [Arbeiten zur Agrargeschichte und zur Demographie], Novi Sad 1995; Snježana Ružić, Agrarna reforma i kolonizacija u Slavoniji, Srijemu i Baranji 1918.–1929. odnos lokalnog stanovništva i naseljenih dobrovoljaca [Agrarreform und Kolonisation in Slawonien, Syrmien und der Baranja 1918 –1929. Die Haltung der einheimischen Bevölkerung und die Ansiedlung von Kriegsfreiwilligen], in: Scrinia slavonica 1 (2001), S. 228 –253; Đorđo Krstić, Kolonizacija u Južnoj Srbiji [Die Kolonisation in Südserbien], Sarajevo 1928; Đoko Bogojević, Agrarna reforma, u: Jubilarni zbornik života i rada Srba, Hrvata i Slovenaca 1918 –1928, T. 1 (Matica živih i mrtvih Srba, Hrvata i Slovenaca), Beograd 1928; Zdenka Šimončić-Bobetko, Agrarna reforma i kolonizacija u Hrvatskoj 1918 –1941 [Agrarreform und Kolonisierung in Kroatien 1918 –1941] (Biblioteka Hrvatska povijesnica), Zagreb 1997; Vaso Šaletić, Kolonizacija Južne Srbije [Die Kolonisierung Südserbiens], in: Agrarna misao, 1938, Nr. 11/12; Arpad Lebl, Prilog istoriji agrarne reforme i kolonizacije u Vojvodini 1781–1941 [Ein Beitrag zur Agrarreform und zur Siedlung in der Vojvodina 1781–1941], in: Zadružni arhiv 1 (1953), S. 51–74; Vladan Jovanović, Jugoslovenska država i Južna Srbija 1918 –1929. 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Dušan Biber, Socijalna struktura nemačke nacionalne manjiine u Kraljevini Jugoslaviji [Die Sozialstruktur der deutschen nationalen Minderheit im Königreich Jugoslawien], in: Jugoslovenski istorijski časopis 1978, Nr. 1– 4, S. 404 – 407, hier S. 406; ders., Nacizem in Nemci v Jugoslaviji 1933–1945 [Der Nationalsozialismus und die Deutschen in Jugoslawien 1933 –1945], Ljubljana 1966, S. 28. Branko Bešlin, Nacionalizacija banaka sa isključivo stranim kapitalom u Vojvodini posle Prvog svetskog rata [Manuskript, Privatbesitz Zoran Janjetović], S. 13 –14; Popi, Formiranje, razvoj i delovanje Rumunske stranke, S. 317. 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Über die sozialen Grundlagen und die Organisationsstruktur der Nationalradikalen Partei im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (1918 –1929)] (Studije i monografije/Institut za noviju istoriju Srbije), Beograd 2002, S. 312 – 314; Arpad Lebl, Industrija šećera u Banatu [Die Zuckerindustrie im Banat], in: Istoriski glasnik 1957; H. 3–4, S. 24–58; Tone Zorn, Nemški trgovski obrati v Sloveniji v letih 1938/1939 (Značaj in lastišnvo) [Deutsche Handelsbetriebe in Slowenien in den DIE JUGOSLAWISCHE MINDERHEITENPOLITIK ZWISCHEN DEN BEIDEN WELTKRIEGEN 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 Jahren 1938/39. Bedeutung und Eigentümerschaft], in: Kronika 18 (1970), H. 2, S. 113 –120; Antoša Leskovec, Upravni in gospodarski razvoj Maribora v 19. Stoletju [Verwaltungs- und Wirtschaftsentwicklung Marburgs an der Drau im 19. Jahrhundert], in: Kronika 31 (1983), 2 – 3, S. 167–175. Janšar Redžepagić, Razvoj prosvete i školstva albanske narodnosti na teritoriji današnje Jugoslavije do 1918. godine [Die Entwicklung von Bildung und Schulwesen der albanischen Nationalität auf dem Gebiet des heutigen Jugoslawien bis 1918], Priština 1968, S. 309 – 315; Ljubodrag Dimić, Prosvetna politika Kraljevine Jugoslavije na Kosovu i Metohiji 1918 –1941. i istoriografija [Die Bildungspolitik des Königreichs Jugoslawien in Kosovo und Metohija 1918–1941 und die Historiographie], in: Istorija 20. veka 8 (1990), Nr. 1–2, S. 189 –196, hier S. 193; ders., Kulturna politika Kraljevine Jugoslavije [Die Kulturpolitik des Königreichs Jugoslawien], Bd. 3 (Stubovi kultue 2), Beograd 1997, S. 127–128; ders., Činjenice i interpretacije o prosveti i svakodnevnom teroru [Fakten und Interpretationen zur Bildung und zum alltäglichen Terror], in: Milorad Ekmečić/ Slavko Terzić (Hg.), Odgovor an knjigu Noela Malkolma Kosovo – kratka istorija [Antwort auf das Buch von Noël Malcolm: Kosovo. 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Josef Volkmar Senz, Das Schulwesen der Donauschwaben im Königreich Jugoslawien (Das Schulwesen der Donauschwaben von 1918 bis 1944, Bd. 2) (Veröffentlichungen des Südostdeutschen Kulturwerks, Reihe B; 26), München 1969, S. 20; Geiger, Nijemci u Đakovu i Đakovštini, S. 77. Mesaroš, Položaj Mađara u Vojvodini, S. 188 –189; Dimić, Kulturna politika Kraljevine Jugoslavije, S. 11, S. 65, S. 69; Branislav Gligorijević, O nastavi na jezicima narodnosti u Vojvodini 1919 –1929 [Über den Unterricht in den Sprachen der Nationalitäten in der Vojvodina 1919 –1929], in: Zbornik Matice srpske za istoriju 5 (1972), S. 55– 83, hier S. 61. Diese Praxis wurde bis in die 1930er Jahre fortgesetzt (Pétition présenté a la Société des Nations au sujet de l’enseignement primaire de la minorité hongroise et de la loi du 5 décembre 1929 sur l’enseignement primaire en Yougoslavie, s.l. 1930; Pétition présenté a la Société des Nations au sujet de la destitution en masse des instituteurs de la nationalité hongroise en Yougoslavie et de loi yougoslave du 27 septembre 1929 sur les écoles normales d’instituteurs, Budapest 1930). Dimić, Kulturna politika Kraljevine Jugoslavije, S. 11; Senz, Das Schulwesen der Donauschwaben, S. 37. Biljana Šimunović-Bešlin, Prosvetna politika u Dunavskoj banovini (1929 –1941) [Die Bildungspolitik in der Donau-Banschaft (1929 –1941)] (Monografije/Filozofski Fakultet u Novom Sadu, Odsek za istoriju 46), Novi Sad 2007; S. 197–198; Dimić, Kulturna politika Kraljevine Jugoslavije, S. 66; Mesaroš, Položaj Mađara u Vojvodini, S. 193, S. 195, S. 202; Sajti, Hungarians in the Vojvodina, S. 151; Carlile A. Macartney, Hungary and Her Successors. The Treaty of Trianon and its Consequences 1919–1937, London/New York/Toronto 1937, S. 419. Die Namensanalyse wurde auch in anderen Teilen des Landes durchgeführt. Vgl. Vovko, Nemško manjšinsko šolstvo na Slovenskem, S. 313, S. 317; Arnold Suppan, Zur Lage der Deutschen in Slowenien zwischen 1918 und 1938. Demographie – Recht – Gesellschaft – Politik, in: ders./Helmut Rumpler (Hg.), Geschichte der Deutschen im Bereich des heutigen Slowenien 1848-1941 = Zgodovina Nemcev na območju današnje Slovenije 1848 –1941 (Schriftenreihe des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts 13), Wien 1988, S. 170 – 240, hier S. 180). Hans Paul Höpfner, Deutsche Südosteuropapolitik in der Weimarer Republik (Europäische Hochschulschriften: Reihe 3, 182), Frankfurt/M. 1983, S. 320 – 322; Hans-Ulrich Wehler, Einleitende Darstellung, in: Theodor Schieder (Hg.), Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien (Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa 5), Bonn 1961, S. 3E –132E, hier S. 26E; Dimić, Kulturna politika Kraljevine Jugoslavije, S. 26 –27; Senz, Das Schulwesen der Donauschwaben, S. 95 –100, S. 218; Josip Mirnić, Nemci u Bačkoj u Drugom svetskom ratu [Die Deutschen in der Batschka während des Zweiten Weltkriegs] (Monografije/Institut za izučavanje istorije Vojvodine 6), Novi Sad 1974, S. 34. Geiger, Nijemci u Đakovu i Đakovštini, S. 77; Senz, Das Schulwesen der Donauschwaben, S. 91; Dimić, Kulturna politika Kraljevine Jugoslavije, S. 27– 28; Macartney, Hungary and Her Successors, S. 416. Suppan, Zur Lage der Deutschen in Slowenien, S. 206 – 207. In Slowenien wurde die Politik der Verringerung der Zahl der deutschen Minderheitsabteilungen fortgesetzt. Vgl. Vovko, Nemško manjšinsko šolstvo, S. 316, S. 320; Suppan, Zur Lage der Deutschen in Slowenien, S. 233. 37 38 ZORAN JANJETOVIĆ 45 Šimunović-Bešlin, Prosvetna politika, S. 300–301; Biber, Nacizem in Nemci v Jugoslaviji, S. 84 – 85, S. 203, S. 224 – 225; Dimić, Kulturna politika Kraljevine Jugoslavije, S. 49; Senz, Das Schulwesen der Donauschwaben, S. 123 –124. In dieser Zeit haben diese Einrichtungen zu guten Teilen den nationalsozialistischen Geist unter der deutschen Jugend verbreitet – was eingedenk der Bedingungen, unter denen sie eröffnet worden sind, zu erwarten war. 46 Den Italienern wurde ausnahmsweise die Eröffnung von Privatschulen mit Lehrern aus Italien erlaubt. Vgl. Ilija Pržić, Zaštita manjina [Der Schutz der Minderheiten], Belgrad 1930, S. 143 –149; László Rehak, Manjine u Jugoslaviji. Pravno-politička studija [Minderheiten in Jugoslawien. Eine rechtspolitische Untersuchung], ungedruckte Dissertation, Novi Sad/Beograd 1965, S. 182 –196; Pierre Jaquin, La question des minorités entre l’Italie et Yougoslavie, Paris 1929, S. 49 – 52. 47 Branislav Gligorijević, Jugoslovensko-rumunska konvencija o uređenju manjinskih škola Rumuna u Banatu 1933. godine [Die jugoslawisch-rumänische Konvention über die Einrichtung von Minderheitsschulen für Rumänen im Banat 1933], in: Zbornik Matice srpske za istoriju 7 (1973), S. 79 –103; Popi, Rumuni u jugoslovenskom Banatu, S. 102; Andrea Schmidt-Rösler, Rumänien nach dem Ersten Weltkrieg. Die Grenzziehung in der Dobrudscha und im Banat und die Folgeprobleme (Europäische Hochschulschriften: Reihe 3; 622), Frankfurt am Main 1994, S. 427–435; Rehak, Manjine u Jugoslaviji, S.204; Die jugoslawisch-rumänische Schulkonvention: eine vorbildliche Regelung, Nation und Staat 6 (1932/33), H. 10/11, S. 657– 659. 48 Branko Bešlin, Vesnik tragedije. Nemacka štampa u Vojvodini 1933 –1941. godine [Bote der Tragödie. Die deutsche Presse in der Vojvodina 1933 –1941], Novi Sad 2001; Šandor Mesaroš, Mađari u Vojvodini 1929 –1941 [Die Ungarn in der Vojvodina 1929 –1941 (Monografije/Filozofski Fakultet u Novom Sadu, Institut za istoriju 33), Novi Sad 1989, S. 367– 371, S. 378; ders., Položaj Mađara u Vojvodini, S. 157, S. 160, S. 220, S. 243; Sajti, Hungarians in the Vojvodina, S. 155; Tanja Žigon, Nemško časopisje na Slovenskem [Das deutsche Zeitschriftenwesen in Slowenien] (Knjižna zbirka Scripta), Ljubljana 2001, S. 59 ff.; Popi, Rumuni u jugoslovenskom Banatu, S. 40, S. 70 –71, S. 146; Popi, Formiranje, razvoj i delovanje Rumunske stranke, S. 333; Nikola Gaćeša, Rusini između dva svetska rata [Die Rusinen zwischen den beiden Weltkrigen], in: ders. Radovi iz agrarne istorije i demografije, Novi Sad 1995, S. 318 –356, hier S. 350 –353; Vladimir Biljnja, Rusini u Vojvodini. Prilog izučavanju istorije Rusina u Vojvodini (1918–1941) [Die Rusinen in der Vojvodina. Ein Beitrag zur Erforschung der Geschichte der Rusinen in der Vojvodina (1918 –1941)] (Posebna izdanja/Vesnik), Novi Sad 1987, S. 60, S. 85 – 86, S. 90; Vlado Kostelnik, Klasno i nacionalno u emancipaciji i konstitutiranju jugoslavenskih Rusina-Ukrajinaca [Das Klassenmäßige und das Nationale in der Emanzipation und der Konstituierung der jugoslawischen RusinenUkrainer], in: Klasno i nacionalno u suvremenom socijalizmu (Biblioteka Naših tema), Knj. 2, Zagreb 1970, S. 572 – 589, hier S. 576; Dugački, Češka i slovačka manjina, S. 49 –70; Janjetović, Deca careva, pastorčad kraljeva, S. 269 –281. 49 Jovanović, Jugoslovenska država i Južna Srbija, S. 344 – 345; Ministère des affaires étrangères Beograd: La Yougoslavie d’aujourd’hui, Belgrade 1935, S. 86; Hrabak, Džemijet, S. 82, S. 234, S. 238; Ismail Eren, Turska štampa u Jugoslaviji (1866 –1966) [Die türkische Presse in Jugoslawien 1866 –1966], in: Prilozi za orijentalnu filologiju 14–15 (1964/65), S. 375 – 380. 50 Janjetović, Deca careva, pastorčad kraljeva, S. 288 – 289. 51 Dolenc, Kulturni boj, S. 15, S. 47, S. 55, S. 57, S. 60 – 61; Camillo Morocutti, Gross-Deutschland, Gross-Südslawien, Wien/Leipzig 1928, S. 39 – 41. 52 Mesaroš, Položaj Mađara u Vojvodini, S. 223 – 234; The Hungarian Minorities in Succession States (Publications of the Hungarian Frontier Readjustment League 1), Budapest 1927, S. 108; Dimić, Kulturna politika, S. 80. 53 Rasimus, Als Fremde im Vaterland, S. 16 –180, S. 342 – 354, S. 445 – 477; Wilhelm von DorotkaEhrenwall, Der Schwäbisch-deutsche Kulturbund. Sein Werden und Wirken [Manuskript, Museum der Vojvodina], Neusatz 1935; Plautz, Das Werden der deutschen Volksgemeinschaft, S. 18–39; Mirnić, Nemci u Bačkoj, S. 25 – 36. 54 Biber, Nacizem in Nemci v Jugoslaviji, 44 –79, 167– 211; Mirnić, Nemci u Bačkoj, S. 36 – 50; Rasimus, Als Fremde im Vaterland, S. 477–509; Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 381– 448, S. 565 – 581. 55 Popi, Formiranje, razvoj i delovanje Rumunske stranke, S. 127–131, S. 141; Biljnja, Rusini u Vojvodini, S. 23, S. 29, S. 45, S. 55 – 57; Gaćeša, Rusini između dva svetska rata, S. 349 – 351; Dugački, Češka i slovačka manjina, S. 200 – 205, 317– 326; Hanzl, Borbeni put, S. 36 – 38. GAB ES „JUGOSLAWIENDEUTSCHE“? 39 Carl Bethke Gab es „Jugoslawiendeutsche“? Regionale Spezifika und nationale Integrationsprozesse deutscher Minderheiten im Gebiet des südslawischen Staates (1918 –1948) „Unsere Freude am 1. Dezember steht mit dem Staatsgedanken durchaus im Einklang, obgleich wir der Idee des Feiertages eine andere Bedeutung zu Grunde legen, als unsere slawischen Nachbarn. Auch für uns Deutsche ist der 1. Dezember ein Tag der Vereinigung, ein Tag der Zusammenschlüsse all jener Volksgenossen, die vorher verschiedenen anderen Staatsgebieten angehörten. Was deutsch ist nach der Abstammung und Gesinnung in der Wojwodina, in Kroatien, Bosnien, Dalmatien, Slowenien, das ist durch den staatsrechtlichen Akt des neuen Herrschers zu einer einzigen Volksgemeinschaft, zu einem gleichen Schicksal zusammengeschmiedet worden.“ (Die Deutschen zum Einigungstag des dreinamigen Volkes, in: Deutsches Volksblatt, abgedruckt in: Cillier Zeitung, 18.12.1921.)1 Die Gründung des jugoslawischen Staates 1918 stellte insbesondere für die Einwohner der früher habsburgischen Gebiete einen Bruch mit der überkommenen politischen, gesellschaftlichen und symbolischen Ordnung dar. Unter dem serbischen Königshaus sollten laut der staatlichen Herrschaftsideologie von nun an Serben, Kroaten und Slowenen sowie die Einwohner Bosnien und Herzegowinas, Montenegros und Mazedoniens eine gemeinsame Nation darstellen. Angesichts der Übermacht konfessioneller Bindungen, längst eingesetzter divergierender Nationsbildungsprozesse sowie infolge der lebensweltlichen und strukturellen Unterschiede erwies sich dies als utopisches, praktisch gescheitertes Projekt. Besonders die kroatische Bevölkerung, die in der Masse erst jetzt das Wahlrecht erlangte, machte bei jeder Wahl Ablehnung oder Distanz deutlich. Auch Slowenen, Serben und Bosniaken wählten meist national definierte Parteien, ebenso große Teile der nichtslawischen Minderheiten der Ungarn, Albaner und Deutschen. Soziale Hierarchien und andere Distinktionsmerkmale erwiesen sich demgegenüber im politischen Bereich bzw. bei Wahlen als erstaunlich nachgeordnet. Doch „homogen“ waren die Nationalitäten keineswegs: so war unter den ex-habsburgischen Serben, besonders der Vojvodina, zeitweise ein beträchtlicher Regionalismus zu verzeichnen, lebensweltliche Unterschiede gab es sicher auch z. B. zwischen Zentralkroatien, Dalmatien und der Herzegowina. Wohl einzigartig komplex war die Situation bei den 1921 505.790 Personen deutscher Muttersprache: ihre Siedlungsgebiete lagen über die ganze nördliche Staatshälfte verstreut (Slowenien, Kroatien, Bosnien, Vojvodina) und unterschieden sich nach historischer Erfahrung und gesellschaftlicher Struktur erheblich voneinander.2 Dies hatte Folgen für die unterschiedliche Lage der deutschen Minderheiten während des Zweiten Weltkriegs und in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Auch innerhalb der jeweiligen historischen Landesteile konnten die Unterschiede ausgeprägt sein, z. B. durch die Konfession, oder auch sozial und kulturell zwischen Großstädtern in Essegg oder Zagreb einerseits und den Bauern andererseits. Das Aufzeigen solcher Varianten, Spezifika und besonderer Entwicklungspfade ist geeignet, Klischees und Stereotypen entgegenzuwirken: Nicht alle Gruppen von Deutschen waren reich oder „frühere Herren“, manche waren irredentistisch, andere aber auf ein gutes Verhältnis zu Belgrad bedacht. Im Folgenden wird die Entwicklung bei den Deutschen in verschiedenen Landesteilen verglichen, um differenzieren zu können, welche Bedingungen mit dem deutschen Einfluss, dem jugoslawischen Rahmen, 40 CARL BETHKE Marburg an der Drau, um 1927. Essegg, um 1907. oder aber letztlich doch eher dem historischen und sozialen regionalen Umfeld zu erklären sind. Gefragt wird, inwieweit die Deutschen in Jugoslawien eine einheitliche Volksgruppe ausbildeten, und wie ausgeprägt die Unterschiede zwischen den einzelnen historischen Landesteilen des neuen Staates auch in ihren Reihen waren und bleiben. Die Vielfalt der Siedlungsgebiete und Lebenswelten In den Jahren nach 1918 hatte der Topos der Grenz- und Auslandsdeutschen in der deutschen Gesellschaft bekanntlich eine enorme Konjunktur. Im Vordergrund standen dabei grenznahe, früher preußische Gebiete, welche die Weimarer Republik durch den Versailler Vertrag hatte abtreten müssen, und deren Wiedererlangung man durch Verweis auf das Selbstbestimmungsrecht der dort lebenden Deutschen anstrebte. Doch in der Folge wandten sich Diplomatie, Wissenschaftler und Institute sowie zivilgesellschaftliche Organisationen wie der Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA) bald auch allen anderen deutschen Minderheiten weltweit zu. Von den durch den „Korridor“ (Westpreußen) oder dem Sudetenland geprägten Vorstellungen wich die Situation der Deutschen im jugoslawischen Staat allerdings erheblich ab. Von alters her zum Deutschen Reich bzw. Deutschen Bund gehört hatten hier nur die bis 1918 auf Graz orientierten südlichen Teile der Steiermark, diese waren – Sarwasch, 1907. 41 GAB ES „JUGOSLAWIENDEUTSCHE“? anders als z. B. die donauschwäbischen Siedlungsgebiete – auch von der deutschen Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts beansprucht worden. Allein das Abstaller Feld war ein 1919 durch die „Flussgeografie“ der Friedensmacher abgetrennter Ausläufer des binnendeutschen Sprachraums – mit 1910 6.399 Deutschen war dies allerdings eine kleine Gruppe innerhalb der deutschen Minderheit.3 Doch hatte sich das Deutsche in der Untersteiermark bis 1918 auch südlich der Sprachgrenze bei den Eliten (z. B. Adligen und Industriellen) und in den Städten behauptet. In Marburg an der Drau, Pettau und Cilli war Deutschsprachigkeit zur Habsburgerzeit ein Merkmal bürgerlicher Kultur, ein Muster, das zuziehende Beamte, Militärs und Experten immer wieder verstärkten, und in das sich Aufsteiger und Zuwanderer aus der Umgebung fügten.4 Schon anders war es im südwestlichen Slowenien, der Krain um die Hauptstadt Laibach (Ljubljana). Die Deutschen waren dort nur eine Minderheit, in Verwaltung und Kirche dominierten schon vor 1918 Slowenen. Es gab zwar ein Gebiet, welches mehrheitlich Deutsche bewohnten, die Gottschee, doch dies war eine im Mittelalter von Auswanderern gegründete „Sprachinsel“ an der Grenze zu Kroatien, wo man einen kargen Lebensunterhalt durch Land- und Forstwirtschaft sowie Wanderhandel erwirtschaftete. Viele Gottscheer waren im 19. Jahrhundert in die USA emigriert.5 Laibach, 1907. 42 Im jungen Hanffeld, Weprowatz, 1939. CARL BETHKE Auch die übrigen Siedlungsgebiete gingen auf Auswanderungen aus Deutschland zurück. Die größte Gruppe waren die Donauschwaben in Kroatien (Slawonien, Baranja, Syrmien) und der Vojvodina (Batschka, Banat). Diese waren dorthin nach den „Türkenkriegen“ im 18. Jahrhundert aus Südund Westdeutschland gezogen (vgl. Amerika, Russland) – gerufen, gefördert und privilegiert von einheimischen Adligen und den Herrschern des aufgeklärten Absolutismus, Maria Theresia und Joseph II. Diese Landstriche hatten nie zu Deutschland gehört, staatliche Institutionen, weitgehend auch die Schulen, Kirche und städtische Eliten, wurden im 19. Jahrhundert national-ungarisch oder kroatisch dominiert. In den Städten und unter den Aufsteigern assimilierten sich viele, verstärkt durch den Katholizismus und die Mischehen. Andererseits lebten in den südöstlichen ländlichen und multikulturellen Grenzräumen Ungarns und Kroatiens viele Schwaben neben den ihrerseits früh nationalbewussten Serben. Durch deren orthodoxe Konfession war die kulturelle und familiäre Vermischung mit den Einheimischen dort schwächer. Zudem hatte gerade in der fruchtbaren und lagegünstigen Vojvodina (Donau!) nach dem Ausbau der Infrastruktur im 19. Jahrhundert ein frühkapitalistischer sozioökonomischer Differenzierungsprozess eingesetzt, der als Gewinner eine wohlhabende schwäbische Mittelschicht aus Bauern, Handwerkern und Kleinindustriellen (z. B. Hanf) entstehen ließ.6 Ab 1900 fassten dort deutschnationale Bestrebungen Fuß, welche das Aufgehen in der ungarischen Nation in Frage stellten. In Kroatien hatten es solche Konzepte wegen der Verwurzelung in der katholischen Umgebung schwer, zumal in Städten wie Essegg. Auf dem Land waren die verstreut siedelnden, nicht ganz so wohlhabenden Deutschen kaum durch den Staat, eher schon durch einheimische Adlige angeworben worden, meist aber handelte es sich um private Landkäufe von Deutschen vor allem aus Ungarn im 19. Jahrhundert.7 Bescheiden war auch die wirtschaftliche Lage der bäuerlichen Einwanderer in Bosnien, die nach der Okkupation 1878 den k. u. k Beamten, Soldaten und Unternehmern gefolgt waren. Abgesehen von einigen unzufriedenen Katholiken aus Norddeutschland, die nach Bosnien auswanderten (Kolonie Windthorst), waren viele „Kolonisten“ evangelisch, darunter Donauschwaben und Deutsche aus dem armen Galizien und gar Russland, wo man begann, ihren Bodenerwerb einzuschränken. Anfangs kauften die Siedler ihr Land bei muslimischen Grundherrn (den Begs), später, ab 1893, vergab der Staat Wald- und Brachland aus öffentlichem Besitz zur Pacht.8 In Slowenien wurde, wie in Böhmen, vor 1914 die Vorherrschaft der Deutschen in „Nationalitätenkämpfen“ herausgefordert, nationale „Schutzvereine“ wie die Südmark in Graz, Burschenschaften und Schriftsteller wie Peter Rosegger engagierten sich dabei. Dagegen fanden die Deutschen in Ungarn, Kroatien und Bosnien im binnendeutschen Raum kaum Beachtung. Der Gustav-Adolf-Verein aus Leipzig unterstützte die kleinen deutsch geprägten lutherischen Kirchen in Slowenien, Kroatien und Bosnien. Ungarn hatte einen national eigenständigen Protestantismus hervorgebracht, doch die weitaus meisten Schwaben dort waren wie Kroaten und Ungarn katholisch. Die Berliner Außenpolitik bzw. die preußisch geprägten Eliten sahen noch keinen Grund für Eingriffe zugunsten dieser meist ländlichen Deutschen im ohnehin „verfreundeten“ habsburgischen Nachbarreich. Erst während des Ersten Weltkriegs wuchs das Interesse an diesem Teil „Mitteleuropas“ etwas.9 GAB ES „JUGOSLAWIENDEUTSCHE“? Der neue Staat als gemeinsamer Rahmen: „Rollentausch“ oder Identitätswandel10 In Slowenien, besonders in der Untersteiermark, sowie in der Vojvodina kehrten sich im Herbst 1918 die überkommenen sozialen und politischen Hierarchien um. Durch militärische Besetzung suchten Serbien und Slowenien die Annexionen schon vor den Friedensverträgen von St. Germain und Trianon zum Faktum zu machen, auch mit Repressalien wie beim „Marburger Bluttag“. Die Beamten wurden entlassen, mit ihnen wanderte ein großer Teil der Stadtbevölkerung, somit die meisten Deutschen Sloweniens, sofort oder infolge der in den Verträgen vorgesehenen „Option“ ab. Der Großgrundbesitz wurde per Agrarreform vielfach enteignet, öffentliche Symbole, Denkmäler und Bezeichnungen ausgetauscht. Über das komplett verstaatlichte Schulwesen und die römische Kirche sollten möglichst viele Steirer (wieder) Slowenen werden. Während in der Untersteiermark nun also statt der Deutschen die Slowenen dominierten, kam es in der Vojvodina zu einem „Rollentausch“ zwischen Ungarn und Serben. Hier förderten die Behörden sogar das „Deutschtum“ der „Schwaben“ – da man sich davon die Abwendung von ihrem bisherigen Vaterland Ungarn versprach. Da die Friedensverträge muttersprachlichen Grundschulunterricht vorsahen, entstanden bald sogar deutsche Schulen, wo es sie bis 1918 nicht gegeben hatte. In Kroatien dagegen, wo der Landtag zivil aus Ungarn ausgetreten war, änderte sich, da es vorher schon „autonom“ verwaltet wurde, für die Deutschen viel weniger. Ohnehin besuchten sie meist kroatische Schulen, als Katholiken assimilierten sie sich umso mehr. In Bosnien wiederum war die österreichische Elite zwar auch abgewandert (wie in Slowenien), doch assimilierten sich die dortigen evangelischen oder norddeutschen Kolonisten indes kaum. Die Schwaben der Vojvodina waren mit 1921 316.579 (Kroatien 124.156) von landesweit 505.790 Muttersprachlern zudem die größte deutsche Teilgruppe im Staat.11 Darauf verwies auch der Name der 1920 bis 1941 (mit Unterbrechungen) bestehenden Dachorganisation Schwäbisch-Deutscher Kulturbund. Anders als in der Untersteiermark waren die Schwaben 1918 dort kaum ins geografisch und emotional ferne „Mutterland“ abgewandert, gegebenenfalls war für sie wie bei den Gottscheern die Überseemigration wichtiger. In der Vojvodina (nicht in Kroatien) nahm die Zahl der Deutschen nach 1918 anfangs sogar zu, durch Entmachtung der bisherigen ungarischen Elite des „St. Stefansreichs“ korrelierte die Hinwendung der Schwaben zu Deutschland dort mit gleichzeitigen Trends sozialen Wandels (Säkularisierung, Aufstieg der Mittelschichten) der 1920er Jahre. Ganz anders in der Untersteiermark: die Zahl der Deutschen ging von 1910 73.148 auf 1921 22.531 und 1931 12.410 dramatisch zurück. Aufgrund von Bildung und sozialer Stellung behielten die meist gewerblich-städtischen Untersteiermärker aber sowohl unter den Deutschen des Gesamtstaates als auch innerhalb der Deutschen Sloweniens besonderes Gewicht. Ihnen und den Vojvodina-Schwaben gemeinsam war, dass eine starke ökonomische Basis bestand für eine „zivilgesellschaftliche“ Selbstorganisation. Denn die neuen Grenzen hatten zwar viele jahrhundertealte Austauschbeziehungen zerschnitten, doch gelang es gerade den Gewerbetreibenden und Industriellen der Untersteiermark (z. B. August Westen), sich zu behaupten; auf den durch Schutzzölle vor Konkurrenz abgeschirmten Märkten des Balkanlandes erwiesen sich ihr Können und ihre Expertise als gefragt. Ebenso profitierten die Mittelbauern der Vojvodina vom Wegfall der Großgrundbesitze infolge der jugoslawischen Agrarreform, sie konnten diese mittelfristig zur Arrondierung ihres Besitzes nutzen. Dagegen wurde der Besitz des Grafen Auersperg in der Gottschee enteignet, die bäuerlichen Deutschen dort und in Bosnien hatten nur wenige Ressourcen für ein kulturelles Eigenleben. Das Presseorgan des Kulturbundes war das Deutsche Volksblatt mit landesweitem Anspruch. Mit dem Kulturbund verbunden waren die Partei der Deutschen und verschiedene Genossenschaften. In den Städten und Institutionen des neuen Staates, z. B. beim Wehrdienst, im Studium, im Parlament oder über die Gesandtschaft lernten sich Deutsche verschiedener Landesteile kennen. Das Motto des Kulturbundes war „staatstreu und volkstreu“. Seine meist aus der Vojvodina stammenden Funktionäre suchten 43 44 CARL BETHKE die Lage der Minderheit durch loyale Mitarbeit im Staat sowie Eingaben und Absprachen mit den serbisch geprägten Belgrader Regierungen zu verbessern. Dabei konnten sie darauf rechnen, dass auch den serbischen Eliten eine Orientierung der Schwaben an Deutschland, statt wie bisher an Ungarn, politisch ungefährlicher, später auch wirtschaftlich einträglicher erschien. Die Ausweitung des Kulturbund-Netzwerkes über die Vojvodina hinaus gelang allerdings nur langsam, in Kroatien, wo eine andere strategische Situation vorlag und die Schwaben oft zur regionalistischen Kroatischen Bauernpartei hielten, zunächst sogar überhaupt nicht. Der Politische und wirtschaftliche Verein der Deutschen in der Untersteiermark und die Gottscheer deutsche Bauernpartei arbeiteten mit der Partei der Deutschen zwar zusammen,12 lebensweltlich relevanter waren aber zunächst in allen Regionen lokale Vereine und Zeitungen, wie z. B. die Cillier Zeitung. In Bosnien, wie auch allgemein, war sodann die kleine Evangelische Kirche ein Hort deutscher Identität, seit 1920 mit einer landesweiten nationalen Organisation, ab 1931 unter Bischof Philipp Popp. Zu den „demokratischen“ 1920er Jahren gehört auch, dass unter dem Einfluss der nationalistischen Presse bornierte Beamte und Behörden sowie xenophobe pressure groups wie die ORJUNA (Organisation Jugoslawischer Nationalisten) vielfach und zum Teil auch gewalttätig versuchten, Vereine und Politiker der Minderheit zu behindern und deren soziale Stellung zu bekämpfen, am meisten wohl in Slowenien.13 1929 wurde in Jugoslawien ein autoritäres Regime eingeführt und der Kulturbund verboten. Doch zeigte sich, dass die Deutschen, zumal die in territorialer Hinsicht „unverdächtigen“ Schwaben, „Privilegien“ aushandeln konnten, da dies Belgrad unter anderem für die ökonomischen Beziehungen zum Deutschen Reich nützlich war. Die Weimarer Republik hatte als Ausdruck eines breiten gesellschaftlichen Interesses die Organisationen der deutschen Minderheiten stets unterstützt; zur Zeit Gustav Stresemanns und der konservativen Kabinette ab 1930 entwickelte sich daraus eine gezielte Einflussnahme über den Völkerbund und bei den Regierungen (wie für das „Deutsche Haus“ in Cilli). 1931 wurde im Kontext dieser Bemühungen der Kulturbund wieder zugelassen, er dehnte sich nun landesweit aus.14 Eine Verordnung sorgte für deutschen Schulunterricht auch in Kroatien. Deutsche Vertreter aus der Vojvodina und der Untersteiermark wurden über die Liste der Regimepartei in die Parlamente gewählt. Es zeigte sich damals, dass Deutschland als Mutterland ökonomisch und politisch viel einflussreicher sein konnte als Österreich, zumal man in Belgrad noch den posthabsburgischen Legitimismus fürchtete. Auch hatten Jugoslawiens Versuche einer reziproken Behandlung mit Kärnten für den Schwäbisch-Deutschen Kulturbund eher fatale Auswirkungen gehabt, bis hin zum Verbot 1924. Ohnehin war der Zeitgeist großdeutsch, gerade in österreichischen Vereinen (Südmark), welche sich deutschen Minderheiten widmeten. Doch das Konzept, die heterogenen Gruppen in den einzelnen, historisch sehr verschiedenen Landesteilen als eine „deutsche Minderheit in Jugoslawien“ zu verstehen und diese über den Kulturbund von der Vojvodina aus zu führen, kam tatsächlich vor allem schwäbischen und jugoslawischen Interessen entgegen, während der potenzielle Irredentismus der Steirer bzw. Abstaller auf diese Weise zunächst effektiv marginalisiert bzw. politisch buchstäblich an den Rand gedrängt wurde.15 Der Nationalsozialismus – Ambivalenzen der Ära Stojadinović-Korošec Unter den Nationalsozialisten nahm die ideologische Bedeutung der „Volksdeutschen“ im Rahmen der deutschen Außenpolitik weiter zu. Schon vor der Machtergreifung war aber auch den jugoslawischen Behörden die Faszination für diese Ideen vor allem unter den jüngeren Deutschen des Landes aufgefallen. Wichtig für den Ideologietransfer waren Studenten, die bei den Deutschen etwa zur Hälfte im Land selbst und ansonsten in Deutschland und Österreich ausgebildet wurden; aus der Gegenrichtung kamen Doktoranden, die das „Grenz- und Auslandsdeutschtum“ erforschten16 sowie einzelne Mitarbeiter etwa des Volksbundes für das Deutschtum im Ausland (Bezeichnung seit 1933, vormals Verein für das Deutschtum im Ausland, VDA). Auch der GAB ES „JUGOSLAWIENDEUTSCHE“? 45 Rundfunk, der die „Volksdeutschen“ mit eigenen Sendungen gezielt ansprach, übte Einfluss aus. Schon 1933 kam es unter den Deutschen besonders Sloweniens zu öffentlichen Sympathiebekundungen (z. B. Hitlergruß, Hakenkreuze) die von slowenischnationaler Seite mit Gegendemonstrationen beantwortet wurden. Dass die Reaktionen auf die Machtergreifung in der Presse, z. B. im Slovenec, noch polarisierter ausfielen als in der Vojvodina, dürfte mit der präsenten Angst oder Hoffnung auf Grenzrevision zusammenhängen. Allerdings hatten auch demokratische Politiker Österreichs 1920 und dann noch einmal im Frühjahr 1933 versucht, mit friedlichen Mitteln eine Rückgabe des Abstaller Feldes zu erreichen.17 Für das nationalsozialistische Deutschland schienen solche „Grenzkorrekturen“ in Südosteuropa allerdings kein wirkliches Ziel zu sein. Politisch-strategisch riet Hitler den Ungarn, sich auf die Tschechoslowakei zu konzentrieren,18 zugleich suchte man bei Jugoslawien und Rumänien, Prags Bündnispartnern in der „Kleinen Entente“, Einfluss zu gewinnen. Vielmehr wurde „Südosteuropa“ als ökonomischer „Ergänzungsraum“ konzipiert, das heißt diese Länder sollten Absatzmärkte für deutsche Industrieprodukte werden und dafür per Clearing-System an Deutschland Rohstoffe liefern. Da der Zugang zu den westeuropäischen Märkten wegen der Kolonien für die Balkanstaaten erschwert und Deutschland bereit war, hohe Preise zu zahlen, erschien diese Zusammenarbeit den dortigen autoritären Regimen attraktiv. Das hatte politische Konsequenzen, zeitweise wurde gar von Jugoslawien aus NS-Propaganda nach Österreich eingeschleust, nach dem Putsch-Versuch 1934 zeigte man sich in Jugoslawien bei der Unterbringung 2.500 geflüchteter NS-Aktivisten großzügig. Flankiert von Besuchen Hermann Görings 1934 und Hjalmar Schachts 1936 wuchs der ökonomische Einfluss Deutschlands während der Regierungszeit des Ministerpräsidenten Milan Stojadinović (1935–1939) in Jugoslawien stark an.19 In jenen Jahren entstanden im ganzen Land bis hin nach Bosnien neue Ortsgruppen des Kulturbundes und seines Netzwerks, dessen kulturelle (u. a. private Oberschulen und Lehrerbildungsanstalt), sportliche und soziale Angebote immer breiter gefächert waren. Neben Besuchen, Patenschaftsabonnements von Zeitungen und ganzen Büchereiausstattungen aus Deutschland war damit auch die Möglichkeit für Reisen, Kurse und Weiterbildungen in Deutschland verbunden, sogar für die Hausierhändler aus der Gottschee. Entsprechend wuchs der Einfluss des Nationalsozialismus auf die Minderheit. Ab 1934 wurde die konservative Kulturbundführung durch eine oppositionelle Gruppe meist jüngerer und stärker ideologisierter NS-„Erneuerer“ herausgefordert. Nach dem Ausschluss der „Erneuerer“ aus dem Kulturbund 1935 verlegten einige von ihnen den Schwerpunkt nach Kroatien, wo sie sich durch Gründung der Kultur- und Studenten aus Leipzig besuchen „Volksdeutsche“, Sanktivan, um 1943. 46 CARL BETHKE Wohlfahrtsvereinigung eine zusätzliche Anhängerschaft aufbauten. Diese „innervölkische Auseinandersetzung“ hat die Geschichte der Donauschwaben und GottscheeDeutschen mitgeprägt, offensichtlich standen dahinter auch Konkurrenzen reichsdeutscher Institutionen, etwa zwischen Botschaft, VDA und SS.20 In der Untersteiermark waren die Gegensätze bei den Deutschen, hier geführt vom protestantischen Senior Johann Baron, nicht so stark. Dafür gingen das Innenministerium unter Anton Korošec, dem Führer des politischen Katholizismus in Slowenien, und die Behörden des autoritären Regimes ab 1935, quasi „gedeckt“ durch die Annäherung an Deutschland, rigoros gegen die Minderheit vor. Diverse Ortsgruppen des Kulturbundes wurden aufgelöst und verboten. Nach dem „Anschluss“ wurde in Graz das Südostdeutsche Institut gegründet, welches sich der deutschen Minderheit vor allem in der Untersteiermark widmete. In Abstall kam es zu prodeutschen Demonstrationen.21 Hitler hatte zunächst das Wiener Bankenkapital und 1939 die tschechische Industrie in die Hand bekommen, nachdem 1940 gar der Rivale Frankreich ausgeschaltet worden war, erlangte Deutschland hegemonialen Einfluss in der Region. In Berlin übernahm 1938 statt des VDA die von SS-Leuten geführte Volksdeutsche Mittelstelle (VoMi)22 die Förderung der deutschen „Volksgruppen“, auf Veranlassung bzw. Befehl der VoMi wurde 1938/39 in Jugoslawien die bisherige Kulturbundführung durch „Erneuerer“ unter Sepp Janko ersetzt. Die in den Jahren zuvor aufgelösten Kulturbund-Ortsgruppen in Slowenien wurden nun wieder zugelassen,23 zugleich aber wurde der Kulturbund ideologisch und äußerlich in eine NS-Organisation umgewandelt, zum Teil mit parastaatlichen Zügen. Erst jetzt, unter dem Eindruck des Krieges und der „deutschen Siege“, wurde die Mehrheit der Deutschen vom Kulturbund „erfasst“. Zugleich kam der Antisemitismus deutlicher als je zuvor zum Ausdruck, z. B. in der Presse (Deutsches Volksblatt, Slawonischer Volksbote).24 Die „Neue Ordnung“: verschiedene Territorien und Kontexte im Zweiten Weltkrieg Entsprechend den Ausgangsbedingungen war die Lage der deutschen Minderheiten im ehemaligen Jugoslawien nach dem Aprilkrieg 1941 und bei der nachfolgenden Aufteilung des Landes unterschiedlich. Obwohl Teile der Slowenen Hoffnungen auf das Ende Jugoslawiens gerichtet hatten, wurde ihre Nation am vollständigsten negiert. Die südwestliche Region mit der Hauptstadt Laibach fiel an Italien, die nordöstlichen Teile der Krain und die Untersteiermark wurden zwar nicht formal annektiert, aber deutscher Zivilverwaltung unterstellt. In den folgenden Jahren versuchte das NSRegime, die dortige Bevölkerung über den Steierischen Heimatbund zu assimilieren, Hitler reiste sogar persönlich nach Marburg (26. April1941 „Machen Sie mir dieses Land wieder deutsch!“). Dazu wurde die seit 1914 zugewanderte südslawische Bevölkerung sowie die nationalslowenische Intelligenz, darunter die Pfarrer, 1941 nach Serbien und Kroatien abgeschoben. Umgekehrt musste die deutsche Bevölkerung der an Italien gefallenen Gottschee ihre Heimat verlassen und wurde im „Sawe-Sutla-Streifen“ angesiedelt, zusammen mit Südtirolern und Deutschen aus den 1940 von der UdSSR besetzten, zuvor rumänischen Gebieten Bukowina und Bessarabien. Viele Slowenen wurden zur Zwangsarbeit verschleppt. Gegen diese nationale Unterdrückung erhob sich in Slowenien wie in ganz Jugoslawien die kommunistisch geführte Partisanenbewegung unter Josip Broz Tito, welche die deutsche Seite mit aller Gewalt niederzuhalten versuchte. Die slowenischen Antikommunisten suchten dagegen zunehmend ihr Heil in der Kollaboration, so dass es zudem zum Bürgerkrieg kam.25 Die Batschka und die Baranja – also die Regionen mit den höchsten deutschen Bevölkerungsanteilen – fielen wieder an Ungarn.26 Der Einmarsch wurde von den jüngeren, nicht mehr im Königreich Ungarn sozialisierten Deutschen eher mit Enttäuschung aufgenommen. Die Serben wurden hier, zumindest nach der Razzia im Januar 1942, etwas besser als in Kroatien behandelt (z. B. Schulen, Parlamentsvertreter), die Partisanenbewegung war am schwächsten und so wurden wegen der relativ sicheren Lage z. B. 1942 sogar Kinder aus norddeutschen Großstädten dorthin evakuiert. GAB ES „JUGOSLAWIENDEUTSCHE“? Ungarn hatte schon nach dem Zweiten Wiener Schiedsspruch am 30. August 1940 mit Deutschland ein „Volksgruppenabkommen“ geschlossen. Dieses sicherte dem NS-Volksbund unter Franz Basch eine weitreichende Autonomie zu. Doch darüber hinaus gab es in Ungarn bis zur deutschen Besetzung im März 1944 auch deutschsprachige Zeitungen (Pester Lloyd) und Abgeordnete, die nicht das Volksbund-Lager repräsentierten. Als Ungarn in der Ära des Ministerpräsidenten Miklós Kállay 1942/43 vorsichtig auf Distanz zu Deutschland ging, ergaben sich daraus für die katholische Opposition um Pfarrer Adam Berenz aus Apatin und die Zeitung Donau Spielräume. Insbesondere wandte sich diese „Treuebewegung“ gegen den Eintritt in die Waffen-SS, in vielen Dörfern Südwestungarns kam es zu Auseinandersetzungen zwischen dem Volksbund und den „Schwarzen“.27 Das Banat blieb Teil des von Deutschland besetzten Rest-Serbien. Sowohl in Serbien als auch in Kroatien wurden Verordnungen erlassen, welche die aus dem Kulturbund hervorgegangenen „Volksgruppen“-Organisationen, hier unter Sepp Janko, zu Körperschaften öffentlichen Rechts mit breit ausgebauter Selbstverwaltung erklärten. Dieses Modell schloss an die 1940 mit Rumänien und Ungarn geschlossenen Regelungen an, ging aber noch darüber hinaus, einschließlich z. B. der Möglichkeit der Besteuerung und Bestrafung. Vertreter der Volksgruppe waren stark an der Zivilverwaltung im Banat beteiligt, der Verwaltungschef hatte ein Deutscher zu sein, so dass die Region innerhalb Serbiens eine Sonderstellung hatte. Wie in allen Gebieten kam es im Banat nach dem deutschen Einmarsch zu Misshandlungen von Juden. Die Formationen der „Volksgruppen“ haben die Ermordung der Juden nicht durchgeführt, wohl aber begleiteten die Zeitungen und „Propagandaämter“ den Holocaust mit hate speech. Zudem beteiligten sich sowohl Einzelne als auch die „Wirtschaftsämter“ an der Aufteilung des jüdischen Vermögens.28 Da die Schwaben noch Bürger Serbiens, Kroatiens und Ungarns waren, man jedoch deutscherseits die Mobilisierung ihrer Wehrkraft wünschte, wurden diese für die Waffen-SS geworben. Aus ihnen und verschiedenen regionalen Einheiten der einzelnen „Volksgruppen“ wurde 1942 die Division „Prinz Eugen“ gebildet, die vor allem zur Partisanenbekämpfung in Bosnien und Kroatien eingesetzt wurde. Obwohl sie als „FreiwilligenDivision“ deklariert wurde, erfolgte die Einberufung faktisch unter Zwang.29 Das Territorium des 1941 neu geschaffenen Unabhängigen Staats Kroatien (NDH) schloss mehrheitlich serbisch besiedelte Gebiete ein, so in Teilen Bosniens und Herzegowinas sowie in Ostsyrmien. In Ostsyrmien leitete ein Deutscher, Jakob Eilecker, die Zivilverwaltung. Da sich die breit verankerte, deutscherseits 1941 zunächst favorisierte Kroatische Bauernpartei nach dem Einmarsch der Wehrmacht einer direkten Kollaboration verweigerte, griff man auf die Ustascha zurück, eine terroristische Splittergruppe aus dem italienischen Exil. Diese suchte die Zahl der Serben durch Vertreibungen, Ermordungen und Umtaufen zu reduzieren, was in Verbindung mit dem kommunistischen Aufstand nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion in einem blutigen und grausamen Partisanenkrieg resultierte.30 In seinem Verlauf wurden die deutschen Dörfer militärisch angegriffen bzw. überfallen, bereits im Sommer 1941 mussten die ersten Siedlungen in Bosnien geräumt werden, 1942/43 folgten West- und Mittelslawonien. Dies schuf für die Deutschen Kroatiens und Bosniens 47 Handwaage und Lehrvertrag als Zeugnisse guter Nachbarschaft: Josef Birli besaß eine große Stickerei. Als er 1944 flüchten musste, überließ er seinem Lehrling Ratomir Prodanić Teile des Ladeninventars. Prodanić bewahrte sie lebenslang für ihn auf. 48 CARL BETHKE früh eine deutlich andere Situation als nördlich der Donau oder anderswo in der „Festung Europa“ zu diesem Zeitpunkt. Anfangs wollte die „Volksgruppen“-Organisation unter Branimir Altgayer31 die Flüchtlinge in früher von Serben bewohnten „Kolonistendörfern“ in Ostsyrmien ansiedeln. Doch 1942 erfolgte die „Umsiedlung“ der meisten Bosniendeutschen in das Generalgouvernement, um sie im Rahmen des Generalplans Ost bei Zamość nach Vertreibung der dortigen Bevölkerung „anzusetzen“. Dieser Plan scheiterte, ab 1943 wurden die Flüchtlinge dann in den größeren deutschen Dörfern Ostslawoniens (um Essegg) und Ostsyrmiens untergebracht, bevor einige Monate später die Evakuierung nach Deutschland erfolgte.32 Vereinzelt gab es Deutsche auf Seiten der Partisanen (Thälmann-Bataillon).33 Vertreibung und/oder Lagerhaft Das Ende der deutschen Minderheiten Jugoslawiens begann mit dem Seitenwechsel Rumäniens im August 1944. Die sowjetischen Truppen marschierten nun in wenigen Wochen auf die serbische Grenze vor. Anfangs wollte man in Berlin von einer Evakuierung nach Deutschland nichts wissen, so dass sie nur in sehr unterschiedlichem Ausmaß gelang. Im Banat zu 10 Prozent, in der Batschka zu 50 Prozent und in Kroatien zu 80 Prozent. Man wird davon ausgehen können, dass einflussreiche Funktionäre, welche die Rache der Sieger zu fürchten hatten, unter den Zurückgeblieben nur in der Minderheit vertreten waren. Der Roten Armee folgten im Banat und in der Batschka im Oktober 1944 die jugoslawischen Einheiten hinterher, nach der Besetzung der Ortschaften kam es zu Mordaktionen an wirklichen oder vermeintlichen „Tätern“, bzw. an der Elite und der Intelligenz. Anfangs standen die Gebiete nördlich der Donau unter Militärverwaltung, vielerorts eigneten sich Partisanen den zurückgelassenen Besitz wild an. Am 23. November 1944 wurde eine Verordnung zur Beschlagnahme von Feindvermögen erlassen, welche die Enteignung von Kriegsverbrechern und Personen deutscher Abstammung vorsah, es sei denn, sie hatten in den Reihen der Volksbefreiungsarmee gekämpft. Die Enteignung umfasste Häuser und Grundstücke, aber auch Schmuck, Urheberrechte etc. Kurz darauf wurde damit begonnen, die gesamte deutsche Bevölkerung in Teile ehemals deutscher Dörfer wie Jarek und Rudolfsgnad zu verschleppen und diese in Lager umzuwandeln. Etwa 11.000 Deutsche, überwiegend Frauen, aus der Vojvodina wurden Weihnachten 1944 in die Sowjetunion zur Zwangsarbeit deportiert, erst 1949 wurden sie nach Deutschland entlassen. Allerdings war die Überlebendenquote in den Lagern in Jugoslawien niedriger. Festgehalten wurden überwiegend Frauen und Kinder, Kriegsverbrecher hingegen fanden die jugoslawischen Behörden nach eigenen Angaben nur vereinzelt. Nach Kriegsende entstanden ähnliche Lager auch in Kroatien (u. a. Kerndia). Wie das Gesetz über Agrarreform und Kolonisation vom 23. August 1945, welches die Verteilung des enteigneten Besitzes regelte, zeigte, stand hinter der Internierung eindeutig die Absicht der Vertreibung. Doch dafür hatten die Siegermächte auf der Potsdamer Konferenz Jugoslawien kein Mandat erteilt, sie schickten 1945/46 die von dort eintreffenden Transporte wieder zurück in die Lager. Dort waren inzwischen auch jene interniert worden, die nach Kriegsende in gutem Glauben nach Jugoslawien zurückgekehrt waren. Da man einerseits die Arbeitskraft der Häftlinge maximal ausnutzen und andererseits möglichst wenig Nahrung und Medikamente zur Erhaltung derselben bereitstellen wollte, kam etwa ein Fünftel der Insassen in der Folgezeit an Hunger und Seuchen um. Besser ging es jenen, die nahe der ungarischen Grenze bei Bauern zur Zwangsarbeit eingesetzt waren, weil von dort aus massenweise die Flucht gelang. Die Lager in Kroatien wurden 1946 aufgelöst, vermutlich wohl wegen der größeren familiären Vermischung mit der umwohnenden kroatischen Bevölkerung. Von dort wurde zumindest niemand in die Sowjetunion verschleppt. Ab 1948 erfolgte die Auflösung der letzten Lager in der Vojvodina. Die Überlebenden wanderten in den 1950er Jahren nach Deutschland aus.34 Zoran Janjetović weist darauf hin, dass in Slowenien schon früh eigenständige Pläne zur Vertreibung der Deutschen vorhanden waren, was die Entschlüsse auf GAB ES „JUGOSLAWIENDEUTSCHE“? gesamtjugoslawischer Ebene möglicherweise beeinflusste. Da die Partisanen diese Teile Jugoslawiens aber erst als letzte im Mai 1945 einnahmen, vollzog sich die Vertreibung dort im Kontext der diversen Morde und Racheakte bei Kriegsende, aber auch in Zusammenhang mit anderen umfangreichen Fluchtbewegungen, zum Teil noch unter Tieffliegerbeschuss, in das nahe Österreich. Nach slowenischen Quellen sollen 15.000 bis 16.000 Deutsche geflohen sein, 9.474 wurden ausgesiedelt. Auch hier erfolgten die Evakuierungsbefehle zu spät, für die Gottscheer sogar erst am letzten Tag des Krieges. Einige von jenen, denen die Flucht nicht gelang, auch hier vor allem politische Gegner, wurden hingerichtet und in Karsthöhlen, Wäldern, stillgelegten Bergwerken, zugeschütteten Panzergräben etc. verscharrt. Die Übrigen, darunter die Gottscheer, wurden im Juni 1945 in Lagern wie Sterntal, Tüchern und Schloss Heberstein interniert. Es herrschte Mangelernährung, zum Teil brachen Seuchen aus. Bis zum Sommer 1946 wurden die Lager geschlossen. Die Slowenien-Deutschen wurden in mehreren Wellen zwischen September 1945 und Februar 1946 vertrieben. In Abstall wurden die Deutschen am 13. Januar 1946 verhaftet, um sie mit der Bahn nach Wien zu deportieren. In diesem Fall waren es die Sowjets, die auf eine Rückkehr des Transportes nach Jugoslawien drängten, was eine wochenlange Irrfahrt auslöste. Auffallend sind die großen Differenzen über die Zahl der Todesopfer, laut dem slowenischen Historiker Dušan Nećak sollen es 1.000 bis 1.500 Personen sein.35 „Typologisch“ hatte also im slowenischen Fall das Flucht- und Vertreibungsgeschehen unmittelbar bei Kriegsende ein größeres Gewicht als bei den Donauschwaben, wo eine frühzeitige Evakuierung für einige mit einer langen Lagerhaft für andere kontrastiert. Die unterschiedlichen historischen Voraussetzungen und Entwicklungen wirkten auch nach der Vertreibung fort. So ließen sich die Untersteirer unmittelbar in Österreich nieder, während sie in Deutschland keine Landsmannschaft oder Zeitungen hatten. Die Gottschee-Deutschen folgten nach einem älteren Migrationsmuster zum größeren Teil ihren Landsleuten in die USA. In der Bundesrepublik Deutschland wurden der Größe entsprechend die Donauschwaben am einflussreichsten. Wie früher waren die Batschkaer und Banater dominant,36 während die Deutschen aus Kroatien, den Großstädten und Bosnien weiterhin eine nachgeordnete Rolle spielten. Evangelische wie Franz Hamm oder Christian Brücker nahmen auch jetzt prominente Positionen ein. Ein Indiz für die Attitüde zum Staat war die bis in die 1980er Jahre verwendete Bezeichnung Landsmannschaft der Deutschen aus Jugoslawien, faktisch war dies aber eine donauschwäbische Organisation, später wurde dann bis in 1990er Jahre die Bezeichnung Landsmannschaft der Donauschwaben aus Jugoslawien gebraucht.37 Auch Publikationen trugen Namen wie Jahrbuch der Deutschen aus Jugoslawien, beim Patenschaftsabkommen mit der Stadt Sindelfingen verpflichtete man sich 1964 gar zur Pflege „jugoslawiendeutscher Kultur“.38 Nach 1990 wurde indes deutlich, dass sich in den neugegründeten Staaten Unterschiede ergaben. Zu der weitreichendsten Rehabilitation schien Kroatien bereit, wo die historischen Beziehungen weniger belastet waren als in Slowenien und Serbien.39 Allerdings hat sich die Debatte nach 2000 in Serbien sehr entspannt – gemessen an Tschechien und Polen – was wohl, wie früher schon, am Fehlen eines Territorialkonflikts liegt.40 Zusammenfassung: „Jugoslawiendeutsche“ – analytischer Vergleich und Thesen Jene politisch-kulturellen Akteure, die nach 1918 für das Konzept einer „deutschen Minderheit“ eintraten, begegneten, wie in der Einleitung gezeigt, dem neu gegründeten jugoslawischen Staat keineswegs mit grundsätzlicher Ablehnung. Vielmehr verstand man dessen sprachnationalen Einigungsanspruch – wie seit dem 19. Jahrhundert viele Protagonisten dieser Idee – offenbar in einer gewissen Analogie zu den eigenen deutschnationalen Bestrebungen. Der in den folgenden Jahren immer wieder beteuerten „staatstreuen“ Ausrichtung des Kulturbundes entsprach das Bestreben seiner Funktionäre, die deutschsprachigen Gruppen dieses Staates zu einer einzigen Minderheit zusammenfassen zu wollen. Dass dieser Anspruch nach dem Zweiten Weltkrieg – als Selbstbezeichnung – symbolpolitisch neu auflebte, fällt auf im Ver- 49 50 CARL BETHKE gleich etwa zu den Sudetendeutschen, wo meines Erachtens ein solcher hinsichtlich der Tschechoslowakei in der Selbstdarstellung kaum oder gar nicht reklamiert wurde, obwohl in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg ja eine vergleichbare „Täter“-Konstellation vorlag. Einmal mehr mag man sich daran erinnern, wie jeweils spezifisch sich die Situation der deutschen Minderheiten in den einzelnen Staaten nach 1918 entwickelte; und es wäre zur Erklärung vielleicht hinzuzufügen, dass innerhalb der Landsmannschaft der Deutschen „aus Jugoslawien“ tatsächlich die Donauschwaben, zumeist aus der Vojvodina, dominierten, deren Erfahrungen durch die Nachbarschaft mit den Serben geprägt wurden. Dass man im Kulturbund wie auch in der Selbstdarstellung der Vertriebenenverbände und Landmannschaften dem jugoslawischen Gedanken keineswegs die Legitimation absprach, sollte im Übrigen auch ideengeschichtlich nicht allzu sehr verwundern, denn der Jugoslawismus war historisch nichts weniger – und nichts mehr – als eine weitere Form der sprachnationalistischen Pan-Bewegungen im Mitteleuropa des 19. Jahrhunderts; die Assoziation mit Tito und Kommunismus hingegen stellte sich für die im Königreich Jugoslawien sozialisierte Generation weniger automatisch ein, als es den Nachgeboren heute scheint. Der Vergleich mit Jugoslawien mag darauf verweisen, dass für den relativen Erfolg der Nationalbewegung in Deutschland bzw. im binnendeutschen Raum im 19. Jahrhundert keineswegs nur die Sprache allein entscheidend war. Vielmehr hat sich die Nationalbewegung dort ebenso regelmäßig auch über ein bestimmtes Set an imperialen Narrativen, Symbolen und Institutionen (Kaiser und Reich, Deutscher Bund etc.) historisch legitimiert. Dazu aber gab es im Fall des jugoslawischen Nationsbildungsprojektes keine wirkliche Entsprechung, der Glaube an eine gemeinsame mittelalterliche oder frühneuzeitliche Geschichte konnte hier kaum plausibel und erfolgreich gemacht werden. Allerdings: In der Praxis stieß auch bei der deutschen Minderheit die von den Funktionären angestrebte Herausbildung einer gemeinsamen Gruppenidentität als „Deutsche in Jugoslawien“ an gewisse Grenzen, schon wegen der geografischen Entfernung zwischen den kulturell und sozial so unterschiedlichen Gruppen von Deutschen in den verschieden geprägten Landesteilen. Heute agieren die Organisationen der Donauschwaben, Gottscheer und Untersteirer wohl punktuell einmal als Verbündete, aber ansonsten eigenständig und getrennt. Diese Trennung ist nicht nur kulturell bedingt, vielmehr basiert sie auch auf unterschiedlichen Erfahrungen und Interessen. Typologisch lässt sich das Modell einer wegen der Rivalität um Territorium weitaus konfliktträchtigeren „Grenzlandminderheit“ in der Untersteiermark ziemlich klar von den auf Auswanderung zurückgehenden Diaspora-Situationen bei den Donauschwaben, in Bosnien und in der Gottschee unterscheiden. Daraus folgten, trotz des gemeinsamen Staates und eines zeitbedingt sehr „gesamtdeutschen“ Bewusstseins der politischen Akteure, verschiedene, ja entgegengesetzte Reaktionen auf die 1918 neu entstandene Situation und unterschiedliche Erwartungen an die Zukunft. Der Kulturbund als gemeinsames Dach konnte die gewachsenen Identitäten und Interessen lediglich eine Zeit lang überwölben, aber nicht auflösen. Die Modelle „Grenzland“ und „Volksgruppe“ bewirkten zudem auch unterschiedliche Politiken des „Mutterlandes“ in der Zeit des Zweiten Weltkrieges und blieben in veränderter Form auch nach 1945 sichtbar. Für die subjektive Konstitution als „Grenzlandminderheit“ mit Revisionsanspruch scheinen andererseits die objektiven Unterschiede an Mehrheitsverhältnissen und geografischer Lage zwischen dem Abstaller Feld einerseits (mit klarer deutscher Mehrheit) und den Städten der Untersteiermark andererseits, nicht wirklich entscheidend gewesen zu sein. Das dürfte an der Wirkungsmacht eines historischen Narrativs gelegen haben, welches die ganze Untersteiermark, selbst dort, wo sie von Slowenen bewohnt wurde, als deutschen „Kulturboden“ reklamierte. Freilich dürfte dieses Konstrukt deswegen plausibel bzw. opportun erschienen sein, weil es überkommene soziokulturelle Machtverhältnisse verschlüsselte bzw. diese in ihm diskursiv weiterwirkten. Die Vielfalt der historischen und sozialen Situationen erlaubte es, durch Vergleich der hier untersuchten Gruppen jene Faktoren näher zu bestimmen, welche einer Assimilation entgegenstanden oder sie beschleunigten: Für die Konservierung ethnischer GAB ES „JUGOSLAWIENDEUTSCHE“? Identität scheint unter Vojvodina-Schwaben sowie Untersteirern erstens die privilegierte ökonomische Lage der Eliten eine wichtige, wenn auch für sich nicht hinreichende Grundlage gewesen zu sein. Dies gilt, insbesondere mit Blick auf den politischkulturellen Aktivismus, im Vergleich zu den ärmeren Gruppen der Deutschen in Kroatien, Bosnien und der Gottschee. Dass die Donauschwaben dabei die führende Rolle einnahmen, lag zweitens sicher auch an ihrer Zahl; wobei die politische Bedeutung der Untersteirer im Vergleich zu den numerisch wesentlich stärkeren Deutschen Kroatiens zeigt, wie kontextgebunden und relativ die Bedeutung der numerischen Größe einer Minderheit sein kann. Die Bosniendeutschen waren demgegenüber gering an Zahl und darüber hinaus oft auch wirtschaftlich nicht sehr stark. Bei ihnen war es drittens vor allem das konfessionelle Eigenleben im Rahmen der evangelischen Kirche, welches gerade in der dortigen Umgebung einen Faktor bei der Stabilisierung der Gruppenidentität darstellte – im Vergleich etwa zu den stärker assimilierten, meist katholischen Deutschen in Kroatien. Freilich waren letztlich beide politisch tonangebenden deutschen Gruppen, Untersteirer wie Vojvodina-Schwaben, mehrheitlich katholisch, so dass der Faktor Konfession und Nationalismus gerade bei den Deutschen nicht überschätzt werden sollte. Viertens wird für die Bewahrung der ethnischen Eigenart z. B. bei den Gottscheedeutschen trotz bescheidener Lebensverhältnisse und katholischer Konfession die kompakte Siedlungslage ein Faktor gewesen sein. Eine ähnliche Situation wie dort hätte in der Untersteiermark wie in der Vojvodina eine deutliche andere politische Ausgangslage geschaffen. Schließlich und fünftens aber ist auch festzustellen, dass letztlich keiner dieser Faktoren bzw. die „typologischen“ und soziokulturellen Unterschiede den Untergang der so verschiedenen deutschen Gruppen am Ende des Zweiten Weltkriegs verhinderten. Auch die oben postulierte Unterscheidung von Grenzland und Diaspora hat dafür letztlich keine Rolle gespielt. Vielmehr lag die relative Gleichförmigkeit des Schicksals dieser Gruppen in der Veränderung des Verhältnisses zu den andersethnischen Nachbarn ab 1941 und den totalitären Regimen begründet. Denn wie immer man die Ereignisse in den Jahren 1945 bis 1948 erklärt und einschätzt, es dürfte feststehen, dass wohl keine Minderheit ohne ein gedeihliches Zusammenleben mit der Umgebung und den Nachbarn überleben kann, unabhängig davon, wie sozial vielfältig und historisch unterschiedlich die Voraussetzungen und Bedingungen ansonsten auch gewesen sein mögen. 1 2 http://www.dlib.si/?URN=URN:NBN:SI:DOC-BL1NBX1R; auf dem Server der slowenischen Nationalbibliothek http://www.dlib.si/browse/besedila u. a. die beiden wichtigsten Zeitungen der Deutschen aus Slowenien, die Mariborer/Marburger Zeitung sowie die Cillier bzw. Deutsche Zeitung, online. Der folgende Beitrag versteht sich als Synthese bzw. Vergleich der Forschungsergebnisse zu Deutschen in einzelnen Teilregionen. Zu den historisch und geografisch breiter kontextualisierten Darstellungen gehören u. a.: Zoran Janjetović, Nemci u Vojvodini [Die Deutschen in der Vojvodina], Beograd 2009; Günter Schödl (Hg.), Land an der Donau (Deutsche Geschichte im Osten Europas 5), Berlin 2002; für Kroatien und Bosnien: Goran Beus-Richembergh, Nijemci, Austrijanci i Hrvati. Prilozi za povijest njemačko-austrijske nacionalne manjine u Hrvatskoj i Bosni i Hercegovini [Deutsche, Österreicher und Kroaten. Beiträge zur Geschichte der deutsch-österreichischen Minderheiten in Kroatien und Bosnien-Herzegowina], Zagreb/Sarajevo 2010; Valentin Oberkersch, Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien. Geschichte einer deutschen Volksgruppe in Südosteuropa, München 1989 (vor allem ab 1918); Slowenien: Arnold Suppan (Hg.), Zwischen Adria und Karawanken (Deutsche Geschichte im Osten Europas 8), Berlin 2002; Harald Heppner (Hg.), Slowenen und Deutsche im gemeinsamen Raum. Neue Forschungen zu einem komplexen Thema, München 2002; Helmut Rumpler und Arnold Suppan (Hg.), Geschichte der Deutschen im Bereich des heutigen Slowenien 1848 –1941, Wien/München 1988; Ernst Hochberger, Anton Scherer und Friedrich Spiegel-Schmidt, Die Deutschen zwischen Karpaten und Krain, München 1994. 51 52 CARL BETHKE 3 Eduard G. Staudinger, Von der Mehrheit zur Minderheit. Die deutschsprachige Bevölkerung des Abstaller Feldes im 19. und frühen 20. Jahrhundert, in: Harald Heppner (Hg.), Slowenen und Deutsche im gemeinsamen Raum, S. 96 –111; Franz-Josef Schober, Vom Leben an der Grenze, Bad Radkersburg 2009. 4 Tamara Griesser-Pečar, Maribor, Marburg an der Drau. Eine kleine Stadtgeschichte. Wien/Köln/ Weimar 2011, S. 156 –172; Janez Cvirn, Das Cillier Deutschtum und das Problem der nationalen Identität, in: Feliks J. Bister und Peter Vodopivec (Hg.), Kulturelle Wechselseitigkeit in Mitteleuropa. Deutsche und slowenische Kultur im slowenischen Raum vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg, Ljubljana 1995, S. 155–164. 5 Joachim Hösler, Geschichte – Selbstverständnis – Außenwahrnehmung, in: Mitja Ferenc und Joachim Hösler (Hg.), Spurensuche in der Gottschee. Deutschsprachige Siedler in Slowenien, Potsdam 2011, S. 13–39, hier u. a. S. 14, S. 20 ff., S. 24 f. 6 Zur Struktur der Deutschen im damaligen Ungarn jetzt: Gerhard Seewann, Geschichte der Deutschen in Ungarn, Bd. 2.: 1860 – 2006, München 2012, S. 71–113; vgl. Ingomar Senz, Wirtschaftliche Autarkie und politische Entfremdung 1806 bis 1918, München 1997. 7 Oberkersch, Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien, S. 12 –32; v. a. auch zur Situation in den Städten: Wolfgang Kessler, Aus der Dominanz in die Marginalität. Zur deutschen Sprache in Kroatien im 19. Jahrhundert, in: Deutsche Ostkunde 32 (1986), S. 67–79. 8 Nach Akten des Gustav-Adolf-Werks im Evangelischen Zentralarchiv Berlin: Carl Bethke, Deutsche „Kolonisten“ in Bosnien. Vorstellungswelten, Ideologie und soziale Praxis in Quellen der evangelischen Kirche, in: Bosna i Hercegovina u okviru Austro-Ugarske 1878 –1918 [BosnienHerzegowina im Rahmen Österreich-Ungarns 1878 –1918], Zbornik radova. Filozofski Fakultet (Hg.), Sarajevo 2011, S. 235–266; Amila Kasumović, Modaliteti eksterne kolonizacije u Bosni 1890–1914. Case study za njemačke erarne kolonije [Modalitäten der externen Kolonisation in Bosnien 1890–1914. Case study für die deutschen Ärarkolonien], in: Prilozi 38 (2009), S. 81–120; im Überblick bei Oberkersch, Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien, S. 32 –39, S. 130 f., S. 143, S. 164. 9 Martin Moll, Kein Burgfrieden. Der deutsch-slowenische Nationalitätenkonflikt in der Steiermark 1900 –1918, Innsbruck 2007; Suppan, Zwischen Adria und Karawanken, S. 317– 348; zu den Anfängen deutschnationaler Mobilisierung in Ungarn: Seewann, Geschichte der Deutschen in Ungarn, S. 122 –145; ebd., S. 145 z. B. eine Äußerung Bismarcks, in der er sich gegen eine Unterstützung ungarndeutscher Interessen aussprach. 10 Zur Zwischenkriegszeit bei der deutschen Minderheit insgesamt: Carl Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten in Kroatien und der Vojvodina 1918 –1941. Identitätsentwürfe und ethnopolitische Mobilisierung, Wiesbaden 2009; Johann Böhm, Die Deutsche Volksgruppe in Jugoslawien 1918 –1941. Innen- und Außenpolitik als Symptome des Verhältnisses zwischen deutscher Minderheit und jugoslawischer Regierung, Frankfurt am Main 2009; Zoran Janjetović, Deca careva, pastorčad kraljeva. Nacionalne manjine u Jugoslaviji 1918 –1941 [Kinder der Kaiser, Stiefkinder der Könige. Nationale Minderheiten in Jugoslawien 1918 –1941], Beograd 2005; Georg Wildmann, Die Tragödie der Selbstbehauptung im Wirkfeld des Nationalismus der Nachfolgestaaten 1918 –1944 (Donauschwäbische Geschichte 3), München 2010, S. 471– 605; Slowenien: Arnold Suppan, Jugoslawien und Österreich 1918 –1938. Bilaterale Außenpolitik im europäischen Umfeld, Wien 1996; Dušan Nećak, Die „Deutschen“ in Slowenien (1918 –1955). Kurzer Abriss, Ljubljana 1998 (http://wff1.ff.uni-lj.si/oddelki/zgodovin/wwwrepe/DIE%20DEUTSCHEN%20IN%20SLOWENIEN%201918%201955.pdf); Mitja Ferenc und Božo Repe, Die deutsche Minderheit in Slowenien in der Zwischenkriegszeit, in: Slowenisch-Österreichische Beziehungen im 20. Jahrhundert, Ljubljana 2004, S. 161–176 (http://www.sistory.si/publikacije/ prenos/?target=pdf&urn=SISTORY:ID:26834#page=491); Mitja Ferenc, Für immer untergegangen? Die Gottscheer im 20. Jahrhundert, in: Mitja Ferenc und Joachim Hösler (Hg.), Spurensuche in der Gottschee. Deutschsprachige Siedler in Slowenien, Potsdam 2011, S. 41– 91; Oberkersch, Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien, S. 177– 364. 11 Die Zahlen sind der jugoslawischen Volkszählung von 1921 entnommen. Die Begriffe Vojvodina und Kroatien werden demnach im Sinne der historischen und nicht der heutigen Staatsgrenzen verwendet, also Vojvodina als die ehemals ungarischen Gebiete Batschka, Baranja und Banat, und Kroatien im Sinne des Königreichs Kroatien-Slawonien, also mit Ost-Syrmien, vgl. Kraljevina Jugoslavija: Definitivni rezultati popisa stanovništva od 31 januara 1921 god. [Königreich Jugoslawien: endgültige Resultate der Volkszählung vom 31. Januar 1921], Sarajevo 1932 (http:// www.sistory.si/publikacije/prenos/?urn=SISTORY:ID:4758). 12 Zu Parteien: Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 287–296; Böhm, Die Deutsche Volksgruppe in Jugoslawien, S. 74 –106; Slowenien: Nećak, Die „Deutschen“ in Slowenien, S. 12; Suppan, Jugoslawien und Österreich 1918 –1938, S. 695 ff.; Vasilij Melik, Die Deutschen und die Wahlen im jugoslawischen Slowenien zwischen den beiden Weltkriegen, in: Helmut Rumpler und Arnold Suppan (Hg.), Geschichte der Deutschen im Bereich des heutigen Slowenien 1848 –1941, Wien/München 1988, S. 248 –254. GAB ES „JUGOSLAWIENDEUTSCHE“? 13 Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, u. a. S. 187–191, S. 228 –236, S. 272 – 287, S. 315 ff., S. 187–191; Oberkersch, Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien, S. 197 f., S. 282 f.; Slowenien: Arnold Suppan, Deutsche und österreichische Kultur zwischen den beiden Weltkriegen, in: Feliks J. Bister und Peter Vodopivec (Hg.), Kulturelle Wechselseitigkeit in Mitteleuropa. Deutsche und slowenische Kultur im slowenischen Raum vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg, Ljubljana 1995, S. 21– 34; Griesser-Pečar, Maribor, S. 229 – 234. 14 Einige Materialien von 1931–1935 aus Ortsgruppen in Slowenien sind im Fond Kulturbund des Staatsarchivs Osijek (Državni Arhiv Osijek), z. B. Ortsausschuss Maribor, Bericht 1931. 15 Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 345–351; s. z. B.: Aufzeichnung des Vortragenden Legationsrates Reinebeck, Bericht über die am Rande der Völkerbundtagung geführten Gespräche zwischen Kraft, Marinković und Stresemann über die Lage der deutschen Minderheit in Jugoslawien, 20.9.1929, in: Akten zur deutschen Auswärtigen Politik, Ser. B. Bd. XIII, Göttingen 1979, Nr. 29. Die Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik („ADAP“) jetzt online unter http://digi20.digitale-sammlungen.de; zum Streitfall um das „Deutsche Haus“ in Cilli u. a.: Suppan, Jugoslawien und Österreich 1918 –1938, S. 801– 808. 16 Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 387– 392; Elizabeth Harvey, Mobilisierung oder Erfassung? Studentischer Aktivismus und deutsche „Volkstumsarbeit“ in Jugoslawien und Rumänien 1933 –1941, in: Carola Sachse (Hg.), „Mitteleuropa“ und „Südosteuropa“ als Planungsraum. Wirtschafts- und kulturpolitische Expertisen im Zeitalter der Weltkriege, Göttingen 2010, S. 363 – 390. 17 Suppan, Jugoslawien und Österreich 1918 –1938, S. 701 ff., S. 1009; Nećak, Die „Deutschen“ in Slowenien, S. 14; Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 381– 387; zum Folgenden in der Vojvodina u. a.: Zoran Janjetović, Die Donauschwaben in der Vojvodina und der Nationalsozialismus, in: Mariana Hausleitner und Harald Roth (Hg.), Der Einfluss von Faschismus und Nationalsozialismus auf Minderheiten in Ostmittel- und Südosteuropa. München 2006, S. 219 – 235; Dušan Biber, Nacizem in Nemci v Jugoslaviji [Der Nationalsozialismus und die Deutschen in Jugoslawien], Ljubljana 1966 (http://www.sistory.si/publikacije/prenos/?urn=SISTORY:ID:9165). 18 Ignác Romsics, Hungary in the Twentieth Century, Budapest 1999, S. 196 ff.; Seewann, Geschichte der Deutschen in Ungarn, S. 217 f.; vgl. Tagesbericht über die Unterredung zwischen dem deutschen Außenminister Neurath, dem ungarischen Ministerpräsidenten Darányi und Außenminister Kánya, Budapest, 13. Juni 1937 (http://www.forost.ungarisches-institut.de/pdf/19370613-1.pdf); das Ungarische Institut München stellt online zur Verfügung Quellen und Materialien zur Beziehungs- und Integrationsgeschichte in Ostmittel- und Südosteuropa im 20. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung Ungarns, der Minderheitenfrage und der europäischen Integration. Die Quellen stammen z. B., wie in diesem Fall, aus der Edition Allianz Hitler Horthy Mussolini, Budapest 1966 oder den Meldungen aus dem Reich (SD-Berichte), in denen es oft auch um „Volksdeutsche“ ging. 19 John R. Lampe, Balkans into Southeastern Europe. A Century of War and Transition, Basingstoke 2006, S. 133 –140; zu Diskursen und Konzepten: Carola Sachse (Hg.), „Mitteleuropa“ und „Südosteuropa“ als Planungsraum. Wirtschafts- und kulturpolitische Expertisen im Zeitalter der Weltkriege, Göttingen 2010; Carl Freytag, Deutschlands „Drang nach Südosten“. Der Mitteleuropäische Wirtschaftstag und der „Ergänzungsraum Südosteuropa“ 1931–1945, Göttingen 2010; zu den NS-Flüchtlingen: Suppan, Jugoslawien und Österreich 1918 –1938, S. 421– 437. 20 Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 381– 505; Böhm, Die Deutsche Volksgruppe in Jugoslawien, S. 197– 277; Janjetović, Nemci u Vojvodini, S. 220 – 230; Oberkersch, Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien, S. 228 – 251, 288; zur Gottschee: Ferenc, Für immer untergegangen? Die Gottscheer im 20. Jahrhundert, S. 53–56; In der Gottschee wurden die Erneuerer von dem 1939 erst 23-jährigen Wilhem Lampeter angeführt, der nach dem Krieg in der DDR/Leipzig Professor für Agrarwissenschaften wurde. Dr. Gerd Simon, Tübingen, hat auf seiner Homepage eine Darstellung Lampeters von ca. 1942 verlinkt aus BA (Bundesarchiv) NS 21/ 820 + Slg Schumacher 343, Titel: Die Gottscheer Volksgruppe 1930 –1942. Darin schildert Lampeter die Auseinandersetzungen mit den konservativen Vertretern der Kulturbundleitung in der Gottschee um Hans Arko und den Pfarrer Josef Eppich aus seiner damaligen (SS-)Sicht (http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/gottschee.pdf). 21 Über die Nazifizierung in Slowenien: Suppan, Zwischen Adria und Karawanken, S. 380–390; Janjetović, Deca careva, pastorčad kraljeva, S. 310; M. Ferenc-Repe, Die deutsche Minderheit in Slowenien in der Zwischenkriegszeit, S. 175; Nećak, Die „Deutschen“ in Slowenien, S. 15; Schober, Vom Leben an der Grenze, S. 191; Stefan Karner: Deutsche Positionen in der slowenischen Wirtschaft am Vorabend der Okkupation (1939/40), in: Festschrift Othmar Pickl zum 60. Geburtstag, Graz 1987, S. 257– 282; zum Südostdeutschen Institut: Christian Promitzer, Täterwissenschaft: Das Südostdeutsche Institut in Graz, in: Südostforschung im Schatten des Dritten Reiches. Institutionen – Inhalte – Personen, München 2004, S. 93 –114. 22 Die Bundesarchiv-Findbücher der VoMi (BA R 57) sowie anderer relevanter Institutionen (Prinz Eugen-Division etc.) sind seit ca. 2011 inzwischen zunehmend online recherchierbar (http://startext.net-build.de:8080/barch/MidosaSEARCH/R-59-44715/index.htm). Für die Zeit vor 1941 scheinen die VoMi-Bestände leider nicht ergiebig bzw. nicht vorhanden zu sein. 53 54 CARL BETHKE 23 Ortsgruppe Maribor des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes. Der Verlauf der gestrigen Gründungsversammlung, in: Mariborer Zeitung, 10.11.1939 (http://www.dlib.si/?URN=URN: NBN:SI: DOC-NCA3BPWQ). 24 Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 558 – 624; weitere Beispiele zur NS-Gleichschaltung bei Böhm, Die Deutsche Volksgruppe in Jugoslawien, u. a. S. 302; zu Kroatien aus Sicht der Behörden: Nikica Barić, Njemačka manjina u dokumentima banskih vlasti Banovine Hrvatske 1939.–1941. [Die deutsche Minderheit in Dokumenten der Banschaftsbehörden der Banschaft Kroatien 1939 –1941], in: Časopis za suvremenu povijest [Zeitschrift für Zeitgeschichte] 2 (2002), S. 435 – 470. 25 Suppan, Zwischen Adria und Karawanken, S. 406 – 415; Oliver von Wrochem (Hg.), Machen Sie mir dieses Land wieder deutsch. Nationalsozialistische Germanisierungspolitik und ihre Folgen. Das Beispiel Slowenien, Hamburg 2010; Tone Ferenc (Hg.), Quellen zur nationalsozialistischen Entnationalisierungspolitik in Slowenien 1941 bis 1945, Maribor 1980 (http://www.karawankengrenze.at/ferenc/index.php?r=documentlist); zur Bürgerkriegsthematik und Kollaboration besonders: Tamara Griesser-Pečar, Das zerrissene Volk. Slowenien 1941–1946. Okkupation, Kollaboration, Bürgerkrieg, Revolution, Wien 2003. Diverse gedruckte jugoslawische und deutsche Quellen und Memoiren sowie Wehrmachts-Akten zum Zweiten Weltkrieg in Jugoslawien finden sich bei www.znaci.net. 26 Krisztián Ungváry, Vojvodina under Hungarian Rule, in: Sabrina P. Ramet und Ola Listhaug (Hg.), Serbia and the Serbs in World War Two, Basingstoke 2011, S. 70 – 89; diverse Einzelheiten zur politischen Situation auch bei Enikö A. Sajti, Hungarians in the Voivodina, New York 2003, S. 191– 402, u. a. 201 f.; zum Einmarsch und zur Verwaltung: Wildmann, Die Tragödie der Selbstbehauptung im Wirkfeld des Nationalismus, S. 736 ff. 27 Josip Mirnić, Nemci u Bačkoj u drugom svetskom ratu [Die Deutschen in der Batschka im Zweiten Weltkrieg], Novi Sad 1974, hier S. 207 ff.; Seewann, Geschichte der Deutschen in Ungarn, S. 292 f.; Artikel von Berenz aus der Zeitung Die Donau finden sich abgedruckt in: Weitblick eines Donauschwaben. Dokumentation eines Abwehrkampfes 1935–1944, gegen nationalsozialistische Einflüsse unter den Donauschwaben in Jugoslawien und Ungarn, im Wochenblatt für das katholische Deutschtum Jugoslawiens und Ungarns Die Donau, erschienen in Apatin (Batschka), Jugoslawien, ab 1941 Ungarn. Dieterskirch 1968. 28 Akiko Shimizu, Die deutsche Okkupation des serbischen Banats 1941–1944 unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Volksgruppe in Jugoslawien, Münster 2003, S. 175–182, S. 245–295; Johann Böhm, Die deutschen Volksgruppen im Unabhängigen Staat Kroatien und im serbischen Banat. Ihr Verhältnis zum „Dritten Reich“ 1941–1944, Frankfurt am Main 2012. 29 Thomas Casagrande, Die volksdeutsche SS-Division „Prinz Eugen“. Die Banater Schwaben und die nationalsozialistischen Kriegsverbrechen, Frankfurt am Main 2003, u. a. S. 191, S. 267. 30 Holm Sundhaussen, Unabhängiger Staat Kroatien, in: Edgar Hösch, Karl Nehring und Holm Sundhaussen, Lexikon zur Geschichte Südosteuropas, Wien/Köln/Weimar 2004, S. 707 f. 31 Überblick zur „Volksgruppe”: Mario Jareb, The History of the German Ethnic Group in the Independent State of Croatia, in: Review of Croatian History 1 (2007), S. 201– 217. 32 Carl Bethke, Von der „Umsiedlung“ zur „Aussiedlung“: Zur destruktiven Dynamik „ethnischer Flurbereinigung“ am Beispiel der Deutschen in Bosnien und Kroatien 1941–1948, in: Mariana Hausleitner (Hg.), Vom Faschismus zum Stalinismus. Deutsche und andere Minderheiten in Ostmittel- und Südosteuropa 1941–1953, München 2008, S. 23–39; dort auch zu Hitlers Rede vom 6.10.1939 und den von mir untersuchten Wirkungen, S. 26 f.; u. a. Böhm, Die deutschen Volksgruppen im Unabhängigen Staat Kroatien und im serbischen Banat, S. 229, argumentiert bei der „Umsiedlung“ auf Grundlage allein der Berliner Akten meines Erachtens zu „intentionalistisch“, während Kenner des Kriegsgeschehens wie Enver Redžić, Bosnia and Hercegovina in the Second World war, London 2001, S. 30 ff., die Evakuierung im Vordergrund sehen. In den Akten der Volksgruppen-Führung im Staatlichen Archiv Osijek wie auch im 2012 von mir durchgesehenen Bestand des Landwirtschaftsamts der Volksgruppe im Archiv in Slavonski Brod (Centar za povijest Slavonije i Baranje, Fond Njemacka narodna skupina, Kutija 174) ist ab 1941/42 von „Evakuierung“ und deutschen „Flüchtlingen“ aus Bosnien die Rede, vgl. Presseartikel wie z. B. „‚Wir fühlen uns wie zu Hause’. Besuch bei unseren Flüchtlingen. Verständnis und Entgegenkommen der Gastgeber“, in: Volk an der Grenze (Ruma), ca. 22.8.1942, dort heißt es u. a.: „Keiner trennt sich leicht von seiner Heimat, aber keiner will unter der ewigen Bedrohung von Gut und Leben auf die Dauer sein Leben fristen“. Es gab dem Artikel nach bei der Volksgruppen-Organisation sogar bereits damals einen „Beauftragten für die Flüchtlingsbetreuung“, einen gewissen Mundweil. Zu den Evakuierungen aus Slawonien siehe auch s. a. Marica Karakaš Obradov, Migracije njemačkog stanovništva na hrvatskom području tijekom Drugoga svjetskog rata i poraća [Migrationen der deutschen Bevölkerung auf kroatischem Gebiet während des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit], in: Scrinia Slavonica 12,1 (2012), S. 271–294, hier zumal S. 272–275 (http://hrcak.srce.hr/index.php?show=clanak&id_clanak_ jezik=130506); Oberkersch, Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien, S. 387–397. GAB ES „JUGOSLAWIENDEUTSCHE“? 33 In den 1960er Jahren eignete sich die DDR-Diplomatie die Thälmann-Partisanen erinnerungspolitsch an, s. dazu noch Heinz Kühnrich und Franz-Karl Hitze, Deutsche bei Titos Partisanen 1941–1945. Kriegsschicksale auf dem Balkan in Augenzeugenberichten und Dokumenten. Schkeuditz 1997. Es gibt auch einen Spielfilm (DDR/Jugoslawien 1989) zu dieser Thematik „Lass mich doch eine Taube sein“, nach dem Roman von Wolfgang Held (http://www.progress-film.de/ de/filmarchiv/film.php?id=1380&back=true). 34 Michael Portmann, Die kommunistische Revolution in der Vojvodina 1944 –1952. Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur, Wien 2008; wertvoll zumal zu den außenpolitischen Einflüssen: Zoran Janjetović, Between Hitler and Tito. The Disappearance of the Vojvodina Germans, Belgrade 2000, hier S. 295–310; Edition jugoslawischer Akten u. a. zum Vertreibungsgeschehen für Kroatien: Mato Artuković, Zdravko Dizdar, Vladimir Geiger et al. (Red.): Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj 1944 –1946. Dokumenti [Repression und Verbrechen der Partisanen und Kommunisten 1944 –1946. Dokumente], Slavonski Brod 2005; Bd. 2: Slavonija, Srijem i Baranja, ebd. 2006; von Vladimir Geiger auch diverse Aufsätze und Monografien u.a. zu einzelnen Lagern, z. B.: Logor Krndija 1945.–1946., ebd. 2008; in englischer und deutscher Sprache u. a.: ders., Prisoners and Victims of the Communist Internment Camp “Krndija”, 1945 –1946 (http://www.hrastovac.net/historical/Krndija-Logor.htm); ders., Bosnia and Herzegovina’s Ethnic German Human Losses during WWII and Thereafter (October 2013) (http://www.hrastovac.net/ historical/Geiger,Bosnia‘s-DS-losses.htm); ders.: Volksdeutsche-Fatum der kollektiven Schuld, in: Review of Croatian History 1 2005, S. 211–226 (http://hrcak.srce.hr/file/35408); die ältere deutsche Literatur hierzu beruht vor allem auf Befragungen im Rahmen der sogenannten Ost- Dokumentation, welche im Verlauf der 1950er Jahre zu den meisten Orten in der Vojvodina und Slawonien in Deutschland durchgeführt wurden. Dieses Material befindet sich in der Außenstelle des Bundesarchivs in Bayreuth. 35 Janjetović, Between Hitler and Tito, S. 111 f.; Suppan, Zwischen Adria und Karawanken, S. 415– 422; Schober, Vom Leben an der Grenze, S. 199 f.; Nećak, Die „Deutschen“ in Slowenien, S. 25– 43; ders., Zwangsmigrationen im slowenischen Raum während des Zweiten Weltkrieges und in der unmittelbaren Nachkriegszeit, in: Sabine Rutar und Rolf Wörsdorfer (Hg.), Sozialgeschichte und soziale Bewegungen in Slowenien, Essen 2009, S. 127–145 (Mitteilungsblatt des Instituts für soziale Bewegungen 41 [2009]); Stefan Karner, Die deutschsprachige Volksgruppe in Slowenien. Aspekte ihrer Entwicklung 1939 –1997, Klagenfurt 1998, S. 132 –149; die Entdeckung immer neuer Massengräber aus dieser Zeit im Karst gehört heute zu den Eigenheiten der Aufarbeitung des Leninismus in Slowenien. Mitja Ferenc, Mitglied der staatlichen Untersuchungskommission, veröffentlichte u. a: Secret World War two mass graves, in: Crimes committed by totalitarian regimes. Reports and proceedings of the 8. April European Public Hearing on Crimes Committed by Totalitarian Regimes. Ed. Peter Jambrek, published by the Slovenian Presidency of the Council of the European Union, Ljubljana 2008, S. 155–160, (http://www.mp.gov.si/fileadmin/ mp.gov.si/pageuploads/mp.gov.si/PDF/poprava_krivic/Crimes_committed_by_Totalitarian_ Regimes.pdf). 36 In dem Band von Michael Schwartz, Funktionäre mit Vergangenheit. Das Gründungspräsidium des Bundes der Vertriebenen und das „Dritte Reich“, München 2013, geht es u. a. um Josef Trischler aus der Batschka: Trischler war ab 1938 für das Kulturbund-Netzwerk im jugoslawischen und während der Kriegszeit auch im ungarischen Parlament Abgeordneter – eine „Karriere“, die er 1949 im Bundestag und später im Rahmen der Landsmannschaft der Deutschen aus Jugoslawien fortsetzte. Obwohl er selbst katholisch war, war ihm dabei indirekt die Unterstützung des Batschkaers Franz Hamm hilfreich, der wiederum in die kirchlichen Netzwerke der evangelischen Kirche eingebunden war. Ebd., u. a. S. 461 f. Untersteirer und Gottschee-Deutsche waren dagegen im Bund der Vertriebenen nahezu unbedeutend. 37 Z. B. Landsmannschaft der Donauschwaben aus Jugoslawien, Geschichte, Gegenwart und Kultur der Donauschwaben, Sindelfingen 1991; vgl. auch das heute noch bestehende Hilfskomitee für die deutsche Evangelische Landeskirche aus dem ehemaligen Jugoslawien (http://www.ev-ostkirchen. de/12.html). 38 Richtlinien zur Übernahme einer Patenschaft für die Landsmannschaft der Donauschwaben aus Jugoslawien durch die Stadt Sindelfingen vom 23.5.1964 unter http://www.sindelfingen.de/site/ Sindelfingen-Internet/get/4154524/StadtrechtSifi-03-03-RichtlinienPatenschaftDonauschwabe n.d-205.pdf; Jugoslawien und die Bundesrepublik Deutschland hatten zu diesem Zeitpunkt keine diplomatischen Beziehungen! 39 Kroatische Regierung will Entschädigungen an Österreicher zahlen, 2.12.2005, Deutsche Welle (http://www.vifaost.de/texte-materialien/aktuelle-berichte/dw-ostfokus/?do=detail&id= pan@0080624609); zum derzeitigen Stand von Rehabilitierung und Restitution in den einzelnen Staaten siehe z. B. die Website des österreichischen Außenministeriums: http://www.bmeia.gv.at/ reise-aufenthalt/buergerservice-schutz-hilfe/vermoegensfragen. 40 Siehe das deutsch-serbische Ausstellungsprojekt Daheim an der Donau. Zusammenleben von Deutschen und Serben in der Vojvodina, Ausstellungskatalog, hrsg. von Christian Glass und Vladimir Mitrović, Ulm/Novi Sad 2009. 55 56 AUTOR BEITRAG Das „Dritte Reich“ NS-Besatzungspolitik und Holocaust 57 58 THOMAS CASAGRANDE Thomas Casagrande Die „volksdeutsche“ SS-Division „Prinz Eugen“ und die nationalsozialistische Aufstandsbekämpfung in Jugoslawien (1941–1944) Als 1918 in Folge des Ersten Weltkrieges das Königreich Jugoslawien gegründet wurde, umfasste es verschiedene sich abweisend bis feindlich gesinnte Volksgruppen. Argwöhnisch beäugten sich Serben, Kroaten, Slowenen, Bosniaken und Deutsche und stritten um ihren Platz im Vielvölkerstaat.1 Als dann Anfang April 1941 Verbände von Wehrmacht und Waffen-SS in Jugoslawien einmarschierten, spiegelte sich das gegenseitige Misstrauen auch in der Kampfbereitschaft der jugoslawischen Armee wider. Nur die serbischen Einheiten leisteten ernsthaft Widerstand, während die kroatischen die Waffen niederlegten2 und der vom Deutschen Reich versprochenen Gründung ihres eigenen Staates entgegensahen, an dessen Spitze die Ustascha-Bewegung gesetzt wurde. Vor allem aber die „volksdeutsche“ Bevölkerung hoffte auf einen Sieg der deutschen Truppen. Wie die anderen deutschsprachigen Bevölkerungsgruppen Südosteuropas, die nach dem Ersten Weltkrieg und der Zerschlagung Österreich-Ungarns auf die verschiedenen neu gegründeten Staaten verteilt wurden, hatten sich auch die Donauschwaben in Jugoslawien nur schwer mit ihrem Status als machtlose Minderheit abfinden können und nur widerwillig hatten sie die Hoheit des jugoslawischen Staates anerkannt.3 Die Kriegssituation zwang die deutsche Bevölkerung nun endgültig zu einer Entscheidung, die sowohl Chancen als auch Risiken barg, über die es aber für die überwiegende Mehrheit keinen Zweifel geben konnte. Zu eng war die Verbindung zum Deutschen Reich, dessen Einfluss sich mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus auf die verschiedenen „Volksdeutschen“ noch verstärkt hatte.4 So war es selbstverständlich, dass die deutschen Einheiten wie schon im rumänischen Banat5 auch in Jugoslawien begeistert empfangen wurden. Aber nicht nur das Deutsche Reich, auch die SS hatte bereits seit einiger Zeit ihre Fühler nach den „Volksdeutschen“ ausgestreckt. Bereits seit den Dreißigerjahren waren die „Erneuerer“, wie sich die jungen „volksdeutschen“ Aktivisten in Jugoslawien nannten, in engem Kontakt mit der nationalsozialistischen Bewegung und dem Deutschen Reich. 1939 wurde einer ihrer Vertreter, Sepp Janko, mit Unterstützung der von der SS geführten Volksdeutschen Mittelstelle (VoMi)6 Obmann des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes und 1940 Volksgruppenführer.7 Andere „Erneuerer“ wie Jakob Lichtenberger, Michel Reiser und Gustav Halwax wurden frühzeitig in der Waffen-SS ausgebildet.8 Der schon seit den Dreißigerjahren bestehende bewaffnete „Selbstschutz“ der Volksgruppenorganisation ergriff gar aktiv für die deutsche Seite Partei, nahm an Kämpfen teil, besetzte Ortschaften und entwaffnete serbische Einheiten.9 Noch bevor Teile der „Volksdeutschen“ gegen die jugoslawische Armee die Waffen ergriffen, waren „volksdeutsche“ Soldaten bereits generell zur Desertion aufgerufen worden.10 Nur wenige Tage nach dem Einmarsch erging folgerichtig die Anweisung, alle „volksdeutschen“ jugoslawischen Kriegsgefangenen freizulassen.11 „Volksdeutsche“ Denunzianten bezichtigten serbische und jüdische Nachbarn des vermeintlichen oder auch wirklichen Widerstandes und meldeten sie bei den deutschen Besatzungseinheiten.12 Der Schulterschluss der überwiegenden Mehrheit der „volksdeutschen“ Bevölkerung mit dem Deutschen Reich konnte somit bereits im April 1941 eindeutiger nicht sein13 und ihrer frühen Parteinahme wurde schnell gedankt. Besonders im Banat, das nach der Zerschlagung des jugoslawischen Staates der deutschen Militärhoheit unterstellt worden war,14 konnten sich die deutschen Interessen in allen Bereichen durchsetzen. „Volksdeutsche“ übernahmen die Höfe geflohener DIE „VOLKSDEUTSCHE“ SSDIVISION „PRINZ EUGEN“ serbischer Bauern, stiegen in der Verwaltung des Banats auf und bereicherten sich bei der Arisierung des jüdischen Besitzes.15 In den auf den Einmarsch folgenden Monaten des Jahres 1941 wurde mithilfe der bewaffneten Verbände der Volksgruppe, des zur Deutschen Mannschaft (DM) umbenannten und ausgebauten „Selbstschutzes“, die Partisanenbewegung im Banat zerschlagen, so dass hier, im Unterschied zu den anderen Gebieten des ehemaligen Jugoslawiens, schon früh von einer Befriedung im Sinne der deutschen Besatzung gesprochen werden konnte.16 Mit dem Ergebnis, dass das Banat in der landwirtschaftlichen Produktion einen Beitrag zur deutschen Kriegswirtschaft leisten konnte.17 Zur gleichen Zeit, als für die „Volksdeutschen“ im Banat die lang „[…] gehegten Wünsche der Volksgruppe […] infolge der Besetzung des Landes fast restlos in Erfüllung […]“ gingen,18 gelang es den deutschen Besatzungstruppen, die Partisanen auch in den anderen Gebieten Jugoslawiens in die Defensive zu drängen.19 Für die Waffen-SS und die Wehrmacht waren die orts- und sprachkundigen „volksdeutschen“ Freiwilligen seit den ersten Tagen des Jugoslawienfeldzugs besonders bei der Aufklärung gegen Partisanenverbände eine willkommene Verstärkung. Bei der Werbung setzte die SS auf ihre bereits bestehenden Kontakte zur Volksgruppe. Nur wenige Tage nach dem Einmarsch wurde einer der „volksdeutschen“ Aktivisten, Gustav Halwax, als SS-Untersturmführer vom Divisionskommandeur der SS-Division „Das Reich“, SS-Gruppenführer Paul Hausser,20 mit der Organisation der Aufnahme weiterer „Volksdeutscher“ beauftragt. Während sich die „Volksdeutschen“ Jugoslawiens von Beginn an im Partisanenkampf in ihrer Heimat bewährten, häuften sich Ende 1941 die Beschwerden von SS-Führern über den „volksdeutschen“ Ersatz an der Ostfront. So klagte der Kommandeur der 3. SS-Division „Totenkopf “, SS-Gruppenführer Theodor Eicke, über die mangelnde Tauglichkeit des „volksdeutschen“ Ersatzes und verlangte, dass dieser vor der Entsendung an die Front erst einmal gründlich „[…] in der Heimat in Fremdenbataillonen […]“ ausgebildet werden sollte.21 Während der deutsche Vormarsch vor Moskau im früh einsetzenden Winter 1941 zum Stillstand kam, war der Partisanenaufstand in Jugoslawien soweit unter Kontrolle,22 dass eine Veränderung der Aufstandsbekämpfung geplant werden konnte. Bei einer Besprechung des Reichsführers-SS, Heinrich Himmler, mit den Volksgruppenführern des Banats, Sepp Janko, und Kroatiens, Branimir Altgayer, in Berlin im November 1941 wurde darum die Aufstellung eines Banater Regiments beschlossen, das ebenso wie die „Einsatzstaffel“ (ES) in Kroatien verstärkt die Partisanenbekämpfung übernehmen sollte.23 Die Wehrmachtsführung drängte dabei zur schnellstmöglichen Aufstellung der „volksdeutschen“ Verbände, damit fronttaugliche Divisionen des Heeres aus Jugoslawien möglichst schon im Februar 1942 abgezogen und an die Ostfront verlegt werden konnten.24 Für die „Volksdeutschen“ Jugoslawiens wiederum bot sich so die Chance, in der eigenen Heimat beziehungsweise deren unmittelbarer Nähe bleiben zu können.25 Als am 1. März 1942 das SS-Führungshauptamt (SS-FHA) die Aufstellung einer „Freiwilligen-Gebirgsdivision“ befahl, standen die wichtigsten Charakteristika der neuen Division schnell fest. Bezüglich der Stellenbesetzung, der Führer, Unterführer und Mannschaften, sollte so weit wie möglich auf den „serbischen Raum“ und damit auf das West-Banat mit seinem hohen Anteil „volksdeutscher“ Bevölkerung zurückgegriffen werden. Denn nur hier konnte die SS ungehindert von außenpolitischer Rücksichtnahme die ganze wehrfähige Bevölkerung rekrutieren. Darüber hinaus erwartete man, die Division mit zusätzlichen „deutschvölkischen 59 Rede Sepp Jankos auf der Feier zum 1. Mai in Werschetz, 1941. 60 THOMAS CASAGRANDE SS-Divisionseinheit „Prinz Eugen“, Werschetz, 1942. Freiwilligen“ so verstärken zu können,26 dass sie ihren Aufgaben voll gerecht werden würde. Die neue Division war für die Partisanenbewegung technisch als eine Division aller „Waffengattungen“ gedacht: zwei Gebirgsjäger-Regimenter mit jeweils vier Bataillonen, ergänzt durch Artillerie, Panzer und Flak, dazu eine Reiterschwadron und der Tross mit Wirtschaftsbataillon, Werkstattkompanie, Sanitär- und Veterinärabteilung.27 Hinzu kamen Lasttiere für den Transport in unwegsamen Gelände28 und eine Propaganda-Abteilung für die Vertiefung des Kontakts der SS-Division zur deutschen Volksgruppe.29 Der Verbindung der Division zu den „volksdeutschen“ Bevölkerungsgruppen, die letztendlich die überwältigende Mehrheit der Mitglieder stellen würden, wurde dabei von Beginn an ein hoher Stellenwert eingeräumt. Die Besetzung des Postens des Divisionskommandeurs mit einem „Volksdeutschen“ aus Siebenbürgen, SSGruppenführer Artur Phleps,30 sollte ebenso wie das Divisionszeichen die Bedeutung der Division für die „Volksdeutschen“ unterstreichen. Bei den „volksdeutschen“ Mitgliedern der Division wurden die klassischen SS-Runen am Kragenspiegel durch die Odalrune ersetzt, dem altgermanischen Zeichen für Besitz, und mit dem Wahlspruch „Ehre, Blut und Boden“ wurde noch einmal die Bedeutung des bäuerlichen Elements bei der Division hervorgehoben.31 Für die Namensgebung der Division wurde auf den als „Befreier“ des Balkans von osmanischer Herrschaft seit dem 18. Jahrhundert gefeierten Prinzen Eugen von Savoyen zurückgegriffen. Aufgrund der begrenzten Bevölkerungszahl32 war schnell absehbar, dass nur bei einer fast vollständigen Ausschöpfung der männlichen Bevölkerung die Division die benötigte Stärke alleine aus dem Bereich des Militärbefehlshabers Serbien erreichen würde. Wegen der eher klein gewachsenen bäuerlichen Bevölkerung der „Volksdeutschen“ wurde so auch die Tauglichkeitsvoraussetzung zum Dienst in der „Prinz Eugen“ auf kv (kriegsverwendungsfähig) Heer und 160 cm reduziert.33 Der deswegen entstandene Mangel an Arbeitskräften in der Landwirtschaft wurde durch Zwangsarbeit der serbischen Nachbarn gedeckt, so dass auch hier ein direkter Zusammenhang zwischen „volksdeutschem“ Dienst in der Division und „volksdeutscher“ Herrschaft über die serbischen Nachbarn sichtbar wurde.34 Phleps verfolgte wegen des eingeschränkten Potenzials an Wehrtauglichen im Bereich des Militärbefehlshabers Serbien von Anfang an das Ziel, die Division durch „Volksdeutsche“ aus allen Gebieten Südosteuropas zu verstärken.35 Es dauerte aber noch einige Zeit, bis 1943 die Division von einer Banater vollends zu einer alle Volksgruppen umfassenden Einheit wurde. Laut einer Statistik des Jahres 1944 setzte sich die Division dann wie folgt zusammen: aus dem jugoslawischen Banat kam nach wie vor der größte Anteil der Mitglieder der „Prinz Eugen“, nämlich DIE „VOLKSDEUTSCHE“ SSDIVISION „PRINZ EUGEN“ 53,6 Prozent. Ein weiterer großer Teil, insgesamt 21,3 Prozent, kam aus Rumänien und dort vor allem aus dem nordöstlichen Banat. Aus Kroatien kamen 11,204 Prozent der Mitglieder. Hinzu kamen noch knapp 2,92 Prozent aus der Slowakei und 2,57 Prozent aus Ungarn.36 Die restlichen acht Prozent waren Reichsdeutsche, die einen überproportional hohen Teil des Führungs- und Rahmenpersonals stellten.37 Insgesamt kamen damit gut 88 Prozent der SS-Soldaten der „Prinz Eugen“ aus donauschwäbischen Gebieten mit einem engen, zum Teil heimatlichen Kontakt zum Operationsgebiet. Ein Umstand, der für den Einsatz und die Geschichte der Division von großer Bedeutung war. Schon bei der Werbung im Frühling 1942 im Banat und dann im Herbst desselben Jahres in Kroatien wurde sichtbar, dass sowohl die Interessen der Volksgruppenführung als auch der überwiegenden Mehrheit der „Volksdeutschen“ von dem Wunsch der reichsdeutschen Militärbehörden nach einer möglichst umfassenden Ausschöpfung des Wehrpotenzials für den Partisanenkampf kaum zu trennen waren. Dies wird in dem im Banat für die Werbung veröffentlichen Aufruf überdeutlich, dessen wesentliche Punkte später für Kroatien übernommen wurden:38 „Die deutsche Wehrmacht hat im Frühjahr des vergangenen Jahres unsere Dörfer und Wohnstätten unter ihren Schutz genommen. [I]n unserem Land versuchte der bolschewistische Gegner […], sein Haupt zu erheben, die Straßen unsicher zu machen und unsere Dörfer anzuzünden. […] Für uns aber ist es nunmehr eine Ehrensache, dass wir, den Traditionen unserer Väter folgend, den Schutz von Haus und Hof selbst übernehmen. Ich rufe Euch daher auf, dass alle Männer vom 17. bis zum 50. Lebensjahr, […] sich bei ihrem Bürgermeister und in Belgrad bei der Kreisleitung der Volksgruppe zum Dienst mit der Waffe zum Schutze unserer Wohnstätten melden. Von diesem Dienst kann sich keiner, der gesund ist, ausschließen. Deutsche Volksgenossen, zeigt Euch Eurer Väter würdig durch mannhaften Einsatz und die Tat!“39 Während die erste Phase der Meldung noch recht erfolgreich verlief, wurde schnell klar, dass die Division die notwendige Anzahl von Rekruten nur erhielte, wenn das Freiwilligkeitsprinzip verwässert würde.40 Schon zum damaligen Zeitpunkt kam es deswegen zu Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Frage der Freiwilligkeit beziehungsweise der Wehrpflicht der „Volksdeutschen“.41 Bei der Einberufung der „Freiwilligen“ wurde der bereits im Banater Aufruf angedeutete Zwang mit dem Zusatz „Die Nichtbefolgung der Einberufung zieht die strengste Strafe nach sich“42 noch verstärkt. Der Aufruf in Kroatien wurde sogar noch schärfer als der Banater formuliert. Doch strich der deutsche Gesandte in Kroatien, Siegfried Kasche, den eigenmächtig vom Volksgruppenführer Branimir Altgayer erlassenen Stabsbefehl zur Wehrpflicht um den Passus „auf Befehl des Führers“ mit dem Hinweis, dass ein ausdrücklicher Führerbefehl nicht vorliege.43 Aber auch die Mitgliedschaft in der Volksgruppe ging von Beginn an mit einem gewissen Gehorsam gegenüber der Volksgruppenführung und der von ihr beschlossenen Maßnahmen einher.44 Während vor dem Einmarsch der deutschen Truppen in Jugoslawien durchaus nicht alle „Volksdeutschen“ in den Volksgruppen organisiert waren, mussten nach dem Einmarsch Aufnahmebeschränkungen für das Banat erlassen werden, da nun, wie der Volksgruppenführer vermerkte, alle, auch Menschen mit „[…] zu viel serbische[m] Blut, unzuverlässig und asozial […]“45, an den Privilegien der Volksgruppe teilhaben wollten. In Bezug auf die Mitglieder der Division aus anderen „volksdeutschen“ Siedlungsgebieten kommt hinzu, dass dort nur die Wahl bestand zwischen dem Dienst in der Waffen-SS oder in den jeweiligen Einheiten der nationalen Armeen. Dass dabei der Dienst in der Waffen-SS im Allgemeinen und in der SS-Division „Prinz Eugen“ im Besonderen vorgezogen wurde, zeigt sich nicht nur in der Massendesertion von „Volksdeutschen“ aus der rumänischen Armee 1943 nach der Niederlage von Stalingrad,46 sondern auch in Versetzungswünschen von „Volksdeutschen“ aus Kroatien von anderen SS-Einheiten zur „Prinz Eugen“.47 Die überwiegende Mehrheit zog es vor, in der Division zu dienen, anstatt in den anderen nationalen Armeen unter der Befehlsgewalt kroatischer, rumänischer und ungarischer Offiziere48 oder an der Ostfront, wo die Gefahr zu fallen höher war. Dennoch muss man davon ausgehen, dass es bei der Meldung der „Volks- 61 62 THOMAS CASAGRANDE deutschen“ zur 7. SS-Division neben echten Freiwilligen auch zum Dienst verpflichtete oder gar gezwungene Rekruten gab.49 Bereits am 27. April 1942, noch während der Aufstellungs- und Ausbildungsphase und Monate bevor die Division ihre ersten Einsätze im Partisanenkampf in Serbien durchführen sollte, verfasste der Divisionskommandeur SS-Gruppenführer Phleps Taktische Grundsätze zur Führung des Kleinkriegs. Die von Phleps so früh verfasste Schrift ist als Plan für die Aufstandsbekämpfung ein so genauer und gnadenloser Entwurf der zukünftigen Einsätze der 7. SS-Division „Prinz Eugen“, dass sie hier eingehender zitiert werden soll. „SS-Freiwilligen Division >Prinz Eugen< vom 27.4.42 Geheim!50 Taktische Grundsätze für die Führung des Kleinkriegs Die Bevölkerung muss wissen, dass sie keine Schonung findet, wenn Banden unangemeldet in ihrem Raum auftreten und es zum Kampfe kommt. Dem fanatisch kämpfenden Feind muss ein noch fanatischer und besser kämpfender Streiter entgegentreten. Es muss also das Kämpferische mit dem Jagdmässigen vereint in kühnem Wagen zum Erfolg gebracht werden. Auch geht die Bande nach getaner Arbeit wieder in die Bevölkerung auf, zumeist in Räumen, aus denen sie entstammt […]. Frauen und Kinder sind zumeist die Beobachter und Nachrichtenübermittler unserer Gegner. Grössere Bandenaktionen werden einheitlich geleitet, dieselben Bilder des Kampffeldes zeigen, die wir aus dem Kampf mit regulären Formationen kennen. Jede Gegenbande bekommt die Aufgabe eine bestimmte Bande tage-wochen-monatelang bis zur Vernichtung zu verfolgen. […] Die Stärke der Gegenbande wird nach der zur jagenden Bande festgelegt. […] Als geringste Stärke ist die Gruppe zu betrachten. In schwierigem Gebirgsgelände ist die Gruppe aus dem alpinen Zug zu entnehmen und nötigenfalls aus besonders gewandten Kletterern zusammenzusetzen. […] Dem Zug können als Verstärkung schwere Waffen wie s.MG, 1. und s. Gr. W., PAK und sogar Jagd-Geschütze zugewiesen werden. […] Um die Bevölkerung vom Ernst der Lage zu überzeugen und ihr den Boden zur Unterstützung der Banden zu nehmen, ist es oft zweckmäßig, wenn die Streifabt. beim Verweilen in Ortschaften Geiseln an sicherem Orte in Haft setzen, um im Falle eines Bandenüberfalls oder sonstigen feindseligen Handlungen durch Bevölkerungsteile exekutiert zu werden. […] Das Bataillon [ist] die Kampfeinheit, mit der die meisten Kampfhandlungen, selbst stärkeren Banden gegenüber, zum entscheidenden Abschluss gebracht werden können. Wenn nur irgendwie angängig, wird dem Bataillon eine Gebirgs-Kanonenoder Geb.Haubitz-Batterie zugeteilt, denn alle bisherigen Bandenkämpfe haben gezeigt, dass die irregulären Kämpfer Artl.-Feuer nicht vertragen. […] Eine fanatisierte Bevölkerung, besonders serbischer Nationalität, verträgt keine von Humanitätsduselei beeinflußte, vornehme, duldende Behandlung. Sie respektiert nur die brutale Gewalt. Sie will und muss den Herren jeder Zeit fühlen! […] Die Bevölkerung muss derart durch die Aktionen unserer Abteilungen und durch das Auftreten des Einzelnen beeindruckt sein, dass bereits das Erscheinen eines einzelnen Mannes, der die Odalsrune am Spiegel und das Hoheitszeichen am Arme trägt, Respekt einflösst und jede feindselige Handlung erstickt. Wo aber Ordnung und Disziplin herrscht, da muss wieder die Überzeugung Platz greifen, dass eine sich den Gesetzen fügende Bevölkerung unter dem Schutz des deutschen Schwertes in Ruhe und gut leben und jederzeit der Unterstützung des deutschen Soldaten teilhaftig werden kann. […] Beteiligt sich die Bevölkerung am Bandenkampf, so ist sie ohne Schonung zur Gänze niederzumachen und der Ort anzuzünden. […] Die Bevölkerung muss schon nach dem ersten Auftreten unserer Abteilungen wissen, dass sie keine Gnade findet, wenn sie sich nicht friedfertig verhält. […] Es wird wohl selten der Fall sein, dass [die Division] […] über alle ihre kriegsgliederungsgemäss zustehenden Kräfte verfügt, vielmehr werden oft Teile abgetrennt oder Rgts(Gefechtsgruppen-)weise in weit voneinander entlegenen Räumen eingesetzt sein. […] Diese hier entwickelten Grundsätze [sind] durch Rgt.- und Abt.-Kommandeure erläuternd Führern und Unterführern bekanntzugeben und bei jeder Gelegenheit zu DIE „VOLKSDEUTSCHE“ SSDIVISION „PRINZ EUGEN“ erläutern. Sie sind unter strengsten Verschluss zu halten, damit sie nicht in Feindeshand fallen.“51 Im Oktober 1942 begannen mit der Verlegung nach Südserbien die Kampfeinsätze der Division. Serbien wurde nach der Niederschlagung der Aufstände 1941 zum Zeitpunkt der Verlegung relativ sicher von den Besatzungsbehörden kontrolliert,52 so dass das in der Ausbildungszeit Erlernte noch langsam verfeinert werden konnte,53 ohne dass sich die einzelnen Einheiten gleich in größeren Kämpfen beweisen mussten. Wie von Phleps vorausgesehen, wurde die Division nicht geschlossen eingesetzt, sondern in Bataillons- und Kompaniestärke auf Städte und Dörfer verteilt, von denen aus die Verfolgung von Partisaneneinheiten aufgenommen wurde. Die für die Einsätze detailliert ausgefertigten Tagesbefehle enthielten neben den notwendigen militärtechnischen Einzelheiten zur Verwendung schwerer Waffen, zu Marschrouten, Ausrüstung und Verpflegung immer wieder auch Warnungen vor „[…] als Bauern, selbst Weiber, getarnte[n] Banditen […].“54 Wie mit der Zivilbevölkerung umzugehen war, entsprach ganz den Vorgaben aus den Taktischen Grundsätzen: „Jeder irreguläre Kämpfer ist vogelfrei/Div.Bef. 370/42/ wenn eine Vernehmung keinen Erfolg verspricht, ist er sofort zu erschiessen, andernfalls als Gefangener mitzunehmen.“55 In einem anderen Befehl heißt es Ende 1942: „Wer […] flüchten will, wird niedergemacht.“56 Gleichzeitig geht aus den Befehlen hervor, dass das Erschießen von Zivilisten nicht willkürlich in der Entscheidungsgewalt einzelner SS-Männer lag, sondern nur im Rahmen von Befehlen durchzuführen war, die der Aufrechterhaltung der Besatzungsherrschaft dienten: „Auf Morden, Rauben und Plündern steht die Todesstrafe. […] Ich verbiete Grausamkeiten und alle durch den Kampf nicht bedingten und daher vermeidbaren Härten gegenüber waffenlosen Einwohnern.“57 Im Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht wurden dann auch die von der „Prinz Eugen“ besetzten Ortschaften Kraljewo, Uschitze, Ivanitza, Tschatschak, Raschka, Mitrowitza und Novi Pazar im Zusammenhang mit „Säuberungsmaßnahmen“ genannt.58 Die Taktischen Grundsätze zur Führung des Kleinkriegs waren in der Tat eine direkte Handlungsanweisung, die auch an die Regimenter weitergegeben wurde. Ein Regimentsbefehl vom 4. Dezember 1942 während des Einsatzes in Serbien lautete: „Bezüglich Kampfführung verweise ich auf die von der Division wiederholt ergangenen Befehle und Weisungen (Kleinkrieg usw.).“59 In ihrem ersten Einsatz hatte die SS-Freiwilligen-Gebirgs-Division „Prinz Eugen“60 bei der Unterdrückung von Partisanenaktivitäten überzeugen können, so dass der deutsche Gesandte in Belgrad, Gerhard Feine, sie den „[…] deutschen militärischen Hauptmachtfaktor in Serbien nannte.“61 Nachdem nicht nur das Banat, sondern Ende 1942 auch Südserbien relativ sicher kontrolliert wurden, entsprach es den Interessen der Besatzungsbehörden, der SS, der Wehrmacht und der Volksgruppenführung, den „Machtfaktor“ „Prinz Eugen“ nach Kroatien zu verlegen. Dort hatte der Partisanenkrieg so an Intensität zugenommen, dass sowohl die Versorgung des Deutschen Reichs mit Rohstoffen, als auch die Existenz deutscher Streusiedlungen massiv gefährdet war. Für die Wehrmacht war es dabei weiter von Bedeutung, dass sie mit möglichst geringen eigenen Kräften an der Kontrolle Jugoslawiens beteiligt war, da sie jede Division für den Kampf an der Ostfront benötigte. Die SS wiederum sah gerade in Südosteuropa eine Chance, sich weiter personell zu vergrößern und begann bald mit der Aufstellung weiterer Verbände, diesmal aus kroatischen Muslimen (Bosniaken, Anm. d. Red.).62 Und auch für die „Volksdeutschen“ im Banat setzte sich der direkte Zusammenhang zwischen ihrem Einsatz und ihren Siedlungsgebieten weiter fort:63 die Standorte der Ausbildungs- und Ersatzeinheiten der 7. SS-Division „Prinz Eugen“ im Banat wurden beibehalten. Bis ins Jahr 1944 wurden Soldaten der Division als Erntehelfer in ihre Heimat freigestellt64 und die im Banat eingesetzten Sturmbanne der DM, die aus für den Dienst in der „Prinz Eugen“ zu jungen oder zu alten „Volksdeutschen“ zusammengestellt wurden,65 erhielten die Namen von gefallenen Banater Schwaben.66 Insgesamt ergab die Situation in Kroatien ein komplexes und gleichzeitig auch verworrenes Bild. Im Unterschied zum Bereich des Militärbefehlshabers Serbien galt es in Kroatien, 63 64 THOMAS CASAGRANDE DIE „VOLKSDEUTSCHE“ SSDIVISION „PRINZ EUGEN“ 65 Einsatz der „Prinz Eugen“ gegen Partisanen, Jugoslawien (Ort nicht bekannt), Oktober 1942 (Aufnahme aus dem Archiv Heinrich Hoffmann). die deutschen Interessen in Einklang mit dem Ustascha-Staat und den italienischen Verbündeten zu bringen. Gleichzeitig war der Krieg in Kroatien ein von unglaublicher Grausamkeit aller Beteiligten geführter Krieg67 „jeder gegen jeden“ schon vor der Verlegung der „Prinz Eugen“. Die Ustascha terrorisierte von Anfang an die serbische Zivilbevölkerung und schreckte auch vor Übergriffen gegen muslimische Bosniaken nicht zurück, die wiederum in erster Linie unter den an ihnen verübten Massakern serbischer Nationalisten, der Tschetniks, zu leiden hatten. Neben den ethnisch begründeten Auseinandersetzungen68 zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen bekämpften die multiethnischen kommunistischen Partisanen Titos sowohl die Ustascha, als auch die serbischen Nationalisten sowie die deutschen und italienischen Verbände. Darüber hinaus kam es zwischen italienischen und kroatischen Einheiten immer wieder wegen Grenzstreitigkeiten zu Konflikten. Für die „Prinz Eugen“ bestimmte auch in Kroatien die klassische Aufstandsbekämpfung den Alltag. Es ging gegen einen schwer zu fassenden Gegner, der sich die Unterstützung weiter Bevölkerungsteile zu sichern wusste. Der Alltag der Einheiten war von ermüdenden Märschen durch unzugängliches Gelände bestimmt, im Sommer bei unerträglicher Hitze und im Winter bei schneidender Kälte.69 In den Ruhephasen wurden die verschiedenen Einheiten zur Sicherung der Gebiete auf einzelne Städte oder Regionen aufgeteilt. Im größeren Verband von zwei Gefechtsgruppen oder auch in ganzer Stärke wurde die Division nur eingesetzt, wenn versucht wurde, Titos Partisanenarmee als Ganzes zu treffen. Die erste dieser Operationen, genannt „Weiß“, wurde von Januar bis Mitte März 1943 durchgeführt. Die 7. SS-Division versuchte zusammen mit zwei deutschen Infanteriedivisionen70 sowie kroatischen und italienischen Verbänden, die Konzentration der Partisanenarmee Titos in Kroatien zu zerschlagen. Diese war Ende 1942 so stark geworden, dass Tito die konstitutive Sitzung des AVNOJ im bosnischen Bihać an der Grenze zu Kroatien durchführen konnte.71 Nach der Zerschlagung der Tito-Verbände war beabsichtigt, die Region auch von allen nationalistischen Tschetnik-Verbänden zu säubern. Aber weder in der Operation „Weiß“ noch in einer der folgenden groß angelegten Operationen sollten die Ziele erreicht werden. Das Dilemma der deutschen Besatzungspolitik in Jugoslawien wurde schon 1943 sichtbar. Die Kampfkraft der verbündeten Armeen war nicht mit der Kampfkraft der deutschen Einheiten vergleichbar und im Kampf gegen große Partisanenverbände nicht zuverlässig. Weder die neben den deutschen Verbänden eingesetzten kroatischen noch die italienischen Divisionen erreichten rechtzeitig den Aufstellungsraum. Trotzdem konnte aus zahlenmäßigen Gründen nicht auf sie verzichtet werden. Mit der nächsten großen Operation „Schwarz“ im Mai und Juni 1943 sollte die Division „Prinz Eugen“ nicht nur die Verbände Titos, sondern auch die königstreuen nationalen Kräfte unter Mihailović in Serbien und Montenegro vernichten. Dabei war sie in zwei Gefechtsgruppen aufgeteilt und wieder durch kroatische und deutsche Einheiten verstärkt. Mit Hilfe der deutschen Luftwaffe gelang es, die Konzentration der Partisanenarmee zu zerschlagen.72 Obwohl nur wenig eigene Verluste verzeichnet wurden und man hohe Verluste der Partisanen zählte, konnte nicht verhindert werden, dass sich die Kerntruppen Titos absetzten73 und in anderen Räumen wieder neu formierten. Dass die Einsätze der Division, ganz wie in den Taktischen Grundsätzen geplant und vorhergesehen, sich zwangsläufig immer wieder gegen einzelne Ortschaften und ihre Bevölkerung richteten, belegen verschiedene Divisionsbefehle.74 Zum Teil wurden „Sühnemaßnahmen“ so willkürlich durchgeführt, dass sie auch verbün- Darstellung der Operation „Schwarz“ in der Enzyklopädie Jugoslawiens. 66 THOMAS CASAGRANDE dete Bevölkerungsteile der muslimischen Bosniaken und dabei sogar Freiwillige der aufzustellenden muslimischen SS-Division trafen.75 Dies führte zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den die Vorfälle untersuchenden SS-Polizeikräften, die die Proteste der muslimischen Seite unterstützten, und der nun unter Führung des SSBrigadeführers Carl von Oberkamp76 stehenden 7. SS-Division. Ein von der 1. Kompanie des Jäger-Regiments 1 der „Prinz Eugen“ am 12. Juli 1943 unter dem Kompanieführer Carl Juels begangenes Massaker an Männern, Frauen und Kindern des Dorfes Kosutica rief neben dem SS-Brigadeführer und Chef der Polizeiverbände in Kroatien, Konstantin Kammerhofer, den Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, auf den Plan. Himmler beauftragte schließlich Phleps,77 den Vorfall zu untersuchen, wobei Phleps in seinem Abschlussbericht keine Verfehlung des Kompanieführers Juels und seiner Männer feststellen konnte, da diese nur nach seinen, Phleps, eigenen Richtlinien gehandelt hätten und während des Gefechts nicht hätten merken können, dass sie auch „Muselmanen“ erschossen!78 Eine erste Veränderung der Kämpfe ergab sich für die Division, weiter unter Führung von SS-Brigadeführer von Oberkamp, in der zweiten Hälfte des Jahres 1943 nach dem Austritt Italiens aus der Achse. Sowohl die Kämpfe bei der Entwaffnung der italienischen Truppen, als auch die Kämpfe gegen die, durch italienische Waffen und Einheiten verstärkten Partisanenverbände glichen nun schon eher dem von Phleps prognostizierten Kampf mit regulären Formationen. Mit der Eroberung Dubrovniks79 und besonders während der Kämpfe um Split80 im Rahmen der Operation „Achse“81 konnte die 7. SS-Division „Prinz Eugen“ zeigen, dass sie den Anforderungen des Krieges gegen einen mit schweren Waffen ausgerüsteten Gegner gewachsen war.82 Im Anschluss gelang im Oktober 1943 in der Operation „Herbstgewitter“ die Säuberung der Inseln Hvar und Bratsch sowie der Halbinsel Peljeschatz und danach die Befriedung der dalmatischen Küste im Unternehmen „Landsturm“.83 Im gleichen Zeitraum intensivierten die Besatzungsbehörden in den Dörfern und Städten die Suche nach Partisanenunterstützern. Auch hier war die „volksdeutsche“ Bevölkerung, diesmal „volksdeutsche“ Frauen, zuverlässige Stütze der deutschen Besatzung. So hieß es über regelmäßig durchzuführende Razzien und damit verbundene Leibesvisitationen der festgenommen weiblichen Verdächtigen, dass neben deutschem weiblichem Personal „[…] hierfür vor allem „volksdeutsche“ Frauen […]“ einzusetzen seien.84 Sowohl die Razzien als auch verschiedene gleichzeitig durchgeführte „Säuberungsmaßnahmen“ der „Prinz Eugen“ wurden unter dem Operationsnamen „Falkenjagd“ geführt. Während die „volksdeutschen“ Frauen beim Aufbringen von Partisanensympathisanten aktiv waren, wurden in der Nähe von Stolatz ganze Ortschaften niedergebrannt und die dortige „kommunistische Bevölkerung“ vernichtet. Dabei waren die „volksdeutschen“ Männer der Einheiten der „Prinz Eugen“ nicht nur in den Mannschaften aktiv. Der Kompanieführer der an der Maßnahme beteiligten 9. Kompanie des 1. Bataillons des 14. Regiments der „Prinz Eugen“ war zu diesem Zeitpunkt der schon genannte „Erneuerer“ Jakob Lichtenberger.85 Von Dezember 1943 bis Februar 1944 erstellte das Referat Kroatien der Volksdeutschen Mittelstelle verschiedene umfassende Lageberichte.86 Da die Verluste relativ gering waren – für den vierteljährigen Zeitraum wurden ca. 75 tote Selbstschutzmänner und Zivilisten gemeldet – lag der Schwerpunkt der Ausführungen auf den Versuchen der Partisanen, vor allen Dingen die Jugend der „volksdeutschen“ Bevölkerung zum Eintritt in die „antifaschistischen Organisationen“ zu bewegen. Darüber hinaus versuchten die Partisanen, „volksdeutsche“ Gefangene für die seit einiger Zeit bestehende deutschsprachige Partisanenkompanie „Ernst Thälmann“ zu rekrutieren. Allerdings zeigen die Berichte, dass sich diese Versuche als vergeblich erwiesen und sich die Kluft zwischen den Tito-Partisanen und den „Volksdeutschen“ weiter vertieft hatte. Grund dafür sei, „a) die Flucht der für das „Volksbefreiungsheer“ gemusterten Volksgruppenangehörigen; b) das Bestreben der Frauen und Jugendlichen, sich dem Beitritt zu den antifaschistischen Frauen- und Jugendorganisationen zu entziehen; c) die Feststellung, dass trotz der getroffenen Vorkehrungen Nachrichten über Tätigkeit und Bewegung der DIE „VOLKSDEUTSCHE“ SSDIVISION „PRINZ EUGEN“ Banden durch Volksgruppenangehörige an die deutsche Polizei und Wehrmachtsstellen gegeben werden“.87 Die „zusammenfassende Lagebeurteilung“ über Februar 1944 schloss mit den Worten: „Trotz den der Volksgruppe durch das Bandenwesen bereiteten Schwierigkeiten ist sie bestrebt, ihre Kriegspflichten voll zu erfüllen. Das eigenständige Leben der Volksgruppe entwickelt sich zufriedenstellend und die notwendige Grenzziehung gegenüber der fremdvölkischen Umwelt wird immer klarer.“88 Obwohl offensichtlich der größte Teil der „volksdeutschen“ Zivilbevölkerung auch weiter hinter der deutschen Besatzungsmacht stand, kam es doch auch zu diesem Zeitpunkt noch zu Weigerungen einzelner „Volksdeutscher“, den Einberufungen zur Waffen-SS Folge zu leisten.89 Für die Division „Prinz Eugen“, die nun von SS-Brigadeführer Otto Kumm geführt wurde, wiederholte sich in der ersten Hälfte des Jahres 1944 das bekannte Bild des Partisanenkriegs der zurückliegenden Jahre. Obwohl sie in direkten Kämpfen den Partisaneneinheiten überlegen war, gelang es ihr nicht, deren Absetzung und Neuformierung zu verhindern. Dass beim Kampf der „Prinz Eugen“ immer wieder auch die verschiedenen Interessen und auch die Rivalität zwischen den Volksgruppen von Bedeutung waren, ist sichtbar geworden. Selten lässt sich dies so eindeutig zeigen, wie bei einem von der „Prinz Eugen“ durchgeführten Massaker, das im Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg zur Sprache kam.90 Die Ermordung hunderter Männer, Frauen und Kinder91 des Dorfes Otok in der Nähe von Split im März 1944 durch eine Einheit der „Prinz Eugen“ war dabei nicht nur Ausdruck einer generell barbarischen Kriegsführung,92 sondern auch Ausdruck des Kampfes verschiedener Bevölkerungsgruppen um Macht und Reichtum in der gemeinsamen Heimat. Mitglieder der vom „volksdeutschen“ SS-Obersturmbannführer Bernhard Dietsche geführten Einheiten der Division stammten aus den donauschwäbischen Siedlungsgebieten Syrmien und Slawonien, aus denen wegen der starken Partisanentätigkeit die „Volksdeutschen“ evakuiert werden mussten. Die Mitglieder der SS-Einheiten, die in Otok mordeten, hatten Kenntnis, dass die dortige Bevölkerung zur Umsiedlung in die Dörfer und Bauernhöfe, die ihre eigenen Familien hatten verlassen müssen, vorgesehen war. Ein Zusammenhang, der auch den damaligen deutschen Behörden nicht verborgen blieb, wie den Ausführungen des deutschen Gesandten in Kroatien, Siegfried Kasche, zu entnehmen ist.93 Grundsätzlich ist festzuhalten: anders als in anderen Kampfgebieten war die „Prinz Eugen“ in Jugoslawien keine kämpfende Truppe in der Fremde. Im Kampf gegen Titos Partisaneneinheiten bekämpften „Volksdeutsche“ ihre Nachbarn, neben denen sie zum Teil seit Jahrhunderten gelebt hatten. Bei den Kämpfen ging es um die „volksdeutsche“ Herrschaft über die gemeinsame Heimat. Der Sommer 1944 wurde zum Höhe- und Wendepunkt der Kämpfe der „Prinz Eugen“. Fast wäre es der Division, die bis auf das 14. Regiment geschlossen teilnahm,94 in der Operation „Rösselsprung“ im Juni 1944 gelungen, sich Titos in seinem Hauptquartier in der Nähe von Drvar zu bemächtigen.95 Wie von Phleps gefordert, fand im Anschluss die „ungehinderte freie Jagd“ auf die sich zurückziehenden Partisanenverbände statt, so dass kurzfristig ein Rückgang der Partisanenaktivitäten erreicht wurde.96 Mit dem absehbaren Sieg der Roten Armee gegen die Heeresgruppe Mitte und den alliierten Erfolgen nach der Landung in der Normandie stieg der Druck der Partisanen wieder97 und es machte sich eine erste Unsicherheit unter der „volksdeutschen“ Bevölkerung breit.98 Phleps forderte im Juli 1944 die Auflösung des kroatischen Staates und noch größere Härte: „Konzentrationslager, Arbeitskolonnen und die Todesstrafe müssen Hand in Hand die Übeltäter fassen, weil der Balkanmensch die milde Hand nicht verträgt. Er muss die Peitsche fühlen.“99 Die Evakuierung der gesamten männlichen Bevölkerung zwischen 12 und 70 Jahren als Arbeitskräfte ins Deutsche Reich sowie die Schussfreiheit auf alle männlichen Zivilisten im Anschluss,100 die Otto Bayer, weltanschaulicher Führer im V. SS-Gebirgskorps und SS-Standartenführer, forderte, konnten wegen der folgenden Ereignisse nicht mehr umgesetzt werden. 67 68 THOMAS CASAGRANDE Nach dem endgültigen Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte im Juli 1944 wechselte zuerst Rumänien im August die Fronten. Der folgende schnelle Vorstoß der Roten Armee nach Jugoslawien beendete die Operation „Rübezahl“101, den letzten großangelegten Versuch, doch noch Titos Einheiten zu zerschlagen. Im September erklärte auch das bis dahin verbündete Bulgarien dem Deutschen Reich den Krieg. Damit wurde der Einsatz der „Prinz Eugen“ endgültig zum Kampf gegen reguläre Formationen, denn nicht nur bulgarische, rumänische und russische Einheiten, sondern auch große Partisanenformationen suchten nun die Konfrontation mit der 7. SS-Division.102 Ihr erster vollständiger Fronteinsatz fand unter hohen Verlusten in der Nähe von Niš statt, als die Division den Rückzug der Heeresgruppe E aus Griechenland decken musste.103 Zur gleichen Zeit wurde die „volksdeutsche“ Zivilbevölkerung so gut es ging evakuiert,104 wobei dies aber durch den Durchbruch der Roten Armee im Banat fast völlig misslang.105 Unter dem Kommando von SS-Brigadeführer August Schmidhuber ging es bis Ende 1944 für die Division durch ihr altes Einsatzgebiet unweit der Siedlungsgrenze des Banats in Richtung österreichischer Grenze zurück, wo ihre Reste bis auf kleine Teile, die sich absetzen konnten, im Mai 1945 in jugoslawische Kriegsgefangenschaft ging. Die „volksdeutsche“ SS-Division „Prinz Eugen“ war der radikalste Ausdruck der Identifikation der „Volksdeutschen“ Jugoslawiens mit dem Deutschen Reich und der vermeintlichen Überschneidung reichsdeutscher und „volksdeutscher“ Interessen. Der Preis für die „Volksdeutschen“ war hoch: Hinrichtung der Aktivisten, Massendeportationen und Zwangsarbeit, „Konzentrationslager“ und Ausschluss aus dem öffentlichen Leben. Wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der „Prinz Eugen“ endete auch die Geschichte der „Volksdeutschen“ in Jugoslawien. „Das deutsche Volk im Reich hat […] uns wieder in seine Gemeinschaft aufgenommen und unsere Gegner haben uns als Deutsche kennengelernt.“106 1943 hatte dies aus dem Mund des Volksgruppenführers Sepp Janko wie eine Verheißung geklungen. Nach dem Ende des Krieges wurde es für die „Volksdeutschen“, vor allen Dingen für die Banater Schwaben in Jugoslawien, zum Verhängnis. Dass ihr Einsatz in der 7. SS-Division „Prinz Eugen“ eng mit der Aufwertung der deutschen Volksgruppe, und im Kontext des Krieges dann auch mit Herrschaftssicherung gegenüber den slawischen Nachbarn verwoben war, konnte gezeigt werden. Es ist selbstverständlich, dass die kollektive Verurteilung, Internierung und Vertreibung aller „Volksdeutschen“, gerade unter Einschluss von Familien, von Frauen und Kindern, Unschuldigen unsägliches Leid zufügte und selbst Unrecht war. Aber wer wollte einem Artikel aus der Belgrader Zeitung Politika vom 24. Dezember 1944 widersprechen, in dem es hieß: „[…] Wer könnte die unzähligen Sabotageakte, den Verrat und die Denunziationen, die die Deutschen aus Jugoslawien während der schweren Tage in Jugoslawien verübten, aufzählen? Wer würde die Plünderungen, Morde, Schlägereien und das Erhängen anführen können, die von ihnen an unserem Volke seit April 1941 begangen wurden? […] Man könnte ein dickes Buch schreiben, voll von Missetaten, Leid und Elend. Und was sollen wir über die Prinz Eugen Div. sagen? Sie wurde aus Volksdeutschen des Banats zusammengestellt und zog im Verlaufe von 3 Jahren brandstiftend, zerstörend und mordend durch Serbien, Herzegowina und Montenegro.“107 DIE „VOLKSDEUTSCHE“ SSDIVISION „PRINZ EUGEN“ 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 1 2 3 Holm Sundhaussen, Experiment Jugoslawien. Von der Staatsgründung bis zum Staatszerfall, Zürich 1993, S. 36 – 37. Detlef Vogel, Deutschland und Südosteuropa. Von politisch-wirtschaftlicher Einflußnahme zur offenen Gewaltanwendung und Unterdrückung, in: Wolfgang Michalka (Hg.), Der Zweite Weltkrieg. Analysen, Grundzüge, Forschungsbilanz, München 1989, S. 538 –539. Die wiederholten Versuche der Donauschwaben, ihre Aufteilung auf verschiedene Staaten zu verhindern, scheiterten endgültig auf der Pariser Konferenz 1920. Vgl. Josef Volkmar Senz, Geschichte der Donauschwaben, München 1987, S. 187; Hans-Ullrich Wehler, Nationalitätenpolitik in Jugoslawien. Die deutsche Minderheit 1918 –1978, Göttingen 1982, S. 26. 26 27 28 29 30 Zur Entstehung der ethnischen Gruppe der Donauschwaben, ihrer Situation in Jugoslawien und dem steigenden Einfluss des Nationalsozialismus siehe Thomas Casagrande, Die „Volksdeutsche“ SS-Division „Prinz Eugen“. Die Banater Schwaben und die nationalsozialistischen Kriegsverbrechen, Frankfurt 2003, S. 87–146. Otto Weidinger, Division das Reich. Der Weg der 2. SS-Panzer-Division „Das Reich“, Bd. 2: 1940 –1941, Coburg 1994 (4. Aufl.), S. 326 – 327. Vladis O. Lumans, Himmler’s Auxiliaries. The Volksdeutsche Mittelstelle and the German National Minorities of Europe 1933 –1945, London 1993, S. 42. Matthias Annabring, Volksgeschichte der Deutschen in Jugoslawien (Geschichte der Donauschwaben, Bd. 2), Stuttgart 1955, S. 70 –71. Schreiben Jankos zur Abordnung von Lichtenberger und Reiser im September 1941, Bundesarchiv Berlin (BAB), NS19/2358; Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.), Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 5: Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, Bonn 1961, S. 65 – 66. Sepp Janko, Weg und Ende der deutschen Volksgruppe in Jugoslawien, Graz/Stuttgart 1982, S. 162; Louis de Jong, Die deutsche fünfte Kolonne im Zweiten Weltkrieg. Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 4, Stuttgart 1959, S. 218. Schreiben des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) an das Auswärtige Amt (AA) vom 28.3.1941, Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PAAA) Inl.IIg 251/2419 Bl. H297814– H297816. Schreiben des AA vom 15.4.1941, ebenda, Bl. H297823–H297829. Berichte von Johann Wüscht, Jakob Lichtenberger und anderen „volksdeutscher“ Aktivisten vom 17.4.1941, die in einer Mappe an Helmut Triska, Referatsleiter im Auswärtigen Amt, übergeben wurden, PAAA Inl.IIg 251/2419. Bericht des Beauftragten der ungarischen Regierung Dr. Novak. Kopie am 14.5.1941 an das OKW und das AA verschickt, PAAA Inl.IIg 253/2423. Sundhaussen, Experiment Jugoslawien, S. 68. Siehe Beschwerdeschreiben von Sepp Zwirner, Landesbauernführer der deutschen Volksgruppe, an die VoMi über die nicht schnell genug durchgeführte Verteilung des jüdischen Besitzes vom 31.10.1941, PAAA Inl.IId R100614. Auf der Liste der an der Arisierung beteiligten „Volksdeutschen“ findet sich eine Reihe von späteren Mitgliedern der 7. SS-Division, u. a. Georg Awender, Ludwig Halbweiß, Christof Mayer-Helmer, ebd. 19/2 R100587. SS-Gruppenführer Staatsrat Harald Turner, Chef der Militärverwaltung in Serbien, übergab im März 1942 einen Teil der „Judengelder“ Serbiens an Arthur Phleps zur Unterstützung des Aufbaus der „Prinz Eugen“. Dieser musste die Gelder allerdings zurückgeben, da der Höhere SS- und Polizeiführer (HSSPF) Serbiens, SS-Obergruppenführer August Meyszner, auf einer ordnungsgemäßen Abrechnung bestand. Schreiben Meyszners an Heinrich Himmler vom 4.9.1942, BAB NS19/1672. Bericht des Polizeipräfekten im Banat, Franz Reith, 15.1.1942 an das AA, PAAA Inl.IIg 283/2500. Vortrag von Leopold Egger, Leiter des wirtschaftlichen Hauptamtes, auf der Banater Hochschulwoche 3.4. bis 10.4.1944, PAAA Inl.IId 5/3. Janko, Weg und Ende, S. 230. Klaus Schmider, Der Partisanenkrieg in Jugoslawien 1941–1944, Hamburg u. a. 2002, S. 69 –104. Dokumentation der Vertreibung, Bd. 5, 65E und BAB NS19/2725. Schreiben Theodor Eickes vom 15.11.1941 an Hans Jüttner, SS-Obergruppenführer und Chef des SS-Führungshauptamtes (FHA), Militärarchiv Prag, Karton 1,4/kr1.SS Kraftfahr-, Ausbildungsund Ersatzregiment. Schmider, Der Partisanenkrieg, S. 69 –104. Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (Hg.), Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1941–1942 (Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, Quellen, Bd. 3), bearbeitet von Peter Witte, Hamburg 1999, S. 256; Janko, Weg und Ende, S. 214. Schreiben des Chefs des OKW, Wilhelm Keitel, an Heinrich Himmler 30.12.1941, BAB NS19/3519, Bl. 197–186. Keine andere SS-Division der Aufstellungsjahre bis 1944, die Divisionskampfstärke erreichte, war in einem so begrenzten Gebiet eingesetzt wie die „Prinz Eugen“. Die maximale Entfernung des Kampfraums vom Aufstellungsgebiet betrug nie mehr als 400 Kilometer. In der Tat fand ein Großteil der Kämpfe entweder im direkten Umfeld der „volksdeutschen“ Heimat oder aber nur 100 bis 200 km entfernt statt. Verfügung des SS-FHA zur Aufstellung der Division vom 1.3.1942, BAB NS19/3519, Bl. 138 – 213. Ebenda, Bl. 57. BAB, NS19/2878, Bl. 1–2. BAB, NS19/3519, Bl. 55. Phleps war bereits früh von der SS gefördert worden, da man sich durch ihn eine größere Anziehungskraft bei der Werbung von „Volksdeutschen“ erhoffte. Schreiben Bergers an Himmler vom 10.4.1941, BAB, NS19/2724. 69 70 THOMAS CASAGRANDE 31 Mehr zur Mythologisierung der „volksdeutschen“ Geschichte für die SS-Divsion „Prinz Eugen“ in Casagrande, „Prinz Eugen“, S. 219 – 221. 32 Nach der letzten jugoslawischen Volkszählung von 1931 lebten ca. 500.000 „Volksdeutsche“ im damaligen Jugoslawien. Nach der Zerschlagung und Aufteilung Jugoslawiens 1941 und der Abtretung der Baranja und Batschka an Ungarn verblieben insgesamt ca. 150.000 „Volksdeutsche“ in Slawonien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina. Im Bereich des Militärbefehlshabers Serbien lebten im Westbanat ungefähr 120.000 und in Restserbien ungefähr 16.000 „Volksdeutsche“. Die Volksgruppenführung liegt für alle Regionen bei etwas höheren Zahlen. Vgl. Dokumentation der Vertreibung, Bd. 5, S. 11E und Janko, Weg und Ende, S. 89 – 90. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang auch ein Schreiben der VoMi an Heinrich Himmler vom 31.3.1942, in dem unter Verweis auf eine Erhebung Ende 1941 von ca. 199.000 Mitgliedern der Volksgruppe im NDH-Staat gesprochen wird. Die Begründung dazu lautet, dass die starke Erhöhung „auf die Rückdeutschung des kroatisierten Deutschtums infolge der politischen Ereignisse zurückzuführen“ sei. BAB, NS19/319, Bl. 17. Siehe auch S. 9 und Anm. 45 in diesem Text. 33 Für andere SS-Divisionen galten die SS-Eignung und 170 cm Mindestgröße, für SS-Brigaden und Polizei 165 –168 cm und kv Heer, für Konzentrationslager SS-geeignet und kv und 165 cm, BAB NS 31/367, Bl. 23. 34 Beschluss zur „Arbeitsleistungsdienstpflicht für die gesamte serbische Bevölkerung“, PAAA Inl. IId 26/4 R100615. 35 Schreiben Phleps an Altgayer im September 1942, PAAA Inl.IIg 305/2563. 36 Bericht über die „Landsmannschaftliche Zusammensetzung der Division“ vom 20.2.1944, Militärarchiv Freiburg (MA) RS3-7/17, Bl. 463. 0,006 Prozent kamen aus sonstigen „volksdeutschen“ Gruppen und wurden nicht näher zugeordnet. 37 Otto Kumm, „Vorwärts, Prinz Eugen!“ Geschichte der 7. SS-Freiwilligen-Division „Prinz Eugen“, Osnabrück 1978, S. 40. 38 Aufruf im September 1942 in Kroatien, PAAA Inl.IIg 305/2562 Bl. K21. 39 Aufruf im Banat, PAAA Inl.IIg 17d/1767 Bl. 129690 –129691. Der Anfang wurde noch einmal kurz vor der endgültigen Form abgeändert. PAAA Inl.IIg 323/2606 Bl. H299599. 40 Janko, Weg und Ende, S. 216. 41 Vgl. unter anderem den Briefwechsel der VoMi, des OKW und des AA in den Jahren 1942–1944, PAAA Inl.IIg 254/2426 Bl. N1–N16, Inl.IIc R100384. Auch in Historikerkreisen setzt sich die Auseinandersetzung über die Existenz eines „Führerbefehls“ beziehungsweise der Aufgabe des Freiwilligkeitsprinzips fort (vgl. Robert Herzog, Die Volksdeutschen in der Waffen-SS, Tübingen 1955, S. 13; George Stein, Geschichte der Waffen-SS, Düsseldorf 1967, S. 153; Bernd Wegner, Hitlers Politische Soldaten, Paderborn 1997, S. 273). 42 Dokumentation der Vertreibung, Bd. 5, Anlage 8, S. 177E. 43 Schreiben Kasches an das AA in Berlin vom 19.9.1942, PAAA Inl.IIg 305/2562 Bl. K21. 44 Janko, Weg und Ende, S. 22 – 32. 45 Weisung Jankos zur letzten Hauptkontrolle der Volksgruppen-„Bewährungsmitglieder“, BAB NS 19/2601. 46 Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.), Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 3: Das Schicksal der Deutschen in Rumänien, Bonn 1957, S. 54E und Anlage 8 sowie verschiedene Schreiben des AA im März 1943, PAAA Inl.IIg 17e/1768 Bl. 130043 – 47, 17a/1755 Bl. 327923 – 24. 47 Siehe Ausbildungsbericht des SS-Grenadier-Ausbildungsbataillons „Ost“ an das SS-FHA vom 20.10.1943, Militärarchiv Prag, 18. SS-Division „Horst Wessel“, Karton 4. 48 Siehe auch den Bericht eines „Volksdeutschen“ aus der Baranja in: Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.), Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa. Bd. 2: Das Schicksal der Deutschen in Ungarn, Bonn 1956, S. 3. 49 Dokumentation der Vertreibung, Bd. 5, S. 65 – 66. 50 Alle Unterstreichungen und Hervorhebungen im Original, der Verfasser. 51 Artur Phleps an die SS-Freiwilligen-Division „Prinz Eugen“ am 27.4.1942, MA RS3-7/15, Bl. 199 – 228. 52 Im Kriegstagebuch des OKW finden sich für Herbst 1942 kaum Berichte über nennenswerte Kampfhandlungen in Serbien, während sich vor allen Dingen in Westbosnien die Situation ab Mitte November verschärft. Vgl. Andreas Hillgruber u. a. (Hg.), Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (Wehrmachtführungsstab) 1940 –1945, geführt von Helmut Greiner und Percy Ernst Schramm, im Auftrag des Arbeitskreises für Wehrforschung hrsg. v. Percy Ernst Schramm in Zusammenarbeit mit Andreas Hillgruber, Walther Hubatsch und Hans-Adolf Jacobsen, 4. Bde., München 1982, Tb. II, S. 948 ff., 986 ff., 1038 ff. 53 Kumm, „Vorwärts, Prinz Eugen!“, S. 43. 54 Phleps Vorbefehl vom 3.10.1942 an die Division, MA RS4/1419 Bl. 43 – 44. 55 Befehl an die vorgeschobenen Kompanien vom 1.10.1942, Militärarchiv Prag, inr.e.1/kr.1. 7. SS-Gbe.-Division „Prinz Eugen“. 56 Ebenda, Sonderbefehl für das Unternehmen „Jasenovo-Kokin Brod“. DIE „VOLKSDEUTSCHE“ SSDIVISION „PRINZ EUGEN“ 57 Divisionsbefehl vom 13.12.1942, MA RS4/1419 Bl. 60, Bl. 70. Hervorhebungen im Original. Die Frage nach dem Verhältnis von im Sinne der SS berechtigten und unberechtigten „Sühnemaßnahmen“ sollte in den kommenden Jahren immer wieder von Bedeutung sein und wird auch später im Text noch einmal aufgegriffen. 58 Hillgruber, Kriegstagebuch des OKW, 1942, Tb.II, S. 997, 1013, 1155. Ein Mitglied der Schlachterkompanie der „Prinz Eugen“ bestätigte dem Verfasser die summarische Erschießung von Serben während der dortigen Stationierungszeit. 59 Divisionsbefehl vom 4.11.1942, MA RS4/1419, Bl. 61. 60 Offizielle Bezeichnung ab 1943. Paul Hausser, Soldaten wie andere auch, Osnabrück 1966, S. 377. 61 Schreiben Feines Dezember 1942, PAAA Inl. IIg. 323/2606 Bl. H299538. 62 Siehe u. a. Schreiben Bergers an das AA vom 7. Januar 1943, PAAA Inl. IIe. 1769 Bl. 130165. 63 Janko, Weg und Ende, S. 233. 64 MA:RS4/1136, Bl. 3938. 65 Befehl Himmlers zur Verwendung der „Volksdeutschen“ bei Sicherungsmaßnahmen und Einberufung zur DM aller 17- bis 60-Jährigen, die nicht im aktiven Wehrdienst standen. PA/AA Inl. IIg 323/2606 H299550. 66 Veröffentlichung in den Amtsblättern der Volksgruppe vom 15.11.1943, PAAA Inl. IIc. R100383. 67 Siehe verschiedene Berichte muslimischer Gemeinden vom 10.2.1943. Sie enthalten eine Fülle von erschütternden Einzelheiten. PAAA Inl. IIg. 310/2574 Bl. F12–F14. 68 Siehe zu Ursachen und Struktur ethnischer Konflikte Casagrande, „Prinz Eugen“, S. 27–77. 69 Siehe Bericht von Oberkamp im Januar 1944, MA RS 3-7/17. 70 Die 714. Infantrie-Division (ID) und die 717. ID waren beide eigens für Besatzungszwecke aufgestellt worden und hatten „Säuberungsaufgaben“ und „Sühnemaßnahmen“ an der Zivilbevölkerung durchgeführt, die Tausende von Serben das Leben kosteten. Vgl. Walter Manoschek und Hans Safrian, 717./117.ID. Eine Infantrie-Division auf dem Balkan, in: Hannes Heer und Klaus Naumann (Hg.), Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944, Hamburg 1995, S. 359 – 61. Beide Divisionen waren aber nach Einschätzung des OKW nicht den Anforderungen des Krieges gegen eine gut gerüstete Partisanenarmee gewachsen. Vgl. Hillgruber, Kriegstagebuch des OKW, 1943, Tb. I, S. 65. 71 Sitzungsprotokoll des Kongresses, PAAA Inl. IIg. 86/1957 Bl. H300310–300313. 72 Siehe Divisionsbefehl vom 10.5.1943 zur Operation „Schwarz“, MA RS 4/1420 und Lageberichte vom 21.5. und 27.5.1943, vgl. Hillgruber, Kriegstagebuch des OKW, 1943, Tb. I, S. 514 und 545. In der Abschlussmeldung wird von nur 465 eigenen Toten bei 281 Vermissten, aber von mindestens 10.000 bis 12.000 toten Partisanen gesprochen, vgl. Hillgruber, Kriegstagebuch des OKW, 1943, Tb. I, S. 647. Das Missverhältnis erklärt sich aus der Gewohnheit der deutschen Verbände, posthum alle Getöteten zu Partisanen zu erklären, vgl. Heer, Vernichtungskrieg, S. 57– 59. 73 Hillgruber, Kriegstagebuch des OKW, 1943, Tb. I, S. 642. 74 Siehe u. a. Divisionsbefehle Operation „Weiß“ MA RS 4/1419, „Schwarz“ MA RS 4/1420 Do. 24. 75 Bericht des Chefs der Polizeiverbände, SS-Brigadeführer Kammerhofer, über Vergeltungsmaßnahmen von Wehrmacht und Waffen-SS im Raum Sarajewo vom 15. Juli 1943, BA NS19/1434 Bl. 2 – 6. 76 Phleps war mit der Bildung des V. SS-Korps beauftragt worden, er sollte aber auch weiterhin den Oberbefehl und den direkten Kontakt zu seiner Kernformation der „Prinz Eugen“ behalten. Schreiben Himmlers an Phleps vom 31.3.1943 BA NS19/2601, Bl. 6. 77 Schreiben Himmlers and Phleps vom 6.8.1943 BA NS19/1434 Bl. 8. 78 Abschlussbericht Phleps an Himmler vom 7.9. 1943, MA N756/149. In diesem Zusammenhang soll eine Personalzuweisung zur 7. SS-Division vom 29.3. 1943 nicht unerwähnt bleiben. Der SSHauptsturmführer Hans Bothmann wurde zusammen mit 85 seiner Männer vom Sonderkommando zur Liquidierung von Juden im Vernichtungslager Kulmhof nahe Łódź, damals Litzmannstadt, auf Weisung Himmlers zur „Prinz Eugen“ versetzt. Sie blieben bei der Division bis Februar 1944, bevor sie wieder nach Kulmhof zurückkehrten, um die dortige Ermordung der Juden endgültig abzuschließen. Schreiben des Reichsstatthalters vom Warthegau Greiser an Himmler und Schreiben von Himmlers persönlichem Stab Dr. Brandt an das SS-FHA, BA NS19/2635. Neben Bothmann dienten mit Victor Brack und Friedrich Krüger noch weitere exponierte Mörder der Juden in der „Prinz Eugen“. Vgl. Casagrande, „Prinz Eugen“, S. 216 und 270 – 271. Krüger verglich denn auch die Einsätze der „Prinz Eugen“ mit seinen Erfahrungen bei der Niederschlagung von Aufständen in Polen und der dortigen Liquidierung der jüdischen Bevölkerung. BA NS19/2653 Bl. 102. 79 Eingesetzt wurde die „Gefechtsgruppe Schmidhuber“. SS-Brigadeführer August Schmidhuber wurde am 20. Januar 1945 zum Divisionskommandeur der „Prinz Eugen“ ernannt. 80 Eingesetzt wurde die „Gefechtsgruppe Schmidhuber“. SS-Standartenführer Heinrich Petersen bekam für seinen Einsatz in Split das Ritterkreuz verliehen. Ernst-Günther Krätschmer, Die Ritterkreuzträger der Waffen-SS, Oldendorf 1982 (3. Auflage), S. 589. 81 Hillgruber, Kriegstagebuch des OKW, 1943, Tb. II, S. 850 und 1647. 71 72 THOMAS CASAGRANDE 82 Manachem Shelah, Die Ermordung italienischer Kriegsgefangener, September – November 1943, in: Hannes Heer und Klaus Naumann (Hg.), Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944, Hamburg 1995, S. 193 –197 und Hillgruber, Kriegstagebuch des OKW, 1943, Tb. II, S. 1094 ff. 83 Die vom Kommandeur der „Prinz Eugen“, Otto Kumm, 30.1.1944 bis 20.1.1945 verfasste Divisionsgeschichte besteht aus einer Aneinanderreihung von militärischen Details, wie sie auch in anderen Büchern ehemaliger Mitglieder der Waffen-SS üblich ist. Die dargestellten rein militärischen Aspekte halten dabei dem Vergleich mit Originaldokumenten stand, während alle Aspekte der Aufstandsbekämpfung, der Zivilisten zum Opfer fielen, geleugnet werden, so dass weder dementsprechende Divisionsbefehle, noch die Taktischen Grundsätze erwähnt werden. Kumm, „Vorwärts, Prinz Eugen!“, S. 120 –121. 84 Befehl des Panzeroberkommandos 2 vom 21. Dezember 1943, MA RS 3-7/14 Bl. 60 ff. 85 Siehe Divisionsbefehl Operation „Falkenjagd“, MA RS 4/1131 Bl. 4021 und 4024. 86 Lageberichte 12/43 bis 2/44 „Referat Kroatien der Volksdeutschen Mittelstelle“, PAAA Inl. IIg 404/2824 Bl. 393201– 220. 87 Ebenda Bl. 393211. 88 Ebenda Bl. 393209. 89 Siehe Telegrammwechsel zwischen AA und OKW zwischen März und Mai 1944, PA/AA Inl. IIc. R 100384. 90 Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg, Nürnberg 1949. Band XX, S. 409. 91 Über die genaue Anzahl herrscht Uneinigkeit. In Nürnberg wurde von 834 Opfern des Massakers ausgegangen (vgl. Nürnberg 1949, S. 409), während 1944 die kroatische Seite von 1.000 und die deutschen Behörden von 486 Opfern sprachen. Bericht von Phleps an den deutschen Gesandten in Kroatien, Siegfried Kasche, vom 16. April 1944, PA/AA Inl. IIg. 404/2824. 92 Der Abschlussbericht Phleps an Kasche vom 16. April 1944 sieht wieder keinerlei Schuld bei den SS-Einheiten, da die nachträglichen Erschießungen berechtigt gewesen seien, wegen: „Fund von Munition, Propagandamittel, Verweigerung der Aussagen, feindliches Verhalten durch Verweigerung von Unterkunft, Stroh.“ PA/AA Inl. IIg. 404/2824 Bl. H298876. 93 Verschiedene Schreiben des deutschen Gesandten in Kroatien, Kasche, zwischen April und November 1944, PA/AA Inl. IIg. 404/2824 und 405/2828. 94 MA RS 4/1135 Bl. 3937 ff. Wie für alle SS-Divisionen waren auch für die „Prinz Eugen“ im Oktober 1943 neue Nummerierungen eingeführt worden. Die Regimenter 1 und 2 wurden zu 13 und 14. Georg Tessin, Waffen-SS und Ordnungspolizei im Kriegseinsatz 1939 – 1945, Osnabrück 2000, S. 17. 95 Die Division wurde hier zum ersten Mal im Wehrmachtsbericht erwähnt. Krätschmer, Die Ritterkreuzträger, S. 975. 96 Hillgruber, Kriegstagebuch des OKW, 1944–1945, Tb. I, S. 664 – 665. 97 Ebenda, S. 670. 98 Lagebericht der VoMi von Juni 1944, PA/AA, Inl. IIg. 255/2429 Bl. H299000. 99 Bericht Phleps an den Reichsführer-SS vom 10. Juli 1944, BA NS19/2154 Bl. 5. 100 Schreiben Bayer an den Reichsführer-SS vom 16. März 1944, BA NS19/279 Bl. 83. 101 Hillgruber, Kriegstagebuch des OKW, 1944 –1945, Tb. I, S. 684 – 685. 102 Ebenda, S. 697. 103 Kumm, „Vorwärts, Prinz Eugen!“, S. 287. 104 In Kroatien konnten fast alle, in der Batschka und der Baranja fast die Hälfte der „Volksdeutschen“ evakuiert werden. Dokumentation der Vertreibung, Bd. 5, S. 88E. 105 Telegramm des Höheren SS- und Polizeiführers Serbien, Montenegro und Sandschak in Belgrad, Hermann Behrends, an Himmler vom 8. Oktober 1944, BA NS19/3809. 106 Rundfunkansprache Jankos vom 8. April 1943, PA/AA Inl. IIc. 32/153 R100380. 107 Auszüge aus einem Artikel der Politika, PA/AA Inl. IIg 254/2427. HOLOCAUST IN SERBIA 73 Milan Koljanin Holocaust in Serbia: Ideology and Experience After the establishment of a totalitarian system in January 1933, the National Socialist regime in Germany reduced all social conflicts to a struggle for the defense of the higher “Aryan” race, embodied in the German nation, where the Jews were presented as an absolute evil. Instead of class, they offered a racial struggle, which had to be finished by the complete annihilation of the Jewish opponents. This struggle was elevated to a level of a moral commandment of the German people.1 The racist ideology in which anti-Semitism played a key role became a means of general mobilization of the Germans to achieve internal unity and imperial plans. Extremely aggressive propaganda created the notion of a Germany fighting against the “Jewish evil”, not only for its people, but also for the salvation of other nations, which was the reason why they should take part in this struggle. In reality, the degree of involvement of other nations and states in the “final solution of the Jewish question” (Holocaust) was determined by a number of factors, primarily by the position they were assigned in the “new order” and anti-Semitic tradition,2 but also by their own political and social goals. Immediately after Germany´s occupying forces entered Serbia, it introduced a variety of anti-Jewish measures, the same as in other areas under German occupation. By order of the Military Commander in Serbia on 31 May 1941 (Order concerning the Jews and Gypsies – Verordnung betreffend die Juden und Zigeuner) social isolation, looting, forced labor and a whole host of other degrading and discriminatory measures received their “legal” basis. After the attack on the Soviet Union on 22 June 1941 and the commencement of sabotages and insurgent fighting in the coming months, mass arrests and executions of Jews, along with their Serbian compatriots, followed. Thus began the “Final Solution of the Jewish question” in Serbia.3 The beginning of German occupation of Serbia was marked by imposing forced labor obligations upon Jews. This was the „answer“ to the ideological stereotype of the Jew who avoids physical activity because they are preoccupied with money, trade and speculation. The forced manual labor of Jews, which they had to carry out in the most difficult conditions possible, was not only a punishment, but a „revolutionary“ change in their social position in front of the largest possible number of people. Like other anti-Jewish measures, forced labor primarily had practical importance because it used the free labor of the Jews, and this made it possible to control them effectively. For the occupying soldiers and members of the German minority (Ethnic Germans or “Volksdeutsche”) various humiliations of Jews also had a significant individual and collective psychological function. By humiliating the Jews – the supposed inhuman antithesis of Germans and Aryans and primordial enemy of mankind – their own superiority was stressed and confirmed.4 From the anti-Semitic perspective it seemed quite „natural“ that the carriers of the fight against the „Jewish evil“, i.e. occupation administration and local Germans, ruthlessly sacked and placed Jewish property under their control. „The rule was that the German soldiers and “Volksdeutsche” get into Jewish homes, in which some things had accidentally been left behind that had not previously been ransacked, and were to take everything they liked. If anyone protested, even by just saying something, he was savagely beaten. No one even dared to think about appealing to higher authorities, because it was considered to be a defamation of the German military, and in addition to a beating the man would be exposed to detention and torture in German prisons.”5 74 MILAN KOLJANIN “Volksdeutsche” were usually placed as commissioners of Jewish businesses and often of those where they had been previously employed. Such measures had both symbolic and practical importance. After the internment of Jews and destruction up until 10 May 1942, the completion of the seizure of their property followed.6 Although formally a part of the German occupation area of Serbia and under the jurisdiction of the „autonomous“ Serbian quisling government, the Banat region was really under the control of the German minority. The anti-Jewish measures which were introduced by the occupying administration in Serbia took place fastest in the Banat. They culminated in the internment of the entire Jewish population in camps and deportation to Belgrade in August and September 1941. Through this, the Banat became the first area under the control of the “Third Reich” that was completely „cleansed of Jews“ (judenrein).7 In the implementation of these measures, the engagement of leadership and institutions of the German minority was the determinant. For the “Volksdeutsche” in Southeast European countries, including Yugoslavia, the German leadership intended to play the role of „racial core“ and trusted guardians of the interests of “Third Reich” in this area.8 During the invasion of the Wehrmacht in April 1941, the German population was one of the pillars of the destruction of Yugoslavia and the establishment of the occupying power. The “peaceful neighbors” were transformed overnight into brutal members of the “dominant nation”. As early as in their very first crimes, they attacked not only Serbs, but also Jews, with public executions receiving an important symbolic function. The public hanging of a prominent Jew, the director of the sugar factory in Petrovgrad/Groß-Betschkerek (today Zrenjanin) Viktor Elek on 24 April 1941, had an important symbolic function, and this seemed in particular to be a “revolutionary” one. Besides the local Germans, the hanging was attended en masse by members of the other ruling nation, Hungarians. “I saw crowds of people going towards ‘Bagljaš‘: by carriage, car, bicycle and foot. They were Germans and Hungarians, male and female, young and old. The most of them were workers from the sugar mills, especially the Hungarians. [...]”9 The forced labor of Jews also had an important symbolic function in the Banat. “Immediately on the first morning when the German military marched in, I saw the Jews on the street rounded up and forced with the use of a whip to clean the streets. On that occasion, a German crowd passed by, young and old, male and female, who shouted at the Jews and ran up to them, slapped them or spat in expression of their abhorrence. I have seen highly intelligent Jewish people who were dragging oxen carts around the town and carrying timber for individual Germans. “10 Forced labor of Jews in the Banat region, undated. HOLOCAUST IN SERBIA 75 Deportation of Jews from Zrenjanin camp, undated. „When Jews and Jewish women were taken to forced labor, I know that the Germans expressed their displeasure against the Jews. They said in loud voices that they noticed that it was the way it should be, and to let them work in the way they never did. [...] German women passing by shouted, ‚Good, just send them to work‘.“11 Nandor Komloš underwent the following whilst carrying out forced labor: “German peasants from Petrovgrad and the surrounding area, for whom we had to load trash into the car, constantly yelled at us, scolded us, mocked us: ‘Oh Jews, oh Jews, now you will serve us, we are your masters, does it feel good to you?’ and they forced us to work even faster.”12 “Revolutionary” confiscation of Jewish property in the Banat was performed first as a mass robbery13, and then as a full expropriation. Here the roles of the previous owners and their German employees were also swapped. Oskar Fischgrund from Pančevo also said: “Immediately after the Germans invaded, small and large groups of German soldiers entered my manufacturing store and carried out the same actions without asking me or my permission and took all they could. The next day, the commissioner was appointed, Franz Wild, the former accountant in my shop, a German from Pančevo, a native of Žombolj. As the commissioner he robbed the most.”14 The anti-Jewish measures in the Banat culminated in the internment of the entire Jewish population in detention camps and deportation to Belgrade in August and September 1941. The number of internees amounted to 3.300. Thus, as previously mentioned, the Banat became the first area under the control of the „Third Reich“ that was completely “cleansed of Jews”.15 At the end of April 1941, when the work of Serbian police in Belgrade was reestablished, a section for Jews and Gypsies (Section VII) was set up within its Department of Special Police. The section was directly subordinate to the Jewish department within the Gestapo (IV D, later IV B4). The section’s task was to implement German orders about the Jews, which included: registration, organization of forced labor, registration of property, carrying out controls to ensure the Jewish population were wearing a yellow strip (Jew’s star), respecting of the prohibition of practicing certain professions, the prohibition of visiting public premises, public events, swimming, and many others. The local authorities, districts and district offices of the city administration had the same task. The Special Police independently carried out arrests of the Jews who violated the Order of May 31, led the investigations and handed them over to the Gestapo.16 The attack on the Soviet Union on the part of Germany and her allies marked the beginning of mass destruction of Jews in the occupied areas in the East. At the same time, there was a deterioration in the position of Jews in other occupied countries, including Serbia. This was followed by an even stronger anti-Jewish propaganda campaign that used the traditional and the new anti-Semitic stereotypes. The initiative for 76 MILAN KOLJANIN the killing of Jews shown by representatives of the occupying administration was based on ideological dogma about the role of the „World Jew“ in history. The beginning of the final settlement of the Jewish Communist (Bolshevik) representatives in the East heralded the beginning of dealing with its exponents in Serbia. There was no doubt that the perpetrators of the sabotages were the Communists and their sympathizers. The mythical image of the „World Jew“ who with the two levers of plutocracy (Liberal-Mason) and communism (Bolshevik) caused global carnage and destruction in order to establish his rule, served along with a series of anti-Semitic stereotypes as a universal explanation of the recent past but also for interpreting contemporary events. Identification of the struggle against Bolshevism as the fight against the Jews was immediately felt in propaganda.17 Then began the reprisals against Jews and Communists, who were collectively accused and convicted of sabotage and the German losses in advance. Alongside them, other patriots were killed too, most of all the hostages in massive “retaliatory measures”.18 The fight against insurgents and mass repressions were both interpreted in propaganda as part of the struggle against the „World Jew“, whose true nature had been learned over time by German people and Germany‘s leaders. The Jew was able to deceive the gullible part of Serbian people so that it now threatened their very survival. This interpretation was to fulfill a definite political purpose. Killing Jews was a just punishment for their destructive work. However, the mass executions of Serbs was, in fact, the fight against the „World Jew“, which was causing the Serbs to fail. In this projection, the Germans appear as the saviors of the Serbs, not to be blamed for death and internment of tens of thousands of people, because the real culprits were, in fact, the Jews. On the other hand, this large, existential danger was to mobilize the Serbs in the fight against this evil, by which they would acquire their worthy place in the German „new order“. The expression of a wide anti-occupant mood was a great expansion of the uprising in September and October 1941. Resistance was expressed in the form of the Serbian population helping persecuted Jews, whether of acquaintances or total strangers.19 From 20 July 1941 the internment of Jews began, first in Šabac, and from 22 August in Belgrade and Niš. Due to the spreading of the uprising, Hitler ordered, on 16 September 1941, its quashing by the strongest means possible and entrusting of all powers in Serbia to General Franz Böhme. Next followed the orders of Field Marshal Keitel to shoot 100 “Communists” for the life of each German soldier taken, and 50 for each soldier wounded. Based on these orders, mass executions of Serbian civilians began, and then also of Jewish men after the arrival of General Böhme to Serbia on 18 September 1941.20 In his orders on 25 September 1941, General Böhme strongly encouraged a vindictive anti-Serb mood. General Böhme and most of the personnel of his unit were Austrians, among whom it was easy to encourage an anti-Serb bias. Böhme emphasized particularly the stereotype of Serbian treachery as a characteristic not only of Serbian men, but of women also. He asked his subordinates to create a formidable example for all of Serbia “which must hit the entire population in the hardest manner”21. The motivational basis for the proceedings of the occupation forces against the Serbs was based on anti-Serb bias and resentment embedded in the racist notion of inferior Slavs. Its role was certainly played by circumstances of war, that is, losses in battles with insurgents. The mass killing of Serbian civilians certainly had an impact on the Wehrmacht soldiers in making the killing of civilians a routine, regardless of their ethnic or „racial“ origin. If the Serbs’ racist motivation was blurred in this proceeding, in the case of the killing of Jewish men it appeared in its „pure“ form. According to the anti-Semitic ideological model, General Böhme interpreted Keitel’s order of killing a hundred „Communists“ for each murdered and 50 for each wounded German soldier, by shooting primarily Jews and Communists. We should bear in mind the widespread antiSemitism among the Austrians, which became an integrative part of Nazi ideology. In HOLOCAUST IN SERBIA the order of October 10, General Böhme sought to detain all Communists, suspected men, all Jews and a number of nationalist and democratic-minded elements as hostages. This was the basis for the arrest of all Jewish men and their execution in October and November 1941, and this is how Wehrmacht got a central place in the „Final solution“ in Serbia.22 Anti-Semitic propaganda was presented in a fully rounded form at the „Exhibition of Freemasons, Jews and Communists,“ better known as the „Anti-Masonic Exhibition“, which was formally opened on October 22 in Belgrade.23 The propaganda messages of this exhibition were based on the mythological image of Jews, who were presented as an absolute evil and as the largest Serbian evil. In the artistic representations of the exhibition and the accompanying advertising material, basic stereotypical models were used: modern and traditional. The first presented the Jew as a sleek capitalist who mastered the Serbian economy and sat on the backs of Serbian peasants, workers and citizens. The second was the character of the Jew who held the scale and determined who would prevail: Communists or money (capitalists).24 All propaganda instruments, in the exhibition and beyond, suggested that even such a great evil as Jewry could, in all its forms, be defeated with great effort and sacrifice.25 The opening of the “Anti-Masonic exhibition” coincided with the peak of mass reprisals in Serbia, and also was the announcement of new ones. One of the main tasks of the exhibition certainly was to provide ideological justification for the mass repressions, including those directed against Jews. By early November 1941, the Jewish male population in Serbia was almost completely destroyed. The anti-Semitic messages from the exhibition were the reason for some papers to send new calls to Serbs to destroy “communist gangs” led by the remaining Jews.26 The exhibition was also the announcement of mass arrests and internment in the Banjica concentration camp of members of the Serbian intellectual elite, among them a group of professors at the University of Belgrade, in early November 1941. They were branded as Freemasons and intellectual pioneers of the armed struggle that threatened to bring about the destruction of Serbian people.27 One of the main goals of the propaganda which followed this extensive military operation to destroy the rebels in autumn 1941, was to divide and then destroy the two rebel groups. Separately from that, in early November 1941, a conflict started between Communist partisans and the forces of Colonel Draža Mihailović. This certainly made it easier for Germans to quickly break major partisan groups in western Serbia at the end of November and destroy the center of Mihailović’s movement at Ravna Gora in early December 1941.28 One of the measures used to suppress the uprising was the mass internment of the population. In the headquarters of General Böhme on 6 October 1941, it was decided to build a camp in the village of Zasavica in Western Serbia. According to the report of the Operations Group of Police (Einsatzgruppe Sipo/SD) of 9 October, the camp was to be built on the model of the German concentration camps, and its capacity would be for 50.000 people, but to be increased to 500.000. Because of the long rains, General Böhme ordered on 28 October that the camp should be moved to a new location in the pavilions of the Belgrade Fairground. Meanwhile, at the meetings of representatives of the Foreign Ministry, Main Reich Security Office (RSHA) and occupational authorities in Serbia, it was concluded that the remaining Jewish and Roma men should be shot, and their families interned in Serbia itself. By early December 1941 the uprising movement in Serbia had been mostly destroyed. According to a report of the operational department of General Böhme to 77 Poster of the AntiMasonic Exhibition. 78 MILAN KOLJANIN the Wehrmacht commander in the South East on 5 December, the plans for the massive resettlement of women and children, rebels and other unreliable elements were delayed. Then it was stated that all Jews and Gypsies should be taken to a concentration camp near Zemun. On December 8, 1941, the Jewish camp Zemun (Judenlager Semlin) was opened. The camp was on the left bank of the Sava river in the territory of the Independent State of Croatia. There all the remaining Jews in Serbia were interned, around 6.400 of them, and about 600 Roma.29 Sources indicate that the main activities of the Special Police Department in the persecution of Jews in relation to the violation of the Order concerning the Jews and Gypsies, were to discover their true identity and/or investigation of communist activities. After an order for all Jews to come to the Jewish police on December 11, 1941, after which they were interned in the camp at the Belgrade Fairground, the main activities of the Special Police in respect to the „Jewish question“ was the search for hidden Jews. Captured Jews were delivered to German authorities, or were sent directly to the Banjica concentration camp (Anhaltelager Dedinje) where they were quickly taken to be shot at the military shooting range near the village Jajinci.30 The internment of the remaining Jews in Serbia was linked with the destruction of insurgent movements and delaying of the mass displacement of the population from the insurgent areas. The decision to kill interned Jewish women and children was linked to the issue of the fight against insurgents. On December 20 1941, the Military commander in Serbia, General Paul Bader, evaluated that the occurrence of warmer days would bring the revival of unrest and rebel activity.31 Due to the increasing needs of the German war industry for labor32, the prospective for captured rebels was changed in March 1942. A greater influx of prisoners in German concentration camps in Serbia was expected, which got an additional purpose in April and May 1942 and became distribution centers for the referral of able-bodied prisoners in German concentration and labor camps. In mid-March 1942, the Wehrmacht commander of the South East, General Walter Kuntze, expected that the Jewish camp Zemun would be used for that purpose, along with the camps in Niš, Šabac and Belgrade (Banjica). The decision about the killing of Jewish prisoners had by then already been made. Up until May 10, 1942, Jewish women and children from the camp at the Belgrade Fairground were killed in a gas van (mobile gas-chamber), which carried out the “Final solution of the Jewish question” in Serbia.33 The strong anti-Semitic propaganda continued despite the fact that there was a missing, even fictitious, basis for linking the Jews of Serbia with the events in it. However, despite this, the mythical notion of the “World Jew” as an absolute evil, and, simultaneously, the largest Serbian evil, retained its universal propaganda and ideological usefulness in interpreting the past and, above all, contemporary events until the end of German occupation. Internment of Jews in the Belgrade Fairground Camp, undated. HOLOCAUST IN SERBIA 1 Yehuda Bauer, The Place of the Holocaust in Contemporary History, in: John K. Roth, Michael Berenbaum (eds.), Holocaust. Religious and Philosophical Implications, New York 1989, pp. 33 – 34. 2 Raul Hilberg, Zločinci, žrtve, posmatrači. Jevrejska katastrofa 1033 –1945, Belgrade 2001, pp. 93 –127, 225 – 245. 3 Christopher R. Browning, Fateful Months. Essays on the emergence of the Final Solution (revised edition), New York/London 1991, pp. 39 – 48; Milan Koljanin, Nemački logor na Beogradskom sajmištu 1941–1944. Belgrade 1992, pp. 19 – 31; Walter Manoschek, ‘Serbien ist judenfrei’. Militärische Besatzungspolitik und Judenvernichtung in Serbien 1941/42, Munich 1993, pp. 35 – 49; Ženi Lebl, Do ‘konačnog rešenja’. Jevreji u Beogradu 1521–1942, Belgrade 2001, pp. 287– 315. 4 Bauer, The Place of the Holocaust in Contemporary History, pp. 16 –17. 5 Archives of Yugoslavia, Belgrade (AY), 110-385-604, Yugoslav State Commission for War Crimes, Statement of Olga Feldman Antić. 6 АY, 65-1265-224а, Oglas-Kundmachung, Adolf Mostbeck's appointment for the commissioner of the Geza Kon A.D, Belgrade, 24.VI.1941. See also: Vesna Aleksić, Banka i moć. Socijalno-finansijska istorija Opšteg jugoslovenskog bankarskog društva A.D. 1928 –1945, Belgrade 2002, p. 146. 7 Božidar Ivković, Uništenje Jevreja i pljačka njihove imovine u Banatu 1941–1944. In: Tokovi revolucije, Zbornik istorijskih radova, No. 1, Belgrade 1967, pp. 373 – 403; Pokrajinska komisija za utvrđivanje zločina okupatora i njihovih pomagača u Vojvodini: Zločini okupatora i njihovih pomagača u Vojvodini protiv Jevreja (istrebljenje, deportacija, mučenje, hapšenje i pljačka), Novi Sad 1945, pp. 192 – 290; Zločini fašističkih okupatora i njihovih pomagača protiv Jevreja u Jugoslaviji, Savez jevrejskih opština Jugoslavije, Belgrade 1952, pp. 9 –13; The Crimes of the Fascist Occupants and their Collaborators against Jews in Yugoslavia, Belgrade 1957, pp. 2 – 3. 8 Milan Ristović, Nemački ‘novi poredak’ i jugoistočna Evropa 1940/41–1944/45. Planovi o budućnosti i praksa, Belgrade 1991, pp. 95 –114. 9 АY, 110, 669, 33 – 34, Draga Nikin’s statement. See also the announcement about Viktor Elek’s hanging in German, Hungarian and Serbian. Here it is stated that at the same time as Elek – a Jew – was shot, Sava Cukić, a Serbian from Aradac, was too; AY, 110, 669 – 67. Zločini fašističkih okupatora i njihovih pomagača protiv Jevreja u Jugoslaviji, Fotodokumentacija, Photograph No. 4; Jovan Rajs, Kristina Hjerten von Gnedda, Opunomoćenik ućutkanih, Belgrade 2004, pp. 31– 32. 10 АY, 110, 691–143, Dr. Boža Ankić’s statement. 11 See note 7. 12 АY, 110, 690 – 209, Nandor Komloš’s statement. 13 Ivan Singer, Blagoslov moga oca. Moje spasenje, Vršac 2006, p.69. 14 АЈ, 110, 674 – 52, Ivković, op.cit. pp. 392 – 401. 15 See note 7. 16 Branislav Božović, Stradanje Jevreja u okupiranom Beogradu 1941–1944, Belgrade 2012, pp. 241– 252. 17 Uloga Jevreja u boljševizmu (The Jewish role in Bolshevism), in: Novo Vreme, No. 38, 24. June 1941. This commentary was broadcast on Belgrade Radio (Sender Belgrad) a day beforehand. 18 Venceslav Glišić, Teror i zločini nacističke Nemačke u Srbiji 1941–1944, Belgrade 1970, passim; Manoschek, ‘Serbien ist judenfrei’, passim. 19 Milan Fogel, Milan Ristović, Milan Koljanin, Righteous among the Nations – Serbia, Belgrade 2010, passim; Jaša Almuli, Stradanje i spasavanje srpskih Jevreja. Belgrade 2010, passim. 20 Christopher R. Browning, Fateful Months. Essays on the emergence of the Final Solution, New York-London 1991, revised edition, pp. 45 – 48; W. Manoschek, ’Serbien ist judenfrei’, pp. 55 – 56. 21 Manoschek, ’Serbien ist judenfrei’, p. 60. 22 Ch. R. Browning, Fateful Months, pp. 39 – 56; W.Manoschek, ’Serbien ist judenfrei’, passim. 23 Juče je svečano otvorena antimasonska izložba, in: Novo Vreme, No. 147, 23 October 1941. See also: Nadežda Jovanović, Odnos okupatora i kvislinga prema masoneriji u Srbiji 1941–1942, in: Godišnjak grada Beograda, Book XVIII, Belgrade 1971, pp. 77–107; Branko Petranović, Srbija u Drugom svetskom ratu, Belgrade 1992, pp. 424 – 425. 24 Kosta Nikolić, Nemački ratni plakat u Srbiji 1941–1944, Belgrade 2000, pp. 148–150. 25 Ove nedelje otvara se antimasonska izložba u Beogradu. In: Novo Vreme, No. 145, 21 October 1941. 26 Jevreji su nam nekad pili krv na pamuk, a danas zavode Srbe ne bi li došlo samouništenje naše, in: Narodne novine, No. 3, 16 November 1941. 27 Dr. Lazar Prokić: Antimasonska izložba kao vaspitno nacionalno sredstvo. In: Ponedeljak, No. 15, 10 November 1941. 28 Petranović, Srbija u Drugom svetskom ratu, pp. 228 – 244, 262 – 275; Kosta Nikolić, Istorija Ravnogorskog pokreta 1941–1945, Book 1, Belgrade 1999, pp. 143 –164. 29 M.Koljanin, Nemački logor na Beogradskom sajmištu, pp. 45 – 47, 62. 30 Logor Banjica. Logoraši. Knjige zatočenika Koncentracionog logora Beograd-Banjica (1941–1944), Vol. I–II, Belgrade 2009. 31 Koljanin, Nemački logor na Beogradskom sajmištu, pp. 107–108. 32 Ulrich Herbert, Geschichte der Ausländerbeschäftigung in Deutschland 1880 bis 1980. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Berlin/Bonn 1986, pp. 120 –124, 141–167. 33 Manoschek, ’Serbien ist judenfrei’, pp. 194 –195; Koljanin, Nemački logor na Beogradskom sajmištu, pp. 126 –127. 79 80 AUTOR BEITRAG 81 Das „Verschwinden“ der deutschsprachigen Minderheiten Vertreibung, Deportation, Internierung 82 MITJA FERENC DAS SCHICKSAL DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG 83 Mitja Ferenc Das Schicksal der deutschen Minderheit in Slowenien nach dem Zweiten Weltkrieg Anzahl und Präsenz von Deutschen in Slowenien bis zum Jahre 1945 Die Deutschen, die vor dem Zweiten Weltkrieg auf dem Gebiet des heutigen Sloweniens ständig gelebt haben, sind auf drei Weisen in das slowenische nationale Territorium gelangt. Die deutsche politische Herrschaft brachte deutsche weltliche und kirchliche Herren nach Slowenien. Später kamen deutsche Bürger hinzu, in den letzten Jahrhunderten auch Großunternehmer und Angehörige intellektueller Berufe. Diese Deutschen lebten vor allem in den Städten und Märkten (Marburg an der Drau, Pettau, Cilli, Laibach, Gonobitz, Windisch Feistritz usw.), insbesondere als Hausbesitzer, Gewerbetreibende, Freiberufler, Handwerker und Großgrundbesitzer, in einigen Regionen auch als Bauern. Diese Deutschen gab es noch vor dem Ersten Weltkrieg, doch wanderten die Angehörigen der intellektuellen Berufe (Gymnasiallehrer, Volksschullehrer, Beamte) nach der Bildung des Staates der Slowenen, Kroaten und Serben bzw. des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen im Herbst 1918 nach Österreich ab. Zur zweiten Gruppe gehörten diejenigen Deutschen, die sich im Mittelalter in der sogenannten Höhenkolonisation in Slowenien ansiedelten. Das waren vor allem die Gottscheer Deutschen, die nach 1330 eingewandert sind und die als „deutsche Insel“ ihr deutsches Bewusstsein bewahrten, und die Zarzer Deutschen, die sich während des 13. Jahrhunderts im Tal der Selzacher Zeier niederließen und, umgeben von slowenischer Bevölkerung, mehrheitlich ihre deutsche Identität verloren. Zur dritten Gruppe rechnen wir vor allem diejenigen Deutschen, die der Frieden von St. Germain im Jahre 1919 von mehr oder weniger geschlossen deutschen Gebieten abgetrennt hat. Das waren die Abstaller Deutschen, die die Grenze an der Mur von der Obersteiermark abtrennte, und die Deutschen in vier Dörfern (Sinnersdorf, Ginzenhof, Fixelsdorf, Rottenberg) südlich des kleinen Flusses Kutschenitza im nordwestlichen Teil des Übermurgebiets, der die Staatsgrenze bildete.1 Nach der österreichischen Zählung aus dem Jahr 1919 lebten in den Gebieten, die dem slowenischen Teil des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen angeschlossen wurden, 106.377 Einwohner mit deutscher Umgangssprache. Die Deutschen machten etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung aus, nach den Zählungen der Jahre 1921 und 1931 waren es etwas weniger als vier Prozent bzw. 2,5 Prozent (28.998 Personen mit deutscher Muttersprache).2 Auf die Gründe für die statistische Abnahme der Zahl der Deutschen kann ich an dieser Stelle nicht eingehen. Bezogen auf ihre eine halbe Million zählende nationale Gruppe in Jugoslawien lebten in Slowenien acht Prozent aller Deutschen in Jugoslawien. Abgesehen von den Deutschen in Bosnien und der Herzegowina, bildeten sie die zahlenmäßig kleinste, allerdings auch die wirtschaftlich und sozial bei Weitem stärkste und am besten organisierte deutsche nationale Gruppe mit einer reichen politischen und kulturellen Tradition und einem stark betonten Nationalbewusstsein.3 Die Besatzung Die Aufteilung des slowenischen Gebiets zwischen Deutschland, Italien, Ungarn und dem Unabhängigen Staat Kroatien führte im Jahr 1941 zunächst zur Umsiedlung von etwa 12.000 Gottscheer Deutschen (95 Prozent). Aus der Gottschee, die Teil des Königreichs Italien wurde, siedelten sie die deutschen Behörden in der Untersteiermark in dem deutschen Besatzungsgebiet entlang der Flüsse Sawe und Sutla an, an der Grenze zu Italien und zum Unabhängigen Staat Kroatien. Dazu vertrieben die Natio- nalsozialisten von dort fast alle Slowenen, etwa 37.000 Personen, und vernichteten und beseitigten nach rund 600 Jahren die deutsche nationale Insel in der Gottschee.4 Hinsichtlich der Einstellung zur deutschen Minderheit nach Kriegsende muss man feststellen, dass die scharfe Besatzungspolitik des deutschen Okkupators und die Unterstützung der Besatzer durch einen Teil der deutschen Minderheit, insbesondere bei Maßnahmen der deutschen Besatzungsbehörden zum Ethnozid (zur massenhaften Vertreibung, Germanisierung, Gewalt usw.), die Forderung nach der kollektiven Verantwortung der großen Mehrheit der Deutschen in Slowenien zur Folge hatte. Dabei ist zu beachten, dass die Forderung nach Vertreibung und Beschlagnahme des Vermögens nicht nur auf Seiten der kommunistischen Partisanen zu finden war, sondern auch beim gegnerischen, das heißt antirevolutionären, antikommunistischen politischen Lager, und das bereits seit der Besetzung 1941. Die slowenischen bzw. jugoslawischen Nachkriegsbehörden nutzten das Verhalten der deutschen Minderheit während des Zweiten Weltkriegs nach Kriegsende als Rechtfertigung für die endgültige Abrechnung mit den Deutschen in Slowenien und Jugoslawien.5 Die Abrechnung mit den Deutschen Die rechtliche Grundlage für die Abrechnung mit den Deutschen bildeten die Beschlüsse, die während des Krieges das Präsidium des Antifaschistischen Rates der nationalen Befreiung Jugoslawiens (AVNOJ) gefasst hatte. Unter den Vorschriften, die die Rechtslage der Deutschen in Jugoslawien nach der Befreiung regelten, war der erste und wichtigste der Beschluss des AVNOJ-Präsidiums vom 21. November 1944.6 Danach wurde das Vermögen von Deutschen (des deutschen Staates, deutscher Staatsangehöriger und von Personen deutscher Nationalität) in Slowenien und Jugoslawien konfisziert. Diese und die auf sie folgenden gesetzlichen Vorschriften erklärten die Deutschen – Staatsbürger des Deutschen Reiches wie auch jugoslawische Staatsangehörige – zu Staats- und Volksfeinden. Zum Feindvermögen wurde auch ihr Vermögen gerechnet, das laut Beschluss Eigentum des neuen jugoslawischen Staates wurde. Bis Ende des Jahres 1945 erließen die staatlichen Organe in Slowenien 20.293 Enteignungsbeschlüsse. Durch sie wurden Karte der Drau-Banschaft mit deutschen Siedlungen. 84 MITJA FERENC DAS SCHICKSAL DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG 85 Auf dem Bahnhof in Gottschee bei der Umsiedlung der Gottscheer 1941. Industrieunternehmen, Bauernwirtschaften, Geldinstitute, Handelsfirmen, Gastwirtschaften und Handwerksbetriebe, Mietshäuser, Großgrundbesitz usw. beschlagnahmt. Verschiedene staatliche Institutionen begannen Berechnungen, doch stellten sie bald fest, dass die zusammengetragene Dokumentation unvollständig war.7 Die Begründungen, mit denen die neuen jugoslawischen Behörden die Verstaatlichung des deutschen Besitzes rechtfertigten, waren verschieden: materielle, ethischmoralische, national-defensive, ideologische und wirtschaftlich-strategische. Überwiegend wurde die Entschädigung für Besatzungsschäden angeführt, doch ermöglichte die Beschlagnahme Jugoslawien zugleich, an die für den wirtschaftlichen Wiederaufbau notwendigen Mittel zu gelangen, bevor auf internationaler Ebene Verhandlungen über Kriegsentschädigungen begonnen hatten. Mit der Agrarreform und der Aufteilung des beschlagnahmten deutschen Eigentums (besonders beachtlich war der Grundbesitz der Deutschen in der Vojvodina) gewann die neue Regierung die Bauern, und damit die Bevölkerungsmehrheit, für sich. Die Enteignung des deutschen Besitzes war nämlich mit keinerlei Risiko verbunden, während eine verfrühte allgemeine Nationalisierung ein allzu großes Risiko und außenpolitische Schwierigkeiten bedeutet hätte. Freilich darf man bei der Entscheidung der Behörden nicht übersehen, dass damit der deutschen Minderheit für immer die Möglichkeit genommen werden sollte, in den Gebieten, in denen sie lebte, das Wirtschaftsleben zu dominieren. Der Beschluss des AVNOJPräsidiums entzog dem Staat, der die Hauptbesatzungsmacht gewesen war, und Personen, die ihm national angehörten, das Eigentum. Er sah die Kollektivbestrafung vor.8 Bei der Abrechnung mit den Deutschen zogen die Behörden auch andere Rechtsvorschriften heran, die Zivil- und Militärgerichte praktizierten, so zum Beispiel das Gesetz über Strafarten, die Verordnung über kollektive Amnestie und Begnadigung, die unter anderen die Mitglieder des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes von der Amnestie ausnahm, was bedeutete, dass die Mehrzahl der Angehörigen der deutschen Nationalität und ihrer aktiven und mutmaßlichen slowenischen Sympathisanten nicht begnadigt wurde. Die breiteste Grundlage für die Verurteilung von Jugoslawiendeutschen bot das Gesetz über strafbare Handlungen gegen Volk und Staat, das rückwirkend galt. Von den wichtigsten Vorschriften sind noch das Gesetz über die Agrarreform und die Kolonisierung zu nennen, aufgrund dessen der beschlagnahmte deutsche Grundbesitz, soweit er nicht in Staatsbesitz blieb, unter den Kolonisten aufgeteilt wurde, sowie das Gesetz über die Wählerlisten vom August 1945, das neben anderen der Gesamtheit der Kulturbundmitglieder und ihren Familienangehörigen kollektiv das Wahlrecht versagte. Beschluss des AVNOJ-Präsidiums vom 21. November 1944. Mit der Vertreibung und der Beschlagnahme des Vermögens verloren die Angehörigen der deutschen Minderheit de facto die jugoslawische Staatsangehörigkeit, auch wenn dies de jure erst am 4. Dezember 1948 vollzogen wurde, als die Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien in Kraft trat.9 Dieser Rechtszustand dauerte bis zum Jahr 1951, als im Juli die Verordnung über die Beendigung des Kriegszustands mit Deutschland und im Januar die Verordnung über die Beendigung des Kriegszustands mit der Bundesrepublik Österreich erlassen wurden, die besagten, dass mit ihrer Inkraftsetzung für Deutschland und Österreich und für deren Staatsangehörige die aus dem Kriegszustand mit Deutschland resultierenden Vorschriften nicht mehr angewendet wurden.10 In ähnlichen historischen Situationen hat man vergleichbare Beschlüsse über die Deutschen, wie sie das AVNOJ-Präsidium erlassen hat, auch anderenorts gefasst. Vertreibung und Enteignung trafen einen Großteil der Deutschen aus der Mehrzahl der 86 MITJA FERENC DAS SCHICKSAL DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG 87 treibung und Umsiedlung von Deutschen sowie der Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit zusammenhingen.16 Die OZNA, das Korps der Volksbefreiung Jugoslawiens (KNOJ) sowie die Volksmiliz verhafteten zuerst die Mitglieder des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes, die Funktionäre des Steierischen Heimatbundes in der Steiermark und des Kärntner Volksbundes in Oberkrain. Im Juni und Juli 1945 kamen auch die übrigen in Slowenien verbliebenen deutschen Einwohner an die Reihe. Einige wurden in Gefängnishaft genommen, die Mehrzahl allerdings in Lagern interniert. Um die Vertreibung der deutschen Minderheit durchzuführen, wurden in Slowenien wie in anderen jugoslawischen föderativen Einheiten spezielle Konzentrationslager errichtet. Über diese Lager wusste man bis zu den demokratischen Veränderungen in Slowenien nur wenig. Für die slowenische kommunistische Führung existierten sie überhaupt nicht, man durfte sie noch nicht einmal erwähnen. Mit Ausnahme eines einzigen Lagers (Fülowcze) wurden die Konzentrationslager in Slowenien im Mai und Juni 1945 errichtet. Sie wurden von der slowenischen OZNA eingerichtet und verwaltet, die gegen Kriegsende über vorbereitete Listen von Personen verfügte, die nach dem Krieg verhaftet werden sollten. Das zentrale Konzentrationslager für Deutsche aus ganz Slowenien errichtete die OZNA in Sterntal bei Pettau.17 Die erste bekannte Nachricht über die Verbringung von Deutschen in dieses Lager stammt vom 19. Mai 1945.18 Nach Meinung des Adjutanten des OZNA-Befehlshabers für Slowenien, Mitja Ribičič, konnte man ohne Weiteres 20.000 bis 25.000 Deutsche auf sieben Quadratkilometern unterbringen.19 Nach den Instruktionen der OZNA sollten hierher alle „Volksdeutschen“, Gottscheer und Deutschen in zivilen Dienststellungen (Fabrikarbeiter, Mitarbeiter der Post, Eisenbahn und anderer Institutionen) gebracht werden. Die übrigen Konzentrationslager waren Hrastowetz bei St. Leonhard in den Windischen Büheln, in Bresternica bei Marburg, in Brunndorf bei Marburg, in der Stadt Gottschee und in Tüchern bei Cilli. Neben diesen Konzentrationslagern existierten einige sogenannte Sammelbasen, von denen die Internierten in die Lager überführt wurden. Solche kleineren „Sammelbasen“ richtete man zum Beispiel in Thesen bei Marburg, in Gams bei Marburg, in Gonobitz und in Hrastnik ein. In Slowenien wurden alle Konzentrationslager bis zum Ende des Jahres 1945 aufgelöst. Die Lager Hrastowetz und Fülowcze wurden Anfang September, das Lager Sterntal erst Anfang Oktober 1945 geschlossen. Anderenorts in Jugoslawien geschah dies wesentlich später, die letzten Lager für Deutsche wurden erst im Sommer 1948 aufgelöst. Nach den Worten des Adjutanten des OZNA-Befehlshabers für Slowenien, Mitja Ribičič, soll die jugoslawische Führung beschlossen haben, „dass in Slowenien keine Lager sein sollen, da die Reaktion gerade diese Art der Herrschaft am meisten gegen unsere staatliche Ordnung ausnutzt“.20 Einige Konzentrationslager (Bresternitza, Brunndorf, Tüchern) blieben, nachdem die OZNA sie der Verwaltung des Innenministeriums unterstellt hatte, zunächst bestehen. Sie erhielten den Status von Arbeitslagern und wurden amtlich als Straflager bezeichnet.21 Flüchtlingskinder aus Slawonien, der Gottschee und Syrmien in der Schule des österreichischen Flüchtlingslagers Wagna, 1946/47. osteuropäischen und südosteuropäischen Staaten. Circa 12 Millionen ethnische Deutsche wurden aus Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien, Rumänien, Bulgarien, der Sowjetunion und den baltischen Staaten vertrieben.11 Gottscheer im österreichischen Flüchtlingslager Feffernitz, undatiert. Die Flucht Viele Deutsche verließen noch vor Ende des Weltkriegs organisiert den slowenischen Raum. Die Mehrzahl dieser „einheimischen“ Deutschen, die sich aufgrund ihrer bisherigen Aktivitäten bedroht fühlten, zog sich rechtzeitig auf österreichisches Gebiet zurück. Dort wurden sie von den Alliierten in Lagern interniert. Mit denen, die in Slowenien verblieben waren, wollte die jugoslawische, und mit ihr auch die slowenische politische Führung, „ohne jede Sentimentalität“ abrechnen. Man schätzt, dass mit dem Rückzug der Deutschen Wehrmacht vor Kriegsende etwa 15.000 bis 16.000 Deutsche geflüchtet sind.12 Organisation und Ablauf des Rückzugs lassen sich leicht vor allem aus schriftlich festgehaltenen Erinnerungen rekonstruieren. Mit der Eisenbahn versuchte man vor allem, Frauen mit Kindern zu evakuieren. Die Mehrzahl machte sich allerdings mit Pferdefuhrwerken auf den Weg. Die Fahrzeugkolonnen stießen unterwegs auf unterschiedliche Hindernisse und erreichten verschiedene Ziele. Wegen des viel zu späten Rückzugs waren viele Menschen auf den Straßen, die voll von deutschen und kroatischen Militäreinheiten sowie serbischen Tschetniks auf dem Rückzug und Zivilpersonen waren. Die jugoslawische Armee holte sie ein, hielt sie an und ließ sie umkehren. Frauen und Kinder wurden zur Grenze geschickt, während die Männer in Sammelstellen und von dort in Lager abgeführt oder alle verhaftet wurden.13 Eine Ausarbeitung von Franjo Baš aus dem Jahre 1946 gibt an, dass am 1. Oktober 1945 in der Untersteiermark und im Übermurgebiet 9.349 Deutsche gelebt haben, davon 3.587 in Haft bzw. in Lagern.14 Diese Statistik stellte nur ein Zwischenergebnis dar, da die organisierte Ausweisung erst in den Folgemonaten durchgeführt wurde. Die teilweise erhaltene Dokumentation ermöglicht nur einen annähernden, überschlägigen Vergleich der Behandlung der verschiedenen Kategorien von Deutschen und ihres Schicksals nach dem Krieg, d. h. der Geflüchteten, der Ausgesiedelten, der Gefangenen und Verurteilten, der Ermordeten und der Verstorbenen. Wie mit den Deutschen verfahren wurde, lässt sich anhand von Archivbeständen zum Kulturbund rekonstruieren, die zu großen Teilen diejenigen erfassen, die in den ersten Nachkriegsmonaten verhaftet worden sind. Verhöre und Gerichtsverhandlungen erfuhren 4.918 Personen, die größtenteils dem Kulturbund angehört hatten, unter ihnen allerdings nur 1.604 Personen mit deutscher oder österreichischer Staatsangehörigkeit. Für 511 fehlen Angaben über eine Verurteilung, 296 wurden ausgesiedelt, 236 wurden ohne Gerichtsverfahren hingerichtet, 261 einem Gericht überstellt, 79 entlassen, 50 in Lagern interniert, 21 starben, 12 flüchteten.15 Auf der Grundlage dieses Archivbestands können wir zwar nicht generell den Umgang mit den Deutschen beurteilen, doch enthält er die wenigen erhaltenen Unterlagen über das Schicksal derjenigen, die nicht geflüchtet waren. Die Lager Alle Maßnahmen gegen die Deutschen, seien sie nationale Minderheit oder Ausländer gewesen, führte nach dem Krieg die jugoslawische politische Polizei aus, beziehungsweise eine Sondereinheit der Armee, die Abteilung zum Schutz des Volkes (OZNA). Andere Staatsorgane wagten es nicht, sich einzumischen, und konnten es auch nicht. Die OZNA informierte über ihr Vorgehen noch nicht einmal die für die auswärtigen Beziehungen zuständigen politischen Funktionäre, was zu Unzufriedenheit und Beschwerden vor allem hinsichtlich der Sicherstellung und Beschlagnahme von Eigentum führte. Vor allem ließ die OZNA keine Einmischung anderer Organe in Fragen zu, die mit der Ver- 88 MITJA FERENC Lager Sterntal, undatiert. Die Vertreibung Die ersten nichtorganisierten Aussiedlungen geschahen aus Gebieten nahe der österreichischen Grenze, indem man die Menschen einfach über die Grenze jagte. Bereits im Mai 1945 verfuhr die OZNA so zuerst mit den Gottscheer Deutschen, die das Kriegsende auf der Flucht noch auf slowenischem Gebiet ereilt hatte, danach Ende Mai und in den folgenden Wochen auch mit anderen Gruppen, die über die Grenze bei St. Egedi abgeschoben wurden. Aus einem Bericht von Ende Mai geht hervor, dass von ihnen etwa 4.500 über Pesnitz bei Marburg zur österreichischen Grenze geschickt wurden. Dabei hielt die OZNA arbeitsfähige Männer in ihren Lagern oder in Repatriierungsbasen zurück und zog sie zu verschiedenen Arbeiten heran.22 Die organisierten Aussiedlungen der Deutschen geschahen in drei Wellen. In der ersten Welle von Mai bis September 1945 begann man mit der Vertreibung zuerst dort, wo man es eilig hatte, das heißt in Gebieten, in denen die deutschen Besatzungsbehörden Gottscheer Deutsche und Deutsche aus Rumänien in Häusern vertriebener Slowenen angesiedelt hatten. Man erwartete nämlich die Rückkehr der slowenischen Vertriebenen. Bis zur Sommermitte 1945 war das Gebiet an Sawe und Sutla frei von deutschen Kolonisten.23 Die Transporte dieser Deutschen wurden im Frühling und Sommer 1945 alle über Marburg und über die Repatriierungsbasis Brunndorf gelenkt. Mit der massenhaften Internierung von Deutschen im Konzentrationslager Sterntal und auch in Hrastowetz begann die OZNA erst um den 27. Juni 1945. Die zweite Welle, die besser organisiert war, begann im September 1945 und dauerte bis November, als OZNA und KNOJ wegen der Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung des Demokratischen Föderativen Jugoslawiens (11. November 1945) die Aussiedlungen vorübergehend unterbrachen. Diese Welle erfasste diejenigen, die in Lagern interniert waren. Die meisten wurden mit Eisenbahntransporten nach Österreich ausgewiesen. Die dritte und stärkste Welle dauerte von Ende Dezember 1945 bis Juni 1946. Sie erfasste fast alle verbliebenen Deutschen in Slowenien. Diese Welle ging von Westen aus, das heißt von Laibach (Ljubljana), Oberkrain und Unterkrain, durch die Gebiete von Cilli und Marburg bis ins Übermurgebiet. Im Januar 1946 erfasste sie auch zwei Gebiete, die als Teil des geschlossenen deutschen Sprachraums nach dem Ersten Weltkrieg an das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen gefallen waren, das Abstaller Feld und das nordwestliche Übermurgebiet mit mehrheitlich bäuerlicher Bevölkerung. Seit Dezember 1945, als die OZNA mit der letzten Phase der vollständigen „Säuberung“ der Deutschen in Slowenien begann, wurden über acht Grenzübergänge (Rosenbach, Koren, Seeland, Aßling, Drauburg, St. Egidi, Hodasch und Kotoriba in Kroatien) 49 Gruppen beziehungsweise Transporte verschickt. Die mit dem Zug transportierten Aussiedler wurden über die grenznahen Sammelbasen Podroschtze DAS SCHICKSAL DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG und Schentilja nach Österreich und über Hodosch und Kotoriba nach Ungarn geschickt. Die meisten Transporte liefen über Rosenbach.24 Den Ausgewiesenen blieb, als man sie in die Lager verbrachte, nur kurze Zeit (oft nur wenige Minuten) für die Vorbereitung, sie konnten nur die notwendigsten Dinge mit sich nehmen. In den Lagern fanden sich ganze Familien, von Kindern bis zu alten Leuten, die Hungersnöten ausgesetzt waren, ansteckenden Krankheiten und physischen und psychischen Qualen. Diejenigen, die direkt ausgesiedelt wurden, konnten mehr Gepäck mitnehmen. Die Vertreibung der Deutschen geschah vor allem über die jugoslawisch-österreichische Grenze. Da die britischen Besatzungskräfte in Österreich sie nicht aufnehmen wollten, begannen die jugoslawischen Behörden in Absprache mit den sowjetischen Besatzungsbehörden in Ungarn, sie über die ungarische Grenze auszuweisen. Die sowjetischen Organe transportierten sie weiter nach Österreich und teilweise nach Deutschland. Das ging nicht ohne Spannungen zwischen den britischen und den sowjetischen Besatzungsbehörden, die ebenfalls Transporte zurückschickten. Personen, die abgelehnt wurden, überschritten einfach die Grenze in andere Besatzungsgebiete. Die Ausweisung in den kalten Wintermonaten mit ungeeigneten Verkehrsmitteln (Viehwaggons) über die Grenzübergänge und auch die heimliche Vertreibung der Menschen über die erwähnten amtlichen Übergänge gegen den Willen der britischen Besatzungsorgane in Österreich und Ungarn war eine wahre Tragödie. Viele Vertriebene starben während der Transporte, die die Organe der Alliierten zurückschickten, und nach ihrer Rückkehr mussten die Überlebenden noch einmal mehrere Wochen oder Monate im Lager in Marburg verbringen.25 Insgesamt registrierte der Staatssicherheitsdienst 9.474 ausgesiedelte Personen.26 Bei diesen wird für 7.470 Personen der Aufenthaltsort oder -bezirk angegeben, für 2.004 der Aufenthalts- oder Aussiedlungsort nicht genannt. Unter den Bezirken steht nach der Zahl der Ausgesiedelten Marburg-Stadt an erster Stelle (1.662), es folgen Radkersburg (1.344), Gurkfeld (1.129), Marburg-Land (791), Drauburg (531), Cilli-Stadt und Cilli-Land (509), Krain (499), Olsnitz (481), Laibach-Stadt (447) und Aßling (350). Geringere Zahlen werden verzeichnet für die Bezirke Politschany (154), Pettau (151), Praßberg (125), Stein (124), Trifail (83), Luttenberg (59), Gottschee (35), Rudolfswerth (10) Görz (3) und Tschernembl (3). Einige Hundert Deutsche aus Slowenien wurden auch in Lager in der Vojvodina verbracht (Rudolfsgnad im Banat), einige über Lager in Kroatien (Tenje bei Essegg).27 Es gibt keine Hinweise darauf, dass Deutsche aus Slowenien in die Sowjetunion deportiert worden sind. Die Gerichte Trotz der Überzeugung von der Kollektivschuld der Deutschen versuchten die Behörden in Slowenien nach der ersten „Rache“-Welle jeweils individuelle Schuld festzustellen, vor allem bei denen, die verdächtigt wurden, Kriegsverbrechen begangen zu haben. Die Kommission zur Feststellung der Verbrechen der Okkupatoren und ihrer Helfer für Slowenien erklärte auf Grundlage der gesammelten Unterlagen in den Jahren 1944 bis 1946 einige Hundert Deutsche aus Slowenien zu Kriegsverbrechern. Vor Gericht kamen die Deutschen, derer man auf jugoslawischem Gebiet habhaft wurde. Diejenigen, die man als Kriegsverbrecher verdächtigte und die unter den Schutz der Alliierten flüchteten, lieferten diese trotz Auslieferungsanträgen der jugoslawischen Behörden nicht aus. Eine große Zahl von Deutschen wurde in Abwesenheit verurteilt, auch um ihren Besitz leicht beschlagnahmen zu können. Diejenigen Deutschen, die verdächtigt wurden, während des Zweiten Weltkrieges Kriegsverbrechen begangen zu haben, insbesondere Funktionäre des nationalsozialistischen Besatzungsapparats, und in Slowenien geblieben waren, setzte die OZNA in Gefängnissen und in den erwähnten Lagern fest. Einige von ihnen – die Zahl kann nicht festgestellt werden – liquidierte sie ohne Gerichtsverfahren (man sagt, dass der letzte Massenmord an Deutschen in Slowenien um den 6. Januar 1946 stattgefunden hat), einige wurden vor Kriegsgerichte gestellt und verurteilt. Welche Rolle dabei der von jugoslawischen Behörden enteignete Besitz der Getöteten und Verurteilten 89 90 MITJA FERENC 91 DAS SCHICKSAL DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG gespielt hat, ist wieder eine andere Frage. Man muss erwähnen, dass die OZNA zum Jahresanfang 1946 sogar Deutsche liquidiert hat, die von den Militärgerichten wegen der Mitgliedschaft im Kulturbund nur zu verhältnismäßig kurzen Strafen verurteilt worden waren (zum Beispiel ein halbes Jahr Zwangsarbeit), oder Deutsche, die sich wegen der Kulturbund-Mitgliedschaft noch in Untersuchungshaft befanden.28 Todesopfer, Liquidierungen Anhand der freilich unvollständigen Dokumentation lässt sich erschließen, dass die Zahl der Liquidierten oder wegen schlechter Lebensverhältnisse Verstorbenen nach dem Krieg etwa ein Zehntel der in Slowenien Verbliebenen ausgemacht hat, das heißt ca. 1.000 bis vielleicht 1.500. In Slowenien arbeitet man seit einigen Jahren an einer Namensliste der Opfer des Zweiten Weltkrieges. Unter den 95.000 Opfern, darunter 14.000 nach Ende des Zweiten Weltkrieges liquidierte Personen, wurden bis heute 522 Todesopfer aus der deutschen Bevölkerung erfasst. Als Täter wird in 94 Fällen die Jugoslawische Armee genannt, in 428 Fällen die OZNA. Fast alle Opfer waren Zivilisten. In der Datenbank findet man derzeit noch 709 Personen mit fremdklingenden, vor allem deutschen Familiennamen, die nach dem Krieg in Sammellagern ermordet wurden oder gestorben sind. Allerdings lässt sich ihre Nationalität nicht zuverlässig feststellen.29 In Sterntal wurden viele Internierte nach der Einlieferung in das Lager ohne jedes Gerichtsverfahren ermordet. Sie wurden in den nahen Schottergruben erschossen und begraben. Dem Schicksal einiger Deutscher kann man anhand von Todeslisten nachgehen, die aus dem Lager an Pfarrämter mit der Aufforderung, die Toten zu begraben, übersandt worden sind.30 Eine größere Zahl von Internierten aus diesem Lager wurde nach Bacher überstellt, wo man sie erschoss und in ausgehobenen Gruben begrub. Man schonte noch nicht einmal Kranke.31 Schätzungsweise verlegte die OZNA aus dem Konzentrationslager Sterntal bei Pettau etwa 400 Internierte nach Bacher, darunter etwa die Hälfte steirische und Gottscheer Deutsche und sogenannte Kollaborateure der Besatzungsmacht. In den letzten Jahren haben wir in Slowenien 600 geheime Gräber entdeckt, darunter einige von ermordeten Angehörigen der deutschen Minderheit. Einige wurden bereits untersucht und bestätigt und sollen als Gedenkstätte gestaltet werden, so zum Beispiel die Begräbnisstätten Bacher, St. Heinrich im Bachergebirge, Mirnik-Wald in Tepanje, im Wald gegenüber dem Eingang in das Lager Sterntal, Kosnitza, Koschelj bei Wöllan, Goritze bei Schönstein, Dobowetz bei Rohitsch Sauerbrunn, Tschreta bei Kötsch. Ein grausames Schicksal erlitten Kinder, deren Eltern ermordet worden waren und die aus den Lagern in „staatliche Sozialanstalten“ gebracht wurden. Am besten bekannt ist das Beispiel des Kinderlagers „Petritschek“ in Cilli.32 Die Abrechnung mit den Deutschen gegen Kriegsende war so gründlich, dass in Slowenien nur noch die zerstreuten „Reste der Reste” der einst starken nationalen Minderheit leben. Die „Deutschen“33 in Jugoslawien blieben nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Zerfall Jugoslawiens ohne den größten Teil ihres früheren Vermögens und ohne Minderheitenschutz. Ihre Lage besserte sich erst nach 1948, als ihre Frage für die jugoslawischen Behörden endgültig gelöst war. Das tragische Schicksal, das sie durch Rachemaßnahmen erlebten, war die Folge historischer Ereignisse, der scharfen nationalsozialistischen Besatzungspolitik, der Paranoia vor ihrer Rückkehr, der Euphorie wegen des Sieges über sie und ihre Verbündeten. Ihr Schicksal ist mit dem der Deutschen in anderen Staaten Ost- und Südosteuropas vergleichbar.34 Die Anzahl der „Deutschen“ heute Nach dem Schicksal, das die deutsche Minderheit während und nach dem Zweiten Weltkrieg ereilt hat, ist es nicht verwunderlich, dass die Bevölkerungszählungen nach dem Zweiten Weltkrieg feststellten, dass die Zahl der Deutschen und Österreicher (nach der Nationalität) bzw. von Personen mit deutscher Muttersprache noch nicht einmal ein Zehntel der Vorkriegszahl erreichte. Auch wenn die Zählungen nicht die absolute Wahrheit über Zustand und Lage der „Deutschen“ in Slowenien wiedergeben, lassen sich aus ihren Ergebnissen die wesentlichen strukturellen Eigenschaften und Prozesse erschließen. Die Höchstzahl wurde in der Zählung des Jahres 1948 festgestellt (1.824 Deutsche, 582 Österreicher, insgesamt 2.406 Personen), danach nahmen sie zahlenmäßig ab. Die sinkende Zahl der Deutschen und Österreicher bei den Zählungen 1953 (1.906, nach der Muttersprache 2.590), 1961 (986), 1971 (700), 1981 (560, nach der Muttersprache 1.189) und 1991 (745, nach der Muttersprache 1.543) zeigt keine statistisch auszuschließende Entwicklung, sondern stimmt mit der historischen Entwicklung überein (z. B. der genehmigten Ausreise bzw. Aussiedlung der in Jugoslawien verbliebenen „Deutschen“ seit Anfang der 1950er Jahre). Bei späteren statistischen Angaben, insbesondere nach dem Jahr 1961, müssen wir berücksichtigen, dass nach Slowenien auch „deutsche“ Angehörige aus gemischten Familien zugewandert sind, von slowenischen Arbeitern mit befristeter Anstellung im Ausland, vor allem in Österreich und Deutschland, und auch einige sonstige Deutsche und Österreicher sich in Slowenien niedergelassen haben. Neben der geringen Zahl war ein weiteres Merkmal der „Deutschen“ in Slowenien ihre Verteilung, ihre Zerstreutheit über das Gesamtgebiet Sloweniens.35 Nach der Volkszählung von 1991 lebten sie in 309, Personen mit deutscher Muttersprache sogar in 459 Ortschaften. Österreicher und Deutsche sowie Personen mit deutscher Muttersprache lebten nirgendwo geschlossen. Ihre Konzentration erreichte in keinem Bezirk (Zählungen der Jahre 1948 und 1953) bzw. keiner Gemeinde (Zählungen seit 1971) ein Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Zahl der Personen beider Nationalitäten oder nur mit deutscher Muttersprache war auch in den Ortschaften an der Grenze zu Österreich gering. So lebten zum Beispiel nach der Zählung des Jahres 1991 nur in vier Ortschaften mehr als zehn Personen beider Nationalitäten, mehr als zehn Personen mit deutscher Muttersprache in zwölf Ortschaften. Ein weiteres Merkmal der Deutschen ist ihre Nichtautochthonizität, so dass wir die Mehrzahl der Personen mit deutscher oder österreichischer Nationalität nicht den wenigen Verbliebenen der deutschen Vorkriegsminderheit in Slowenien zurechnen können. Denn etwa die Hälfte der Personen, die sich zur österreichischen oder deutschen Nationalität bekannte, ist aus dem Ausland zugewandert, sieben Prozent aus den früheren jugoslawischen Republiken. 54 Prozent der Personen, die die österreichische oder die deutsche Nationalität angaben, sind im Ausland geboren worden. Besondere Merkmale der Deutschen in Slowenien sind auch ihr Migrationsverhalten (zeitweiser Aufenthalt im Ausland) und ihre ungewöhnliche soziale Struktur, die in vielem stark vom slowenischen Durchschnitt abweicht: die Unausgewogenheit zwischen den Geschlechtern (nur ein Drittel männlich), eine geringe Zahl an Kindern, ein hoher Altersdurchschnitt, ein großer Anteil von sich zeitweise im Ausland aufhaltenden Personen, die nationale Inhomogenität der Familien.36 Im Jahre 2002 verzeichnete die Volkszählung 963 Personen mit deutscher Muttersprache und nach der nationalen Zugehörigkeit 181 Österreicher und 499 Deutsche. Die Volkszählung des Jahres 2011 wurde nicht auf klassische Weise, sondern nach den Unterlagen des statis- Massengrab Marburger Deutscher auf dem Bacher, Untersuchung am 10. August 2007. Untersuchung von Gräbern in der Umgebung des Lagers Sterntal, undatiert. 92 MITJA FERENC tischen Amtes ermittelt und enthält keine Angaben zur Nationalität oder zum Glaubensbekenntnis.37 Nach den demokratischen Veränderungen des Jahres 1990 sind in Slowenien mehrere deutsche Vereinigungen entstanden: Die älteste, die Freiheitsbrücke (Društvo Most svobode / Freedomsbridge), wurde im Dezember 1990 in Marburg gegründet. In ihrem Programm forderte sie die Pflege und Bewahrung des Kulturerbes der Deutschen im slowenischen Raum und die Anerkennung der Deutschen Minderheit in Slowenien auf demselben Niveau wie die italienische und die ungarische Minderheit. Es folgten Vereine, die mit der deutschen Sprachinsel in der Gottschee verbunden waren, wie der Gottscheer Altsiedler Verein (Društvo Kočevarjev staroselcev) in Krapflern, den 1992 Gottscheer aus dem Tal von Tschermoschnitz und Pöllandl ins Leben riefen. Er vereinigt vor allem Gottscheer aus dem ehemaligen Bezirk Rudolfswerth, darunter solche, die sich 1941 nicht haben umsiedeln lassen, und ihre Nachkommen und Sympathisanten. Ihre Absicht und ihr Ziel sind die Bewahrung der sprachlichen, kulturellen, ethnischen und architektonischen Charakteristika des Gottscheer Volkes und die Bewahrung und Entwicklung des Bewusstseins und der Identität, der Gottscheer Kultur und Sprache unter den alteingesessenen Gottscheern und den Auswanderern. Die Slowenische Gottscheer Gesellschaft Peter Kosler (Slovensko kočevarsko društvo Peter Kosler) aus Laibach wurde 1994 gegründet. Sie wurde nach Peter Kosler benannt, dem Kartografen aus der Gottschee und Autor der ersten Karte der slowenischen Gebiete. Die Aktivitäten der Gesellschaft sind auf die Bewahrung unseres Gottscheer Kulturerbes gerichtet, das gleichzeitig auch ein Erbe Sloweniens ist.38 In Marburg entstand auf Initiative der in Marburg und Umgebung lebenden deutsch sprechenden Einwohner Sloweniens am 1. Dezember 2000 der Kulturverein deutschsprachiger Frauen „Most svobode – Freiheitsbrücke – Freedomsbridge“ (Kulturno društvo nemško govorečih žena Mostovi Marburg). Ziel des Vereins ist die Bewahrung der sprachlichen, ethnischen und kulturellen Spezifika der deutsch sprechenden Einwohner Sloweniens. In diesem Sinne vertieft und erweitert die Vereinigung die Verbindungen zwischen den Deutschsprachigen und ihren Nachkommen in der Heimat und in der Welt und strebt danach, Verbindungen auch zu den anderen Nationalitäten auf dem Gebiet der Republik Slowenien und über deren Grenzen hinaus zu schaffen und zu pflegen.39 In Abstall begann im Jahr 2007 der Kulturverein Josef Matl (Kulturno društvo Josef Matl) seine Tätigkeit, benannt nach dem Kultur- und Literaturhistoriker Josef Matl. Die jüngste Vereinigung in Slowenien ist der Kulturverein Cilli an der Sann (Kulturno društvo Celje ob Savinji) mit Sitz in Slatina v Rožni dolini. Er wurde am 24. Januar 2011 auf Initiative der deutschsprachigen Einwohner Cillis und seiner Umgebung mit dem Ziel gegründet, die sprachlichen, ethnischen und kulturellen Eigenarten der deutschsprachigen Einwohner in Slowenien zu erhalten. Er engagiert sich für die verfassungsmäßige Anerkennung der autochthonen deutschsprachigen nationalen Gemeinschaft. In diesem Sinne arbeitet die Gruppe und erweitert die Verbindungen zwischen den Deutschsprachigen und ihren Nachkommen in der Heimat und in der Welt.40 Den Kulturverein deutschsprachiger Jugend (Kulturno društvo nemško govoreče mladine) mit Sitz in Gottschee und dem Vorsitzenden Vito Oflak gründeten junge Nachkommen von Deutschen aus der Steiermark und aus Krain. Der Verein hat ein breites Tätigkeitsspektrum; die zentrale Idee ist der Zusammenschluss junger Leute, die ihr Interesse an deutscher Kultur, deutscher Sprache und an ihren deutschen Wurzeln verbindet sowie ihr Wunsch, gemeinsam die deutsche Kunst und Literatur zu entdecken, Deutsch zu lernen oder ihre Sprachkenntnisse zu vervollkommnen. Ein wichtiger Teil ihrer Aktivitäten ist auch darauf gerichtet, Menschen mit deutschen Wurzeln über ihre Rechte zu informieren und gemeinsam mit gleichgesinnten Vereinigungen für die Anerkennung der deutschen bzw. altösterreichischen Minderheit in Slowenien einzutreten.41 Die Frage der Anerkennung der deutschen Minderheit in der Republik Slowenien Die Republik Österreich stellte im Juni 1992 kurz nach der Anerkennung der Republik Slowenien die Frage nach der Anerkennung der deutschsprachigen Einwohner in Slowe- DAS SCHICKSAL DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG nien. Inoffiziell hatte sich die Frage schon nach den Mehrparteienwahlen im April 1990 gestellt. In der gesamten Nachkriegszeit hatte sich Österreich nicht getraut, in Bezug auf Jugoslawien diese Frage aufzuwerfen. Beide Staaten lösten das Problem schließlich durch den Abschluss des Kulturabkommens, das 2002 in Kraft trat.42 Darin wurde bestimmt, dass die Rechte der deutschsprachigen ethnischen Gemeinschaft in § 61 der Verfassung der Republik Slowenien abgesichert werden43 und nicht in § 64 (der die Stellung der ungarischen und der italienischen Minderheit bestimmt). Damit wurde der Unterschied zwischen den individuellen und kollektiven Rechten eindeutig festgehalten.44 Die Forderungen nach Restitution des beschlagnahmten deutschen Besitzes Nach den gesellschaftlichen und politischen demokratischen Veränderungen in Slowenien im Frühjahr 1990 und nach der Selbstständigkeit stellte sich die Frage, wie der Staat die Rückgabe der enteigneten, „nationalisierten“ Immobilien regeln sollte. Die Republik Slowenien verabschiedete im Jahr 1991 das Gesetz über die Entnationalisierung, dessen wesentliche Absicht die Korrektur des Unrechts an den Personen war, deren Eigentum auf Grundlage der so genannten revolutionären Maßnahmen der Nachkriegszeit verstaatlicht worden war.45 Das Gesetz verbindet die Restitution verstaatlichten Vermögens mit der jugoslawischen Staatsbürgerschaft der betroffenen Personen zum Zeitpunkt der Verstaatlichung – die die umgesiedelten und ausgesiedelten Deutschen nicht besaßen. Hinzu kommt eine Entscheidung des Verfassungsgerichts, die teilweise die im Beschluss des AVNOJ-Präsidiums vom November 1944 festgehaltenen Prinzipien (Grundsatz der Kollektivschuld) außer Kraft setzt. Früheren Angehörigen der deutschen Minderheit, die enteignet worden waren, wurde die Möglichkeit des Nachweises gegeben, dass sie während der Besatzungszeit nicht illoyal gewesen waren. Wer das beweisen konnte, erhielt ohne Weiteres die slowenische Staatsbürgerschaft und damit das Recht auf Restitution des Eigentums. Diese Entscheidung des Verfassungsgerichts wurde Gegenstand österreichischer Vorhaltungen gegenüber Slowenien wegen „diskriminierender Entnationalisierung“, da diese nicht im Einklang mit modernen Rechtsprinzipien und dem Europarecht stehe, da die Enteigneten ihre Unschuld beweisen und nicht umgekehrt ihnen eine etwaige Schuld nachgewiesen werden musste. Slowenien wies diese Anschuldigungen zurück, wobei es sich ebenfalls auf internationale Konventionen berief.46 1 2 3 4 5 6 Fran Zwitter, Nemci na Slovenskem [Die Deutschen in Slowenien], in: Sodobnost 6 (1938), S. 483 – 497. Mitja Ferenc / Božo Repe, Nemška manjšina v Sloveniji med obema vojnama = Die deutsche Minderheit in Slowenien in der Zwischenkriegszeit, in: Slovensko-avstrijski odnosi v 20. stoletju = Slowenisch-Österreichische Beziehungen im 20. Jahrhundert (Historia 8), Ljubljana 2004, S. 148 –150, S. 162 –165. Dušan Biber, Nacizem in Nemci v Jugoslaviji 1933 –1941 [Der Nationalsozialismus und die Deutschen in Jugoslawien 1933 –1941], Ljubljana 1966, S. 11–15. Hans Hermann Frensing, Die Umsiedlung der Gottscheer Deutschen. Das Ende einer südostdeutschen Volksgruppe (Buchreihe der Südostdeutschen Historischen Kommission 28), München 1970; Tone Ferenc, Nacistična raznarodovalna politika v Sloveniji 1941–1945 [Die nationalsozialistische Entnationalisierungspolitik in Slowenien 1941–1945], Maribor 1968, S. 587– 592; Mitja Ferenc, Kočevska, pusta in prazna. Nekdanje nemško jezikovno območje na Kočevskem po odselitvi Nemcev [Die Gottschee, verlassen und leer. Das frühere deutsche Sprachgebiet in der Gottsche nach der Aussiedlung der Deutschen], Ljubljana 2005. Tone Ferenc, Nemci na Slovenskem med drugo svetovno vojno [Die Deutschen in Slowenien während des Zweiten Weltkriegs], in: Dušan Nećak (Hg.), „Nemci“ na Slovenskem 1941–1955. Izsledki projekta [Die „Deutschen“ in Slowenien 1941–1945. Ergebnisse eines Forschungsprojekts], Razprave Filozofske Fakultete, Ljubljana 2002, S. 160 –165. Beschluss des AVNOJ-Präsidiums über den Übergang von Feindvermögen in das Eigentum des Staates, über die staatliche Verwaltung des Vermögens abwesender Personen und die Sequestra- 93 94 MITJA FERENC 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 tion des Vermögens, das von den Besatzungsbehörden zwangsveräußert wurde, in: Uradni list Demokratične federativne Jugoslavije 1 (1945), Nr. 2 – 25 (6.2.1945), veröffentlicht in einer besonderen Beilage des Uradni list Slovenskega narodnoosvobodilnega sveta in Narodne vlade za Slovenijo 1 (1945), Nr. 6 (6.6.1945). Jože Prinčič, Podržavljenje nemške imovine na slovenskem ozemlju po drugi svetovni vojni 1945 –1955 [Die Verstaatlichung des deutschen Besitzes im slowenischen Gebiet nach dem Zweiten Weltkrieg], in: Nećak (Hg.), „Nemci“ na Slovenskem 1941–1955. Izsledki projekta, S. 309 – 316. Prinčič, Podržavljenje nemške imovine na slovenskem ozemlju po drugi svetovni vojni 1945 –1955, S. 291, 292. Božo Repe, „Nemci“ na Slovenskem po drugi svetovno vojno, v: Dušan Nećak (Hg.), „Nemci“ na Slovenskem 1941–1955, Ljubljana 2002, S. 197– 200. S. 197– 200. Ukaz o prenehanju vojnega stanja z Nemčijo [Verordnung über die Aufhebung des Kriegszustands mit Deutschland], Uredni list FLRJ 7 (1951), Nr. 35 – 350 (1.8.1951); Ukaz o prenehanju vojnega stanja z Zvezno republiko Avstrijo [Verordnung über die Aufhebung des Kriegszustands mit der Republik Österreich], ebd., Nr. 4 – 54 (17.1.1951). Für die „Volksdeutschen“ aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn waren entscheidend die Bestimmungen des § 13 der „Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin“ („Potsdamer Abkommen“) vom 2.8.1945, in dem Stalin, Truman und Attlee unter anderem vereinbarten, dass „die Überführung der deutschen Bevölkerung oder Bestandteile derselben, die in Polen, Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben sind, nach Deutschland durchgeführt werden muss. Sie stimmen darüber überein, dass jede derartige Überführung, die stattfinden wird, in „ordnungsgemäßer und humaner Weise erfolgen soll“. Repe, „Nemci” na Slovenskem po drugi svetovno vojno, S. 204. Vgl. z. B. Theodor Schieder (Hg.), Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 5, Bonn 1961; Wilhelm Lampeter / Ludwig Kren, Gottscheer Flüchtlingsschicksale. Bericht über Umsiedlung und Vertreibung sowie die Zeit danach, Gottschee 4/5, Weilheim 1994; T. Ferenc, Nemci na Slovenskem med drugo svetovno vojno, S. 166 –169. Franjo Baš, Doneski k problematiki slovenještajerskega nemštva pred in med okupacijo 1941–1945 [Beiträge zur Problematik des slowenisch-steirischen Deutschtums vor und während der Besatzung 1941–1945], Inštitut za narodnostna vprašanja v Ljubljani, S. 5. Mateja Malnar, Analiza fonda Kulturbunda v Arhivu MNZ, Diplomarbeit, Univerza v Ljubljani, Filozofska fakulteta, Oddelek za zgodovino, 1997. Arhiv Republike Slovenije [im Folgenden ARS] – dislocirana enota 1, Brzojavka notranjega ministrstva DFJ 13.1.1946 in notranjega ministrstva Slovenije [Telegramm des Innenministeriums des Demokratischen Föderativen Jugoslawiens und des Innenministeriums Sloweniens], 14. und 26.1.1946; ARS – dislocirana enota 2, PSNOS-KUNI, f. 498/II, Zapisnik konference predstavnikov ministrstev in drugih ustanov [Protokoll der Konferenz der Vertreter der Ministerien und anderer Institutionen], 4.10.1945; ARS, AS 223, šk. 28, dopis sekretarja okrožnega komiteja KPS Marburg Sergeja Kraigerja centralnemu komiteju KPS [Schreiben des Sekretärs der Kreiskomitees der Kommunistischen Partei Sloweniens (KPS) Sergej Kraiger an das Zentralkomitee der KPS], 16.6.1945. ARS-2, štab za repatriacijo [Stab für die Repatriierung], f. 132, navodila oddelka OZNA [Anweisungen einer Abteilung der OZNA], 26.6.1945. Milko Mikola (Hg.), Dokumenti in pričevanja o povojnih koncentracijskih taboriščih v Sloveniji [Dokumente und Zeugenaussagen über die Nachkriegskonzentrationslager in Slowenien], Ljubljana 2007, S. 12 –16. Milko Mikola (Hg.), Dokumenti in pričevanja o povojnih izgonih prebivalstva v Sloveniji [Dokumente und Zeugenaussagen über die Nachkriegsvertreibungen der Bevölkerung in Slowenien], Ljubljana 2009., dok. št. 6, S. 43. ARS, AS 1199, KUNI, Konferenčna seja predstavnikov ministrstev in drugih ustanov v Ljubljani, 4. oktobra 1945, ob razpravi o vprašanju izgona Nemcev iz Slovenije in zaplembi njihovega premoženja. Mikola, Dokumenti in pričevanja o povojnih koncentracijskih taboriščih v Sloveniji, S. 24. T. Ferenc, Nemci na Slovenskem med drugo svetovno vojno, S. 175. M. Ferenc, Kočevska, pusta in prazna, S. 271– 275. ARS, AS 1931, šk. 1062, Poročilo o selitvah „Volksdeutscherjev“ v letih 1945 –1946, sestavil major Zvone Debevc [Bericht über die Auswanderungen von „Volksdeutschen“ in den Jahren 1945 –1946, verfasst von Major Z. Debevc], 26.11.1951. Repe, „Nemci” na Slovenskem po drugi svetovno vojno, S. 211– 214; Ferenc, Nemci na Slovenskem med drugo svetovno vojno, S. 185 –188. Poročilo o selitvah „Volksdeutscherjev“ (wie Anm. 24). Mikola, Dokumenti in pričevanja o povojnih izgonih prebivalstva v Sloveniji, S. 14. Ferenc, Nemci na Slovenskem med drugo svetovno vojno, S. 190. Schreiben des Instituts für neueste Geschichte, Laibach [Inštitut za novejšo zgodovino, Ljubljana] an den Autor, 7. März 2012. DAS SCHICKSAL DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG 30 Mikola, Dokumenti in pričevanja o povojnih koncentracijskih taboriščih v Sloveniji, S. 87– 95. 31 Zdenko Zavadlav, Iz dnevniških zapiskov mariborskega oznovca [Aus den Tagebuchaufzeichnungen eines Mariborer OZNA-Mannes], Maribor 1990, S. 91– 93. 32 Dokumentarfilm Otroci s Petrička, [Die Kinder aus Petričko], Regie Milan Zupanič, 2007. 33 Als „Deutsche“ bezeichne ich Angehörige von Personen deutscher und österreichischer Nationalität und Personen mit deutscher Muttersprache. 34 Dušan Nećak, „Nemci“ v Sloveniji 1938–1948 [Die „Deutschen“ in Slowenien 1938–1948], in: Slovensko-avstrijski odnosi v 20. stoletju = Slowenisch-Österreichische Beziehungen im 20. Jahrhundert (Historia 8), Ljubljana 2004, S. 349 – 402. 35 Mehr als die Hälfte der Personen beider Nationalitäten lebte in Ortschaften mit ein, zwei oder drei Personen einer der beiden Nationalitäten. In solchen Ortschaften leben 40 Prozent der Personen mit deutscher Muttersprache. 36 Vgl. dazu T. Ferenc: „Nemci“ na Slovenskem v popisih prebivalstva po drugi svetovni vojni [Die „Deutschen“ in Slowenien in den Bevölkerungszählungen nach dem Zweiten Weltkrieg], in: Nećak (Hg.), „Nemci“ na Slovenskem 1941–1955. Izsledki projekta, S. 317– 368; Dušan Nećak, „Nemci“ na Slovenskem 1945–1955 v luči nemških in avstrijskih dokumentov [Die „Deutschen” in Slowenien im Lichte deutscher und österreichischer Dokumente], in: Nećak (Hg.), „Nemci“ na Slovenskem 1941–1955, S. 219–290. 37 Mitja Ferenc, Etno- in socialnodemografska struktura „Nemcev“ na Slovenskem v obdobju jugoslovanske države po 2. svetovni vojni [Die ethno- und sozialdemographische Struktur der „Deutschen“ in Slowenien in der Periode des jugoslawischen Staates nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Soočanje z demografskimi izzivi, Zbornik 14. mednarodne multikonference Informacijska družbe – IS 2011, zvezek B, S. 33 – 37. 38 http://www.gottscheer.eu. 39 http://www.drustvo-mostovi.si/. 40 http://www.altoesterreicher.net/kulturno-drustvo-celje-ob-savinji. 41 http://www.altoesterreicher.net. 42 Das Abkommen zwischen den Regierungen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur, Bildung und Wissenschaft wurde am 30.4.2001 in Laibach unterzeichnet. Die österreichische Seite ratifizierte es im Juli 2001, die slowenische im Februar 2002, so dass es am 1.5.2002 in Kraft trat. 43 § 61: „Jeder hat das Recht, frei die Zugehörigkeit zu seinem Volk oder seiner Volksgruppe zum Ausdruck zu bringen, seine Kultur zu fördern und zum Ausdruck zu bringen sowie seine Sprache und Schrift zu gebrauchen.“; Ustava Republike Slovenije [Verfassung der Republik Slowenien], in: Uradni list Republike Slovenije 1 (1991), Nr. 33/9 (23.12.1991). 44 Mehr dazu bei Ferenc, Kočevska, pusta in prazna, S. 330 – 336. 45 Zakon o denacionalizaciji [Gesetz über die Entnationalisierung], in: Uradni list Republike Slovenije 1 (1991), Nr. 27/91 (29.11.1991). 46 Ferenc / Repe, Nemška manjšina v Sloveniji med obema vojnama, S. 642 – 645, 693 – 697. 95 96 MICHAEL PORTMANN Michael Portmann Die donauschwäbische Bevölkerung in der Vojvodina: Flucht, Internierung und Aussiedlungspolitik (1944–1954) Im vorliegenden Beitrag soll auf der Grundlage des spärlich vorhandenen Quellenmaterials aus serbischen und vojvodinischen Archiven1 das Schicksal der donauschwäbischen Bevölkerung in der Autonomen Provinz Vojvodina (Autonomna Pokrajina Vojvodina, APV) im Zeitraum von 1944 bis 1954 nachgezeichnet werden. Zudem werden die Grundzüge der jugoslawisch-kommunistischen Deutschenpolitik dargelegt und in einen breiteren internationalen Kontext eingeordnet. Quellenlage Die Archivsituation in der Republik Serbien beziehungsweise in der Autonomen Provinz Vojvodina lässt eine vollständige Einsicht in die Pläne, Ziele und Maßnahmen der jugoslawisch-kommunistischen Bevölkerungs- und Nationalitätenpolitik unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht zu. Mehrere Gründe sind dafür verantwortlich. In erster Linie ist anzuführen, dass praktisch sämtliche in Belgrad befindlichen Akten aus dem Bundesinnenministerium (Ministarstvo unutrašnih poslova, MUP) nicht zugänglich sind. Laut Homepage des vor Kurzem neu organisierten Militärarchivs Serbien sind Unterlagen aus dem Verteidigungsministerium mittlerweile in 26 Fonds geordnet und für Forscher zur Einsicht freigegeben worden.2 Dennoch: über die jugoslawische Polizei, die kommunistische Geheimpolizei OZNA (Abteilung zum Schutze des Volkes), die militärische Spezialeinheit KNOJ (Korpus der Volksverteidigung Jugoslawiens) sowie über die Tätigkeit der Innenbehörden auf allen Verwaltungsebenen ist das zugängliche Quellenmaterial unergiebig und in jeder Hinsicht unbefriedigend. Unter den geschilderten Umständen ist es kaum verwunderlich, wenn sich das historiografische Bild zur jugoslawischen Deutschenpolitik nach 1944/1945 einigermaßen farblos präsentiert. Tatsächlich stammt das meiste, was zum Schicksal der deutschsprachigen Bevölkerung nach der kommunistischen Machtübernahme im Herbst 1944 bekannt ist, aus donauschwäbischer Forschungsarbeit und Erinnerungsberichten3 und nicht etwa aus „jugoslawischen“ (d. h. slowenischen, kroatischen4 und serbischen) Archiven. Mit dem vorliegenden Beitrag soll diesem Forschungsdesiderat zumindest ansatzweise entgegengewirkt werden. Flucht, Erschießung und Internierung Jugoslawische Quellen schweigen bis heute, ob Tito im Herbst 1944 konkrete Weisungen über den Umgang mit den einheimischen Deutschen erließ, oder ob die Verhaftungen, Erschießungen, die Verpflichtung zum Arbeitsdienst und die partielle Internierung von Donauschwaben seit Oktober 1944 ohne klare Vorgaben der Parteispitze und damit nach eigenem Ermessen höherer Militärs und Parteifunktionäre erfolgten. In der Dokumentation der Vertreibung5 und in der donauschwäbischen Literatur wird allgemein von einem geplanten, zentral gesteuerten Vorgehen ausgegangen.6 Jugoslawische Quellen können diese Annahme weder eindeutig bestätigen noch klar widerlegen. Die Organisationsstruktur der im Oktober 1944 errichteten kommunistischen Militärverwaltung für das Banat, die Batschka und die Baranja (Vojna uprava za Banat, Bačku i Baranju) mit ihrer Abteilung für Mobilisation, Lager und Arbeitsdienst weist allerdings darauf hin, dass zumindest ein eher allgemeiner, möglicherweise nur mündlicher Befehl von ganz oben DIE DONAUSCHWÄBISCHE BEVÖLKERUNG IN DER VOJVODINA eine „Spezialbehandlung“ für die verbliebenen einheimischen „Schwaben“ (und zu Beginn auch der Magyaren) anordnete. Bei der hierarchischen Befehlsstruktur von Partei und Armee hätten derartige Aktionen wohl kaum ohne das Wissen und das grundsätzliche Plazet Titos durchgeführt werden können. Im Unterschied allerdings beispielsweise zur Tschechoslowakei oder auch Polen dürfte das „Deutschenproblem“ für die jugoslawisch-kommunistische Führungsspitze vorderhand nur zweitrangig gewesen sein. Zuoberst auf der Prioritätenliste stand zumindest bis zum Ende des Krieges die endgültige Vernichtung der einheimischen Bürgerkriegsgegner. Eine kollektive Aussiedlung der „Deutschen“ (und auch anderer Bevölkerungsgruppen) dürfte bis zum Sommer 1945 von den künftigen kommunistischen Machthabern nicht geplant gewesen sein. Bereits während des Krieges war es im Rahmen der nationalsozialistischen „Volkstumspolitik“ zu Umsiedlungen von „Volksdeutschen“ gekommen. Derartige Umsiedlungsaktionen gingen dann ab dem Frühjahr 1944 in Evakuierungsmaßnahmen und Fluchtbewegungen über. Aus Syrmien und Slawonien konnte noch vor dem Einmarsch der Roten Armee und der jugoslawischen Partisanen im Herbst 1944 praktisch die gesamte „volksdeutsche“ Bevölkerung evakuiert werden. Nach eigenen Berechnungen dürften rund 65.000 Batschka- und 5.000 Baranjadeutsche die Ankunft der Roten Armee und der Partisanen Titos erlebt und erlitten haben. Im Banat blieben circa 85.000 Deutsche zurück. Wenn man vielleicht von knapp 10.000 im Lande verbliebenen Sloweniendeutschen ausgehen darf, sind insgesamt in ganz Jugoslawien zwischen 160.000 und 170.000 „volksdeutsche“ Zivilisten nach Herbst 1944 unter die Herrschaft Titos geraten. Eine überwiegende Mehrheit davon – nämlich ca. 155.000 Personen – befand sich auf dem Gebiet der späteren Autonomen Provinz Vojvodina, also im Banat, der Batschka und in Syrmien.7 Allerdings weist nun eine – sowohl in der deutschen als auch der serbischen Historiografie bisher kaum beachtete – von der kommunistischen Militärverwaltung im November/Dezember 1944 durchgeführte Bevölkerungszählung nur noch 100.000 Personen aus, die sich als Deutsche deklarierten.8 Wie lässt sich dieser eklatante Unterschied erklären? Mehrere Zehntausend Personen, die anlässlich der jugoslawischen Zählung im Jahr 1931 noch Deutsch als Muttersprache angegeben hatten, sind damals aus berechtigter Angst vor Repression und Vergeltung nach Möglichkeit zu Magyaren, Serben und Kroaten „geworden“. Und rund 6.500 „Volksdeutsche“ waren noch vor der Zählung in diesem blutigen Herbst von Soldaten der Volksbefreiungsarmee (NOV) erschossen worden.9 Wie immer in Fällen, wo Menschen aufgrund der objektiv nicht zu erhebenden ethnischen Zugehörigkeit eingeteilt werden, ist für ihr weiteres Schicksal die behördliche Fremdbestimmung und nicht deren subjektive Aussage entscheidend. Auch die kommunistischen Machthaber gingen – ungeachtet der Ergebnisse ihrer Zählung – von rund 150.000 und eben nicht nur 100.000 Personen in der späteren AP Vojvodina aus, die in ihren Augen als „deutsch“ zu gelten hatten. Am 17. Oktober 1944 entstand auf Anordnung Titos im Banat, der Batschka und der Baranja eine nach sowjetischen Vorgaben gestrickte Militärverwaltung, die bis zu ihrer Auflösung Mitte Februar 1945 ganz wesentlich über das Schicksal der „Volksdeutschen“ bestimmte.10 Die Etablierung dieser Militärverwaltung wurde denn auch damit begründet, dass in diesen Gebieten „[…] viele Deutsche und Magyaren leben, die sich zur Zeit der Besatzung den slawischen Einwohnern gegenüber feindlich verhalten und an allen Gräueltaten teilgenommen haben […]. Besonders die hiesigen Schwaben haben sich den Serben, aber auch allen anderen Völkern gegenüber barbarisch verhalten. Deswegen ist es notwendig, dass wir gründlich [Hervorhebung im Original, Anm. dieses Autors] mit allen Schwaben abrechnen und auch mit jenen Magyaren, die Verbrechen begangen haben.“11 Die 103 Tage der Militärverwaltung standen ganz im Zeichen der Ahndung, Verhaftung, Verurteilung und Ermordung von mehrheitlich „volksdeutschen“, aber auch andersnationalen (magyarischen, kroatischen, serbischen) Kriegsverbrechern, Kollaborateuren und „Volksfeinden“. Eine tragende Rolle fiel dabei der Geheimpolizei OZNA sowie der militärischen Sondereinheit KNOJ zu. Es waren allen voran Angehörige von OZNA und KNOJ, die tatsächliche 97 98 MICHAEL PORTMANN entlang eines 10 km breiten Gürtels östlich der Donau zwischen Batschki Breg im Norden und Palanka im Süden, einschließlich Sombor. Das Gleiche wird in der Baranja gemacht.“15 Ausgenommen von der Kollektivhaft waren vorerst in den Reihen der Volksbefreiungsarmee kämpfende Deutsche, Fachkräfte und Personen aus sogenannten Mischehen. Die Lagerüberweisungen wurden von der OZNA und dem KNOJ in Zusammenarbeit mit den militärischen Einheiten der nach wie vor bestehenden Orts- und Gebietskommandanturen durchgeführt, wobei es immer wieder zu Unregelmäßigkeiten und Misshandlungen kam. Dazu aus dem Bericht der außerordentlichen Kontrollkommission für das Banat vom 15. Mai 1945: „Die Internierung der Deutschen wurde an keinem einzigen Ort rechtmäßig durchgeführt. Dies deshalb, weil an die Internierung schnell und ohne genau festgelegte Kriterien herangegangen wurde. Somit passierten unvermeidliche Fehler wie: Internierung solcher, die es nicht verdient haben oder umgekehrt das Belassen auf freiem Fuße von solchen, die ins Lager gehen sollten. In diesem Sinne erhielt die Kommission viele Beschwerden, die die unrechtmäßige Arbeit illustrieren. [...] Der Umgang mit den Internierten ist nicht immer rechtmäßig und es gibt Fälle von Schlägereien und Vergewaltigungen: In St. Georgen an der Bega schlug der Kommandant des Lagers auf zwei 80-jährige Lagerinsassen ein, der eine hat schon einen Schlaganfall gehabt und der andere sieht nichts. Seine 45-jährige Tochter wurde vergewaltigt.“16 Spätestens bis zum Juni 1945 waren zwischen 105.000 und 110.000 Personen17 in einem der anfänglich rund 80 Lager oder Ansiedlungen unter spezieller Verwaltung inhaftiert. nicht interniert Tabelle : Zahl der „Volksdeutschen“ auf dem Gebiet Jugoslawiens, 1945. Total Volksdeutsche Total Kinder Frauen Total Männer Interniert Kinder Föderale Einheit Autonome Provinz und Gebiet Frauen oder vermeintliche Kriegsverbrecher jeglicher Nationalität liquidierten. Laut einem Bericht des Leiters der Abteilung II der OZNA für die Vojvodina aus dem Jahr 1946 sind in den ersten Monaten nach dem Einmarsch der Partisanen auf dem Territorium der Vojvodina 9.668 Personen von OZNA-Soldaten erschossen worden, darunter 6.763. Deutsche, 1.776 Magyaren, 436 Kroaten und 693 Personen anderer Nationalität (Russen, Tschechen, Slowaken, Rusinen, Bunjewatzen).12 Der erste bekannte Befehl der kommunistischen Führung zur teilweisen Internierung der donauschwäbischen Bevölkerung aus dem Banat erging bereits am 18. Oktober 1944.13 Darin hieß es unter anderem, dass jene Deutschen, die ihre Häuser verlassen hatten, nicht dorthin zurückkehren dürften, sondern in Lager einzuweisen seien. Am 29. November 1944 befahl der Kommandant der Militärverwaltung, Ivan Rukavina, alle deutschen männlichen Bewohner (ausgenommen davon waren die als Antifaschisten akzeptierten Deutschen) zwischen 16 und 60 Jahren in dafür vorgesehenen Lagern zu konzentrieren. Die (noch) nicht internierte deutsche Bevölkerung sollte fortan „strengstens überwacht“ und in ihrer Bewegungsfreiheit drastisch eingeschränkt werden.14 Der Umgang mit der donauschwäbischen Bevölkerung zur Zeit der Militärverwaltung deutet darauf hin, dass ein klarer diesbezüglicher Befehl aus dem Oberkommando der Armee beziehungsweise dem Politbüro der Kommunistischen Partei nicht vorgelegen hat. Die Behandlung der einheimischen Deutschen orientierte sich offenbar vielmehr an einem konkreten, wenn auch überspannten Sicherheitsbedürfnis von Armee und Partei als an im Voraus definierten politisch-ideologischen Richtlinien. Die zweite Phase der räumlichen Konzentration der donauschwäbischen Bevölkerung lässt sich zeitlich zwischen Ende März und Juni 1945 eingrenzen. In diesen drei Monaten wurden praktisch alle noch auf dem Gebiet der Vojvodina verbliebenen Jugoslawiendeutschen entweder in Lager geschafft oder in Dörfern unter spezieller Verwaltung (naselje pod specijalnim režimom) zusammengezogen. Ausschlaggebend für die totale Konzentration dürften erneut militärische Forderungen gewesen sein, wie ein Befehl der III. Armee an das Kommando des Militärgebiets der Vojvodina vom 24. März 1945 nahelegt: „Während der vergangenen Kämpfe wurde ein verbrecherisches Verhalten der Bevölkerung deutscher Nationalität festgestellt. Sofortige Aussiedlung der deutschen Bevölkerung ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht Männer Die Militärverwaltung für das Banat, die Batschka und die Baranja (1944/45). 99 DIE DONAUSCHWÄBISCHE BEVÖLKERUNG IN DER VOJVODINA Serbien - - - 281 - - - 188 125 341 Kosovo - - - - 1 3 - 4 - 4 30.745 54.099 20.896 105.740 2.000 3.000 1.000 6.000 - 111.740 3.000 4.500 3.100 10.600 700 1.000 300 2.000 - 12.600 Slowenien - - - - 1.700 2.200 803 4.703 - 4.703 Montenegro - - - - - - - - - - Makedonien - - - - - - - - - - BosnienHerzegowina 469 222 426 1.117 1 1 2 4 - 1.121 34.214 58.821 24.422 117.485 4.402 6.204 2.105 12.899 125 130.509 Vojvodina Kroatien Total Quelle: ASCG, F-50, 35/844: Tabellarische Übersicht der internierten und nicht internierten Deutschen auf dem Territorium Jugoslawiens, undatiert, nicht gezeichnet. 1 In dieser Zeile fehlt die Aufschlüsselung nach Männern, Frauen und Kindern. Daher beträgt die Summe in der Horizontalen um 28 weniger als in der Vertikalen. 100 MICHAEL PORTMANN Schrittweise ging man dazu über, die arbeitsfähige von der arbeitsunfähigen Bevölkerung räumlich zu trennen. Die Gefangenen wurden in der Landwirtschaft und für Aufräum- und Renovierungstätigkeiten eingesetzt, wobei die meist katastrophalen Lagerbedingungen für die sehr hohe Todesrate unter den „Volksdeutschen“ verantwortlich waren. Sogar in einem Bericht des jugoslawischen Innenministeriums aus dem Jahr 1947 wurde diesbezüglich festgehalten: „Der Zustand in diesen Lagern ist in jeder Hinsicht äußerst schlecht. Die Unterkunft, die hygienischen Bedingungen, die Ernährung und die Kleidung sind weit unter den minimalen Anforderungen für ein geordnetes Leben. Obwohl dieses Ministerium und das Innenministerium der Volksrepublik Serbien viele Maßnahmen zur Verbesserung der Umstände getroffen haben, wurden nur schwache Ergebnisse erzielt.“18 Zwischen Oktober 1944 und März 1948 sind auf der Basis von zuverlässigen statistischen Hochrechnungen in Jugoslawien circa 50.000 „Volksdeutsche“ umgekommen.19 Der überwiegende Teil (rund 43.500 Personen) starb auf der Flucht oder an den Folgen der physischen und seelischen Belastungen in den Arbeits- und Krankenlagern. Rund 6.500 Donauschwaben, die sich zwischen 1941 und 1944 aufgrund ihrer Funktion oder Tätigkeit tatsächlich oder angeblich eines Kriegsverbrechens schuldig gemacht hatten, dürften beim ersten Kontakt mit den jugoslawischen Partisanen ohne Gerichtsverfahren hingerichtet worden sein.20 Insgesamt ist rund ein Drittel der in den Machtbereich der Volksbefreiungsarmee gefallenen Donauschwaben im Zeitraum von dreieinhalb Jahren gestorben. Bei dieser hohen Sterblichkeit muss berücksichtigt werden, dass größtenteils Kinder und ältere Menschen von der Internierung betroffen waren und Arbeitsdienst zu leisten hatten. Die jugoslawische Deutschenpolitik im internationalen Kontext (1944–1948) Im Vergleich mit anderen ostmittel- und südosteuropäischen Ländern mit einer deutschsprachigen Vorkriegsbevölkerung bietet die einleitend angesprochene Quellensituation viel Raum für Spekulationen, wie die kommunistische Spitze um Josip Broz Tito, Moša Pijade, Edvard Kardelj, Aleksandar Ranković und Milovan Đilas das „Problem“ der einheimischen Deutschen nach dem Krieg zu lösen gedachte. Über den künftigen Umgang mit den Jugoslawiendeutschen wurde innerhalb des Politbüros der Kommunistischen Partei Jugoslawiens vermutlich seit dem Jahre 1944 diskutiert, auch wenn bisher keine schriftlichen Zeugnisse dieser Gespräche aufgetaucht sind.21 Auch die jugoslawische Exilregierung in London verfügte zumindest bis März 1944 über keine konkreten Pläne, was mit den Deutschen nach dem Krieg geschehen sollte, obwohl einige Minister für deren Aussiedlung plädierten.22 Einzig die serbisch-nationalistischen Tschetniks sahen in ihren Programmen eine Vertreibung aller illoyalen nationalen Minderheiten vor.23 Die jugoslawischen Kommunisten schienen jedoch auch im Herbst 1944 noch keine derartigen Pläne verfolgt zu haben. Zumindest der oft zitierte Beschluss des AVNOJ-Präsidiums über den Übergang von Feindvermögen in das Eigentum des Staates, über die staatliche Verwaltung des Vermögens abwesender Personen und die Sequestration des Vermögens, das von den Besatzungsmächten zwangsveräußert wurde vom 21. November 1944 deutet mit Blick auf dessen Entstehungszeitpunkt darauf hin, dass man sich vielmehr an den bereits geschaffenen Fakten – nämlich der Flucht einer Mehrheit der Jugoslawiendeutschen – orientiere und dementsprechend agierte. Tatsächlich war dieser Beschluss des AVNOJ-Präsidiums die erste normative Regelung in Bezug auf die einheimische deutschsprachige Bevölkerung. Noch bevor die jugoslawische Partei- und Staatsführung so recht wusste, was mit den im Lande verbliebenen Jugoslawiendeutschen geschehen sollte, meldete im Dezember 1944 die Sowjetunion ihre Ansprüche auf „volksdeutsche Arbeitskraft“ an. Die sowjetische Regierung hatte sich bereits 1943 mit der Ausarbeitung eines Planes über die Rekrutierung deutscher Arbeitskräfte beschäftigt.24 Obwohl die „Nutzung deutscher Arbeit“ als eine Form deutscher Reparationsleistungen erst auf der Konferenz von Jalta (4. bis 11. Februar 1945) von den Alliierten festgeschrieben werden DIE DONAUSCHWÄBISCHE BEVÖLKERUNG IN DER VOJVODINA 101 Sitzung des Politbüros des ZK der KP Jugoslawiens unter Führung Titos in Vis, Mitte 1944. Von links nach rechts: Vladimir Bakarić, Ivan Milutinović, Edvard Kardelj, Josip Broz Tito, Aleksandar Ranković, Svetozar Vukmanović und Milovan Đilas. sollte,25 kam es bereits zwischen Ende Dezember 1944 und Anfang Januar 1945 zu Deportationen internierter Donauschwaben aus der Vojvodina in die Sowjetunion. Nachdem Stalin am 16. Dezember 1944 die vom Volkskommissar für Innere Angelegenheiten, Lavrentij P. Berija, ausgearbeiteten Vorschläge für Südosteuropa abgesegnet und erweitert hatte, begann der NKWD (Innenministerium der UdSSR) in Jugoslawien um die katholische Weihnachtszeit 1944 mit den ersten „Sammelaktionen“. Neben Jugoslawien waren Ende 1944/Anfang 1945 auch Rumänien und Ungarn von der Verschleppung einheimischer „Volksdeutscher“ in die Sowjetunion betroffen. Insgesamt wurden aus diesen drei Ländern gemäß sowjetischen Quellen bis zum Januar 1945 rund 68.000 „Volksdeutsche“ (davon 10.935 Personen aus Jugoslawien, 33.073 Personen aus Rumänien und 23.707 aus Ungarn) in die UdSSR deportiert.26 Auf den 26. Dezember datiert eine an den Kommandanten der Militärverwaltung für das Banat, die Batschka und die Baranja, Ivan Rukavina, gerichtete Meldung über den bevorstehenden Besuch des sowjetischen Generalmajors und NKWD-Mitarbeiters Mikhail A. Zapevalin.27 Darin wurde Rukavina angewiesen, dem für die Mobilisierung und Überweisung der deutschen Arbeitskräfte in die UdSSR zuständigen sowjetischen Geheimdienstler „in allen Bereichen entgegenzukommen“ und seinen Forderungen zu entsprechen.28 Ob innerhalb des jugoslawischen Politbüros über die Zahl der zu deportierenden Deutschen zuvor gesprochen, oder ob (und dies scheint wahrscheinlicher) den Wünschen aus Moskau diskussionslos zugestimmt wurde, ist nach wie vor offen. Auch über die konkrete Durchführung dieser Zwangsverschickung ist in den zugänglichen serbischen Quellen nichts zu finden. In sowjetischen Dokumenten taucht – wie oben gesehen – die Zahl von knapp 11.000 Personen (davon 7.243 Frauen und 3.692 Männer) auf, die zur Arbeit in den Osten geschickt wurden.29 Je vier Transportzüge aus der Batschka und dem Banat brachten diese Menschen zwischen dem 29. Dezember 1944 und dem 6. Januar 1945 in die Kohlenreviere und Industriegebiete des Donezbeckens.30 Nach donauschwäbischen Angaben sind knapp 2.000 jugoslawische Donauschwaben während des Transportes beziehungsweise vor allem während der Arbeit in der Sowjetunion gestorben.31 Wieso Jugoslawien im Protokoll der Potsdamer Konferenz vom 1. August 1945 nicht als eines jener Länder (neben Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn) genannt wird, aus denen eine „geregelte Überführung der deutschen Bevölkerung“ erfolgen soll, ist eine in der Historiografie nach wie vor unbeantwortete Frage. Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass bis zur Beendigung des Krieges für die Politbüro- 102 MICHAEL PORTMANN mitglieder andere Probleme (namentlich die Eliminierung der südslawischen Bürgerkriegsgegner) als jenes der Aussiedlung beziehungsweise Vertreibung der einheimischen Deutschen im Vordergrund standen. Tatsächlich handelten die jugoslawischen Kommunisten stets isolierter und waren schwächer in die internationale Politik eingebunden als beispielsweise die Exilpolitiker aus der Tschechoslowakei oder Polen, die sich während des Krieges in Konsultation mit den Kriegsalliierten intensiv über das künftige Schicksal „ihrer“ Deutschen Gedanken machen konnten. Zudem mag für die Vertreter der Alliierten die deutsche Bevölkerung in Jugoslawien im Vergleich zu jener in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn zahlenmäßig zu schwach gewesen sein, um auf der Konferenz behandelt zu werden. Sicher hingegen ist, dass das Präsidium des Ministerrats des Demokratischen Föderativen Jugoslawien spätestens seit Juni 1945 eine Überführung der noch im Land verbliebenen Deutschen wünschte und diesen Schritt folgendermaßen begründete: „Die Regierung Jugoslawiens ist der Auffassung, dass die sich innerhalb der Grenzen Jugoslawiens befindenden Deutschen ausgesiedelt und nach Deutschland überführt werden müssen. Wir haben das Recht auf diese Aussiedlung, da ! die Deutschen, die sich heute in Jugoslawien befinden, vom deutschen Eroberer auf Boden kolonisiert wurden, der den Jugoslawen gehört. ! die deutsche Minderheit seit dem Tag der Ansiedlung in unserem Land und bis heute gegen die Interessen der Völker Jugoslawiens arbeitet, indem sie sich in den Dienst des deutschen Imperialismus stellt. Dies äußerte sich im Besonderen während dieses Krieges, als sie mit allen Mitteln aktiv gegen unsere Armee und unsere Volksbefreiungsbewegung überhaupt gekämpft hat. ! die deutsche Minderheit während dieses Krieges so viele Verbrechen an den Völkern Jugoslawiens verübt hat, dass ihr weiteres Verbleiben innerhalb Jugoslawiens den Aufbau unserer Staates behindern würde.“32 Offensichtlich aber gelang es der jugoslawischen Regierung nicht rechtzeitig, die Vertreter der Potsdamer Konferenz von ihrer Position in Bezug auf die Deutschen zu unterrichten. Zwischen Sommer 1945 und Anfang 1947 versuchte die jugoslawische Regierung daher mehrmals und immer ohne Erfolg, einen international sanktionierten Transfer der in der Vojvodina internierten Donauschwaben zu erreichen.33 Als aber im Juli 1946 selbst Moskau derartige Begehren zurückwies,34 begannen die jugoslawischen Behörden, die Flucht von internierten Donauschwaben aus den Arbeits- und Konzentrationslagern aktiv zu unterstützen. Es ist davon auszugehen, dass bis Ende 1947 zwischen 35.000 und 40.000 Personen aus Jugoslawien entkommen sind.35 Zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich dann ein Wandel in der Behandlung der zurückgebliebenen Deutschen ab: Die Fluchtbewegungen wurden gestoppt und viele jüngere Männer wurden anstelle der entlassenen deutschen Kriegsgefangenen in Bergwerken und in staatlichen Landwirtschaftsbetrieben eingesetzt. Die Lager in der Vojvodina wurden bis zum März 1948 in mehreren Stufen aufgelöst, die Arbeitsfähigen gesondert erfasst und auf Staatsgütern (Državno dobro) und in landwirtschaftlichen Genossenschaften (Seljačka radna zadruga) als Arbeiter eingesetzt. Seit 1949 konnten die entlassenen Jugoslawiendeutschen die jugoslawische Staatsbürgerschaft beantragen, nachdem sie bis anhin – obwohl formaljuristisch nie der jugoslawischen Staatsbürgerschaft beraubt – als staatenlos gegolten hatten. Die „AVNOJ-Beschlüsse“: Irrtümer und Missverständnisse Der oft zitierte Beschluss des AVNOJ-Präsidiums (und nicht vom gesamten AVNOJ) vom 21. November 1944 über den Übergang von Feindvermögen in das Eigentum des Staates, über die staatliche Verwaltung des Vermögens abwesender Personen und die Sequestration des Vermögens, das von den Besatzungsmächten zwangsveräußert wurde regelte unter anderem die – von wenigen Ausnahmen abgesehen – kollektive Enteignung der Jugoslawiendeutschen.36 Gemäß einer Auslegung aus dem Bundesinnenministerium vom 2. Januar 1946 konnte auch das testamentarisch weitergegebene Ver- DIE DONAUSCHWÄBISCHE BEVÖLKERUNG IN DER VOJVODINA mögen beschlagnahmt werden. Dies selbst dann, wenn die auf diese Weise in den Besitz von deutschem Vermögen gelangten Personen ansonsten vom Beschluss nicht betroffen gewesen wären.37 Das Eigentum von Angehörigen der deutschsprachigen Bevölkerung ging in aller Regel ohne Gerichtsverfahren in staatlichen Besitz über. Es genügte die Feststellung von Seiten eines Verwaltungsorgans, dass die Eigentümer der betreffenden Güter zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Angehörige der deutschen Volksgruppe waren beziehungsweise die Staatsangehörigkeit des Deutschen Reiches besaßen. Alleine in der Vojvodina sind 68.035 „deutsche“ Besitzungen38 mit einer Gesamtfläche von 389.256 Hektar in den staatlichen Bodenfonds eingeflossen.39 Damit machte der konfiszierte deutsche Besitz etwas mehr als die Hälfte vom gesamten Bodenfonds der Vojvodina (668.412 Hektar) aus. Der Beschluss des AVNOJ-Präsidiums fiel zu einem Zeitpunkt, als sich die Mehrheit der Donauschwaben bereits nicht mehr in Jugoslawien befand. Zehntausende von Häusern und Geschäften in der Vojvodina standen leer, waren in der Zwischenzeit geplündert und zerstört worden. Diese Ausgangslage dürfte auf die eine oder andere Weise die Beschlussfassung beeinflusst, ja vielleicht sogar initiiert haben. Der Text wurde erst im Februar 1945 veröffentlicht und vom jugoslawischen Parlament Ende 1945 bestätigt. Immer wieder stößt man in der deutschsprachigen Literatur40 auf einen angeblichen zweiten Beschluss des AVNOJ-Präsidiums, der manchmal auf den 21. November 1943, öfters aber auf den 21. November 1944 datiert wird. Aufgrund dieses „Geheimerlasses“41 soll allen in Jugoslawien lebenden Personen deutscher Volkszugehörigkeit die jugoslawische Staatsbürgerschaft und alle bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte entzogen worden sein.42 Dieses Dokument befindet sich nach Aussage von Stefan Karner in seinem Besitz und wurde vom Politbüromitglied Moša Pijade gezeichnet.43 [Vgl. Stefan Karners Beitrag Die deutschsprachige Volksgruppe Sloweniens und AVNOJ in diesem Band, Anm. d. Red.] Allerdings erlangte der Entwurf nie Gesetzeskraft, falls es ihn tatsächlich gegeben haben sollte. Die Jugoslawiendeutschen blieben de jure bis zur Annahme einer anderen (meist der deutschen oder österreichischen) Staatsbürgerschaft jugoslawische Staatsbürger, verloren aber nach Ausfertigung einer „authentischen Auslegung“ am 8. Juni 1945 zum AVNOJ-Präsidiumsbeschluss vom 21. November 1944 sämtliche staatsbürgerlichen Rechte.44 Zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Auslegung spielte die jugoslawiendeutsche Minderheit bereits keine Rolle mehr in Politik und Gesellschaft. Im damaligen Verständnis der politischen Elite galt als selbstverständlich, dass die internierten Deutschen keinerlei Rechte mehr besaßen und nicht mehr als gleichberechtigte Bürger des Demokratischen Föderativen Jugoslawien galten. Der Inhalt der Auslegung vom 8. Juni 1945 floss im Übrigen auch in das Gesetz vom 31. Juli 1946 zur Bestätigung und Änderung des Beschlusses über den Übergang von Feindvermögen in das Eigentum des Staates mit ein.45 Als Klammerbemerkung sei an dieser Stelle noch auf eine Stellungnahme des Präsidiums des Ministerrats vom Juni 1945 hingewiesen, in der als Reaktion auf die Verabschiedung des österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetzes46 die Anwendung des AVNOJ-Präsidiumsbeschlusses vom 21. November 1944 beziehungsweise der diesbezüglichen Auslegung vom 8. Juni 1945 auf österreichische Staatsbürger thematisiert wurde. Dies war deshalb notwendig, da im Beschluss vom 21. November 1944 lediglich von „deutschen Staatsbürgern“ die Rede war. In der Stellungnahme gelangte man zum Schluss, dass von der Konfiskation grundsätzlich auch österreichische Staatsbürger betroffen seien, falls sich diese zur Zeit des Krieges als Deutsche deklariert hätten.47 Schlussbemerkungen Die jugoslawische Deutschenpolitik wurde ohne Zweifel überwiegend von den traditionellen Kräften bestimmt. Der internationalistische Zugang (Klasse vor Rasse) existierte mehrheitlich bloß auf dem Papier. Die jugoslawischen Behörden waren sich sehr wohl im Klaren darüber, dass eine Mehrheit der donauschwäbischen Gefangenen sich keines Verbrechens schuldig gemacht hatte: Die bundesstaatliche jugoslawische Kriegs- 103 104 MICHAEL PORTMANN verbrecherkommission (Državna komisija za utvrđivanje zločina okupatora i nijhovih pomagača) registrierte gerade einmal 2.150 „volksdeutsche“ Kriegsverbrecher.48 Indem jedoch die damaligen militärisch-politischen Eliten davon ausgingen, dass praktisch alle Jugoslawiendeutschen auch gleichzeitig Nationalsozialisten (gewesen) seien, maß man der nicht objektivierbaren kollektiven Volkszugehörigkeit mehr Bedeutung bei als dem individuellen Verhalten während der Kriegszeit. Die größte zivilisatorische Katastrophe des vergangenen Jahrhunderts beruhte nicht zuletzt auf der erzwungenen, pseudo-wissenschaftlich perfektionierten und pervertierten Einteilung von Menschen auf der Grundlage vermeintlich objektiver völkischer Kriterien. Es gehört daher zu den wichtigsten Aufgaben der Historikerin/des Historikers, reflektiert und besonnen mit ethnisch-nationalen Kategorien umzugehen. Es sollten in der Geschichtswissenschaft und in der Geschichtsvermittlung nicht Völker, Nationen und Ethnien aufeinandertreffen, sondern vielmehr konkrete Akteure und Institutionen. Dies ist meines Erachtens einer der Schlüssel für eine erfolgreiche nationale Versöhnung. 1 Ich stütze mich dabei auf Dokumente aus dem Archiv Jugoslawiens (Arhiv Jugoslavije, Belgrad), dem Archiv des Militärhistorischen Instituts (Arhiv Vojno-istorijskog Instituta, Belgrad), dem Archiv der Vojvodina (Arhiv Vojvodine, Novi Sad) und den Lokalarchiven in Subotica, Sombor und Zrenjanin. 2 Siehe http://www.isi.mod.gov.rs/vojni_arhiv02/arhivska_gradja2.php?lang=sr-lat. 3 Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.), Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 5: Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, Bonn 1961; Donauschwäbische Kulturstiftung (Hg.), Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien, Bd. 1: Ortsberichte über Verbrechen an den Deutschen im kommunistischen Jugoslawien, München 1991; Bd. 2: Erlebnisberichte über die Verbrechen an den Deutschen durch das Tito-Regime in der Zeit von 1944 –1948, München 1993; Bd. 3: Erschießungen – Vernichtungslager – Kinderschicksale in der Zeit von 1944 bis 1948, München 1995; Bd. 4: Menschenverluste – Namen und Zahlen zu den Verbrechen an den Deutschen durch das TitoRegime in der Zeit von 1944 –1948, München 1994; Dies. (Hg.), Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948, Die Stationen eines Völkermords, München 2000. 4 Es ist das Verdienst des Kroatischen Instituts für Geschichte in Zagreb (Hrvatski institut za povijest), dass die unmittelbare Nachkriegszeit in dieser Republik quellenmäßig gut belegt ist. Mittlerweile sind bereits vier nach Regionen gegliederte Dokumentenbände erschienen, in denen kommunistische Repressionen und Verbrechen dokumentiert werden. Hrvatski institut za povijest (Hg.), Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj 1944.–1946. Dokumenti [Verbrechen und Repressionen von Partisanen und Kommunisten in Kroatien 1944 –1946. Dokumente], Slavonski Brod 2005 – 2011. Band 1: ohne Untertitel (2005); Band 2: Slavonija, Srijem i Baranja (2006); Band 3: Zagreb i središnja Hrvatska (2008), Band 4: Dalmacija (2011). 5 Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.), Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 5: Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, Bonn 1961. 6 Dokumentation der Vertreibung, S. 91E. 7 Arhiv Vojvodine (im Folgenden: AV), F-183, pred. 130; 156; 195; 203, ohne weitere Angaben. 8 AV, F-205, fol.: „Podaci o stanovništvu Bačke 1945“ [Angaben zu den Einwohnern der Batschka 1945]. 9 Hrvatski institut za povijest (Hg.), Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj 1944.–1946. Dokumenti, Slavonski Brod 2005, S. 324 – 326, hier S. 325 – 326. 10 Arhiv Jugoslavije (im Folgenden: AJ), F-513, XXXIV: Anordnung des Obersten Kommandanten der Volksbefreiungsarmee (NOV) und der Partisaneneinheiten (POJ) über die Errichtung der Militärverwaltung für das Banat, die Batschka und die Baranja, Dokument nicht datiert, gezeichnet von Tito. 11 AV, F-334, ohne weitere Angaben: Mitteilung aus dem Provinzkomitee der Vojvodina an alle Mitglieder der KPJ im Banat, der Batschka und der Baranja vom 13. November 1944, nicht gezeichnet. 12 Partizanska i komunistička represija, Dokumenti, Dokument Nr. 110, S. 324 – 326, hier S. 325 – 326. DIE DONAUSCHWÄBISCHE BEVÖLKERUNG IN DER VOJVODINA 13 Vojni arhiv (im Folgenden: VA), Fond Narodnooslobodilački rat (im Folgenden: NOR), kut. 1661, fasc. 1, dok. 11/1-4: Anordnung Nr. 2 vom Kommandanten des Militärgebiets der Volksbefreiungsarmee Jugoslawiens für das Banat vom 18. Oktober 1944, gezeichnet von Srević. 14 VA, kut. 1661, fasc. 1, dok. 19: Befehl des Kommandanten der Militärverwaltung für das Banat, die Batschka und die Baranja, Ivan Rukavina, vom 29. November 1944, gezeichnet von Ivan Rukavina. 15 AVII, kut. 1922, fasc. 3, dok. 6/37: Befehl von der III. Armee an das Kommando des Militärgebiets der Vojvodina vom 24. März 1945, nicht gezeichnet. 16 AJ, F-513, XXXIV MP, III-3/176: Abschlussbericht der außerordentlichen Kontrollkommission für das Banat an das Präsidium der außerordentlichen Kontrollkommission des Ministerrats für die Vojvodina vom 15. Mai 1945, nicht gezeichnet. 17 AJ, F-513, XXXIV MP, III-3/160: Zahl der Lagerinsassen, Dokument undatiert (vermutlich im Sommer 1945 entstanden), nicht gezeichnet. 18 AJ, F-50, 33/158: Streng vertraulicher Bericht über die Arbeit des Bundesinnenministeriums an das Generalsekretariat der Bundesregierung vom 21. Januar 1947, S. 12, nicht gezeichnet. 19 Verbrechen an den Deutschen, S. 314. 20 Partizanska i komunistička represija, Dokumenti, Dokument Nr. 110, S. 324 – 326, hier S. 325 – 326. 21 Milovan Đilas hält in seinen Memoiren fest, dass sich das Zentralkomitee der KPJ mehrmals über das Schicksal der Deutschen beriet und entschied, sie außer Landes zu schaffen. Milovan Đilas, Revolucionarni rat [Revolutionskrieg], Beograd 1990, S. 410. 22 Detlef Brandes, Großbritannien und seine osteuropäischen Alliierten 1939 –1943. Die Regierungen Polens, der Tschechoslowakei und Jugoslawiens im Londoner Exil vom Kriegsausbruch bis zur Konferenz von Teheran, München 1988, S. 410. Der jugoslawische Sprecher der BBC, T. Skrbić, drohte allen Deutschen mit furchtbarer Rache: „Für jeden ermordeten Serben, für jede ermordete Serbin werden die Schwaben in schwäbischen Leben einen hundertfachen Preis entrichten, und keine Macht der Welt wird das Schwert der Rache aufhalten können, wenn die Zeit gekommen ist. Das merkt Euch und haltet Euch bereit, denn der Tag ist nicht mehr fern, an dem wir mit den Schwaben und all ihren Helfershelfern verfahren werden nach der Devise wie Du mir, so ich Dir. Und zwar so, dass die Schwaben, wo immer sie sein mögen, mit Angst in den Knochen von unserer gerechten Rache erzählen werden, solange es eine Erde gibt und eine Zeit.“ Zoran Janjetović, Die Konflikte zwischen Serben und Donauschwaben, in: Südostforschungen, Bd. 58, München 1999, S. 119 –168, hier S. 160. 23 Milan Vesović / Kosta Nikolić, Ujedinjene srpske zemlje. Ravnogorski nacionalni program, Beograd 1996 [Die Vereinigung serbischer Länder. Das nationale Programm von Ravna Gora (Das nationale Programm der Tschetniks, Anm. d. Red.)]; Jozo Tomasevich, War and Revolution in Yugoslavia, 1941–1945. The Chetniks, Stanford 1975, S. 169 –173. 24 Aleksei M. Filitov, Problems of Post-War Construction in Soviet Foreign Policy Conceptions during World War II, in: Francesca Gari / Silvio Pons (Hg.), The Soviet Union and Europe in the Cold War, 1943 – 53, Basingstoke 1996, S. 3 – 22, hier S. 6 –7. 25 Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR (Hg.), Die Krim(Jalta)Konferenz der höchsten Repräsentanten der drei alliierten Mächte – UdSSR, USA und Großbritannien (4.–11. Februar 1945) (Die Sowjetunion auf internationalen Konferenzen während des Großen Vaterländischen Kriegs 1941 bis 1945 4), Moskau/Berlin 1986, S. 227. 26 Bericht von L. P. Berija an I. V. Stalin und V.M. Molotov über die Arbeitsentsendung von internierten Deutschen aus den Territorien Ungarn, Rumänien, Tschechoslowakei und Jugoslawien in die UdSSR vom 26. Januar 1945, gezeichnet vom Volkskommissar für innere Angelegenheiten der UdSSR, L. Berija. Dokument abgedruckt in: T. V. Volokitina et. al. (Hg.), Sovetskij faktor v vostočnoj Evrope 1944 –1953 [Der sowjetische Faktor in Osteuropa 1944 –1953], Band 1 1944 –1948. Dokumenty, Moskau 1999, S. 132, Dokument Nr. 33. 27 AV, F-170.88: Vertraulicher Brief aus dem Obersten Stab der Volksbefreiungsarmee an den Kommandanten der Militärverwaltung für das Banat, die Batschka und die Baranja, General Ivan Rukavina, datiert auf den 26. Dezember 1944, Unterschrift unleserlich. 28 AV, F-170.88: Vertraulicher Brief aus dem Obersten Stab der Volksbefreiungsarmee an den Kommandanten der Militärverwaltung für das Banat, die Batschka und die Baranja, General Ivan Rukavina, datiert auf den 26. Dezember 1944, Unterschrift unleserlich. 29 Siehe Fußnote 27. 30 Donauschwäbische Kulturstiftung (Hg.), Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948. Die Stationen eines Völkermords. München 2000, S. 87. 31 Ebd., S. 85 – 87. 32 AJ, F-50, 35/703: Vertraulicher Brief aus dem Präsidium des Ministerrats des Demokratischen Föderativen Jugoslawien an das Sozialministerium und das Außenministerium des DFJ vom 11. Juni 1945, nicht gezeichnet. 33 Michael Portmann, Die kommunistische Revolution in der Vojvodina 1944 –1952. Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur, Wien 2008, S. 262 – 267. 105 106 MICHAEL PORTMANN 34 AJ, F-50, 35/980: Schreiben aus dem Außenministerium des FNRJ an das Präsidium des Ministerrats des FNRJ über die Aussiedlung der „Volksdeutschen“ vom 20. September 1947, gezeichnet von S. Prica. Das Schreiben datiert zwar mit 20. September 1947, einleitend werden jedoch die zwischen Juli und August 1946 getätigten diplomatischen Interventionen erläutert. 35 Michael Portmann, Die kommunistische Revolution in der Vojvodina 1944 –1952. Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur, Wien 2008, S. 266. 36 Službeni list Demokratske Federativne Jugoslavije vom 6. Februar 1945, Nr. 2, Punkt 25. Deutsche Übersetzung abgedruckt in: Dokumentation der Vertreibung, S. 180E–183E. 37 Istorijski Arhiv Subotica (im Folgenden: IASu), F-70/172: Schreiben aus dem Präsidium der Volksversammlung der Autonomen Provinz der Vojvodina (NSAP Vojvodina) an alle Bezirks-, Kreis- und Stadtausschüsse und an alle Bezirks-, Kreis- und Stadtkommissionen zur Konfiskation, datiert auf den 18. Januar 1946, gezeichnet vom Chef der Abteilung für innere Angelegenheiten, Danilo Grujić. 38 Davon in der Batschka: 29.706 Gebäude, in Syrmien 7.022 Gebäude und im Banat 24.973 Gebäude. AV, F-185, pred. 96. 39 Nikola L. Gačeša, Agrarna reforma i kolonizacija u Jugoslaviji 1944 –1948 [Bodenreform und Kolonisation in Jugoslawien 1944 –1948], Novi Sad 1984, S. 191. 40 Allen voran: Stefan Karner, Slowenien und seine „Deutschen“. Die deutschsprachige Volksgruppe als Subjekt und Objekt der Politik 1939 bis 1998, Bonn 2000; Ders., Die deutschsprachige Volksgruppe in Slowenien. Aspekte ihrer Entwicklung, Klagenfurt/Wien 1998; Arnold Suppan, Zwischen Rache, Vergeltung und „ethnischer Säuberung“. Flucht, Vertreibung und Zwangsaussiedlung der Deutschen aus der Tschechoslowakei und Jugoslawien 1944 –1948, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 51 (2003), Heft 1, S. 74 – 84, hier S. 80; Statistisches Bundesamt (Hg.), Die Deutschen Vertreibungsverluste. Bevölkerungsbilanzen für die deutschen Vertreibungsgebiete 1931/50, Wiesbaden 1958, S. 444. Kritische Anmerkungen dazu auch bei: Dušan Nećak, Die Deutschen in Slowenien 1938 –1948, in: Dušan Nečak et. al. (Hg.), Slovensko-avstrijski odnosi v 20. stoletju. Slowenisch-österreichische Beziehungen im 20. Jahrhundert, Ljubljana 2004, S. 387– 388. 41 Karner, Slowenien und seine „Deutschen“, S. 22. 42 Eine slowenische beziehungsweise serbokroatische Fassung dieses angeblichen zweiten Beschlusses liegt bis dato nicht vor. Nećak, Die Deutschen in Slowenien, S. 387. 43 Karner, Die deutschsprachige Volksgruppe, S. 126. 44 Službeni list DFJ vom 8. Juni 1945, Punkt 347. Deutsche Übersetzung abgedruckt in: Dokumentation der Vertreibung, S. 183E–184E. In der Auslegung vom 8. Juni 1945 steht unter Artikel 1: „Der Beschluss des Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Jugoslawiens vom 21. November 1944 (Artikel 1, Punkt 2) bezieht sich auf jene jugoslawischen Staatsbürger deutscher Volkszugehörigkeit [Hervorhebung dieses Autors], die sich während der Besatzung als Deutsche erklärt haben.“ 45 Službeni list Federativne Narodne Republike Jugoslavije vom 7. August 1946, Punkt 450. Deutsche Übersetzung abgedruckt in: Dokumentation der Vertreibung, S. 184E–188E. 46 Staatsgesetzblatt für die Republik Österreich, Jg. 1945/60, ausgegeben am 14. Juli 1945, Wien 1945, S. 82–84. 47 Partizanska i komunistička represija i zločini, Dokumenti, S. 270 – 272. 48 Portmann, Die kommunistische Revolution, S. 200. DIE INTERNIERUNGSLAGER FÜR DIE DEUTSCHE BEVÖLKERUNG IN KROATIEN 107 Vladimir Geiger Die Internierungslager für die deutsche Bevölkerung in Kroatien (1945 –1947) Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die jugoslawischen – und die kroatischen – deutschen Männer überwiegend, freiwillig oder unter Zwang, für deutsche, kroatische oder ungarische militärische oder halbmilitärische Truppen mobilisiert. Daheim blieben vor allem Alte, Frauen und Kinder. Die deutsche Bevölkerung, die nicht evakuiert wurde oder flüchten konnte, war im Verlauf der Kriegshandlungen und unmittelbar danach der Willkür der Sieger ausgesetzt. Gesetzlosigkeit, Plünderung, Misshandlungen, Totschlag und Vergewaltigung von Frauen wurden gegen Ende des Krieges und in der unmittelbaren Nachkriegszeit zur alltäglichen Erfahrung der Jugoslawiendeutschen.1 Das Präsidium des Antifaschistischen Rates der nationalen Befreiung Jugoslawiens (AVNOJ) erließ am 21. November 1944 den Beschluss über den Übergang von Feindvermögen in das Eigentum des Staates, über die staatliche Verwaltung des Vermögens abwesender Personen und die Sequestration des Vermögens, das von den Besatzungsbehörden zwangsveräußert wurde, durch den auch die Situation der „Volksdeutschen“ bestimmt wurde.2 Dieser Beschluss des AVNOJ-Präsidiums verpflichtete die zuständigen Stellen nicht zum Nachweis der Unterstützung der Besatzungsmächte im Einzelfall, sondern betraf jede Person deutscher Nationalität, die nicht explizit Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet hatte. Der kollektiven Vergeltung entgingen nur diejenigen Deutschen, die nachweisen konnten, dass sie bei der Partisanenbewegung mitgewirkt oder diese unterstützt hatten. Für die Übrigen folgten die Beschlagnahme des Vermögens, die Einweisung in Lager und die Vertreibung.3 Auf Grundlage des Beschlusses des AVNOJ-Präsidiums vom 21. November 1944 wurde eine Reihe von Beschlüssen, Verordnungen, Kommentaren und Gesetzen erlassen, auf deren Grundlage die legale Ächtung der „Volksdeutschen“ möglich war und schließlich vollzogen wurde.4 Die Frage der „Volksdeutschen“ in Jugoslawien wurde einseitig und kompromisslos gelöst. Indem er die Kollektivschuld der „Volksdeutschen“ rechtfertigte, bezog der AVNOJ, der ein Garant für die Gleichberechtigung der jugoslawischen Nationen und Nationalitäten sein sollte, eine chauvinistische und genozidale Einstellung gegenüber der deutschen Minderheit. Die Haltung der Volksbefreiungsarmee, der Partisaneneinheiten Jugoslawiens bzw. der Jugoslawischen Armee und der „nationalen“ Behörden gegenüber den jugoslawischen, und damit den kroatischen, Deutschen, denen eine gesetzlich legitimierte Kollektivschuld zugeschrieben wurde, ist ein Musterbeispiel für ethnische Säuberung in Jugoslawien und Kroatien gegen Ende des Zweiten Weltkriegs und unmittelbar nach Kriegsende.5 Die Kriegsverbrechen, die ein Teil der jugoslawischen – und der kroatischen – „Volksdeutschen“ begangen hat,6 und ihre illoyale Haltung in der Besatzungszeit dienten als Begründung und als Rechtfertigung für die unmenschliche Behandlung der deutschen Minderheit unmittelbar vor und nach dem Kriegsende.7 In allen Gebieten Jugoslawiens folgte auf die Etablierung der kommunistischen Herrschaft eine Welle von Verhaftungen und Liquidierungen. Ihnen ausgesetzt waren tatsächliche und eingebildete politische Gegner aus allen nationalen und ethnischen Gruppen. Nach der Übernahme der Exekutivgewalt in den jeweiligen Ortschaften verhafteten Einheiten des Korps der Volksverteidigung (KNOJ) nach den Richtlinien der Abteilung für den Schutz des Volkes (OZNA) für Kroatien die „Volksdeutschen“ und überstellten sie in das Lager der Gebietskommandos.8 Die OZNA II für Kroatien berichtete dem OZNA II für Slawonien am 22. Januar 1945: „Nach der Befreiung dieser Gebiete darf kein Schwabe mehr bleiben, sondern 108 VLADIMIR GEIGER Bewohner Waschkas setzen sich für Familie Hauptmann ein, die am 14. Juli 1945 verhaftet und zunächst in Groß-Pisanitz, dann in Kerndia interniert war. Schreiben des örtlichen Volksausschusses an den Bezirksausschuss Slatina, 31. August 1945. 65 Bürger Waschkas unterzeichnen das Dokument und erreichen die Entlassung der Familie Hauptmann aus dem Lager Kerndia am 2. September 1945 – eine Ausnahme. Unter den internierten Familienmitgliedern waren ein Mädchen von 12 Jahren, vier Kleinkinder und ein Säugling. jeder kommt entweder nach Deutschland oder in die Lager, und Verbrecher werden verhaftet und bestraft [...].”9 Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs floh die Mehrzahl der kroatischen „Volksdeutschen“ vor den Kriegsereignissen oder wurde aus ihren Häusern vertrieben und gelangte vor allem nach Österreich und Deutschland, aber auch auf das Gebiet der Tschechoslowakei, Polens, Ungarns und Italiens und erlebte dort das Kriegsende.10 Trotz aller Bemühungen der jugoslawischen Behörden, die Rückkehr von „Volksdeutschen“ zu unterbinden, gelang es gleich nach Kriegsende vielen kroatischen „Volksdeutschen“, aus der Flucht oder Vertreibung, insbesondere aus Österreich und Deutschland, in die Heimat und in ihre Häuser zurückzukehren. Gleich nach der Rückkehr wurden sie verhaftet und in Lagern interniert, um zusammen mit den in der Heimat verbliebenen „Volksdeutschen“ nach Deutschland bzw. Österreich ausgewiesen zu werden. Die dazu im Regelfall mitgeteilten Beschlüsse zeigen, dass die Vertreibung der „Volksdeutschen“ planmäßig betrieben wurde. Sie eröffnete auf einfachste Weise die Möglichkeit, die Eigentumsverhältnisse und das demografische und das ethnische Bild Jugoslawiens radikal zu verändern.11 DIE INTERNIERUNGSLAGER FÜR DIE DEUTSCHE BEVÖLKERUNG IN KROATIEN Die jugoslawische Exekutive wollte die Rückkehr der aus Jugoslawien geflohenen und vertriebenen „Volksdeutschen“ verbieten. Den Beschluss, die Rückkehr der jugoslawischen „Volksdeutschen“ zu verhindern, traf die Staatskommission für Repatriierung (Državna komisija za repatrijaciju) in Belgrad auf ihrer Sitzung am 22. Mai 1945; die Regierung des Demokratischen Föderativen Jugoslawiens und der Generalstab der Jugoslawischen Armee schlossen sich der Entscheidung an. Auch die zahlreichen kroatischen „Volksdeutschen“, die gegen Kriegsende aus der Heimat geflohen oder vertrieben worden waren, wurden nach dem Krieg an der Rückkehr nach Jugoslawien gehindert. Sie wurden an der österreichisch-jugoslawischen und der ungarisch-jugoslawischen Grenze aufgehalten.12 Darüber hinaus wollte man auch die in Jugoslawien verbliebenen „Volksdeutschen“ aus dem Land vertreiben. Das Präsidium des Ministerrats des Demokratischen Föderativen Jugoslawien (Belgrad) erklärte am 11. Juni 1945: „Die Regierung Jugoslawiens steht auf dem Standpunkt, dass alle Deutschen, die sich in den Grenzen Jugoslawiens befinden, ausgesiedelt und auf den Weg nach Deutschland gebracht werden sollen, sobald dafür die entsprechenden technischen Voraussetzungen geschaffen worden sind.”13 Darüber informierte mit detaillierten Anweisungen die Landeskommission für die Repatriierung der Deutschen beim Innenministerium des Föderalen Staats Kroatien in Zagreb am 7. Juli 1945 die Nationalausschüsse der Gebiete und Kreise: „[…] für die Aussiedlung kommen alle deutschen Männer und Frauen nach folgenden Kriterien in Frage: 1) Wer Deutsch als Muttersprache hat (wer aus einer Ehe eines Deutschen oder einer Deutschen stammt). – 2) Wer aus einer Ehe stammt, in der der Vater Deutscher ist. – Davon sind ausgenommen: 1) Wer aktiv den nationalen Befreiungskampf unterstützt hat (bleibt zusammen mit seiner engeren Familie – Kinder, Vater und Mutter). – […] 2. Deutsche Frauen, die mit Jugoslawen verheiratet sind und Kinder haben. – 3. Kinder bis zum Alter von einschließlich 16 Jahren aus der Ehe einer Jugoslawin mit einem Deutschen, soweit sich diese Jugoslawin entschließt, im Lande zu bleiben und ihren deutschen Ehemann zu verlassen. Den Frauen, die als Jugoslawinnen mit einem Deutschen verheiratet sind, steht frei, mit ihrem Mann fortzugehen oder mit ihrem Kind bis zum Alter von 16 Jahren im Lande zu bleiben. Soweit es sich um einen weiblichen Ehepartner nicht jugoslawischer Nationalität handelt, ist die Frau verpflichtet, ihrem deutschen Ehemann zu folgen. – […].” Die Landeskommission für die Repatriierung der Deutschen beim Innenministerium des Föderalen Staates Kroatien forderte, für jeden einzelnen Deutschen, der nicht ausgewiesen wurde, detailliert darzulegen, auf welcher Grundlage er von der Repatriierung ausgenommen war. Die für die Repatriierung bestimmten Personen konnten in die Sammellager nur die allernotwendigsten persönlichen Gegenstände mitnehmen. Nach den Weisungen sollte man sich bei der Durchführung der Aussiedlung/Vertreibung der „Volksdeutschen“ „[…] keiner Methoden bedienen, die das Ansehen und die Autorität unserer Volksregierung und -organe beschädigen könnten, sondern man sollte sich bei der Durchführung dieser Maßnahmen von den Prinzipien der Humanität leiten lassen und dabei genügend elastisch sein, doch trotzdem unnachgiebig und energisch und sich von den Grundsätzen der Aussiedlung leiten lassen. In zweifelhaften Fällen, d. h. ob jemand bleibt oder geht, soll er lieber gehen als bleiben. – […] All diese Maßnahmen sind gewissenhaft und unverzüglich auszuführen, denn der Transport der Aussiedler vom gesamten Territorium Kroatiens nach Deutschland wird unverzüglich erfolgen.”14 Auf der Potsdamer Konferenz der alliierten Siegermächte (Juli–August 1945) wurde beschlossen (Art. XIII Ordnungsgemäße Überführung deutscher Bevölkerungsteile15), dass die verbliebene deutsche Bevölkerung aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn auf das Gebiet Deutschlands übersiedeln musste. Die Übersiedlung (ethnische „Säuberung“) wurde als dauerhafteste und befriedigendste Lösung legalisiert, sie sollte „organisiert und auf humane Weise“ durchgeführt werden. Jene Staaten, die in den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz nicht erwähnt wurden, vor allem Jugoslawien, lösten das Problem der „Volksdeutschen“ auf noch drastischere Art. Die Frage der Displaced Persons, insbesondere der „Volksdeutschen“, die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs und in der unmittelbaren Nachkriegszeit deren größte Gruppe 109 110 VLADIMIR GEIGER bildeten, war für Österreich ein großes wirtschaftliches, soziales und politisches Problem. Seit der Jahresmitte 1945 begann sich das Problem der Displaced Persons dort entscheidend zu verschärfen. Die Tschechoslowakei, Ungarn und Jugoslawien begannen damals mit der massenhaften Vertreibung der „Volksdeutschen“. Die österreichische Regierung protestierte bei den Alliierten und bestand darauf, unverzüglich die österreichischen Grenzen zu schließen.16 Von der österreichischen Grenze bzw. vom Transit durch Österreich wurden ca. 5.000 bis 6.000 Jugoslawiendeutsche, überwiegend Alte, Frauen und Kinder, zurückgewiesen. In dem Maße, in dem Jugoslawien durch die Schließung der Grenzen nach Österreich, Italien und Ungarn durch die alliierten Besatzungsmächte Mitte Juli 1945 an der Vertreibung der „Volksdeutschen“ gehindert wurde, folgte für die Mehrheit der „Volksdeutschen“ Lager und Zwangsarbeit.17 Deshalb enthalten die Beschlüsse zur Vertreibung der „Volksdeutschen“ nach Österreich und Deutschland in der Regel die Bemerkung: „[…] solange keine Transportmöglichkeit besteht, werden sie in Lagern zur Zwangsarbeit untergebracht.”18 Grab in Kerndia, nach 1945. Marija Čuković aus Diakowar am Grab ihrer Großmutter Marija Kurtz, undatiert. Mindestens 10.000, möglicherweise aber auch die Mehrzahl der ca. 20.000 in der Heimat verbliebenen kroatischen „Volksdeutschen“ wurde nach der Schließung der österreichischen Grenze und dem Aufnahmestopp für Vertriebene aus Jugoslawien im Sommer 1945 in Lagern interniert, in denen einige Tausend der Betroffenen ihr Leben verloren. Von den schätzungsweise rund 500.000 Deutschen, die bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Jugoslawien gelebt hatten, wurden ca. 240.000 vor dem Vorrücken der Roten Armee sowie der Volksbefreiungsarmee und der Partisaneneinheiten Jugoslawiens evakuiert und sind niemals mehr in die Heimat zurückgekehrt. Vermutlich ca. 200.000 deutsche Zivilpersonen gerieten in Jugoslawien unter kommunistische Herrschaft. Ein Viertel von ihnen verlor von Ende 1944 bis Anfang 1948 das Leben in jugoslawischen Lagern, während der Rest durch ethnische Säuberungen verschwand oder fliehen musste.19 Unter den „Volksdeutschen“, die in den jugoslawischen Nachkriegslagern ihr Leben lassen mussten, waren in erheblicher Zahl Frauen und Kinder. Nach den niedrigsten Zahlenangaben verloren ca. 26.000 deutsche Frauen ihr Leben in jugoslawischen Lagern. Von den ca. 45.000 dort internierten „volksdeutschen“ Kindern unter 14 Jahren starben mindestens 5.600 bis 6.000 in den Lagern. Haupttodesursache waren Krankheiten, vor allem Flecktyphus und Unterernährung.20 Nach gut belegten neuesten Forschungen sind diese Zahlen höher anzusetzen.21 Nach einem Bericht des Innenministeriums der Volksregierung Kroatiens (Zagreb) vom 12. November 1945 an das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Kroatiens (Zagreb), der im Voraus dem Bundesinnenministerium des Demokratischen Föderati- DIE INTERNIERUNGSLAGER FÜR DIE DEUTSCHE BEVÖLKERUNG IN KROATIEN ven Jugoslawiens in Belgrad zugesandt worden war, waren im östlichen Slawonien, in der Baranja und im westlichen Syrmien nach dem Stand vom 30. Oktober 1945 ca. 11.000 Deutsche, „deutsche Staatsbürger und solche deutscher Nationalität“, in verschiedenen Lagern untergebracht (Walpowo 3.806 Lagerinsassen, Kerndia bei Diakowar 3.500 Lagerinsassen, Manoster 1.681 Lagerinsassen, Schipowatz bei Naschitz 658 Lagerinsassen, Zmajevac-Popovac in der Baranja 550 Lagerinsassen, Owtschara bei Wukowar 400 Lagerinsassen), die für verschiedene Arbeiten eingesetzt wurden. („Soweit es die Verhältnisse erlauben, werden diese für verschiedene Arbeiten herangezogen, und für sie gilt das Prinzip, dass sie sich durch ihre eigene Arbeit ernähren müssen.“) Im Bericht wird erwähnt, dass unter den Lagerinsassen ca. 30 Prozent Alte und Kinder waren, die überwiegend im Lager Kerndia untergebracht waren. Der Innenminister der Volksregierung Kroatiens merkt in dem Bericht an: „Ein besonderes Problem bilden Unterbringung und Ernährung […]. Bis auf Weiteres sind sie in besonderen Liegenschaften untergebracht, soweit die Verhältnisse es erlauben.”22 Nach Angaben des Innenministeriums der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien (Belgrad) vom 18. Januar 1946 befanden sich auf dem Gebiet Jugoslawiens in Lagern 117.485 „Volksdeutsche“, darunter 34.214 Männer, 58.821 Frauen und 24.422 Kinder; in Freiheit befanden sich dagegen 12.897 „Volksdeutsche“. Auf dem Gebiet Kroatiens waren in Lagern 10.600 „Volksdeutsche“, davon 3.000 Männer, 4.500 Frauen und 3.100 Kinder untergebracht, in Freiheit lebten 2.000 „Volksdeutsche“, davon 700 Männer, 1.000 Frauen und 300 Kinder.23 Allen Hinweisen nach zu schließen, waren die größten Lager für Angehörige der deutschen Minderheit auf dem Gebiet Kroatiens im Laufe der Jahre 1945/46 Josipowatz (Ober-Josefsdorf) bei Essegg, Walpowo, Groß-Pisanitz bei Belowar, Kerndia bei Diakowar, Schipowatz bei Naschitz, Pusta Podunawlje in der Baranja und Tenje bei Essegg.24 Im Mai 1945 wurden in Josipowatz und in Walpowo die ersten großen Sammelzentren bzw. -lager für Deutsche aus Kroatien, insbesondere aus Slawonien, Syrmien und der Baranja, sowie für Bosniendeutsche aus dem Sawegebiet gegründet. Die ersten Gruppen von „Volksdeutschen“ wurden in Josipowatz interniert, im Laufe des Monats Mai 1945 mehr als 3.000 Personen, vor allem Ältere, Frauen und Kinder. Transporte mit „Volksdeutschen“ aus den Lagern Josipowatz und Walpowo sowie aus weiteren Lagern wurden seit Anfang Juli 1945 nach Österreich geschickt. In überfüllten Viehwaggons, ohne ausreichend Nahrung und Wasser, erkrankte die Mehrheit durch Auszehrung, und einige überlebten die mehrtägige Reise nicht. Aus dem Lager Josipowatz wurde am 8. Juli 1945 ein Transport mit ca. 3.000 Lagerbewohnern auf den Weg geschickt. Nach einer erschöpfenden Fahrt wurden sie zwei Tage lang in Leibnitz in Österreich in den Viehwaggons eingeschlossen, erst danach trieb sie die bewaffnete Begleitung hinaus und ließ sie allein. Das Lager Josipowatz wurde am 10. Juli 1945 aufgelöst, die verbliebene kleinere Zahl der Lagerbewohner wurde in das Lager Walpowo verlegt. Danach wurden am 22. Juli 1945 aus dem Lager Walpowo mit Viehwaggons noch einmal 1.800 Personen in Richtung Österreich geschickt. Da sich jedoch die britischen Besatzungstruppen dort weigerten, diese zu übernehmen, musste der Transport von der Grenze zurückkehren, und nach einigen Tagen ziellosen Umherfahrens endete er schließlich in Groß-Pisanitz bei Belowar. Dasselbe widerfuhr im Lauf des Monats Juli 1945 noch zwei weiteren Transporten. Nach einem kurzen Aufenthalt der „Volksdeutschen“ in Groß-Pisanitz wurden die Transporte bis zum 10. August 1945 in die Lager für „Volksdeutsche“ im Osten Kroatiens weitergeleitet. Das bedeutete die Fortsetzung des Leidens der Deutschen aus Slawonien, Syrmien, der Baranja und dem bosnischen Sawegebiet aus diesen Transporten.25 111 Häftlinge in Walpowo, 1945/46. 112 VLADIMIR GEIGER Am Anfang wurden die Lagerbewohner außerhalb des Lagers als Arbeitskräfte eingesetzt, zum Beispiel beim Straßenbau und für Saisonarbeiten in der Landwirtschaft. Bald kam es jedoch zur systematischeren Beschäftigung auf landwirtschaftlichen Gütern und in verschiedenen Unternehmen. Auch Bauern aus umliegenden Dörfern holten Lagerbewohner, um sie in ihrer Landwirtschaft einzusetzen, beziehungsweise mieteten sie für Arbeiten und zahlten dafür an die Lagerverwaltung. Viele Bauern, seien sie Kroaten, Serben oder andere gewesen, zeigten nach den Erinnerungen der Lagerbewohner Verständnis für ihre Lage und halfen mit Nahrung und Kleidung. Die Lebensbedingungen in den Lagern, insbesondere die hygienischen Verhältnisse und die Ernährung, waren mehr als armselig und unzureichend.26 Viele Lagerbewohner erkrankten und starben. Vor allem seit dem Herbst/Winter 1945 wüteten in den Lagern Typhusepidemien und nahmen erschreckende Ausmaße an. Erst nachdem die Regierung und die Lagerverwaltungen die nötigen Maßnahmen ergriffen hatten, wurde der Typhus in der Mehrzahl der Lager zurückgedrängt.27 Auch als sich die Bedingungen in den Lagern mehr oder weniger normalisiert hatten, blieb das Leben dort kaum erträglich. Man starb vor allem an Krankheit, Erschöpfung, Kälte und Hunger. Hinrichtungen waren keineswegs massenhaft und blieben die Ausnahme, aber es gab durchaus Misshandlungen und Tötungen. Die Lage der Deutschen, insbesondere der Mütter mit Kindern, in den Lagern war ausgesprochen schwer.28 Obwohl die Lager für „Volksdeutsche“ in Jugoslawien Ende 1944 und auf dem Gebiet Kroatiens im Mai 1945 eingerichtet worden waren, erließ das Innenministerium der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien erst im Mai 1946 eine Anweisung über die Organisation des Lebens und der Arbeit in den Lagern für zivile Deutsche.29 Bis zu diesem Zeitpunkt war die Behandlung der internierten „Volksdeutschen“ offensichtlich willkürlich und uneinheitlich. Nach Auflösung der größten Lager für „Volksdeutsche“ in Kroatien, der Lager Walpowo und Kerndia, im Laufe des Monats Mai 1946 wurden die Lagerinsassen nicht in die Freiheit entlassen, sondern in andere Lager (Pusta Podunawlje in der Baranja, Tenje bei Essegg, Gakowa in der Batschka und Rudolfsgnad im Banat) verlegt oder verblieben zur Zwangsarbeit auf landwirtschaftlichen Gütern und in verschiedenen Arbeitsorganisationen im östlichen Slawonien und in der Baranja. Nach Auflösung des Lagers Pusta Podunawlje im August 1946 wurden die alten und kranken Lagerinsassen in das Lager Rudolfsgnad verlegt, die arbeitsfähigen Lagerinsassen dagegen in das Arbeitslager Tenje, das letzte größere Lager für „Volksdeutsche“ in Kroatien. Als dieses Lager im Januar 1947 aufgelöst wurde, wurden die letzten Lagerbewohner, einige Hundert an der Zahl, in das Lager Rudolfsgnad verlegt.30 Im Nachkriegsjugoslawien machten die kommunistischen Behörden, soweit „Volksdeutsche“ betroffen waren, keinen Unterschied nach Geschlecht und Lebensalter. Ihre Lage und ihr Schicksal hingen im Einzelfall vom Lebensalter, den Kräften, der Gesundheit und vom guten oder bösen Willen derjenigen ab, die über sie Gewalt hatten und über ihr Schicksal entschieden.31 In den jugoslawischen Lagern kam ein Viertel der in der Heimat verbliebenen Deutschen um. Wenn wir an die Plünderungen denken, die Misshandlungen und die zahlreichen Morde sowie die ausgesprochen schweren Bedingungen, unter denen die Deutschen nach der Entlassung aus den Lagern lebten, wird klar, dass der Großteil von ihnen Jugoslawien so schnell wie möglich verlassen wollte, das Land, in dem sie ihren Besitz, ihre nationalen Rechte und alle Zukunftsaussichten verloren hatten.32 Nach begründeten Hinweisen verloren von April 1941 bis März 1948 ca. 9.000 bis 10.000 Kroatiendeutsche ihr Leben. Von April 1941 bis Sommer 1945 starben etwa 4.500 Kroatiendeutsche als Angehörige der Streitkräfte des Unabhängigen Staats Kroatien, des „Dritten Reiches“ oder Ungarns, als Zivilbevölkerung bei Partisanenangriffen auf deutsche Dörfer während des Krieges und bei Einzel- und Massenvergeltungsaktionen unmittelbar nach Kriegsende. Dazu kamen vom Sommer 1941 bis zum Mai 1945 etwa 500 bis 1.000 Kroatiendeutsche als Angehörige der Volksbefreiungsarmee und der Partisaneneinheiten Jugoslawiens oder der Jugoslawischen Armee oder als 113 DIE INTERNIERUNGSLAGER FÜR DIE DEUTSCHE BEVÖLKERUNG IN KROATIEN Zivilbevölkerung, die die Partisanenbewegung unterstützte, und als Opfer des nationalsozialistischen und des Ustascha-Terrors um. Von November 1944/Mai 1945 bis Januar 1947 verloren bei Zwangsarbeit und in den Lagern in Kroatien bzw. bis zum März 1948 bei Zwangsarbeit und in den Lagern in der Vojvodina ca. 4.000 bis 4.500 Kroatiendeutsche, vor allem Kinder, Frauen und ältere Personen, ihr Leben.33 In der Historiografie, der Publizistik, in Erinnerungsliteratur, in Erklärungen und Zeugenaussagen von Lagerinsassen und Mitgliedern der Lagerverwaltung, aber auch von Zeitgenossen sowie in Dokumenten gibt es sehr unterschiedliche Angaben, Behauptungen, Bewertungen und Namenslisten über Zahl und Struktur der Lagerinsassen und Zahl und Struktur der Opfer in den Lagern für die „Volksdeutschen“ in Kroatien vom Mai 1945 bis zum Jahresbeginn 1947. Eine genaue Zahl der kroatischen „Volksdeutschen“, die durch die Nachkriegslager gegangen sind, wie auch die genaue Zahl der Lageropfer lässt sich nur schwer mit Sicherheit feststellen. Trotzdem ermöglichen uns die Dokumentation, die Aussagen und Zeugnisse sowie die Literatur, die grundlegenden Befunde bezüglich der Lager für „Volksdeutsche“ in Kroatien herauszuarbeiten. Kirche in Kerndia, 1996. Kirche in Kerndia heute. Sie wurde auf donauschwäbische Initiative hin wieder aufgebaut, undatiert. Gedenkstätte Kerndia, 2013. 114 VLADIMIR GEIGER 1 2 3 4 5 6 7 8 Donauschwäbische Kulturstiftung, Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien, hrsg. v der Donauschwäbischen Kulturstiftung, Bd. 2: Erlebnisberichte über die Verbrechen an den Deutschen durch das Tito-Regime in der Zeit von 1944 –1948, (Donauschwäbisches Archiv, 3; 50), München/Sindelfingen 1993, S. 6, 120, 176, 238, 259, 272, 290, 301, 324, 365, 418, 426 –427, 481– 482, 485, 532, 587, 597, 602, 662, 667, 676, 680, 713. Službeni list Demokratske Federativne Jugoslavije 1 (1945), br. 2 (6. Februar 1946), S. 13–14; Slobodan Nešović (Hg.), Zakonodavni rad Predsedništva Antifašističkog vijeća narodnog oslobođenja Jugoslavije i Predsedništva Privremene narodne skupštine (19 novembra 1944 – 27 oktobra 1945) po stenografskim beleškama i drugim izvorima [Die Gesetzgebungsarbeit des Präsidiums des Antifaschistischen Rates der Nationalen Befreiung Jugoslawiens und des Präsidiums der Vorläufigen Nationalversammlung (19. November 1944 – 27. Oktober 1945) nach den stenographischen Protokollen und anderen Quellen], Beograd 1951, S. 11, 17– 20. Vladimir Geiger, Folksdojčeri. Pod teretom kolektivne krivnje [Die Volksdeutschen. Unter der Last der Kollektivschuld], Osijek 2002, S. 11, 25, 27; Vladimir Geiger, Folksdojčeri u Hrvatskoj 1945 [Die Volksdeutschen in Kroatien 1945], in: Nada Kisić Kolanović/Mario Jareb/Katarina Spehnjak (Hg.), 1945. – razdjelnica hrvatske povijesti. Zbornik [1945 – Zäsur der kroatischen Geschichte. Aufsatzsammlung], Zagreb 2006, S. 273. Geiger, Folksdojčeri, S. 26 – 31; ders., Folksdojčeri u Hrvatskoj 1945, S. 273 und die dort genannte Literatur. Zoran Janjetović, Logorisanje vojvođanskih Nemaca od novembra 1944. do juna 1945. godine [Die Internierung der Vojvodinadeutschen in Lagern vom November 1944 bis zum Juni 1945], in: Tokovi istorije 1997, Nr. 1–2, S. 150–164; Zoran Janjetović, Between Hitler and Tito. The disappearance of the Vojvodina Germans, Belgrade 2000; Geiger, Folksdojčeri u Hrvatskoj 1945, (2006) S. 271–287; ders., Proterivanje nemačkog i mađarskog življa iz Vojvodine na kraju Drugog svetskog rata [Die Vertreibung des deutschen und des ungarischen Bevölkerungsteils aus der Vojvodina am Ende des Zweiten Weltkriegs, in: Hereticus 5 (2007), Nr. 1, S. 106 –118; Vladimir Geiger, Josip Broz Tito i sudbina jugoslavenskih Nijemaca [Josip Broz Tito und das Schicksal der jugoslawischen Deutschen], in: Časopis za suvremenu povijest 40 (2008), Nr. 3, S. 801– 818, sowie die dort genannten Quellen und Literatur. Vgl. MIiodrag Đ. Zečević/Jovan P. Popović (Hg.), Dokumenti iz istorije Jugoslavije, T. 4: Državna komisija za utvrđivanje zločina okupatora i njihovih pomagača iz Drugog svetskog rata. Saopštenja, odluke i spiskovi pripadnika okupacionih snaga Nemačke i Mađarske koje je Državna komisija proglasila za ratne zločince i spiskovi lica koje je Komisija Ujedinjenih nacija proglasila za ratne zločince ili osumnjičila za zločine vršene u Jugoslaviji [Dokumente aus der Geschichte Jugoslawiens, T. 4: Staatskommission zur Feststellung der Verbrechen der Okkupatoren und ihrer Helfer aus dem Zweiten Weltkrieg. Mitteilungen, Beschlüsse und Verzeichnisse von Personen, die die Kommission der UNO zu Kriegsverbrechern erklärt oder verdächtigt hat, Kriegsverbrechen in Jugoslawien begangen zu haben], Beograd 2000, S. 475 –772. Zoran Janjetović, Da li su Srbi počinili genocid nad Podunavskim Švabama? [Haben die Serben einen Genozid an den Donauschwaben begangen?], in: Jovan Mirković (Red.), Genocid u 20. veku na prostorima jugoslovenskih zemalja. Zbornik radova sa naučnog skupa, Beograd, 22.–23. April 2003 [Genozid im 20. Jahrhundert im Raum der jugoslawischen Länder. Sammelband der Arbeiten von der wissenschaftlichen Tagung in Belgrad, 22.–23. April 2003], Beograd 2005, S. 233; Vladimir Geiger, Ljudski gubici Hrvatske u Drugome svjetskom ratu i u poraću koje su prouzročili Narodnooslobodilačka vojska i Partizanski odredi Jugoslavije/Jugoslavenska armija i komunistička vlast. Brojidbeni pokazatelji (procjene, izračuni, popisi). Case study: Bleiburg i folksdojčeri [Menschenverluste in Kroatien während des Zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit, die durch die Volksbefreiungsarmee und Partisaneneinheiten Jugoslawiens die Jugoslawische Armee und die kommunistische Regierung verursacht worden sind: Zahlenangaben (Schätzungen, Berechnungen, Verzeichnisse). Case study: Bleiburg und die Volksdeutschen], Časopis za suvremenu povijest, god. 42, br. 3, Zagreb, 2010., str. 707. Vgl. Hrvatski državni arhiv (HDA), Zagreb, 1491, kut. 1, 30/5. – Odsjek zaštite naroda za zagrebačku oblast, Broj 96[?]/1945. dana 22. travnja 1945. god.; Državni arhiv u Zagrebu, 0034, Opći spisi, 266/45.; Državni arhiv u Varaždinu, 0019, Prosvjetni odjel, Spisi, 1/45.; Državni arhiv u Slavonskom Brodu (DASB), 0015, Opći spisi po ur. zapisniku – povjerljivi br. 1– 456, 1945., Inv. br. 40; Državni arhiv u Osijeku, Sabirni centar Vinkovci, 0688, 1945., 9/45. Pov.; Zdravko Dizdar/Vladimir Geiger/ Milan Pojić/Mate Rupić (Hg.), Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj 1944.–1946. Dokumenti [Repressionen und Verbrechen durch Partisanen und Kommunisten in Kroatien 1944 –1946. Dokumente], Zagreb 2009 S. 101–102, 180 –181; Vladimir Geiger (Hg.), Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj 1944.–1946. Dokumenti. Slavonija, Srijem i Baranja [Repressionen und Verbrechen durch Partisanen und Kommunisten in Kroatien 1944 –1946. Dokumente. Slawonien, Syrmien und Baranja], Slavonski Brod 2006, S. 139–144, 245–248; Vladimir Geiger, Partisan and Communist Repression and Crimes in Croatia 1944–1946. Documents. Slavonia, Syrmia and Baranya, Bismarck (North Dakota) 2011, S. 145 –150, 212 – 217; Vladimir Geiger/Mate Rupić/Mario Kevo/Egon Kraljević/Zvonimir Despot (Hg.), Partizanska i komunistička represija i DIE INTERNIERUNGSLAGER FÜR DIE DEUTSCHE BEVÖLKERUNG IN KROATIEN 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 zločini u Hrvatskoj 1944.–1946., Slavonski Brod/Zagreb 2008, S. 252 – 254, 255 – 259, 499 – 500; Geiger, Folksdojčeri u Hrvatskoj, 1945., S. 275; Vladimir Geiger, Logori za folksdojčere u Hrvatskoj nakon Drugoga svjetskog rata 1945.–1947., in: Časopis za suvremenu povijest 38 (2006), S. 1082. HDA, Zagreb, 1491, kut. 7, Knjiga primljenih i poslanih depeša od i za OZNA Slavonije i Hrvatsko Primorje, 20.10.1944.–31.5.1945., Ozna II. za Hrvatsku Ozni II. za Slavoniju, 22.1.1945. Valentin Oberkersch, Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien. Geschichte einer deutschen Volksgruppe in Südosteuropa (Donauschwäbisches Archiv, 3; 40), Stuttgart 1989, S. 465; Vladimir Geiger, Iseljavanje Njemačke narodne skupine u Nezavisnoj Državi Hrvatskoj s područja Slavonije potkraj Drugoga svjetskog rata [Die Aussiedlung der Deutschen Volksgruppe im Unabhängigen Staat Kroatien gegen Ende des Zweiten Weltkriegs], in: Marina Lukšič Hacin (Hg.), Sezonstvo in izseljenstvo v panonskem prostoru: sosedstvo Avstrije, Hrvaške, Madžarske in Slovenije. Zbornik [Saisonarbeit und Auswanderung im pannonischen Raum: Die Nachbarschaft Österreichs, Kroatiens, Ungarns und Sloweniens. Aufsatzsammlung], Ljubljana 2003, S. 161–174; Geiger, Folksdojčeri u Hrvatskoj 1945, S. 275, sowie die dort genannte Literatur. Geiger, Iseljavanje Njemačke narodne skupine u Nezavisnoj Državi Hrvatskoj sowie die dort genannten Quellen und Literatur. Arhiv Jugoslavije (AJ), Beograd, 50-35-73 und 33-3; Vladimir Geiger, Heimkehr. Povratak slavonskih Nijemaca nakon Drugoga svjetskog rata iz izbjeglištva / prognaništva u zavičaj i njihova sudbina [Heimkehr. Die Rückkehr der slawonischen Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg aus Flucht / Vertreibung in die Heimat und ihr Schicksal], in: Scrinia slavonica 3 (2003), S. 521– 522. AJ, Beograd, 50-35-73; Geiger, Folksdojčeri, S. 32; ders., Folksdojčeri u Hrvatskoj 1945, S. 275; ders., Heimkehr, S. 525. HDA, Zagreb, 0816, kut. 1, fasc. 5 „Protjerivanje Nijemaca iz FNRJ” – Zemaljska komisija za repatriaciju Njemaca pri Ministarstvu unutrašnjih poslova Federativne države Hrvatske, Broj 1/45., Predmet: Njemaca naših državljana repatriacija (iselenje Njemaca) -upute-, Zagreb, 7.VII.1945.; Geiger, Folksdojčeri, S. 32, 61– 67; ders., Folksdojčeri u Hrvatskoj 1945, S. 276; Dizdar et. al. (Hg.), Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj., S. 179 –182; Geiger, Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj., S. 245 – 248; ders., Partisan and Communist Repression and Crimes in Croatia, S. 212 – 217; ders. et. al. (Hg.), Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj 1944.–1946., S. 498 – 501. Ujedinjene nacije. Zbirka dokumenata 1941–1945, Beograd 1947, S. 124 –125. Dušan Nećak, O problemu „razseljenih oseb“ (D.Ps.) in jugoslovanskih „Volksdeutscherjev“ v Austriji te o britanski ideji njihove zamenjave s koroškimi Slovenci (1945 –1947) [Über das Problem der „Displaced Persons“ und der jugoslawischen „Volksdeutschen“ in Österreich und über die britische Idee ihres Austauschs gegen die Kärntner Slowenen], in: Zgodovinski časopis 50 (1996), Nr. 4 (105), S. 561–571; Zoran Janjetović, Odlazak vojvođanskih Švaba – proterivanje ili iseljavanje [Das Weggehen der Vojvodina-Schwaben – Vertreibung oder Aussiedlung], u: Tokovi istorije, br. 3 – 4, Beograd 1997., str. 113.; Geiger, Folksdojčeri, S. 33; ders., Folksdojčeri u Hrvatskoj 1945, S. 278. Theodor Schieder (Hg.), Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien (Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa 5), Bonn 1961, S. 100E –101E; Donauschwäbische Kulturstiftung, Leidensweg der Deutschen im Kommunistischen Jugoslawien, hrsg. v der Donauschwäbischen Kulturstiftung, Bd. 1: Ortsberichte über die Verbrechen an den Deutschen durch das Tito-Regime in der Zeit von 1944–1948 (Donauschwäbisches Archiv, 3; 46), München/ Sindelfingen 1991, S. 662, 722, 726, 728, 732 –734, 744, 748–749, 779, 787, 791; Donauschwäbische Kulturstiftung, Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien, Bd. 2, S. 796 – 800, 812–814, 819–824; Donauschwäbische Kulturstiftung, Leidensweg der Deutschen im Kommunistischen Jugoslawien, hrsg. v der Donauschwäbischen Kulturstiftung, Bd. 3: Erschießungen – Vernichtungslager – Kinderschicksale: in der Zeit von 1944 bis 1948 (Donauschwäbisches Archiv, 3; 54), München/Sindelfingen 1995, S. 885, 887; Geiger, Heimkehr, S. 529. DASB, 0015, kut. Spisi Okružne uprave narodnih dobara, 1945.–1947., inv. br. 90, fasc. Okružna uprava narodnih dobara – Osobe protjerane u njemačku i podržavljenje imovine – Ratna dobit, 1945.; Valentin Oberkersch, Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien, S. 465; Vladimir Geiger (Hg.), Radni logor Valpovo 1945.–1946. Dokumenti [Das Arbeitslager Walpach 1945 –1946. Dokumente], Osijek 1999, S. 31, 85, 100, 142; Dizdar et. al. (Hg.), Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj, S. 183; Vladimir Geiger, Logor Krndija 1945.–1946. [Das Lager Kerndia 1945 –1946] (Biblioteka Hrvatska povjesnica: Posebna izdanja), Zagreb/Slavonski Brod 2008, S. 20; Geiger, Heimkehr, S. 529; ders., Folksdojčeri, S. 33; ders., Folksdojčeri u Hrvatskoj 1945, S. 279; ders., Logori za folksdojčere u Hrvatskoj nakon Drugoga svjetskog rata 1945.–1947., S. 1084–1085. Donauschwäbische Kulturstiftung, Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien, hrsg. v der Donauschwäbischen Kulturstiftung, Bd. 4: Menschenverluste – Namen und Zahlen zu Verbrechen an den Deutschen durch das Tito-Regime in der Zeit von 1944 –1948 (Donauschwäbisches Archiv, 3; 55), München/Sindelfingen 1994, oder www.totenbuch-donauschwaben.at; Arbeitskreis Dokumentation in der Donauschwäbischen Kulturstiftung, Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948. Die Stationen eines Völkermords / verf. vom Arbeitskreis 115 116 VLADIMIR GEIGER Dokumentation in der Donauschwäbischen Kulturstiftung-Stiftung des privaten Rechts-, München, und im Bundesverband der Landsmannschaft der Donauschwaben, Sindelfingen (Donauschwäbisches Archiv, 3; 67), München 1998, S. 4, 290; Documentation Project Committee, Genocide of the Ethnic Germans in Yugoslavia 1944 –1948 (Donauschwäbisches Archiv, 3; 96), München 2003, S. 155; Genocid nad nemačkom manjinom u Jugoslaviji 1944 –1948 [Der Genozid an der deutschen Minderheit in Jugoslawien 1944 –1948] (Publikacije Archiva Podunavskih Švaba, Minchen, 3; 114), Beograd 2004. [Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948], S. 196; Donauschwäbische Kulturstiftung / Arbeitskreis Dokumentation, Leitfaden zur Dokumentationsreihe Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948. Gesamtübersicht mit thematischen Ergänzungen und Register. Deutsch – Englisch – Serbisch = Guide to the documentation series Crimes against the ethnic Germans in Yugoslavia 1944–1948 = Povodac za red dokumentacije O genocidu nad nemačkom manjinom u Jugoslaviji 1944 –1948 (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3, 116), München 2005, sowie die dort genannten Quellen und Literatur. 20 Donauschwäbische Kulturstiftung, Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien, Bd. 3, S. 945; Donauschwäbische Kulturstiftung, Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien, Bd. 4, S. 1015, 1019, 1029; Arbeitskreis Dokumentation in der Donauschwäbischen Kulturstiftung, Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948, S. 243, 313; Documentation Project Committee, Genocide of the Ethnic Germans in Yugoslavia 1944 –1948, S. 135; Genocid nad nemačkom manjinom u Jugoslaviji; Zoran Janjetović, Nemice u logorima za folksdojčere u Vojvodini 1944 –1948. [Deutsche Frauen in Lagern für Volksdeutsche in der Vojvodina 1944 –1948], in: Latinka Perović (Hg.), Srbija u modernizacijskim procesima 19. i 20. veka = Serbia in the 19th and 20th Century Modernizing Processes, T. 2: Položaj žena kao merilo modernizacije = Women’s Position as the Measure of Modernization, Beograd 1998, S. 496–504; Vladimir Geiger, Logorska sudbina Njemica u Hrvatskoj (i Jugoslaviji) nakon Drugoga svjetskog rata [Das Lagerschicksal deutscher Frauen in Kroatien (und Jugoslawien) nach dem Zweiten Weltkrieg], in: Damir Agičić (Hg.), Zbornik Mire Kolar-Dimitrijević. Zbornik radova povodom 70. Rođendana [Festschrift für Mira Kolar-Dimitrijeć zum 70. Geburtstag], Zagreb 2003, S. 444 – 445; ders., Udio djece među stradalim Folksdojčerima u jugoslavenskim logorima (1944.–1948.) [Der Anteil von Kindern unter den in den jugoslawischen Lagern umgekommenen Volksdeutschen (1944–1948)], in: Dijalog povjesničara-istoričara, 4, Zagreb 2001, S. 530 –531. 21 Vgl. Geiger (Hg.), Radni logor Valpovo 1945.–1946.; ders., Logor Krndija 1945.–1946.; Stevan Mačković, Logor za Nemce u Sekiću (1944–1946) [Das Lager für Deutsche in Sekitsch], in: Ex Panonia 8, Subotica 2004, S. 16 –26; Branislav Danilović, Gakovo i Kruševlje logori za podunavske Švabe u Bačkoj 1945–1947 [Gakowa und Kruschiwl als Lager für Donauschwaben in der Batschka 1945–1947], Sombor 2008; Imenik stradalih osoba AP Vojvodine 1941.–1948. nemačke nacionalnosti [Namentliches Verzeichnis der umgekommenen Personen der Autonomen Provinz 1941–1948 deutscher Nationalität], T. 6, Novi Sad 2008.; Milko Mikola (Hg.), Dokumenti in pričevanja o povojnih koncentracijskih taboriščih v Sloveniji. Koncentracijska taborišča Strnišče, Hrastovec, Brestrnica in Filovci [Dokumente und Erlebnisberichte über die Nachkriegskonzentrationslager in Slowenien. Konzentrationslager Strnišče, Hrastovec, Brestrnica und Filovci], Ljubljana 2007; Vladimir Geiger, Žrtvoslov vukovarskih Nijemaca (Drugi svjetski rat i poraće) [Totenbuch der Wukowarer Deutschen (Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit)], in: Dražen Živić/Ivana Žebec (Hg.), Vukovar – hrvatska baština i perspektive razvoja [Wukowar – kroatisches Erbe und Entwicklungsperspektiven], Zagreb/Vukovar 2007, S. 183–212; ders., Nijemci grada i kotara Našice, vojnici i civili, stradali i žrtve, tijekom Drugoga svjetskog rata i poraća [Die Deutschen aus Stadt und Kreis Naschitz, Militär- und Zivilpersonen, Umgekommene und Opfer im Verlauf des Zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit], in: Našički zbornik 8, Našice 2007, S. 387–418; ders., Žrtvoslov Nijemaca Požege i Požeške kotline. Drugi svjetski rat i poraće [Totenbuch von Deutschen aus Poscheg und dem Poscheganer Kessel. Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit], in: Scrinia slavonica 7, Slavonski Brod 2007, S. 429 – 457; ders., Žrtvoslov Nijemaca Slavonskog Broda i Brodskog Posavlja. Drugi svjetski rat i poraće [Totenbuch der von Deutschen aus Brod an der Sawe und dem Sawegebiet. Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit], in: Scrinia slavonica 8, Slavonski Brod 2008, S. 440 – 461; ders., Žrtvoslov Nijemaca Županje i županjskog kraja. Drugi svjetski rat i poraće [Opferliste von Deutschen aus Županja und dem Gebiet Županja. Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit], in: Scrinia slavonica 10, Slavonski Brod 2010, S. 366 – 390; Vladimir Geiger, Žrtvoslov Nijemaca hrvatske Baranje. Drugi svjetski rat i poraće [Totenbuch der Deutschen aus der kroatischen Baranja. Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit], in: Scrinia slavonica 11, Slavonski Brod 2011, S. 259 – 354; ders., Folksdojčeri u Sabirnom logoru Velika Pisanica 1945., S. 722 –731; ders., Žrtvoslovi / poimenični popisi hrvatskih Nijemaca, vojnika i civila, stradalih i žrtava, tijekom Drugoga svjetskog rata i u poraću [Totenbücher und Namenslisten von kroatischen Deutschen, Militär- und Zivilpersonen, die im Laufe des Zweiten Weltkriegs verunglückt oder umgekommen sind], in: Sulejman Bosto/Tihomir Cipek (Hg.), Kultura sjećanja: 1945. Povijesni lomovi i svladavanje prošlosti, Zagreb 2009, S. 195 – 208, und die dort genannte Literatur. 22 HDA, Zagreb, 1220, Vojna komisija, kut. 134 – Narodna vlada Hrvatske Ministarstvo unutrašnjih poslova br. Pov. 563/45, dana 12. XI. 1945 Centralnom komitetu Komunističke partije Hrvatske; DIE INTERNIERUNGSLAGER FÜR DIE DEUTSCHE BEVÖLKERUNG IN KROATIEN 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 Dizdar et. al. (Hg.), Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj, S. 292; Geiger (Hg.): Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj, S. 490; ders., Partisan and Communist Repression and Crimes in Croatia, S. 317. AJ, Beograd, 50 – 35/844 – Tabelarni pregled logorisanih i nelogorisanih Nemaca na teritoriji Jugoslavije; Dizdar et. al. (Hg.), Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj, S. 312; Michael Portmann, Die kommunistische Revolution in der Vojvodina 1944 –1952. Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur (Zentraleuropa-Studien 13), Wien 2008, S. 255; ders., Politik der Vernichtung? Die deutschsprachige Bevölkerung in der Vojvodina 1944 –1952. Ein Forschungsbericht auf Grundlage jugoslawischer Archivdokumente, in: Danubiana Carpathica 1 (48), München 2007, S. 357. Vgl. Leopold Rohrbacher, Ein Volk ausgelöscht. Die Ausrottung des Donauschwabentums in Jugoslawien in den Jahren von 1944 bis 1948 (Schwabenbuch-Reihe 1), Salzburg 1949; Österreichische Historiker-Arbeitsgemeinschaft für Kärnten und Steiermark, Völkermord der Tito-Partisanen 1944 –1948. Der Vernichtung der altösterreichischen Deutschen Volksgruppe in Jugoslawien und die Massaker an Kroaten und Slowenen. Dokumentation, Graz 1991; Theodor Schieder (Hg.), Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien (Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 5), Bonn 1961; Donauschwäbische Kulturstiftung, Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien. Bd. 1, 2, 3 und 4, oder www.totenbuchdonauschwaben.at; Arbeitskreis Dokumentation in der Donauschwäbischen Kulturstiftung, Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948 (1998); Documentation Project Committee, Documentation Project Committee, Genocide of the Ethnic Germans in Yugoslavia 1944 –1948; Genocid nad nemačkom manjinom u Jugoslaviji 1944 –1948; Geiger, Logori za folksdojčere u Hrvatskoj nakon Drugoga svjetskog rata 1945.–1947., S. 1081–1100. Vgl. Rohrbacher, Ein Volk ausgelöscht. S. 198; Österreichische Historiker-Arbeitsgemeinschaft für Kärnten und Steiermark, Völkermord der Tito-Partisanen 1944–1948, S. 191; Donauschwäbische Kulturstiftung, Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien. Bd. 2, S. 768 –769, 775 – 776, 799, 825–826, 829; Donauschwäbische Kulturstiftung, Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien. Bd. 3, S. 885 – 887; Donauschwäbische Kulturstiftung, Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien. Bd. 4, oder www.totenbuch-donauschwaben.at; Arbeitskreis Dokumentation in der Donauschwäbischen Kulturstiftung, Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948, S. 219–221; Documentation Project Committee, Genocide of the Ethnic Germans in Yugoslavia 1944 –1948, S. 121–122; Genocid nad nemačkom manjinom u Jugoslaviji 1944 –1948, S. 152 –154; Vernichtungslager im kommunistischen Jugoslawien 1944–1948. Ausstellung zum 50-Jahr-Gedenken ihrer Auflösung, Haus der Heimat, Donauschwäbische Arbeitsgemeinschaft Wien, 20. September 1998 bis 11. Oktober 1998; Logori smrti u komunističkoj Jugoslaviji 1944 –1948 [Todeslager im kommunistischen Jugoslawien 1944–1948]. Ausstellung, Volksdeutsche Gemeinschaft Landsmannschaft der Donauschwaben in Kroatien, Essegg in Zusammenarbeit mit der donauschwäbischen Arbeitsgemeinschaft Österreich, Wien und dem Österreichischen Kulturinstitut, Zagreb, Museum Slawoniens, Osijek 11. bis 25. Mai 1999; Vladimir Geiger (Hg.), Radni logor Valpovo 1945.–1946. Dokumenti [Das Arbeitslager Walpowo 1945 –1946. Dokumente], Osijek 1999; ders, Folksdojčeri pod teretom kolektivne krivnje, S. 91–104; ders., Folksdojčeri u Hrvatskoj 1945, S. 278.; ders, Logor Krndija 1945.–1946. [Das Lager Kerndia 1945 –1946], Zagreb/Slavonski Brod, 2008; ders., Sabirni i prolazni logor za folksdojčere u Velikoj Pisanici kod Bjelovara 1945 [Das Sammel- und Durchgangslager für Volksdeutsche in Groß Pisanitz bei Belowar 1945], Tokovi istorije, 1 (2011), S. 76–90 sowie die dort genannten Quellen und Literatur. Vgl. Geiger (Hg.), Radni logor Valpovo; ders., ders., Logor Krndija; ders., Logori za folksdojčere u Hrvatskoj nakon Drugoga svjetskog rata, S. 1081–1100 sowie die dort genannte Literatur. Vgl. Vladimir Geiger, Epidemija tifusa u logorima za folksdojčere u Slavoniji 1945./1946. i posljedice [Die Typhusepidemien in den Internierungslagern für Volksdeutsche in Slawonien 1945/46 und die Folgen], in: Časopis za suvremenu povijest 39 (2007), Nr. 2, S. 367– 383 sowie die dort genannte Literatur. Arbeitskreis Dokumentation in der Donauschwäbischen Kulturstiftung, Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien, S. 219 – 228; Documentation Project Committee, Genocide of the Ethnic Germans in Yugoslavia, S. 121–127; Genocid nad nemačkom manjinom u Jugoslaviji, S. 152–160. Mikola (Hg.), Dokumenti in pričevanja o povojnih koncentracijskih taboriščih v Sloveniji, S. 36 –39. Arbeitskreis Dokumentation in der Donauschwäbischen Kulturstiftung, Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien, S. 227–228; Documentation Project Committee, Genocide of the Ethnic Germans in Yugoslavia, S. 126, und die dort genannte Literatur. Janjetović, Nemice u logorima za folksdojčere u Vojvodini, S. 503 – 504; Geiger, Folksdojčeri u Hrvatskoj, S. 282; ders., Josip Broz Tito i sudbina jugoslavenskih Nijemaca, S. 816. Janjetović, Odlazak vojvođanskih Švaba, S. 117. Vgl. Geiger, Logori za folksdojčere u Hrvatskoj nakon Drugoga svjetskog rata, S. 1081–1100; ders., Epidemija tifusa, S. 367– 383; ders., Žrtvoslovi/poimenični popisi hrvatskih Nijemaca, S. 195 – 208; Janjetović, Prinudni rad folksdojčera, S. 205 – 215; Geiger, Ljudski gubici Hrvatske u Drugome svjetskom ratu i u poraću, S. 706 –707 und die dort angeführte Literatur. 117 118 SANJA PETROVIĆ TODOSIJEVIĆ Sanja Petrović Todosijević Die Betreuung deutscher Kinder in jugoslawischen Kinderheimen nach dem Zweiten Weltkrieg (1946–1952) Nach der Kapitulation Rumäniens am 23. August 1944 kam es zu einem schnellen Vorstoß der Roten Armee in das Banat und in die Batschka. Zwischen dem 28. September und dem 8. Oktober 1944 errichteten die Rote Armee und die Volksbefreiungsarmee ihre Herrschaft im jugoslawischen Banat. Die Batschka wurde bis zum 13. Oktober 1944 eingenommen.1 Die Internierung der Vojvodinadeutschen in Lagern war bis Juni 1945 abgeschlossen.2 Nach später veröffentlichten Angaben waren in der Vojvodina 96.769 Deutsche in Lagerhaft, darunter 24.403 Kinder, 19.953 Personen, die älter als 65 Jahre waren, und 54.413 arbeitsfähige Personen.3 Im Mai 1946 erhielt das Komitee für Sozialfürsorge der Regierung der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien (Federativna Narodna Republika Jugoslavije, FNRJ) auf Grund eines Beschlusses des Innenministeriums der FNRJ und des Ressortministers Aleksandar Ranković den Auftrag, „schnell 3.000 elternlose deutsche Kinder, die sich in Lagern in der Vojvodina befinden, in Kinderheimen unterzubringen“.4 Vor allem die genannten, aber auch andere Ressorts begannen nun systematisch und sehr gut organisiert, deutsche Jungen und Mädchen ohne elterliche Fürsorge aus den Lagern herauszuholen und anschließend in Heimen unterzubringen. Voraus ging der Aktion neben der Sicherstellung der Finanzierung eine Gesundheitsprüfung und Klassifizierung der Kinder nach folgenden Kriterien: 1. auf Grundlage der Aussage von Kindern, ihrer Verwandten und Nachbarn wurden Kinder ausgewählt, deren Eltern gestorben waren oder sich außerhalb Jugoslawiens befanden; 2. die Kinder mussten jünger als 12 Jahre sein; 3. die Kinder durften nicht an unheilbaren ansteckenden oder chronischen Krankheiten leiden.5 Nach Überprüfung aller Kriterien stellte man fest, dass sich „in den Lagern 1.112 Kinder ohne akute Infektionskrankheiten befinden, die deshalb in das Kinderheim aufgenommen werden können.“ Die zugänglichen Quellen vermitteln den Eindruck, dass es die ursprüngliche Absicht war, die Kinder in neugegründete Heime zu schicken, die nur bedingt als solche bezeichnet werden konnten und in erster Linie ihrer Unterbringung dienen sollten. Diese Erstunterbringung sollte als eine Art Quarantäne oder auch zur Vorbereitung für die weitere Integration in Kinderheimen im ganzen Land dienen. Man muss berücksichtigen, dass viele der Kinder, obwohl sie die so genannte Gesundheitsprüfung durchlaufen hatten, nach dem Verlassen des Lagers in einem schlechten Gesundheitszustand waren. Die Mehrzahl der Kinder sprach nur die deutsche Sprache. Selbst wenn die meisten Kinder keine Eltern mehr hatten, mussten sie sich beim Verlassen des Lagers von vielen sehr nahen Familienmitgliedern trennen. Vor der Unterbringung der Kinder besichtigten Vertreter der verantwortlichen Behörden Gebäude in Bajza, Zenta, Alt-Kanischa, Kanak, Alt-Letz, Wlajkowatz, Sombor, Apatin und Hodschag.6 Die erste Gruppe von Kindern wurde am 27. Juni 1946 aus dem Lager Rudolfsgnad abgeholt und in einem neugegründeten Heim in Bajza untergebracht. Bis Ende Oktober 1946 brachte man 1.293 Kinder aus den Lagern Rudolfsgnad, Gakowa, Molidorf und Syrmisch-Mitrowitz in Heimen in der Vojvodina unter. DIE BETREUUNG DEUTSCHER KINDER IN JUGOSLAWISCHEN KINDERHEIMEN 119 Bei der Arbeit mit den Kindern deutscher Nationalität gab es diverse Unklarheiten. Nach dem Besuch der Heime im südlichen Banat konstatierte Zlata Miler, Angestellte des Komitees für Sozialfürsorge der Regierung der FNRJ (im Folgenden Sozialfürsorgekomitee), in Bezug auf die Erziehungs- und Bildungsarbeit sowie auf gesellschaftliche und kulturelle Aspekte, dass es keine Direktiven gäbe, „ob man deutsche Schulen eröffnen sollte oder die Kinder in die serbischen Schulen gehen sollten [...], ob die Kinder sogleich in die Pionierorganisationen eintreten, in Verbindung mit der Pionierorganisation am Ort stehen und Veranstaltungen durchführen sollten, wie es die Kinder unserer übrigen Heime tun, oder nicht“.7 Am 13. Juli, nur zwei Tage nach Eingang des Berichts von Zlata Miler beim Komitee, betonte Kirilo Savić (Vorsitzender des Komitees und Minister ohne Geschäftsbereich in der Regierung der FNRJ), „eine der dringendsten Fragen, die sich bei der Unterbringung der Kinder stellt“, ist, „in welcher Sprache sie erzogen und beschult werden sollen und in Verbindung damit die Frage der Erzieherkader.“ Die Regierung nahm die Haltung ein, man müsse die Kinder „als Patrioten und Antifaschisten Jugoslawiens erziehen, zunächst in deutscher Sprache, bis sie die Sprachen der Völker Jugoslawiens gelernt haben, danach in der Sprache der Völker, auf deren Territorium sie sich befinden.“8 Die Verteilung der Kinder auf die Heime der Volksrepubliken drängte sich als schwere und teilweise auch unlösbare Aufgabe auf, deren Lösung aber aus verschiedenen Gründen unumgänglich war. Einerseits hatten die Behörden ernsthafte Probleme, qualifizierte Erzieher und Lehrer nichtdeutscher Nationalität für Kinder zu finden, die überwiegend keine der Sprachen der Völker Jugoslawiens sprachen. Andererseits wurde betont, man müsse „heute bereits an die Erziehung, Schulausbildung und Lebensvorbereitung dieser Kinder denken.“ Deshalb wurde in Übereinstimmung mit dem Präsidium der Regierung der FNRJ beschlossen, sie auf die Heime der Volksrepubliken zu verteilen, „damit sie gemeinsam mit unseren Kindern zuverlässige und nützliche Mitglieder unserer Gemeinschaft werden können.“9 Das Präsidium der Regierung der FNRJ ordnete an, die ersten 1.400 Kinder deutscher Nationalität ohne elterliche Betreuung wie folgt auf die Republiken zu verteilen: Makedonien 200,10 Serbien 500,11 Slowenien 150,12 Kroatien 300,13 Montenegro 50,14 Bosnien und Herzegowina 200.15 Das Sozialfürsorgekomitee machte die Heimleitungen über die Republikministerien darauf aufmerksam, dass „diesen Kindern besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt werden muss, und ausführlichere Anweisungen für die Arbeit“ später folgen sollten.16 Mädchenkinderheim „Kristijan Karpoš“ in Makedonien, Kumanowo, 1949. Hier lebte mit anderen donauschwäbischen Mädchen Anna Wörz (geb. 1935, vierte Reihe, Zweite von links). Ihre Mutter war beim Einmarsch der Partisanen 1944 erschossen worden. Von 1945 bis 1946/47 war sie mit ihrer Großmutter in Rudolfsgnad interniert. 120 Mädchenkinderheim „Kristijan Karpoš“ in Makedonien, Kumanowo, 1950. SANJA PETROVIĆ TODOSIJEVIĆ Die Richtlinien für die Arbeit mit Kindern deutscher Nationalität bezogen sich auch auf ihre angemessene Verteilung auf die Heime. In der neuen Umgebung sollten sie nicht die dominante Gruppe im Verhältnis zu den anderen Kindern bilden. Eine Verlegung war auch dort notwendig, wo auf „100 unserer Kinder“ „50 Kinder deutscher Nationalität“ kamen.17 Das Sozialfürsorgekomitee forderte in seinem Schreiben vom 28. September 1948 von den Republikministerien, Berichte erstellen zu lassen „über Kinder und Jugendliche deutscher Nationalität, die möglichst ausführlich und detailliert sein sollen.“ Die Berichte sollten folgende Angaben enthalten: die Zahl der deutschen Schützlinge in den Kinder- und Jugendschutzeinrichtungen, deren Gesundheitszustand, die Vorgehensweise der Heimleitung und Informationen zum Umgang zwischen Heimleitung und „unseren Kinder und Jugendlichen“, ihre Geschicklichkeit, ihr Verhalten, ihre Neigungen, Wünsche und Erfolge in „unserem Umfeld“, die Zahl der Schützlinge, die fortgegangen sind und wohin sie gegangen sind sowie sonstige Beobachtungen und Bemerkungen der Leiter und Heimvorstände.18 Zwischen September und November 1948 gingen bei den Sozialministerien aller Republiken zahlreiche Berichte aus Kinderheimen mit identischer Überschrift ein: Bericht über Kinder deutscher Nationalität. Die Anforderung dieser Berichte beunruhigte einige Heimleiter. Mit den Berichten erreichte das Sozialministerium die Frage, ob solche Berichte jeden Monat zu verfassen seien und ob Berichte „über die Arbeit mit allen Kindern oder nur mit den Kindern deutscher Nationalität“ einzureichen seien.19 Die Kinder sollten vor allem im „Zeitgeist“ erzogen werden. Der Leiter des Elpida Karamandi-Heims aus Bitola betont in seinem Bericht vom 18. September 1948: „Anfangs beim Eintreffen fühlte man bei allen deutschen Kindern Misstrauen und Hass gegenüber unseren Leitern, so dass es Ausfälle gab, zum Beispiel Sprüche der Kinder wie nieder mit Tito, Hakenkreuzzeichnungen u. a. Durch den konsequenten Einsatz der Erzieher wurde das abgestellt, so dass heute die Einstellung der deutschen Kinder hinsichtlich ihrer Auffassungen und ihrer Liebe für unsere Leiter ganz gut ist.“20 Der Leiter des Heimes in Weißkirchen schrieb, dass mit dem Ziel der „richtigen Durchführung der Organisation des kollektiven Lebens”21 gemeinsame Treffen organisiert wurden, bei denen „die Haltung des neuen Jugoslawiens gegenüber dem Menschen und die gegenseitigen Beziehungen in der sozialistischen Gesellschaft“ erläutert wurden. Der Leiter des Heims in Privina Glava betonte in seinem Bericht vom Oktober 1948, dass man bei der Arbeit mit den Kindern deutscher Nationalität vor allem den „Wert des Menschen nach seiner Arbeit und nicht nach seiner nationalen Zugehörigkeit“ herausstelle.22 Dementsprechend würden nationalistische Ausfälle durch das gesamte Kollektiv verurteilt. Derselbe Heimleiter schrieb: „Es kommen vereinzelt Ausfälle von Seiten einiger jugoslawischer Mädchen vor, aber darüber wird auf den Versammlungen sofort diskutiert. Diese Ausfälle kommen bei Mädchen vor, die aus dem Bürgertum stammen. Dass das Verhältnis der Kinder serbischer und kroatischer Nationalität ihnen gegenüber korrekt ist, sieht man daran, dass sie, sobald jemand eine negative Bemerkung in Bezug auf Deutsche macht, dies sofort auf der nächsten Ver- DIE BETREUUNG DEUTSCHER KINDER IN JUGOSLAWISCHEN KINDERHEIMEN sammlung als negative Erscheinung für den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft verurteilen.“23 Aus den Berichten aus dem gesamten Raum Jugoslawiens lässt sich schließen, dass die Heimleiter hinsichtlich des zukünftigen Lebens der jüngsten Mitglieder der deutschen nationalen Gemeinschaft in Jugoslawien sehr optimistisch gestimmt waren. Vor allem glaubte man, dass die Kinder deutscher Nationalität „gute Mitglieder“ der jugoslawischen „Gemeinschaft und fleißige Menschen“ werden würden.24 Man meinte, zum Ziel der „richtigen Durchführung der Organisation des kollektiven Lebens“, die „Voraussetzung sowohl für die Entwicklung guter Beziehungen zu den Leitern als auch für ein kameradschaftliches Verhältnis zwischen den Kindern untereinander ist“25, müsse man sich auch mit „ihrer nationalen Frage“ befassen, „wenn dies angebracht“ sei.26 Das Problem, ob es empfehlenswert war, die nationale Frage anzusprechen, quälte nicht nur den Leiter des Bata und Rita Jovičić-Heims in Rudnik, der diese Frage offen stellte, sondern auch viele andere. Die nationale Frage ohne Rücksicht auf den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Kinder zu stellen, bedeutete, die deutschen Kinder unter Verdacht zu stellen. Die umfangreichen Berichte zu Beobachtungen jeglicher Art wurden sowohl von Heimen erwartet, in denen bis zu 50 Kinder lebten als auch von Heimen, in denen sich nur ein Kind deutscher Nationalität befand. Meldungen wurden über Kinder aller Altersgruppen verfasst, d. h. über das Alter von drei bis vierzehn Jahren. Die Sprache wurde als grundlegendes Hindernis beim „Zusammenwachsen mit unseren Kindern“ angesehen.27 Das Verdrängen der Muttersprache und die Beherrschung einer der Sprachen der jugoslawischen Völker war die Voraussetzung für die Entwicklung der deutschen Kinder zu Patrioten und Antifaschisten.28 Die Verdrängung der deutschen Sprache war eine der Methoden, um „jeden Unterschied in jeder Hinsicht“ zu mindern.29 Den Kindern die offizielle Interpretation der jüngsten Vergangenheit sowie die Leistungen der jugoslawischen Völker und berühmter Einzelpersonen nahezubringen, war ohne die Überwindung der Sprachbarriere nicht möglich. In einem der Berichte wird angeführt: „Wir haben bemerkt, dass wir die Kinder nicht so sehr interessieren können, wenn wir ihnen von den Nationalhelden und vom Kampf der Völker Jugoslawiens in der Zeit des Volksbefreiungskrieges vorlesen, denn sie verstehen nicht alles, was ihnen gesagt wird, da sie die Nationalsprache nicht vollständig beherrschen.“30 In der systematischen, nur auf die deutschen Kinder zugeschnittenen Einflussnahme durch die Erzieher sah man ein weiteres Hindernis für das „Zusammenwachsen mit unseren Kindern“ und die Überwindung „jeden Unterschieds in jeder Hinsicht“. Die Scheu vor einer planmäßigen Einwirkung bestand auch bei Kindern im Vorschulalter, d. h. im Alter von drei bis sieben Jahren. Im Bericht des Heimleiters in Uzdin heißt es: „Die Kinder sind fröhlich, gemeinsam arbeiten sie im Kindergarten zusammen mit den übrigen Kindern, lernen Geschichten zu verschiedenen Anlässen, Deklamationen, Lieder, verschiedene Spiele, erzählen einzelne Ereignisse aus dem Volksbefreiungskampf nach, vom Genossen Tito, von der großen Sowjetunion, unserer ruhmreichen Armee, über Rotarmisten […]. Sie benehmen sich richtig, zwischen ihnen und den anderen Kindern wird kein Unterschied gemacht, noch ist ein solcher zu bemerken, und noch weniger ist daran zu zweifeln, dass sie etwas aus eigenem Antrieb sagen.“31 Die „Neigung zu religiösen Gefühlen“ wird als eine von vielen negativen Erscheinungen hervorgehoben. Ein Heimleiter aus Werschetz führt an, dass es „[...] kein seltener Fall ist, dass man bei ihnen im Schrank Bilder von Engeln, verschiedenen Heiligen sowie Weihnachts- und Osterkarten findet.“32 Den Einfluss der Religion sah man als zumindest problematisch an. Jede Art der Erwähnung von Religion und „religiöser Pflichten“ schuf Unsicherheit bei den Erziehern. In Zusammenhang damit heißt es: „Wir hatten keine Möglichkeit, zu erforschen und zu überprüfen, welchen Einfluss Briefe der engsten Angehörigen, in denen sie über die Erfüllung religiöser Pflichten sprechen, auf die Kinder deutscher Nationalität haben. Wir konnten nicht bemerken, dass sie in die Kirche gehen wollten oder heimlich zu Gott gebetet hätten. Ob sie es 121 122 Brief aus einem jugoslawischen Kinderheim, 20. Februar 1949. SANJA PETROVIĆ TODOSIJEVIĆ nicht tun, weil die übrigen Kinder es auch nicht tun […] oder ob es […] der Einfluss der Erzieher und das Vertrauen in sie ist, bzw. in jene, die sie darauf hingewiesen haben, konnten wir nicht feststellen.“33 „Sehnsucht nach der Heimat und der Familie“34 wurde als weitere negative Erscheinung im Verhalten der Kinder deutscher Nationalität bewertet. Das Fehlen der Eltern und des Familienumfelds traumatisierte die Kinder. Der Heimleiter aus Werschetz berichtet, dass „bei bestimmten Kindern während dieser kurzen Zeit bemerkt wurde, dass die Kinder, die Fotografien ihrer Eltern (die sich in Deutschland befinden) haben, sie oft anderen Kindern zeigen und die Eltern sehen möchten.“35 Man meinte, der Briefverkehr mit Verwandten übe einen negativen Einfluss auf die Kinder aus „und deshalb werden verstärkt Kontrollen durchgeführt, d. h. der Briefwechsel wird weniger.“36 Der Kontakt mit der Familie mindere die Chancen der Kinder, „für die Zukunft bereit zu sein und sich gleichberechtigt zu fühlen.“37 Als positive Beispiele führte man Fälle von Kindern an, denen es gelang, sich mit dem Bedürfnis nach Kontakt und einer engen Beziehung zu der Familie auseinanderzusetzen. Ein Heimleiter aus Pantschowa beschrieb die Arbeit mit den Kindern an diesem „Problem“ sehr konkret: „Sie haben sich geschrieben mit den Eltern und mit Verwandten, die in Deutschland sind. Diese Verwandten drückten ihr Bedauern aus, dass die Kinder von ihnen getrennt sind und sagten unter anderem in einem Brief: Hoffentlich wird die Zeit kommen, dass du dich von diesem Elend befreist und wir uns wieder zusammenfinden werden. Danach sprach der Heimleiter mit dem Kind. Er rechtfertigte das damit, dass man in der amerikanischen Besatzungszone nicht wisse, wie gut die Kinder in Jugoslawien versorgt würden und übernahm es, ihnen darüber zu schreiben.“38 Eine besonders beachtliche Rolle bei der Vermittlung des neuen Wertesystems spielten die Pionierorganisation und der Bund der kommunistischen Jugend Jugoslawiens (SKOJ)39. Den Beitritt zu einer der beiden Organisationen betrachtete man als positives Ergebnis der Arbeit mit den Deutschen. Bei der Vermittlung des „Zeitgeists“, d. h. des neuen Wertesystems, „spielten die Pionierpresse, die regelmäßig durchgearbeitet wurde, sowie die Pionierorganisation eine besondere Rolle. Einzelne Kinder deutscher Nationalität wurden zu Anführern in der Pionierorganisation gewählt; es gibt einige Scharführer sowie mehrere Hygieniker und Gefreite“.40 Als ausgesprochen positiv führte man Beispiele von Kindern an, die sich bei der Akzeptanz des „Zeitgeists“ und beim Aufbau des neuen Gesellschaftssystems auszeichneten. So meldete ein Heimleiter aus Kotor, dass sich „unter ihnen besonders zwei weibliche Mitglieder des SKOJ auszeichnen und eine Stoßarbeiterin der Jugendeisenbahnstrecke, die Schülerin Harich, sie zeichnete ihr Erspartes von 500 Dinar für die Volksanleihe“.41 Nach Auflösung der Lager für Deutsche in der Vojvodina im Frühjahr 194842 erreichten die Republikministerien für Sozialfürsorge und das Sozialfürsorgekomitee zahlreiche Bitten von Eltern und Verwandten, die bei der Entlassung aus den Lagern keinerlei Informationen mehr über ihre jüngsten Familienmitglieder hatten, seit sie als Kinder ohne elterliche Fürsorge ab Ende Juni 1946 aus den Lagern herausgeholt worden waren. Die Listen, auf denen Kinder aufgeführt sind, die aus den Lagern geholt und auf verschiedene Heime zunächst in der Vojvodina, dann in ganz Jugoslawien verteilt wurden, zeigen, dass unter ihnen nur eine relativ kleine Zahl war, bei der man zuver- DIE BETREUUNG DEUTSCHER KINDER IN JUGOSLAWISCHEN KINDERHEIMEN lässig wusste, dass beide Elternteile nicht mehr am Leben waren. Viele Kinder kamen nur mit den Müttern ins Lager, von denen einige dort verstarben. Das Schicksal der Väter war oft weitgehend unbekannt. Sofern sie Angehörige der Deutschen Wehrmacht gewesen waren, wusste man von vielen nicht, ob sie noch lebten und wenn ja, wo sie sich befanden. Es gab Kinder, die mit Verwandten ins Lager kamen, weil ihre Eltern oder ein Elternteil zur Zwangsarbeit in die UdSSR deportiert worden waren; manchen Eltern (meistens dem Vater) einzelner Jungen und Mädchen war es gelungen, durch die Flucht nach Deutschland oder Österreich der Internierung in einem der Lager zu entgehen.43 Ihres Vermögens und ihrer Bürgerrechte – nicht aber der jugoslawischen Staatsangehörigkeit44 – beraubt, versuchten die Deutschen nach der Lagerzeit Arbeit zu finden, um die drängendsten Existenzprobleme zu lösen. Arbeit und ein regelmäßiges Einkommen zu haben, waren nur einige der Bedingungen, die erfüllt werden mussten, damit der Antrag auf Übergabe der Kinder überhaupt erst geprüft wurde. Das Sozialfürsorgekomitee richtete am 6. Mai 1949 ein Schreiben an alle Pflegeämter der Ministerien für Sozialfürsorge in den Föderationsrepubliken, in dem es heißt, dass derjenige, der einen Sorgerechtsantrag für ein Kind deutscher Nationalität stellt, mit dem Antrag folgende Dokumente einzureichen hat: ! ist der Antragsteller ein Elternteil ein Dokument, aus dem die Elternschaft hervorgeht;45 ! ist der Antragsteller ein naher Verwandter, d. h. Großmutter, Großvater, Bruder, Schwester, Onkel oder Tante, ein Dokument über die Verwandtschaftsbeziehungen; ! ein „Dokument“ über die politische Zuverlässigkeit;46 ! eine Erklärung, dass man nicht beabsichtigt, das Land zu verlassen, ! einen Arbeitsnachweis; ! Angaben über monatliche Einkünfte und darüber, wie viele Personen mit der genannten Summe zu unterhalten sind; ! ein ärztliches Attest ! sowie die Erklärung des Kindes, soweit es das achte Lebensjahr vollendet hat, dass es zum Antragsteller ziehen will. Das Schriftstück sah außerdem die Stellungnahme der Mitglieder des Fürsorgerates vor, der in jedem einzelnen Fall festzustellen hatte: ! in welchen Wohnverhältnissen das Kind leben würde; ! sofern der Antragsteller auf einem landwirtschaftlichen Staatsgut lebt und arbeitet, wie viele Kinder unter „Fürsorgepflicht“ es dort gab; ! was der künftige Sorgeberechtigte unternehmen würde, um das Kind zu einem selbstständigen Leben zu befähigen, d. h. in welche Schule das Kind gehen und welchen Beruf es erlernen würde; ! „ob die Person, die ein Kind deutscher Nationalität unter ihre Obhut nehmen möchte, garantiert, dass sie das Kind zu einem guten Staatsbürger der FNRJ erziehen wird“. Auf Grundlage aller verfügbaren Daten teilte ein Mitglied des Bezirksfürsorgerates diesem seine Stellungnahme mit, der diese wiederum an die Bezirksfürsorgeverwaltung weiterleitete. Nach Einsichtnahme in die vollständige Dokumentation schlug diese Behörde die Entscheidung für jeden Einzelfall vor; sie wurde an die Fürsorgeverwaltung des zuständigen Sozialministeriums weitergeleitet und schließlich an das 123 Anni zeichnet dem Vater ihre linke Hand auf, damit er weiß, wie groß die Handschuhe sein müssen, die er ihr schicken soll. Brief aus einem jugoslawischen Kinderheim, Jahr und Ort unbekannt. 124 SANJA PETROVIĆ TODOSIJEVIĆ Sozialfürsorgekomitee der Regierung der FNRJ, das die endgültige Entscheidung fällte.47 Anders gesagt: beim Versuch, die jüngsten Mitglieder ihrer Familien aus den Heimen zu holen, wurden die Angehörigen der deutschen nationalen Gemeinschaft in Jugoslawien und ehemaligen Lagerinternierten mit Forderungen konfrontiert, die sie unmöglich erfüllen konnten. Dass sich die Haltung des Staates gegenüber der deutschen Minderheit und die Anforderungen, um ein Kind aus dem Heim herauszuholen, lockerten, hängt meines Erachtens maßgeblich mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der FNRJ und der Bundesrepublik Deutschland zusammen. In den 1950er Jahren begann die legale Aussiedlung jugoslawischer Staatsangehöriger deutscher Nationalität. Seit 1952 behandelten die jugoslawischen Behörden die Aussiedler wie Bürger der Bundesrepublik Deutschland.48 Schon am 5. Mai 1950, nur ein Jahr nach Erlass der sehr rigorosen Bestimmungen, informierte das Sozialfürsorgekomitee die Sozialministerien der Republiken darüber, dass für den Vormundschaftsantrag künftig keine Erklärung mehr nötig sei, dass man nicht beabsichtige, das Land zu verlassen, und dass man die Kinder auch dann in die Obhut geben könne, „wenn die Betreffenden die Absicht haben, unser Land zu verlassen“.49 Die meisten Angehörigen der deutschen Minderheit nutzten diese Möglichkeit und verließen das Land, mit ihnen auch die meisten der jüngsten Angehörigen der deutschen Gemeinschaft in Jugoslawien. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Zoran Janjetović, Nemice u logorima za folksdojčere u Vojvodini 1944.–1948. [Deutsche Frauen in Lagern für Volksdeutsche in der Vojvodina 1944 –1948], in Latinka Perović (Hg.), Srbija u modernizacijskim procesima 19. i 20. veka (Serbia in the 19th and 20th Century Modernizing Processes, Bd. 2: Položaj žena kao merilo modernizacije = Women‘s Position as the Measure of Modernization, Beograd 1998, S. 496 – 504, hier S. 496. Ders., Logorisanje vojvođanskih Nemaca od novembra 1944. do juna 1945. godine [Die Internierung der Vojvodinadeutschen in Lagern vom November 1944 bis zum Juni 1945], in: Tokovi istorije 1997, Nr. 1– 2, S. 151–164, hier S. 162. Janjetović, Nemice u logorima, S. 500. Arhiv Jugoslavije [Archiv Jugoslawiens = AJ], 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Ministarstvu trgovine i snabdevanja Vlade FNRJ od 17. maja 1946. AJ, 33 –17– 34; Izveštaj o brojnom i zdravstvenom stanju dece nemačke narodnosti u logorima Gakovo, Sremska Mitrovica, Molin i Knićanin, kao i o stanju i kapacitetu zgrada predviđenih za smeštaj pomenute dece u Bajši, Senti, Staroj Kanjiži, Konaku, Starom Lecu, Vlajkovcu, Somboru, Apatinu, Odžacima od 25. maja 1946. Ebd. AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Zlate Miler, službenice Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Komitetu za socijalno staranje Vlade FNRJ od 11. jula 1946. AJ, 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Komitetu za škole i nauku Vlade FNRJ od 13. jula 1946. AJ, 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Ministarstvu socijalnog staranja NR Bosne i Hercegovine od 11. septembra 1946. AJ, 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Ministarstvu socijalnog staranja NR Makedonije od 16. oktobra 1946. AJ, 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Ministarstvu socijalnog staranja NR Srbije od 16. oktobra 1946. AJ, 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Ministarstvu socijalnog staranja NR Slovenije od 16. oktobra 1946. AJ, 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Ministarstvu socijalnog staranja NR Hrvatske od 16. oktobra 1946. AJ, 33 –17– 34; Dopis Ministarstva socijalnog staranja NR Crne Gore Komitetu za socijalno staranje Vlade FNRJ od 23. oktobra 1946. AJ, 33 –17–3 4; Dopis Ministarstva socijalnog staranja NR Bosne i Hercegovine Komitetu za socijalno staranje Vlade FNRJ od 20. septembra 1946. AJ, 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Ministarstvu socijalnog staranja NR Bosne i Hercegovine od 11. septembra 1946. DIE BETREUUNG DEUTSCHER KINDER IN JUGOSLAWISCHEN KINDERHEIMEN 17 AJ, 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Ministarstvu socijalnog staranja NR Srbije od 15. aprila 1948. 18 AJ, 33 –17– 34; Dopis Planskog odjela evidencija i statistika Ministarstva socijalnog staranja NR Hrvatske od 05. oktobra 1948. 19 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma iz Jabuke od 20. novembra 1948. 20 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Ministarstva socijalnog staranja NR Makedonije o zapažanjima u radu sa decom nemačke narodnosti iz Dečijeg doma „Elpida Karamandi“ Bitolj Komitetu za socijalno staranje Vlade FNRJ od 18. decembra 1948. 21 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg oporavilišta iz Bele Crkve. 22 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma iz Privine Glave od 10. oktobra 1948. 23 Ebd. 24 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma „Bata i Rita Jovičić“ Rudnik od 15. oktobra 1948. 25 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg oporavilišta iz Bele Crkve. 26 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma „Bata i Rita Jovičić“ Rudnik od 15. oktobra 1948. 27 Ebd. 28 AJ, 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Komitetu za škole i nauku Vlade FNRJ od 13. jula 1946. 29 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma „Bata i Rita Jovičić“ Rudnik od 15. oktobra 1948. 30 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma iz Jabuke od 20. novembra 1948. 31 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma iz Uzdina od 24. novembra 1948. 32 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma iz Vršca od 18. oktobra 1948. 33 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma od 17. oktobra 1948; wegen der schlechten Lesbarkeit des Dokuments konnte nicht ermittelt werden, um welches Heim es sich handelt. – Mit „jenen“ waren die Eltern gemeint. 34 Ebd. 35 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma iz Bačke Palanke od 16. oktobra 1948. 36 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma iz Kovina od 18. oktobra 1948. 37 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma iz Kotora od 01. novembra 1948. 38 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma iz Pančeva od 18. oktobra 1948. 39 SKOJ = Savez komunističke omladine Jugoslavije. 40 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg oporavilišta iz Bele Crkve. Hygieniker dokumentierten Anomalien oder Verhaltensänderungen in der Körperpflege der Kinder. Regelmäßig kontrollierten sie, ob Nägel, Hände und Haare sauber waren [Anm. d. Red]. 41 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma iz Kotora od 1. novembra 1948. 42 Janjetović, Deutsche Frauen in Lagern, S. 503. 43 Die Willkürlichkeit der angebotenen Klassifikation resultiert daraus, dass es nicht möglich war, Einsicht in Quellen zu nehmen, die hilfreich gewesen wären bei der Aufdeckung der Umstände, unter denen Kinder ihre Eltern verloren haben sowie der Umstände, unter denen Kinder, deren Eltern noch am Leben waren, aus den Lagern geholt worden sind. 44 Zoran Janjetović, O državljanstvu jugoslovenskih Nemaca [Über die Staatsangehörigkeit der jugoslawischen Deutschen], in: Tokovi istorije 2002, Nr. 1– 2, S. 25 – 35, hier S. 34. 45 Taufschein oder Auszug aus dem Geburtsregister. 46 Aus der Quelle wird nicht klar, an was man gedacht hat. 47 AJ, 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ upravama za starateljstvo svih republičkih ministarstava socijalnog staranja od 06. maja 1949. 48 Janjetović, Über die Staatsangehörigkeit, S. 34. 49 AJ, 33–17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ svim republičkim ministarstvima socijalnog staranja od 05. maja 1950. 125 126 GEORG WILDMANN Georg Wildmann Die Entstehung der Dokumentation Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien Mit Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien ist die mit zahlreichen dokumentarischen Erlebnisberichten untermauerte Zeit der Verfolgung, der Entrechtung, des Mordgeschehens, der Vertreibung und Lagerinternierung der Deutschen Jugoslawiens zwischen 1944 und 1948 gemeint. Die Dokumentationsreihe umfasste ursprünglich vier Bände und entstand unter der Ägide der Donauschwäbischen Kulturstiftung – Stiftung des privaten Rechts –, München zwischen 1991 und 1995 aus der Zusammenarbeit von rund fünfzehn aus dem ehemaligen Jugoslawien stammenden Donauschwaben, die sich in einem Arbeitskreis Dokumentation zusammengeschlossen hatten. Das Buch Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948. Die Stationen eines Völkermords wurde 1998 nachgereicht und fasst die wesentlichsten Aussagen der vier Bände zusammen. In gekürzter und überarbeiteter Form erschien es 2003 in englischer Sprache unter dem Titel Genocide of the ethnic Germans in Yugoslavia 1944 –1948 und wurde Universitätsinstituten zugeschickt. 2004 kam es in serbischer Sprache unter dem Titel Genocid nad nemačkom manjinom u Jugoslaviji 1944 –1948 heraus und wurde in Serbien im Buchhandel angeboten. 2005 folgte das Buch Leitfaden zur Dokumentationsreihe Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948, das als Register konzipiert war. 1. Entstehung und Wirken der Donauschwäbischen Kulturstiftung München Um die Entstehung der Dokumentationsreihe Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien1 zu verstehen, muss man zunächst die Genese der Donauschwäbischen Kulturstiftung München näher beleuchten. Eine Schlüsselfigur in der donauschwäbischen Selbstfindung und im weiteren Prozess war Josef Volkmar Senz (1912 – 2001), geboren in Apatin, Batschka. Senz absolvierte die serbische Lehrerbildungsanstalt in Sombor und war in den 1930er Jahren als Volksschullehrer tätig. Von 1935 bis 1941 war er in Filipowa (heute Bački Gračac in der Batschka) im Einsatz.2 Senz war schon als Jugendlicher durch politische Reden führender Repräsentanten des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes3 von den Devisen Heimat, Muttersprache, Väterglaube derart stark inspiriert worden, dass er sein ganzes Leben dem Dienst an den Donauschwaben widmete. Ideell stand er schon seit seiner Ausbildung zum Lehrer im Strahlenkreis der romantischen Volksidee Johann Gottfried Herders. Nach Herder ist es der Sinn der Geschichte, dass die Völker ihr eigenes Wesen entdecken und ihre eigene Humanität entfalten, um so nicht nur zu nächsthöherer Humanität zu schreiten, sondern auch die Fülle Gottes sichtbar und präsent zu machen. Aus Abendvorträgen und schulischen Geschichtsstunden entstand das Buch Kurze Geschichte der Donauschwaben für Jugend und Volk. Senz gab es 1940 heraus. Es stellte zum ersten Male die historische Entwicklung der Donauschwaben von den Anfängen bis zur Gegenwart zusammenfassend dar. Er war getragen von der Idee, dass die Donauschwaben von ihrer Siedlungsgeschichte ausgehend zu einer deutschen Stammeseinheit zusammengewachsen waren und es, unbeschadet ihrer Dreiteilung nach 1918, geblieben sind, weshalb sie mit der 1922 von Robert Sieger (Geograf) und Hermann Rüdiger (Geologe, ab 1941 Leiter des Deutschen Ausland-Instituts) geschaffenen Bezeichnung „Donauschwaben“ geschichtlich markiert werden dürfen. Der Terminus „Donauschwaben“ wurde als stammeskundliche, siedlungsgeographische, historische DIE ENTSTEHUNG DER DOKUMENTATION LEIDENSWEG DER DEUTSCHEN IM KOMMUNISTISCHEN JUGOSLAWIEN und volkskundliche Gruppenbezeichnung eingeführt, um die im mittleren Donauraum lebende Volksgruppe deutscher Muttersprache wissenschaftlich festhalten und sie von den Schwaben am Oberlauf der Donau sprachlich abgrenzen zu können. Nach der Flucht mit seiner Familie bekam Senz einen Lehrerposten in Straubing, Bayern. Ende der 1970er Jahre war es unübersehbar, dass viele der donauschwäbischen Ortsgemeinschaften ihre Geschichte und Kultur, wie sie sich seit der Ansiedlung im 18. Jahrhundert darstellte, ihren Mitgliedern in Heimatbüchern angeboten hatten. Angesichts dieser Sachlage fragte sich Senz, wer sich wohl um die Gesamtdarstellung der donauschwäbischen Geschichte kümmern würde. Sie sollte vom durchschnittlich gebildeten Volk und von der heranwachsenden Kindergeneration gelesen werden können, aber auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Fanden sich unter den Donauschwaben des deutschsprachigen Raumes Mitarbeiter mit einiger Fachkompetenz und wie ließ sich ein solches Unternehmen finanziell am Leben erhalten? Obwohl Senz noch nicht über finanzielle Ressourcen und einigermaßen wissenschaftskundige Mitarbeiter verfügte, gründete er am 17. Juni 1978 die Donauschwäbische Kulturstiftung, eine Stiftung des privaten Rechts, mit Sitz in München.4 Als private Kulturstiftung erhielt sie laut Gesetz keine Subventionen von der öffentlichen Hand. Senz wandte sich an seine Landsleute, hauptsächlich an die Donauschwaben in der Bundesrepublik Deutschland, und suchte nach Mitgründern, Stiftern, Förderern und Helfern. Nach gut drei Jahren des Sammelns von finanziellen Beiträgen für einen Stiftungsfonds, mit dem man auch an die Finanzierung von Publikationen denken konnte, kam es am 13. November 1981 zur Gründungsversammlung in München. Von 1982 bis 2009 war Hans Sonnleitner5 Geschäftsführer der Kulturstiftung und Vorsitzender des Vorstandes. Als solcher trug er die Hauptlast des administrativen und juristischen Ausbaus. Von 1988 bis Jahresende 2009 fungierte er als Vorstandsvorsitzender.6 Zu finden war nach der Gründung ein Mitarbeiterkreis, der sich bereit erklärte, an der Abfassung der „großen“ donauschwäbischen Geschichte zu arbeiten und sich für ihre Herausgabe verantwortlich zu fühlen. Es kamen zu Beginn der 1980er Jahre etwa zehn Personen aus den Reihen der Donauschwaben in Frage, die mitarbeiten konnten und dies auch wollten. Sie teilten sich in eine „Vätergeneration“, also in solche, die schon in der alten Heimat eine landsmannschaftliche Funktion ausgeübt hatten bzw. Soldaten gewesen waren, und eine „jüngere Generation“, also solche, die sowohl für den Militärdienst wie für die Ausübung einer landsmannschaftlichen Funktion zu jung gewesen waren, von denen aber die meisten „Lagererfahrung“ besaßen.7 2. Die maßgebende Option für die Mitarbeiter in der Kulturstiftung Die aus dem ehemaligen Jugoslawien stammenden historisch arbeitenden Mitglieder des Mitarbeiterkreises, die als jüngere Generation ihren Standort suchten, sahen sich in den 1980er und 1990er Jahren, der Zeit ihres vorrangigen Engagements im Bereich der Sammel- und Forschungsbemühungen der Kulturstiftung, mit bereits bestehenden und markant ausgeprägten Positionen in der Beurteilung der donauschwäbischen Geschichte der Zwischenkriegs- und Kriegszeit konfrontiert und gezwungen, Stellung zu beziehen. Im Jahre 1961 war nämlich der fünfte Band der Schieder-Dokumentation Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien8 erschienen, und namhafte Vertreter der älteren Generation sahen sich zu kontroverser Reaktion aus jugoslawiendeutscher Sicht gezwungen. Der Band fußte, wie das Vorwort sagt, auf dem Dokumentationsmaterial, das die Sammlergruppen unter der Leitung von Fritz Valjavec, Adalbert Karl Gauß und Johann Wüscht für das Bundesarchiv in Koblenz gesammelt hatten. Die im Band enthaltene einleitende Darstellung der Geschichte der Deutschen Jugoslawiens in der Zwischenkriegszeit, Kriegszeit und der Zeit nach Wiedererrichtung Jugoslawiens leistete Theodor Schieders damals dreißigjähriger Assistent Hans-Ulrich Wehler.9 Die kritische Reaktion auf Wehlers Darstellung erfolgte von Johann Wüscht (1907–1976), einem prominenten Donauschwaben aus dem Kreis der Kulturbundmitarbeiter der 1930er Jahre. Wüscht war ein erfolgreicher Sozialpolitiker gewesen. Er kümmerte sich um die soziale Wohlfahrt der Donauschwaben und war Gründer und Leiter der „Wohlfahrtsgenossenschaft“. 127 128 GEORG WILDMANN Seit 1957 war er im Bundesarchiv in Koblenz tätig, wo er ab dieser Zeit die „SüdostDokumentation“ aufbaute. Er wurde – so kann man mit einigem Recht annehmen – der beste Kenner der zahlreichen Erlebnisberichte über die Leiden der Flucht, Lagerinternierung und Vertreibung der betroffenen Wissensträger aus Jugoslawien.10 Die Einleitende Darstellung von Hans-Ulrich Wehler im Jugoslawienband der Schieder-Dokumentation11 1961 und die kritische Antwort Wüschts in seinem Buch Beitrag zur Geschichte der Deutschen in Jugoslawien für den Zeitraum 1934 bis 1944, veröffentlicht im Jahre 1966, bedeuteten für die donauschwäbische Zeitgeschichte einen qualitativen Sprung, was die Herausarbeitung der kritischen Punkte betrifft. Wüscht wurde Träger der protestierenden Antworten der Donauschwaben auf belastende Aussagen Wehlers. Er schreibt: „Die Aufgabe einer Kritik des Bonner Werkes darf sich, angesichts dieser schweren Mängel und Fehler, sowohl methodischer als auch inhaltlicher Art, nicht allein in einer sachlichen Richtigstellung erschöpfen, sondern es ist eine ganz neue Interpretation des gesamten (Hervorhebung von Wüscht) volksdeutschen Geschehens notwendig“.12 Bei Durchsicht der Schriften Wüschts gewinnt man den Eindruck, dass er selbst die „ganz neue Interpretation“ des „volksdeutschen“ Geschehens wohl nur ansatzweise leistete. Sehr hilfreich war indes seine vielfach auf eigenem Erleben basierende Beschreibung der zeitgeschichtlichen Fakten, die ein verlässliches Korrektiv gegenüber manchen Behauptungen Wehlers und der titoistisch manipulierten Historiografie darstellten. Die wichtigsten lauteten: 1. Eine bewaffnete halbmilitärische „Deutsche Mannschaft“ als Gliederung des Schwäbisch Deutschen Kulturbundes gab es nicht. 2. Es gab im Aprilkrieg 1941 spontan aufgestellte Bürgerwehren in den donauschwäbischen Dörfern, aber keine „Fünfte Kolonne“. 3. Das Verhalten der Volksgruppenführung während der Kriegsgeschehnisse 1941 in Neusatz hatte keinen staatsverräterischen Charakter. 4. An der Großrazzia der ungarischen Behörden im Winter 1942 in der Batschka waren die Donauschwaben nicht beteiligt. 5. Die Viktor-Tomić-Aktion der Ustascha in Syrmien fand keine Unterstützung der deutschen Bürgermeister. 6. Die Zugehörigkeit zu den neuen Heimatstaaten nach Aufteilung Jugoslawiens 1941 erweckte bei allen betroffenen Volksgruppen den Anschein, sie besäßen nunmehr eine rechtsgültige neue Staatsbürgerschaft und die Loyalitätspflicht dem Königreich Jugoslawien gegenüber sei erloschen. Es sei demnach nicht gerechtfertigt, gerade den Donauschwaben Illoyalität und Landesverrat vorzuwerfen und sie mit Sanktionen zu belegen. Wüschts Bemühungen um Objektivierung der Faktenlage bestärkte die Vertreter der jüngeren Generation, die zum Teil als Quereinsteiger zur Arbeit an der Geschichte gekommen waren, in der Überzeugung, die Schuld an der Vertreibung liege in der Hauptsache nicht auf Seiten der Donauschwaben, sondern auf Seiten der Politik der staatstragenden Völker Jugoslawiens und der in sie eingebetteten Partisanenbewegung. Seine detaillierten Darlegungen machten ihn zum primären Gewährsmann für die jüngeren Einsteiger in die donauschwäbische Geschichte. Die Mitarbeiter der jungen Generation optierten in ihrer Anfangsphase begreiflicherweise für die Position Wüschts. Sie wirkte dann freilich auch als ihr erkenntnisleitendes Interesse. Die Ansichten Wüschts über die weltanschauliche Entwicklung der Führungseliten der Donauschwaben in Jugoslawien konnten seine Schüler aus der jungen Generation in ihren fortschreitenden Studien allerdings nicht ungeprüft übernehmen. Ihre Kritik betraf die These Wüschts, das Wesen der Auseinandersetzungen zwischen der „alten“ Führungsgruppe des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes und den „Erneuerern“ zwischen 1932 und 1938 sei nicht auf ideologische Gegensätze zurückzuführen. Vielmehr sei die Erneuerungsbewegung gegenüber dem reichsdeutschen Nationalsozialismus eine eigenständige Bewegung und stehe in einem genetischen Zusammenhang mit dem völkischen Charakter ihres Vorgängers, des Kulturbundes. Sie habe den nationalliberal und nationalkonservativ orientierten Kulturbund nur weiterentwickelt. DIE ENTSTEHUNG DER DOKUMENTATION LEIDENSWEG DER DEUTSCHEN IM KOMMUNISTISCHEN JUGOSLAWIEN Josef Beer (1912–2000) Josef Volkmar Senz (1912–2001) Georg Wildmann (*1929) Herbert Prokle (*1933) Karl Weber (*1933) Hans Sonnleitner (*1931) Richtig daran ist – so die jüngeren Mitarbeiter – die Tatsache, dass alle Bewegungen der Donauschwaben in den Nachfolgestaaten im Grunde genommen „völkisch“ orientiert waren und den gleichen im Herderschen Sinne geprägten Volkstumsgedanken besaßen.13 Der genetische Zusammenhang zeigt aber eine deutliche Zäsur, wenn man die Weltanschauung der Führungsgruppe der „Erneuerer“ ins Visier nimmt. Dieses schmale Führungssegment begann de facto das „Völkische“ mit Elementen der NS-Weltanschauung aufzuladen und auch umzudeuten und lehnte die positive Positionierung des Religiösen, die bei den nationalkonservativen Völkischen eine große Rolle spielte, deutlich ab. Sie verwarf die Demokratie als Staatsform, vertrat vehement das „Führerprinzip“, empfand die „blutsmäßige Bindung“ an das deutsche Volk als eine Loyalitätsverpflichtung neuer Art und öffnete sich tendenziell dem Antisemitismus. Daraus lässt sich allerdings noch nicht schlüssig ableiten, dass diese Führungsgruppe die Absicht hatte, aus der Volksgruppe einen Vorposten des nationalsozialistischen Reiches zu machen.14 Im Raum Stuttgart und Sindelfingen hatten sich eine Reihe ehemaliger Volks- bzw. Kulturbundfunktionäre niedergelassen, die der Vätergeneration und, was die Entstehung der Landsmannschaft in Baden-Württemberg nach dem Kriegsende betrifft, der Gründergeneration angehörten.15 Die Akteure des Sindelfinger Führungskreises bejahten die Thesen Wüschts und stellten sie auch im Einzelnen nicht in Frage, boten diese doch eine entlastende Sicht auf ihr Verhalten und ihre weltanschauliche Einstellung in der Vergangenheit, soweit sie das letzte Jahrzehnt vor der Vertreibung betraf. Die damalige Haltung der bundesdeutschen Öffentlichkeit kam ihnen zugute. Diese erteilte „ehemaligen Mitgliedern der NSDAP und ihrer Gliederungen Absolution“, sofern sich diese nunmehr zum demokratischen Rechtsstaat bekannten.16 Dementsprechend verhielt sich die damalige deutsche Öffentlichkeit den ehemaligen Amtswaltern des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes17 gegenüber. Die Einsteiger in die Geschichte der Donauschwaben, die aus der jungen Generation kamen, konnten sich in ihrer Zusammenarbeit mit den maßgebenden Vertretern der Vätergeneration darauf verlassen, es mit echten und nicht bloß verbalen Befürwortern des demokratischen und freiheitlichen Rechtsstaates zu tun zu haben. Viel Voreingenommenheit und Widerstand musste man als Einsteiger bei der Behandlung der kritischen Zeit der donauschwäbischen Geschichte nicht gewärtigen. 129 130 GEORG WILDMANN DIE ENTSTEHUNG DER DOKUMENTATION LEIDENSWEG DER DEUTSCHEN IM KOMMUNISTISCHEN JUGOSLAWIEN 131 Der Kreis um Stuttgart-Sindelfingen mit dem „Einzelkämpfer“ Wüscht, die Redaktion der Zeitung Der Donauschwabe18 und auch Josef V. Senz vertraten – grob gesprochen – die These, die Schuld an der Vertreibung/Vernichtung der Deutschen Jugoslawiens liege überwiegend auf der Seite der südslavischen Staatsvölker und der kommunistischen Partisanenbewegung. Die engagierten Vertreter der jüngeren Generation, die in den 1990er Jahren die Hauptträger der Bearbeitung des Leidens- und Völkermordgeschehens im kommunistischen Jugoslawien waren, sahen sich in ihrer von Wüscht und Senz übernommenen Option bezüglich der Schuldfrage bestätigt. Ihrer Arbeit bot sich die Kulturstiftung als organisatorische Plattform und geistige Heimat an. Josef V. Senz war nicht dogmatisch festgelegt und akzeptierte eine unvoreingenommene Forschungsinitiative. 3. Die Entstehung der Buchreihe Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien Mitte der 1980er Jahre richtete Hans Sonnleitner19 an die Sindelfinger Führungsgruppe aus der Vätergeneration brieflich die Anregung, sie solle sich bei der Abfassung der Geschichte der Donauschwaben engagieren und dabei auch die genauere Beschreibung der donauschwäbischen Passion ins Auge fassen. Josef Beer,20 vormals Stabsleiter des Volksgruppenführers Sepp Janko, griff die Idee, eine Darstellung der donauschwäbischen Passion zu versuchen, mit großem Interesse auf. Das schon 1974 erschienene Buch des Kroaten Josip Mirnić,21 das die Tendenz hatte, gerade die Batschkadeutschen für die Zeit der ungarischen Okkupation 1941–1944 als „kriminelle Minderheit“ zu diffamieren, heizte unter den führenden Donauschwaben aus Jugoslawien den Willen zur Rechtfertigung des eigenen Verhaltens kräftig an. In dieser Stimmungslage schrieb Beer sein Buch Donauschwäbische Zeitgeschichte aus erster Hand. Beer griff darin anhand seines eigenen Erlebens und Mitwirkens die von Johann Wüscht aufgeworfenen zentralen Fragen bewusst auf. Die Hintergründe der Vernichtung der Donauschwaben verortete er im Panslawismus und in den vor allem serbischen Bestrebungen zur Nationalisierung des als slawisch verstandenen Volksbodens in der Vojvodina. Die Hauptursache sah er in der wirtschaftlichen Expansion der Donauschwaben, deren auf Privateigentum aufgebaute Wirtschaftsordnung der kommunistischen Ideologie der Partisanenbewegung im Wege stand. Das Buch erschien 1987 im Verlag der Kulturstiftung.22 Zusammen mit der neu aufgelegten Geschichte der Donauschwaben von Josef V. Senz sorgte Beer für eine weite Verbreitung beider Bücher, indem er sie an Schulen und Universitäten des süddeutschen Raumes gratis verschickte. Angesichts einer solch expansiven Lebensäußerung der Kulturstiftung dürfte auch ihr Gründer Josef V. Senz mehr als nur entzückt gewesen sein. Die Sorge um eine Gesamtdarstellung der donauschwäbischen Geschichte, die akademisch-wissenschaftlichen Ansprüchen genügen würde, vertraute Senz seinem ehemaligen Schüler Georg Wildmann an.23 Unter den Donauschwaben selbst und unter denjenigen, die ihnen zugetan waren und sind, Mitarbeiter mit einiger Fachkompetenz zu finden, die bereit waren, ohne oder gegen nur geringes Honorar ihren wissenschaftlichen Beitrag zu leisten, erwies sich als sehr schwierig und zeitigte ein mehrjähriges Karussell an Zu- und Absagen. Der erste Band, der das Jahrhundert der Ansiedlung betraf, konnte erst 2006 im Verlag der Kulturstiftung erscheinen. Der zweite Band wurde 1996 vom Universitas Verlag herausgebracht. Band drei gab 2010 wieder die Kulturstiftung heraus, Band vier erscheint 2014, Band fünf befindet sich in Arbeit und wird voraussichtlich 2015 erscheinen.24 Hans Sonnleitner, Geschäftsführer der Stiftung, der selbst die Zeit der Morde und der Todeslager fast drei Jahre durchlebte, verfolgte seit Anfang der 1980er Jahre das Ziel, eine umfassende Dokumentation über den Völkermord an den Donauschwaben, den Untersteirern und Gottscheern in Tito-Jugoslawien 1944 –1948 zu erstellen. Angeregt durch die euphorische Stimmung, die das „annus mirabilis 1989“ und die darauffolgende Auflösung Tito-Jugoslawiens hervorrief, nahmen Beer und Sonnleitner die thematische Führerschaft in der Kulturstiftung in den 1990er Jahren ihrem Gründer Hinter Stacheldraht, Zeichnung von Sebastian Leicht, 1945 (vermutlich vom Künstler nachdatiert). Josef V. Senz aus der Hand. Der Schwerpunkt verlagerte sich von der Arbeit an der Geschichte der Donauschwaben auf die Arbeit an der donauschwäbischen Passion in Jugoslawien. Beer fühlte sich um 1990 mit seinen 78 Jahren den Landsleuten verpflichtet. „Was können wir noch für unser Völkchen tun?“ Und: „Was können wir für die Ortsgemeinschaften tun, die keine Heimatbücher haben?“, äußerte er dem Verfasser dieser Zeilen gegenüber. In Beer fand Sonnleitner einen vom selben Anliegen umgetriebenen Partner, so dass beide 1990 einen Arbeitskreis Dokumentation gründeten, bestehend aus „verantwortungsbewussten Männern“,25 und zwar: Josef Beer, Friedrich Binder, Ernst Lung, Georg Tscherny, Ernst Barwich und Valentin Oberkersch, die man der Vätergeneration zurechnen muss, sowie Hans Sonnleitner, Georg Wildmann, Karl Weber, Josef Pertschi, Michael Eisele, Ingomar Senz, Roland Vetter und dem später dazugestoßenen Herbert Prokle, die man zur jungen Generation zählen sollte. Mit finanzieller Hilfe der Felix-Milleker-Stiftung26 ließ Beer im Bundesarchiv in Koblenz rund 10.000 Erlebnisberichte fotokopieren. Außerdem besaß er den Nachlass von Johann Wüscht, in dem sich thematische Vorarbeiten vorfanden. Die Fotokopien, die aus Koblenz bezogen wurden, waren zum überwiegenden Teil für die Schieder-Dokumentation bestimmt gewesen. Ein guter Teil davon war bereits im Band fünf Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien 1961 als Dokumentation verwendet worden.27 Sie handelten in erster Linie von den Leiden der Flucht, Vertreibung und Lagerinternierung. So entstand die Idee, die Leiter der Ortsgemeinschaften oder Vertreter der Orte in Sindelfingen zu versammeln, ihnen die Erlebnisberichte auszuhändigen und sie anzuhalten, möglichst rasch einen Ortsbericht zu liefern, der Flucht, Vertreibung, Erschießungsaktionen der Partisanen und die Lagerinternierung sowie die Verlustzahlen umfassen sollte. Es zeigte sich, dass die in Sindelfingen versammelten Landsleute meist zwischen 60 und 80 Jahre alt waren. Es war oft schwer, einen Ortsfachmann zu finden und anzusprechen. Es mussten Mitwirkende gefunden werden, die die Berichte der Orte der altheimatlichen Bezirke sammelten. In der Folge brauchte es auch Mitarbeiter, die diese Berichte nach den altheimatlichen Landschaften zusammenfassten und dazu eine Einleitung schrieben. Josef Beer bekam das Banat, Valentin Oberkersch Syrmien, Slawonien und Kroatien, Georg Wildmann die Batschka und die Baranja zugeteilt. Aus Erlebnisberichten mussten Ortsberichte gemacht werden. Die Daten der jugoslawischen Volkszählung von 1931 hatte man glücklicherweise zur Hand. Damit konnte man, ausgehend von der Zahl der deutschen Bewohner, die Zahl der eingerückten 132 GEORG WILDMANN DIE ENTSTEHUNG DER DOKUMENTATION LEIDENSWEG DER DEUTSCHEN IM KOMMUNISTISCHEN JUGOSLAWIEN Soldaten schätzen und in etwa die Zahl der im Felde gebliebenen Soldaten angeben. Die Überprüfung der Verlustzahlen ergab die grobe Schätzregel, nach der etwa jeder vierte Soldat aus dem Krieg nicht zurückkehrte.28 Es kam – wie geplant – zur Zusammenfassung der Ortsberichte zu einem Buch. Ingomar Senz beschrieb in einem ersten Einleitungsteil, wie aus den Kolonisten ein Neustamm wurde. In einem zweiten Einleitungsteil griff Josef Beer die sensiblen Themen der Zwischenkriegs- und Kriegszeit auf, die die Jugoslawiendeutschen bis heute beschäftigen, dazu eine Einleitung für das Banat. Dasselbe leisteten Oberkersch für Syrmien und Slawonien und Wildmann für die Batschka. Als es um die Endredaktion ging, zeigte es sich, dass die Ortsberichte einen dicken Band ergeben würden und dass sie in der Regel die Passion der einzelnen Gemeinden hervorhoben. So kam es zum Titel Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien. Ortsberichte über die Verbrechen an den Deutschen durch das Tito-Regime in der Zeit von 1944 –1948. Anfang der 1990er Jahre lag also für einen Großteil der donauschwäbischen Ortsgemeinschaften eine Kurzdarstellung der Endphase ihrer pannonischen Existenz vor. Hans Sonnleitner erstellte mit der Grafikerin Magdalena Kopp-Krumes sehr gute Karten über die einzelnen Siedlungslandschaften.29 Der Band erschien 1991 und in zweiter Auflage 1992 in insgesamt 8.000 Exemplaren. Der Universitas Verlag München übernahm den textidentischen Nachdruck unter dem Titel Weißbuch der Deutschen in Jugoslawien. Das Unternehmen entwickelte nunmehr eine Eigendynamik. Es lagen noch viele Erlebnisberichte vor. Also wurde beschlossen, einen zweiten Leidensweg-Band unter dem Titel Erlebnisberichte über die Verbrechen an den Deutschen durch das Tito-Regime in der Zeit von 1944 –1948 herauszugeben. Auch dieser gliederte die Berichte nach den Herkunftsorten der Erzähler und sollte möglichst alle Orte erfassen. Schließlich zählte auch er 1.000 Druckseiten. Er erschien 1993 in einer Auflage von 5.000 Exemplaren im Verlag der Kulturstiftung und wurde ebenfalls vom Universitas Verlag übernommen. In diesem Band zeichneten 16 Personen als Mitautoren. Sie hatten die Aufgabe, die Texte in die deutsche Schriftsprache zu transkribieren, da viele Berichte infolge der grammatikalischen Fehler schwer verständlich geblieben wären. Im Jahre 1994 legte Karl Weber30 den ebenfalls 1.000 Seiten starken Band IV des Leidenswegs vor: Menschenverluste – Namen und Zahlen zu Verbrechen an den Deutschen durch das Tito-Regime in der Zeit von 1944 –1948.31 Nach Aufrufen von Ludwig Schumacher und Karl Weber sandten 333 Heimatortsgemeinschaften ihre Verlustlisten ein, insgesamt mehr als 60.255 Namen, wodurch es gelang, 70 Prozent der damaligen Menschenverluste namentlich zu erfassen.32 Das Buch geht wieder nach Landschaften vor und bringt dann in alphabetischer Folge die Orte mit ihren Verlusten, wo möglich gegliedert nach Soldatenverlusten und Zivilopfern; die Zivilopfer mit Angabe, in welchem Lager sie umgekommen sind. Die Totenlisten des Buches stehen schon seit einigen Jahren im Internet und sind häufig besucht.33 Gemäß dieser Unterlagen und vorsichtiger Hochrechnungen belaufen sich die Menschenverluste der Donauschwaben aus dem ehemaligen Jugoslawien auf 86.000 tote Zivilpersonen und Soldaten. Der dritte Band Erschießungen – Vernichtungslager – Kinderschicksale in der Zeit von 1944 –1948, den Georg Wildmann zu bearbeiten hatte, erschien 1995. Er setzte sich in einem ersten, 130 Seiten starken Teil mit der Thematik auseinander, die schon Wüscht und die Schieder-Dokumentation angeschnitten hatten. Es ging in der Hauptsache um den Einfluss des Nationalsozialismus auf die Donauschwaben Jugoslawiens, um ihr Verhalten während des Aprilkriegs 1941, um die rechtliche Lage der nochmals dreigeteilten Volksgruppe, um die Motive der Eliminierung der Deutschen, um die prinzipiellen Einwendungen gegen die Vorgehensweise der Partisanenbewegung und eine Übersicht über die Genozidmaßnahmen gegen die Deutschen Jugoslawiens. In einem zweiten Teil waren nochmals 336 Seiten Erlebnisberichte unterzubringen. Weitere 192 Seiten betreffen die Kinderschicksale, die Käthe und Georg Tscherny sammelten. Im dritten Teil des Buches hat Wildmann zwei Eliminierungsvorgänge abgehandelt. Der erste betrifft die Erschießungsaktionen des „blutigen Herbstes“ 1944, die 8.000 Opfer forderten.34 Im Banat und in Syrmien folgten die Pogrome, soweit man dies aus den Berichten ermessen kann, mehr dem Rachetrieb, in der Batschka zielten sie mehr auf eine terroristische Wirkung unter der Bevölkerung und auf eine Dezimierung der Deutschen sowie serbischer und magyarischer „Volksfeinde“ ab. Der zweite Vorgang betrifft die Lagerinternierung. Hier hat Wildmann, soweit ersichtlich, erstmals den unterschiedlichen Charakter der Lager gezielt aufgezeigt und sie in Arbeitslager, zentrale Zivillager und Vernichtungslager unterschieden. Dies geschah ausschließlich anhand der ihm zugänglichen Erlebnisberichte, anderes Aktenmaterial lag ihm nicht vor. Es gelang ihm wohl erstmalig, aus den gleichsam mosaikartig zusammengefügten Erlebnisberichten ein anschauliches Bild über die acht Konzentrationslager zu erstellen, die man als Vernichtungslager kennzeichnen muss. Karl Weber lieferte für diesen Band einen vierten Teil, der eine gründliche Erfassung der deutschen Bevölkerung Jugoslawiens und eine gründliche Aufstellung der Verlustzahlen enthielt. Das Gesamtbild über das Leidensschicksal der Deutschen Jugoslawiens, das sich so ergab, hatte bislang gefehlt. Man sollte nicht vergessen, dass der Leidensweg der Erlebnisgeneration diese mit ähnlicher Macht traumatisierte und prägte wie die Erfahrung der Shoa die Juden. Das ganze Projekt wurde 1995 von den restlichen Beteiligten des Arbeitskreises Dokumentation – es waren dies die Akteure aus der jüngeren Generation: Hans Sonnleitner, Herbert Prokle, Karl Weber und Georg Wildmann – als abgeschlossen betrachtet. Schon bald nach der durchaus gut laufenden Verbreitung der Dokumentation Leidensweg bildete sich im Arbeitskreis die Meinung, die vier Bände seien infolge ihres rund 4.000 Seiten starken Umfangs eher eine Art Nachschlagewerk und würden – jedenfalls von der Masse der Landsleute – wenig gelesen werden. Man müsse eine Art Taschenbuch herausgeben, das von den Landsleuten und der interessierten Öffentlichkeit eher gelesen würde. Die Ausarbeitung dieses Buches fiel in der Hauptsache Wildmann zu und konnte im Mai 1998 in erster Auflage erscheinen. Es bildet mit seinen 374 Seiten eine Art Zusammenfassung des Leidenswegs und nennt sich Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948. Die Stationen eines Völkermords. Es erreichte bislang in fünf Auflagen die Ausgabe von 27.000 Exemplaren. In gekürzter, überarbeiteter und von Herbert Prokle redigierter Form erschien es 2003 in englischer Sprache unter dem Titel Genocide of the ethnic Germans in Yugoslavia 1944 –1948 in 4.000 Exemplaren und wurde Universitätsinstituten zugeschickt. 2004 erschien es in serbischer Sprache und kyrillischer Schrift unter dem Titel Genocid nad nemačkom manjinom u Jugoslaviji 1944 –1948 in 3.000 Exemplaren und wurde im serbischen Buchhandel angeboten. Herbert Prokle reichte 2008 das Buch Der Weg der deutschen Minderheit Jugoslawiens nach Auflösung der Lager 1948 nach, das eine Vielzahl von Dokumenten über Einweisungen in vertragliche Arbeitsverhältnisse, Entlassungsscheine, Zuzugsgenehmigungen nach Deutschland und andere Quellen in Faksimile-Wiedergabe enthält. Um das Jahr 2000 – zu der Zeit, als das Donauschwäbische Zentralmuseum in Ulm errichtet wurde35 – war vom größeren Arbeitskreis Dokumentation nur ein fünf Mann starker Beirat der Kulturstiftung übriggeblieben, dem aber infolge seiner Arbeit am Leidensweg das grausame Schicksal der Deutschen Jugoslawiens umso deutlicher vor Augen stand. Es war nur logisch, dass man nunmehr von der Frage umgetrieben war, ob man die Eliminierung der Deutschen Jugoslawiens als Völkermord bezeichnen könne, wenn man ihr Schicksal anhand der Konvention der Vereinten Nationen über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes überprüfte.36 Es konnte Dieter Blumenwitz, Inhaber des Lehrstuhls für Völkerrecht und Staatslehre an der Universität Würzburg, gewonnen werden, ein Rechtsgutachten über die Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948 zu erstellen, das 2002 im Verlag der Kulturstiftung erschien. Blumenwitz kam in seinem Gutachten zum Ergebnis, dass die Massentötungen, die kollektive Enteignung und Entrechtung, die Internierung und Vertreibung sowie die zwangsweise ethnische Umerziehung von Kindern den objektiven und subjektiven Tatbestand des Völkermordes ergeben. An diesem Gutachten hat sich der Beirat der Kulturstiftung bislang orientiert. 133 134 GEORG WILDMANN DIE ENTSTEHUNG DER DOKUMENTATION LEIDENSWEG DER DEUTSCHEN IM KOMMUNISTISCHEN JUGOSLAWIEN 4 5 6 Massengrab Deutscher in Jugoslawien 1946, Zeichnung von Sebastian Leicht, 1946 (vermutlich vom Künstler nachdatiert). 7 8 Die Dokumentation Leidensweg im engeren Sinn erweiterte sich thematisch betrachtet bis 2008 auf elf Bücher, die in rund 80.000 Exemplaren ihre Verbreitung fanden.37 Sie basierte auf dem Zusammenwirken der gesamten Landsmannschaft was das Zahlenmaterial, die Totenlisten und die Erlebnisdetails betraf, die von den Ortsgemeinschaften geliefert wurden. In diesem Sinne bildet sie den kollektiven Versuch einer Absicherung und Selbstausformung der Identität als Donauschwaben Jugoslawiens und einen notwendigen Baustein in ihrem Bestreben nach geschichtlicher Selbstbewahrung. Das Unternehmen war auch ein Akt der Selbsthilfe, denn die öffentliche Hand gewährte der privaten Stiftung keine finanzielle Unterstützung. Es bildete von seinen Anfängen her keine akademische Arbeit, wie sie sich sozusagen im schwerelosen universitären Denkraum vollzieht. Erst im Nachhinein traten den Aktiven des Arbeitskreises der Charakter und die bestimmenden Motive ihrer an die zwanzig Jahre währenden Arbeit stärker ins Bewusstsein. Es galt, den genozidalen Vorgang in den Blick der Weltöffentlichkeit und der Zeithistorik zu rücken; der Erlebnisgeneration eine umfassende und weit in die Details reichende Darstellung ihrer Katastrophe darzubieten; den Nachkommen der Erlebnisgeneration Dokumente in die Hand zu geben, die eine wesentliche Quelle für die Erarbeitung einer unverfälschten Geschichtsdarstellung bilden können; die Tragödie katastrophalen Ausmaßes, die eine halbe Million Menschen betraf, im kollektiven Gedächtnis zu verankern; die völker- und menschenrechtliche, ethische, religiöse und historische Dimension der Vertreibung/Vernichtung im Auge zu behalten und die unschuldigen Toten in ihrer Ehre und Menschenwürde zu rehabilitieren, zumal die an ihnen verübten Verbrechen keine Sühne erfuhren. 9 10 11 12 13 14 15 1 2 3 Fortab im Text der Kürze halber mit Leidensweg angeführt. Vgl. Georg Wildmann, Ein Leben für die Donauschwaben. Zur Geistigkeit und zum Werk von Josef Volkmar Senz, in: Georg Wildmann (Hg.), Entwicklung und Erbe des donauschwäbischen Volksstammes. Festschrift für Josef Volkmar Senz zum 70. Geburtstag (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 1: Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Donauschwäbischer Lehrer, Bd. 10), München 1982, S. 13 – 33; Rotraud und Ingomar Senz, Ein Leben für die Donauschwaben. Ein Porträt von Josef Volkmar Senz und seinem Werk (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3: Beiträge zur donauschwäbischen Volks- und Heimatforschung, Bd. 70), München 1999. Der 1920 gegründete Großverein der Deutschen des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS, ab 1929 Königreich Jugoslawien) zur Bewahrung der ethnischen Wesensart in einem neuentstandenen Vielvölkerstaat. 16 17 18 19 Laut Statuten soll sie der Förderung donauschwäbischer Forschungs-, Dokumentations- und Publikationsarbeit dienen. Am 13.11.1981 kam es zur Gründungsversammlung in München. Die Satzung wurde am 15.01.1982 unter St.Nr.842/5534 seitens des Amtsgerichtes München bestätigt und offiziell unter Donauschwäbische Kulturstiftung – Stiftung des privaten Rechts –, München eingetragen. Hans Sonnleitner wurde am 6.6.1931 in Karlsdorf, Banat, geboren. Beim Einzug der Partisanen 1944 Erschießung seines Vaters, Lagerinternierung, Flucht mit der Mutter 1947, sesshaft in München, kaufmännische Lehre, 1958 –1962 wirtschaftswissenschaftliches Studium an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie München mit Abschluss zum Betriebswirt, Abteilungsleiter bei Siemens, seit 1975 Prokurist, ab 1984 Abteilungsdirektor. Veröffentlichungen: Aktion Intelligenzija in Karlsdorf, München 1987; Donauschwäbische Todesnot unter dem Tito-Stern, München 1990 und eine Reihe weiterer Schriften, insgesamt sieben Bücher. In den Vorstand wurden Dr. Georg Wildmann und Dr. Ingomar Senz gewählt. Ernst Jäger trat zum 13.10.2003 anstelle von Ingomar Senz in den Vorstand ein. Aus Altersgründen wurde der bisherige Vorstand am 1.1.2010 abgelöst. Vorstandsvorsitzender wurde Werner Harasym, ab 1.1.2012 Übergabe des Vorsitzes an Wilhelmine Schnichels, Michael Heimann und Martin Schmidt. Siehe unter http://kulturstiftung.donauschwaben.net. Der Autor dieses Artikels stieß im Jahre 1980 in diesen Kreis, nachdem er von Josef V. Senz, seinem Volksschullehrer, bei der 50-Jahr-Feier seines Volksschuljahrganges im Jahre 1979 angeworben worden war. Die Mitarbeiter aus der jungen Generation besaßen keine oder nur geringe Kenntnisse des Serbischen bzw. Kroatischen und waren daher auf die Übersetzer aus der Vätergeneration angewiesen, wie etwa auf Oskar Feldtänzer (1922 – 2009). Aus der Reihe Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, die das damalige Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte herausgab. 1931– 2014, als Universitätsprofessor in Bielefeld 1996 emeritiert. Wüscht verfasste zwei Bücher und einige wichtige kleinere Schriften. Nur sein Buch Jugoslawien und das Dritte Reich. Eine dokumentierte Geschichte der deutsch-jugoslawischen Beziehungen, erschien 1969 im Seewald Verlag, Stuttgart. Die übrigen Schriften erschienen im Selbstverlag. Das Buch Beitrag zur Geschichte der Deutschen in Jugoslawien für den Zeitraum 1934 bis 1944 (1966) setzte sich mit der Bonner Dokumentation auseinander. Die kleineren Schriften Die magyarische Okkupation der Batschka 1941–1944 (1975) und Die Ereignisse in Syrmien 1941–1944 (1975) bildeten eine dokumentarische Stellungnahme zur jugoslawischen Darstellung in Pokrajinska komisija za utvrđivanje zločina okupatora i njihovih pomagača (Hg.): Zločini okupatora i njihovih pomagača u Vojvodini 1941–1944 [Gebietskommission für die Feststellung der Verbrechen des Okkupators und seiner Helfer (Hg.): Verbrechen der Okkupatoren und ihrer Helfer in der Vojvodina 1941–1944, Novi Sad 1946]. Sie umfasste ohne den statistischen Überblick und den Gesetzesanhang 118 eng bedruckte Seiten. Wüscht, Beitrag zur Geschichte der Deutschen, S. 36. Das ursprüngliche „völkische“ Programm der auf die Nachfolgestaaten Ungarn, Rumänien und Jugoslawien aufgeteilten Donauschwaben besaß einheitliche Züge. Es zielte auf die Bewahrung des angestammten und ererbten Volkstums und wehrte sich in der Zwischenkriegszeit vehement gegen eine „ethnische Implantation“ in die neuen „Staatsnationen“. Es umfasste Anerkennung des Grundsatzes der Volksgemeinschaft und der Volksgruppe als Rechtsperson; die Lösung der Schulfrage im Sinne des muttersprachlichen Unterrichts; Religionsunterricht, Kirchengesang und Predigt in deutscher Sprache; Errichtung einer deutschsprachigen Lehrerbildungsanstalt und eines deutschsprachigen Priesterseminars; die beliebige Gründung von Presseorganen, Vereinen und Verbänden; Gebrauch der Muttersprache im behördlichen Umgang und Einbezug von Volksgruppenangehörigen in den öffentlichen Dienst ohne identitätsgefährdende Repressionen. Vgl. Georg Wildmann (Hg.), Donauschwäbische Geschichte, Bd. 3: Die Tragödie der Selbstbehauptung im Wirkfeld des Nationalismus der Nachfolgestaaten 1918 –1944, München 2010, besonders S. 751–763. Vgl. Wüscht, Beitrag zur Geschichte der Deutschen, S. 25 – 27. Es sind dies in der Hauptsache Dr. Adam Krämer, Christian Ludwig Brücker, Friedrich Binder, Josef Beer, Jakob Wolf, Ludwig Schumacher und Leopold Egger; mit Ausnahme Dr. Krämers durchwegs vormalige Vertreter der „Erneuerungsbewegung“. Johann Adam Stupp, Das Südostdeutsche Kulturwerk und die Südostdeutschen Vierteljahresblätter. Rückschau und Bilanz, in: Spiegelungen. Zeitschrift für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas 7(61) (2012), S. 52. Bzw. des Volksbunds der Deutschen in Ungarn. Im Jahre 1951 war die Donauschwäbische Rundschau gegründet worden, die 1958 den Titel Der Donauschwabe. Heimatblatt der donauschwäbischen Heimatvertriebenen aus Jugoslawien, Ungarn und Rumänien erhielt. Die Zeitung erschien im Donauschwäbischen Heimatverlag Aalen/Württemberg, alleiniger Eigentümer des Verlages war Dr. Konrad Theiss, der selbst nicht donauschwäbischer Herkunft war. Die längste Zeit war Franz Schuttack ihr Chefredakteur. Hans Sonnleitner war von 1982 bis 2009 durchgängig Vorsitzender und Geschäftsführer der Donauschwäbischen Kulturstiftung und besorgte mit bewundernswerter Ausdauer die Finanzie- 135 136 GEORG WILDMANN 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 rung und die Drucklegung der Schriften sowie deren Verbreitung, obwohl er bis 1996 bei der Siemens AG als Prokurist und Abteilungsdirektor tätig war. Josef Beer (6.3.1912 – 20.2.2000) stammte aus Weißkirchen im Banat, hatte an deutschen Universitäten und in Belgrad für das Lehramt studiert, war von 1939 bis 1941 Generalsekretär des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes und von 1941 bis 1945 Stabsleiter des Volksgruppenführers Sepp Janko im Banat in der Zeit der Teilautonomie der Banater Schwaben im okkupierten Serbien. Man kann ihn als gemäßigten Erneuerer in führender Position einstufen. Nach der Flucht wurde er schließlich von 1953 bis 1977 Referent für Lastenausgleichsfragen im Lastenausgleichsamt Baden-Württemberg. Josip Mirnić, Nemci u Bačkoj u drugom svetskom ratu [Die Deutschen in der Batschka im Zweiten Weltkrieg], Novi Sad 1974. Im selben Jahr wurde in Tübingen das Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde eröffnet. Georg Wildmann, geboren 1929 in Filipowa, Deutsches Gymnasium in Neuwerbass, ab Herbst 1944 Zwangsarbeiter und Lagerinternierter, Flucht 1946 über Ungarn nach Österreich, Abschluss der Höheren Schule, Studium der Philosophie und Theologie in Linz und Rom, Lic. phil. 1953, Dr. theol. 1959, Lehrer an Höheren Schulen und Professor an der Philosophisch-theologischen Hochschule der Diözese Linz, seit 1966 Schriftleiter der Filipowaer Heimatbriefe, Mitarbeiter der Kulturstiftung seit 1980. Oskar Feldtänzer (unter Mitarbeit von Georg Wildmann), Donauschwäbische Geschichte, Bd. 1: Das Jahrhundert der Ansiedlung 1689 –1805, München 2006, 548 Seiten; Ingomar Senz (unter Mitarbeit von Rudolf Fath und Friedrich Gottas), Donauschwäbische Geschichte, Bd. 2: Wirtschaftliche Autarkie und politische Entfremdung 1806 –1918, München 1997, 462 Seiten; Georg Wildmann (unter Mitarbeit von Oskar Feldtänzer (†), Kaspar Hügel (†), Hans Müller (†) und Friedrich SpiegelSchmidt), Donauschwäbische Geschichte, Bd. 3: Die Tragödie der Selbstbehauptung im Wirkfeld des Nationalismus der Nachfolgestaaten 1918–1944, München 2010, 807 Seiten; Georg Wildmann (unter Mitarbeit von Stefan Barth, Hans Fink, Georg Krix, Rosa Speidel, Wilhelm Weber und Maria Werthan): Donauschwäbische Geschichte, Bd. 4: Flucht – Vertreibung – Verfolgung. Der genozidale Leidensweg ab 1944/45, München 2014. Georg Wildmann/Ingomar Senz (Unter Mitarbeit von Oskar Feldtänzer, Vladimir Geiger, Martin Reinsprecht und Hans Sonnleitner): Donauschwäbische Geschichte, Bd. 5: Eingliederung in die neuen Heimatländer ab 1944/45. München 2016. Hans Sonnleitner im Originalton. Josef Beer, Landesbeamter des Lastenausgleichsamtes in Stuttgart, bereiste donauschwäbische Zentren in Übersee, übernahm Lastenausgleichsanträge, bearbeitete sie oder ließ sie in Stuttgart bearbeiten. Die Antragsteller leisteten jeweils Beiträge, die zur Errichtung der Felix-MillekerStiftung für gemeinnützige donauschwäbische kulturelle Zwecke führten. Sie umfassen in der Schieder-Dokumentation 634 Druckseiten. Es war zu Beginn noch nicht absehbar, dass die minutiöse Arbeit Karl Webers einen vierten Band ergeben würde, der die genauen Orts- und die korrekt zu schätzenden Gesamtverluste 1994 erbringen würde. Sie werden bis heute in einschlägigen Publikationen gerne nachgedruckt. Karl Weber, geboren 1933 in Bulkes in der Batschka, von 1945 bis 1947 in verschiedenen Arbeitslagern, 1947 Flucht über Ungarn und Österreich nach Deutschland. Maschinen-Ingenieur beim Chemie-Konzern BASF. Ab 1991 Mitarbeiter im Arbeitskreis Dokumentation zur Erstellung des Leidenswegs, Schwerpunkt: Erfassung der Menschenverluste und Bevölkerungszahlen. Seit 1992 Beiratsmitglied der Donauschwäbischen Kulturstiftung. Besorgte die Redaktion der Jubiläumsausgabe zum 50-jährigen Bestehen der Donaudeutschen Landsmannschaft in Rheinland-Pfalz 1951–2001, Speyer 2003, Titel: 300 Jahre Donauschwaben. In rund 1.000 Orten der Vojvodina und Slawoniens lebten jeweils mehr als zehn, in über 400 Orten mehr als 100 Donauschwaben. Technisch ging das nur, weil Karl Weber seinen Sohn Dieter bewegen konnte, die ungemein große und Genauigkeit erfordernde Schreibarbeit am Computer zu leisten. www.totenbuch-donauschwaben.at. Rechnet man die weiteren Mordaktionen, einschließlich jener in Slowenien hinzu, so kommt man auf 9.500 Ziviltote, was die Bezeichnung „Blutiger Herbst“ wohl rechtfertigt. Das Donauschwäbische Zentralmuseum in Ulm wurde am 8.7.2000 eröffnet. Vgl. Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes vom 9.12.1948, deutsche Übersetzung in: Simma, Bruno (Hg.), Menschenrechte. Ihr internationaler Schutz: Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen, Europäische Menschenrechtskonvention, Europäische Sozialcharta […], München 1998 (4. Auflage), S. 102 –104. Die Donauschwäbische Kulturstiftung hat das Donauschwäbische Archiv, München in drei Reihen ausgebaut. Allein die Reihe 3 Beiträge zur donauschwäbischen Heimat und Volksforschung hat es auf 159 Bände gebracht. Das Archiv dient der Übersicht über die Veröffentlichungen im donauschwäbischen Bereich und bildet eine verlegerische Einrichtung. In allen im Verlag der Kulturstiftung veröffentlichten Bänden wird der Archivbestand als Anhang aufgenommen. ‚FLUCHT UND VERTREIBUNG‘ AUS JUGOSLAWIEN IN VERGLEICHENDER PERSPEKTIVE 137 Mathias Beer ‚Flucht und Vertreibung‘ aus Jugoslawien in vergleichender Perspektive: zehn Thesen ‚Flucht und Vertreibung‘ Das Begriffspaar ‚Flucht und Vertreibung’ hat in der deutschen Sprache eine spezifische semantische Zuordnung erfahren, die regional, zeitlich und ethnisch bestimmt ist, und dessen Inhalt weit über die konkrete Bedeutung der beiden Begriffe hinausgeht. Es hat sich zu einer Chiffre entwickelt, die mehrere eng miteinander verbundene Bedeutungsfelder umfasst.1 ‚Flucht und Vertreibung‘ steht für die gewaltsame, Hunderttausende von Todesopfern fordernde Verschiebung von rund 12,5 Millionen Deutschen. Sie steht für einen Vorgang mit einer weit über den Zweiten Weltkrieg hinausreichenden zeitlichen Dimension. Der historische Kontext dieser gewaltigen Bevölkerungsverschiebung umfasst die gesamte erste Hälfte der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Seine Wurzeln reichen noch tiefer, bis weit ins „lange 19. Jahrhundert“ zurück. Die Kennworte ‚Flucht und Vertreibung’ stehen zudem für einen regional differenzierten Prozess mit globalen Ausmaßen und Auswirkungen, der ein breites Spektrum an Erscheinungsformen zusammenfasst – Evakuierung, Internierung, Deportation, Umsiedlung, Flucht, Ausweisung, Vertreibung. Mit der Chiffre ‚Flucht und Vertreibung’ sind zudem die Folgen dieser Zwangsmigration für die Herkunftsländer der Vertriebenen in Ostmitteleuropa und die Ansiedlungsländer, hier insbesondere die Bundesrepublik, die DDR und Österreich benannt. Nicht zu vergessen sind die Biographien von Millionen von Menschen, die von den Ereignissen nachhaltig über Generationen geprägt und nicht selten traumatisiert wurden. Auch für sie steht das Begriffspaar ‚Flucht und Vertreibung’. ‚Flucht und Vertreibung’ ist schließlich die Chiffre für gesellschaftlich breit angelegte, intensive, innen- wie außenpolitisch kontroverse Debatten seit den 1940er Jahren, die sich bis in die Gegenwart fortsetzen. Von all diesen Bedeutungsfeldern steht im vorliegenden Beitrag lediglich die eigentliche Zwangsmigration, das heißt Internierung, Umsiedlung, Flucht, und Vertreibung, im Mittelpunkt und dabei im Wesentlichen die Ereignisse vom Beginn des Zweiten Weltkriegs bis zum Beginn der 1950er Jahre. Im Rahmen dieses Bedeutungsfeldes und des gewählten Zeitfensters liegt der Fokus auf Südosteuropa und hier wiederum auf Jugoslawien. Nationalstaatliche Besonderheiten von ‚Flucht und Vertreibung‘: der notwendige Vergleich Am Aufschwung, den die Erforschung der europäischen Zwangsmigrationen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erfahren hat, partizipierte Südosteuropa vergleichsweise wenig.2 Auch in den seit über einem Jahrzehnt andauernden Auseinandersetzungen über den Ort von ‚Flucht und Vertreibung‘ im deutschen und europäischen kulturellen Gedächtnis spielen die Ereignisse in Südosteuropa insgesamt betrachtet nur eine untergeordnete Rolle.3 Die Folge: eine ganze Region bleibt im Gesamtprozess, für den ‚Flucht und Vertreibung‘ steht, unterbelichtet und marginalisiert. Damit werden wichtige regionale, nationalstaatlich geprägte Aspekte aus dem Gesamtprozess der deutschen Zwangsmigration ausgeklammert. Denn die Voraussetzungen, Genese, Art und Umstände sowie das Ergebnis der Zwangsmigration der deutschen Minderheiten aus Südosteuropa unterscheiden sich bei allen Gemeinsamkeiten deutlich von jenen aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches, aus Polen, der Sowjetunion und der Tschechoslowakei. Darüber hinaus weisen die Zwangsmigrationen in jedem der hier 138 MATHIAS BEER ‚FLUCHT UND VERTREIBUNG‘ AUS JUGOSLAWIEN IN VERGLEICHENDER PERSPEKTIVE 139 Deportation, Zeichnung von Sebastian Leicht, undatiert. Flüchtlingstreck aus Sarwasch in Österreich, 1944. Thesen zu ‚Flucht und Vertreibung‘ aus Jugoslawien Die vergleichende Betrachtung der Zwangsmigration der Deutschen aus Südosteuropa am Ende des Zweiten Weltkriegs im vorliegenden Beitrag stützt sich auf die neueren Forschungsergebnisse. Dabei steht nicht das detaillierte Nachzeichnen der Umsiedlung, Deportation, Ausweisung und Vertreibung der deutschen Minderheiten aus Jugoslawien im Mittelpunkt, sondern die großen Entwicklungslinien in Jugoslawien werden jenen in Ungarn und Rumänien gegenübergestellt, um auf dieser Grundlage Spezifika des „jugoslawischen Falls“ herauszuarbeiten. Der Vergleich erfolgt in Form von zehn Thesen. Vier davon beziehen sich auf Phänomene, die für die Entwicklungen in allen drei Ländern Südosteuropas, ja für die Herkunftsländer der deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen insgesamt, charakteristisch sind. Vor diesem Hintergrund haben die folgenden sechs Thesen die Besonderheiten des „jugoslawischen Falls“ im Blick. Das abschließende Fazit ist ein Versuch, für den „Sonderfall“ Jugoslawien, den die vergleichende Betrachtung von ‚Flucht und Vertreibung‘ aus Südosteuropa deutlich macht, plausible Erklärungen anzubieten und, damit verbunden, weitere komparatistische Studien anzuregen. Flüchtlinge aus dem rumänischen Tschene bei einem Zwischenstopp in Krummau, Tschechien, 9. November 1944. in den Vergleich einbezogenen Länder – Jugoslawien, Rumänien, Ungarn – und auch innerhalb dieser Staaten wiederum Besonderheiten, wechselseitige sowie sich gegenseitig bedingende Entwicklungen und ein breites Spektrum an Erscheinungsformen auf. Marginalisierung, Fragmentierung und Segmentierung – die wesentlichen Merkmale der Forschung zu ‚Flucht und Vertreibung‘ aus Südosteuropa – lassen sich zumindest ein stückweit durch einen vergleichenden Ansatz überwinden. Mit dem und durch den Vergleich werden die spezifischen Entwicklungen in den drei Ländern der Region und damit auch die Gemeinsamkeiten und die Besonderheiten deutlich, die die Zwangsmigrationen der deutschen Bevölkerung aus Jugoslawien verglichen mit Rumänien und Ungarn aufweisen.4 Migrationen und Massaker während und am Ende des Zweiten Weltkriegs gingen zwar auch in Südosteuropa Hand in Hand, aber der Umgang mit Minderheiten bei Kriegsende war nicht zwangsläufig auf diese beiden Alternativen beschränkt. Der Vergleich, für den sich diese drei Länder Südosteuropas mit großen deutschen Minderheiten und ohne Grenzen zu Deutschland geradezu anbieten, lässt zudem noch deutlicher die nach wie vor offenen Fragen bei der Beschäftigung mit der Internierung, Ausweisung und Flucht der deutschen Minderheiten aus Jugoslawien erkennen. 1. Das Ziel des ethnisch reinen Nationalstaats war ein Leitgedanke der Politik auch aller Staaten Südosteuropas. Jeder Mensch ist Glied einer Nation, und jede Nation soll einen Staat bilden, den Nationalstaat. Diese im 18. Jahrhundert entstandene Vorstellung war Ausdruck der schöpferischen Kraft des Nationalismus. Sie entwickelte sich seither zur stärksten politischen Gestaltungskraft in Europa überhaupt und wurde zum Leitbild gesellschaftlichen und politischen Handelns. Nur Staaten überlebten oder entstanden seit dem frühen 19. Jahrhundert, die bei der eigenen Bevölkerung, bei den Nachbarstaaten und in der internationalen Staatenordnung als Nationalstaaten Anerkennung fanden.5 Die Selbstfindung und Selbstdefinition der Nationalstaaten durch Abgrenzung ist nicht allein nach außen gerichtet. Zum Janusgesicht der Nation gehört auch die nach innen gerichtete Ausgrenzung jener, die aus der Sicht des den Nationalstaat tragenden Staatsvolks als nicht dazugehörig, als fremd gelten. Die angestrebte Einheit des Staatsvolkes hatte mit der zunehmenden Ethnisierung der Nation und insbesondere als Ergebnis des Ersten Weltkriegs ein breites Spektrum an Homogenisierungsmaßnahmen zur Folge. Es reichte auch in Südosteuropa von der gezielten sprachlichen und kulturellen Angleichungspolitik, mit dem Ziel des Aufgehens der Minderheiten in der Titularnation innerhalb einzelner Staaten, bis hin zum Anpassen der Grenzen an das Ethnikum bzw. des Ethnikums an die Grenzen. Abgren- 140 MATHIAS BEER zung, Ausgrenzung, Assimilierung, Umsiedlung, Vertreibung bis hin zur Vernichtung der einmal hinausdefinierten religiösen, sprachlichen, ethnischen und nationalen Minderheiten waren das Ergebnis.6 Auf den Letztwert des ethnisch reinen Nationalstaats haben sich auch die Vertreter der unterschiedlichen politischen Lager in den drei Ländern Südosteuropas berufen, wenn sie über Lösungen der Minderheitenfrage nachdachten, sprachen oder solche planten. 2. Der Krieg im Allgemeinen und die nationalsozialistische Eroberungs-, Besatzungs- und Vernichtungspolitik Deutschlands im Besonderen waren die Voraussetzung für die Umsetzung von Ausweisungsplänen. Zweifellos waren Umsiedlungs- und Ausweisungspläne seit dem 19. Jahrhundert, im Vorfeld und während des Ersten Weltkriegs sowie auch in der Zwischenkriegszeit nicht nur Thema wissenschaftlicher Arbeiten, der öffentlichen Diskussion und politischer Gedankenspiele, sondern sie wurden auch in Europa und insbesondere auf dem Balkan punktuell umgesetzt.7 Es bedurfte aber des Zweiten Weltkrieges, um derartige Überlegungen zu Plänen, Pläne zu Handlungsanweisungen und schließlich Handlungsanweisungen in einem bis dahin nicht gekannten Ausmaß zu Taten werden zu lassen: Umsiedlung, Flucht und Vertreibung bis hin zum gezielten Morden. In der „Ausnahmesituation“ des Krieges kamen die dem Nationalstaat innewohnenden Abgrenzungsbestrebungen nach außen und innen umso deutlicher zum Tragen. Sie bedurften jetzt keiner besonderen Rechtfertigung mehr. Die für jeden sichtbare und erfahrbare Bedrohung der eigenen Nation lieferte in allen drei Staaten Südosteuropas, die letztendlich alle autoritär regiert wurden, die Begründung, sich der „Feinde“ der Nation zu entledigen, ob sie zunächst, wie Ungarn und Rumänien, Verbündete des Deutschen Reiches oder, wie im Falle Jugoslawiens, Opfer der nationalsozialistischen Aggressionspolitik waren. Erst die vom nationalsozialistischen Deutschen Reich angestrebte und durchgeführte Eroberungs-, Besatzungs-, Umsiedlungs- und Vernichtungspolitik schuf in Europa und auch in Südosteuropa die Voraussetzungen für die „ethnische Flurbereinigung“ des Kontinents. Der erste und zweite Wiener Schiedsspruch hatten ebenso Bevölkerungsverschiebungen zur Folge wie der Zerschlagung und Neuordnung Jugoslawiens durch Hitler und Mussolini Umsiedlungen und Vertreibungen folgten. Diese fanden ihren Ausdruck in massenhaft betriebenen Ausweisungen, Vertreibungen und im Töten von Serben, Kroaten, Slowenen, Magyaren, Bulgaren, Roma und Juden.8 Mit fortschreitendem Kriegsverlauf wurden auch die auf Drängen des nationalsozialistischen Deutschlands privilegierten deutschen Minderheiten9 – Deutsche Volksgruppe in Rumänien,10 Volksbund der Deutschen in Ungarn,11 Volksgruppe der deutschen im Unabhängigen Staat Kroatien,12 Deutsche Volksgruppe im Banat und Serbien13 – in den drei Staaten Gegenstand solcher Pläne. Seit 1941 lassen sich zwar unterschiedliche, aber in allen drei Staaten fassbare Überlegungen nachweisen, sich der jeweiligen deutschen Minderheiten zu entledigen. Sie wurden mit zunehmender Dauer des Krieges, der in Jugoslawien besonders brutal geführt wurde,14 immer konkreter. 3. ‚Flucht und Vertreibung’ setzten auch in Südosteuropa bereits während des Krieges ein und standen in unmittelbarem Zusammenhang mit anderen Zwangsmigrationen in der Region. Nicht nur die Genese der Umsiedlungs- und Ausweisungspläne, auch die erste Phase von ‚Flucht und Vertreibung’ der deutschen Bevölkerung in den drei südosteuropäischen Staaten fand bereits während des Krieges statt und war nur ein vergleichsweise geringer Teil des ethnischen Umpflügens in dieser Region Europas. Die in Südosteuropa einsetzenden Aus-, Umsiedlungen und Fluchtbewegungen wurden durch die vom nationalsozialistischen Deutschland initiierten und mit der Sowjetunion abgesprochenen Umsiedlungen deutscher Minderheiten ins Deutsche Reich abgerundet. Zu den, wie Hitler es in seiner Reichstagsrede am 6. Oktober 1939 formulierte, „nicht haltbaren Splittern deutschen Volkstums“,15 die zur Besiedlung des ‚FLUCHT UND VERTREIBUNG‘ AUS JUGOSLAWIEN IN VERGLEICHENDER PERSPEKTIVE eroberten, von Polen und Juden gesäuberten „Lebensraums im Osten“ benutzt wurden, gehörten auch die deutschen Minderheiten aus der Bukowina, aus Bessarabien und der Dobrudscha.16 Die Ankündigung Hitlers führte bei weiteren deutschen Minderheiten der Region zu der nicht unberechtigten Befürchtung, auch sie könnten in die Umsiedlungspläne einbezogen werden. Letztendlich wurden dann die Deutschen aus der Gottschee17, aus Bosnien und aus Serbien, dann auch jene aus Ostslawonien umgesiedelt und schließlich die Angehörigen der deutschen Minderheit aus dem Unabhängigen Staat Kroatien im Herbst des Jahres 1944 vollständig „Heim ins Reich“ geholt. Von Umsiedlung und Ausweisung waren andere Bevölkerungsgruppen in noch viel größerem Umfang betroffen.18 Aus den von Deutschland annektierten Gebieten Sloweniens wurde ein Teil der Bevölkerung schon 1941 nach Restserbien und in den Unabhängigen Staat Kroatien ausgesiedelt. Ein anderer Teil wurde für „eindeutschungsfähig“ befunden und für die Ansiedlung in den eroberten Ostgebieten vorgesehen. Aus dem von Italien besetzten Teil Sloweniens wurden mehrere Tausend Slowenen nach Italien verschleppt. Ungarn aus Bosnien wurden in die jetzt von Ungarn besetzte Batschka verbracht. Einige Tausend Ungarn verließen Belgrad in Richtung Mutterland. Ungarn schob seinerseits in großem Umfang Serben nach Rumpfserbien ab. Von Gewaltorgien begleitet wurden aus dem kroatischen Ustascha-Staat Zehntausende von Serben vertrieben. Umgekehrt verließen viele Kroaten Serbien mit dem Ziel Unabhängiger Staat Kroatien, wohin auch Bulgarien Zigtausende Kroaten aus der von ihm besetzten Zone vertrieb. Die auf dem ehemaligen jugoslawischen Territorium verbliebene jüdische Bevölkerung wurde, wie jene aus dem Belgrader Gebiet, von deutschen Kommandos vor Ort in Gaswagen oder 1942 und 1943 in deutschen Vernichtungslagern im Generalgouvernement ermordet.19 4. Wirtschaftliche Maßnahmen gegen die deutschen Minderheiten wurden frühzeitig in allen drei Ländern eingeleitet und standen am Anfang weiterreichender Maßnahmen. Die ersten Maßnahmen gegen die deutsche Bevölkerung auf zentraler Ebene hatten in allen drei hier in den Blick genommenen Staaten Südosteuropas zunächst eine dezidiert wirtschaftliche Zielrichtung. Mit dem Beschluss des AVNOJ-Präsidiums vom 21. November 1944 wurde der Übergang von Feindvermögen in Staatseigentum dekretiert.20 Das bezog sich auf sämtliches Vermögen des Deutschen Reiches und seiner Staatsbürger, aber auch auf „sämtliches Vermögen von Personen deutscher Volkszugehörigkeit“, mit Ausnahme jener, die auf Seiten der Nationalen Befreiungsarmee und der Partisaneneinheiten gekämpft hatten. In Ungarn bildete die am 17. März 1945 verkündete Verordnung der provisorischen Nationalregierung Über die Liquidierung des Großgrundbesitzes und die Zuteilung von Land an die landwirtschaftliche Bevölkerung den Startschuss der Maßnahmen gegen die deutsche Minderheit. Im Zuge der Durchführung der Verordnung wurde diese Zielrichtung trotz gegenteiliger Beteuerungen der ungarischen Regierung und Parteien offensichtlich.21 In der Forschung wird diese Verordnung daher auch zu Recht als die erste Station eines Gesetzgebungsprozesses gesehen, der letztendlich auf die Ausweisung der Schwaben aus Ungarn abzielte. Das erste im September 1944 von der Nationaldemokratischen Front in Rumänien veröffentlichte Programm sah eine umfassende Enteignung und Verstaatlichung vor. Die Grundlage für die angestrebte Bodenreform lieferte das Dekret-Gesetz Nr. 187 vom 23. März 1945 über die Verwirklichung der Agrarreform. Diese wurde als eine für das Land „nationale, wirtschaftliche und soziale Notwendigkeit“ bezeichnet und zielte auf die landwirtschaftlichen Besitztümer deutscher Staatsangehöriger und rumänischer Staatsangehöriger deutscher Nationalität, „die mit Hitler-Deutschland zusammengearbeitet haben.“22 Ergänzt wurde es durch das Durchführungsreglement vom 4. und 11. April 1945. Mit ihm wurde klargestellt, dass sich das Gesetz auf alle rumänischen Staatsbürger deutscher Volkszugehörigkeit bezog, die Mitglieder der Deutschen Volksgruppe waren. Das hieß im Klartext, dass unabhängig vom Besitz alle deutschen Bauern enteignet wurden. 141 142 MATHIAS BEER ‚FLUCHT UND VERTREIBUNG‘ AUS JUGOSLAWIEN IN VERGLEICHENDER PERSPEKTIVE Die wirtschaftlich-soziale Revolution ging, so sind die vergleichbaren Maßnahmen zu deuten, der ethnischen Säuberungsrevolution in den drei Staaten voraus. Sie richtete sich nicht allein gegen die deutschen Minderheiten, betraf diese aber in vollem Umfang und bildete in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht nur den Auftakt für die ethnischen Säuberungen, sondern war ein Faktor, der wesentlich zur Entscheidung beitrug, diese durchzuführen. Vor dem Hintergrund der skizzierten Gemeinsamkeiten in den drei Ländern Südosteuropas, die die Voraussetzungen für ‚Flucht und Vertreibung‘ betreffen, heben sich die jeweiligen nationalstaatlichen Besonderheiten umso deutlicher ab. Der Vergleich offenbart, dass Jugoslawien im südosteuropäischen Kontext und auch im Gesamtprozess von ‚Flucht und Vertreibung‘ eine Sonderstellung einnimmt. 5. Die Maßnahmen gegen die deutschen Minderheiten setzten in Jugoslawien am frühesten ein und waren stark regional geprägt. Der Frontwechsel Rumäniens am 23. August 1944 und die sich damit schnell ändernde militärische Lage in Südosteuropa wirkten sich in erheblichem Maß auf die Umsiedlungen und Evakuierungsmaßnahmen aus, die von Reichstellen, hier von der Volksdeutschen Mittelstelle (VoMi), und den deutschen Volksgruppen in den einzelnen Ländern durchgeführt wurden. Bezogen auf den Unabhängigen Staat Kroatien hatten sie zur Folge, dass im Oktober 1944 die überwiegende Mehrheit der Deutschen aus Syrmien und Slawonien ins Deutsche Reich umgesiedelt wurde. Anders sah es in der Batschka und im Banat aus, wo die Evakuierungen in Fluchtbewegungen übergingen und ein erheblicher Teil der deutschen Bevölkerung vor Ort blieb.23 Am Tag der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands befanden sich wohl noch rund 200.000 Angehörige der deutschen Minderheiten in Jugoslawien. Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten der deutschen Siedlungsgebiete bereits mehr als ein halbes Jahr in der Hand der neuen kommunistischen Machthaber. Das heißt, die gegen die deutsche Bevölkerung gerichteten Maßnahmen setzten, anders als in Rumänien und Ungarn, erhebliche Zeit vor Kriegsende ein und knüpften unmittelbar an die nationalsozialistischen Umsiedlungen und Evakuierungen an. Hinzu kommt der unterschiedliche Umgang mit der deutschen Bevölkerung in den einzelnen Regionen Jugoslawiens. Vertreibungen begleitet von Massakern gab es zunächst nur in Slowenien, von wo im Zuge der „nationalen Abrechnung“ bis Mitte 1946 der größte Teil der überlebenden Sloweniendeutschen vertrieben wurde oder zu Tode kam,24 und in Teilen von Slawonien. Dagegen war in der Batschka, in der Baranja, im Banat und in Syrmien zunächst ein System von Lagern die bestimmende Lebensform. In diesen wurde die deutsche Bevölkerung interniert, zur Arbeit gezwungen und dezimiert.25 Vertreibungsliste aus Tschowanka, Ungarn, 1946. Die obere Spalte führt zwei Deutsche auf, die von der Vertreibung ausgenommen sind, darunter sind 42 Namen von „Auszusiedelnden“ aufgeführt. 6. Für die Zwangsmigration der Deutschen aus Jugoslawien liegt kein formaler Ausweisungsbeschluss vor. Folgt man den in den letzten Jahren vorgelegten Studien, so wurde über eine mögliche Ausweisung der deutschen Bevölkerung schon seit 1941 im Rahmen der Tschetnik-Bewegung diskutiert.26 Auch für Slowenien lassen sich entsprechende Pläne nachweisen. Man wird daher davon ausgehen dürfen, dass bei Kriegsende an der Notwenigkeit, die deutsche Bevölkerung aus dem Land zu entfernen, keine Zweifel bestanden. Am 11. Juni 1945 erklärte die Regierung des Demokratischen Föderativen Jugoslawiens, sie stehe auf dem Standpunkt, „dass alle Deutschen innerhalb der Grenzen Jugoslawiens ausgesiedelt und nach Deutschland geschickt werden sollen, sobald die technischen Möglichkeiten dafür geschaffen sind.“27 Dabei handelte es sich aber offenbar nicht um konkrete, ausgearbeitete Pläne so wie sie in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn für die Ausweisung der deutschen Bevölkerung entwickelt wurden. Dafür spricht auch, dass sich, bisher jedenfalls, bei der Exilregierung in London keine entsprechenden Pläne nachweisen lassen. Zudem können die insgesamt betrachtet widersprüchlichen Verordnungen, der schwankende und sich regional deutlich unterscheidende Umgang mit den deutschen Minderheiten als 143 144 MATHIAS BEER weiteres Indiz gegen einen einheitlichen Plan bzw. Befehl des Politbüros oder des Oberkommandos der Armee gedeutet werden. Die Grundlage für die wirtschaftliche, soziale und rechtliche Deklassierung der deutschen Minderheiten bildete der Beschluss des AVNOJ-Präsidiums vom 21. November 1944.28 Dieser enthält keine Bestimmungen zum Umgang mit der im Land verbliebenen deutschen Bevölkerung. Einen formalen Ausweisungsbeschluss, so wie er für Ungarn mit der Verordnung vom 22. Dezember 1945 vorliegt, hat es offenbar für Jugoslawien nicht gegeben. Auch sind bisher von jugoslawischer Seite, anders als von Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn, keine Vorstöße im Vorfeld der Potsdamer Konferenz mit dem Ziel bekannt geworden, Jugoslawien in den Artikel XIII aufzunehmen, der die „Ordnungsgemäße Überführung deutscher Bevölkerungsteile“ festschreiben sollte. Aber auch ohne eine entsprechende rechtliche Absicherung hat die Summe der gegen die deutschen Minderheiten ergriffenen, regional und lokal unterschiedlichen Maßnahmen – Exekutionen, Internierung, Zwangsarbeit, Deportation, Ausweisung, Abschiebung – letztendlich ihr endgültiges „Verschwinden“29 aus Jugoslawien eingeleitet. Spätestens als sich, wie es in einem Schreiben des jugoslawischen Außenministeriums an das Regierungspräsidium vom 20. September 1947 heißt, zeigte, dass die Frage der Aussiedlung der deutschen Minderheiten „in absehbarer Zeit nicht auf legale Weise wird gelöst werden“ können,30 wurde sie außerhalb des rechtlichen Rahmens endgültig und dauerhaft beantwortet. 7. Als einziger Staat berief sich Jugoslawien nachträglich auf das Potsdamer Abkommen, um eine Zustimmung zur Ausweisung seiner deutschen Minderheiten zu erhalten. Anders als Ungarn, das aus eigener Initiative mit dem Wunsch an die Alliierten herantrat, seine deutsche Bevölkerung auszuweisen, sind nach dem derzeitigen Stand der Forschung für Jugoslawien bisher keine entsprechenden Vorstöße bekannt geworden. Hätte es solche Bemühungen gegeben, wäre Jugoslawien wohl mit einiger Sicherheit auch in Artikel XIII aufgenommen worden. Für diese Annahme spricht auch, dass alliierte und insbesondere britische Planspiele in ihrer extremsten Form von Massakern in großem Stil und, daran anschließend, von der Ausweisung aller überlebenden „Volksdeutschen“ aus Jugoslawien ausgingen.31 Weil sich Jugoslawien mit einem entsprechenden Anliegen vor der Potsdamer Konferenz nicht an die Alliierten gewandt hat, erscheint es, so wie Rumänien auch, nicht im Artikel XIII des Potsdamer Abkommens. Vor diesem Hintergrund muss die Reaktion Jugoslawiens auf den Protest des Alliierten Kontrollrats gegen die Ausweisung der „Volksdeutschen“ und anderer Gruppen aus diesem Land erstaunen. In der Antwort vom 11. Dezember 1945 bestritt die jugoslawische Regierung, solche Ausweisungen durchzuführen.32 Aber zugleich wurden die Alliierten um Zustimmung gebeten, die deutsche Bevölkerung Jugoslawiens gemäß den Potsdamer Beschlüssen aussiedeln zu dürfen. Begründet wurde dieses Anliegen mit dem Verweis auf den Umfang und die Qualität deutscher Verbrechen auf dem Territorium Jugoslawiens während des Krieges. Dieses Anliegen wurde von den Alliierten ebenso abgelehnt wie auch spätere vergleichbare Vorstöße, zuletzt im September 1947.33 Bemerkenswert daran ist, dass die Sowjetunion, die zur gleichen Zeit dem Anliegen Ungarns, rund 50.000 Ungarndeutsche in die Sowjetische Besatzungszone auszusiedeln zu dürfen, zustimmte,34 dagegen dem Wunsch Jugoslawiens nicht entsprach. 8. Das im Rahmen der Maßnahmen gegen die deutsche Bevölkerung entstandene Netz von Lagern ist in seiner Form in Südosteuropa nur für Jugoslawien charakteristisch. Nach der kommunistischen Machübernahme wurde das Territorium Jugoslawiens mit einem Netz von Lagern überzogen. Von Sammellagern, Zentralarbeitslagern, Ortslagern und Lagern für Arbeitsunfähige spricht eine der aufgestellten Klassifizierungen,35 ‚FLUCHT UND VERTREIBUNG‘ AUS JUGOSLAWIEN IN VERGLEICHENDER PERSPEKTIVE von Konzentrationslagern, Sammellagern, Arbeitslagern sowie Kranken- und Kinderlagern eine andere.36 Die Lager wurden zur Lebensform der überwiegenden Mehrheit der im Land verbliebenen Angehörigen der deutschen Minderheit. 87 solcher Lager oder „Ansiedlungen unter spezieller Verwaltung“ sind für das Territorium Jugoslawiens nachgewiesen, wobei deutliche regionale Unterschiede bestanden. 75 dieser Lager und damit 65 Prozent lagen in der Vojvodina. Anfang 1946 vegetierten über 117.000 Angehörige der deutschen Minderheit in diesen Lagern. Dabei war der Anteil der Frauen mit rund 50 Prozent am höchsten, gefolgt von 29 Prozent vor allem älteren Männern und 21 Prozent Kindern.37 Die Bedingungen in diesen Lagern waren bedeutend schlechter als in den sowjetischen Arbeitslagern, in die, wie aus Rumänien und Ungarn auch, über 12.000 Donauschwaben aus Jugoslawien deportiert worden waren.38 Einen erschütternden Einblick in diese Welt der Lager39 gibt neben anderen Egodokumenten ein Brief vom 9. November 1945. Den Brief schrieb die 15 Jahre alte Hedi Spannagel an ihre Mutter aus dem berüchtigten Lager Jarek, heute Bački Jarak in der Vojvodina, in das sie mit ihrer Großmutter eingeliefert worden war.40 Die Mutter saß damals im Zentralarbeitslager von Bačka Palanka ein. Während eines Zwischenaufenthalts im Lager in Altker, aus dem Hedi krank nach Jarek zurückkehrte, verstarb die Großmutter. Deren Kleider tauschte Hedi gegen Lebensmittel ein. Allein von der spärlichen und kraftlosen Lagerkost und unter den katastrophalen hygienischen Verhältnissen konnte sie nicht überleben. „Wir haben schon 480 Tote“, schreibt Hedi. Sie erwähnt den Tod zweier Verwandten ihres Alters. Anders als im Brief erhofft, erlag das neun Jahre alte Katrinchen schon bald dem Typhus. Die Beerdigung des 13 Jahre alten Hans Degen wird im Brief gemeldet. Mit ihm starb das letzte Mitglied dieser Familie. Der Vater fiel 1944 als deutscher Soldat in der Sowjetunion. Hans Degen wurde gemeinsam mit seiner jüngeren Schwester und dem Großvater ins Lager Jarek eingeliefert. Der Großvater starb am 20. Juni 1945, ein Monat später die Schwester. Die Mutter der Kinder wurde zu Weihnachten 1944 zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert, wo sie im September 1945 in den Kohlengruben an einer Anthrazitvergiftung starb. Familie Spannagel erfuhr ein anderes Schicksal. Aus Palanka ins Lager Gakowa überführt, gelang Frau Spannagel gemeinsam mit Verwandten die Flucht zu ihrem Ehemann nach Ungarn. Hier hatte er, aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, bei seinem Bruder Zuflucht gefunden. Als Aussiedler kam das Ehepaar in den 1960er Jahren in die Bundesrepublik. Das im Brief von der Tochter erhoffte baldige Wiedersehn gab es nicht. Hedi Spannagel hat die Welt der Lager nicht überlebt. Sie starb vor Vollendung des 16. Lebensjahres am 25. Januar 1946, drei Monate bevor das Lager aufgelöst wurde. Sie ist eines der mindestens 7.000 Opfer, die im Konzentrationslager Jarek den Tod fanden. 9. Die Todesraten im Rahmen von ‚Flucht und Vertreibung’ waren in Jugoslawien mit Abstand am höchsten. Die Frage der im Zuge von ‚Flucht und Vertreibung’ zu Tode gekommenen Personen ist auch bezogen auf Jugoslawien eine der umstrittensten.41 Sie zieht sich wie ein roter Faden vom fünften Band der Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus OstMitteleuropa von 1961, der Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien thematisiert, bis hin zum Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien42 von 1995. Die Dokumentation der Vertreibung bezifferte auf der Grundlage der damals verfügbaren Unterlagen sowie der angestellten Berechnungen die Zivilverluste auf 68.600 Tote und jene der Kombatanten auf 29.000, also insgesamt auf rund 98.000 Tote. Folgt man diesen Zahlen, kamen durch den Krieg und die Nachkriegsereignisse rund 19 Prozent der deutschen Bevölkerung Jugoslawiens ums Leben.43 Die Erhebungen durch die Landsmannschaft der Deutschen aus Jugoslawien lieferte eine empirisch abgesicherte Datenbasis, die in dieser Form für kein anderes Herkunftsland der Flüchtlinge und Vertriebenen vorliegt. Mit 63.500 bzw. 28.700 wurden die Zahlen der Dokumentation 145 146 MATHIAS BEER der Vertreibung geringfügig nach unten korrigiert.44 Sie ändern aber nichts an der grundsätzlichen Feststellung, dass Jugoslawien – nicht nur verglichen mit den anderen Ländern Südosteuropas – mit weitem Abstand bei der im Krieg und als Folge von Internierung, Flucht und Vertreibung getöteten Zivilbevölkerung die höchsten Todesraten aufweist. 10. Die Auswirkungen von ‚Flucht und Vertreibung‘ auf die deutschen Minderheiten in Jugoslawien waren am radikalsten. In Rumänien wurden die deutschen Minderheiten durch die Umsiedlungen während des Krieges, durch Flucht und die Deportation von rund 70.000 Personen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion dezimiert.45 Dennoch verblieb der größte Teil der deutschen Bevölkerung im Land. Sie wurde im Zuge der kommunistischen Umgestaltung zunächst sowohl rechtlich als auch sozial und wirtschaftlich deklassiert. Zudem wurde die Banater Bevölkerung an der Grenze zu Jugoslawien innerhalb Rumäniens deportiert.46 Dennoch und gerade weil Rumänien seine deutsche Bevölkerung nicht ausgewiesen und sich in den 1950er Jahren um eine Rückkehr der außerhalb des Landes Lebenden bemüht hatte, bestand in Rumänien trotz der in den 1960er einsetzenden und in den Folgejahren wachsenden Kettenmigration in die Bundesrepublik eine deutsche Minderheit bis zum Fall des Eisernen Vorhangs 1989 fort. Anders als Rumänien und Jugoslawien setzte sich Ungarn bei den Alliierten aktiv dafür ein, seine deutsche Minderheit ausweisen zu dürfen. Dadurch fand Ungarn Aufnahme in den Artikel XIII des Potsdamer Abkommens. Die Regierungsverordnung vom 22. Dezember 1945 über die ,,Aussiedlung“ der Ungarndeutschen sah die Ausweisung aller Deutschen vor.47 Die „geregelte Aussiedlung“ in die Amerikanische Besatzungszone begann im Januar 1946. Wachsender innen- und außenpolitischer Druck führte Ende 1946 zur Einstellung der Transporte. Bis zu 150.000 Ungarndeutsche haben in Deutschland, vorwiegend in Nordwürttemberg und Nordbaden, aber auch in Hessen und Bayern, Aufnahme gefunden. Im Zeitraum vom August 1947 bis zum Juni 1948 wurden auf Drängen Ungarns noch einmal fast 50.000 Personen ausgewiesen, diesmal in die Sowjetische Besatzungszone. Mehr als die Hälfte der deutschen Minderheit verblieb in Ungarn. Von den geflüchteten und ausgewiesenen Ungarndeutschen kehrten bis Anfang der 1950er Jahre mehr als 10.000 wieder nach Ungarn zurück.48 Die im Land verbliebene deutsche Minderheit wurde einem tief greifenden Assimilierungsprozess unterworfen. Im Vorkriegsjugoslawien zählten die deutschen Minderheiten rund eine halbe Million Personen. Bei der Volkszählung am 31. März 1953 waren es nur noch rund 62.000, was etwa 12,5 Prozent der Vorkriegszahl entspricht. Damit sind fast 88 Prozent der deutschen Minderheiten Jugoslawiens als Folge des Krieges, der Evakuierungen, Umsiedlungen, Flucht, Internierung und Ausweisung „verschwunden“: sie starben und wurden umgebracht, sie wurden umgesiedelt, sie flüchteten und wurden vertrieben. Die meisten von ihnen lebten zunächst in Österreich, von wo sich der Schwerpunkt im Laufe der späten 1940er und in den 1950er Jahren in die Bundesrepublik und hier insbesondere nach Süddeutschland mit Schwerpunkt Baden-Württemberg verlagerte. Die Donauschwaben aus Jugoslawien hatten auch einen hohen Anteil an der Nachkriegsauswanderung in die USA und Kanada, nach Südamerika bis hin nach Australien. Vermittelt durch das Internationale Roten Kreuz siedelte der größte Teil der in Jugoslawien verbliebenen Deutschen in die Bundesrepublik über. Damit existierte seit den 1960er Jahren in Jugoslawien praktisch keine deutsche Minderheit mehr. Fazit – oder: eine Frage, drei Antworten Maßgeblich als Ergebnis der nationalsozialistischen Eroberungs-, Besatzungs- und Vernichtungspolitik sowie der Instrumentalisierung und Selbstinstrumentalisierung wurden die deutschen Minderheiten in Jugoslawien, Rumänien und Ungarn zu einem „Problem“ für die jeweilige Staatsnation. Ein Lösungsansatz, der in allen dreien dieser ‚FLUCHT UND VERTREIBUNG‘ AUS JUGOSLAWIEN IN VERGLEICHENDER PERSPEKTIVE südosteuropäischen Länder verfolgt und umgesetzt wurde, war wirtschaftlicher Art: die deutsche Bevölkerung wurde enteignet und ihr damit die wirtschaftliche Grundlage entzogen. In Jugoslawien bildete die Enteignung den Auftakt für die Internierung, die ohne rechtliche Grundlage schrittweise vollzogene Ausweisung und schließlich fast vollständige Ausreise der deutschen Bevölkerung. In Ungarn stand die Bodenreform am Anfang der Ausweisung, um die Ungarn aus eigener Initiative bei den Alliierten erfolgreich nachgesucht hatte. Die Folge: etwa die Hälfte der Ungarndeutschen wurde in die vier Besatzungszonen Deutschlands ausgewiesen. Auch wenn in Rumänien vergleichbare Szenarien diskutiert wurden, folgte auf die wirtschaftliche und soziale Revolution keine ethnische Säuberung. Auf den Punkt gebracht: auf die die Deutschen betreffende Minderheitenfrage gab es in Südosteuropa drei unterschiedliche Antworten. Südosteuropa ist auch bezogen auf Umsiedlung, Flucht und Vertreibung der deutschen Bevölkerung während und am Ende des Zweiten Weltkriegs keine Einheit. Bei durchaus vorhandenen Gemeinsamkeiten fallen bei einem Vergleich des Vertreibungsprozesses der deutschen Bevölkerung aus den Ländern Südosteuropas am Ende des Zweiten Weltkriegs die Spezifika des jugoslawischen Falls besonders ins Gewicht: kein formaler Ausweisungsbeschluss, die großen regionalen Unterschiede im Umgang mit der deutschen Bevölkerung, das mörderische Lagersystem, die hohen Todesraten und letztendlich als Konsequenz aller Maßnahmen das Ende der deutschen Minderheiten in Jugoslawien. Die wesentlichen Gründe für die Besonderheiten des jugoslawischen Falls dürften erstens in den Spezifika der nationalsozialistischen Besatzungspolitik auf dem Gebiet Jugoslawiens liegen. Zweitens fällt sicher die fast unüberschaubare Zahl der Zwangsmigrationen ins Gewicht, von denen praktisch keine ethnische Gruppe verschont blieb. Drittens kommt dem Krieg und insbesondere der brutalen Form der Kriegsführung in dieser Region ein herausgehobener Stellenwert zu. 1 2 3 4 5 6 7 8 Vgl. dazu und zum Folgenden Mathias Beer, Flucht und Vertreibung der Deutschen. Voraussetzungen, Verlauf, Folgen, München 2011. Vgl. u. a. Andrew Bell-Fialkoff, Ethnic Cleansing, New York 1996; Norman M. Naimark, Fires of hatred. Ethnic Cleansing in the 20th Century, London 2001; Benjamin Liebermann, Terrible fate. Ethnic Cleansing in the Making of Modern Europe, Chicago 2006; Richard Bessel und Claudia B. Haake (Hg.), Removing People. Forced Removal in the Modern World, London 2009. Dieter Bingen, Włodzimierz Borodziej und Stefan Troebst (Hg.), Vertreibungen europäisch erinnern? Historische Erfahrungen – Vergangenheitspolitik – Zukunftskonzeptionen, Wiesbaden 2003; Bernd Faulenbach und Andreas Helle (Hg.), Zwangsmigration in Europa. Zur wissenschaftlichen und politischen Auseinandersetzung um die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten, Essen 2005; Peter Haslinger u. a. (Hg.), Diskurse über Zwangsmigrationen in Zentraleuropa. Geschichtspolitik, Fachdebatten, literarisches und lokales Erinnern seit 1989, München 2008. Vgl. dazu Mathias Beer, Zwangsmigrationen in Südosteuropa während des Zweiten Weltkriegs und danach (1939–1950), in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 62 (2011), Heft 3/4, S. 144–158. Vgl. dazu u. a. Benedict Anderson, Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism, London 1983; Roger Brubaker, Nationalism reframed. Nationhood and the national question in the New Europe, Cambridge 1996; Dieter Langewiesche, Nation, Nationalismus. Nationalstaat in Deutschland und Europa, München 2000; Mathias Beer (Hg.), Auf dem Weg zum ethnisch reinen Nationalstaat? Europa in Geschichte und Gegenwart, Tübingen 22007. Philipp Ther, Die dunkle Seite der Nationalstaaten. „Ethnische Säuberungen“ im modernen Europa, Göttingen 2012. Michael Schwartz, Ethnische „Säuberungen“ in der Moderne. Globale Wechselwirkungen nationalistischer und rassistischer Gewaltpolitik im 19. und 20. Jahrhundert, München 2013. Milan Ristović, Zwangsmigrationen in den Territorien Jugoslawiens im Zweiten Weltkrieg: Pläne, Realisierung, Improvisation, Folgen, in: Ralph Melville, Jiří Pešek und Claus Scharf (Hg.), 147 148 MATHIAS BEER 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 Zwangsmigrationen im mittleren und östlichen Europa. Völkerrecht, Konzeptionen, Praxis (1938–1950), Mainz 2007, S. 309–330. Vgl. z. B. Mariana Hausleitner und Harald Roth (Hg.), Der Einfluss von Faschismus und Nationalsozialismus auf Minderheiten in Südosteuropa, München 2006. Dekret-Gesetz Nr. 830/1940 über die Konstituierung der deutschen Volksgruppe in Rumänien, in: Monitorul Oficial, Teil 1, Nr. 275/1940, 21.11.1940, S. 6530. Das Wiener Abkommen. Deutsch-ungarisches Protokoll vom 30.08.1940, in: Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.), Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 2: Das Schicksal der Deutschen in Ungarn, Bonn 1957, S. 73E–75E. Vgl. dazu auch Norbert Spannenberger, Der Volksbund der Deutschen in Ungarn 1938–1944 unter Horty und Hitler, München 2002. Gesetzesverordnung über die Rechtsstellung der deutschen Volksgruppe und des Volksgruppenführers im „Unabhängigen Staat Kroatien“, in: Verordnungsblatt der Volksgruppenführung der deutschen Volksgruppe im Unabhängigen Staat Kroatien, Folge 3, 30.07.1941; Vgl. auch MarieJanine Calic, Die deutsche Volksgruppe in Kroatien 1941–1944, in: Südostdeutsches Archiv 30/31 (1987/1988), S. 148–175; Carl Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten in Kroatien und der Vojvodina 1918–1941. Identitätsentwürfe und ethnopolitische Mobilisierung, Wiesbaden 2009, bes. S. 558–624. Verordnung über die Rechtsstellung der deutschen Volksgruppe im Banat und Serbien vom 6.08.1943, in: Verordnungsblatt der Volksgruppenführung der deutschen Volksgruppe im Banat und Serbien, Folge 22, 10.09.1943. Vgl. auch Thomas Casagrande, Die volksdeutsche SS-Division „Prinz Eugen”. Die Banater Schwaben und die nationalsozialistischen Kriegsverbrechen, Frankfurt am Main 2003. Marie-Janine Calic, Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert, München 2010, bes. S. 137–170. Archiv der Gegenwart, 6.10.1939, S. 4267 f. Dirk Jachamowski, Die Umsiedlung der Bessarabien-, Bukowina- und Dobrudschadeutschen. Von der Volksgruppe in Rumänien zur „Siedlungsbrücke“ an der Reichsgrenze, München 1984. Hans Hermann Frensing, Die Umsiedlung der Gottscheer Deutschen. Das Ende einer südostdeutschen Volksgruppe, München 1970. Vgl. u. a. Detlef Vogel, Vertreibung, Verfolgung und Ausrottung in Jugoslawien während des Zweiten Weltkrieges und danach, in: Robert Streibel (Hg.), Vertreibung und Flucht. Zwischen Aufrechnung und Verdrängung, Wien 1994, S. 77–91; Arnold Suppan, Hitler – Beneš – Tito. Konflikt, Krieg und Völkermord in Ostmittel- und Südosteuropa, Wien 2014, Teil 2, S. 925–1212. Walter Manoscheck, „Serbien ist judenfrei“. Militärische Besatzungspolitik und Judenvernichtung in Serbien 1941/42, München 1993; Mathias Beer, Gaswagen. Von der „Euthanasie“ zum Genozid, in: Günter Morsch und Bertrand Perz (Hg.), Neue Studien zu nationalsozialistischen Massentötungen durch Giftgas. Historische Bedeutung, technische Entwicklung, revisionistische Leugnung, Berlin 2011, S. 162–164. Damijen Guštin und Vladimir Prebilič, Die Rechtslage der deutschen Minderheiten in Jugoslawien 1944 bis 1946, in: Manfred Kittel u. a. (Hg.), Deutschsprachige Minderheiten 1945. Ein europäischer Vergleich, München 2007, S. 297–346, hier Dokument 1, S. 312–314. Ágnes Tóth, Rechtliche Regelungen zur Lage des Ungarndeutschtums 1939 bis 1950, in: Manfred Kittel u. a. (Hg.), Deutschsprachige Minderheiten 1945, S. 253–295, Dokument Nr. 2, S. 270 f. Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.), Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 3: Das Schicksal der Deutschen in Rumänien, Bonn 1957, S. 156E–158E. Dazu und zum Folgenden: Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.), Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 5: Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, Bonn 1961, bes. S. 85E–114E. Dušan Nećak (Hg.), „Nemci“ na Slovenskem 1941–1955 [Die Deutschen in Slowenien 1941–1955], Ljubljana 1998. Zu den gegen die deutsche Bevölkerung in den einzelnen Regionen des Landes ergriffenen Maßnahmen siehe Zoran Janjetović, Between Hitler and Tito. The Disappearance of the Vojvodina Germans, Belgrad 2005; Michael Portmann, Politik der Vernichtung? Die deutschsprachige Bevölkerung in der Vojvodina 1944–1952. Ein Forschungsbericht auf Grundlage jugoslawischer Archivdokumente, in: Danubiana Carpathica. Jahrbuch für Geschichte und Kultur in den deutschen Siedlungsgebieten Südosteuropas 1 (48) 2007, S. 321–360; ders., Die kommunistische Revolution in der Vojvodina 1944–1952. Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur, Wien 2008; Suppan, Hitler – Beneš – Tito, besonders S. 1275–1361. Janjetović, Between Hitler and Tito, S. 108 f. Zitiert nach Vladimir Geiger, J. B. Tito i sudbina jugoslavenskih Nijemaca, in: Časopis za suvremenu povijest [Zeitschrift für Zeitgeschichte] 3 (2008), S. 803. Vgl. dazu Anm. 20. Vladimir Geiger, Nestanak folksdojčera [Das Verschwinden der Volksdeutschen], Zagreb 1997. Portmann, Politik der Vernichtung, S. 333. ‚FLUCHT UND VERTREIBUNG‘ AUS JUGOSLAWIEN IN VERGLEICHENDER PERSPEKTIVE 31 Gerhard Seewann, Der Vertreibungsprozeß in und nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund britischer Quellen, in: ders. (Hg.), Migrationen und ihre Auswirkungen. Das Beispiel Ungarn 1918 –1945, München 1997, S. 55–89, Dokument S. 77–87. 32 Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 5: Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, S. 99E; Janjetović, Between Hitler and Tito, S. 296 und 307. 33 Vladimir Geiger, Volksdeutsche – Fatum der kollektiven Schuld, in: Review of Croatian History 1 (2005), S. 211–226, hier S. 233. 34 Mathias Beer, „die helfte hir und tie helfte zuhause“. Die Vertreibung der Deutschen aus Ungarn und ihre Eingliederung im geteilten Deutschland, in: Frank Almai und Ulrich Fröschle (Hg.), Deutsche in Ungarn. Ungarn und Deutsche. Interdisziplinäre Zugänge, Dresden 2004, S. 37–69. 35 Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 5: Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, S. 107–112. 36 Janjetović, Between Hitler and Tito, S. 264–266. 37 Zu den Zahlen vgl. Portmann, Die kommunistische Revolution, S. 238–248. 38 Mathias Beer, Deutsche Deportierte aus Ostmittel- und Südosteuropa in die UdSSR seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, in: Klaus Bade (Hg.), Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart, Paderborn 2007, S. 465–470. 39 Ray M. Douglas, „Ordnungsgemäße Überführung“. Die Vertreibung der Deutschen am Ende des Zweiten Weltkriegs, München 2012, besonders S. 169–199; vgl. auch Portmann, Die kommunistische Revolution, S. 249–258. Zu den Lagern in Slowenien vgl. Milko Mikola (Hg.), Dokumenti in pričevanja o povojnih koncentracijskih taboriščih v Sloveniji [Dokumente und Zeugnisse zu den die Kriegskonzentrationslagern in Slowenien], Ljubljana 2007. 40 Archiv des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde, Tübingen, Einzelakten, Spannagel. 41 Vgl. dazu Beer, Flucht und Vertreibung, besonders S. 127–134. 42 Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien, hrsg. v der Donauschwäbischen Kulturstiftung, 4 Bde., München/Sindelfingen 1991–1995. 43 Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 5: Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, S. 129E–132E. 44 Leidensweg, Bd. 4: Menschenverluste – Namen und Zahlen zu den Verbrechen an den Deutschen durch das Tito-Regime in der Zeit von 1944–1948, S. 943. 45 Georg Weber, Renate Weber-Schlenther und Armin Nassehi, Die Deportation von Siebenbürger Sachsen in die Sowjetunion 1945–1949, 3 Bde., Köln 1995. 46 Mathias Beer, Rumänien: Regionale Spezifika des Umgangs mit deutschen Minderheiten am Ende des Zweiten Weltkriegs in Südosteuropa, in: Mathias Beer, Dietrich Beyrau und Cornelia Rauh (Hg.), Deutschsein als Grenzerfahrung. Minderheitenpolitik in Europa zwischen 1914 und 1950, Essen 2009, S. 279–303. 47 Ágnes Tóth, Migration in Ungarn 1945–1948. Vertreibung der Ungarndeutschen. Binnenwanderungen und slowakisch-ungarischer Bevölkerungsaustausch, München 2001. 48 Dies., Rückkehr nach Ungarn 1946–1950. Erlebnisberichte ungarndeutscher Vertriebener, München 2012. 149 150 AUTOR BEITRAG Danach Donauschwaben – eine Spurensuche 151 152 STEFAN KARNER DIE DEUTSCHSPRACHIGE VOLKSGRUPPE SLOWENIENS UND AVNOJ 153 Stefan Karner Die deutschsprachige Volksgruppe Sloweniens und AVNOJ Österreich und Slowenien haben eine gemeinsame Grenze von rund 324 Kilometern Länge. Sie wurde 1919 in St.-Germain-en-Laye gezogen.1 Im Laufe der Jahrzehnte seither waren die Beziehungen gekennzeichnet von einem starken Auf und Ab vor dem Hintergrund starker politischer, ideologischer, ethnischer und wirtschaftlicher Trennlinien. Die Brückenfunktion der Grenzländer kam dabei vielfach zu kurz. Die Spannungen im 20. Jahrhundert resultierten – blendet man unzulässiger Weise die nationale Entwicklung des 19. Jahrhunderts aus – vor allem in der Abtrennung der untersteirischen Gebiete 1918/19, in der Slowenisierungspolitik des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen der Zwischenkriegszeit, der Germanisierungspolitik unter der NS-Besetzung der nördlichen slowenischen Gebiete zwischen 1941 und 1945, in der Vertreibung und versuchten Auslöschung der deutschsprachigen Minderheit aufgrund der AVNOJ-Beschlüsse nach 1945 sowie in den ideologischen Spannungen mit dem jugoslawischen Weg kommunistischer Herrschaft unter Tito. Die historischen Belastungen vor allem der NS-Zeit und der AVNOJ-Beschlüsse stellen auch die wesentliche Erklärungsebene für die Frage einer nunmehrigen Anerkennung der deutschsprachigen Volksgruppe im Land und die Entschädigung bzw. Restitution der enteigneten „Deutschen“ des Landes dar. Keine führende slowenische Partei setzt sich derzeit für eine verfassungsrechtliche Anerkennung der deutschsprachigen Volksgruppe ein, der Geist der völkerrechtswidrigen AVNOJ-Dekrete und der auf ihnen fußenden jugoslawischen Gesetzgebung wird noch heute in der slowenischen Rechtsprechung – wie an zahlreichen Beispielen nachgewiesen werden kann – angewandt. Die Existenz und Stärke einer deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien war bis vor wenigen Jahren umstritten. Ermordet, enteignet, vertrieben und in Tito-Jugoslawien nicht mehr wahrnehmbar, so beschrieben Vertriebenen-Verbände in Österreich und Deutschland die Situation. Außer Landes gebracht oder im Lande selbst assimiliert, gaben jugoslawische Beschreibungen an. Im Resultat dieser Befunde gab es sie scheinbar nicht mehr im Lande, die „Nemčuri“ oder „Volksdeučeri“, wie man die „Deutschen“ Sloweniens nach 1945 jahrzehntelang in den Medien verächtlich genannt hatte. Tatsächlich jedoch hatten sich in der letzten jugoslawischen Volkszählung – vor allem in Laibach, in der ehemaligen Untersteiermark und in der Gottschee – über 1.800 Personen als deutschsprachig erklärt. Um ihre Anerkennung als Volksgruppe geht es seither, zumal die junge Republik Slowenien seit 1992 – auch nach entsprechenden Interventionen Österreichs – eine gewisse Bereitschaft zeigte, das Thema wahrzunehmen. In engem Zusammenhang damit stand die Diskussion um die gegen die Deutschsprachigen des ehemaligen Jugoslawien gerichteten AVNOJ-Bestimmungen aus den Jahren 1943/44, die Teil der jugoslawischen Nachkriegsgesetzgebung waren und die als Basis für die slowenische Rechtsordnung von Präsident Milan Kučan noch im Jahr 2000 nicht in Frage gestellt wurde. Von deren Fortbestand oder Außerkraftsetzung hängt vor allem die Möglichkeit der Durchsetzung von Restitutionsforderungen ehemals nach den AVNOJ-Dekreten enteigneter Besitzer, vor allem von Deutschsprachigen, ab. Vorsichtige Schätzungen sprechen für Slowenien von einer gesamten Restitutionssumme von rund 1,5 Milliarden Euro. Die Diskussionen um beide Fragenkomplexe sind zudem vor dem Hintergrund des Beitrittsantrages Sloweniens zur Europäischen Union zu sehen, deren humanitäre Werteordnung der Anwendung des „Geistes“ von AVNOJ entgegensteht. Forderungen nach einem Junktim der Anerkennung der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien sowie der Außerkraftsetzung der AVNOJ-Bestimmungen mit der Unterstützung der slowenischen Beitrittsbemühungen zur EU durch Österreich wurde dennoch seitens der österreichischen Außenpolitik mehrfach entgegen getreten (Wolfgang Schüssel, Benita Ferrero-Waldner). Zusätzlich überlagert und teilweise mit einer Reziprozität (wie schon in der Zwischenkriegszeit) bedacht wird die Problematik von Fragen der slowenischen Minderheit in Österreich. Als zu Jahresbeginn 1998 der slowenische Außenminister Boris Frlec in Wien gegenüber dem österreichischen Außenminister Wolfgang Schüssel eine Bereitschaft zu einer Anerkennung der Deutschsprachigen Sloweniens in einer noch zu verhandelnden Form signalisierte, schien kurzfristig ein Durchbruch möglich. Kurz zuvor waren in Österreich und Slowenien zwei unabhängig voneinander erstellte Studien vorgestellt worden, die beide die Existenz einer deutschsprachigen Volksgruppe2 in Slowenien konstatierten. Zum ersten Mal wurde das Thema auf beiden Seiten auch für die Jahre nach 1945 – der Zeit von Genozid, Vertreibung und kommunistisch-gesellschaftlicher Umwälzung – bearbeitet. Zum ersten Mal wurde auf wissenschaftlicher Grundlage die Frage einer deutschsprachigen Volksgruppe in der Republik Slowenien auf bilateraler Außenministerebene nicht nur angesprochen, sondern von Slowenien auch eine Bereitschaft zu einer Lösung – etwa im Rahmen eines noch abzuschließenden Kulturabkommens zwischen beiden Staaten – signalisiert. Angesichts der seit Jahren laufenden politischen Diskussion in Österreich und Slowenien hatte sich Frlec weit vor gewagt. Sicherheitshalber hatte er eingeschränkt: die Minderheit sollte nicht den Verfassungsstatus der italienischen bzw. magyarischen Minderheiten erhalten, dennoch kulturelle Förderungen, wie eine Schule mit deutscher Unterrichtssprache, erhalten. Das Ansinnen des Außenministers rief in Slowenien vielfach Empörung und offene Ablehnung hervor, so dass kurzfristig sogar mit einer Ablösung des Ministers gerechnet wurde. Premierminister Janez Drnovšek stellte schließlich klar, dass es nicht um eine „politische“ Anerkennung der Minderheit gehen könne: „Wir haben kein Verständnis dafür, dass es um den politischen Status der Minderheit geht, wie ihn die italienische und magyarische [Minderheit] in der Verfassung haben. Es geht darum, dass die Gruppe der deutschsprachigen Slowenen ihre kulturellen Bedürfnisse, ihre Vereine mit diesen oder jenen Aktivitäten hat, die der slowenische Staat unterstützen kann.“ In der Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarates in Straßburg (ECRI) wurde seit 1997 in den Berichten über Slowenien die Existenz einer deutschsprachigen Minderheit negiert. In den slowenischen Medien und politischen Diskussionen wurde vielfach Stimmung gegen die Ten- Stadtansicht von Ljubljana/Laibach (Bildausschnitt), undatiert. 154 STEFAN KARNER DIE DEUTSCHSPRACHIGE VOLKSGRUPPE SLOWENIENS UND AVNOJ 155 denzen zur Anerkennung der deutschsprachigen Minderheit gemacht. Oft mit den stereotypen Gleichsetzungen von „Deutschen“ und „Nationalsozialisten“, vor allem jedoch mit den Folgewirkungen in den ! staatsrechtlichen (Verfassungsänderung, politische Vertretung der Minderheit im slowenischen Parlament), ! politisch-historischen (NS-Okkupation, Aussiedlung Zehntausender Slowenen, Verfolgung und Genozid), ! wirtschaftlichen (Restitution eines großen Teils der widerrechtlich nach 1945 angeeigneten slowenischen Wirtschaftskapazitäten) und ! gesellschaftspolitischen (Etablierung einer durch Jahrzehnte als Volks- und Klassenfeind eingestuften Gruppe) Bereichen. Die bilateralen Verhandlungen zum Abschluss eines Kulturabkommens zwischen Österreich und Slowenien 2001 standen immer wieder auf der Kippe. Selbst begriffliche, semantische Fragen, ja auch übersetzungstechnische Probleme, wurden intensivst erörtert. Dahinter steckten mitunter auch vermutete Verfassungsfragen mit weitreichenderen Folgewirkungen. Dies kann etwa an der Übersetzung des deutschen Begriffs „Volksgruppe“ demonstriert werden. Der erste österreichische Vorschlag lautete auf „narodna skupnost“. Die begrifflichen Diskussionen offenbarten mit einem Schlag die Gesamtproblematik und wurden grundsätzlich. Slowenien lehnte den Terminus „narodna skupnost“ (Volksgruppe, Gemeinschaft) letztlich mit dem Hinweis ab, die slowenische Verfassung verwende diesen Begriff für die in der Verfassung verankerten Minderheiten der Italiener und Magyaren. Der österreichische Kompromissvorschlag lautete schließlich auf „narodna skupina“, was ebenfalls dem deutschen Wort Volksgruppe entspricht. Slowenien lehnte auch dies mit der Begründung ab, von einer „Volksgruppe“ könne hinsichtlich der deutschsprachigen Minderheit nicht mehr gesprochen werden, allenfalls von Resten des Restes einer ehemaligen Minorität. In den vorgenannten Studien herrschte weitgehende Einigkeit über die feststellbare Zahl an Deutschsprachigen in Slowenien: 1.813 plus eine nicht näher quantifizierbare Zahl an Menschen, die sich bei der Volkszählung 1991 noch nicht als Angehörige der seit 1944 verfolgten Minderheit zählen ließen. In der Bewertung der Zahl in Richtung einer Volksgruppe gingen die Meinungen allerdings auseinander. Während die österreichische Studie vom Vorliegen einer Volksgruppe mit allen dazugehörigen Kriterien – vor allem im kulturellen und gruppenimmanenten Sinne – sprach, erklärte die slowenische Sammelstudie diese zu „Resten vom Rest“ einer ehemaligen Minderheit. Ein Hauptargument: die stark gestreute Ansiedlung der Deutschsprachigen in Slowenien. Die slowenische Politik folgte schließlich der Bewertung ihrer Forschergruppe. Die Haltung der slowenischen Politik und jene Österreichs ist nur vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung erklärbar und wird zudem von der kaum bis nicht aufgearbeiteten Geschichte fast täglich gespeist. Nach der letzten Volkszählung der Monarchie (Umgangssprachenzählung) lebten 1910 auf dem Gebiet des heutigen Slowenien 106.255 Angehörige der deutschsprachigen Volksgruppe, rund 9,4 Prozent der Gesamtbevölkerung dieses Gebietes. Die stärksten Konzentrationen der deutschsprachigen Bevölkerung fanden sich in und um Marburg an der Drau, in der Gottschee, in Windischgraz und in Laibach. In der Stadt Marburg gaben 80,9 Prozent der Einwohner Deutsch als Umgangssprache an, nur unwesentlich weniger als gleichzeitig in Klagenfurt. 1918/19 waren die Deutschsprachigen des Landes binnen weniger Monate vom Staatsvolk zu einer repressierten Minderheit im serbisch dominierten SHS-Staat geworden. Ihre personelle Stärke war bei der ersten südslawischen Volkszählung 1921 (Muttersprachenzählung) auf 41.514 Personen und damit auf weniger als die Hälfte gegenüber 1910 und zehn Jahre später sogar auf 28.998 gesunken. Von ihnen lebten 1931 etwas mehr als die Hälfte in Krain, knapp über 12.000 in der Untersteiermark. Dennoch waren trotz staatlicher Sequestrierung und Staatsaufsicht die wesentlichen „deutschen“ Vermögenswerte im Lande geblieben und die deutschsprachige Volksgruppe war für die Wirtschaft auch weiterhin maßgeblich. Die führende slowenische katholische Zei- 28. Juli 1939, Markt in Marburg. tung, der Laibacher Slovenec, schrieb 1932 das Gefühl vieler Slowenen nieder: „bei uns der Herr, er ist Fabrikbesitzer, Kaufmann oder wenigstens Fleischhauer. Ja, er ist der Herr, in dessen Händen das Schicksal Tausender unserer Arbeiter liegt. Er ist ihr Brotgeber – so denkt er bei sich. Er fühlt sich als Sohn einer herrschenden Nation [...].“ Im April 1941 wurde das slowenische Gebiet zwischen dem faschistischen Italien, Hitler-Deutschland und seinem Satelliten Ungarn aufgeteilt. In den vom „Dritten Reich“ zivilverwalteten Gebieten der Untersteiermark und Oberkrains vollführte der Okkupator eine Germanisierungspolitik, durch die Hunderttausende Menschen repressiert, Zehntausende deportiert und Tausende ermordet wurden. Ihr Ergebnis: ! Zehntausende versetzte Personen (Slowenen, „Volksdeutsche“ aus dem gesamten Balkanraum und Schwarzmeergebiet, Gottscheer), ! eine allerorten stärker werdende Partisanenbewegung gegen den deutschen Okkupator, die sehr bald von Kommunisten übernommen und geführt wurde, ! der Hass, der als Folge der NS-Besatzungspolitik den Angehörigen der deutschsprachigen Volksgruppe 1945 im ganzen Land entgegen schlug, teilweise angetrieben von Maßnahmen und dem offenen Terror von Tito-Partisanen. Tausende Menschenrechtsverletzungen, Demütigungen, Morde, die Zerstörung der jahrhundertealten Gottscheer Bauernkultur und die Vertreibung Zehntausender der deutschsprachigen Volksgruppe, der man kollektiv Verrat an ihrer angestammten Heimat vorwarf. Ein bis heute immer wieder vorgebrachter, doch in einer simplen Täter-Opfer-Relation nicht zutreffender Vorwurf. ! Einige durchaus beachtliche Wirtschaftsimpulse (Aufbau von Großbetrieben für die deutsche Rüstung, Ausbau der Energieversorgung, vor allem für Süddeutschland). Die Vorfeldorganisationen der NSDAP, „Heimatbund“ und „Volksbund“ waren ab 11. Mai 1941 die einzig erlaubten politischen Bewegungen mit der eindeutig formulierten Aufgabe, „die Menschen dieses Landes seelisch, geistig und politisch zu führen und sie zu bewussten Bürgern des Reiches und vollwertigen Gliedern der deutschen Volksgenossenschaft zu erziehen“. Der breiten Masse der Slowenen wurde eine „Staatsbürgerschaft auf Widerruf “ verliehen. Slowenen, die aufgrund der rassischen und politischen Bewertungen für die Aussiedlung vorgesehen waren, erhielten keine deutsche Staatsbürgerschaft und wurden „Schutzangehörige“ des Deutschen Reiches, sie wurden weder zum RAD noch zur Wehrmacht eingezogen, sondern hatten zwischen 156 STEFAN KARNER dem 17. und 25. Lebensjahr eine „Sonderdienstpflicht“ in Form eines Landjahres bei obersteirischen Bauern zu verrichten. Seit 1943 wurden die „Schutzangehörigen“ zur Ableistung ihres Arbeitsjahres in untersteirischen Lagern zusammengefasst. Für sie galten ab 25. März 1942 die Bestimmungen der Nürnberger Rassegesetze: Keine Eheschließungen mit Deutschen, Verbot des außerehelichen Verkehrs mit „Deutschen“ von Oberkrain und der Untersteiermark, Verhinderung ihrer biologischen Vermehrung. Die volle „deutsche Staatsbürgerschaft“ erwarben mit rückwirkender Wirkung vom 14. April 1941 die Angehörigen der deutschsprachigen Volksgruppe des Gebietes. Am 20. November 1943 war auf der Versammlung des Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Jugoslawiens (AVNOJ) in Jajce die Reorganisation Jugoslawiens auf föderaler Grundlage beschlossen, die Exilregierung für Jugoslawien aberkannt, und eine Rückkehr des jugoslawischen Königs Peter II. verboten worden. Gleichzeitig wurde der Anschluss der slowenischen Gebiete an Jugoslawien proklamiert und konzeptiv die Auslöschung der deutschsprachigen Bevölkerung Jugoslawiens beschlossen. Ihr Ziel, wie es im November 1944 vom Antifaschistischen Rat der Volksbefreiung Jugoslawiens, einer Art Kriegsparlament, schließlich in Beschlüssen formuliert wurde, war die Aberkennung der Bürgerrechte und die gewaltsame Enteignung der deutschsprachigen Volksgruppe sowie ihre Degradierung zu recht- und besitzlosen, unerwünschten Nicht-mehr-Bürgern des Staates. [Vergleiche den Beitrag Michael Portmanns Die donauschwäbische Bevölkerung in der Vojvodina: Flucht, Internierung und Aussiedlungspolitik in diesem Band, Anm. d. Red.] Eine schon seit November 1943 laufende propagandistische Offensive der kommunistischen Partisanen erklärte die Volksgruppe de facto für „vogelfrei“ und schürte einen gewaltigen Hass gegen ihre Angehörigen. Auf gesetzlicher Basis wurden in den Jahren 1944 bis 1945 vom AVNOJ ein Bündel weitreichender (Geheim)-Erlässe und Grundsatzbeschlüsse erlassen, die spätestens am 1. Dezember 1945 pauschal auch Gesetzeskraft in der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien (FLRJ) erlangten. Unter ihnen die AVNOJ-Verfügung vom 21. November 1943 Über die Aberkennung der Bürgerrechte, der AVNOJ-Beschluss vom 21. November 1944 über die Enteignung und anschließende Konfiszierung des gesamten deutschen Staats- und Privatvermögens, des „Feindvermögens“, das Gesetz über die Agrarreform und Kolonisierung vom 23. August 1945, das zur Konfiszierung des Besitzes von knapp 100.000 Bauern mit über 630.000 Hektar Grundfläche, darunter tausender Bauern der deutschsprachigen Volksgruppe führte, oder der Gründung einer Staatlichen Kommission zur Erhebung von Verbrechen, die von den Okkupatoren und ihren Helfern verübt wurden. Damit waren die wesentlichsten rechtlichen Vorbedingungen zur ethnischen, wirtschaftlichen und physischen Vernichtung der deutschsprachigen Volksgruppe auch für Slowenien getroffen worden. 1948 wies die jugoslawische Volkszählung nur noch eine deutschsprachige Minderheit von 2.406 Personen (davon 1.824, die sich als „Deutsche“ und 536, die sich als „Österreicher“ bezeichnet hatten) aus. Die ethnische Säuberung schien fast total. Zudem fällt auch auf, dass die Vertreibungs- und Internierungspolitik der Partisanen bzw. später des jugoslawischen Staates, im Gegensatz etwa zur Tschechoslowakei wo neben der deutschsprachigen auch große Teile der ungarischen Bevölkerung vertrieben wurden, sich ausschließlich gegen die deutschsprachige Volksgruppe, in der Diktion der Zeit: gegen die „Deutschen“ des Landes, gerichtet hatte. Boris Kidrič forderte als Vorsitzender der ersten slowenischen Nachkriegsregierung in einer Rede auf dem Marburger Hauptplatz im Juni 1945 ausdrücklich: „Aus den nördlichen Gebieten müssen die Reste des Deutschtums verschwinden. Es ist unzulässig, dass diese Reste noch auf slowenischer und jugoslawischer Erde spazieren gehen. Diese Leute, die den Schweiß des Volkes ausgesaugt haben, diese Leute, die mithalfen unser Volk zu versklaven, diese Leute dürfen nicht mehr hier bleiben. Es darf nicht sein, dass in unserer Kolchose noch Leute sind, die vom Fleiß und Schweiß unserer Winzer lebten und diese ausbeuteten. [...] Das ist unsere Erde und bleibt es auch [...].“ DIE DEUTSCHSPRACHIGE VOLKSGRUPPE SLOWENIENS UND AVNOJ Wie in anderen ostmitteleuropäischen Staaten lief die ethnische Säuberung des Landes von der deutschsprachigen Volksgruppe im Wesentlichen in folgenden Stufen ab: 1. Zuweisung einer Kollektivschuld (AVNOJ und die folgenden jugoslawischen Gesetze), 2. kollektive Enteignung, 3. kollektives Entwurzeln und Schaffung von Displaced Persons (DPs) durch Fortschaffen aus den angestammten Lebenszusammenhängen, Dörfern, Gemeinden, Ländern, 4. kollektive Deportationen, meist durch Zwischenstationen in Lagern (Sterntal), strapaziöse Fußmärsche, Bahntransporte, 5. gewaltsame und gewaltbereite Umfeldsituation (junge Partisanen, Vergewaltigungen, Hunger, persönliche Demütigungen), 6. Subjektive Persönlichkeitsverletzungen, die Großteils bis heute nachwirken. Zum 1. Oktober 1953 lebten in Österreich 119.602 Angehörige der ehemaligen deutschsprachigen Volksgruppe aus Jugoslawien, teilweise noch in Lagern. Von ihnen hatten 29.821 die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten. Die Mehrzahl der in Jugoslawien verbliebenen Angehörigen der deutschsprachigen Volksgruppe waren bis 1948 in Lagern interniert und festgehalten worden. Nach der Schließung der Lager kehrten viele von ihnen wieder in ihre angestammten Wohnorte, vor allem in die Gottschee, nach Marburg/Maribor, ins Abstaller Feld und nach Laibach zurück, die sie in den folgenden Jahren nicht verlassen durften. Zusätzlich erhielten sie eine Arbeitsdienstpflicht. Angehörige der deutschsprachigen Volksgruppe, die in Slowenien geblieben waren, hatten in der Folge immer wieder Schikanen der staatlichen Organe, in den Schulen, im beruflichen Fortkommen und bei kulturellen Organisationen zu gewärtigen. Viele versuchten dem dadurch zu entkommen, dass sie sich möglichst rasch anpassten und ihre nationale Identität in der Öffentlichkeit versteckten. So durften sie etwa, da sie mitunter als Deutschsprachige wegen diverser, meist angelasteter Vergehen in der Okkupationszeit verurteilt worden waren, den Familiennamen nicht ändern. Im Jahre 1951 wurde der Kriegszustand zwischen Jugoslawien und Österreich sowie Deutschland offiziell als beendet erklärt, ab 1955 normalisierten sich allmählich die Beziehungen zwischen Tito-Jugoslawien und den beiden Staaten. Jugoslawien trat 1955 dem Österreichischen Staatsvertrag gemäß Artikel 37 als assoziierte Macht bei. 157 Ansicht Bleder See um 1939. 158 STEFAN KARNER Vor allem aber räumte der Artikel 27 des Österreichischen Staatsvertrages „der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien das Recht ein, österreichische Vermögenschaften, Rechte und Interessen, die sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens des vorliegenden Vertrages auf jugoslawischem Gebiet befinden, zu beschlagnahmen, zurückzubehalten oder zu liquidieren. Die österreichische Regierung verpflichtet sich, österreichische Staatsangehörige, deren Vermögen auf Grund dieses Paragrafen herangezogen wird, zu entschädigen“. Eine Anerkennung der deutschsprachigen Volksgruppe als einer „nationalen Minderheit“ erfolgte während der gesamten Nachkriegszeit weder in Slowenien, noch in Jugoslawien. Damit wurden ihr die Möglichkeiten einer Unterrichtssprache Deutsch, eines eigenen Mediums, einer eigenen Organisation auf nationalpolitischer Basis sowie einer organisierten Vertretung vor den staatlichen Regierungsstellen verwehrt. Ihre ethnische Identität haben viele von ihnen dennoch bewahrt. 1991 erklärten sich 1.813 Personen als zur deutschsprachigen Volksgruppe gehörig. Dazu ist jedoch eine nicht näher quantifizierbare Zahl von Personen, vor allem jüngerer, im Beruf stehender Menschen, zu addieren, die ihr „Deutschtum“ noch nicht in der einen oder anderen möglichen Form deklariert hatten. Angeführt soll in diesem Zusammenhang auch werden, dass die noch jugoslawische Volkszählung von 1991 auch 2.582 Personen ermittelte, die Deutsch als Umgangssprache im familiären Umfeld verwendeten und dies auch angaben, was – trotz der überwiegend von ihnen angeführten slowenischen Muttersprache und dem slowenischen Volksgruppenbekenntnis, doch auch auf eine gewisse Nähe zur deutschsprachigen Volksgruppe schließen lässt. Die folgenden Volkszählungen der Republik Slowenien erbrachten sehr ähnliche Werte. Die Volksgruppe konnte sich seit 1991 in mehreren Vereinen artikulieren. Unter ihre vielfältigen kulturellen Aktivitäten fallen vor allem die Organisierung von Kulturabenden, deutschsprachigen Gottesdiensten, Ausstellungen, Restaurierungen von Kulturdenkmälern und Kirchen, die Vertretung von Rückstellungsforderungen und die rechtliche Beratung von Angehörigen der deutschsprachigen Volksgruppe ins Gewicht. Auch das 2001 zustande gekommene Kulturabkommen zwischen Österreich und der Republik Slowenien brachte keine entscheidende rechtliche Besserstellung der Deutschen des Landes. Zweifelsfrei ist, dass die Geschichte der Vertreibung – neben dem Verbrechen des Holocaust an den europäischen Juden und den slawischen Völkern – zu den gravierendsten Erfahrungen der Deutschen im 20. Jahrhundert gehört. Sie ist auch vielfach untrennbar verbunden mit dem Holocaust, was ihre Verarbeitung doppelt erschwert. Sollen/können Täter zu Opfern werden? Und Opfer wieder zu Tätern? Ralph Giordano forderte erst kürzlich die Einhaltung des Prinzips: „Die Humanitas ist unteilbar“. Und: „Wer die Vorgeschichte der Vertreibung verdrängt, verstößt ebenso gegen diesen Grundsatz wie der, welcher deren Nachgeschichte ausblendet“. Ein langsamer politischer Umdenkprozess in Slowenien lässt einen schmalen Silberstreif am Horizont erahnen. Wesentlich dafür scheinen die Ortstafellösung in Kärnten sowie die politischen Veränderungen in Slowenien sowie die Initiativen von Kärntner und österreichischen Politikern zu sein, die in gemeinsamen Veranstaltungen mit ihren slowenischen Kollegen versuchen, die wunden Punkte aufzuarbeiten. 1 2 Der Beitrag entspricht im Wesentlichen dem gesprochenen Wort, daher wird auf Einzelnachweise verzichtet. Diese finden sich bei Stefan Karner, Die deutschsprachige Volksgruppe in Slowenien 1939 –1997. Aspekte ihrer Entwicklung, Klagenfurt/ Ljubljana/ Wien 1998 und: Dušan Nećak (Hg.), „Nemci“ na Slovenskem 1941–1955. Ljubljana 1998. Dort auch die vielfältigen Literatur- und Quellennachweise. – Stefan Karner war auf österreichischer Seite, gemeinsam mit Arnold Suppan, Co-Vorsitzender der 2001 gegründeten Österreichisch-Slowenischen Historikerkommission. Trotz zahlreicher inhaltlicher Annäherungen wurde keine gemeinsame Publikation vorgelegt. Der Begriff „Volksgruppe“, der aus der österreichischen Rechtsterminologie stammt, wird bewusst als nicht-parteiischer Sammelbegriff für „Nation“, „Nationalität“, „nationale Minderheit“, „ethnische DIE DEUTSCHSPRACHIGE VOLKSGRUPPE SLOWENIENS UND AVNOJ Gruppe“, „Ethnie“ oder „Volk“ verwendet. Die slowenische Verfassung vom 25.6.1991 kennt als Minderheitenbegriff den Terminus „autochthone Volksgruppe/autochthone nationale Gemeinschaft“ (avtohtona narodna skupnost). Der Terminus „deutschsprachige Volksgruppe“ wird in der Folge kumulativ für Personen verstanden, die entweder 1. autochthon (bodenständig) im Gebiet Sloweniens, vor allem in den Städten als Nachkommen der aus dem 19. Jahrhundert stammenden bürgerlichen Schicht und in einzelnen bäuerlichen Gebieten wie dem Abstaller Feld/Apaško polje oder in der Gottschee/Kočevje, siedeln, 2. als Muttersprache in der Volkszählung 1991 „deutsch“ angeführt haben 3. aus einem deutschsprachigen Land (meist Deutschland, Österreich oder Schweiz) zugewandert und deutschsprachig sind, 4. auf andere Art eine gewisse Nähe zum „Deutschtum“ (etwa in der verwendeten Umgangssprache im familiären Rahmen) zeigen. Die Terminologie der slowenischen Volkszählung von 1991 kennt für die Deutschsprachigen folgende zwei Volksgruppenzugehörigkeiten: „Deutscher“ und „Österreicher“. Weiter wurden eine deutsche Muttersprache und eine deutsche Umgangssprache im familiären Rahmen erhoben. Die Angaben der deutschen Umgangssprache im persönlichen Umfeld werden nur als unterstützendes Kriterium betrachtet. Der in der Arbeit verwendete Terminus „Deutschsprachige Volksgruppe“ versucht den im Lichte der aktuellen Nationalitätsbegriffe immer wieder zu Missverständnissen Anlass gebenden, jedoch historisch sowie ethnisch ebenso vertretbaren Terminus einer „deutschen Volksgruppe“ zu überwinden. Je nach Epoche und politischem Kontext können dafür auch die Begriffe „Volksdeutsche“, oder „Deutschsprachige“ verwendet werden. Unter der umfangreichen und umfassenden Literatur zu Volksgruppenfragen und Minderheiten, die hier auch nicht ansatzweise referiert wird, vgl. exemplarisch dazu u.a.: Alfred Verdross, Völkerrecht, 2. Aufl., Wien 1950; Tine Hribar, Slovenska državnost, Ljubljana 1989; Joseph Marko, Der Minderheitenschutz in den jugoslawischen Nachfolgestaaten. Slowenien, Kroatien und Mazedonien sowie die Bundesrepublik Jugoslawien mit Serbien und Montenegro (Minderheitenschutz im östlichen Europa 5), Bonn 1996, S. 126 ff. 159 160 ALEKSANDAR KREL Aleksandar Krel Die ethnische Mimikry der deutschen Minderheit im sozialistischen Jugoslawien Vereinswappen der Donau in Neusatz. Einführungsteil1 Bei der Erforschung der ethnischen Identität der heutigen Vojvodinadeutschen, einer der zahlreichen ethnischen und nationalen Minderheiten2, die im Gebiet der Vojvodina, den Nordregionen der Republik Serbien, leben, habe ich Feldforschungen unter den Personen durchgeführt, die sich bei der Volkszählung im Jahre 2002 als Angehörige dieser Gruppe deklariert haben. Die Untersuchung wurde in den Jahren 2004 bis 2008 mehrfach unter Führungspersonen, Aktivisten und Mitgliedern von vier lokalen Nichtregierungsorganisationen durchgeführt, in denen sich Angehörige der deutschen Minderheit zusammengeschlossen haben.3 In meiner Forschung fasse ich den Terminus ethnische Identität4 als Kategorie auf, die durch die Beziehung zwischen der „eigenen“ und den „anderen“ Gruppen gebildet wird. Als ethnische Gruppe habe ich die untersuchte Gemeinschaft der Vojvodinadeutschen als Gruppe erlebt, die ihre Ethnizität nicht a priori hervorbringt, sondern sie „durch die Beziehung mit anderen Gemeinschaften, durch den Identifikationsprozess ihrer Anhänger und die Manifestierung ihrer Identität in der gesellschaftlichen Praxis“ herausbildet.5 Eingedenk dessen, dass die ethnische Identität einer untersuchten Gemeinschaft ein sehr komplexes Phänomen darstellt, kann ihre Erforschung auf die Betrachtung und Untersuchung der objektiven Identitätsparameter der untersuchten ethnischen Gemeinschaft (wie Sprache, Religion und Brauchtum) gerichtet sein, aber sie kann auch auf der Grundlage einer Analyse der subjektiven Erlebnisse, denen ihre Mitglieder selbst durch ihre ethnischen Symbole und ihre gesellschaftliche Praxis (ethnische Stereotype, ethnische Distanz, ethnische Verbundenheit/Nähe u. ä.) Bedeutung zuweisen, durchgeführt werden; zugleich kann die Untersuchung auch auf die Erforschung des Institutionalisierungsgrads der ethnischen Identität (Vereinigungen und amtliche Organisationen, ihre Programme und Projekte, Medien u. ä.) gerichtet sein.6 Da sich die ethnische Identität einer untersuchten Gemeinschaft durch unterschiedliche Aspekte äußert, kann jeder von ihnen selbstständig in das Zentrum des Forschungsinteresse treten. Im Verlauf meiner Untersuchung fiel mir auf, dass einer der wichtigsten Momente im Leben der heutigen Vojvodinadeutschen sich im Jahre 1992 in Neusatz ereignet hat, als sich Die Donau konstituierte – die erste Nichtregierungsvereinigung, in der sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Angehörige der deutschen Minderheit aus dem Raum der Vojvodina zusammengeschlossen haben. Ihre Gründung bedeutete die Beendigung der ethnischen Mimikry der Vojvodinadeutschen, die im sozialistischen Jugoslawien von der Auflösung der Sammellager für Angehörige der deutschen Minderheit (1948) bis in die frühen 1990er Jahre gedauert hat. Im Laufe dieser Periode kam es zum fast vollständigen Verschwinden der ethnischen und kulturellen Identität der Vojvodinadeutschen. Die Gründung der Vereinigung Die Donau in Neusatz initiierte die Bildung ähnlicher Vereinigungen auch in anderen urbanen Zentren der Vojvodina, in denen Deutsche leben. Ihre Führung, Aktivisten und Mitglieder fanden sich vor derselben Aufgabe – der (Re-)Konstruktion der ethnischen Identität der deutschen Gemeinschaft in ihren lokalen Zentren, und danach auch der öffentlichen Manifestierung ihrer wich- DIE ETHNISCHE MIMIKRY DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IM SOZIALISTISCHEN JUGOSLAWIEN 161 tigsten Symbole. Dieses komplizierte Unterfangen von vitaler Bedeutung für die Existenz der deutschen Gemeinschaft in der Vojvodina erforderte die Abkehr von der bisherigen Identitätsstrategie. Deshalb machten sich die Führungspersönlichkeiten der lokalen deutschen Vereinigungen – die die historische Erfahrung gelehrt hatte, dass die Vojvodinadeutschen in der Folge jedes militärischen Konfliktes, der im 20. Jahrhundert ausgetragen worden war, „mit Gnade oder Gewalt“ ihre eigene ethnische Strategie hatten ändern müssen – unmittelbar nach dem Zerfall der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien an den Prozess der Substituierung ihrer Identitätsstrategie. Dieser Prozess wurde durch die Tendenz zur Anpassung der verfassungsrechtlichen Paradigmen für den Schutz nationaler Minderheiten an aktuelle europäische Standards erleichtert.7 Die Deutschen in der Vojvodina von der Ansiedlung bis zum Zweiten Weltkrieg: der sozialhistorische Kontext des Problems Die militärischen Konflikte, die gegen Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts zwischen zwei Imperien, dem österreichischen und dem türkischen, entfacht wurden, führten zur Niederlage des osmanischen Heeres und zu seinem Rückzug aus dem zentralen und dem südlichen Teil Ungarns und wenig später zum Anschluss dieser Territorien an Österreich. Da diese Gebiete infolge der langjährigen türkischen Besetzung entvölkert und zusätzlich durch die Kriegshandlungen zerstört waren, zeigte sich bald die Notwendigkeit, sie zu kolonisieren.8 Angezogen von Sonderrechten und Steuererleichterungen, die von der österreichischen Regierung versprochen wurden, fand sich unter den Kolonisten eine große Zahl deutscher Handwerker und Ackerbauern, die aus den damaligen deutschen Fürstentümern in den mittleren und südlichen Donauraum kamen, um sich dort anzusiedeln. Jedoch dauerte es einige Zeit, die ausgeprägten, vor allem konfessionellen, danach sprachlichen und kulturellen Unterschiede zwischen diesen Kolonisten aus verschiedenen Gebieten des damaligen Deutschland, Frankreich, Österreich und Luxemburg (Baden, Württemberg, Elsass, Lothringen, Sachsen, Tirol, Schlesien und Preußen) zu überwinden. Erst den Generationen ihrer Nachkommen gelang es – nachdem sie sich für die Überwindung der gegenseitigen Unterschiede und das Insistieren auf gemeinsamen kulturellen Charakteristika und Modellen entschieden hatten – sich zu einer Ober-Mühl an der Donau. Auf sogenannten Ulmer Schachteln fuhren deutschsprachige Siedler die Donau hinunter. Im Hafen von Apatin angekommen, setzten sie ihren Weg zu Lande fort. Kolorierter Stahlstich, um 1850. 162 ALEKSANDAR KREL einheitlichen ethnischen Gesamtheit im südlichen Donauraum zu verbinden, den Donauschwaben.9 Die deutsche Literatursprache spielte eine bedeutende Rolle im gesellschaftlichen Leben dieser Gemeinschaft, diente sie doch zur Überwindung der idiomatischen Unterschiede10 zwischen den deutschen Einwanderern und ermöglichte ihre ungestörte Kommunikation. Später, als sich mit der Zeit die Unterschiede zwischen den deutschen Kolonisten angeglichen hatten, diente sie als wichtiges Mittel im Prozess ihrer ethnischen Identifikation und der Herausbildung ihrer separaten ethnischen Gemeinschaft – der Donauschwaben. Durch die Beschlüsse der Pariser Friedenskonferenzen wurden die Donauschwaben entlang der mittleren und südlichen Donau durch die Grenzen der nach dem Zerfall Österreich-Ungarns gebildeten Staaten, in denen sie den Status nationaler Minderheiten erhielten, getrennt. Dasselbe galt für ihre Konnationalen im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen.11 In ihm führten die Deutschen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs kontinuierlich ein reiches und dynamisches Wirtschafts-, Politiksowie Kulturleben und manifestierten öffentlich die Symbole ihrer eigenen nationalen Identität mittels zahlreicher kultureller Institutionen. Die deutsche Sprache war eines der eindeutigsten Symbole ihrer ethnischen Identität. Die Angehörigen der deutschen Minderheit im Königreich Jugoslawien zahlten wie ihre Konnationalen in den anderen Staaten des Donauraums einen allzu hohen Preis für die Entscheidung ihrer damaligen Führung, die Politik des nationalsozialistischen Deutschland und seiner Verbündeten zu unterstützen. Nach der militärischen Niederlage Nazi-Deutschlands traf die Jugoslawiendeutschen wegen der Rolle, die viele ihrer Konnationalen – Staatsbürger Jugoslawiens – beim Angriff der Achsenmächte auf das Königreich Jugoslawien gespielt hatten, große Not wegen der massenhaften Mitwirkung in paramilitärischen und Polizeieinheiten (die als Machthebel des Besatzungssystems dienten) und der Beteiligung an zahlreichen Militär- und Polizeiaktionen dieser Einheiten gegen Aufständische und Zivilbevölkerung auf ihrem Territorium, bei denen Kriegsverbrechen begangen wurden. Die Angehörigen der deutschen Gemeinschaft im gerade befreiten Jugoslawien wurden als Kollektivschuldige für alle Kriegsgräuel ausgemacht und sahen sich mit roher Vergeltung konfrontiert: der Aberkennung ihrer bürgerlichen Rechte, dem Verlust des Eigentumsrechts an ihrem beweglichem und unbeweglichem Besitz (der während der Neubesiedlung der Vojvodina, die kurz darauf folgte, unter den Neusiedlern aus Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro und Makedonien aufgeteilt wurde) und ihrer Internierung in Sammel- und Arbeitslagern. In dieser Zeit gelang es nur wenigen Angehörigen der deutschen Minderheit, den heftigen repressiven Maßnahmen der nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs und der sozialistischen Revolution etablierten jugoslawischen Herrschaft zu entgehen.12 Die Phase der ethnischen Mimikry der Deutschen in der Vojvodina im sozialistischen Jugoslawien Als die jugoslawischen Behörden zu der Auffassung gelangten, dass die Jugoslawiendeutschen eine wichtige Rolle beim wirtschaftlichen Wiederaufbau und der weiteren Entwicklung des vom Krieg verwüsteten Landes spielen konnten, entschlossen sie sich, mit ihrer Reintegration in die „sozialistische Gemeinschaft der Nationen und Nationalitäten“ zu beginnen. Deshalb wurde der Beschluss gefasst, im Jahre 1948 die verbliebenen Sammel- und/oder Arbeitslager aufzulösen, und die dort internierten Personen der deutschen Minderheit in die Freiheit zu entlassen. Leider erlebte eine große Zahl ihrer Konnationalen, darunter vor allem Kinder und alte Leute, diesen Zeitpunkt nicht mehr.13 Die Jugoslawiendeutschen, die sich schließlich in Freiheit befanden, waren verpflichtet, Arbeitsverträge zu unterschreiben (in der Regel für einen Dreijahreszeitraum); erst nach deren Ablauf wurde ihnen erlaubt, ihren Wohnort frei zu wählen. Jedoch lebten in diesem Zeitraum viele unter sehr schlechten Bedingungen, waren sie doch mit ihren Familienmitgliedern auf provisorische Unterkünfte verteilt.14 DIE ETHNISCHE MIMIKRY DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IM SOZIALISTISCHEN JUGOSLAWIEN Mit Zustimmung der Regierung begann man, deutsche Kultur-, Kunst- und Sportgesellschaften zu gründen; es wurden einige Schulabteilungen eröffnet, in denen die Kinder Unterricht in deutscher Sprache besuchen konnten, und es erschienen auch einige deutschsprachige Zeitungen. Den Jugoslawiendeutschen wurden nach und nach die bürgerlichen Rechte wieder gewährt.15 Jedoch führten die organisierten Versuche der Regierung, die verbliebenen Deutschen aktiv in das gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Leben zu integrieren, nicht zu den erwarteten Ergebnissen. Die Mehrzahl der Jugoslawiendeutschen entschied sich im Laufe der 1960er Jahre, ihr legitimes Recht zur Aussiedlung wahrzunehmen (vor allem zu bereits geflüchteten Verwandten in die Bundesrepublik Deutschland und nach Österreich); in Jugoslawien verblieb, konzentriert in der Vojvodina, nur eine kleine Zahl von Angehörigen dieser nationalen Gruppe. So wie allmählich der Druck nachließ, dem sie in den vorangegangenen Jahrzehnten ausgesetzt gewesen waren, verbesserte sich nach und nach auch ihre Lage. Obwohl ihre Rechte seit Mitte der 1960er Jahre formal den Rechten der anderen nationalen Minderheiten in Jugoslawien angeglichen wurden, waren die Erinnerungen an die unter der Last der Repression erlebten Jahrzehnte noch immer sehr stark und bestimmten entscheidend die Identitätsstrategie der Mitglieder dieser ethnischen Gemeinschaft. Geprägt von den bitteren Erinnerungen an die Lagertage und bedrängt von der misstrauischen Haltung der Umgebung, ein Ergebnis der immer noch virulenten antideutschen Haltung, ohne formelle gegenseitige Verbundenheit und Zusammenarbeit, ohne eine Institution, die sie auf irgendeine Weise organisiert und sich um ihre Lage in der Gesellschaft gesorgt hätte, entschied sich die größte Zahl der in Jugoslawien verbliebenen Deutschen für die ethnische Mimikry. Diese Identitätsstrategie16 kennzeichnen der bewusste zeitweise oder dauerhafte Verzicht auf die öffentliche Verwendung der Symbole und/oder ethnischen Identitätsmarker der eigenen Gemeinschaft wie auch die bewusste Übernahme und öffentliche Verwendung der Symbole und/oder Marker anderer ethnischer Gruppen aus dem unmittelbaren Umfeld, die zu diesem Zeitpunkt eine günstigere gesellschaftliche Stellung haben.17 So deklarierten sich in den zwischen 1945 und 1991 durchgeführten Volkszählungen Personen deutscher Herkunft als Ungarn, Kroaten, Tschechen, Serben oder als Angehörige einer anderen ethnischen Gruppe aus der unmittelbaren Umgebung, da die Angst aufgrund der traumatischen Nachkriegserfahrungen noch immer nachwirkte. In den meisten Fällen legten sie für einige Zeit oder für immer ihre eigenen Vor- und Familiennamen ab und/oder verbargen sie, oft indem sie andere, unter den Angehörigen der ungarischen, kroatischen, serbischen oder irgendeiner anderen ethnischen Gruppe verbreitete Vor- und Familiennamen annahmen.18 Von der Tarnung der ethnischen Zugehörigkeit in schweren Zeiten zeugt das Beispiel eines Befragten aus Subotica, der in einer gemischten Ehe mit einem deutschen Vater und einer ungarischen Mutter geboren worden war. Bald nach seiner Verhaftung im Herbst 1944 und der Abführung in ein Sammellager starb der Vater. Aus Furcht um das eigene Schicksal und das des Kindes legte die Mutter meines Interviewpartners zuerst amtlich den gemeinsamen Familiennamen ab und nahm ihren Mädchennamen wieder an, der zum amtlichen Familiennamen meines Interviewpartners und seiner Mutter wurde. Gleichzeitig änderte die Mutter auch seinen Vornamen und gab ihm einen neuen, unter den Ungarn in der Vojvodina relativ verbreiteten Vornamen. Dieses Vorgehen stellt einen der für diese Zeit typischen und gar nicht seltenen Versuche dar, die sichtbaren Verbindungen mit der deutschen Minderheit oder mindestens die offensichtlichsten Elemente, auf die sich ihre ethnische Identität gründete, auszulöschen. Auf die Frage, wie er mit seiner ethnischen Identität nach der Änderung des Vor- und Familiennamens umgegangen ist, beziehungsweise nach den Ereignissen, die, wie er selbst bestätigte, in großem Maße seine Kindheit und Jugend geprägt haben, antwortete mein Interviewpartner: „Auch wenn mir die Mutter erzählt hat, dass die Deutschen ein sehr tüchtiges Volk sind und dass man sich ihrer nicht schämen muss und man ihre Sprache lernen soll, soll man sich damit nicht brüsten.“ (männlich, Jahrgang 1943, Subotica) 163 164 ALEKSANDAR KREL Das ist einer von zahlreichen Fällen unter den Vojvodinadeutschen, die damals einen ethnischen Transfer ausgeführt haben. Bei dessen Vollzug behielt mein Interviewpartner trotz der Aufgabe der deutschen Identität und der öffentlichen Manifestation von Symbolen, die für die Identität der Ungarn in der Vojvodina charakteristisch sind, das Bewusstsein, dass er sich deshalb so verhielt, weil er sich davor fürchtete, seine ethnische Zugehörigkeit in seinem Lebensumfeld offen zu erklären.19 Unter den Angehörigen der deutschen Minderheit in Karlowitz, die das Schicksal ihrer Konnationalen in der Vojvodina teilten, war die ethnische Mimikry ebenfalls die dominante ethnische Strategie. Der größte Teil ihrer Mitglieder entschied sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für die bewusste und planmäßige Tarnung und/ oder das Ablegen des Deutschtums und die Akzeptenz von Symbolen/Markern der ethnischen Identität von ethnischen Gruppen aus der unmittelbaren Umgebung. Zur bewussten „Nachgiebigkeit“ und/oder „Durchlässigkeit“ der ethnischen Grenzen der deutschen Gemeinschaft trug die beträchtliche Zahl an Mischehen bei, die zwischen Ehepartnern deutscher Herkunft und Ehepartnern aus anderen ethnischen Gruppen geschlossen wurden.20 Eine lokale Besonderheit von Karlowitz macht der massenhafte Prozess des „ethnischen Transfers“ von lokalen Deutschen zu Kroaten aus, der gutenteils durch die zahlreichen Mischehen der beiden Gemeinschaften stimuliert wurde, so dass ein Teil der Einwohner dieser syrmischen Stadt unter Ausnutzung der so entstandenen „Familienverbindungen“ zeitweise oder für immer die deutsche ethnische Gemeinschaft verließ und in die kroatische „überging“. Durch diesen „Übergang“ schützten die lokalen Deutschen, die Kroaten wurden, in den ersten Nachkriegsjahrzehnten nicht nur sich und ihre Familienmitglieder vor Repressionsmaßnahmen, sondern sie vollzogen auch – bewusst oder unbewusst – eine Veränderung ihres gesellschaftlichen Status. Indem sie ihr Deutschtum ablegten, legten sie nicht nur ihre ethnische Identität ab, sondern auch den gesellschaftlichen Status als Angehörige einer Minderheit, deren damalige Lage nicht beneidenswert war. Indem sie sich öffentlich als Kroaten bekannten, nahmen die lokalen Deutschen gleichzeitig den Status von Angehörigen eines der staatstragenden jugoslawischen Völker an. Durch den „ethnischen Transfer“ wollten die Deutschen in Karlowitz also auch ihre damals schlechte gesellschaftliche Lage verbessern.21 Daneben hatte sich bei einem Teil der Deutschen aus Karlowitz als Folge der lange andauernden Präsenz in diesem multiethnischen Raum bei gleichzeitiger kontinuierlicher Schwächung der kulturellen Verbindung zum Mutterland mit der Zeit das Bewusstsein der Zugehörigkeit zur lokalen Gemeinschaft gestärkt und war an die erste Stelle getreten. In einigen Fällen war die Stärkung der lokalen Identität durch die Schwächung oder das vollständige Aufhören der Identifikation mit der deutschen Gemeinschaft der entscheidende Faktor für den ethnischen Transfer von Deutschen in Karlowitz. Wenn es um die Religion als einem der entscheidendsten Symbole der ethnischen Identität geht, ist es interessant, dass sie in dieser Phase nicht nur kein Hindernis bei der Realisierung der ethnischen Mimikry der Vojvodinadeutschen darstellte, sondern in gewissem Umfang auch ihre Verwirklichung erleichterte. Da die in der Vojvodina angesiedelten Deutschen der römisch-katholischen, der reformierten und der lutherischen Konfessionsgemeinschaft angehörten, fiel ihnen der „Übergang“ in eine ethnische Gruppe ihrer Umgebung leichter, in deren Umfeld sie ungestört ihre bisherige religiöse Identität beibehalten konnten. Deshalb erklärten sie sich vor allem als Ungarn, Kroaten, Tschechen oder Slowenen.22 Die Deutschen römisch-katholischer Konfession in Karlowitz fanden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ihren modus vivendi, indem sie sich massenhaft zu Kroaten erklärten. Ihre Entscheidung, den eigenen „Identitätsanzug“ „abzulegen“ und den der kroatischen ethnischen Gemeinschaft „anzuziehen“, hatte einen komplizierten Kontext. Das jahrhundertelange Zusammenleben von Kroaten und Deutschen in dieser syrmischen Ortschaft schuf vielfältige und intensive gesellschaftliche, familiäre und wirtschaftliche Kontakte, mittels derer der gegenseitige Austausch des kulturellen Erbes und die gegenseitige Verbindung der Mitglieder beider Gemeinschaften praktiziert wurden. DIE ETHNISCHE MIMIKRY DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IM SOZIALISTISCHEN JUGOSLAWIEN Deshalb war der Großteil der deutschen Bevölkerung in Karlowitz „bereits bereit“ für den Prozess der Kroatisierung, den die Tatsache erleichterte, dass insbesondere die römisch-katholischen Priester überwiegend in Kroatien ausgebildet worden waren.23 Im Unterschied zu ihren römisch-katholischen Mitbürgern und Konnationalen fanden die wenigen evangelischen Deutschen in Karlowitz in ihrem unmittelbaren Umfeld keine ethnische Gruppe, an die sie sich unter Wahrung ihrer konfessionellen Identität hätten anschließen können, weshalb sie nicht aufhörten, öffentlich ihr Deutschsein zu zeigen bzw. sich als Deutsche zu deklarieren.24 Diese kleine Personengruppe, die mit reichlich Anstrengung ihre Furcht beherrschen musste und sich für die Zugehörigkeit zur deutschen Minderheit entschied, verzichtete im Alltagsleben auf die öffentliche Präsentation der Symbole ihrer ethnischen Identität. Das Bewusstsein für die deutsche Identität war innerhalb des Familienkreises präsent, gelegentlich wurde es unter nahen Verwandten und Freunden gezeigt, aber nie in der Öffentlichkeit. Die wenigen Deutschen in Karlowitz, die in der Nachkriegszeit ihre eigene ethnische Zugehörigkeit nicht ablegten, posaunten diese nicht hinaus, sondern lebten als versteckte Minderheit in einer Art „ethnischer Illegalität“25. In Verfolgung dieser Identitätsstrategie organisierten die Vojvodinadeutschen bis zum Ende des 20. Jahrhunderts keine öffentlichen Feiern, um wichtige religiöse oder historische Gedenktage zu begehen. Über die Zeit, die durch die ethnische Mimikry der Deutschen bzw. ihre Option für die kroatische ethnische Gemeinschaft gekennzeichnet war, zeichnete ich während meines Aufenthalts in Karlowitz ein interessantes Zeugnis Herrn Stjepan Seders auf, des Vorsitzenden der Deutschen Vereinigung für gut nachbarliche Beziehungen „Karlowitz“, der sagte: „Ich habe mich nicht sofort als Deutscher erklärt. Man hat mich bis zu meinem 18. Lebensjahr in Schulunterlagen und anderen Dokumenten als Kroate geführt. Das war unstrittig, weil ein großer Prozentteil der Deutschen in Karlowitz, um nicht zu sagen alle, sich nach dem Zweiten Weltkrieg als Kroaten erklärte. Das war de facto ihr modus vivendi. Als ich 18 Jahre alt wurde, begann ich, mich als ‚Jugoslawe’ zu erklären.“26 Neben den angeführten Fällen des „Übergangs“ von Deutschen in Karlowitz zu Kroaten gibt es in den Jahrzehnten unmittelbar nach der Befreiung auch Beispiele ihrer Transformation zu Serben. Bekannt ist der Fall einer sehr angesehenen Familie in Karlowitz, die die deutsche Identität zugunsten der serbischen aufgab. Konkreter Anlass für den Wechsel der ethnischen Bestimmung war die Verhaftung des jüngsten Familienmitglieds, damals Gymnasiast. Er wurde mit einer Gruppe seiner Schulkollegen, darunter Kroaten, Ungarn und Deutsche, wegen des Verdachts verhaftet, Kollaborateur der Besatzungsmacht gewesen zu sein und/oder wegen reaktionärer Äußerungen in der Öffentlichkeit, und verbrachte einige Zeit im Gefängnis. Nach der Untersuchung durch die Behörden, die seine Unschuld feststellten, wurde er freigelassen. Nach seiner Rückkehr aus dem Gefängnis fassten die beunruhigten und verängstigten Familienmitglieder den Entschluss, von Deutschen zu Serben zu werden und das römisch-katholische durch das orthodoxe Bekenntnis zu ersetzen. Dieser Beschluss wurde in dem Wunsch gefasst, in Zukunft eventuelle Unannehmlichkeit wegen der ethnischen, aber auch religiösen Identität zu vermeiden, bzw. um durch die Annahme der ethnischen und religiösen Identität der ethnischen Mehrheitsgruppe in Karlowitz die Loyalität der Familie zu bestätigen und in Frieden in dem Ort zu leben, in dem sie geboren worden waren und in dem Generationen ihrer Vorfahren gelebt hatten. Die 165 Zweisprachige Zeitschrift des Vereins Karlowitz. 166 ALEKSANDAR KREL Entscheidung für den Wechsel der ethnischen und/oder religiösen Identität wurde dadurch erleichtert, dass die Mutter des verhafteten jungen Mannes Serbin war.27 Während der Phase der ethnischen Mimikry der Vojvodinadeutschen verzichteten sie bis in die 1990er Jahre völlig auf den Gebrauch ihres Mutteridioms28 in der öffentlichen, zum guten Teil auch in der privaten Kommunikation. In diesem Zeitraum, in dem die deutsche Sprache vollständig aus der öffentlichen Kommunikation in der Vojvodina verdrängt war, besuchten die Angehörigen der deutschen Minderheit den Unterricht in einer der Amtssprachen, in Serbo-Kroatisch oder in Ungarisch. Die Angst war so präsent unter den Vojvodinadeutschen, dass sie auch im Gespräch mit nahen Verwandten und sogar mit Familienmitgliedern ihre Muttersprache vermieden. Die Kommunikation in deutscher Sprache wurde für sie ein Tabuthema und Gespräche wurden nur in der Sprache oder den Sprachen der ethnischen Gruppen aus dem Umfeld geführt, was mehrere meiner Interviewpartner bestätigt haben: „Als wir das Lager verlassen hatten, unterhielten sich meine Mama und ich deutsch, aber sobald sich zufällig irgendjemand in der Nähe befand, wechselten wir sofort zum Serbischen. Deutsch konnte man auf der Straße kein einziges Wort hören.“ (männlich, Jahrgang 1939, Sombor) „Mein Vater hat mit uns niemals ein deutsches Wort gesprochen, wissen Sie, nur ungarisch.“ (männlich, Jahrgang 1951, Subotica) „In meiner Familie war die deutsche Sprache nach dem Zweiten Weltkrieg ein absolutes Tabuthema. Niemand wagte es, sich in der deutschen Sprache zu unterhalten. Meine Mutter konnte das Ungarische nicht gut, aber sie musste es in kurzer Zeit gut beherrschen, um sich so schnell wie möglich an die Ungarn zu assimilieren. Die Meinen haben ebenfalls begonnen, sich als Ungarn zu deklarieren, und erst seit Kurzem haben sie begonnen, sich als Deutsche zu erklären.“ (männlich, Jahrgang 1966, Apatin) Am Arbeitsplatz und in der Kommunikation mit Angehörigen der ethnischen Gemeinschaften in ihrer Umgebung, aber auch untereinander, bedienten sich die Vojvodinadeutschen der serbo-kroatischen und/oder der ungarischen Sprache. „Das ist völlig normal, dass wir untereinander serbisch oder ungarisch gesprochen haben, vor allem aus technischen Gründen, denn sonst hätten wir im Unternehmen nicht normal arbeiten können. Wir waren jeweils 20 bis 30 Serben, Ungarn, Bunjewatzen, verschiedene [...] und dann war es normal, dass man sich mit ihnen unterhalten musste, das war überall so, und immer wenn sich an mich ein Serbe gewandt hat, habe ich mit ihm serbisch, und wenn ein Ungar gekommen ist, hab ich mit ihm ungarisch gesprochen.“ (männlich, Jahrgang 1943, Subotica) „Wenn wir auf der Arbeit zusammen gearbeitet haben, habe ich einige Kollegen auf Ungarisch angesprochen, andere auf Serbisch. Das war üblich.“ (männlich, Jahrgang 1951, Subotica) Der vollständige Rückzug der deutschen Sprache aus der öffentlichen Kommunikation vor den dominanten Idiomen der Mehrheitsgemeinschaften aus der Umgebung und ihre teilweise Bewahrung in der Sphäre der privaten Kommunikation, genauer, ausschließlich im Kreis der Familie, führte zu ihrem vollständigen Verschwinden von den Straßen und Gassen der Vojvodina, bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts der Prozess der Gründung von Vereinigungen einsetzte, die die Angehörigen der deutschen nationalen Minderheit zusammenschließen. Dieses Sprachverhalten war einerseits durch das veränderte Kräfteverhältnis zwischen deutscher Minderheit und den Mehrheitsgruppen in ihrer Umgebung bedingt, andererseits durch die negative Einstellung gegenüber den Werten der deutschen Minderheit und ihrer Sprache, sowohl bei den Mehrheitsgruppen, als auch bei der Minderheitsgemeinschaft selbst. Sein Verlauf und endgültiger Ausgang wurden durch eine große Zahl exogamer Eheschließungen erleichtert, die durch ihre Bilinguität die Übernahme des Mehrheitsidioms begünstigten. „Die deutsche Sprache war in Sombor nach 1945 nirgends mehr zu hören. So war es bis in die 1990er Jahre. Damals habe ich das erste Mal nach so vielen Jahren die deutsche Sprache auf der Straße in Sombor gehört. Da standen zwei alte Frauen vor einem Laden und unterhielten sich deutsch. Obwohl ich sie persönlich kannte, hätte DIE ETHNISCHE MIMIKRY DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IM SOZIALISTISCHEN JUGOSLAWIEN ich nie gedacht, dass sie beide Deutsche sind. Ich war ziemlich überrascht, und es hat mich gefreut.“ (männlich, Sombor, 68 Jahre) Der Industrialisierungs- und Urbanisierungsprozess, der Jugoslawien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfasste und charakterisiert wurde durch die Schaffung einer größeren Zahl von Arbeitsplätzen in Fabriken und Betrieben in den urbanen Zentren und an ihren Rändern, beschleunigte die Abwanderung eines bedeutenden Teils der verbliebenen Deutschen, insbesondere der Jungen, aus den dörflichen Milieus und ihre Ansiedlung in den städtischen Zentren der Vojvodina.29 Städtische Zentren erwiesen sich wegen ihrer bunt gemischten ethnischen Zusammensetzung, ihres mehrsprachigen Charakters und ihrer Multikulturalität als geeignetere Orte für die Durchführung dieser Identitätsstrategie der Vojvodinadeutschen als das Dorf, das eine relativ kleine und isolierte Gemeinschaft bildete. Die ethnische Mimikry und die allgemeine Atmosphäre, in der damals die Angehörigen der deutschen Minderheit gelebt haben, illustrierte auf sehr anschauliche Weise eine meiner zahlreichen Interviewpartnerinnen aus Apatin, als sie die Bedingungen kommentierte, die sie damals bewogen, sich als Ungarin zu erklären, obwohl ihre unmittelbare Umgebung wusste, dass sie Deutsche war: „Wir wären auch Chinesen gewesen, wenn man uns nur in Ruhe ließ!“30 In den 1990er Jahren kam es mit dem Auseinanderfallen AVNOJ-Jugoslawiens zum „Erwachen“ der Vojvodinadeutschen aus dem Zustand der „ethnischen Hibernation“, womit sich ein weiterer Wechsel der Identitätsstrategie der Vojvodinadeutschen ankündigte. Die Ablösung der Strategie der ethnischen Mimikry durch eine Strategie der öffentlichen Manifestierung ethnischer Identitätsmerkmale entwickelte sich schrittweise und wurde mit der Herausbildung der neuen Staaten auf dem Territorium der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) und der Neudefinierung des Staates, in dem die Vojvodinadeutschen leben, fortgesetzt. Obwohl die Substituierung der beiden Identitätsstrategien 1992 mit der Gründung der Vereinigung Die Donau in Neusatz begonnen wurde, erlebte sie ihre volle Realisierung erst im Laufe des Transformationsprozesses. Erst damals machte sich die Regierung der damals bestehenden staatlichen Einheit von Serbien und Montenegro31 im Zusammenhang mit der Umbildung der einstigen sozialistischen Gesellschaft in eine Gesellschaft des Marktkapitalismus und der Mehrparteiendemokratie nach 2002 daran, die die nationalen Minderheiten betreffenden verfassungsrechtlichen Paradigmen an die aktuellen europäischen Standards anzupassen. Fazit Die Forschungen, die ich in vier lokalen Vereinigungen von Vojvodinadeutschen durchgeführt habe, bestätigen die Annahme, dass jede Gemeinschaft ihre Ethnizität ausschließlich im Bezug auf andere ethnische Gruppen in ihrer Umgebung ausbildet. Die ethnische Identität der untersuchten Gemeinschaft zeigt die Fähigkeit, sich in Abhängigkeit vom Einfluss unterschiedlicher gesellschaftlicher und historischer Bedingungen zu transformieren. Die Auswahl der Identitätsstrategie – der Modalitäten des Ausdrucks der wichtigsten Symbole der Ethnizität – hing bei den Vojvodinadeutschen von der Position ab, die diese ethnische und/oder nationale Minderheit in der Gesellschaft einnahm und der Qualität der Beziehungen, die ihre Angehörigen zur Mehrheitsbevölkerung (aus einer oder mehreren ethnischen Gemeinschaften) hatten. Die deutsche Minderheit war im Verlauf des 20. Jahrhunderts wegen der turbulenten politischen Ereignisse dreimal gezwungen, ihre Identitätsstrategie zu ändern. Jeder dieser Wechsel wurde unter dem Einfluss der jeweils aktuellen internationalen und innerstaatlichen politischen Ereignisse initiiert, die sich in einer jeweils veränderten Lage der deutschen Minderheit in der jugoslawischen Gesellschaft widerspiegelten. Deshalb beschritten die in der Vojvodina konzentrierten Jugoslawiendeutschen in knapp vier Jahrzehnten den dornigen Weg von der einst zahlreichsten und institutionell meist entwickelten Minderheit im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen zu einer nationalen Minderheit, die heute vor den großen Herausforderungen der Revitalisierung der eigenen ethnischen Identität steht. 167 168 Gedenkkreuz in Gakowa, 2009. ALEKSANDAR KREL Die Vojvodinadeutschen nutzten die aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen nach dem Zerfall der SFRJ, legten die ethnische Mimikry ab und begannen ihren „Ausweg aus der jahrzehntelangen ethnischen Illegalität“. Organisiert in lokalen Nichtregierungsorganisationen, die Angehörige der deutschen Minderheit um sich sammeln, nutzen sie die gesetzlich gewährten Rechte und ein günstiges gesellschaftliches Klima und entscheiden sich für die freie, öffentliche Manifestierung der Symbole ihres Deutschseins. Heute bestehen auf dem Gebiet der Vojvodina mehr als zehn solcher Vereinigungen, und die Bildung neuer Vereinigungen ist im Gange. Ihre Aktivitäten haben das Ziel, die ethnische Identität der Deutschen in den lokalen Zentren zu reaktivieren – vor allem durch die Organisation von Deutschkursen, die Begehung kirchlicher Feiertage, Gottesdiensten in deutscher Sprache, Kranzniederlegungen auf Friedhöfen und an Massengräbern von Vojvodinadeutschen, durch die Auslobung von Stipendien für Oberschüler und die Zusammenarbeit mit ähnlichen Institutionen im In- und Ausland. Folglich ist alles dem Prozess ihrer „Wiederbelebung“ untergeordnet, doch wie sich dieser Prozess in Zukunft entwickeln wird, wird die Zeit zeigen. In jedem Fall ist die Zeit der ethnischen Mimikry der Vojvodinadeutschen in die Geschichte eingegangen, doch sind ihre Folgen bis heute zu spüren, da sie den Prozess der ethnischen und kulturellen Assimilation eines bedeutenden Teils der deutschen Bevölkerung beschleunigt hat. Das ist folglich ein bedeutender Faktor, der auch den Wechsel der Selbstwahrnehmung der Vojvodinadeutschen und die Ablegung ihrer Mimikry stark beeinflusst hat, bedeutete er doch das Ende einer Ära, in der man die offene Manifestierung der Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft unter ihren Mitgliedern, aber auch in ihrem Umkreis als beschämend, in einigen Fällen auch gefährlich angesehen hat. Gerade das Beispiel der Vojvodinadeutschen unterstreicht, wie stark gesellschaftliche Bedingungen und der historische Kontext die Selbstwahrnehmung einer ethnischen Gruppe beeinflussen, denn wenn heute die Angehörigen der deutschen Gemeinschaft in der Vojvodina stolz sagen, dass sie Deutsche sind, begleitet diese Zugehörigkeitsbestimmung im Unterschied zur Nachkriegszeit, als sie ein ausgesprochen negatives Vorzeichen mit sich trug, eine positive Konnotation. 1 2 Die Arbeit entstand als Ergebnis des vom Ministerium für Bildung und Wissenschaft der Republik Serbien finanzierten Projekts Multiethnizität, Multikulturalität, Migration & aktuelle Prozesse (Nummer 177027). Die Begriffe ethnische Minderheit und nationale Minderheit stehen untereinander in sehr enger Verbindung, und der Unterschied in ihrem Status entsteht aus den Kriterien, aufgrund derer sie untersucht werden. Sie können politisch und ethnologisch/anthropologisch sein. Auf der Grundlage des politischen Kriteriums versteht man unter dem Terminus Minderheit Minderheitengemeinschaften in einer gegebenen Gesellschaft, die ihren Mutterstaat haben, in der diese Gemeinschaft die Mehrheit bildet. Blicken wir aus der ethnologisch/anthropologischen Perspektive, bezeichnet der Terminus Minderheit jede Gemeinschaft, die eine bestimmte kulturelle Besonderheit zeigt, und als Minderheiten sieht man alle Gemeinschaften an, die kein Mutterland haben und die in einem oder mehreren Staaten leben und in ihnen allen Minderheiten bilden (Saša Nedeljković, Čast, krv i suze – ogledi iz antropologije etniciteta i nacionalizma [Ehre, Blut und Tränen – Proben aus der Anthropologie der Ethnizität und des Nationalismus] (Biblioteka svet u ogledolo uma), DIE ETHNISCHE MIMIKRY DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IM SOZIALISTISCHEN JUGOSLAWIEN Beograd 2007, S. 31). In dieser Arbeit übernehme und benutze ich Eriksens Definition der ethnischen Minderheit, mit der er eine zahlenmäßig in Bezug auf die übrige Bevölkerung inferiore Gruppe in einer Gesellschaft oder einem Staat kennzeichnet, die politisch nicht dominant ist und die sich als ethnische Kategorie reproduziert, worunter man das Bestehen einer symbolischen Gemeinschaft versteht, deren Mitglieder das Bewusstsein ihrer Unterschiedlichkeit besitzen und den Wunsch haben, dass sich dieses Bewusstsein auch in den Folgegenerationen erhält (Thomas Hylland Eriksen, Etnicitet i nacionalizam [Ethnizität und Nationalismus], Beograd 2004 [Ethnicity and Nationalism, London 1993], 210). Ebenso akzeptiere und nutze ich die Unterschiede bei der Definition der Begriffe ethnische Minderheit und nationale Minderheit in identischer Weise wie es bei Prelić für die Bedürfnisse der Erforschung der serbischen Gemeinschaft in Ungarn formuliert worden ist (Mladena Prelić, (N)i ovde (n)i tamo. Etnički identitet Serba u Mađarskoj na kraju XX veka [(Weder) sowohl hier (noch) als auch dort. Die ethnische Identität der Serben in Ungarn am Ende des 20. Jahrhunderts] (Posebna izdanja / Etnografski institut Srpske akademije nauka i umetnosti 64), Beograd 2008, S. 64 – 65). Danach sind die Vojvodinadeutschen eine ethnische Minderheit, aber gleichzeitig genießen sie in Serbien den Status einer nationalen Minderheit bzw. sind Bürger eines Staates (Serbien), die einen anderen Staat (die Bundesrepublik Deutschland) als ihr Mutterland sehen (Aleksandar Krel, Etnički identitet Nemaca u Vojvodini [Die ethnische Identität der Deutschen in der Vojvodina]. Ungedruckte Dissertation, Beograd 2011, S. 29). 3 Die Forschung wurde in folgenden Vereinigungen durchgeführt: Deutscher Volksverband (Nemački narodni savez) in Subotica, Deutscher Verein Adam Berenz (Nemačko udruženje Adam Berenc) in Apatin, Humanitäre Vereinigung der Deutschen „Gerhard“ (Humanitarno udruženje Nemaca „Gerhard“) in Sombor und Deutsche Vereinigung für gutnachbarliche Beziehungen „Karlowitz“ (Nemačko udruženje za dobrosusedske odnose „Karlowitz“) in Karlowitz. 4 In dieser Arbeit sehe ich ethnische Identität als Begriff an, der sich nicht auf einen objektiven Zustand, sondern auf den subjektiven symbolischen Prozess der Abgrenzung zweier verschiedener ethnischer Gruppen, von uns und den anderen, bezieht, den man gewöhnlich als Barthsches Ethnizitätskonzept bezeichnet (nach dem norwegischen Anthropologen Fredrik Barth). Dabei wird davon ausgegangen, dass die ethnische Identität von den historischen Gegebenheiten und von dem gesellschaftlichen Kontext abhängt, die charakteristisch für den untersuchten Zeitpunkt sind. Ethnische Identität verstehe ich als symbolische Organisation gesellschaftlicher Beziehungen oder die symbolische Art der Verbindung zwischen den Mitgliedern einer ethnischen Gruppe, die in Übereinstimmung mit den Bedürfnissen dieser Gruppe mobilisiert und/oder demobilisiert werden können und deshalb Veränderungen und Neudefinitionen bezüglich der Bedeutung und Verwendung der Symbole/Marker der ethnische Identität unterliegen (vgl. Fredrik Bart, Etničke grupe i njihove granice [Die ethnischen Gruppen und ihre Grenzen], in: Filip Putinja / Žoslin Stref–Fenar, Teorije o etnicitetu [Theorien über Ethnizität] (Biblioteka XX vek), Beograd 1997). 5 Nedeljković, Čast, krv i suze – ogledi iz antropologije etniciteta i nacionalizma, S. 28. 6 Ebd., S. 29. 7 Aleksandar Krel, Položaj nemačke nacionalne manjine u Vojvodini na primeru Nemaca u Subotici [Die Lage der deutschen nationalen Minderheit in der Vojvodina am Beispiel der Deutschen in Subotica], in: Vojislav Stanovčić (Hg.), Položaj nacionalnih manjina u Srbiji = Status of National Minorities in Serbia. Zbornik radova sa naučnog skupa održanog 24 – 26. novembra 2005 (Srpska akademija nauka i umetnosti: Naučni skupovi 120 = Odeljenje društvenih nauka 30), S. 440 – 441. 8 Dieses grandiose Projekt des österreichischen Kaiserreichs, das in drei Hauptetappen im 18. Jahrhundert entwickelt wurde, hatte zum Ziel, die militärische Präsenz und den politischen Einfluss der Habsburgermonarchie zu stärken und die Bedingungen für ihre demographische Expansion und ihre wirtschaftliche Erholung zu schaffen. Neben der Verwirklichung der Primärziele führte die Kolonisation zur Schaffung eines nicht alltäglichen ethnischen Mosaiks, das immer noch in der ethnischen Struktur dieser Gebiete gegenwärtig ist, insbesondere in der Vojvodina mit ihrer spezifischen multiethnischen, multikulturellen und multilingualen Beschaffenheit, in der mehr als 25 ethnische Gemeinschaften existieren (Borislav Jankulov, Pregled kolonizacije Vojvodine u XVIII i XIX veku [Übersicht der Kolonisierung der Vojvodina im 18. und 19. Jahrhundert] (Matica srpska: Posebna izdanja), Novi Sad 1961). 9 Diesen Terminus gebrauchte als erster der deutsche Geograph Hermann Rüdiger, um mit ihm den Unterschied zwischen den Schwaben in Schwaben und den Schwaben, die in Ungarn und Rumänien lebten, zu betonen (angegeben nach Zoran Janjetović, Nemci u Vojvodini [Die Deutschen in der Vojvodina], Beograd 2009, S. 15). 10 Der Terminus Idiom bedeutet in diesem Fall „alle Sprachcodes, die die Mitglieder einer Gemeinschaft [...] in ihrem Repertoire haben.“ (Tanja Petrović, Srbi u Beloj Krajini. Jezička ideologija u procesu zamene jezika [Serben in der Bela Krajina. Sprachideologie im Prozess des Sprachwechsels] (Posebna izdanja / Balkanološki institut Srpske akademije nauka i umetnosti 109), Beograd 2009, S. 29). 11 Unmittelbar nach der Gründung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen bildeten die Deutschen die zahlenmäßig stärkste Minderheit. Nach den statistischen Angaben der ersten Volkszählung nach dem Ersten Weltkrieg im Jahre 1921 lebten im Königreich der Serben, Kroa- 169 170 ALEKSANDAR KREL 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 ten und Slowenen 505.790 Angehörige der deutschen Minderheit, was ungefähr 4,22 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachte (Friedrich Binder, Promemoria [Denkschrift], in: Nenad Stefanović (Hg.), Jedan svet na Dunavu. Razgovori i komentari [Eine Welt an der Donau. Gespräche und Kommentare], München/Beograd 2003, S. 124 –125). Detaillierter bei: Zoran Janjetović, Between Hitler and Tito. The disappearance of the Vojvodina Germans, Belgrade 2000; Zoran Janjetović, Deca careva, pastorčad kraljeva. Nacionalne manjine u Jugoslaviji 1918 –1941 [Kinder der Kaiser, Stiefkinder der Könige. Die nationalen Minderheiten in Jugoslawien 1918 –1941], Beograd 2005; Zoran Janjetović, Proterivanje nemačkog i mađarskog življa iz Vojvodine na kraju drugog svetskog rata [Die Vertreibung des deutschen und des ungarischen Bevölkerungsteils aus der Vojvodina am Ende des Zweiten Weltkriegs], in: Hereticus. Časopis za preispitivanje prošlosti 4 (2006), No. 3 – 4; Janjetović, Nemci u Vojvodini. Janjetović, Proterivanje nemačkog i mađarskog življa iz Vojvodine na kraju drugog svetskog rata, S. 115. Janjetović, Nemci u Vojvodini, S. 38. Goran Nikolić, Nemci u Vojvodini između dva svetska rata. Formiranje nacionalnog identita [Die Deutschen in der Vojvodina zwischen den beiden Weltkriegen. Die Herausbildung der nationalen Identität], in: Nenad Stefanović (Hg.), Jedan svet na Dunavu. Razgovori i komentari [Eine Welt an der Donau. Gespräche und Kommentare], München/Beograd 2003, S. 172 –186. Unter Strategie verstehe ich jede bewusste und absichtliche Aktivität, deren Ziel die Bewahrung der ethnischen Identität ist (Slobodan Naumović, The Cultural Affirmation Strategy, in: Etnološki pregled = Ethnological Review 26 (1990), S. 49 – 63). Aleksandar Krel, Promene strategije etničkog identiteta Nemaca u Subotici u drugoj polovini 20. veka [Der Wechsel in der ethnischen Identitätsstrategie von Deutschen in Subotica in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts], in: Glasnik Etnografskog instituta Srpske akademije nauka i umetnosti 54 (2006), S. 324. Krel, Promene strategije etničkog identiteta Nemaca u Subotici u drugoj polovini 20. veka, S. 324. Ebd., S. 326. Aleksandar Krel, Bili bismo i Kinezi, samo da nas ostave na miru: (re)konstrukcija etničkog identiteta Nemaca u Vojvodini [Wir wären auch Chinesen gewesen, wenn man uns nur in Ruhe gelassen hätte. Die (Re)Konstruktion der ethnischen Identität der Deutschen in der Vojvodina], in: Antropologija. Časopis Centra za etnološka i antropološka istraživanja Filozofskog fakulteta u Beograd 9 (2009), S. 77. Krel, Bili bismo i Kinezi, samo da nas ostave na miru, S. 78. Ausführlicher in: Aleksandar Krel, The German National Minority in Subotica: Symbols of Ethnic Identity, Vienna. www.inst.at/trans/16Nr/14_4/krel16.htm. Stjepan A. Seder, Prvoj smrt, drugoj patnja, trecoj hleb [Den Ersten der Tot, den Zweiten die Not, den Dritten das Brot], Sremski Karlovci 2002, S. 137–140. Seder, Prvoj smrt, drugoj patnja, trecoj hleb, S. 139. Der Begriff „versteckte Minderheit“ stellt einen terminus technicus dar, den 2009 eine Gruppe von Wissenschaftlern der Universität Graz in Verbindung mit dem Projekt „Hidden Minorities between Central Europe and the Balkans“ eingeführt hat. Er wird mit dem Ziel benutzt, einige amtlich nicht anerkannte kleine ethnische Gruppen im Gebiet Österreichs, Sloweniens und Kroatiens zu kennzeichnen. Während seiner Überprüfung auf einem internationalen Workshop im slowenischen Radenci hat Biljana Sikimić die Möglichkeit vorgetragen, diesen Begriff auf ähnliche Phänomene in ganz Südosteuropa anzuwenden (Kristian Promicer, (Ne-)vidljivost skrivenih manjina na Balkanu. Neka teorijska zapažanja [Die (Un-)Sichtbarkeit verborgerner Minderheiten auf dem Balkan. Einige theoretische Bemerkungen], in: Biljana Sikimić (Hg.), Skrivene manjine na Balkanu [Hidden minorities auf dem Balkan] (Posebna izdanja / Balkanološki institut Srpske akademije nauka i umetnosti 82), Beograd 2004, S. 13). Krel, Bili bismo i Kinezi, samo da nas ostave na miru, S. 78 –79. Ebd., S. 78 –79. Mit dem Terminus Idiom werden in diesem Fall neben der deutschen Literatursprache und allen ihren im Gebiet der Vojvodina vorhandenen Dialekten „alle sprachlichen Codes, die die Mitglieder der Gemeinschaft […] in ihrem Repertoire haben“, bezeichnet (Petrović, Srbi u Beloj Krajini, S. 29). Ljubinko Pušić, Društveni okviri urbanog razvoja gradova u Vojvodini (1900 –1955), in: Zbornik Matice srpske za društvene nauke 81 (1986), S. 135 –153. Krel, Bili bismo i Kinezi, samo da nas ostave na miru, S. 139. Nach dem 2006 durchgeführten Referendum, in dem sich die Bürger Montenegros für die Selbstständigkeit entschieden haben, hörte die staatliche Gemeinschaft Serbiens und Montenegros auf zu bestehen und ihre Bestandteile, Serbien und Montenegro, wurden selbstständige Staaten. DONAUSCHWÄBISCHE ERZÄHLUNGEN ÜBER INTERNIERUNG UND ENTEIGNUNG 171 Leni Perenčević Donauschwäbische Erzählungen über Internierung und Enteignung. Beispiele aus Sammlungen des Instituts für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europa (IVDE) „Man kann es ja gar nicht erzählen, wie es war alles. Es ist zu viel und unglaublich.“1 Mit dieser Feststellung beendet Katharina Fitterer ihre Erzählung über die Erlebnisse im Lager Kruschiwl. Im Interview, das der Volkskundler Johannes Künzig 1952 im Flüchtlingslager Zuffenhausen aufzeichnete, berichtet Frau Fitterer wenige Jahre nach ihrer Flucht aus Jugoslawien hörbar aufgewühlt von der schweren Arbeit unter Aufsicht bewaffneter Partisanen, von Misshandlungen und Schikanen im Lager, vom Hunger und den vielen Toten. „Eigentlich kann man das alles gar nicht erzählen“ – dieser Formulierung begegnet man in donauschwäbischen Erzählungen über Flucht, Vertreibung und Lagerleben immer wieder. Sie deutet die Spannung zwischen NichtErzählen-Können und Erzählen-Müssen an. „Es ist zu viel und zu unglaublich“ – diese und ähnliche Formulierungen verdeutlichen, wie schwer die Erinnerung auf einer Biografie lasten kann. In Autobiografien, Heimatbüchern, Briefen und Tagebüchern berichten Donauschwaben bis heute über das zwischen 1944 und 1948 Erlebte. Neben privater oder landsmannschaftlicher Überlieferung wurden in Deutschland nach Kriegsende von staatlicher Seite gezielt Sammlungen angelegt, die anhand von Erlebnis- und Ortsberichten Flucht, Vertreibung und Internierung der Deutschen bei Kriegsende dokumentieren.2 Innerhalb der Volkskunde etablierte sich eine eigene Forschungsrichtung, die sogenannte Heimatvertriebenenvolkskunde, zu deren wichtigsten Vertretern Johannes Künzig3 und Alfred Karasek4 gehören. Beide Volkskundler legten umfangreiche Sammlungen an, die heute im Institut für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europa5 aufbewahrt und erforscht werden. Johannes Künzig und seine Mitarbeiter zeichneten zwischen 1952 und 1995 mehr als 1.200 Interviews mit Flüchtlingen und Vetriebenen aus Ost- und Südosteuropa auf. Alfred Karasek fasste unter der Bezeichnung Neue Sagen ab 1944/45 ein Textkorpus von 541 Erzählungen zusammen, die er zwischen 1946 und 1952 vorwiegend in Flüchtlingslagern gehört hatte und anschließend verschriftlichte. Der Quellenwert dieser Sammlungen erschöpft sich nicht allein in der relativen zeitlichen Nähe von Erlebtem und Erzähltem oder den erschütternden Details, die einem unmittelbar vor Augen führen, welche Erfahrungen hinter Forschungsbegriffen wie Zwangsmigration oder ethnische Säuberung stehen. Die Vielfalt der Erzählformen vom individuellen Lebensbericht bis hin zum Lagerlied und die thematische Bandbreite bieten Ansatzmöglichkeiten für moderne kulturwissenschaftliche Fragestellungen. Gleichzeitig sind die Sammlungen selbst, die Akteure der Heimatvertriebenenvolkskunde und ihre Forschungsmethoden Gegenstand der volkskundlichen Wissenschaftsgeschichte. Zur Einordnung und Quellenkritik sei kurz auf drei Aspekte hingewiesen. Erstens war die Volkskunde und insbesondere die Volkskunde der Heimatvertriebenen nicht nur wissenschaftlicher Selbstzweck, wie Künzig und Karasek verstanden damals auch andere Volkskundler ihr Fach als angewandte Wissenschaft.6 Besonders für Künzig stand zunächst der Rettungsgedanke im Vordergrund. Er sah es als seine vordringlichste Aufgabe an, den klassischen Volkskunde-Kanon bei den Flüchtlingen und Vertriebenen als Erinnerungsträger abzufragen, um durch die Überlieferung von Fest und Brauch im Jahreslauf, Dialekt, Volkslied und Märchen für die Nachwelt zu erhalten wie Donauschwaben, Sudeten-, Wolgadeutsche usw. vor der Vertreibung lebten.7 Josef Hanika, einer 172 Johannes Künzig in seinem Tonarchiv im Gespräch mit Anna Zimmermann (geb. 1888) aus Kerndia, Freiburg, 1958. LENI PERENČEVIĆ der einflussreichsten Fachvertreter in der Nachkriegszeit, formulierte die Forschungsaufgaben wie folgt: „Für die Volkskunde ergibt sich die Aufgabe, das volkstümliche Überlieferungsgut der Heimatverwiesenen in einem verstärkten Einsatz zu sammeln […]. Es ist weiter unsere Aufgabe, das gesammelte Material so aufzubereiten, dass es der praktischen Kulturarbeit […] unmittelbar zu Gute kommt.“8 Auch Karasek sah seine Sammelarbeit als Kulturpflege, die den Flüchtlingen und Vertriebenen „Lebenshilfe“ sein sollte. In seiner Forschungs- und Beratungsstelle für ostdeutsche Volkskunde in Bischofswiesen stellte er die gesammelten Aufzeichnungen zu Sagenstoffen, Wallfahrten, Glaubenshandlungen und Festen als „identitätsbestärkendes Artefakt“ für die einzelnen landsmannschaftlichen Gruppen bereit.9 Mit erheblicher staatlicher Unterstützung sollte die Volkskunde so ihren Beitrag leisten, Einheimische und Flüchtlinge durch „das Ethos der Heimat“10 zu verbinden und die Integration der Heimatvertriebenen unter Beibehaltung ihrer „kulturellen Eigenart“ zu erleichtern.11 Zweitens ist bei den frühen volkskundlichen Sammlungen und den ersten über sie erschienenen Arbeiten in Rechnung zu stellen, dass viele Wissenschaftler vor dem Zweiten Weltkrieg unter den „Auslandsdeutschen“ im Rahmen der Sprachinselvolkskunde12 geforscht hatten, von deren problematischem Gedankengut sie sich nach 1945 nicht einfach lösen konnten. Das einschlägige Sprachinselvolkskunde-Vokabular wurde weiterhin unreflektiert verwendet und auf die neue volkskundliche Situation in der jungen Bundesrepublik übertragen. Künzig beispielsweise schrieb 1955: „Da […] in fremdvölkischer Umgebung die bei der Ansiedlung mitgebrachte Überlieferung fast durchweg weit treuer und länger bewahrt wurde als im Mutterland, bietet sich nun […] die Gelegenheit, die volkskundliche Tradition der binnendeutschen Herkunftsgebiete […] zu ergänzen.“ Drittens hatten einige Volkskundler, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Heimatvertriebenenvolkskunde mitbegründeten, sich im „Dritten Reich“ in den Dienst des Nationalsozialismus gestellt. Alfred Karasek beispielsweise hatte eine führende Rolle innerhalb der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft in Wien, die bei der Installierung des NS-Regimes in Österreich eine wichtige Rolle spielte und ab 1939 massiv ausgebaut wurde.13 Im Russlandfeldzug war er in dem von SS-Obersturmbannführer Eberhard von Künsberg befehligten Sonderkommando am systematischen Kulturraub in den besetzten Gebieten beteiligt.14 Einerseits haben Künzig und Karasek wichtige Impulse für die Volkskunde gegeben: Johannes Künzig durch seine Tonbandaufnahmen, die damals eine neuartige, kaum in der deutschen Wissenschaftspraxis erprobte Dokumentationsmethode darstellten und sicher entscheidend dazu beitrugen, dass seine private Forschungsstelle in Freiburg 1953 den Institutsrang erhielt.15 Alfred Karasek blickte über den damaligen Volkskunde-Kanon hinaus und sammelte zeitnah zum Geschehen „neue“ Sagen, so dass wir ihm einzigartige Quellen zur Geschichte der deutschen Zwangsmigration verdanken. Andererseits gelang Künzig und Karasek bei der Auswertung ihres Materials nicht immer der Anschluss an drängende Forschungsfragen und aktuelle Theorien, was auch dem Umstand geschuldet war, dass ihre Sammeltätigkeit gewaltige Materialmengen entstehen ließ, deren Systematisierung und Archivierung enorm viel Zeit beanspruchte.16 Die teilweise rückwärtsgewandten Forschungsinteressen und der ideologische Ballast der Forscher müssen bei der Untersuchung der Quellen, die sie generierten, mitgedacht werden. Zu Erzählungen über Lagerhaft und Enteignung aus den Sammlungen Künzigs und Kareseks werden hier fünf Themenfelder herausgegriffen, die ich für repräsentativ und besonders aussagekräftig halte. Als Beispiele biografischen Erzählens zeigen sie die Spannung zwischen faktualem und fiktionalem, zwischen individuellem und kollektivem Erzählen. In Erzählungen über erlebtes Leid und Unrecht vermischen sich, DONAUSCHWÄBISCHE ERZÄHLUNGEN ÜBER INTERNIERUNG UND ENTEIGNUNG so Albrecht Lehmann, „Erlebtes, Gehörtes, Gewünschtes, Ängste, Aggressionen und Ideologien“.17 In den Erzählungen spiegelt sich also nicht nur, was erlebt wurde, sondern auch und vor allem, wie mit dem Erlebten nachträglich umgegangen wurde, wie traumatische Erlebnisse individuell und in der donauschwäbischen „Leidensgemeinschaft“ artikuliert wurden. Hungern In Form und Inhalt sind sich die Erzählungen über die Internierung ähnlich. Sie beginnen mit der Machtübernahme der Partisanen im Herbst 1944. Meist in der Nacht werden die Donauschwaben aus den Häusern getrieben, an einem bestimmten Ort festgehalten und der wenigen Habe beraubt, die sie in der Eile zusammenpacken konnten. Dann erfolgt die Trennung der Arbeitsfähigen, Kinder und Alten. Fast alle werden nach der Lagerzeit ab 1948 zur Zwangsarbeit verpflichtet. Manchen gelingt noch während der Internierung die Flucht. Zentrale Themen in den Erzählungen über den Lageralltag sind die katastrophalen hygienischen Bedingungen, die Beengtheit, Willkür und Brutalität der Partisanen, Krankheiten, Tod, Massengräber und vor allem der Hunger. Die Erinnerung an das Hungern ist zentrales Thema bei allen, die Künzig vom „Alltag“ im Lager berichten. Die über Jahre immer gleiche und viel zu knappe, häufig salz- und fettlose Kost hat sich in die Erinnerung der Erzählerinnen und Erzähler eingebrannt. Einige erinnern sich noch an die genauen Mengenangaben der Rationen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgegeben wurden. Tagsüber bei Arbeitseinsätzen versuchten die „Lagerleute“, an Lebensmittel zu gelangen, Kinder und Erwachsene schlichen sich aus dem Lager in umliegende Dörfer zum Betteln, zum Heizen wurden Rinde und Blätter gesammelt. Wer zur Arbeit eingesetzt oder noch „lagerfrei“ war, versuchte, seine Angehörigen im Lager durch Lebensmittelpakete zu unterstützen. Hildegard Tangel aus Werschetz, die ab Januar 1946 in Rudolfsgnad interniert war, berichtet, dass nach der von der Lagerleitung verhängten Paketsperre viele Menschen verhungerten.18 Die Beschaffung zusätzlicher Lebensmittel bestimmte das Dasein, war lebensnotwendig und lebensgefährlich zugleich. Frau Kaspar aus Franzfeld berichtet wie drei Frauen, die sich heimlich aus dem Rudolfsgnader Lager zum Betteln geschlichen hatten, bei der Rückkehr vom Wachposten erschossen wurden. Bei schwerer körperlicher Arbeit erhielten die in Rudolfsgnad Internierten ¼ Liter Maismehl pro Tag, nur gelegentlich einen kleinen Löffel Salz oder Öl. In den Hungermonaten Januar und Februar 1946 gab es diese Ration nur zweimal im Monat. Von dieser Zeit erzählt Frau Kaspar: „Zu Essen war nix. [...] Dann waren da auch so schäbige Pferde, die haben sie geschlachtet, von dem Fleisch haben die Leute geholt und haben es gegessen. Die Kinder sind betteln gegangen. In manchen Häusern war noch Frucht drin, dann sind sie gegangen die Häuser aufbrechen und haben da die Frucht rausgeholt. Dann sind sie verwischt worden und haben Schläge gekriegt.“19 Anna Birk aus Georgshausen, die ebenfalls in Rudolfsgnad interniert war, berichtet, wie man in der Gruppe durch Zusammenarbeit versuchte, an Nahrungsmittel zu gelangen: „Die ersten Tage haben wir ja noch zu Essen gekriegt, aber dann tagelang nichts. Auf den Speichern oben aus den Mäuselöchern und Rattenlöchern und aus dem Mist haben wir die Maiskörner rausgekratzt. […] Damals sind wir 23 in einer Stube gelegen, ganz eng. Wir haben uns nicht mal umlegen können. Und abends hat sich jeder, einer nach dem andern Mehl gemacht, für den andern Tag zum Suppe kochen. Wenn man nicht mehr konnte, hat man den andern geweckt und der hat dann weiter gemahlt. Natürlich, ohne Fett und Salz, war des wenig gewesen für eine Suppe. Mir waren ohne Licht und auch zum Brennen nix.“20 Selbstwahrnehmung, Selbstbehauptung In den Interviews finden sich immer wieder Aussagen über die Selbstbehauptung am Rande der Existenz, auch Aussagen des Aufbegehrens – wenigstens im Kleinen – gegen die verwehrte Freiheit und Würde. Die Erzähler begegnen den Brüchen in ihrer Lebensgeschichte, indem sie eine stolze, unerschütterliche Haltung demonstrieren. 173 174 LENI PERENČEVIĆ DONAUSCHWÄBISCHE ERZÄHLUNGEN ÜBER INTERNIERUNG UND ENTEIGNUNG 175 Arbeitsbrigade der neuen Bewohner Gakowas, um 1955. Die ersten Strophen des Rudolfsgnader Lagerlieds, um 1946. Kulturelle Handlungen wie das Singen oder improvisierte Hygiene halfen in Zeiten, in denen der Alltag ein permanenter Ausnahmezustand und die eigene Existenz von Angst, Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit, einer generellen Ohnmacht und Fremdbestimmtheit geprägt war. Künzig interviewte zwei Frauen, die gemeinsam in den Lagern Betschkerek und Rudolfsgnad waren. Künzigs Gespräch mit den Frauen ist zu entnehmen, dass sie sich häufig über ihre Lagererlebnisse austauschten. Sie erinnern sich gemeinsam an Situationen, die nur verstehen kann, wer dabei war. Anna Birk ist eine sehr zurückhaltende Erzählerin, die zwar merkbar bewegt ist, aber doch versucht, einen Tatsachenbericht zu liefern und ihre Emotionen zu unterdrücken, Frau Rapp hingegen tritt sehr selbstbewusst auf, interpretiert und bewertet die im Interview gemachten Aussagen. Während Anna Birk von der harten Arbeit unter Aufsicht der Partisanen berichtet, schaltet sich Frau Rapp sehr laut ein und ergänzt ihren Bericht: „Aber doch haben wir nichts gezeigt! Hat uns kein einziger Partisan mal gesehen, dass wir Mühe haben. Wir haben so harte Gesichter gezeigt, wir wollten ihnen zeigen, wir sind Deutsche und wir halten durch und das sollen sie sehen! Und die haben nicht nur einmal gesagt: ‚Vidi Švabe, kako su tvrde! – Guck mal die Schwaben, wie sie hart sind!‘“21 Gottfried Habenicht hat anhand donauschwäbischer Lagerlieder verschiedene Geisteshaltungen herausgearbeitet, die den Betroffenen halfen, das Lagerdasein auszuhalten und Trost zu schöpfen. Als zentrales Moment stellte Habenicht dabei eine verstärkte Hinwendung zum Glauben heraus.22 Das erzwungene Zusammenleben in den Lagern und der gemeinsame Glauben förderten die Entstehung einer Leidensgemeinschaft, die sich durch Spottlieder auf die vermeintliche Einfältigkeit und Primitivität der Partisanen ein klares Feindbild schuf und sich abgrenzte. In anderen Liedern wird ein stolzer, unerschütterlicher donauschwäbischer Charakter besungen und auf den „donauschwäbischen Erfolgs- und Tugendkatalog“ rekurriert.23 Die genannten Mechanismen finden sich auch in den Künzig-Interviews und der Sagensammlung Karaseks wieder. Im rückblickenden Erzählen taucht immer wieder Schadenfreude darüber auf, dass die Neukolonisten auf den ehemals donauschwäbischen Landwirtschaften angeblich keinen wirtschaftlichen Erfolg erzielen konnten, weil sie aus rückständigen, unfruchtbaren Gegenden kamen und mit modernen Methoden des Feldbaus nicht vertraut waren. „Einige Serben in der alten Heimat sagen heute: ,Otišao je Švabo, otišao i Bog – Der Schwabe ist weg und mit ihm auch der Herrgott.’ Ohne den Schwaben schneiden sie schlecht ab, sie sind nicht an richtige Bauernarbeit gewöhnt.“24 Herr Helmlinger aus Syrmien, der in einem Interview mit Künzig 1952 diese Aussage machte, führt weiter aus, die Serben wünschten sich heute, die Schwaben kämen zurück, um ihnen beim Aufbau der Landwirtschaft zu helfen, so wie sie „vor 300 Jahren zur Not, um den Boden zu kultivieren“ geholt worden seien. Die zahlreichen Marienerscheinungen seit 1944, von denen Donauschwaben Karasek berichteten, hat Simon Sahm als Reaktion auf die atheistische Staatsideologie und die Einschränkung der Religionsfreiheit und Glaubenspraxis zurückgeführt. Weil öffentliche Wallfahrten und die Inszenierung der Marienverehrung nicht mehr möglich gewesen seien, hätten sich die Gläubigen Maria auf andere Weise in den öffentlichen Raum projiziert, um sich selbst als katholische Gemeinschaft zu erfahren und öffentlich zu präsentieren.25 Michael Prosser-Schell hat im Karasek-Archiv mehrere Belege dafür gefunden, dass zu hohen christlichen Feiertagen geistliche Schauspiele in Internierungslagern aufgeführt wurden.26 Teilweise wurden sie heimlich vorbereitet und durchgeführt, teilweise wurden sie von der Lagerleitung geduldet. Belege fand Prosser-Schell für die Lager Rudolfsgnad, Molidorf und Hajduschitza. In Hajduschitza stellten junge Frauen aus verschiedenen Dörfern aus der Erinnerung ein Weihnachtsspiel zusammen und „jede [hat] wollen, daß auch von ihrem Heimatdorf was mit hineinkommt.“27 In Rudolfsgnad übten zwei Frauen aus Georgshausen 1946 mit Kindern ein Bethlehemspiel ein: „Das war nicht ganz leicht, weil ja bei dem Spiel auch Lieder dabei sind und die den Mädchen ordentlich eingelernt werden mussten. Auch die Kleidung von den Spielern 176 LENI PERENČEVIĆ mußte beschafft werden, das war fast noch schwerer. Das ist aber doch gelungen und die waren fast so angezogen wie in normalen Zeiten. Wie das Spiel ist aufgeführt worden, da ging es heimlich von Haus zu Haus. […] [U]nd die Leute haben fast überall Tränen geweint vor Freunde und vor Erinnerung an die früheren Zeiten.“28 Die Anderen Ehemalige Nachbarn und Menschen, die in der Nähe der Lager lebten, unterstützten die Internierten mit Lebensmitteln. Diese Tatsache ist bekannt und es ist schon oft darauf hingewiesen worden, auch und besonders von Donauschwaben selbst. In den Künzig-Interviews werden Ungarn, Serben und Rumänen als Helfer erwähnt. Peter Rotenheber, der zum Zeitpunkt der Internierung zu den Alten gehörte, war unter anderem im Lager Jarek interniert. Auf dem Weg nach Neusatz fuhren häufig ungarische Bauern aus Temerin am Lager vorbei. Als sie von Rotenheber, der außerhalb des Lagers Vieh hüten musste, erfahren hatten wie es den Internierten erging, verabredeten sie, am nächsten Tag im Trab am Lager vorbeizufahren, so dass eine Staubwolke entstand und sie unbemerkt Lebensmittel vom Wagen werfen konnten.29 Auch in Katsch, das bereits ein rein serbisches Dorf war, erfuhren die „logoraši“, die Lagerleute, Hilfe von den Einheimischen. Rotenheber wurde dorthin zur Schweinemast verlegt. Unweit des Stalls befand sich der orthodoxe Friedhof: „Die Serben haben die Sitte, die tragen immer zu den Toten Essen. Da sind wir dann immer hin und die haben uns ausgeteilt, Schnaps und Wein und gutes Essen. So haben wir aushalten können.“30 Auffallend ist, dass fast alle Erzähler Künzigs betonen, wie gut man sich mit Serben, Ungarn, Kroaten und Rumänen verstanden habe und dass sich die Beziehungen erst nach dem Ersten Weltkrieg verschlechterten, wofür letztlich die Führungsschicht verantwortlich gemacht wird: „Unsere gewesenen Mitbürger, die Serben, die habe ja sehr gut mit uns gelebt, nicht wahr? Na ja, seit 18, seit dem Umsturz vom Ersten Weltkrieg, da hat man ziemlich viel Hass zwischen den Deutschen und den Serben geschürt. Das ist ja meistens von serbischen Popes und von führenden Leuten durchgeführt worden.“31 Auch wirtschaftliche Gründe, vor allem der Landkauf durch donauschwäbische Bauern und die Umkehrung der Mehrheitsverhältnisse in einigen deutsch-serbischen Gemeinden, werden einige Male im Zusammenhang mit den Themen „Was aus der alten Heimat geworden ist“ oder „Über das Verhältnis zu den Serben“ genannt. Zwar wird im Erzählen kein direkter Zusammenhang hergestellt zwischen der Landarrondierung der Donauschwaben und der Agrarreform nach dem Zweiten Weltkrieg, aus dem Interviewverlauf aber lässt sich schließen, dass dieser Zusammenhang mitgedacht wurde. Martin Sorg aus Betschmen erinnert sich, dass früher (wohl vor dem Ersten Weltkrieg) die meisten Bewohner Serben waren, nur ein Drittel waren Deutsche. Innerhalb von zwanzig Jahren hatte sich das Bevölkerungsverhältnis im Ort umgekehrt. Das Verhältnis zwischen Deutschen und Serben sei gut gewesen, man war auf einander angewiesen. Die meisten Deutschen waren Handwerker, die meisten Serben Viehzüchter („damit sie nichts arbeiten mussten“). Irgendwann seien die jüngeren Serben darauf gekommen, dass ihre Alten den Deutschen zu leicht das Land verkauft hätten. Die Spannungen steigerten sich bis zum Zweiten Weltkrieg zusehends.32 Neben den Stereotypen vom Deutschen als Lehrmeister und dem arbeitsscheuen Serben, denen man in donauschwäbischen Narrativen immer wieder begegnet, finden sich Hinweise auf deutliche Unterschiede im Erinnern und Erzählen zwischen den Generationen. Während die jüngeren in der Tendenz stärker die Konkurrenz um wirtschaftliche und politische Ressourcen erinnern, erinnern sich die Alten stärker an das gute Zusammenleben und das Aufeinanderangewiesensein. Als Beispiele werden teilweise auch Erinnerungen der Vorfahren herangezogen. So gibt ein unbekannter Erzähler eine Anekdote über seinen Großvater weiter, der sich zum Ärger seiner Tochter regelmäßig „auf der Gasse“ mit seinem serbischen Jugendfreund traf, um sich zu betrinken. Außerdem erinnert er sich: „Jetzt war der Hass, haben wir fort müssen. Aber das war früher nicht. Der Großvater hat immer erzählt, sie haben sich so schön ertragen. Hat man dem Serben etwas verlangt, was er gehabt hat, hat er einem gegeben.“33 DONAUSCHWÄBISCHE ERZÄHLUNGEN ÜBER INTERNIERUNG UND ENTEIGNUNG Durchweg negativ erinnert werden Partisanen und Roma. Während bei Partisanen hin und wieder Einschränkungen vorkommen („es gab auch menschlichere unter ihnen“), tauchen Roma ausschließlich als brutale Schläger, Totengräber und Profiteure auf.34 „Hitler hat uns gezeigt, wie man es macht“ – Nationalsozialismus und Holocaust Den Zweiten Weltkrieg sowie die Internierung und Enteignung der deutschen Minderheit bei Kriegsende verstehen Künzigs und Karaseks Erzähler als großes, plötzlich über sie hereingebrochenes Unheil. Das Ausgeliefert-Sein an die Geschichte bildet ein zentrales narratives Element. Die Geschichte wird nicht als von Menschen gemacht, sondern als Schicksal interpretiert, dem sowohl der Einzelne als auch Kollektive ausgeliefert sind.35 Sprechen über die eigene Schuld war im Deutschland der 1950er Jahre für Alteingesessene und Flüchtlinge gleichermaßen ein unliebsames Thema.36 Weder Künzig noch Karasek interessierten sich bei ihren Feldforschungen für die Einstellung ihrer Erzähler zum Nationalsozialismus. Künzigs und Karaseks Erzähler begegnen der Vorgeschichte ihrer Internierung indirekt teilweise dennoch. In einem der vielen Lagerlieder, die im Tonarchiv Künzig vorliegen, heißt es in der letzten Strophe: „Da das Schicksal uns getroffen / Ist auch etwas eig’ne Schuld; / Doch wir sehnen und erhoffen / Gottes große Gnad’ und Huld.“37 Zwar klingt in dieser Strophe an, dass auf deutscher bzw. donauschwäbischer Seite Fehler begangen wurden, ein kausaler Zusammenhang aber wird nicht hergestellt.38 Dieselbe Erzählerin, die auch das Lied überlieferte, erzählte ausführlich über ihre Lagerzeit mit den Stationen Botschar, Topola, Gakowa und Rudolfsgnad: „In den Medien wird immer gezeigt, was die Juden mitgemacht haben. Die Partisanen haben gesagt: ‚der Hitler hat uns gezeigt, wie man’s macht.’ Die Juden [aus Mokrin, Anm. d. Verf.] sind auch weggebracht worden, erst 1954 in Deutschland haben wir erfahren wohin, dass viele vergast worden sind. Den Jugoslawiendeutschen und den Kriegsgefangenen ist es genauso ergangen, nur vergast wurden sie nicht.“39 Diese veränderte Erzählhaltung ist dadurch zu erklären, dass erstens das Interview erst 1995 aufgezeichnet wurde und zweitens die 1930 geborene Erzählerin einer anderen Generation angehört als die Mehrheit der übrigen Erzähler. Während in den Interviews aus den 1950er Jahren der Holocaust keine Rolle spielt, nimmt diese Erzählerin Bezug auf medial vermittelte bundesdeutsche Diskurse. Der unglückliche Vergleich von Holocaust und Internierung der Donauschwaben ist auch in einigen donauschwäbischen Heimatbüchern zu finden.40 Ob Heimatbücher oder die donauschwäbische Presse Einfluss hatten auf die persönliche Wahrnehmung der Erzählerin, geht aus dem Interview nicht hervor. Diese deutliche, wenn auch unbeholfene Bezugnahme auf den Holocaust bleibt in den hier untersuchten Erzählungen eine Ausnahme. Vereinzelt finden sich im Ton-Archiv-Künzig indirekte Verweise auf den Nationalsozialismus. Hildegard Tangel aus Werschetz erzählt, dass ihr ein russischer Offizier, als sie ihn darum bat, ihr Gebetbuch und Familienfotografien mit ins Lager nehmen zu dürfen, entgegnete, sie solle zu ihrem Hitler gehen und es sich von ihm geben lassen.41 Einem Werschetzer Apotheker sei ein Hakenkreuz in die Wange geschnitten worden, einem Mädchen aus Karlsdorf vor ihrer Ermordung in die Zunge, „weil sie für die Deutschen angeblich so viel Propaganda gemacht hat.“42 Göttliche Strafen und himmlische Gerechtigkeit Alle Sagentexte im Karasek-Archiv sind an ein christliches Milieu gebunden. Die sich in ihnen widerspiegelnden Mentalitäten wurzeln in einem alttestamentarischen Glaubensverständnis. Gott tritt als zorniger, strafender Rächer auf, Vergebung der Sünden gibt es weder im irdischen noch im himmlischen Reich. Dies illustrieren Sagen, denen das Motiv zugrunde liegt, dass Frevel an Gotteshäusern bestraft wird – und zwar „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, durch Sühne und Rache stellen überirdische Kräfte das kosmische Gleichgewicht wieder her.43 Bei der Kirchensprengung werden die daran beteiligten Partisanen von den Trümmern erschlagen. Der kommunistische Ortsvorsteher, der Gott lästert, verliert am nächsten Tag die Sprache, eine schwangere Partisanin köpft eine 177 178 LENI PERENČEVIĆ Marienstatue und bringt ein Kind ohne Kopf auf die Welt. Die 1894 geborene Katharina Kaiser erzählt dazu: „Ganz ohne Kopf, nur am Hals hat es ein Loch gehabt und dort war es grad so gewesen, wie wenn es die Zunge rausstrecken möchte.“44 Für viele Sagen ist eine Erzählhaltung der Schadenfreude typisch, so bei Erzählungen vom Spuk in donauschwäbischen Häusern, der die dort einquartierten Kolonisten in den Wahnsinn treibt und dazu führt, dass sie wieder wegziehen. Die Intention ist offensichtlich. In der Vorstellungswelt der Erzähler lastet auf den Häusern ein göttlicher Fluch, der die Vertreibung der Deutschen rächt. Diese Erzählungen gibt es bei allen deutschen Vertriebenen. Bei den Donauschwaben stark ausgeprägt sind Sagen von Marienerscheinungen, besonders an Massengräbern und andern Orten, an denen sich Schreckliches zugetragen haben soll. Maria tritt als Rächerin oder als Beschützende auf. Aber immer wird ihr Erscheinen als Solidarität der himmlischen Macht mit den Donauschwaben interpretiert und als Triumph über die Gottlosigkeit des Kommunismus und seiner Repräsentanten.45 Im Sagen-Archiv-Karasek finden sich zahlreiche Aufzeichnungen über die „Partisanenkrankheit“, die von den Donauschwaben die „Hinfallende“ und von den Serben „partizansko ludilo“, also „Partisanenwahn“ genannt wird. Während Sagen über verfluchte Orte, Marienerscheinungen oder wiederkehrende Tote erstens von allen Vertriebenengruppen erzählt werden und zweitens auf ältere Sagen zurückgehen, ist die Sage von der Partisanenkrankheit erst im Kontext des Zweiten Weltkriegs entstanden und wird ausschließlich von Donauschwaben erzählt,46 was in bisherigen Untersuchungen auf die besondere strategische und ideologische Bedeutung des Partisanenkampfes in Südosteuropa im Zweiten Weltkrieg zurückgeführt wird.47 Elisabeth Kowitzki aus Mramorak überlieferte diese Version: „Das war 1945 schon im Lager in Mramorak. Da hat man uns gehalten, daß wir sollen waschen beim Militär und auch andre Arbeit machen. Einmal sind sie vielleicht 10 Mann gekommen und haben Wäsche gebracht und uns gefragt, ob wir Deutsche sind. Als wir das gesagt haben, hat der eine den Krampf bekommen und hat sich auf die Erde hingeworfen und die andern haben ihn gehalten, daß er nicht weg kann. Da hat er gerufen: ‚Bringt ’s mir Deutsche, ich will Blut trinken, Schwabenblut! 170 hab ich schon umgebracht und ich will noch mehr Blut!’ […] Und das hat so eine Stunde gedauert, dieser Krampf. Dann, wie er dann ist zur Besinnung gekommen, da hat er noch einmal gesagt, er verlangt nur immer noch deutsches Blut.“48 Wie Heinke M. Kalinke dargelegt hat, enthält diese Version die zentralen Elemente: eine Art epileptischer Anfall, bei dem sich der Betroffene auf den Boden wirft – deshalb auch die donauschwäbische Bezeichnung „die Hinfallende“, ausgelöst durch den Anblick von Schwaben, bei dem der Partisan in Rage gerät und seine Gräueltaten gesteht. Das Motiv des Schwabenblut fordernden Partisanen ist beim Erzählen und Hören besonders effektvoll, die Krankheit wird als göttliche Strafe verstanden, sie brandmarkt den Befallenen als Mörder.49 Die Partisanenkrankheit wird als Kainsmal interpretiert.50 Neben diesem grundlegenden Sagentext von der Partisanenkrankeit gibt es zahlreiche Varianten mit weiteren Motiven. Etwa die geäußerte Überzeugung, die Krankheit sei ansteckend. Wird einer heimgesucht, fallen mit ihm andere Partisanen zu Boden, häufig kombiniert mit dem Motiv, die Partisanen wetteiferten, wer mehr Schwaben getötet habe. Nicht immer werden die Anfälle durch den Anblick eines Schwaben ausgelöst. Oft werden sie als plötzliche, unvermittelte Ereignisse geschildert oder auch im Kontext einer Partisanenfeier, bei der durch Prahlerei unter den Partisanen Erinnerungen an Kampfeinsätze und dabei begangene Gräuel evoziert werden. Häufig ist auch die Variante, dass die Anfälle in Wahnsinn, Selbstmord, Siechtum und schrecklichem Tod enden, nicht selten ergänzt durch das Submotiv, dass der Betroffene von der Last seiner Schuld buchstäblich erdrückt wird. So heißt es in einem Beleg von einem Partisanen, der drei Menschen ermordet haben soll: „Dieser Partisan hat jetzt den Anfall. Sie sagen, das ist das Gewissen. […] Er sagt, sie sitzen ihm alle drei – die Frau und die beiden Männer – auf den Schultern und tun ihn drücken.“51 Eine zusätzliche Motiv-Variante stellt die Bitte um Vergebung auf dem Sterbebett oder kurz vor dem Tod dar, wobei entweder offen bleibt, ob vergeben wird oder aber ganz klar DONAUSCHWÄBISCHE ERZÄHLUNGEN ÜBER INTERNIERUNG UND ENTEIGNUNG nicht vergeben wird. Aus Rudolfsgnad berichtet die 1897 geborene Karolina Steininger von einem Befallenen: „Da ist er einmal auf Rudolf gekommen. Ist er vielen Weibern begegnet und hat denen die Hand ausstrecken wollen, auch mir, aber keine hat ihm die Hand gegeben, weil an seiner Hand dran so viel Blut klebt. […] Nach 14 Tagen drauf ist er gestorben. […] Ganz schwer ist er gestorben.“52 Viele Sagenerzähler liefern die Interpretation gleich mit. Sie wollen, dass der Zuhörer die Sage richtig versteht und einordnet, denn für sie handelt es sich um geglaubte Realität. Die Lehrerin Magdalena Jerich aus Ernsthausen schildert ausführlich ein Massaker an donauschwäbischen Männern, die im Januar 1945 von Partisanen zu Tode gequält wurden. „Von solchen schrecklichen Dingen aber kommt auch die Partisanenkrankheit her. Das greift eines ins andere über, gehört zusammen.“53 Interessant ist die Interpretation von Bertha Sohl, die mehrere Sagen überlieferte. Ihr zufolge erklärten sich die Partisanen ihre Krankheit selbst damit, dass die Deutschen an ihnen ein „Geheimmittel“ ausprobiert hätten. Deshalb würden nur Partisanen und keine anderen Truppen befallen. „Sie sagen das, weil sie die Krankheit allein haben und die anderen nicht. Unsere deutschen Soldaten, die auch im Kampf und dort im Wald waren, die haben das doch nie bekommen und kein deutscher Kriegsgefangener oder gefangener Schwabe hat das gehabt. […] Auch von den Serben haben es nur die Tito-Partisanen bekommen. Auch die Neditsch-Leute […] haben solche Anfälle nicht gezeigt, auch nicht einmal die richtigen Soldaten auf der russischen Seite. Das ist also keine Soldatenkrankheit von ordentlichen, anständigen Soldaten, sondern was anderes.“54 Wichtig in einer Sage ist ihre Glaubwürdigkeit, die durch genaue Angaben über Zeit, Ort und Personen erreicht wird, aber auch dadurch, dass die Erzähler als Augenzeugen auftreten: „Das habe ich selbst erlebt!“ oder „Wir haben eine Reihe von Partisanern gekannt, die solche Anfälle fast regelmäßig bekommen haben.“55 Die absolute Steigerung der Glaubwürdigkeit wird dadurch erzielt, dass die Partisanen in manchen Sagen selbst als Zeugen auftreten, indem sie vor Donauschwaben zugeben, dass sie von der Krankheit befallen werden und sich vor ihr fürchten.56 Auch in der Sagen-Sammlung-Karasek bestätigen sich Unterschiede im Erzählen der Generationen, beispielsweise in der Sage von der „Partisanenkrankheit des Schwarzen Milan“57. Als besonders berüchtigter und unter den Donauschwaben gefürchteter Partisan wurde der Schwarze Milan von der Partisanenkrankheit befallen. „Jetzt fällt es auf ihn zurück, was er uns Armen angetan und gesündigt hat!“, so die Erzählerin und weiter: „Dann hat sein Vater ihm das vorgeschmissen, was er den Leuten gemacht hat, weil er auch viele hat totgeschossen und totgeschlagen, auch Leute mit […] kleinen Kindern.“ Das Sagenmotiv, dass die Eltern der Partisanen mit der Bewertung der Donauschwaben aufgrund ihrer christlichen Grundeinstellung übereinstimmen und dass das gottlose Leben der Partisanen bestraft wird, suggeriert eine generationengebundene Weltsicht, überspitzt formuliert könnte man sagen, die Sage vom Schwarzen Milan ist Ausdruck eines Generationenkonflikts. Wie schon erwähnt lässt sich auch auf den Künzig-Tonbändern ein Unterschied im Erzählen zwischen den Generation feststellen. Der Zweite Weltkrieg erscheint so als Krieg einer fehlgeleiteten Generation, die sich statt vom Glauben von großen Ideologien leiten ließ. Ausblick Für die Erforschung der Quellen, die Johannes Künzig und Alfred Karasek vor über einem halben Jahrhundert erhoben haben, gibt es vielfältige Ansatzmöglichkeiten. Anhand der Sagensammlung Karaseks sei auf zwei Beispiele hingewiesen. Karasek war sich dessen bewusst, dass die Konjunktur des Erzählens von Marienerscheinungen, Kirchenzerstörungen, Spottgeschichten über Neusiedler usw. in der Bundesrepublik ein kurzlebiges Phänomen sein würde.58 Heinke M. Kalinke führt dies vor allem auf die „Distanzierung von negativen Emotionen“ zurück, die mittels der Sagen transportiert wurden. Die Notwendigkeit zur „Kanalisierung und Neutralisierung psychischen Drucks“ nahm für die Mehrheit der Donauschwaben mit der Zeit ab, die Informationen aus der alten Heimat wurden zuverlässiger, man konzentrierte sich auf den Neuan- 179 180 LENI PERENČEVIĆ fang in der Bundesrepublik.59 In den ehemals donauschwäbischen Siedlungsgebieten hingegen scheinen Erzählungen, wie wir sie aus der Sagen-Sammlung-Karasek kennen, immer noch Teil des kommunikativen Gedächtnisses zu sein. Thomas Dapper ist bei Recherchen für seinen Film Wege nach Mramorak auf sagenhafte Erzählungen zur Kirchenzerstörung in Mramorak gestoßen. In Mramorak wussten ihm verschiedene Einwohner jeweils eigene Geschichten zur Zerstörung der Kirche und zu Unglücken, welche die daran Beteiligten danach ereilt haben sollen, zu berichten.60 Wie in Mramorak wird es auch in anderen Orten ähnliche Erzählungen geben. Diese zu sammeln und mit der Sammlung Karaseks zu vergleichen, wäre eine lohnende Aufgabe für künftige Forschungen als Beitrag zur Mentalitäts- und Erfahrungsgeschichte der jugoslawischen Nachkriegszeit. Eine weitere Ansatzmöglichkeit wären gezielte Presse- und Archivrecherchen. Artikel in der Politika und der Slobodna Vojvodina nahmen unter anderem zu Marienerscheinungen und damit zusammenhängenden Gerichtsprozessen Stellung. Karaseks Meinung nach sollte so die „Stimme des erwachenden Gewissens“ unterdrückt werden, indem die Erzählungen zu Wundern und Erscheinungen als Flüsterpropaganda und Aberglauben abgetan wurden.61 Diese Einschätzung greift sicher zu kurz. Anschlussfähig sind Studien, wie sie Slađana Josipović Batorek vorgelegt hat. Sie untersuchte verschiedene Formen der Volksfrömmigkeit im Bistum Diakovar im Kontext der Beziehungen zwischen Kirche und Staat und ging dabei auch auf die Wallfahrt nach Boschnjatzi ein, zu der im Sagen-Archiv-Karasek zwei Erzählungen überliefert sind. In Boschnjatzi soll drei Kindern die Muttergottes erschienen sein. Die Kunde über die angebliche Erscheinung verbreitete sich schnell über den Ort hinaus, woraufhin zeitweise – besonders während des Prozesses gegen Erzbischof Alojzije Stepinac – Tausende in den Ort pilgerten, vor allem Kroaten, aber auch Deutsche.62 Die zuständigen Behörden gingen in ihren Berichten davon aus, dass die Kinder, denen dort Maria erschienen war, von ihren „Eltern und anderen Faschisten“ beeinflusst worden waren.63 Wie für Boschnjatzi belegt das Sagen-Archiv-Karasek auch für andere Orte Demonstrationen der Volksfrömmigkeit, die schnell zu Selbstläufern wurden, auf die kommunistische Behörden mit Verboten und Einschränkungen zu reagieren versuchten. Künftige Forschungen könnten diese Belege mit staatlichen und kirchlichen Quellen sowie Pressereaktionen vergleichen, um das Verhältnis zwischen Volksfrömmigkeit, Kirche und Staat in der jugoslawischen Nachkriegszeit zu erhellen. DONAUSCHWÄBISCHE ERZÄHLUNGEN ÜBER INTERNIERUNG UND ENTEIGNUNG 4 5 6 7 8 9 1 2 3 Interview von Johannes Künzig mit dem Ehepaar Fitterer aus Milititsch, Tonarchiv Künzig, Band 10-I/10-II, Nr. 4 (im Folgenden TAK 10-I/10-II_4), aufgezeichnet in Zuffenhausen im Frühjahr 1952. Die umfassendste Sammlung biografischer Zeugnisse bildet die Ost-Dokumentation, „deren Wert für die bundesrepublikanische Geschichte als auch die europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts gar nicht überschätzt werden kann.“ Mathias Beer, Die Ost-Dokumentation. Zur Genesis und Methodik der größten Sammlung biographischer Zeugnisse in der Bundesrepublik, in: Heinke Kalinke (Hg.), Brief, Erzählung, Tagebuch. Autobiographische Dokumente als Quellen zu Kultur und Geschichte der Deutschen in und aus dem östlichen Europa (Schriftenreihe des JohannesKünzig-Instituts 3), Freiburg 2000, S. 23 – 50, hier S. 26. Johannes Künzig (1897–1982): Nach dem Ersten Weltkrieg Studium der Germanistik, Geschichte und Volkskunde in Würzburg; seit Ende der 1920er Jahre Forschungen auf dem Gebiet der Sprachinselvolkskunde; 1930 erste Forschungsreise ins Banat und nach Siebenbürgen zur Dokumentation des dortigen Liedguts; es folgten zahlreiche weitere Forschungsreisen, vor allem nach Saderlach im Banat, aber auch in die Slowakei und während des Krieges 1943 in die Ukraine; seit 1937 Professor für Volkskunde an der Hochschule für Lehrerbildung in Karlsruhe; 1942 kommissarische Leitung des neu gegründeten Instituts für Volkskunde an der Universität Freiburg; nach dem Zweiten Weltkrieg Referent bei der Caritas, wo er mit Flüchtlingen und Vertriebenen arbeitete; 1950 Gründung einer privaten Forschungs- und Beratungsstelle für Heimatvertriebene, die 1953 erstmals staatliche Mittel erhielt und in Zentralstelle für Volkskunde der Heimatvertriebenen umbenannt wurde; 1965 wurde die Forschungsstelle in den baden-württembergischen 10 11 12 13 14 15 16 Staatshaushalt übernommen und in Institut für ostdeutsche Volkskunde umbenannt. Vgl. Waltraut Werner-Künzig, Johannes Künzig zum 80. Geburtstag, in: Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde 20 (1977), S. 325 – 345; Werner Mezger, Forschung unter den Rahmenbedingungen des § 96 BVFG. Das Freiburger Johannes-Künzig-Institut für ostdeutsche Volkskunde, in: Christoph Schmitt (Hg.), Volkskundliche Großprojekte. Ihre Geschichte und Zukunft, Münster/New York/ München/Berlin 2005, S. 85 – 98. Alfred Karasek (1902 –1970): Geboren in Brünn/Brno, heutiges Tschechien; ab 1928 Studium der Volkskunde in Wien bei Arthur Haberlandt; in der Zwischenkriegszeit zahlreiche Sammelfahrten im Rahmen der „Sprachinselforschung“, z.B. nach Wolhynien, Galizien, in die Batschka und das Banat; seit 1938 wissenschaftlicher Referent der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft, dort enger Mitarbeiter des Leiters Hugo Hassinger; 1939/40 begleitete er als Gebietsbevollmächtigter die Umsiedlung der Wolhyniendeutschen, auch bei der Umsieldung der Bessarabiendeutschen 1940/41 war er beratend tätig; 1945 erster Kontakt mit geflüchteten Donauschwaben in Regensburg, seither Sammeltätigkeit in Flüchtlings- und Auffanglagern; ab 1952 unterstützte die Kommission für Volkskunde der Heimatvertriebenen Karaseks Sammelarbeit finanziell; 1963 wurde in Bischofswiesen ein Haus angemietet, in dem seine Sammlung untergebracht wurde. Vgl. Alfons Perlick, Alfred Karasek. Eine Biographie und Bibliographie, in: Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde 9 (1965), S. 195 – 238; Walter Kuhn, Das Lebenswerk Alfred Karaseks (1902 –1970), in: Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde 13 (1970), S. 326 – 345. Zum Institut für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europa (IVDE, vormals JohannesKünzig-Institut für ostdeutsche Volkskunde) siehe u. a.: Johannes Künzig, Zentralstelle für Volkskunde der Heimatvertriebenen, in: Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde 1 (1955), S. 203 – 209; Werner Mezger, Mit der Wende nicht zu Ende. Das Freiburger Institut für ostdeutsche Volkskunde zwischen alten Aufgaben und neuen Zielen, in: Jahrbuch für deutsche und osteuropäische Volkskunde 42 (1999), S. 1–19; ders., Forschung unter den Rahmenbedingungen des § 96 BVFG. Elisabeth Fendl und Günter Marschall, Text und audiosynchrone Bearbeitung eines Archivbestandes. Das Digitalisierungsprojekt „Tonarchiv Johannes-Künzig-Institut, Freiburg“, in: RuthElisabeth Mohrmann, Audioarchive. Tondokumente digitalisieren, erschließen und auswerten, Münster (u. a.) 2013, S. 105 –112, hier S. 106. Zur volkskundlichen „Rettungseuphorie“ in der Nachkriegszeit siehe Elisabeth Fendl, Von der Heimatvetriebenenvolkskunde zur Migrationsforschung. Volkskundliche Sichtweisen auf die Integration von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen, in: Rainer Bendel und Stephan Janker (Hg.), Vertriebene Katholiken – Impulse für Umbrüche in Kirche und Gesellschaft? Münster 2005, S. 49 – 61, hier S. 106. Die Gründung verschiedener z. T. staatlich geförderter Sammelstellen, etwa die ostdeutsche Abteilung der Badischen Landesstelle für Volkskunde, aus der das IVDE entstand, oder die Forschungsstelle von Kararsek in Bischofswiesen, verdeutlicht die Präsenz des Rettungsgedankens und seine innenpolitische Bedeutung. Vgl. Heinke M. Kalinke, Zur Geschichte und Relevanz von Selbstzeugnissen für die Alltags-, Erfahrungs- und Mentalitätsgeschichte der Deutschen in und aus dem östlichen Europa. Eine Einführung, in: dies. (Hg.), Brief, Erzählung, Tagebuch, S. 7–31, hier S. 19, Endnote 7. Zitiert nach Fendl, Von der Heimatvetriebenenvolkskunde zur Migrationsforschung, S. 54. Michael Prosser, Ritualforschung und Erzählforschung. Ein methodisches Beispiel mit Texten aus dem Bestand „Ungarn“ der ,Sagen-Sammlung-Karasek‘, in: ders. und Csilla Schell (Hg.), Fest, Brauch, Identität. Ungarisch-deutsche Kontaktfelder (Schriftenreihe des Johannes-Künzig-Institutes 9), Freiburg 2008, S. 235 – 284, hier S. 249 – 251. Künzig, Zentralstelle für Volkskunde der Heimatvertriebenen, S. 205. Prosser, Ritualforschung und Erzählforschung, S. 252. Die Sprachinselvolkskunde der Zwischenkriegszeit sah die deutschsprachigen Minderheiten im östlichen Europa als „Inseln“ uralten Deutschtums in einem „fremdvölkischen Meer“. Die Entfernung zum Mutterland und die isolierte Insellage habe dazu geführt, dass sich beispielsweise in Lied und Dialekt die reine deutsche Wesensart erhalten habe, die innerhalb der Reichsgrenzen durch Modernisierungsprozesse im Untergang begriffen sei. Gemeinsamkeiten und Austauschprozesse zwischen den deutschen Sprachinseln und der sie umgebenden (serbischen, ungarischen, russischen usw.) Mehrheit wurden ausgeblendet. Im Nationalsozialismus erhielt die Forschungsrichtung durch die verstärkte Einflussnahme auf die „Volksdeutschen“ erheblichen Auftrieb. Heinke M. Kalinke, „Teamwork“ – Zur volkskundlichen Feldforschung in Ost- und Südosteuropa in den 1929er und 1930er Jahren: Alfred Karasek und der Bielitzer Kreis, in: Jahrbuch für deutsche und osteuropäische Volkskunde 42 (1999), S. 20 – 43, hier S. 36 f. Ebd., S. 37. Mezger, Dokumentation und Forschung unter den Rahmenbedingungen des § 96 BVFG, S. 88. Zum Verhältnis zwischen Karaseks Forschungen und der Fachentwicklung vgl. Fendl, Von der Heimatvertriebenenvolkskunde zur Migrationsforschung, S. 51; Simon Sahm, Donauschwäbische Sagenbildung in der Vojvodina (1944 –1952). Psychologische Aspekte eines narrativen Marienkults, in: Jahrbuch für deutsche und osteuropäische Volkskunde 51 (2010), S. 75 –109, hier S.76–83; zur Einordnung von Künzigs Forschungen in die Fachgeschichte siehe Mezger, Dokumentation und Forschung unter den Rahmenbedingungen des § 96 BVFG, S. 88 – 90. 181 182 LENI PERENČEVIĆ 17 Albrecht Lehmann, Im Fremden ungewollt zuhaus. Flüchtlinge und Vertriebene in Westdeutschland 1945 –1990, München 1991, S. 190. 18 TAK 206-I_1, Interview mit Hildegard Tangel aus Werschetz (geb. 1893), aufgez. in Piding am 21.9.1956. 19 TAK 65-I/65-II_1-2, Interview mit Frau Kaspar aus Franzfeld, aufgez.in Freiburg im Herbst 1952. 20 TAK 20_1, Interview mit Anna Birk aus Georgshausen (Geburtsdatum unbekannt), aufgez. in Kandel am 1.5.1952. 21 Ebd. 22 Gottfried Habenicht, Leid im Lied. Südost- und ostdeutsche Lagerlieder und Lieder von Flucht, Vertreibung und Verschleppung, Freiburg 1996, S. 18. 23 Ders., S. 39. 24 TAK 10-I/10-II_16, Interview mit Herrn Helmlinger aus India, aufgez. im Lager Zuffenhausen bei Stuttgart im Frühjahr 1952. 25 Simon Sahm, Donauschwäbische Sagenbildung in der Vojvodina, S. 107. 26 Michael Prosser-Schell (unter Mitarbeit von Tilman Kasten und Cornelia Wolf), Das geistliche Schauspiel als Bestandteil des christlichen Festes. Anmerkungen und Befunde zu einem klassischen Problem der volkskundlichen Kulturanalyse – unter Berücksichtigung von Beständen des Johannes-Künzig-Instituts aus dem donauschwäbischen Raum, in: ders. (Hg.), Szenische Gestaltung christlicher Feste. Beiträge aus dem Karpatenbecken und aus Deutschland (Schriftenreihe des Johannes-Künzig-Instituts 13), Freiburg 2011, S. 157–187, hier S. 185 –187; siehe auch ders., Kulturanthropologische Zugänge zum „Mysterienspiel“. Neue Aspekte zu einem klassischen Untersuchungsfeld der volkskundlichen Forschung, in: Acta Ethnologica Danubiana 13 (2011), S. 35 – 52, hier S. 47– 59. 27 Zitiert nach Prosser-Schell, Das geistliche Schauspiel als Bestandteil des christlichen Festes, S. 186. 28 Ebd. 29 TAK 63_13, Interview mit Peter Rotenheber aus dem Banat, aufgez. im Flüchtlingswohnlager „Am Hohen Kreuz“ in Regensburg 1953. 30 Ebd. In der Regeste zum Tonband ist als Ort Gatsch angegeben, gemeint ist wahrscheinlich Katsch. 31 TAK 10-I/10-II_16, Interview mit Herrn Helmlinger aus India, aufgez. im Lager Zuffenhausen bei Stuttgart im Frühjahr 1952. 32 TAK 39_3, Interview mit Martin Sorg aus Betschmen, aufgez. in Tuttlingen beim Treffen der Banater Schwaben am 29.6.1952. 33 TAK 10-I/10-II_15, Unbekannter Erzähler aus dem Banat, aufgenommen im Lager Zuffenhausen bei Stuttgart im Frühjahr 1952. 34 Regeste zu Band 10-I/10-II:_28 Hildegard Tangel berichtet von Massakern an Deutschen in Werschetz: „Die […] Toten lud man auf Wagen und fuhr sie mit Zigeunermusik durch die Gassen zum Schinder, wo man sie eingrub. Die Zigeuner johlten dabei.“; Vgl. Regeste zu Band 10-I/10II_29, Interview mit Maria Pohl (geboren 1906) aus Sarajewo, die mit anderen Deutschen in Windthorst interniert und zur Arbeit eingesetzt wurde: „Unter den Wachen gab es auch menschlichere Burschen, so dass sie sich nicht zu beklagen hatten.“ 35 Lehmann, Im Fremden ungewollt zuhaus, S. 188. 36 Ders., S. 241. 37 TAK 1232_4, Interview mit Käthe Mock (geb. 1930) aus Mokrin, aufgez. in Freiburg am 8. und 9.1.1995. 38 Habenicht, Leid im Lied, S. 42. 39 TAK 1220/1230/1231_1, Interview mit Käthe Mock (geb. 1930) aus Mokrin, aufgez. in Freiburg am 8. und 9.1.1995. 40 Zum Thema Holocaust in Heimatbüchern von Vertriebenen siehe Jutta Faehndrich, Erinnerungskultur und Umgang mit Vertreibung in Heimatbüchern deutschsprachiger Vertriebener, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 52/2 (2003), S. 191– 229, hier S. 209 – 211. 41 TAK 206-I_28, Interview mit Hildegard Tangel (geb. 1893) aus Werschetz, aufgez. 1956 in Piding. 42 Ebd. 43 Lehmann, Im Fremden ungewollt zuhaus, S. 238. 44 Sagen-Archiv-Karasek, Reihe 4, Nr. 3, Beleg 81 (im Folgenden SAK 4/3-81), Neue Sagenbildung/ Kirchenzerstörung: Marienfrevel, überliefert von Katharina Kaiser (geb. 1894), notiert im GrenzAuffanglager Piding an Pfingsten 1952. 45 Heinke M. Kalinke, Gerüchte, Prophezeiungen und Wunder. Zur Konjunktur sagenhafter Erzählungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit, in: Elisabeth Fendl (Hg.), Zur Ikonographie des Heimwehs. Erinnerungskultur von Heimatvertriebenen (Schriftenreihe des Johannes-KünzigInstitutes 6), Freiburg 2002, S. 159 –174, hier S. 164. 46 Lehmann, Im Fremden ungewollt zuhaus, S. 238 f. 47 Ebd. S. 239 f; Kalinke, Gerüchte, Prophezeiungen und Wunder, S. 167. 48 AK 4/2-144, Neue Sagenbildung/Partisanenkrankheit, überliefert von Elisabeth Kowitzki aus Mramorak, notiert im Grenz-Auffanglager Piding am 18. Mai 1952. 49 Kalinke, Gerüchte, Prophezeiungen und Wunder, S. 166 f. DONAUSCHWÄBISCHE ERZÄHLUNGEN ÜBER INTERNIERUNG UND ENTEIGNUNG 50 SAK 4/2-115, Neue Sagenbildung/Partisanenwahn, „Mit dem Kainsmal gezeichnet“, überliefert von Leopold Rohrbacher in: Neuland, II/13 (9. April 1949), S. 2. 51 SAK 4/3-5, Neue Sagenbildung/Partisanenkrankheit, überliefert von Bertha Sohl aus Hajduschitza, notiert im Grenz-Auffanglager Piding am 10. Mai 1952. 52 SAK 4/3-7, Neue Sagenbildung/Partisanenkrankheit, überliefert von Karolina Steiniger (geb. 1897), notiert im Grenz-Auffanglager Piding am 31. Mai 1952. 53 SAK 4/2-125, Neue Sagenbildung/Partisanenkrankheit, überliefert von Magdalena Jerich aus Ernsthausen, notiert im Grenz-Auffanglager Piding am 9. Mai 1952. 54 SAK 4/2-121, Neue Sagenbildung/Partisanenkrankheit, überliefert von Bertha Sohl aus Hajduschitza und Elisabeth Graßl aus Setschan, notiert im Grenz-Auffanglager Piding am 10. Mai 1952. 55 Ebd. 56 SAK 4/2-118, Neue Sagenbildung/Partisanenkrankheit, überliefert von Michael Kuhn aus Schajkaschsentivan, notiert in der Donausiedlung bei Darmstadt am 1. April 1951; SAK 4/3-8, Neue Sagenbildung/Partisanenkrankheit, Erzähler unbekannt, notiert in St. Martin bei Graz während einer Tagung donauschwäbischer Hochschüler am 14. November 1951. 57 SAK 4/3-7, Neue Sagenbildung/Partisanenkrankheit, überliefert von Karolina Steininger (geb. 1897), aufgenommen im Grenz-Auffanglager Piding am 31. Mai 1952. 58 Karasek, Die donauschwäbische Volkserzählung in der Gegenwart, S. 115. 59 Kalinke, Gerüchte, Prophezeiungen, Wunder, S. 172 f. 60 Ich danke Thomas Dapper für den Hinweis während der Tagung und für die Mühe, nochmals mit Mramorakern Kontakt aufzunehmen und die verschiedenen Geschichten zur Zerstörung der Mramoraker Kirche aufzuschreiben. 61 Alfred Karasek, Unser eigenes Schicksal wird Sage, in: Neuland IV/3 (21.1.1951), S. 4. 62 SAK 4/2-30 Neue Sagenbildung/Marienerscheinung, Schreiben vom Flüchtlingsseelsorger Pfarrer Buschbacher vom Oktober 1949; SAK 4/2-31, Neue Sagenbildung/Marienerscheinung, Bericht eines Kroaten nach einem Vortrag Karaseks in Salzburg am 19. Mai 1951, übersetzt von Pfarrer Stepan. 63 Slađana Josipović Batorek, Vjerske procesije i hodočašća u Đakovačkoj ili Bosanskoj i Srijemskoj biskupiji u svjetlu crkveno-državnih odnosa od 1945. do 1960. godine [Prozessionen und Wallfahrten im Bistum Djakovar oder Bistum Bosnien und Syrmien im Licht kirchlich-staatlicher Beziehungen von 1945 bis 1960], in: Povijesni zbornik 5 (2012), S. 5 –17, hier S. 10. 183 184 WOLFGANG KESSLER Wolfgang Kessler Das historische Umfeld des Zweiten Weltkriegs in Jugoslawien im Spiegel donauschwäbischer Ortsheimatbücher 1. Donauschwäbische Ortsheimatbücher für den historischen Raum Jugoslawien Das Heimatbuch repräsentiert eine eigene Schriftenklasse oder Textsorte. Ihr wesentliches Kennzeichen ist die Wiedergabe unmittelbarer Wahrnehmung und Erfahrung des als „Heimat“ empfundenen engeren Erfahrungsraumes, wie sie sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt hat.1 Sie unterscheidet sich von der traditionellen Orts- und Stadtgeschichte, die gegebenenfalls eine ihrer wesentlichen Quellen darstellt,2 ebenso wie von historisch-kritischer Forschung: „Ihr wesentliches Merkmal“ ist „die Ganzheitlichkeit der Darstellung. [...] Bei den Vertriebenen erhielt dies angesichts des Verlusts der Heimat eine geradezu existenzielle Bedeutung“.3 Man wollte „unter Heranziehung aller aufgefundenen Texte und erreichbaren mündlichen Überlieferung“ das Leben der deutschen Bevölkerung – mit der zeitlichen Entfernung vom Kriegsende 1945 oft auch das der Eltern – im „verlorenen“ Heimatort darstellen und „zu einem ganzheitlichen Geschichtsbild“ verarbeiten.4 Die Heimatbücher der deutschen Vertriebenen stellen eine spezifische Ausdrucksform ihrer Erinnerungskultur dar. Sie halten mikrohistorische Überlieferungen fest, bezüglich der Zeitgeschichte die selbst erlebte Zeit „in der alten Heimat“ einschließlich Evakuierung, Flucht oder Vertreibung beziehungsweise deren Erzählung durch Zeitzeugen. Sie sind eine Form der Verschriftlichung des kommunikativen Gedächtnisses.5 Da es in den – wie man sie seit Mitte der 1920er Jahre nannte6 – „donauschwäbischen“ Siedlungsgebieten des „ersten Jugoslawien“ keine „rein deutschen“ Dörfer gab, repräsentieren die Heimatbücher die Erinnerung des deutschen Bevölkerungsteils. Heimatbücher sind, auch wenn ein einzelner Autor formal verantwortlich ist, in der Regel Kollektivarbeiten, eine Art Kollektivbiographie der donauschwäbischen Ortsgemeinschaften, eine Form der Verständigung in der Gruppe über das gemeinsame Bild der „alten Heimat“. „Heimatgeschichte“ wird als „bewusstseinsbildende, identitätsstiftende Kraft“ beschworen.7 Unangenehme und strittige Erinnerung wird ausgeblendet, Anschuldigungen, die „Fünfte Kolonne“ des nationalsozialistischen Deutschlands gewesen zu sein, die die jugoslawische Seite gegen die „Volksdeutschen“ zur Legitimierung von Internierung, Zwangsarbeit, Enteignung und Ausweisung vorgetragen und auch historiographisch zu untermauern versucht hat, werden zurückgewiesen, dagegen die „Leistung“ der Gruppe betont.8 Heimatbücher sind auch angesichts des Generationenwechsels primär zur Selbstverständigung und Traditionsbildung der eigenen Gruppe bestimmt und nicht für eine irgendwie geartete Öffentlichkeit. Als „graue Literatur“ werden sie – außer in Pflichtexemplarbibliotheken – mit relativer Dichte systematisch nur von Spezialbibliotheken gesammelt, was den historisch-jugoslawischen Raum betrifft vor allem im Institut für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen, im Haus der Donauschwaben in Sindelfingen und in der Martin-Opitz-Bibliothek in Herne. Die DAS HISTORISCHE UMFELD DES ZWEITEN WELTKRIEGS IN JUGOSLAWIEN genaue Zahl der einschlägigen Titel ist nicht bekannt. Die letzte systematische Bestandsaufnahme schließt mit dem Berichtsjahr 1978.9 Entstanden sind die donauschwäbischen Heimatbücher seit den 1950er Jahren, verstärkt nach der ersten Integrationsphase in der Bundesrepublik Deutschland in den 1960er Jahren, seit den frühen 1970er Jahren steigt ihre Zahl bis in die 1980er Jahre an und nimmt seit den 1990er Jahren langsam ab.10 Der Arbeitskreis Donauschwäbischer Lehrer hat sich seit den 1950er Jahren systematisch um die Erstellung von Heimatbüchern gekümmert. Dabei ist bei den in den 1950er und 1960er Jahren innerhalb der Donauschwäbischen Beiträge erschienenen Bänden eine starke ideologische Normierung zu beobachten, in den späteren Jahren dagegen nach Anlage und Durchführung eher ein gewisser Pluralismus.11 Nimmt man Zahl und Umfang der Ortsheimatbücher, liegt in der Summe eine gewaltige Leistung der Heimatortsgemeinschaften vor, die den Druck in der Regel selbst finanziert haben.12 Der Zusammenhang mit den in der Ostdokumentation des Bundesarchivs systematisch erfragten und gesammelten Berichten, die in Auswahl in der Dokumentation der Vertreibung veröffentlicht wurden, ist offensichtlich.13 Teilweise werden die Verzeichnisse der deutschen Bevölkerung, die „Seelenlisten“, die ebenfalls im Rahmen der Ostdokumentation erstellt wurden, in den Heimatbüchern abgedruckt.14 Man wird bei ihrer Verwendung immer bedenken müssen, dass es sich hier nicht um authentische, im unmittelbaren Zusammenhang mit dem historischen Geschehen stehende Dokumente handelt, sondern um nachträglich erstellte Listen und Berichte von Funktionsträgern, die oft Rechtfertigungscharakter haben. Allerdings stellen sie in vielen Fällen die einzige verfügbare Quelle dar. 2. Die Zwischenkriegszeit 1918–1941 im Heimatbuch Georg Wildmann stellte 1999 für Filipowa in der Batschka fest: „Es ist die Klage zu vernehmen, die letzte, volkspolitisch brisante und kulturell bedeutsame Zeit, die in etwa die beiden Jahrzehnte vor der Vertreibung umfasst, werde in den Ortsmonographien häufig mit nur wenigen Zeilen abgetan.“15 Ein erstes Heimatbuch über Filipowa hatte 1957 diese Fragen nicht beantwortet.16 Jetzt stellte die um 1930 geborene, am politischen und militärischen Geschehen bis 1945 nicht beteiligte Generation Fragen an die Orts- und Gruppengeschichte und arbeitete diese in acht großformatigen Bänden auf.17 Auch andere Heimatbuchautoren dieser Generation setzten sich in dieser Form mit der eigenen Zeitgeschichte auseinander. Der Schwäbisch-Deutsche Kulturbund und die Erneuerungsbewegung werden nur ausnahmsweise differenziert zur Kenntnis genommen. Die Ausgangsposition ist für die betroffenen Autoren schwierig: Sie sehen sich einer aus der Retrospektive schwierigen Loyalität verpflichtet, auch wenn der Kulturbund als Organisation der deutschen Minderheit in manchen Orten erst in den 1930er Jahren Fuß fassen konnte.18 Auf der einen Seite ist ihnen der Befund mangelnden nationalen Engagements unangenehm, auf der anderen Seite tun sie sich mit der Gleichschaltung zur „Volksgruppe“ schwer. Sie beziehen eine Verteidigungsposition gegenüber der Kollektivverurteilung der Kulturbundmitglieder, die wegen dieser Mitgliedschaft nach Kriegsende von der siegreichen jugoslawischen Seite enteignet, interniert, zur Zwangsarbeit herangezogen und vertrieben worden sind.19 Die lange Zeit einzige wissen- 185 Stiftung MartinOpitz-Bibliothek in Herne. 186 Karte donauschwäbischer Siedlungsgebiete (Entwurf: Wolfgang Kessler, Ausführung: Jozo Džambo). WOLFGANG KESSLER schaftliche Darstellung der donauschwäbischen Zeitgeschichte in Jugoslawien, HansUlrich Wehlers Einleitende Darstellung zum Jugoslawienband der Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa (1961), wird weitgehend ignoriert,20 grundlegende in Jugoslawien erschienene Arbeiten21 sowieso. Überwiegend wird für die 1930er Jahre festgestellt, man sei, gemäß der Ausrichtung des Schwäbisch-Deutschen Kulturbunds, „staatstreu und volkstreu“ gewesen: „Aber sie blieben gute Deutsche“.22 Das Verhältnis der Minderheit vor allem zum nationalsozialistischen Deutschen Reich als Mutterland, das zwischen 1941 und 1944 zum „Okkupator“ und zur Schutzmacht des antiserbischen faschistischen Unabhängigen Staates Kroatien und zum Gegner im „Nationalen Befreiungskampf “ wurde, aus dem sich das Demokratische Föderative Jugoslawien 1945 legitimiert hat, wird überwiegend im Sinne des Mehrheitsverhaltens der Kriegsjahre unter dem Primat der „Volkstreue“ dargestellt, ein Loyalitätskonflikt nicht thematisiert. Betont wird der „fundierende Mythos der ‚guten Nachbarschaft‘“23, das gute Zusammenleben mit den einheimischen Serben, Kroaten und Ungarn, „politische Gegensätze zwischen den Kroaten und den Serben [...] berührten [...] im allgemeinen kaum“.24 Die Modernisierung der lokalen deutschen Gesellschaft wird positiv vermerkt, insbesondere die Intensivierung des „völkischen Lebens“. Selten und spät findet sich in den Heimatbüchern Kritik an der Spaltung durch die „Erneuerer“.25 Die meisten Heimatbuchautoren bedauern den Konflikt, sehen aber – bewusst oder in Fortführung praktizierter Anpassungs- und Überlebensstrategien – einen insgesamt nahtlosen Übergang zwischen „Alten“ und „Erneuerern“. Die Überwindung sozialer Grenzen durch die – als Ziel verinnerlichte – „Volksgemeinschaft“ wird hervorgehoben, insbesondere auch die Überwindung der konfessionellen Grenzen.26 Die „Volksgruppe“ wird eher als Konsequenz der „Volksgemeinschaft“ und weniger als nationalsozialistisch geprägter Zwangsverband gesehen. Im Detail wird lokal differenziert über die Auseinandersetzung zwischen Schwäbisch-Deutschem Kulturbund und den „Erneuerern“ der Kultur- und Wohlfahrtsvereinigung der Deutschen in Slawonien berichtet. In Jarmina in Slawonien etwa hätten die „Erneuerer“ im nach 1933 einsetzenden „innervölkischen Streit in der deutschen Volksgruppe“ keinen Erfolg gehabt, man habe aber die Einigung 1939 begrüßt.27 Aus DAS HISTORISCHE UMFELD DES ZWEITEN WELTKRIEGS IN JUGOSLAWIEN Gajdobra in der Batschka wird dagegen 1958 die Situation aus der Perspektive der damals aktiv Involvierten wie folgt berichtet: „Durch die enge Verbindung mit dem Mutterlande und dem kämpferischen Nationalismus in Deutschland entstand eine von der Jugend getragene Erneuerungsbewegung. Auch diese bewegte sich als Ganzes gesehen auf dem Boden der Loyalität dem Heimatstaate gegenüber. Unglücklich wirkte sich der verstärkte Einfluss Deutschlands auf uns Donauschwaben aus. Es kam zu innervölkischem Kampf, der in und um die völkischen Organisationen entbrannte und der auch nicht in den Dörfern halt machte und auch auf uns nach Gajdobra übergriff. Er endete schließlich damit, daß die eigenen Verbände und Genossenschaften neue Leitungen bekamen, und was umso bedauernswerter war, dass die alten völkischen Vorkämpfer zurücktreten mussten. Unter der neuen Ortsgruppenleitung ging es hauptsächlich um die gesamte und einheitlich politische Ausrichtung unserer Ortsbewohner als Volksganzes zu den nationalstaatlichen Zielsetzungen unserer donauschwäbischen Volksgruppe. In dieser Zeit waren 98 % der Einwohner Gajdobras Mitglieder. Unsere Bestrebungen gingen aber auch in dieser Zeit über die Grenzen des Gesetzes niemals hinaus.“28 Der älteren, vor dem Ersten Weltkrieg geborenen Autorengeneration geht es vor allem um Rechtfertigung und Unschuldsnachweis bezüglich der Kollektivverurteilung nach dem Zweiten Weltkrieg, den später Geborenen vor allem um Verstehen und Erklären. Das „alles in allem geruhsame Leben und friedliche Bild“ habe sich schließlich erst im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs verändert.29 Ergibt sich bei der Betrachtung der gesamten Minderheit in Slawonien und Westsyrmien und in den nach 1945 in der Autonomen Provinz Vojvodina innerhalb der Republik Serbien zusammengefassten historischen Gebieten (Ostsyrmien, Batschka und Banat) das Bild der fortschreitenden Nazifizierung im Übergang vom Kulturbund zur Volksgruppe mit der Tendenz zur „völkisch“ definierten Parallelgesellschaft,30 vermitteln die Heimatbücher ein lokal differenziertes Bild, soweit sie sich auf diese Zeit einlassen. 3. Im Zweiten Weltkrieg Der Zweite Weltkrieg spielt, wie Jutta Faehndrich zu Recht konstatiert, bei den Heimatbüchern südostdeutscher Gruppen eine „größere Rolle als bei Reichsdeutschen und Sudetendeutschen“.31 Es geht im Heimatbuch zunächst einmal um die Verständigung über die Situation der eigenen Gruppe in der Kriegszeit, aber auch darum, sich gegen den Vorwurf zu wehren, „Fünfte Kolonne“ gewesen zu sein.32 Mit der Aufteilung Jugoslawiens 1941 nach dem deutschen Überfall vom 6. April 1941 veränderte sich die Situation der deutschen Minderheiten: Syrmien wurde zusammen mit Slawonien Teil des Unabhängigen Staats Kroatien (Nezavisna Država Hrvatska),33 die jugoslawische Batschka wurde Ungarn eingegliedert,34 Serbien wurde mit dem westlichen Banat der deutschen Besatzungsverwaltung unterstellt.35 Im Unabhängigen Staat Kroatien und im Gebiet des „Deutschen Befehlshabers Serbien“, das heißt im Westbanat und im Reststaat Serbien, wurden „Deutsche Volksgruppen“ als im Sinne der nationalsozialistischen Rassenpolitik definierte Personenverbände mit öffentlich-rechtlichem Autonomiestatut organisiert. In den Ungarn angeschlossenen Gebieten der seit dem Friedensvertrag von Trianon jugoslawischen Teile der Batschka und Baranja wurden die dort lebenden Deutschen in den „Volksbund der Deutschen in Ungarn“ (VDU) eingegliedert, der seit dem Wiener Volksgruppenvertrag vom 30. August 1940 einzigen anerkannten, nationalsozialistischen Organisation der „ungarischen Staatsangehörigen Deutschen Volkstums“.36 Vernachlässigen wir die Deutschen aus Restserbien und Bosnien, die 1941/42 großenteils in die dem Deutschen Reich eingegliederte Untersteiermark und in das besetzte Polen umgesiedelt wurden,37 begann 1941 nach gut zwei Jahrzehnten gemeinsamer Geschichte in Jugoslawien die letzte Phase der dort lebenden deutschen Minderheiten: in Slawonien und Syrmien als „Deutsche Volksgruppe in Kroatien“ innerhalb des Unabhängigen Staats Kroatien, im Banat als „Deutsche Volksgruppe in Serbien“ und in Ungarn als Teil des „Volksbunds der Deutschen in Ungarn“. Im Banat 187 188 WOLFGANG KESSLER und im kroatischen „Satellitenstaat“ erlangten die dort beheimateten Deutschen „während des Krieges eine überaus privilegierte Stellung und bildeten eine Art ‚Staat im Staate‘. Die Führungsorgane beider Volksgruppen erwiesen sich im Gegenzug als willfährige Instrumente nationalsozialistischer Hegemonialpolitik“.38 Die Darstellung der Kriegszeit im Heimatbuch unterscheidet sich nach diesen Gebieten, ebenso die Situation bei Kriegsende mit Evakuierung und Flucht bzw. Internierung, Zwangsarbeit und Ausweisung der verbliebenen deutschen Bevölkerung, die, beschuldigt, Agentur der Besatzungsmacht und Kollaborateure gewesen zu sein, nicht die einzigen Opfer des titoistischen Nachkriegsregimes wurden.39 3.1 Im Unabhängigen Staat Kroatien Die Intensivierung des kroatischen Nationalismus in der Banschaft Kroatien (Banovina Hrvatska) seit 1939 wird in den Heimatbüchern kaum wahrgenommen, oft noch nicht einmal erwähnt. Die Einrichtung des Unabhängigen Staates Kroatien wird zur Kenntnis genommen, aber – wie beim Heimatbuch Jarmina – nicht bewertet, genauso wenig wie die „Ausweisung“ der nach dem Ersten Weltkrieg im Zuge der Agrarreform angesiedelten serbischen Kriegsfreiwilligen („Dobrowolzen“)40 oder die gegen die serbische Bevölkerung gerichtete Ausrottungspolitik. Erwähnenswert waren dagegen die „bald […] einsetzenden Sabotageakte und Überfälle auf deutsche Siedlungen“, die „zwangen […], zum Schutze der Ortsbewohner eine Heimatwacht zu errichten“. Das nächste für die Kriegszeit erwähnte Ereignis ist „der schauderhafte Luftangriff auf Vinkovci am 17. Oktober 1944“.41 Die Rekrutierung zur Waffen-SS und die Rolle der Volksgruppen-Organisation sind keiner Erwähnung wert, unbekannt geblieben ist, nimmt man die Heimatbücher als Indiz, offensichtlich die mit dem Dienst in der Waffen-SS oder der Deutschen Wehrmacht verbundene Übernahme in die deutsche Staatsbürgerschaft und die für die Nachkriegszeit geplante „Aussiedlung“ der betroffenen Familien.42 Einen ersten Vorgeschmack auf „das Ende“ brachte zum Beispiel in Jarmina erst Ende Februar 1944 die Unterbringung von 157 Familien aus vier von den Partisanen bedrohten westslawonischen Dörfern in der Dorfgemeinschaft.43 Am 24./25. Oktober 1944 wurde die deutsche Bevölkerung der überwiegend schwäbisch-deutschen Dörfer44 evakuiert. Eine Treckgruppe von 60 Wagen wurde aus dem Aufnahmegebiet Steiermark im Mai 1945 „auf Weisung der damaligen Behörden“ ausgewiesen und nach Slawonien zurückgeschickt. Soweit sie dort angelangt sind, wurden sie – wie bis auf wenige Ausnahmen alle verbliebenen Deutschen – unter katastrophalen Bedingungen interniert, zur Zwangsarbeit verpflichtet und schließlich, soweit sie die Leidenszeit überlebt hatten, ausgewiesen.45 Aus der städtischen Perspektive der Deutschen in Vinkovci stellte sich der Übergang in den Unabhängigen Staat Kroatien anders dar: „Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen und der Bildung des selbständigen kroatischen Staates im April 1941 änderte sich das Leben in Vinkovci grundlegend. Der Schwäbisch-deutsche Kulturbund wurde in die Deutsche Volksgruppe umgewandelt. […] Ihr wurden jetzt auch politische, paramilitärische und teilweise administrative Aufgaben übertragen. […] Den Deutschen wurden wieder Rechte eingeräumt, die man ihnen seit der Aufhebung der Militärgrenze allmählich genommen hatte.“46 Die Autoren übersehen allerdings auch nicht das „Unrecht“: „Die Juden wurden zusammengetrieben, wegtransportiert und enteignet. Die jahrelange Bevorzugung der regierenden Serben hat die kroatischen Nationalisten bewogen, sich rücksichtslos und unterschiedslos an den Serben zu rächen. Es muß aber festgestellt werden, daß die ansässigen Deutschen, mit Ausnahme einiger weniger Personen, sich an der Verfolgung der Juden und Serben nicht beteiligt haben; sie haben allerdings auch nichts dagegen unternommen.“47 Die Bildung, der von der Forschung begründet in SS-Nähe gesehenen „Deutschen Mannschaft“ im Frühherbst 1941 und ihr Einsatz in der Partisanenbekämpfung wird einschließlich der namentlich benannten Opfer auf deutscher Seite beschrieben.48 Das Schicksal der oft deutschsprachigen Juden wird in Heimatbüchern vergleichsweise DAS HISTORISCHE UMFELD DES ZWEITEN WELTKRIEGS IN JUGOSLAWIEN häufig,49 der Unabhängige Staat Kroatien und die von Branimir Altgayer geführte „Volksgruppe“ oft gar nicht erwähnt.50 Im Zentrum des weiteren Berichts stehen die am 22. Oktober 1944 begonnene Evakuierung sowie das Schicksal der Verbliebenen: „Ein großer Teil der deutschen Bevölkerung, schätzungsweise 20 Prozent, ist trotz vieler Überredungsversuche und Mahnungen zu Hause geblieben. Einige von ihnen waren mit slawischen Familien versippt und glaubten, darum eine glimpfliche Behandlung erwarten zu können, andere hofften, die Zukunft könne schlimmer nicht werden als das Verlassen der angestammten Heimat, des eignen Hab und Guts.“51 Den im Heimatbuch zitierten Bericht über das Schicksal der „zurückgebliebenen Volksdeutschen“ in Vinkovci nach dem Einmarsch der Volksbefreiungsarmee am 13. April 1945 haben die Autoren ohne Nennung der Belegstelle mit Kürzungen aus der Dokumentation der Vertreibung übernommen.52 In Ostsyrmien wird der Übergang aus der Donau-Banschaft in den Unabhängigen Staat Kroatien im April 1941 (zum Wirtschaftsgebiet erst am 15. Oktober 1941) erwähnt, die restlichen Ereignisse einschließlich eines Besuchs „des Reichsführers der SS, Heinrich Himmler“ im Mai 1941 werden ohne jede Wertung erzählt, nur „die Übergabe des Wirtschaftsgebiets Ostsyrmien“ habe bei der Gemeindeführung „keine Begeisterung“ erweckt. Die „einheimischen Serben“ hätten „während und nach den Umsturztagen kein wesentliches Unrecht zu erdulden“ gehabt, ein geringer Teil der deutschen Bevölkerung habe allerdings „ein überhebliches Verhalten an den Tag“ gelegt.53 Partisanenüberfälle, gegen die eine „Flurwacht“ aufgestellt wurde, und die Bedrohung der kleineren deutschen Siedlungen hätten Probleme bereitet. Konkreter wird die Darstellung erst mit der Evakuierung zwischen dem 7. und 22. Oktober 1944 sowie dem „Schicksal der Daheimgebliebenen“, darunter einige, die, so Valentin Oberkersch, „mit einer slawischen Familie versippt“ gewesen seien.54 Ausführlich wird die Zeit im Unabhängigen Staat Kroatien dagegen im Rumaer Heimatbuch dargestellt, wesentlich durch Berichte und Quellenauszüge, ergänzt durch Fotografien, die eindeutig die Nazifizierung der Volksgruppe in ihrer öffentlichen Darstellung belegen.55 Während die Evakuierung hier relativ knapp dargestellt wird, werden „Vertreibung und Vernichtung“ an anderer Stelle in diesem Band großenteils anhand veröffentlichter Quellen ausführlich behandelt.56 Die Lage als Minderheit und die Volksgruppensituation werden in den Heimatbüchern nicht reflektiert, sondern mit wachsendem zeitlichem Abstand verstärkt als Faktum, Erzählung und Quellenzitat berichtet. Die Rekrutierung zur Waffen-SS spielt, wenn sie – wie im Falle Rumas57 – überhaupt erwähnt wird, eine eher nachgeordnete Rolle. Bis in die 1980er Jahre steht für die Kriegszeit die Evakuierung im Mittelpunkt, wobei die Zurückbleibenden, die sich dem Befehl der Volksgruppenführung widersetzten, heftig, zum Teil polemisch kritisiert werden. Seit der Veröffentlichung der vierbändigen Dokumentation über den Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien konzentriert sich das Interesse stärker auf das Nachkriegsschicksal der Verbliebenen und der Zurückgekehrten.58 3.2 In der Batschka Ein großer Teil besonders der älteren Generation der in der Südbatschka lebenden Deutschen begrüßte die „Rückkehr“ in den ungarischen Staat,59 allerdings finden sich – wie aus Kernei – auch Berichte, dass „das Verhältnis […] zu den Besatzern von Anfang an getrübt [war], hauptsächlich wegen des überheblichen Verhaltens einzelner ungarischer Offiziere und der Unduldsamkeit der ungarischen Beamten den »Schwaben« gegenüber.“60 Die Erinnerung an nationale Spannungen und Magyarisierung wurde aktualisiert.61 „Der Versuch der neuen Machthaber, die Errungenschaften und die nationalen Rechte der Deutschen zu schmälern, brachte neue Spannungen“.62 Die vom „Volksbund der Deutschen in Ungarn“ 1941 durchgeführte Rekrutierung für die Waffen-SS verstärkte die Spaltung unter den Dorfbewohnern. Es spricht einiges dafür, dass den Betroffenen die Bedeutung und Folgen der SS-Mitgliedschaft unbekannt waren.63 Wer sich nicht zur „Sportmannschaft“ meldete, galt in den Augen der radika- 189 190 WOLFGANG KESSLER leren Volksbundleute als „Schwarzer“, ein Jahr später als „Volksverräter“.64 Der Einsatz der Katscher Deutschen für serbische Nachbarn 1941 wird im 1988 gedruckten Heimatbuch von den Zeitzeugen verschwiegen, weil er nicht in das durch die Ereignisse von 1945 geprägte Geschichtsbild passte.65 Die Verfolgung von Serben und Juden durch die ungarische Besatzung in der Batschka66 wird von den Heimatbüchern nicht thematisiert. Erste Flüchtlingstrecks aus dem Banat erreichten nach dem Frontwechsel Rumäniens im September 1944 die Batschka. Anfang Oktober 1944 herrschte, so der Bericht aus Kernei, „eine allgemeine Ratlosigkeit“.67 Und aus Schowe wird berichtet: „Als nach dem Frontenwechsel Rumäniens, im August 1944 die russische Armee sich unserer Heimat unaufhaltsam näherte, besonders aber als die Banater Trecks auf den Batschkaer Straßen erschienen, bemächtigte sich auch der deutschen Einwohner von Schowe eine verständliche Unruhe.“ Die Lage blieb unklar. Auch als in der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober 1944 der Fluchtbefehl erteilt wurde, herrschte die „Kopflosigkeit jener Stellen“: Der Treck brach am 11. Oktober auf, kehrte aber nach starkem Regen wegen Unbefahrbarkeit der Wege zurück. Der Großteil der Einwohner Schowes blieb „daheim“ und wurde mit Vorrücken der Roten Armee und der Partisanen zunächst Opfer von Übergriffen durch Serben und Slowaken.68 Ende Dezember wurden nicht nur in Kernei die Männer zwischen 18 und 45 Jahren und die Frauen zwischen 17 und 35 Jahren von jugoslawischen Partisanen in das Gemeindehaus „getrieben“, erfasst und nach einem Fußmarsch nach Sombor mit vielen anderen Altersgenoss(inn)en aus der Batschka dort „den Russen übergeben“ und zur Zwangsarbeit nach Russland deportiert.69 3.3 Im Banat Nach dem deutschen Angriff am 6. April 1941 kam es zu Geiselverhaftungen, denen sich ein Teil der Banater Deutschen durch Flucht in das nahe Rumänien entzog. Banater Heimatbücher berichten über die Freude beim Eintreffen der Deutschen Wehrmacht. Am 15. April erreichten zum Beispiel 50 Soldaten der Waffen-SS-Division „Das Reich“ Stefansfeld: „Ein Platzkonzert der Militärkapelle vereinigte die Soldaten und die Dorfbewohner in bester Stimmung.“70 Die deutsche Verwaltung durch die Volksgruppe und die deutsche Amtssprache71 wurden begrüßt, die Rekrutierung zur Waffen-SS-Division „Prinz Eugen“ zumindest nicht hinterfragt: „Niemand entzog sich dieser Assentierung, alle haben den Ernst der Lage gefühlt, daß man die Scholle verteidigen und Ruhe und Ordnung aufrechterhalten müsse.“72 Vorläufer der SS-Division „Prinz Eugen“ war die von der „Deutschen Volksgruppe“ unter Führung Sepp Jankos zur Partisanenabwehr eingerichtete „Deutsche Mannschaft“.73 Die Einberufung der Männer zur Waffen-SS führte zu Arbeitskräftemangel: „Da die eigenen Männer bis zu 80 Prozent in den Reihen der ‚Prinz-Eugen‘-Division im Kriegseinsatz waren, standen in der Gemeinde nur fremdvölkische Hilfsarbeiter, die sich aus der ungarischen, serbischen und rumänischen Volksgruppe rekrutierten, zur Verfügung. Damals hörte man in den Gassen nur fremde Laute, ein unheimliches Gefühl, welches noch gesteigert wurde durch die im Sommer 1944 immer deutlicher gewordene Aufsässigkeit der serbischen Dienstverpflichteten […]. Es halfen keine Verordnungen und kein polizeilicher Druck.“74 Seit 1943 wuchs die Zahl der Partisanenüberfälle. Am 18. September 1944 kamen erste Flüchtlinge aus dem rumänischen Banat, aus Ulmbach und Wojtek, „ziemlich geschlossen“ mit einem Treck nach Stefansfeld. Spätestens nach dem Waffenstillstand Rumäniens mit den Alliierten am 23. August 1944 wurden Vorkehrungen zur vorübergehenden Räumung des Banats getroffen: „Daß es letzten Endes nicht zur planmäßigen Räumung aus dem Banat kam, lag an der verspäteten Befehlserteilung des Höheren SS- und Polizeiführers Dr. Behrends in Belgrad […]. Dieser Versager der reichsdeutschen Befehlsstelle in Belgrad, die jede verfrühte Evakuierung kriegsgerichtlich verfolgen wollte, hat tausende deutsche Menschen das Leben gekostet.“75 DAS HISTORISCHE UMFELD DES ZWEITEN WELTKRIEGS IN JUGOSLAWIEN 191 Während aus Kroatien ca. 80 Prozent der „Volksgruppe“ und aus der Batschka etwa die Hälfte der deutschen ortsansässigen Bevölkerung rechtzeitig evakuiert werden konnte, war es bei den Banater Deutschen nur etwa ein Zehntel.76 4. Das Heimatbuch als Quelle für die Zeitgeschichte Josef Wolf hat die Entstehungsweise und Methode der donauschwäbischen Heimatbücher treffend charakterisiert: „Heimatbücher ähneln sich in dem Verfahren, das in der Textproduktion zur Anwendung kommt. Die Texte sind im Montagestil konstruiert, das heißt unterschiedliche Textformen wie sparsam kommentierte oder zusammengefasste historische Serienquellen […], erzählte Geschichte und literarische Texte werden an der jeweils ‚passenden‘ Stelle eingefügt. Dem seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert zunehmenden Rückgriff auf lebensgeschichtliche Berichte und Erzählungen kommt nicht nur eine erinnernde, sondern auch authentifizierende Funktion zu.“77 Aus diesem Verfahren resultieren Stärken und Schwächen der Schriftenklasse „Heimatbuch“. Das Heimatbuch ist keine analytische Darstellungsform, es ist abhängig vom Quellenbestand und der Mitarbeitergruppe. Die Faktensammlung steht im Vordergrund, die positive Erinnerung ist das Ziel. Konfliktthemen im engeren gruppenbezogenen Rahmen werden gerne ausgeklammert, ja ignoriert. Bei tendenziell gesamtgesellschaftlichen Themen wie der Einschätzung von Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg fehlen das kritische und das wissenschaftliche Potenzial, sich den Kontroversen zu stellen, zumal das Loyalitätsdilemma der Betroffenen offensichtlich ist. Vor der Erkenntnis, trotz allen guten Willens nur instrumentalisiert worden zu sein, schreckt man ebenso zurück wie vor der Einsicht, dass die Minderheitensituation im Konfliktfeld des Zweiten Weltkriegs ausweglos war. Die kollektive Schuldzuweisung durch die jugoslawische Nachkriegspolitik erschwert die Einsicht in eigene Irrtümer und eigenes Fehlverhalten. Die kritische Aufarbeitung der „volksdeutschen“ Geschichte in den Herkunftsregionen seit den späten 1980er Jahren kam für die Heimatbücher zu spät.78 Die Wahrnehmung bleibt – heimatbuchüblich – monoperspektivisch. In einer Region, in der bis heute eine ethnozentrierte Nationalgeschichte dominiert, wäre es ein Wunder, wenn das Heimatbuch als Geschichte von Betroffenen, von Opfern, eine andere Perspektive entwickelte. Nur ausnahmsweise wird die Zwischenkriegszeit detailliert dargestellt,79 für die Zeit des Zweiten Weltkriegs stehen Bedrohungssituationen wie Übergriffe und Internierungen zu Kriegsbeginn und das Kriegsende 1944 im Zentrum. In den frühen Heimatbüchern überwiegt die Darstellung der Evakuierung, sie enthalten die Chronik der Treckgemeinschaft, während die Leidensgeschichte der Gebliebenen weitgehend ausgeblendet bleibt. Das ändert sich mit den 1980er Jahren und der Erarbeitung der „Leidensgeschichte“, der Märtyrologie der Donauschwaben aus Jugoslawien, die bis dahin verdrängte, traumatisierende Erfahrungen und Erlebnisse einbezieht. Eine Radikalisierung des Grundtons ist unverkennbar, aus Internierungslagern werden Konzentrationslager,80 aus der Leidensgeschichte, die mit Massenliquidierungen, Internierung usw. zuerst Leopold Rohrbacher 1949 engagiert aus der Opferperspektive dargestellt hat,81 wird ein „Genozid“.82 Die Heimatbücher bieten differenziert spezielle regionale Informationen über das Kriegsgeschehen und die Auswirkungen auf die Angehörigen der deutschen Minderheit, die Evakuierungen und das Nachkriegs- Leopold Rohrbacher, Die Ausrottung der deutschsprachigen Minorität in Jugoslawien in den Jahren 1944 bis 1948, Titelblatt. Eine frühe Darstellung des Schicksals der Donauschwaben in Jugoslawien, erschienen 1949. 192 WOLFGANG KESSLER schicksal. Inwieweit diese Informationen über die in der Ostdokumentation des Bundesarchivs zusammengetragenen Berichte hinausgehen, kann nur im Einzelfall geklärt werden. Immerhin sind sie in den Heimatbüchern, die leider in der Regel keine genaue Angabe zur Quelle machen, leichter zugänglich. Für die historische Forschung müssen diese Angaben mit militärgeschichtlichen und anderen Archivquellen sowie der einschlägigen Forschung verglichen werden. Zur Untersuchung des militärischen Vorgehens der Partisanen gehört auch die Einbeziehung der meist apologetischen und einseitigen Literatur zum „nationalen Befreiungskampf “.83 Es gilt aber auch hier, was Vladimir Geiger über Josef Volkmar Senz’ Geschichte der Donauschwaben geschrieben hat: „Auch wenn das Buch aus der deutschen (donauschwäbischen) Realität heraus geschrieben worden ist, finden wir eine Reihe wertvoller, wichtiger und interessanter Angaben und Hinweise, die für das Verständnis nicht nur der donauschwäbischen Geschichte von Nutzen und notwendig sind.“84 DAS HISTORISCHE UMFELD DES ZWEITEN WELTKRIEGS IN JUGOSLAWIEN 15 16 17 18 19 20 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Mathias Beer, Das Heimatbuch als Schriftenklasse. Forschungsstand, historischer Kontext, Merkmale und Funktionen, in: Ders. (Hg.), Das Heimatbuch: Geschichte, Methodik, Wirkung, Göttingen 2010, S. 9–40; Jutta Faehndrich, Eine endliche Geschichte. Die Heimatbücher der deutschen Vertriebenen, Köln 2011 (Visuelle Geschichtskultur 5), S. 44–68. Für den donauschwäbischen Bereich siehe Josef Wolf, Donauschwäbische Heimatbücher. Entwicklungsphasen und Ausprägungen, in: Beer (Hg.), Das Heimatbuch, S. 129–164, hier S. 131–139. Faehndrich, Eine endliche Geschichte, S. 69. Franz Schreiber und Georg Wildmann, Vorwort, in: Paul Mesli (Hg.), Filipowa – Bild einer donauschwäbischen Gemeinde, Bd. 8: Filipowa 1914 –1944, Karlstetten 1999 (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3; 73), S. 9. Im Sinne Aleida Assmanns, dazu Wolfgang Kessler, Zwischen Deutschland und Polen. Zu Geschichte und Geschichtsschreibung des preußischen Ostens und polnischen Westens, in: Matthias Weber (Hg.), Deutschlands Osten – Polens Westen. Vergleichende Studien zur geschichtlichen Landeskunde (Mitteleuropa – Osteuropa, Bd. 2), Frankfurt am Main 2001, S. 60 – 64. Zur Geschichte des Begriffs vgl. Anton Scherer, Donauschwäbische Bibliographie 1935–1955, München 1966 (Veröffentlichungen des Südostdeutschen Kulturwerks, Reihe B; 18), S. VII–IX. Wolf, Donauschwäbische Heimatbücher, S. 153, 159. Ein generelles Merkmal dieser Schriftenklasse, vgl. Wolfgang Kessler, Von der Aneignung der Region als „Heimat“ zur Dokumentation des Verlorenen. Heimatbücher zum historischen Nordostdeutschland, in: Beer (Hg.), Das Heimatbuch, S. 101–128, hier S. 121–122. Wolfgang Kessler, Ost- und südostdeutsche Heimatbücher und Ortsmonographien nach 1945. Eine Bibliographie zur historischen Landeskunde der Vertreibungsgebiete, München 1979. Faehndrich, Eine endliche Geschichte, S. 74 –75. Wolf, Donauschwäbische Heimatbücher, S. 154, 156; Christian Ludwig Brücker (Hg.), 40 Jahre Arbeitsgemeinschaft Donauschwäbischer Lehrer 1947–1987, Sindelfingen 1987 (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 1; 12), S. 44 – 48; Mathias Weifert, Chronik der Arbeitsgemeinschaft Donauschwäbischer Lehrer 1947–1997, München 1997 (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 1; 17), S. 135–143; Faehndrich, Eine endliche Geschichte, S. 154; Carl Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten in Kroatien und der Vojvodina 1918–1941. Identitätsentwürfe und ethnopolitische Mobilisierung, Wiesbaden 2009 (Balkanologische Veröffentlichungen 47), S. 47. Für den preußischen Osten liegen zum Beispiel flächendeckend nur Kreisheimatbücher vor, oft von geringerem Umfang als die donauschwäbischen Ortsheimatbücher. Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.), Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 5: Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, Bonn 1961; zur Ostdokumentation vgl., leider primär genealogisch interessiert, Andreas Leipold, Das Lastenausgleichsarchiv Bayreuth als Träger familienhistorischer Quellen, Greifswald 2012 (Materialien zur pommerschen Familien- und Ortsgeschichte 11). Valentin Oberkersch, India. Deutsches Leben in Ostsyrmien (1825 –1944), Stuttgart 1978, S. 330–406; Stefan Herzog und Stefan Klemm, Heimatbuch der Donauschwaben aus Jarmina – Jahrmein, Wien 1976, S. 205 –250; Adam Ackermann (Hg.), Kernei in der Batschka 1765 –1965. Schicksal einer deutschen Gemeinde in Jugoslawien, Trostberg 1979, S. 196 –240. Unter personengeschichtlichem Aspekt sind auch die Ortssippenbücher von Interesse, die aber, anders als 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 Anton Scherer meint, keine „Ortsmonographien“ im engeren Sinne darstellen. Siehe Anton Scherer, „Cvaj dojče profesorn – faterland ferlorn“. Tendenziöse Darstellungen, unzulässige Verallgemeinerungen, unwahre Behauptungen, Irrtümer bei deutschen und jugoslawischen Historikern. Ausgangspunkt: Günter Schödl in: „Land an der Donau“, Graz 1997 (Danubio-Suevia, Bd. 12 = Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3; 81), S. 13. Schreiber und Wildmann, Vorwort, S. 9. Anton Zollitsch, Filipowa. Entstehen, Wachsen und Vergehen einer donauschwäbischen Gemeinde in der Batschka, Freilassing 1957 (Donauschwäbische Beiträge 19). Paul Mesli (Hg.), Filipowa – Bild einer donauschwäbischen Gemeinde, Bd. 1– 8, Karlstetten 1978 –1999. Valentin Oberkersch (Hg.), Heimatbuch der Deutschen aus Vinkovci und Umgebung, Biberach 1975, S. 63; Adam Ackermann (Hg.), Kernei in der Batschka 1765 –1965, Trostberg 1979, S. 92: Nach dem Verbot des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes „formierte sich die Ortsgruppe des Kulturbundes erst 1939“. Hans-Ulrich Wehler, Einleitende Darstellung, in: Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, S. 3E –132E, hier S. 90E –132E. Vgl. jetzt die Aufarbeitung von Seiten der Landsmannschaft Donauschwäbische Kulturstiftung (Hg.), Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien, Bde. 1–4, München 1991–1994; Leitfaden zur Dokumentationsreihe Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944–1948: Gesamtübersicht mit thematischen Ergänzungen und Register, Deutsch – Englisch – Serbisch, München 2005 (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3; 116). Wehler, Einleitende Darstellung; wenig überarbeitet erschienen unter dem Titel Hans-Ulrich Wehler, Nationalitätenpolitik in Jugoslawien. Die deutsche Minderheit 1918–1978, Göttingen 1980; vgl. dazu die Rezension in Südost-Forschungen 40 (1981), S. 421– 422; Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 47. Grundlegend ist jetzt Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten. Dušan Biber, Nacizem in Nemci v Jugoslaviji 1933 –1945 [Der Nationalsozialismus und die Deutschen in Jugoslawien 1933 –1945], Ljubljana 1966; Josip Mirnić, Nemci u Bačkoj u Drugom svetskom ratu [Die Deutschen in der Batschka während des Zweiten Weltkriegs], Novi Sad 1974 (Monografije / Institut za izučavanje istorije Vojvodine [Monographien / Institut für die Erforschung der Geschichte der Vojvodina] 6). Zur neueren in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens erschienenen Literatur siehe Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 48. Herzog und Klemm, Heimatbuch der Donauschwaben aus Jarmina, S. 95; vgl. grundsätzlich Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 272– 281. Faehndrich, Eine endliche Geschichte, S. 154. Herzog und Klemm, Heimatbuch der Donauschwaben aus Jarmina, S. 194 f., Zitat S. 195, ähnlich Ackermann, Kernei, S. 163; vgl. Wolf, Donauschwäbische Heimatbücher, S. 154. Franz Wilhelm, Rumaer Dokumentation 1745–1945. Mittelpunkt der deutschen Bewegung in Syrmien, Slavonien und Kroatien, Bd. 2, Stuttgart 1997 (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 4; 29), S. 146 –147, vgl. dagegen Carl Bischof, Die Geschichte der Marktgemeinde Ruma, Freilassing 1958 (Donauschwäbische Beiträge 25), S. 171–175. Herzog und Klemm, Heimatbuch der Donauschwaben aus Jarmina, S. 194. Ebenda, S. 196. Anton Schäffer, Geschichte der Gemeinde Gajdobra von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, ergänzt durch Georg Ruttinger, Aalen 1958, S. 262/63; die Schlussformulierung entspricht Josef Volkmar Senz, Geschichte der Donauschwaben. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Eine volkstümliche Darstellung, Bd. 5., verbesserte Auflage, München 1989 (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3; 37), S. 220; der entsprechende Band der neuen Gesamtdarstellung aus donauschwäbischer Perspektive, Georg Wildmann, Donauschwäbische Geschichte, Bd. 3: Die Tragödie der Selbstbehauptung im Wirkfeld des Nationalismus der Nachfolgestaaten, München 2010 (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3, 133), ist erst erst 2010 erschienen. Herzog und Klemm, Heimatbuch der Donauschwaben aus Jarmina, S. 197. Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 381– 505. Faehndrich, Eine endliche Geschichte, S. 161. Vgl. zum Beispiel Petar Kačavenda, Nemci u Jugoslaviji 1918 –1945 [Die Deutschen in Jugoslawien von 1918 bis 1945], Belgrad 1991 (Studije i monografije / Institut za savremenu istoriju [Studien und Monographien / Institut für Zeitgeschichte). Ladislaus Hory und Martin Broszat, Der kroatische Ustascha-Staat 1941–1945, Stuttgart 1964 (Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 8); Holm Sundhaussen, Wirtschaftsgeschichte Kroatiens im nationalsozialistischen Großraum 1941–1945. Das Scheitern einer Ausbeutungsstrategie, Stuttgart 1983 (Studien zur Zeitgeschichte 23). Mirnić, Nemci u Bačkoj u Drugom svetskom ratu, S. 83 – 98. Zur deutschen Besatzung vgl. Walter Manoschek, „Serbien ist judenfrei“. Militärische Besatzungspolitik und Judenvernichtung in Serbien 1941/42, München 1993 (Beiträge zur Militärgeschichte 38); Karl-Heinz Schlarp, Wirtschaft und Besatzung in Serbien 1941–1944. Ein Beitrag zur nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik in Südosteuropa, Wiesbaden 1986 (Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa 25). 193 194 WOLFGANG KESSLER 36 Zur Aufteilung Jugoslawiens 1941 vgl. Marie-Janine Calic, Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert, München 2010 (Europäische Geschichte im 20. Jahrhundert), S. 137–147; immer noch grundlegend Ferdo Čulinović, Okupatorska podjela Jugoslavije [Die Aufteilung Jugoslawiens durch die Besatzer], Belgrad 1970 (Ratna prošlost naših naroda [Die Kriegsvergangenheit unserer Völker] 118); Wehler, Einleitende Darstellung, S. 50E–59E; Thomas Casagrande, Die volksdeutsche SS-Division „Prinz Eugen“. Die Banater Schwaben und die nationalsozialistischen Kriegsverbrechen, Frankfurt am Main 2003, S. 155–182; Holm Sundhaussen, Die Deutschen in Kroatien-Slawonien und Jugoslawien, in: Günter Schödl (Hg.), Land an der Donau, Berlin 1995 (Deutsche Geschichte im Osten Europas 5), S. 291–348, hier S. 335 –342; Ekkehard Völkl, Der Westbanat 1941–1944. Die deutsche, die ungarische und andere Volksgruppen, München 1991 (Studia Hungarica 38); Gerhard Seewann, Geschichte der Deutschen in Ungarn, Bd. 2: 1860 bis 2006, Marburg 2012 (Studien zur Ostmitteleuropaforschung 24/II), S. 283, 294; Wildmann (Hg.), Donauschwäbische Geschichte, Bd. 3, S. 606 –750. 37 Wehler, Einleitende Darstellung, S. 59E, 81E– 85E; Fritz Hoffmann, Das Schicksal der Bosniendeutschen in hundert Jahren von 1878 –1978, Sersheim 1982. – Vgl. Leni Perenčević, „Fern vom Land der Ahnen“. Zur Identitätskonstruktion in bosnischen Heimatbüchern, in: Jahrbuch für deutsche und osteuropäische Volkskunde 51 (2010), S. 45–74. 38 Sundhaussen, Die Deutschen in Kroatien-Slawonien, S. 335. 39 Ekkehard Völkl, Abrechnungsfuror in Kroatien, in: Klaus Dietmar Henke und Hans Woller (Hg.), Politische Säuberung in Europa. Die Abrechnung mit Faschismus und Kollaboration nach dem Zweiten Weltkrieg, München 1991, S. 358 –394; Borivoje M. Karapandžić, Jugoslovensko krvavo proleće 1945 [Der jugoslawische blutige Frühling 1945], Cleveland 1976, zu den Deutschen Wehler, Einleitende Darstellung, S. 90E–118E; Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien; Sundhaussen, Die Deutschen in Kroatien-Slawonien, S. 343. 40 Herzog und Klemm, Heimatbuch der Donauschwaben aus Jarmina, S. 194; auch Oberkersch, India, S. 320; dazu Sundhaussen, Wirtschaftsgeschichte Kroatiens, S. 251. 41 Herzog und Klemm, Heimatbuch der Donauschwaben aus Jarmina, S. 196 –198, zum Luftangriff Oberkersch (Hg.), Heimatbuch der Deutschen aus Vinkovci, S. 68. 42 Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, S. 164E; Holm Sundhaussen, Zur Geschichte der Waffen-SS in Kroatien 1941–1945, in: Südost-Forschungen 30 (1971), S. 176 –196. 43 Herzog und Klemm, Heimatbuch der Donauschwaben aus Jarmina, S. 199, vgl. S. 134. 44 Ebenda, S. 134. 45 Ebenda, S. 200–201; zu den Ausnahmen vgl. Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, S. 103E; Casagrande, Die volksdeutsche SS-Division “Prinz Eugen”, S. 299. 46 Oberkersch (Hg.), Heimatbuch der Deutschen aus Vinkovci, S. 67; Nationale Rechte für Deutsche hat es in der Österreichischen Militärgrenze allerdings nie gegeben. 47 Oberkersch (Hg.), Heimatbuch der Deutschen aus Vinkovci, S. 67. 48 Ebenda, S. 67–68. 49 Faehndrich, Eine endliche Geschichte, S. 164; vgl. die Übersicht Holm Sundhaussen, Jugoslawien, in: Wolfgang Benz (Hg.), Dimension des Völkermords. Die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus, München 1991 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 33), S. 311–330. 50 Eine ausführliche Darstellung aus landsmannschaftlicher Perspektive liegt erst vor mit Valentin Oberkersch, Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien. Geschichte einer deutschen Volksgruppe in Südosteuropa, Stuttgart 1989 (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3; 40), S. 360 – 461. 51 Oberkersch (Hg.), Heimatbuch der Deutschen aus Vinkovci, S. 70. Nach Mesli (Hg.), Filipowa, Bd. 8, S. 91, sahen die Deutschen in der Batschka in der Bildung des Unabhängigen Staates Kroatien 1941 die „Errichtung des kroatischen Nationalstaats“. 52 Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, S. 525 – 534. 53 Oberkersch, India, S. 320; zum Himmler-Besuch auch Wilhelm (Hg.), Rumaer Dokumentation, Bd. 2, S. 153. 54 Oberkersch, India, S. 326, Evakuierungsbericht ebenda, S. 322 – 326. 55 Wilhelm (Hg.), Rumaer Dokumentation, Bd. 2, S. 153 –190. 56 Ebenda, S. 188–193, 359 –383. 57 Ebenda, S. 169. 58 Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien, Bd. 1 und 2 auch als Weißbuch der Deutschen aus Jugoslawien. Erlebnisberichte 1944–1948, München 1993; Weißbuch der Deutschen aus Jugoslawien. Ortsberichte 1944–1948, München 1992, herangezogen werden auch Leopold Rohrbacher, Ein Volk – ausgelöscht. Die Ausrottung des Donauschwabentums in Jugoslawien in den Jahren von 1944 bis 1948, Salzburg 1949 (Schwabenbuch-Reihe 1) und Bonner Dokumentation, Bd. 5. 59 Schäffer, Geschichte der Gemeinde Gajdobra, S. 266. 60 Ackermann (Hg.), Kernei in der Batschka, S. 163. 61 Casagrande, Die volksdeutsche SS-Division „Prinz Eugen“, S. 160. 62 Ackermann (Hg.), Kernei in der Batschka, S. 163. DAS HISTORISCHE UMFELD DES ZWEITEN WELTKRIEGS IN JUGOSLAWIEN 63 Martin Schneider (Hg.), Militisch, Freilassing 1961 (Donauschwäbische Beiträge 43), S. 240; vgl. Ackermann (Hg.), Kernei in der Batschka, S. 164. 64 Mesli (Hg.), Filipowa, Bd. 8, S. 278 –279. 65 Katsch, die Geschichte deutscher Kolonisten in einem serbischen Dorf, Offenbach 1988. – Mitteilung von Herbert Schön während der Tagung in Bad Radkersburg, der diesen Sachverhalt erst bei späteren Besuchen erfahren hat. Eine serbische Geschichte von Kač konnte nicht ermittelt werden. 66 Vgl. Michael Portmann, Die kommunistische Revolution in der Vojvodina 1944–1952, Wien 2008 (Zentraleuropa-Studien 13), S. 89–93; Vladislav Rotbart, Jugosloveni u mađarskim zatvorima i logorima 1941–1945 [Jugoslawen in ungarischen Gefängnissen und Lagern 1941–1945], Novi Sad 1988 (Biblioteka stradanja i otpori [Bibliothek des Leidens und des Widerstands] 1). 67 Ackermann (Hg.), Kernei in der Batschka, S. 166. 68 Christian Ludwig Brücker (Hg.), Heimatbuch der Gemeinde Schowe, Winnenden 1961, S. 286 –287. 69 Ackermann (Hg.), Kernei in der Batschka, S. 169–170; knappe Übersicht in Station eines Völkermords. Die Deportation von Deutschen aus dem vormaligen Jugoslawien 1944/45 –1949 in die Sowjetunion (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3, 122), München 2006 (2. Auflage). 70 Hans Awender und Stephansfelder Heimatausschuss (Hg.), Die Gründung der Gemeinde Stephansfeld/Banat 1796–1805 (Donauschwäbische Beiträge 85), Tuttlingen 1985, S. 188. 71 Völkl, Der Westbanat, S. 70–81. 72 Awender, Stefansfeld, S. 189, vgl. Völkl, Der Westbanat, S. 81. 73 Casagrande, Die volksdeutsche SS-Division „Prinz Eugen“, S. 158. 74 Awender, Stefansfeld, S. 190. 75 Awender, Stefansfeld, S. 191; vgl. Völkl, Der Westbanat, S. 81. 76 Zoran Janjetović, Between Hitler and Tito. The disappearance of the Vojvodina Germans, Belgrade 2000, S. 146 –173; Ders., Die Vertreibung der Volksdeutschen und der ungarischen Bevölkerung der Vojvodina am Ende des Zweiten Weltkriegs, in: Ralph Melville, Jiří Pešek und Claus Scharf (Hg.), Zwangsmigrationen im mittleren und östlichen Europa. Völkerrecht, Konzeptionen, Praxis (1938–1950), Mainz 2007 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz: Beiheft 69), S. 407–420; Portmann, Die kommunistische Revolution in der Vojvodina, S. 226; Wehler, Einleitende Darstellung, S. 88E. 77 Wolf, Donauschwäbische Heimatbücher, S. 161; zu den literarischen Texten siehe Ivan Poljaković, Schatten der Vergangenheit. Flucht und Vertreibung in der donauschwäbischen Literatur der Nachkriegszeit, Zagreb 2009. 78 Zum Beispiel Vladimir Geiger, Što se dogodilo s folksdojčerima? Sudbina Nijemaca u bivšoj Jugoslaviji [Was ist mit den Volksdeutschen geschehen? Das Schicksal der Deutschen im ehemaligen Jugoslawien], Zagreb 1993; ders., Nestanak Folksdojčera [Das Verschwinden der Volksdeutschen], Zagreb 1997; Nenad Stefanović, Ein Volk an der Donau. Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien unter dem kommunistischen Tito-Regime. Gespräche und Kommentare serbischer und deutscher Zeitzeugen (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3; 117) München 2005 (3. dt. Auflage). 79 Ausgesprochen ausführlich zum Beispiel in Wilhelm (Hg.), Rumaer Dokumentation, Bd. 2, S. 131–152. 80 So in Lisa Flassak (Hg.), Ernsthausen. Das Schicksal eines deutschen Dorfes im Banat. Ein Heimatbuch, Rastatt 1983, Bd. 2, S. 232, Bd. 3, S. 47, vgl. Faehndrich, Eine endliche Geschichte, S. 164. 81 Rohrbacher, Ein Volk ausgelöscht; Rohrbacher geht nicht auf die Evakuierungen ein. 82 Danube Swabian Association of the U.S.A. (Hg.), Genocide of the Ethnic Germans in Yugoslavia 1944 –1948 (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3; 91), Santa Ana 2001; inwieweit der serbische Genozidvorwurf gegenüber „den“ Kroaten (vgl. Nenad Stefanov, Wissenschaft als nationaler Beruf. Die Serbische Akademie der Wissenschaften 1944–1992. Tradierung und Modifizierung nationaler Ideologie, Wiesbaden 2011 [Balkanologische Veröffentlichungen 52], S. 331) hier Wirkungen gezeigt hat, sei dahingestellt. 83 Vgl. Borivoj Pajović und Milorad Radević, Bibliografija o ratu i revoluciji u Jugoslaviji. Posebna izdanja 1945–1965 [Bibliographie über Krieg und Revolution in Jugoslawien. Monographien 1945–1965] (Ratna prošlost naših naroda [Die Kriegsvergangenheit unserer Völker] 98), Belgrad 1969. 84 Geiger, Nestanak folksdojčera [Das Verschwinden der Volksdeutschen], S. 125: „Iako je pisana iz njemačkog (podunavošvapskog) realiteta nalazimo niz vrijednih, važnih i zanimljivih podataka i navoda korisnih i nezaobilaznih i za razumijevanje ne samo podunavskošvapske povijesti.“ 195 196 JOŽE DEŽMAN Jože Dežman Das vergessene Vermächtnis der deutschen Minderheit in Slowenien Ein knappes Jahrhundert nach dem Zerfall Österreich-Ungarns löst Slowenien aktuell mit Kroatien vor einem internationalen Schiedsgericht das letzte Problem mit einer Grenze, die lange Zeit in ihrem größeren Teil die Grenze zwischen dem österreichischen und dem ungarischen Teil der Habsburger Monarchie gewesen ist. Die Grenzkonflikte führten nach dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg zu gewaltigen Erschütterungen innerhalb der slowenischen Gesellschaft und ihren Minderheiten auf der einen Seite, auf der anderen Seite bestimmte der Kampf von sechs Nationen um dasselbe Land entscheidend auch das Schicksal der slowenischen Minderheiten außerhalb der Grenzen Sloweniens. In Slowenien hat die Debatte über die Lage der nationalen Minderheiten unterschiedliche Gesichter. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat man zwar begonnen, die in Slowenien lebenden Ungarn in Konzentrationslagern zusammenzuführen, einige von ihnen wurden auch ermordet, man diskriminierte sie, doch konnten sie im Land bleiben. Auch etliche Italiener wurden erschlagen, einige von ihnen flüchteten, die meisten allerdings optierten nach dem Londoner Memorandum vom 5. Oktober 1954 für Italien. Trotzdem genießen die ungarische und die italienische Minderheit heute in Slowenien eine rechtlich besonders geschützte Position; beide haben ihren jeweils eigenen Abgeordneten im slowenischen Parlament. Völlig anders ist die Lage der Deutschen, der Juden und der Roma. Auf der einen Seite standen die Deutschen, die, als Minderheit weniger beachtet, mehrheitlich auf der Seite der nationalsozialistischen Agression standen. Auf der anderen Seite standen die slowenischen Juden, insbesondere im Übermurgebiet und die slowenischen Roma, vor allem im Gebiet der Draubanschaft der Zwischenkriegszeit, die Opfer der genozidalen Ausrottungspolitik wurden - die Juden durch die nationalsozialistische im Jahr 1944, die Roma durch die kommunistische im Jahr 1942 im Gebiet der Unterkrain, als mehr als 150 Roma wegen des Verdachts auf Spionage für die italienische Besatzungsmacht von Partisanen getötet wurden. Neben diesen historischen Minderheitengruppen treten in der slowenischen Öffentlichkeit und der Politik neue Minderheiten von Wirtschaftsmigranten auf, die in den letzten Jahrzehnten des zweiten Jugoslawiens aus den anderen „Sozialistischen Republiken“ zugewandert sind. Deutsche und Slowenen Durch zwei grundlegend neue Quellenkomplexe sind neue Tatsachen über die titoistische Gewalt (auch gegen die deutsche Minderheit) entdeckt und neue Forschungsergebnisse erzielt worden. Seit 2005 leite ich die Kommission der slowenischen Regierung zur Lösung der Frage der geheimen Massengräber und bin Mitglied der Regierungskommission zur Durchführung des Gesetzes zur Wiedergutmachung des Unrechts. In der Arbeit beider Kommissionen verbinden sich die Konfrontation mit dem Tabu des Titoismus und das Eintreten Sloweniens in die europäischen Prozesse der Verurteilung totalitärer Regime mit dem Schicksal der Opfer des titoistischen Terrors und rassistischer Diskriminierung. Das schlimmste Verbrechen des Titoismus, dessen Dimensionen vor der einheimischen und der Weltöffentlichkeit auf das Sorgfältigste geheim gehalten wurden, war die Ermordung von Kriegsgefangenen und Zivilisten während und nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Sie begann in großem Umfang gleich nachdem die Rote Armee den Partisanen die Möglichkeit gegeben hatte, nach Serbien einzurücken. Seinen blutigen Höhe- DAS VERGESSENE VERMÄCHTNIS DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN punkt erreichte dieses Massenmorden erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Frühjahr 1945 mit mehreren hundert Begräbnisplätzen und vermutlich nicht weniger als hunderttausend Toten. Die titoistische Tabuisierung dieses Verbrechens wurde mit äußerster Entschiedenheit gewahrt. Die Mordstätten und die Begräbnisplätze wurden armiert und befestigt und mit Abfall und Erdaushub bedeckt. Bis zum Zerfall des Titoismus überwachte die Polizei diese Plätze. Noch in den 1970er Jahren wurden Einzelne wegen dieses Tabubruchs verurteilt – zum Beispiel wegen der Lektüre von Berichten über Ermordungen in ausländischen Publikationen. Es handelt sich um das größte Verbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa. In Slowenien wurden in zwei Monaten mehr als ein Prozent der Bevölkerung und mehr als 80.000 Kriegsgefangene und Zivilpersonen anderer Nationalität (insbesondere Kroaten, Serben und Deutsche) ermordet. Seit dem Jahr 1990 haben Regierungskommissionen und parlamentarische Untersuchungsausschüsse die Dimensionen dieser Verbrechen aufgedeckt. Eine systematische Topografie wurde im Jahr 2000 begonnen, bis heute wurden mehr als 600 geheime Hinrichtungsorte und Begräbnisplätze entdeckt. Seit dem Jahr 2005 wurden Opfer exhumiert und identifiziert, was allerdings mit dem Antritt der Linksregierung im Jahre 2008 ins Stocken geriet.1 Die Republik Slowenien übernahm trotz des Widerstands der Titophilen zahlreiche Bestimmungen des Übergangsrechts. In das Paket der sog. Militärgesetze fallen das Gesetz über die Entnationalisierung (1991), das Gesetz über die Opfer militärischer Gewalt (1995), das Gesetz über die Wiedergutmachung des Unrechts (1996) und das Kriegsgräbergesetz (2003). Das Gesetz über die Wiedergutmachung des Unrechts wurde nach langen Debatten im Jahr 1996 angenommen. Die von den Linksparteien dominierte Mehrheit beschloss allerdings ein verstümmeltes Gesetz. Den Opfern des revolutionären Terrors während des Zweiten Weltkriegs (bis zum 15. Mai 1945) wurden keine Ansprüche zuerkannt, im Gesetzestext durfte der Terminus „kommunistische Gewalt“ nicht verwendet werden, die Rechte der Opfer werden geringer eingestuft als die derjenigen, die Rechte aus der Teilnahme an der Partisanenbewegung besaßen. Die Titophilen behinderten auch die Arbeit der Regierungskommission der Republik Slowenien für die Durchführung des Gesetzes über die Korrektur von Unrecht, ihre Arbeit sicherte vor allem der entschiedene Einsatz des langjährigen Vorsitzenden Janez Lukač. Die archivalische Überlieferung der Kommission setzt mit ihrem Arbeitsbeginn im Jahre 1997 ein. Bis März 2012 hat sie mehr als 24.000 Anträge von mehr als 31.000 Antragstellern bearbeitet. Die Gesamtzahl der Antragsberechtigen betrug 31.202 Personen.2 Einige Einzelbeispiele aus diesen zehntausenden Schicksalen sollen die Spannweite der Verbrechen und der Verletzungen von Menschenrechten während des Bürgerkriegs und des Klassenkampfes des Titoismus gegen die Bevölkerung Sloweniens und ihre Tabuisierung unter seiner Herrschaft illustrieren. Danijel Grafenauer hat die Erkenntnisse über die Deutschen, also die „deutschsprachige ethnische Gruppe der Einwohner Sloweniens“, zu der er „Personen österreichischer und deutscher Nationalität und Personen mit deutscher Muttersprache mit Rücksicht auf die Volkszählungen in beiden Jugoslawien von 1921 bis 2002“ rechnet, zusammengefasst: „Die Art und Weise der Vertreibung glich dem deutschen Vorgehen bei der Zwangsaussiedlung slowenischer Familien“ während des Zweiten Weltkriegs.3 Die Erinnerungen Zdenko Zavadlavas (1924–2006) bestätigen diese Feststellung und übertreffen sie noch: „In dieser Nacht erwartet uns der schwierigste Aussiedlungsabschnitt an der Westgrenze zu Österreich, wo die deutsche Minderheit in einigen Dörfern geschlossen lebt: unter anderem in Füchselsdorf, Sinnersdorf und Guitzenhof. Die Deutschen aus dem Abstaller Tal werden wir dieses Mal nicht aussiedeln, denn es stehen noch keine Neusiedler bereit, die das Vieh versorgen könnten. Am Abend teilen wir uns für diese Dörfer ein. Ich selbst gehe nach Füchselsdorf. Die Kommandostelle konnte aber fast keine Unterstützungskräfte aus dem Gebiet organisieren, weil in diesen Dörfern alle ausnahmslos auf den Aussiedlungslisten standen. Als wir feststellen, dass sogar der Unterstützer aus dem Gebiet verzeichnet ist, obwohl er Slowene ist, streichen wir ihn aus der Liste. In dieser Gegend lebte nämlich eine deutsche Minderheit, die in einigen Fällen, 197 198 JOŽE DEŽMAN insbesondere in Füchselsdorf, sehr aggressiv den Slowenen gegenüber eingestellt war. Ich gehe mit einem Offizier des Korps der Nationalen Verteidigung Jugoslawiens (KNOJ) von Haus zu Haus, um den Bewohnern den Aussiedlungsbeschluss mitzuteilen. Sie haben zwei Stunden Zeit, um ihr Gepäck zu packen und das Vieh zu füttern. Bei einem Haus will man in der Nacht nicht die Tür öffnen. Wir schlagen sie ein. Ich bin schon sehr müde, deshalb macht der KNOJ-Mann weiter. Da wird die Tür sperrangelweit aufgerissen und ein Hüne von Bauer kommt mit einer Axt heraus. Mit ihr spaltet er dem KNOJOffizier den Kopf genau in der Mitte. So etwas Furchtbares hatte ich noch nie gesehen. Der Kopf öffnet sich langsam nach beiden Seiten und bleibt dann auf den Schultern des Toten liegen. Der Offizier sackt in sich zusammen. Der Schwabe schreit in der Tür los und stürmt mit der Axt vorwärts. Ich weiche zurück. Die um das Haus aufgestellten KNOJ-Männer beginnen auf das Haus zu schießen. Sie töten den Bauern und, wie wir später gesehen haben, auch seine gesamte Familie mitsamt der Kinder. Als die Männer ihren hingemetzelten Offizier gesehen hatten, waren sie nicht mehr aufzuhalten.“4 Vor Ende des Krieges sollen etwa 15.000 bis 16.000 Sloweniendeutsche geflohen sein. Einige slowenische Historiker haben bei der Erforschung des Schicksals der deutschen Minderheit die Angaben der Politischen Polizei übernommen, wonach aus Slowenien 9.474 Angehörige der deutschen Minderheit vertrieben worden sein sollen.5 Roman Leljak hat jedoch im Archiv der Republik Slowenien die Primärquellen erforscht und die Zahl der Menschen verzeichnet, die man als Angehörige der deutschen Minderheit vertrieben hat. Er ist dabei auf mehr als 16.000 gekommen, also auf mehr als doppelt so viele, wie sie die Statistik des Staatssicherheitsdienstes (UDBA) nennt.6 Reichlich ungenau charakterisiert Grafenauer auch die Verbrechen an den Sloweniendeutschen: „Die Zahl der Deutschen aus Slowenien, die ihr Leben in der Kriegszeit oder unmittelbar danach verloren haben (durch Exekutionen ohne Gerichtsverfahren, ohne rechtliche Begründungen, durch Entbehrungen und Misshandlungen) lässt sich nicht genau feststellen (vermutlich um die 1.500, keinesfalls aber 6.000 und mehr, wie einige deutsche und österreichischen Quellen behaupten.“ Aus der Behauptung, dass „einige vor […] Kriegsgerichte gestellt und verurteilt worden sind“,7 könnte man den Schluss ziehen, dass die Sloweniendeutschen vor Gerichte gestellt wurden. Eine derart nebulöse Darstellungsweise ist allgemein kennzeichnend für das unsichere Verhältnis der Slowenen gegenüber ihren deutschen Nachbarn. Jedoch dient gerade diese Darstellungsweise dazu, die Tabus des Titoismus aufrechtzuerhalten, die dazu dienten, die titoistischen Kriegsverbrechen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die lange Liste an Verletzungen elementarer Menschenrechte während des Titoismus geheim zu halten. Deshalb muss man, wenn man die Lage der verschiedenen Opfergruppen des Titoismus vergleicht, grundsätzlich davon ausgehen, dass die Deutschen in derselben Lage sind wie alle anderen, vor allem die slawischen Opfer des titoistischen Bürgerkriegs und Klassenkampfs. Der Kalte Krieg und der Eiserne Vorgang verhinderten die offene Debatte über schmerzliche Beziehungen zwischen den Völkern – sowohl auf der internationalen wie auf der innenpolitischen Ebene. So wird auf der einen Seite betont, dass Italien die faschistischen Verbrecher nicht verurteilt hat und dass die Entnazifizierung in Österreich mehr Amnestie gewesen ist als eine Abrechnung mit den nationalsozialistischen Verbrechern, auf der anderen Seite hebt man in Italien die Karstlöcher, in die man die Ermordeten warf, und den Exodus der italienischen Bevölkerung aus Slowenien hervor, in Österreich die Entführungen durch Partisanen in Kärnten und in der Steiermark sowie die Verbrechen an der deutschen Minderheit in Jugoslawien. In Jugoslawien schuf das System der Bewahrung und Entwicklung der revolutionären Traditionen ein unübersehbares Netz an Tabus, das verhinderte, dass Tausende von Schicksalen Eingang in das öffentliche Gedächtnis gefunden haben. Dieses System blockierte bei allen, die es als „Verräter“, „Kollaborateure“ und „Klassenfeinde“ kennzeichnete, eine normale Entwicklung. In vielen Fällen verdächtigte man schnell eine Einzelperson, eine Familie, eine gesellschaftliche Gruppe, und in der Folge waren sie verschiedenen repressiven und diskriminierenden Maßnahmen ausgesetzt. DAS VERGESSENE VERMÄCHTNIS DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN Tito übertrifft Stalin Die Wahrheit über die schlimmsten Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen unter dem Titioismus in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg bekommt nur langsam einen statistischen Rahmen. In der Schlussphase des Bürgerkriegs nach dem Zweiten Weltkrieg wurden im Frühjahr 1945 insbesondere in Slowenien und Kroatien etwa 200.000 Kriegsgefangene und Zivilisten getötet. In Slowenien, Kroatien und Serbien gibt es rund 1.700 geheime Hinrichtungsplätze und Gräberfelder.8 Tito hatte nach dem Zweiten Weltkrieg eine Phase, in der sein mörderischer Zorn den Stalins übertroffen hat. Während in der Sowjetunion etwa 40 Prozent der deutschen Kriegsgefangenen starben, war es in Jugoslawien nach dem Zweiten Weltkrieg etwa die Hälfte (ca. 75.000–90.000), die ums Leben kam, während etwa die selbe Zahl aus der Lagerhaft entlassen wurde.9 Von den Jugoslawiendeutschen wurde ein Viertel derer, deren man nach dem Zweiten Weltkrieg habhaft werden konnte, ermordet (von den rund 200.000, die in Jugoslawien verblieben, wurden ca. 50.000 ermordet).10 Ein höherer Anteil an Opfern als bei den Deutschen ist jedoch bei den jugoslawischen Antikommunisten zu verzeichnen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zum Beispiel mehr als 13.500 Kriegsgefangene aus Einheiten der Landeswehr umgebracht. Da nach glaubhaften Angaben kaum mehr als 15.000 von ihnen gefasst wurden, betrug die Zahl der Getöteten rund 90 Prozent. Die extreme Gewalt bei stalinistischen Gerichtsverfahren, Justizmorde, Tötungen an den Grenzen und bei der Verfolgung verschiedener Widerstandsgruppen, in Konzentrationslagern und Sklavenarbeit setzte sich teilweise bis in die erste Hälfte der 1950er Jahre fort. Der serbische Historiker Srđan Cvetković führt glaubhaft aus, dass in den Jahren 1944 bis 1953 etwa einer halben Million Menschen, etwa drei Prozent der Bevölkerung, die Freiheit entzogen wurde, darunter ca. 300.000 unterschiedlichen Angehörigen der bürgerlichen Schichten, ca. 100.000 Bauern, die sich der Kollektivierung und dem Aufkauf widersetzten, und mehr als 55.000, die im Zuge des Kominform-Konflikts verhaftet wurden. In den Gefängnissen befand sich jedoch eine noch größere Zahl an Menschen, die ohne Gerichtsverfahren einsaßen. Cvetković schätzt, dass in den Jahren von 1944 bis 1953 eine Million Menschen die Gefängnisse durchlaufen hat (350.000 nach amtlichen Statistiken von 1947 bis 1953).11 Doch waren für hunderttausende Einwohner Sloweniens andere Formen der Verletzung der Menschenrechte und rassistischer Diskriminierung ebenso verhängnisvoll wie Mord und sonstige Formen des Staatsterrorismus. Ihrer bediente sich der Titoismus während seiner gesamten Herrschaftszeit, um Demokraten und Gläubige (insbesondere Katholiken) zu unterdrücken und Kultur und Zivilisation im Klassenkampf gegen Bürgertum und Bauern zu vernichten. Das slowenische Verfassungsgericht hat den Titoismus als totalitäres System verurteilt, das „insbesondere in dem Jahrzehnt unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg durch umfassende und grobe Verletzungen der Menschenrechte und der Grundfreiheiten gekennzeichnet ist“.12 Verbrechen gegen die Menschlichkeit Im Gerichtsverfahren gegen Mitja Ribičič, einen hohen Funktionär der Politischen Geheimpolizei, wurde die Tötung von Kriegsgefangenen und Zivilisten ohne Gerichtsverfahren als Verbrechen gegen die Menschheit erkannt, zumal es bei diesen Morden Opfergruppen gab, deren Tötung als besonders verwerfliche Handlungen eingestuft wurde. Eine erste Gruppe unter ihnen bilden Verwundete, Invaliden und Kranke, mit denen zusammen in einigen Fällen auch das Begleitpersonal umgebracht wurde. Unter ihnen gab es slowenische und deutsche Opfer. Die zweite Gruppe bilden die Menschen, die nach der Entlassung aus Lagern und Gefängnissen von lokalen Machthabern eigenmächtig getötet wurden. Zur dritten Gruppe gehören die Personen, die in Gerichtsverfahren verurteilt worden waren (in der Regel zu sehr kurzen Haftstrafen und zur Beschlagnahme ihres Vermögens) und danach ermordet wurden. Dazu gehörten in erster Linie alle von der Politischen Geheimpolizei als „Kulturbündler“ Verfolgten. 199 200 JOŽE DEŽMAN Das Kaufhaus Meyer in Laibach, undatiert. Jede einzelne Geschichte hat allerdings ihre charakterischen Besonderheiten, wie das Beispiel des am 22. Januar 1880 in Laibach (Ljubljana) geborenen Emmerich Mayer illustriert. Mayer war Eigentümer eines Handelshauses in Laibach sowie einer Fabrik und einer Villa in Veldes. In Veldes war er zum Beispiel als Besitzer einer Stickereifabrik bekannt, sein Nachkriegsschicksal wird aber an keiner Stelle erwähnt. Die Politische Polizei kennzeichnete Mayer wie folgt: „Er ist Deutscher. Er war Volksdeutscher.“ Mayer selbst jedoch hatte dem Leiter des Verhörs erklärt, er sei nur „bis zu der Zeit, als ich optieren musste“ [nach Deutschland zu gehen] Mitglied des Kulturbunds gewesen: „und das wollte ich nicht tun“. Als er sich am 12. Mai 1945 im Gefängnis wiederfand, sagten zahlreiche Leute zu seinen Gunsten aus, erwähnt sei nur die Petition von 45 Frauen aus den zu Veldes gehörenden Dörfern Auritz und Schalkendorf, die mit ihrer Unterschrift bestätigten, dass Mayers Tochter Edda „in der Zeit der Okkupation mit freiwilligen Beiträgen unseren Ausschuss der Befreiungsfront13 unterstützt hat. Sie gab uns sehr viel für die Auszusiedelnden und war uns immer gewogen, wenn wir sie aufsuchten. Sie rettete viele Internierte aus dem Lager Wigaun und anderen Gefängnissen“. Dankbezeugungen dankbarer Einzelpersonen und Familien bestätigen die Wahrheit dieser Angaben. Edda Mayer hat in Briefen an die UDBA14 und an den Präsidenten des slowenischen Parlaments Josip Vidmar nachdrücklich betont, dass ihr Vater ihre Arbeit für die Partisanenbewegung unterstützt hat. Zeugen aus Laibach bestätigen ebenfalls Mayers Einsatz für Slowenen und seine Hilfe. Slavko Višnar sagte zum Beispiel als Zeuge aus, dass Mayer, als man ihn 1943 verurteilt hatte, „sich mit ganzer Kraft für mich eingesetzt und mittels erfolgreicher Interventionen erreicht hat, dass die beabsichtigte Todesstrafe in eine Haftstrafe von 30 Jahren umgewandelt wurde“. Danach habe Mayer in den zwei Jahren seiner Gefängnishaft „in vollem Umfang für den Lebensunterhalt meiner Familie, die aus Frau, Kind und der kranken Schwiegermutter bestand, gesorgt“. Erwähnenswert ist, dass sozial engagierte Laibacher Frauen in ihrer Stellungnahme betont haben, dass Mayer vor dem Zweiten Weltkrieg „der größte und allgemeine Unterstützer“ von armen Kindern gewesen ist. Alles Gesagte war vergebens. Mayer wurde durch ein Urteil des Militärgerichts des Laibacher Militärbezirks, Nr. I, Urteil 536/45 zu sechs Monaten Haft verurteilt, zum Verlust seiner staatsbürgerlichen Rechte und zur Enteignung seines gesamten Besitzes. Ende des Jahres wurde er in das Gefängnis der OZNA15, der Politischen Polizei, nach Marburg an der Drau überführt. Das Schicksal der Familie wird im Antrag an die Regierungskommission zur Durchführung des Gesetzes zur Wiedergutmachung des Unrechts der Republik Slowenien beschrieben: „Im Jahre 1945 waren die Töchter 32 und 19 Jahre alt, an ein schönes Leben und Überfluss gewöhnt, den ihnen der erfolg- DAS VERGESSENE VERMÄCHTNIS DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN reiche Vater bieten konnte. Mit einem Male verloren sie durch Unrecht alles, dazu den Ausnahmevater, der gegen alles Recht verhaftet, qualvoll eingesperrt und schließlich auf erniedrigendste Weise totgeschlagen wurde, obwohl er seine Strafe abgesessen hatte. Sie verloren alles, auch alle persönlichen Gegenstände. Die Mutter und Doris wurden am 14. Mai 1945 verhaftet und zunächst drei Monate lang in Laibach inhaftiert, wo sie bis auf das Äußerste gequält und erniedrigt wurden. Nach der Entlassung musste sich die Mutter wegen der unmenschlichen Verhältnisse in den Gefängnissen und den dort erlittenen Gesundheitsschäden 14 Operationen unterziehen. Am 10. Dezember 1945 wurden Doris und Edda zusammen mit der Mutter in das BaragaSeminar in Laibach eingewiesen, wo sie bis zum 29. Dezember 1945 blieben. Zu Silvester 1945/1946 wurde die Familie ohne den Vater nach Österreich vertrieben, von wo aus sie nach Italien ging. Nur Bekannten und wohlmeinenden Menschen ist es zu verdanken, dass sie am Leben blieb. Alle waren bis zur Grenze des Erträglichen getroffen, zugrundegerichtet und gedemütigt. Sie hatten den Vater verloren, auch wenn sie noch nicht wussten, dass er umgebracht worden war. Sie hatten ihre Wohnung verloren, den gesamten Besitz, das ganze Geld, all ihren Schmuck, ihre gesamte Kleidung bis auf die, die sie am Leibe trugen, alle Bekannten, alle Freunde und die Heimat. Das Leiden und ein vollständig anderer Lebensweg hatten begonnen. Zur Erhaltung ihrer Existenz führte sie der Weg von Italien über Deutschland und Argentinien zurück nach Italien und schließlich nach Hause. Zu dieser Zeit verstarben nach schlimmen Leiden die Mutter und der Bruder.“ In Mayers Akte steht: „Ausgesiedelt am 22. Januar 1946“. In Wahrheit wurde Mayer aber umgebracht. Wie er zu Tode kam, erfuhr die Familie erst 1955, als Joseph Kuhn in der Schweiz seine Zeugenaussage aufschrieb, wie er in Radowanje bei Marburg am 23. Mai 1945 verhaftet und im September 1945 in das Männergefängnis in Pobersch überstellt wurde. Mitte Januar begann man, Gefangene zusammenzuschlagen, und am folgenden Abend kam auch Mayer an die Reihe. Man brachte ihn zusammen mit dem Laibacher Glashändler Julius Klein, der im selben Gerichtsverfahren verurteilt worden war, auf den Arech im Bachergebirge (südlich von Marburg). Im Rahmen der Entnationalisierung wurde der Familie Mayer ihr Besitz zurückerstattet und ihr die Rechte nach dem Gesetz zur Wiedergutmachung des Unrechts zugespochen. Nach der Revisionsklage hob das Oberste Gericht Sloweniens am 15. November 1990 das Urteil des Militärgerichts auf und rehabilierte Mayer und seine Mitangeklagten.16 Nichtbegrabene Tote Die Eheleute Leitinger, Michael, geboren 1912, und Johanna, geboren 1915, lebten mit ihren Kindern Marietta, geboren 1938, Michael, geboren 1940, Alexander, geboren 1943, und Johanna, geboren 1944, in Schleinitz. Als Angehörige der deutschen Minderheit wurden die Eltern am 11. Mai 1945 verhaftet und wahrscheinlich später in einem Wald bei Tschreta getötet. Am 6. Dezember 1946 wurden die älteren Kinder zusammen mit Verwandten mütterlicherseits, ihrem Onkel Albin Presker, der Großmutter und der Großtante, mit anderen Angehörigen der deutschen Minderheit in das Lager Tenje in Slawonien und danach in das Lager Rudolfsgnad in der Vojvodina gebracht. Die Kinder blieben dort bis November 1947. Die 14 Monate alte Johanna (Nana) übergab man dem Ehepaar Križnik in Ottendorf. Zu ihren Geschwistern kehrte sie erst im Alter von elf Jahren zurück. Später gingen die Kinder nach und nach ins Ausland: Johanna nach Schweden, Michael nach Australien, Alexander, der heute in Nussdorf lebt, nach Deutschland, Marietta ist bereits in Zagreb verstorben. Zu erwähnen ist, dass Alexander im September 2002 eine „Strafanzeige wegen des Verbrechens des Genozids“ gegen das Führungsmitglied der OZNA, Mitja Ribičič-Ciril, einen der führenden slowenischen Kommunisten, unter anderem 1969–1971 jugoslawischer Regierungschef und 1982–1983 Vorsitzender des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens, wegen der Internierung und Tötung von Angehörigen der deutschen Minderheit im Jahre 1945 eingereicht hat. Die Kinder erfuhren durch Einheimische vom Grab der Eltern. Nachdem Tiere begonnen hatten, die sterblichen Überreste aus dem flachen 201 202 Das Ehepaar Johanna und Michael Leitinger, undatiert. Das Begräbnis des Ehepaares Leitinger und der vier unbekannten Opfer, 16. Februar 2013. Das Grab des Ehepaares Leitinger, undatiert. Die Umbettung der sterblichen Überreste des Ehepaares Leitinger am 28. September 2011. Im Grab wurden die Gebeine von weiteren vier unbekannten Opfern gefunden. JOŽE DEŽMAN Grab auszugraben und in der Umgebung zu verbreiten, hatten einige Dorfbewohner die Opfer tiefer begraben. Michael konnte um das Jahr 1958 (noch vor seiner Ausreise nach Australien im Jahr 1961) die sterblichen Überreste auffinden, doch war die Großmutter dagegen, sie umzubetten. Alexander richtete eine Grabstätte ein und stellte 1978 oder 1980 eine Grabtafel mit den Namen der Eltern auf. Zuvor hatte er ein kleines Kreuz aufgestellt, das aber zerschlagen worden war. Obwohl ein Familiengrab nicht unter die Kriegsgräber fällt, stellte Alexander im Mai 2011 an die Dienststelle für Kriegsgräber einen Antrag auf Umbettung. Da das Grab nicht in das offizielle Verzeichnis der Kriegsgräber aufgenommen worden war, konnte das Amt keinen Mitarbeiter beauftragen und musste den Antrag ablehnen. Deshalb traf sich mit Unterstützung einer von Martin Kostrevc geleiteten Bürgerinitiative am 28. September eine Gruppe, die Johanna und Michael Leitinger umbetten wollte. Es zeigte sich jedoch, dass im Grab noch mehr Personen vergraben worden waren. Der Zerfall der sterblichen Überreste war jedoch weit fortgeschritten, erhalten waren fast nur in Zersetzung befindliche Gebeine und Schädel. Außerdem setzte sich die Begräbnisstätte unter einer großen Buche fort. Deshalb wurden Kriminalisten verständigt und die gefundenen sterblichen Überreste dem Beinhaus auf dem Friedhof in Dobrawa zur Aufbewahrung übergeben. Die abschließende Exhumierung der sterblichen Überreste erfolgte am 22. Dezember 2012, das Begräbnis der Familie Leitinger und der vier unbekannten Opfer am 16. Februar 2013. Wer könnten die anderen Opfer gewesen sein? Nach einem Zeugenbericht ist die schwangere „Gräfin“ aus Schleinitz verschwunden, als sie mit einer Französin auf dem DAS VERGESSENE VERMÄCHTNIS DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN Weg „nach Kranichsfeld war – auf der Straße holte man sie vom Wagen, verhaftete sie – dann kam ein Auto der OZNA und entführte sie“. Am selben Tag wurden aus Schloss Schleinitz Milena Zakrajšek und der Gärtner Kranjec abgeholt, es verschwanden auch noch mehrere Nachbarn. Die Aussagen der Schwestern Ogrizek, Emilia, verheiratete Rudež, und Michaela, verheiratete Vodan, hat Martin Kostrevc aufgezeichnet. Auf dem Bauerhof der Familie Ogrizek im Bachergebirge unterstützte man die Partisanen. Die Schwestern brachten zu Ostern 1945 den abgestürzten 24-jährigen amerikanischen Flieger Richard Nef aus einer Kleinstadt in der Nähe New Yorks mit nach Hause. Nach Absprache mit den Partisanen versteckte er sich im Bunker bei der Familie Ogrizek. Bei ihnen blieb er bis zum Kriegsende. Die „Gräfin“ war eine Erzieherin mit dem Vornamen Friederike, die im Jahre 1937 den Grafen Schönborn geheiratet hatte, der aber bereits im Jahr 1942 verstarb. Friederike war 1944 einem englischen Kriegsgefangenen nähergekommen, der nach dem Krieg nach England zurückgekehrte. Frau Schönborn, die den Partisanen half, verkehrte auch mit der Familie Ogrizek. Hans Ogrizek brachte Nef zu dem Engländer auf Schloss Schleinitz, um seine Heimkehr vorzubereiten. Frau Schönborn bestätigte Hans, dass er den Piloten auf das Schloss gebracht hatte. Diese Bestätigung fand die OZNA bei Hans und verhaftete ihn. Ende Juni oder Anfang Juli 1945 fuhren der Vater und Michaela zum Gericht nach Marburg, um sich über Hans zu erkundigen, doch man sagte ihnen nur, dass er nicht mehr am Leben sei und irgendwo im Bachergebirge liege.17 Die Mehrzahl der ca. Hunderttausend in den slowenischen Gebieten nach dem Zweiten Weltkrieg Ermordeten kann man nicht mehr exhumieren und identifizieren. Nachdem unter der Regierung Janez Janšas, dessen Vater sich als Landeswehrmann vor der Ermordung im Hornwald hatte retten können, die Erforschung und Systematisierung der Mordstätten insbesondere durch das Verdienst des Justizministers Lovre Šturm in Gang gekommen war und erste Opfer exhumiert und in einigen Fällen identifiziert werden konnten, wurde unter der Linksregierung Borut Pahors vor allem wegen ihres titophilen Hintergrunds die Arbeit nahezu eingestellt. Weder die österreichische noch die deutsche Seite zeigte ein besonderes Interesse an der Aufspürung und Exhumierung der Grabstätten mit ermordeten Angehörigen der deutschen Minderheit. Selbstbewusstsein und Identität Josef Felix von Vest, geboren 1769 in Klagenfurt, heiratete 1806 in Schloss Schrottenthurn in Straschischtsche bei Krainburg ein. Seine zweite Frau war Slowenin. Ihr Sohn Viktor Lorenz war Präsident des Landgerichts in Klagenfurt. Den Familienstamm führte Viktor Karl Anton von Vest fort, Kommandant des Marinekorps der k. u. k. Marine in Pula. Ihm folgte der 1917 geborene Sohn Viktor, als nationalbewusster Slowene, Mitglied des Sokol. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er zur Deutschen Wehrmacht einberufen und wird seit Juni 1944 in der Nähe von Witebsk in Weißrussland vermisst. In der Zeit, als der Vater an der deutschen Ostfront vermutlich fiel, wurde am 11. Juni 1944 in Straschischtsche sein Sohn Aleks Leo geboren. Dieser bekannte sich erst nach der Unabhängigkeit Sloweniens zu seiner adligen Identität. Im Jahre 1998 schrieb er, wie er sich jahrzehntelang „schämte, aus dem Adel zu stammen, schämte mich der Tatsache, dass mein Vater 1944 als deutscher Soldat an der Ostfront vermisst gemeldet worden war, schämte mich, weil uns 1948 UDBA-Leute aus Straschischtsche buchstäblich aus unserer Mietwohnung geworfen hatten, schämte mich, weil ich als Kind eines deutschen Soldaten nicht ins Ferienlager mitfahren durfte, schämte mich, dass ich trotz meiner Ausbildung den Militärdienst in einer Strafeinheit leisten musste“. Als er seine adlige Identität durch genealogische Studien untermauerte, ging er positiv davon aus, dass es möglich ist „auf der Grundlage historischer Beweise eine Brücke zu den positiven Werten und zum Selbstbild einer Nation wiederherzustellen, die wegen ideologischen Mißbrauchs in ihr Gegenteil verkehrt worden sind“. Magdalena, die Tochter von Viktor Lorenz, heiratete Otto von Detela, Bezirkshauptmann in Radmannsdorf (sein Vater Otto d. Ä. war Landeshauptmann von Krain). Karl Palm hat den Familiennamen vom Vater, einem ungarischen Offizier, 203 204 JOŽE DEŽMAN der in Oberlaibach stationiert war. Von der Mutter nach zwei Ehejahren geschieden, optierte der Vater für Ungarn. Die Familie wurde als vermeintlich deutsch zur Vertreibung aus dem Staat bestimmt. Am 22. Dezember 1945 wurden die Eheleute Otto und Magdalena von Detela sowie Karl Palm mit seiner schwangeren Ehefrau und der zweijährigen kleinen Tochter verhaftet. Otto und Magdalena von Detela starben im Lager in Marburg im Februar 1946 an Auszehrung, die Familie Palm wurde im April 1946 nach Österreich ausgewiesen. Aleks Leo von Vest und Karl Palm begannen den Kampf um die Entnationalisierung und die Restititution des früheren Familienbesitzes. Schon zur Anerkennung der jugoslawischen Staatsbürgerschaft musste Palm bis zum Verfassungsgericht gehen. Nach langjährigen Gerichtsverfahren (wie sie auch allzuviele andere slowenische Restitutionsberechtigte durchstehen mussten) erhielt Vest das Schloss als Familienerbe zurück und bringt es jetzt in Ordnung. Palms Tochter Jutta, verehelichte Auersperg, will nach Slowenien zurückkehren und das restituierte Familienvermögen verwalten.18 Hunderte ähnlicher Berichte bezeugen, wie schwierig es war, durch die titoistische Aggression zerstörte individuelle und Gruppenidentitäten wiederherzustellen. Die Kinder aus Petritschek Im Jahr 2007 wurde der Dokumentarfilm Die Kinder aus Petritschek (Otroci s Petrička) von Miran Zupanič zum „Slowenischen Film des Jahres“ erklärt.19 In ihm treten Waisen auf, von denen ein Elternteil oder beide Eltern ohne Gerichtsverfahren hingerichtet worden sind und die aus dem Konzentrationslager Tüchern in das Kinderlager „Petritschek“ verlegt worden sind, unter ihnen Kinder aus deutschen, aus slowenischen und national gemischten Ehen. Man sprach slowenisch, ein Nachkomme englisch. Auch der Dokumentarfilm Jože Možins Ein Verbrechen, das nicht verjährt handelt vor allem von der Verfolgung und Ermordung der deutschen Minderheit.20 Die Zeitzeugen sprechen slowenisch und leben in Slowenien. Der Dokumentarfilm wurde mit dem Josip Jurčič-Preis ausgezeichnet. Wenn wir der gestohlenen Kinder gedenken, die die Nationalsozialisten ihren slowenischen Eltern fortgenommen haben, um sie zur Eindeutschung fortzuschicken, ist es ebenso wichtig, dass wir uns an die deutschen Kinder erinnern, denen ebenfalls vielfach die Familie und die Muttersprache genommen wurde. Schätzungsweise gab es etwa 18.000 bis 20.000 entnationalisierte deutsche Kinder in Jugoslawien.21 Sie alle teilen das Schickal tausender Altersgenossen, die wegen getöter Väter, Mütter, anderer Verwandter oder wegen der gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie lange Zeit zurückgesetzt und beschimpft wurden und in jeder Hinsicht lebenslang benachteiligt waren. Geschichte ohne Grenzen Der Historiker Mitja Ferenc resümiert: „Nach der Aussiedlung der Deutschen in den Jahren 1945 und 1946 verblieben in Slowenien nur die ‚Reste der Reste‘ der deutschen nationalen Minderheit. Charakteristisch für die deutsche Gemeinschaft in Slowenien (Personen österreichischer und deutscher Nationalität und Personen mit deutscher Muttersprache) ist in der gesamten Nachkriegszeit ihre geringe Zahl, ihre Zerstreuung und ihre überwiegende Nichtautochthonizität.“22 Diese Einschätzung der deutschen Gemeinschaft gilt in anderen Dimensionen für alle Gruppen, gegen die der Titoismus vorgegangen ist: Bauerntum, Bürgertum, Unternehmer, Adel und Gläubige. Danijel Grafenauer hat die Vereine deutschsprachiger Einwohner in Slowenien dargestellt: „den Gottscheer Altsiedler Verein, den Verband der Kulturvereine der deutschsprachigen ethnischen Gemeinschaft, den Slowenischen Gottscheer Verein ‚Peter Kosler‘, den Kulturverein des Abstaller Felds, den internationalen Verein ‚Most svobode – Freiheitsbrücke – Freedombridge’, den Verein deutschsprachiger Frauen ‚Mostovi/Brücken‘“. Seine Präsentation schließt er mit dem Hinweis: „Staatliche Institutionen müssen dafür sorgen, dass die kulturelle Vielfalt und die Buntheit der nationalen Zusammensetzung (z. B. die Reste der Gottscheer und der Deutschen) in Slowenien bewahrt und gepflegt wird.“23 DAS VERGESSENE VERMÄCHTNIS DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN Es geht jedoch nicht nur darum, das zu erhalten, was nach der Zerstörung durch den Totalitarismus übriggeblieben ist. Für die deutschen wie die slowenischen Opfer ist es wichtig, dass sowohl ihre überlieferte Kultur als auch der Schaden, den ihr und ihren Trägern der totalitäre Titoismus zugefügt hat, in das öffentliche Gedächtnis Eingang finden. Ausgangspunkt für diese Zugangsweise ist die Verurteilung aller totalitären und repressiven Regime – und die Erforschung aller Fragen, die aus welchen Gründen auch immer tabuisiert worden sind. Das bedeutet, die Filter und die Parteilichkeiten zu verstehen, die wir täglich erleben. In der englischen Version von Wikipedia heißt es zum Beispiel über den international renommierten Soziologen Thomas Luckmann: „Thomas Luckmann (born October 14, 1927) is a German sociologist of Slovene origin. His main areas of research are the sociology of communication, Sociology of knowledge, sociology of religion, and the philosophy of science. He was born as Tomaž Luckmann in the Slovenian industrial border town of Jesenice, then part of the Kingdom of Yugoslavia. His father was an Austrian industrialist, while his mother was from a Slovene family from Ljubljana. On his mother side, he was the cousin of the Slovene poet Božo Vodušek. He grew up in a bilingual environment. In the family, they spoke both Slovene and German, and he attended Slovene language schools in Jesenice until 1941, and then German ones. After World War II, the family emigrated to Austria.“ In der slowenischen Version lesen wir dagegen nur: „Thomas Luckmann, deutschslowenischer Soziologe, geboren am 24. Oktober 1928 in Aßling.“ Keine der beiden Versionen berichtet, dass der Vater Thomas Luckmanns als Bürgermeister von Aßling am 17. April 1942 von Partisanen ermordet worden ist. Als Vergeltung für einen weiteren Partisanenüberfall erschossen die Besatzer 49 slowenische Geiseln. Wenn wir dem slowenischen Zweig der Familie Vodušek nachgehen würden, fänden wir führende slowenische Kommunisten wie Antikommunisten – und würden feststellen, dass im Kreis der Familie Vodušek darüber nicht viel gesprochen worden ist. Ein ähnliches Beispiel ist Otto Paar, Hotelier und unter der deutschen Besatzung Bürgermeister von Veldes. Sein Verdienst war, dass in Portorosa der Lebensmittelkonzern Droga entstanden ist. Nicht jedoch berichtet wird, dass Paar am 18. Juli 1946 zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt wurde und bis zum 30. Juni 1950 inhaftiert blieb. Er starb 1969 in Ankara. Ebensowenig wird berichtet, dass sein Sohn Otto Franziscus Paar „höchstwahrscheinlich im Lager Wigaun ermordet worden ist“.24 In dieser Zeit äußersten Hasses sind Beispiele zwischenmenschlichen Mitgefühls und von Hilfe besonders erwähnenswert. Ein Beispiel, das es verdient, gründlicher untersucht zu werden, ist Zarz mit seinen Nachbardörfern. Die deutsche Besatzungsverwaltung klassifizierte die Einwohnerschaft als deutsche Sprachinsel. Die Männer des Ortes wurden 1944 zu einem Zollstützpunkt eingezogen. Größere Zusammenstöße mit Partisanen gab es nicht. Die Männer meldeten sich nach Kriegsende bei den neuen Machthabern und wurden Mitte Mai 1945 verhaftet. Acht wurden umgebracht, einer zum Tode verurteilt und im November 1945 erschossen. Im Dezember 1945 wurden 15 Familien aus drei Dörfern als „Deutsche“ ausgesiedelt, darunter eine vierzehnköpfige Familie, die in der Kriegszeit „den Partisanen acht Rinder und ein Pferd zur Verpflegung zur Verfügung gestellt hatte, dazu in allen Kriegsjahren Nahrung und Kleidung“. Eine andere Familie konnte nachweisen, wegen einer Denunziation durch eine Person ausgesiedelt worden zu sein, die dann ihren Hof übernommen hatte. Nach vielen Gesuchen konnten die Familien zwischen Oktober 1946 und dem Sommer 1952 nach Slowenien zurückkehren. Die Erklärung einer der beiden Familien ist ein eindrückliches Beispiel für das Leid, das in dieser oder jener Form die Familien aller tabuisierten Toten (mehrere Tausend Zivilisten und mehr als 15.000 Kriegsgefangene aus antikommunistischen Einheiten, die die Partisanenbewegung umgebracht hat, mehr als 15.000 von den Besatzungsarmeen, vor allem der deutschen, rekrutierte Soldaten, die in deren Dienst gefallen sind) und die Familien der sogenannten Klassenfeinde erlebt haben: „Die Antragstellerin gab an, dass man ihren Vater 1945 an einen unbekannten Ort verschleppt habe und die Großeltern, die schwangere Mutter und drei Kinder im Vor- 205 206 JOŽE DEŽMAN schulalter nach Zarz zu einer Familie, die bereit gewesen sei, sie aufzunehmen, vertrieben habe. Sie durften nichts mitnehmen, ausgenommen ein wenig Kleidung. Als man den Großvater und einen Onkel 1946 abführte und sie später ermordet wurden, zog die Familie fort nach Sabrdam. Da die Mutter über keine Mittel zum Lebensunterhalt verfügte, gab sie den älteren Bruder [der Antragstellerin] [...] und sie zum Bruder des Vaters, der für beide sorgte, aber die sechs und acht Jahre alten Kinder dafür hart arbeiten ließ. Nach der Hochzeit des Onkels wurde sogar das Brot weggeschlossen, und die Kinder mussten meistens hungrig alle Bauernarbeiten erledigen, auch barfuß den Stall ausmisten. Mit Hilfe eines Lehrers bekam die Mutter mit 46 Jahren eine Stelle in Eisnern. Sie erhielt eine Wohnung, doch fiel der Regen durch das Dach und drang die Kälte durch die Ritzen der Holzwände. Als sie nach einigen Jahren in eine andere Wohnung umziehen konnten, mussten die Kinder die Miete durch Feldarbeit und Wohnungsreinigung für die Hausbesitzerin abarbeiten. Viele Landsleute, die wussten wer die Familie war, verachteten sie, beleidigten die Mutter und schlugen auch die Kinder. Auch der weitere Besuch der Schule wurde ihnen nicht erlaubt. Die Folgen dieser Verfolgung spürten sie das ganze Leben, und ihr Bruder ist daran gestorben.“25 Der Priester Filip Terčelj hatte große Verdienste um die Bewahrung des Slowenentums unter dem italienischen Faschismus und war deswegen in Italien verurteilt worden. Seine Arbeit setzte er fort, als er nach einer erneuten Verhaftung 1934 nach Slowenien geflüchtet war. All das hat ihm nach dem Zweiten Weltkrieg nicht geholfen. Die titoistische Behörde nahm ihn fest. „Meine Allerliebsten! Niemals habe ich mir vorstellen können, dass ein Mensch so viel ertragen und eine solche Enttäuschung erleben kann! Wie Ihr wisst, war ich drei Monate lang eingekerkert, von Mitte Juni bis Mitte September. Was ich alles ertragen musste, kann ich nicht beschreiben. Ich war schon nahe daran, die Welt zu verlassen und wünschte mir wirklich den Tod. [...] Drei Dinge quälten mich psychisch besonders: Erstens, dass ich unschuldig wegen böser Verleumdungen, die zum größten Teil aus Görz stammen, leiden musste wie ein Verbrecher und Volksverräter. Ich, der ich von allen Priestern in Italien am meisten unter dem Faschismus gelitten habe, musste erneut einen Kreuzweg antreten, der am allerschlimmsten war. […] Das Allerschlimmste aber war, dass mich Leute, denen ich so viel Gutes getan hatte, verdächtigt und verjagt haben. [...] Wohin sind wir gelangt? Wer hätte sich das gedacht? Menschen, die so viel unter dem Faschismus zu erleiden hatten, werden heute verjagt. Wie sonderbar und ungerecht ist die Welt. Gott erbarme Dich unser!“ Der Priester Franc Krašna, Pfarrer in Zarz, lud Terčelj zu Weihnachten 1945 zu sich ein, gerade zu der Zeit, als die erwähnten 15 Familien festgenommen wurden. Am Dreikönigsfest feierten beide Priester die Messe in Zarz: „Krašna und Terčelj trösteten die Menschen in Zarz, die ins Pfarramt mit der Bitte um Hilfe und Rettung ihrer Allerliebsten kamen. Sie gaben ihnen die Hoffnung, dass sie sich bei bekannten Personen in Laibach für sie einsetzen könnten. Terčelj hatte nämlich Verbindungen zur Partisanenfamilie Tomšičev. Erwähnen muss ich noch, das die Mutter des Nationalhelden Tone Tomšič noch lange Jahre nach dem Krieg Terčeljs Grab in Dautscha besucht hat.“ Am selben Tag wurden Krašno und Terčelj verhaftet und am nächsten Abend in der Schlucht unterhalb der Stuletz-Hütte (Štulčevo hišo) ermordet. Einheimische bestatteten die sterblichen Überreste der beiden heimlich Ende April oder Anfang Mai 1947. Für Terčelj ist das Verfahren zur Seligsprechung als Märtyrer eingeleitet worden.26 Alle diese Beispiele zeigen, dass eine kritische Haltung gegenüber allen totalitären Systemen, die Verurteilung ihrer Verbrechen und das Mitgefühl mit ihren Opfern eine neue Sicht auf das historische Geschehen eröffnen. Eine solche Sichtweise überwindet nationalistische und revolutionäre Überspanntheit, Parteilichkeit, Verschweigen und Fälschung. Jeden Tag stellen sich neue Fragen, entstehen neue Dimensionen. Erwähnt sei z. B. die jüdische Familie Born, die aus Deutschland nach Slowenien gekommen war. Karl Born, Politiker und Großgrundbesitzer, starb 1947 in Wien. Nach einem jahrelangen Entnationalisierungsverfahren wurden seinen drei Töchtern 3.653 Hektar Wald, Wiesen- und Weideland restituiert. Die Familie Friedrich Borns, den die Gestapo DAS VERGESSENE VERMÄCHTNIS DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN 207 Der leidende Christus und die Gedenktafel, die am 22. September 2013 auf dem Friedhof in Friedau angebracht wurden, erinnern an 39 Kinder und alte Menschen, die umkamen, nachdem sie aus dem Lager Sterntal nach Friedau verbracht worden waren. wegen Spionage verhaftete und der im Konzentrationslager Dachau starb, stellte keine Restitutionsforderung. Obwohl in beiden Fällen die Nationalsozialisten das Vermögen beschlagnahmt hatten, zogen es die Kommunisten noch einmal ein. Die Erben Friedrich Borns wollen sich jetzt trotz der zwischenzeitlich eingetretenen Verjährung der Antragsfristen um die Rückerstattung des Familienvermögens bemühen.27 Über die deutsche Minderheit berichten heute in Slowenien Erzählungen, Bücher, Denkmäler und Websites, Untersuchungen werden durchgeführt, Opfer berichten vor der Regierungskommission zur Durchführung des Gesetzes zur Wiedergutmachung des Unrechts, zahlreiche Strafurteile werden aufgehoben. Es wird deutlich, dass das Schicksal der Menschen, die der Titoismus als slowenische politische Emigranten behandelt hat, dem Schicksal der geflüchteten und vertriebenen deutschen Familien gleicht. Beide standen im Fokus der Politischen Geheimpolizei, die auch die Sloweniendeutschen, die Verbindungen nach Slowenien hielten oder in Slowenien geblieben sind, überwachte. Rajko Topolovec berichtet, dass am 30. Oktober 2011 an der Mauer von Schloss Thurnisch feierlich eine Gedenktafel enthüllt worden ist. Die Initiative ging von dem dort lebenden Marjan Ribič aus, der seine Dankbarkeit gegenüber der Adelsfamilie von Lippit zeigen wollte. Die Lippits waren durch ihre Pferdezucht bekannt und veranstalteten Trabrennen. Josef Lippit „wurde von einem Menschen verhaftet, der ihn dann in einer Truhe (einem Wagen für den Transport von Schotter) in das Konzentrationslager Sterntal abtransportierte. Die Wärter, ‚junge Partisanen‘, quälten ihn und andere Lagerinsassen mit Adelstitel auf äußerst niederträchtige Weise (sperrten sie in eine Hundehütte, zwangen sie, wie Hunde zu bellen, ritten auf ihrem Rücken, urinierten in den Mund). Kam ein Unglücklicher ums Leben, wurde er im nahen Wald, einer Schottergrube oder irgendwo im Bachergebirge begraben oder aber in einem verminten Bunker in Windisch Feistritz. Die übrigen Mitglieder der Familie wurden als Deutschsprachige nach Österreich deportiert, von wo aus sie sich in der ganzen Welt zerstreuten.“28 Die Regierungskommission der Republik Slowenien zur Lösung der Frage der geheimen Grabstätten hat „des Öfteren vorgeschlagen, die versteckten Mord- und Grabstätten im Panzerabwehrgraben von Thesen, einem Vorort von Marburg, als Gedenkpark einzurichten, der als europäische Versöhnungsinitiative Teil des Programms der Stadt Marburg bei ihrer Präsentation als Europäische Kulturhauptstadt 2012 sein könnte. Die Umgebung des Abwehrgrabens innerhalb des Friedhofs Dobrawa wird bereits als Parklandschaft eingerichtet. Alle Bedingungen sind also gegeben, dass Slowenien als Teil des Programms Europäische Kulturhauptstadt 2012 eine Internationalisierung der versteckten Mord- und Grabstätten initiiert und zuvorderst Kroaten, Serben, Montenegriner, Italiener, Österreicher, Deutsche und die in Mitleidenschaft gezogenen Völker der Satel- 208 Ausstellungskatalog Die Deutschen in Maribor. JOŽE DEŽMAN litenstaaten der ehemaligen Sowjetunion zur Mitarbeit anregt. Diese Anregung würde auf genügend Echo stoßen, um sie auf europäischer Ebene durchsetzen zu können.“29 Es hat nicht den Anschein, dass sich diese Anregung durchsetzt. Immerhin aber hat die Europäische Kulturhauptstadt 2012 einige slowenisch-deutsche Überlegungen zur Geschichte Marburgs initiiert. Tamara Griesser-Pečar hat eine Übersichtsdarstellung der Geschichte Marburgs verfasst, in der sie die slowenischen und die deutschen Akteure korrekt und ausgewogen darstellt. Den dramatischen Bruch von der deutschen zu der slowenischen Stadt begleiteten große Spannungen und in der Folge große Lücken im historischen Gedächtnis.30 Diesem Spannungsverhältnis war auch die Ausstellung Die Deutschen und Marburg – das Jahrhundert der Wendepunkte (15. März bis 15. Juni 2012) gewidmet, die „den Besucher zum Nachdenken darüber anregen“ wollte, „ob die Marburger Bevölkerung von der Mitte des 19. bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wirklich in allen Lebensbereichen in zwei nationale Gruppen getrennt gewesen ist“. Die Ausstellung „beleuchtet die im Unterbewusstsein der Marburger präsente, aber nie genauer dargestellte Rolle der Deutschen in Marburg. Sie legt Nachdruck auf das Faktum, dass die Deutschen von der Zeit der Ausbildung des Nationalbewusstseins bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs einer der wichtigen Akteure in der Stadtentwicklung und wegen ihrer wirtschaftlichen und politischen Macht ein die Stadt formendes Element gewesen sind, das man nicht übersehen kann, und das nicht man auch nicht übersehen darf.“31 Die Ausstellung mit Katalog, die im Rahmen der Veranstaltungen Maribors als Europäische Kulturhauptstadt 2012 entstanden ist, fand mit ihrer interessanten Problematik das Interesse einer Rekordzahl von Besuchern (in den drei Ausstellungsmonaten 14.474 aus Slowenien und dem Ausland). Sie schrieb sich damit in die Liste der erfolgreichsten Ausstellungen 2012 ein.32 DAS VERGESSENE VERMÄCHTNIS DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 1 2 3 4 5 6 Jože Dežman (Hg.), Poročilo Komisije Vlade Republike Slovenije za reševanje vprašanj prikritih grobišč: 2005–2008 [Bericht der Regierungskommission zur Lösung der Frage der geheimen Gräber 2005–2008], Ljubljana 2008; Mitja Ferenc / Mehmedalija Alić / Pavel Jamnik, Huda jama: skrito za enajstimi pregradami: poročilo 2 [Die böse Grube, verborgen hinter elf Minierungen. Bericht 2]. Ljubljana: Družina, 2010; Jože Dežman (Red.), Resnica in sočutje: prispevki k črni knjigi titoizma: poročilo 3: poročilo Komisije Vlade RS za reševanje vprašanj prikritih grobišč 2009 – 2011 [Wahrheit und Mitgefühl: Beiträge zum Schwarzbuch des Titoismus. Bericht 3: Bericht der Regierungskommission der Republik Slowenien zur Lösung der Frage der geheimen Gräber 2009–2011], Ljubljana 2011; Mitja Ferenc, Prekopi žrtev iz prikritih grobišč: (1991– 2011) [Exhumierungen von Opfern aus geheimen Grabstätten (1991–2011)], Ljubljana 2012. Arhiv Komisije Vlade RS za reševanje vprašanj prikritih grobišč [Archiv der Kommission der Regierung der Republik Slowenien zur Lösung der Frage der geheimen Gräber]. Danijel Grafenauer, Organiziranost nemško govoreče etnične skupine prebivalcev v Sloveniji po letu 1991 [Das Organisationswesen der deutschsprachigen ethnischen Gruppe der Einwohner in Slowenien seit dem Jahr 1991], in: Koroški koledar, Celovec [Kärntner Kalender, Klagenfurt] 2012. Zdenko Zavadlav, Pozna spoved – iz dnevnika slovenskega oznovca, Celovec 2010. – Die hier vorgelegte Übersetzung aus dem slowenischen weicht von der gedruckt vorliegenden deutschen Übersetzung Michael Kulniks ab, vgl. Zdenko Zavadlav, Späte Beichte.aus dem Tagebuch eines slowenischen OZNA-Mannes, Klagenfurt 2010, Zitat S. 114 –115. Vgl. z.B. Dušan Nečak (Hg.), „Nemci“ na Slovenskem 1941–1955 – izsledki projekta [„Deutsche“ in Slowenien 1941–1945 – Ergebnisse eines Forschungsprojekts, Ljubljana 1998. Roman Leljak, Verjagt! Ethnische Säuberung in Slowenien: die Vertreibung der Deutschen in den Jahren 1945/46, Radenci 2013. 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 Grafenauer, Organiziranost nemško govoreče etnične skupine. Jože Dežman, Tabuizacija in detabuizacija [Tabuisierung und Enttabuisierung], in: Jože Dežman (Hg.), Resnica in sočutje – prispevki k črni knjigi titoizma, Poročilo 3, Poročilo Komisije Vlade RS za reševanje vprašanj prikritih grobišč 2009 – 2011, Ljubljana 2011; Josip Jurčević, Prikrivena stratišta i grobišta jugoslovenskih komunističkih zločina [Geheime Hinrichtungsstätten und Gräberfelder der jugoslawischen kommunistischen Verbrechen], Zagreb 2012. Vgl. z.B. Roland Kaltenegger, Titos Kriegsgefangene, Folterlager, Hungermärsche und Schauprozesse, Graz 2001; Kurt W. Böhme, Die deutschen Kriegsgefangenen in Jugoslawien, Bd. 1, Bielefeld 1962 (Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges; 1,1). Srđan Cvetković nimmt an, dass nach den Zählungen, die er in der Vojvodina einsehen konnte, die Zahl der Opfer unter der deutschen Minderheit etwa 45.000 betragen hat. Aussage von S. Cvetković gegenüber dem Autor am 30. September 2012. Srđan Cvetković, Između srpa i čekića, Represija u Srbiji 1944 –1953 [Zwischen Sichel und Hammer. Die Repression in Serbien 1944 –1953], Beograd 2006. Ustavno sodišče Republike Slovenije, opravilna št. U-I-109/10, akt: Odlok o določitvi in spremembi imen in potekov cest in ulic na območju Mestne občine Ljubljana [Verfassungsgericht der Republik Slowenien, Akten-Nr. U-I-109/10, Beschluss über die Festlegung und Änderung von Namen und Verlauf der Straßen im Gebiet der Stadtgemeinde Laibach] (Uradni list RS [Amtsblatt der Republik Slowenien], št. 44/2009), 2. čl.; Lovro Šturm, Ustavnopravna presoja o razmejitvi totalitarnega sistema in svobodne demokratične družbe, temelječe na človekovem dostojanstvu [Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Abgrenzung des totalitären Systems und der freien demokratischen Gesellschaft, gegründet auf Menschenwürde], in: Dignitas 2012, Nr. 53 – 54. Osvobodilna fronta [Befreiungsfront]. UDV, udba – Uprava državne varnosti (politična policija) [Verwaltung der Staatssicherheit (politische Polizei)]. OZN, ozna – Organizacija za zaščito naroda (politična policija) [Organisation zum Schutz des Volkes (politische Polizei)]. Arhiv Komisije Vlade RS za izvajanje Zakona o popravi krivic. Arhiv Komisije Vlade RS za izvajanje Zakona o popravi krivic [Regierungskommission zur Durchführung des Gesetzes zur Wiedergutmachung des Unrechts]; Terenski zapisi Martina Kostrevca, Jožeta Dežmana, pri avtorjih [Gebietsaufzeichnungen von Martin Kostrevec und Jože Dežman, beim Autor]. Aleks Leo pl. Vest, Stražiški Vesti in kroparski Potočniki [Nachrichten aus Straschische und die Familie Potočnik aus Kropp], v: Jože Dežman / Jože Gasparčič (Hg.), Kroparske družine od 15. do 20. Stoletja [Familien in Kropp vom 15. bis zum 20. Jahrhundert], Radovljica 1998; Gorenjski biografski leksikon – poskusni zvezek I [Görzer Biographisches Lexikon, Probebogen 1], Kranj 1998; Arhiv Komisije Vlade RS za izvajanje Zakona o popravi krivic. Dokumentarni film Otroci s Petrička [Dokumentarfilm Die Kinder aus Petriček], režija [Regie] Miran Zupanič, 2007. Dokumentarni film Zamolčani – moč preživetja [Dokumentarfilm Die Verschwiegenen – die Kraft des Überlebens], režija [Regie] Jože Možina, 2004. Weissbuch der Deutschen aus Jugoslawien, Ortsberichte 1944–1948, München 1992. Mitja Ferenc, Kočevska – pusta in prazna [Die Gottschee – verlassen und leer], Ljubljana 2005. Grafenauer, Organiziranost. Arhiv Komisije Vlade RS za izvajanje Zakona o popravi krivic. Arhiv Komisije Vlade RS za izvajanje Zakona o popravi krivic. Zlata Krašovec, Drevo slovenstva in les križa – Filip Terčelj [Der Baum des Slowenentums und der Wald der Kreuze – Filip Terčelj], in: Reporter, 10. Januar 2011. Nikolas Faulstroh, rokopis pri avtorju [Manuskript beim Autor]. Rajko Topolovec, Spomin na boljševiško Strnišče [Erinnerung an das bolschewistische Sterntal], in: Zaveza 2011, Nr. 83. Arhiv Komisije Vlade RS za reševanje vprašanj prikritih grobišč. Tamara Griesser-Pečar, Maribor/Marburg – Eine kleine Stadtgeschichte, Wien/Köln/Weimar 2011. Vgl. z.B. http://www.maribor2012.eu/novica/article/zadnji-teden-rekordno-obiskane-razstave/. Angaben von dr. Gregor Jenuš. – Jerneja Ferlež/Filip Čuček, Nemci in Maribor [Deutsche in Marburg], Maribor 2012. 209 210 THOMAS DAPPER Thomas Dapper Wege nach Mramorak 1. Gedanken zum Film – Motivation Als Kind erschien es mir erstrebenswert, in einem Lager zu leben – in einem Vernichtungslager. Die Geschichten meines Vaters aus den Lagern in Mramorak und Rudolfsgnad riefen in mir die Assoziation eines großen Abenteuerspielplatzes hervor. In einem Gespräch mit einer entfernten Cousine, deren Vater im Lager Rudolfsgnad im selben Haus wie mein Vater interniert war, stellte sich heraus, dass sie und ihre Geschwister die gleichen Gefühle entwickelt hatten. Es lag an den Bildern, die unsere Väter mit ihren Geschichten vermittelten. Und es lag an niemals aufgearbeiteten Traumata, wenn mein Vater sich stärker präsentierte als er es im Lager Rudolfsgnad war und sein konnte. Er hatte dort neben einer Reihe von Tanten, Onkeln und allen Großeltern auch seinen Bruder und kurz vor Lagerauflösung sogar seine Mutter verloren. Meine Oma ist, obwohl sich die Versorgungslage im Lager Rudolfsgnad angeblich verbessert hatte, an den Folgen des erzwungenen Hungers gestorben. Hungerödeme und Wasser in den Beinen gaben der durch Zwangsarbeit auf den Feldern und den Massengräbern entkräfteten Frau und Mutter kurz vor Auflösung des Lagers den Rest. Mich wundert nicht, dass mein Vater sich meiner Schwester und mir als kleiner Held präsentieren wollte. Er war im Grunde ohnmächtig und konnte nur zusehen, als der Bruder starb und als die Mutter starb und als überhaupt sehr fleißig dort im Lager Rudolfsgnad gestorben wurde. Zu meiner Konfirmation erhielt ich 1984 von meinem Onkel, einem evangelischen Pfarrer, ein prägendes Geschenk: die Teilnahme an einer „Ost-West-Begegnungsreise“ nach Berlin. Beim Besuch der Samaritergemeinde im Ostberliner Friedrichshain habe ich bei Begegnungen mit Rainer Eppelmann und Ralf Hirsch erfahren, welche Kontakte sie in den Westen hatten. Eine Information überraschte mich wenig: Die Grünen hatten sich für ihren Freund, den Bürgerrechtler Ralf Hirsch, eingesetzt. Seine Freundschaft zu Petra Kelly soll ihn 1984 vor einer Inhaftierung bewahrt haben. Gleichzeitig wurde ich Zeuge, wie ein DDR-Bürger verhaftet wurde, nur weil er einen Button aus Holz mit der Aufschrift „Schwerter zu Pflugscharen“ am Revers trug. Seine Verhaftung Alte Bahnlinie nach Mramorak, undatiert. WEGE NACH MRAMORAK führte zur kurzzeitigen Verhaftung meines Cousins, weil er die Verhaftung des DDRBürgers fotografiert hatte. Diese persönlichen Begegnungen und Erfahrungen bestärkten mich in meinem zuvor gefassten Entschluss, mich möglichst noch zur Schulzeit der damals neuen Partei Die Grünen anzuschließen. Nach ein paar Jahren gehörte ich dort zu den Gründungsmitgliedern des Jugendverbandes in Baden-Württemberg. Damit ist meine eher linksalternative Sozialisation hinreichend beschrieben. Zu dieser Sozialisation gehörte in den 1980er Jahren natürlich auch die ablehnende Ferne zu „Vertriebenenthemen“. Zudem hatte ich in meiner Schulzeit in Bietigheim-Bissingen die Erfahrung machen müssen, wie sich rechte Gewalt am eigenen Körper und in der eigenen Seele anfühlt und bemerkbar macht und auch wie diese Gewalterfahrung nachwirkt. Deshalb erlebte ich die Untätigkeit des lehrenden Personals als Ohnmachtsbereich des Rechtstaats Bundesrepublik Deutschland und damit als Anregung für eigenes politisches Engagement. Die Nähe der bekanntesten Vertriebenenverbände zu rechten bis rechtsextremen Kreisen blieb mir damals nicht verborgen. Deshalb blieb mein Blick auf die Vertriebenenproblematik distanziert. Mit 31 Jahren begann ich dann, mich zu schämen. Ich dachte bis dato, mein Vater sei während des Zweiten Weltkrieges im Vernichtungslager Rudolfsgnad gewesen und nicht nach Kriegsende. Das ist bis heute ein wesentlicher Unterschied in meiner Wahrnehmung dieser Thematik, weil im Krieg ein großes Maß an Unrecht zum leidvollen Alltag gehört, aber eben nicht mehr zu Friedenszeiten nach Kriegsende. Ich habe mich für meine Naivität gegenüber dem Diktator Josip Broz Tito und seinen Genossen geschämt, die ja mit der „Internationalen“ sangen, „Menschenrechte zu erkämpfen“. Menschen in Lagern dem Hungertod auszusetzen, ist demgegenüber die Verweigerung von Menschenrechten und die gleichzeitige Verhöhnung der Opfer. 2002 war ich zum ersten Mal in Serbien. Ich hatte meinem Vater, noch bevor ich meinen Führerschein gemacht hatte, versprochen, dass wir gemeinsam zu seinem Geburtsort fahren werden. Aber die Balkankriege der 1990er Jahre kamen dazwischen. In dieser Zeit erzählte mir mein Vater von schlaflosen Nächten, weil er an ein paar liebe Menschen in Schabatz, Neusatz und Tuzla denken musste, die jetzt im Krieg lebten. Als 1999 die NATO Angriffe auf Serbien flog, schickte mein Vater einen Brief nach Schabatz, wo er einen alten Freund vermutete. Seine Adresse kannte er nicht, aber die Erinnerung an den Sommer 1948 drängte ihn zu erfahren, was aus dem Freund geworden ist. Mein Vater schrieb einfach nur den Namen und die Stadt aufs Kuvert. Im Text beschrieb er seine Gefühle. Er fand, die Menschen, die in ihrer Kindheit – ganz wie er selbst – einen Krieg überlebt hatten, sollten von einem weiteren verschont bleiben. Er konnte nicht schlafen, weil er die Angst seiner alten Freunde nachempfand. Die Antwort kam von dessen Schwester. Desankas Brief rührte mich: Die alte Frau schrieb meinem Vater aus dem Krieg, er werde immer Teil ihrer Familie sein, auch wenn ihr Bruder nicht mehr am Leben sei. Sie musste ihm nicht berichten, wie schwer es ihr fiel, in diesem Krieg zu überleben. Mein Vater verfolgte die Nachrichten und konnte sich denken, wie es um die körperlich behinderte Frau stand. Dabei sollte es aber nicht bleiben: Von Stuttgart aus waren auch 1999 Busse nach Belgrad unterwegs. Von einem der Busfahrer erfuhr mein Vater die genaue Route und nach weiterem Briefwechsel mit Desanka wusste mein Vater, was sie dringend benötigte und er hatte jenem Busfahrer das Versprechen abgenommen, einen Koffer mitzunehmen und ihn in Schabatz morgens etwa gegen vier Uhr am Straßenrand abzustellen. Die alte Frau werde ihren Koffer am nächsten Morgen dort abholen. Der Koffer, den mein Vater seiner alten Freundin aus dem Sommer 1948 – seinem ersten nach der Internierung im Lager Rudolfsgnad – schickte, erreichte sein Ziel in Serbien tatsächlich. Mit dieser Geschichte im Kopf war ich neugierig auf Desanka in Schabatz und sah vor Ort, dass ein Bein tatsächlich 12 Zentimeter kürzer war als das andere. Wir blieben ein paar Tage und sie war stolz darauf, dass mein Vater und ich ihre Kochkünste lobten. Den zweiten Teil unseres Aufenthalts verbrachten wir in Neusatz bei Vidoje. Vidoje war irgendwann Mitte der 1980er Jahre in Stuttgart, um seinen dort lebenden Bruder zu 211 212 THOMAS DAPPER besuchen. Auf der Straße lief er meinem Vater in die Arme. Beide Männer erkannten sich. Sie hatten zusammen im Waisenhaus in Alt-Letz gelebt. Vidoje bot an, uns nach Mramorak zu begleiten. Auf dieser Fahrt kamen wir an Rudolfsgnad vorbei. Ich wollte sehr gerne diesen für meinen Vater so schrecklichen Ort besichtigen; Fotos machen und wenigstens den Geruch des Ortes wahrnehmen; irgendetwas spüren, was auf meine eigene Herkunft schließen lässt. Doch weil mein Vater allein schon die Nähe zum Ort nicht aushielt, fuhren wir einfach an Rudolfsgnad vorbei. Mramorak war das wichtigere Reiseziel. Dort musste ich ihm dann sein Geburtshaus zeigen, ohne jemals vorher dort gewesen zu sein. Er hatte es nicht erkannt oder wollte es nicht erkennen. Seine Traumatisierung war offensichtlich. Sie rief in ihm eine Panik hervor, die er nur mit Mühe überspielen konnte. Er schwieg. Warum ich sein Geburtshaus erkennen konnte, ist mir nicht klar, obwohl mir bewusst ist, dass seine Wurzeln auch meine Wurzeln sind. Und sein Verhalten war der Anreiz, genau herausfinden zu wollen, warum mein Vater so anders war als andere Väter. 2007 wurde mein Vater in der Folge einer Reihe von medizinischen Fehlbehandlungen pflegebedürftig. Seine Rente reichte nicht für die Unterbringung im Pflegeheim. Lösung? Sozialhilfe. Im Sozialamt erhielt ich als sein vormundschaftlicher Betreuer den Rat, mich ans Versorgungsamt zu wenden, weil meinem Vater sicherlich eine Kriegsbeschädigtenversorgung zustünde. Vorteil: Diese Rente würde nicht auf die Sozialhilfe angerechnet. Deshalb habe ich den Antrag für meinen Vater gestellt. Ein ganzes Jahr lang musste ich dann auf eine Antwort warten. Der Antrag meines Vaters wurde abgelehnt, weil der ärztliche Sachverständige die Ablehnung empfohlen hatte. Sein handschriftlich verfasstes „Gutachten“ wies erhebliche Fehler auf. Wichtig dabei: der betreffende Mediziner hatte nicht wie das Gesetz es vorsieht, meinen Vater persönlich untersucht, sondern an seinem Schreibtisch über seinen Zustand und seine Rechte entschieden. Mein Widerspruch wurde dementsprechend „nach Aktenlage“ abgelehnt. In einem Telefonat mit einem am Verfahren beteiligten Beamten hörte ich den Satz, den ich nicht in Verbindung mit ihm zitieren darf: „Es ist ja so, ihr Vater war im falschen Lager. Hätte Auschwitz drüber gestanden, hätten wir den Antrag direkt genehmigt und nicht weiter gelesen. Aber Rudolfsgnad? Das kennt ja niemand.“ Im gleichen Telefonat riet mir der freundliche Beamte, wenn ich mit den Behörden nicht weiterkäme beim Sozialgericht Klage einzureichen, weil „selbst wenn nichts herauskommt“, ich „doch immerhin das gute Gefühl haben könnte, für meinen Vater gekämpft und alles versucht zu haben“. Vor dem Sozialgericht sprach ich auch folgenden Sachverhalt an: der Gutachter hat handwerklich unsauber gearbeitet, beispielsweise schrieb er den Antrag mehreren Töchtern meines Vaters zu, die dieser – meines Wissens nach – nie gezeugt hatte. Zudem hatte der Mediziner das Untersuchungsgebot missachtet. Der Richter: „Wie heißt der Gutachter?“ – „XY“. Wieder der Richter: „Den kenne ich gut. Ich akzeptiere das Gutachten. Egal, was sie hier vorbringen.“ Der Inhalt solcher Aussagen von Vertretern des Staates, der in der Rechtsnachfolge des „Dritten Reiches“ steht, befremdet mich aus mehreren Gründen. Offenbar gibt es Opfer zweiter Klasse oder aber minderwertiges Leid. Das ist nicht akzeptabel. Meinem Vater wurde wie vielen anderen in Rudolfsgnad von den Aufsehern immer wieder gesagt, er bezahle dort für Hitler. Mein Vater war aber, als er 1936 geboren wurde, kein deutscher Staatsangehöriger, sondern Staatsangehöriger Jugoslawiens. Es war das Deutsche Reich, das seine Truppen nach Jugoslawien geschickt hatte. Es war nicht der Wille meines Vaters, dass Wehrmacht, SS, Sicherheitsdienst, Gestapo und andere in Jugoslawien ein System des Terrors etabliert hatten, mit den bekannten Folgen für die Angehörigen der deutschen Minderheiten in Jugoslawien. Mein Vater hat also „für Hitler bezahlt“. Eine Rechnung, die andere in Deutschland so nie gestellt bekommen hatten. Nicht in der Weise wie die Lagerinsassen in Rudolfsgnad, Molidorf, Gakowa und andernorts. Ich bin nicht bereit zu akzeptieren, wenn gesagt wird, mein Vater sei im falschen Lager gewesen. Er hatte nicht die Möglichkeit, sich auszusuchen, wo er landet. Hätte er die Wahl gehabt, dann wäre er zuhause in Mramorak geblieben. Mit seiner Familie. Er wäre zur Schule gegangen und dort möglicherweise sogar zu einem Kommunisten WEGE NACH MRAMORAK herangewachsen. Aber eine solche Entwicklung wurde meinem Vater verwehrt. Und die deutschen Behörden haben das Leid meines Vaters ebenso negiert wie die Folgen dieses Leids. Die Aussagen der hier nicht namentlich genannten Beamten und Richter erscheinen mir als zynische Verhöhnung durch Menschen, denen die Fähigkeit zur Empathie ebenso fehlt wie die viel zitierte „Verantwortung vor der Geschichte“. Dieser Verantwortung vor der Geschichte müssen aber gerade all jene Menschen gerecht werden, die mit derlei Lebensgeschichten konfrontiert werden. Wenigstens jedoch sollten die geltenden Bestimmungen und Gesetze eingehalten werden. Und ein Leid zweiter Klasse bedeutet nichts anderes als Diskriminierung. Und diese Diskriminierung trifft Menschen, die schon einmal in ihrem Leben diskriminiert und als Täter stigmatisiert wurden, obwohl sie Kinder waren. Aus diesen Gründen ist die Aufarbeitung des Leids der Donauschwaben für mich immer wichtiger geworden. Als öffentlich wahrnehmbares Thema bleibt das Leid der Donauschwaben hinter der Geschichte von Schlesiern und Sudetendeutschen verborgen. Das Thema der Vernichtungslager, die von Kommunisten geführt wurden, steht gerade erst am Anfang der historischen und filmischen Aufarbeitung. Diese Lager waren keine kommunistischen Erholungsheime und auch sicherlich keine reinen Abschiebelager, wie es von manchem Historiker heutzutage behauptet wird. Zu viele Gründe widersprechen dieser These. Ich konnte meinem Vater, der am ersten Weihnachtstag 2011 verstorben ist, wenigstens noch eine kurze Zusammenfassung meines Films zeigen. Seine Reaktionen machten mir klar, dass er verstanden hatte, warum ich diesen Film gemacht habe. Sein einziger Kommentar war: „Schön.“ Durch die Arbeit an diesem Thema kam ich meinem Vater, seinem Leben und seinem Leidensweg näher, während er sich immer mehr aus dem Leben entfernt hatte. Und ich kann heute verstehen, was ich früher nicht verstehen konnte, wenn er sagte, er wolle nichts von Hitler oder der deutschen Verantwortung mehr hören, weil er bereits bezahlt habe. 2. Wege nach Mramorak – Beschreibung des Films Der Dokumentarfilm Wege nach Mramorak behandelt die ethnischen Konflikte, die in den Jahren 1941 bis 1948 im jugoslawischen Banat gleich mehrere verheerende Zuspitzungen erfahren haben. Mit dem Einmarsch der deutschen Truppen im April 1941 beginnt zunächst die Vernichtung von meist zufällig ausgewählten Serben und planmäßig deportierten Juden aus dem Banat. Die sogenannten Volksdeutschen begrüßen die reichsdeutschen Truppen mit Hitlergruß, Blumen und Musik. Unmittelbar darauf konnte die „Volksgruppenführung“ um Sepp Janko, mit Rückendeckung aus dem Deutschen Reich, eigene politische Vorstellungen umsetzen, zumal wenn sich diese mit den Vorstellungen der Nationalsozialisten aus dem Reich deckten. In vielen Orten kommt es zu Erschießungen durch Deutsche – die ersten Serben enden in Massengräbern. Die Ereignisse in Pantschewo (aufgearbeitet durch das Hamburger Institut für Sozialforschung für dessen Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht) sind lediglich das prominenteste und am besten dokumentierte Verbrechen der deutschen Wehrmacht im damaligen Jugoslawien. In Mramorak, einem Dorf in der Nähe von Pantschewo, so berichtet im Film ein Täter von seiner Tatbeteiligung, werden vier Serben erschossen, die die Befehle der neuen Besatzer missachtet hatten. Warum dann ab 1944 die Banater Schwaben vertrieben und vernichtet wurden, ist vielen Donauschwaben bis heute ein Rätsel. Natürlich sind heutige Zeitzeugen oftmals noch zu jung gewesen, um alle Ereignisse richtig zu verstehen und die Älteren (über 80 Jahre alt) wollen in der Regel nichts wissen von eigenen Verstrickungen und Verwicklungen in die Taten der eigenen Leute. Zu groß, zu schlimm, zu grausam erscheint ihnen das eigene Leid, das sie aus Rache für die ihnen zugeordneten Taten in Konzentrationslagern in den Jahren 1944 bis 1948 überstehen mussten. So lautet die Frage bei der Einweihung einer Gedenkstätte für 110 erschossene deutsche Männer in Bawanischte stellvertretend für alle anderen Erschießungen im 213 214 THOMAS DAPPER Svetozar Milutinov ist einer der serbischen Zeitzeugen im Film. Er ist 87 Jahre alt und spricht noch „Mramoraker Schwowisch“, undatiert. Banat: „Warum?“. Und weil es viele Wege zum Verständnis dieser Geschichte gibt, die Teil der Geschichte Deutschlands, Ex-Jugoslawiens und Europas ist, nennen wir den Film Wege nach Mramorak. Mramorak steht für das Unverständliche, fast Mystische als Teil der historischen und gegenwärtigen Realität. Der Ort existiert, er war und ist auch heute noch ein Modell für die Geschichte des Banats, einer Vielvölkerregion, die Modell steht für multikulturelles Zusammenleben, mit allen Chancen, Risiken und auch sehr bitteren Zuspitzungen aufgrund von totalitären Verführbarkeiten. Die unterschiedlichen Wege symbolisieren auch die unterschiedlichen Sichtweisen der wichtigsten Involvierten, von denen in unserem Film Serben, Juden und Deutsche zu Wort kommen. Die damals bestimmenden Akteure waren vor allem Deutsche und Serben. Die Juden im Banat sind diejenigen, die nahezu vollständig vernichtet wurden. Insofern ist die Beschränkung auf diese drei Ethnien auch der Eingrenzung des Themas auf die wichtigsten Exponenten geschuldet. So sind die Wege auch die unterschiedlichen, sich ergänzenden und widersprechenden Sichtweisen auf die Geschichte des Banats, das in zwei Jahrtausenden viele Herrscher kannte. Zeitzeugen berichten von ihrem eigenen Erleben – als Opfer, als Täter und als Unbeteiligte. Historiker sorgen für die Einordnung der Ereignisse in ihren historischen Kontext – vor ihrem jeweils eigenen Erfahrungshorizont. So bilden die Ereignisse in Mramorak die detaillierte Geschichte als Spiegel zu den „großen“ Entwicklungen und der politischen Wetterlage ab. Der Film soll helfen, Brücken zu bauen und Verständnis zu wecken für die Situation der anderen, für diejenigen auf der anderen Seite der Geschichte, und soll damit Teil des Bemühens um eine echte und ehrliche Aufarbeitung des Leids im Banat der Jahre 1941 bis 1948 sein. Die Geschichte beginnt nicht wie in vielen Büchern beschrieben mit dem Herbst 1944 und sie hört auch nicht mit dem 8. Mai 1945 auf. Die Geschichte reicht weit zurück und produziert Folgen über das Heute hinaus. Wer mit historischen Dokumenten arbeitet, die in ideologischer Absicht erstellt wurden, muss schon sehr genau unterscheiden können, wo der tatsächliche Kern der damaligen Realität steckt. So sind es die Zeitzeugen, die einen Einblick auch in die Abgründe ihrer eigenen Vergangenheit gewähren, als sie auf der braunen oder auf der roten Seite standen. Der Pessimismus der ehemals Verführten oder der ehedem Internierten speist sich vor allem aus den frischeren Erfahrungen der 1990er Jahre. Mit den Worten Ivan Ivanjis, des ehemaligen Dolmetschers von Josip Broz Tito, endet der Film im Heute, im Hier und Jetzt, wenn Ivanji vor ähnlichen Entwicklungen warnt: „Hütet euch!“ WEGE NACH MRAMORAK 3. Die Entstehungsgeschichte des Dokumentarfilms Wege nach Mramorak Nach einer ersten Versöhnungsreise 2003, in deren Rahmen donauschwäbische Hinterbliebene erstmals auch das Massengrab in Bawanischte besuchen durften, reifte in einigen Teilnehmern und Serben vor Ort der Wunsch, aus der bis dato als Schinderwiese bezeichneten und zur Tierkörperbeseitigung genutzten Stelle außerhalb des Dorfes eine echte Gedenkstätte zu machen. Der penetrante Verwesungsgeruch verstärkte den schockierenden Eindruck von Tod, Ungerechtigkeit und eben dem dort am 20. Oktober 1944 begangenen Mord an 110 deutschen Bewohnern aus Mramorak. Einige Besuche später, als die Tierkörperbeseitigung endgültig verlegt worden war, konnte im September 2007 die Gedenkstätte eingeweiht werden. 110 Kreuze und zwei Namenstafeln waren aufgestellt worden. Die Einweihung wollte ich auf Film festhalten. Ich selbst hatte den Plan, zu einem späteren Zeitpunkt, nach Abschluss tiefer gehender Recherchen zum Thema, einen Dokumentarfilm – ganz vage – zu „den Donauschwaben“ anzufertigen. Meinem Kameramann verdanke ich die Möglichkeit, die Einweihung der Gedenkstätte für einen späteren Zeitpunkt festzuhalten. Nach dem Dreh in Bawanischte hatten wir noch ein paar Tage Zeit. Für uns war es keine Frage, dass wir zumindest ein paar Eindrücke, Stimmungsbilder und Ortsansichten von Mramorak drehen würden. So kamen wir mehr zufällig an die serbische Kirche. Dort befindet sich eine Gedenktafel in kyrillischer Schrift. Weil ich am Gymnasium in Bietigheim-Bissingen die Russisch-AG besucht hatte, war ich in der Lage, die Schrifttafel mühsam zu entziffern. Mein Kameramann war im kroatischen Dubrovnik aufgewachsen. Deshalb konnte er die kyrillische Schrift nicht lesen, aber die Entzifferung der Schriftzeichen konnte er direkt übersetzen: „Lehrer Sava Maksimović, von den Faschisten am 16.4.1941 erschossen.“ Diese Information konnten wir nur gemeinsam entschlüsseln. Weil ich ein paar Jahre zuvor auf der Geburtstagsfeier eines entfernten Verwandten war, ahnte ich die Tatbeteiligung dieses Verwandten, der beim Einmarsch der Wehrmacht direkt zum Polizeichef in Mramorak ernannt wurde. Wer, wenn nicht er, könnte uns also von der Exekution des Sava Maksimović berichten? Als Polizist musste er einfach mehr mitbekommen haben. Vor Ort konnten wir noch einige alte Mramoraker – Serben und Deutsche – nach dem Schicksal des Lehrers Maksimović fragen. Serben und Deutsche erzählten übereinstimmend dieselbe Version des Geschehens. Sava Maksimović hatte während der Radioübertragung einer Rede Adolf Hitlers so lange auf sein Radio geschossen, bis Hitler endlich schwieg. Für diese Tat soll er – so die kollektive Erinnerung – als jemand, der Hitler töten wollte, zur Rechenschaft gezogen und erschossen worden sein. Wir beschlossen nach unserer Rückkehr und einer ersten Sichtung des Materials, den Film recherchebegleitend fertigzustellen. Es sollte keine These geben, die wir abarbeiten müssen. Eine solche These wäre verfrüht gewesen und wir hätten sie kaum einhalten können. Zudem war klar, wir brauchten Zeit. Bücher mussten beschafft und durchgearbeitet werden, Kontakte zu Zeitzeugen auf allen Seiten hergestellt werden. Die Schwierigkeit: meine Serbischkenntnisse reichten dafür nicht aus. Beim Telefonat mit meinem Verwandten stellte sich dann heraus, dass er bereit war über seine Tatbeteiligung im Film Auskunft zu geben. Also konnten wir planen. 2008 drehten wir dann als Team in Mramorak, Rudolfsgnad und Bawanischte mit serbischen Interviewpartnern, etwa mit der Tochter von Sava Maksimović, Mira Maksimović-Knezević, oder dem damaligen Präsidenten der Enquetekommission zur Ermittlung der Wahrheit zu den Ereignissen zwischen 1941 und 1948 in der Vojvodina. Zuvor hatten wir meinen Verwandten in einem Altenheim in München interviewt. Dabei habe ich von ihm selbst erfahren, dass mein Urgroßvater seinem nationalsozialistischen Halbneffen mit großer Arroganz und deutlicher Ablehnung begegnet sein soll. Im Herbst, als wir gerade unser Material auswerteten, sendete die ARD einen Zweiteiler über die Sudetendeutschen. Diese Ausstrahlung konnten wir nutzen, um unsere Arbeit inhaltlich zu überprüfen. Ergebnis: Wir waren zwar noch nicht am Ende unserer Recherchen angelangt, hatten auch noch keine Gespräche mit Überlebenden des Holocaust im Banat geführt. Aber wir waren damals bereits sehr nahe am beabsichtigten Ergebnis, einem 215 216 THOMAS DAPPER neutralen Film, der die Gründe für „das Verschwinden“ der Banater Schwaben aus Jugoslawien ermittelt und beleuchtet. Die Absicht war, im Film die unterschiedlichen Auffassungen darzustellen und gleichzeitig die Kausalitätsketten der Ereignisse aufzudecken. Dabei ist von vornherein klar, die Erklärungen können immer nur einen Teil der gesamten historischen Realität abbilden. Sprich, ein in Jugoslawien aufgewachsener Mensch wird Tito anders bewerten als ein Donauschwabe, dessen Familienmitglieder Opfer von Titos Politik geworden waren. Im Frühjahr 2009 folgte nach einem einwöchigen Rechercheaufenthalt in Serbien eine weitere Drehwoche im April, bei der wir in erster Linie mit jüdischen Überlebenden des Holocaust gedreht haben. Etwa in der gleichen Zeit erfuhr ich, dass Herta Haas, Titos erste Ehefrau, noch am Leben sei und in Belgrad lebe. Weil sie aber kurz zuvor dem in Prag lebenden kroatischen Filmemacher Lordan Zafranović ein zehnstündiges Interview gegeben hatte, wollte sie nicht schon wieder vor die Kamera. Es sei ihr zu anstrengend, noch einmal die vielen Fragen zu beantworten. Leider ist Herta Haas, eine der wichtigsten Zeitzeuginnen dieser Epoche, in der Zwischenzeit verstorben. Also stand ich vor der Frage, wie ich Herta Haas „ersetzen“ könnte und erfuhr von Ivan Ivanji, dem ehemaligen Dolmetscher Titos. Der Schriftsteller lebt in Wien und Belgrad. Er war nicht schwer ausfindig zu machen und gerne bereit, mir ein Interview zu gewähren. Nur wann und wo? Im Frühjahr war er nicht in Belgrad, als wir dort drehen wollten. Ich nahm zunächst Kontakt zu anderen Überlebenden der Judenlager auf und darf von beeindruckenden Gesprächen berichten. Der ehemalige Journalist, Autor und Partisan Aleksandar „Sascha“ Lebl bot mir zu Beginn unseres Gesprächs an, die Sprache, in der wir kommunizieren wollten, einfach selbst zu wählen. Er spricht neben Serbisch und Deutsch noch eine ganze Reihe anderer Sprachen. Sprachen, die in Südosteuropa und im Banat wichtig waren und Sprachen, die in der modernen Kommunikation in Europa bis heute wichtig sind. Oder Magda Berger, der ich im Leseraum des Museums für jüdische Geschichte in Belgrad begegnete. Sie hatte mitbekommen, dass ich mit der stellvertretenden Direktorin Französisch gesprochen hatte. Also fragte sie mich auf Französisch, was mich ausgerechnet in den Leseraum des jüdischen Museums geführt habe. Auf mein „je suis d’allemagne“ antwortete sie mit einem „dann können wir ja auch Deutsch miteinander sprechen. Erzählen sie.“ Ich musste sie einfach interviewen. Sie hatte im einzigen Zug aus Subotitza nach Auschwitz gesessen, und nur weil der Zug irgendwo in Österreich an einem Feld angehalten hatte und dort gefragt wurde, wer hier zum Arbeiten bleiben möchte, konnte sie den Krieg überleben und dem Massenmord durch die Nationalsozialisten entgehen. Ich erfuhr von David Albaharis Buch Götz und Meyer,1 ein Roman über die beiden Fahrer des Gaswagens in Belgrad, die für den Tod der etwa 7.000 bis 8.000 Insassen des Judenlagers Semlin verantwortlich sind und deren Verbleib nach dem Zweiten Weltkrieg angeblich nie ermittelt werden konnte. Dank all dieser Menschen und dem Lexikon des Holocaust von Wolfgang Benz2 habe ich mir einen Überblick verschafft über die nahezu vollständige Vernichtung der Banater Juden. Die Treffen und Vorgespräche waren wie Zeitreisen und vermittelten mir einen Eindruck von einem Europa, wie es hätte sein können ohne Nationalsozialismus, Faschismus und Kommunismus. Ein offenes Europa, in dem es selbstverständlich war, sich für die Sprache, die Kultur und auch die Religion des anderen zu interessieren und ganz natürlich die Feste der Nachbarn ins eigene Leben zu integrieren. Das Banat war eine moderne Region mitten in einem prosperierenden Europa. Beim Karneval in Weißkirchen kannte man bereits Dick und Doof und Mickey Mouse – in den 1920er Jahren. Festgehalten wurde dies von einer Filmkamera. Das reiche und vielfältige Zusammenleben wurde beendet im blutigen Kampf zweier Ideologien, die beide den Menschen verändern und im jeweiligen Sinne „perfektionieren“, erziehen, stählen und/oder blutrein machen wollten. Das Modell für multiethnisches Zusammenleben wurde zerstört durch den Nationalsozialismus, der die jüdische Bevölkerung, einen Großteil der Roma und im Rahmen sogenannter Sühnemaßnahmen willkürlich ausgewählte Serben vernichtete. Für einen toten deutschen 217 WEGE NACH MRAMORAK Soldaten mussten 100 Serben oder Juden ihr Leben lassen. Dieses Prinzip übernahmen dann vielerorts die Kommunisten unter Tito im Herbst 1944. In diesem Zusammenhang taucht immer wieder der Begriff „Aktion Intelligenzija“ auf. In Mramorak wurden 110 deutsche Männer eingesammelt und eine Woche lang gefoltert, angeblich als Vergeltung für den Tod eines fünfzehnjährigen serbischen Jungen, der wegen Missachtung der Ausgangssperre erschossen worden war. Die dafür eingesammelten Männer wurden dann nach einwöchiger Folter in Bawanischte erschossen, darunter einige Minderjährige. 4. Die Aufarbeitung durch meine Generation Ich bin 1969 in Stuttgart zur Welt gekommen. Erst in den letzten Jahren entdeckt meine Generation Gemeinsamkeiten, die sich aus ähnlichen Familiengeschichten ergeben. Wir Kinder und Kindeskinder von Vertriebenen, Internierten, vernichteten Opfern, welcher Ideologie und welcher Seite auch immer, haben heute kein Interesse an irgendwelchen revanchistischen Gedanken oder gar Plänen. Dennoch spüren wir im Gespräch untereinander ähnliche Gefühle, die uns allen suggerieren, dass Heimat oder Verwurzelung durchaus zum Menschen gehören, auch wenn diese Heimat nicht den Boden oder gar das Blut bedeutet. Ich persönlich empfinde Heimat, wenn ich mit Freunden zusammen bin und an inspirierenden Gesprächen teilhabe. Und doch löst das Banat in mir eine irritierende Form der Vertrautheit aus. Mich zieht es immer wieder nach Mramorak, Pantschewo, Weißkirchen. Inzwischen sind Freundschaften entstanden, die sich dank Email, Skype und Facebook auch in meinem Alltag in Köln pflegen lassen. Derzeit tritt die sogenannte Erlebnisgeneration in den Ruhestand, viele sind gestorben. Damit stellt sich die Frage nach denjenigen, die in den Vertriebenenverbänden Verantwortung übernehmen wollen und können. Die Frage nach diesem Teil der Geschichte hält viele Stoffe und Themen für eine Reihe von Büchern und Filmen bereit. Über all dem steht aber – getreu dem Satz von Dr. Motte, dem Begründer der Loveparade –: Wir sind alle Mitglieder derselben Familie und bewohnen alle denselben, einen Planeten. Wir brauchen also keinen Rassismus und keine Ideologien, die Blick auf Weißkirchen, undatiert. 218 THOMAS DAPPER Menschen oder Menschengruppen voneinander trennen oder sich über andere stellen. Besinnen wir uns alle gemeinsam auf die Frage, wie wir miteinander leben wollen, mit allen Unterschieden, die uns gegeben sind. Diese Unterschiede begründen eine faszinierende Vielfalt, die uns heute vor allem zu Frieden und Toleranz anregen sollte – gerade aus der Erfahrung mit dem „Dritten Reich“ und den daraus resultierenden grausamen Taten von Menschen gegen andere Menschen. Insofern gehe ich davon aus, dass die sogenannte Enkelgeneration die nötige Distanz zu erlittenem Leid der Großeltern genauso mitbringt wie vernünftige gesellschaftliche Prägungen der vergangenen vier Jahrzehnte, um sich offen der Geschichte von Vertreibung und Vernichtung anzunähern. Erst heute werden Dokumente zugänglich gemacht. Leider auch erst heute sind einige Zeitzeugen bereit, Auskunft zu geben. Viele davon werden nicht mehr lange leben oder sind in der Zwischenzeit verstorben. Der Anspruch der Konferenz in Bad Radkersburg war, die Ereignisse multiperspektivisch zu behandeln. Das ist gelungen und hat doch nicht gereicht. Auch wenn ein Dialog zwischen einigen Konferenzteilnehmern beginnen konnte, fehlt es an weiteren Annäherungen und auch an übereinstimmenden Bewertungen. Die Kommunikation zwischen Deutschen, Serben, Österreichern, Ungarn und Kroaten, aber auch mit den Verbänden der Juden und Roma ist nötig, um die gesamte Geschichte von 1941 bis 1948 und danach nicht nur in Ausschnitten aufzuarbeiten. Bad Radkersburg könnte für diesen Prozess der Annäherung – sollte er fortgeführt werden – ein wertvoller Beginn gewesen sein. BEITRAG Abkürzungsverzeichnis Konkordanz der Ortsnamen Bildnachweis The authors Impressum 1 David Albahari, Götz und Meyer, Roman, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2003. 2 Lexikon des Holocaust, hrsg. von Wolfgang Benz, München 2002. 219 220 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Abkürzungsverzeichnis AA AJ APV ARS AVNOJ Auswärtiges Amt Arhiv Jugoslavije [Archiv Jugoslawiens] Autonomna Pokrajina Vojvodina [Autonome Provinz Vojvodina] Arhiv Republike Slovenije [Archiv der Republik Slowenien] Antifašističko veće narodnog oslobođenja Jugoslavije (serb.) / Antifašistični svet narodne osvoboditve Jugoslavije (slow.) [Antifaschistischer Rat der Nationalen Befreiung Jugoslawiens] POJ Partizanski odredi Jugoslavije [Partisaneneinheiten Jugoslawiens] SFRJ SKOJ Socijalistička federativna republika Jugoslavija, 1963–1992 Savez komunističke omladine Jugoslavije [Bund der kommunistischen Jugend Jugoslawiens] Schutzstaffel [Zaštitni odred] SS-Führungshauptamt [Vodeći glavni ured SS] DFJ UDV/ UDBA DM Demokratska Federativna Jugoslavija [Demokratisches Föderatives Jugoslawien], August – November 1945 Deutsche Mannschaft [Nemačka momčad] ES Einsatzstaffel [Operativni odred] FD Hrvatska FLRJ/FNRJ Federalna Država Hrvatska [Föderaler Staat Kroatien], 1945 –1946 Federativna Ljudska Republika Jugoslavija (slow.) / Federativna Narodna Republika Jugoslavija (serb.) [Föderative Volksrepublik Jugoslawien] Gestapo Geheime Staatspolizei [Tajna državna policija] HSSPF Höherer SS- und Polizeiführer [Viši SS i policijski šef] IASu Istorijski Arhiv Subotica [Historisches Archiv Subotica] KNOJ Korpus narodne odbrane Jugoslavije / Korpus narodne obrambe Jugoslavije [Korps der Volksverteidigung Jugoslawiens] Kulturbund [Prosvetni savez] Kommunistische Partei Jugoslawiens kriegsverwendungsfähig [upotrebljiv u ratu] KB KPJ kv MUP Ministarstvo unutrašnjih poslova / Ministarstvo unutarnjih poslova [Innenministerium] NDH Nezavisna Država Hrvatska [Unabhängiger Staat Kroatien], 1941– 1945 NKWD Narodnyj komissariat vnutrennih del (Hapoдный комиссариат внутренниx дел) [Innenministerium der UdSSR] NOV Narodnooslobodilačka vojska [Volksbefreiuungsarmee] NSAP Vojvodina Narodna skupština Autonomne Pokrajine Vojvodine [Volksversammlung der Autonomen Provinz der Vojvodina] OF OKW ORJUNA OZNA Osvobodilna fronta [Befreiungsfront] Oberkommando der Wehrmacht [Vrhovna komanda Vermahta] Organizacija jugoslavenskih nacionalista [Organisation Jugoslawischer Nationalisten] Odeljenje za zaštitu naroda / Oddelek za zaščito naroda [Abteilung zum Schutze des Volkes] SS SS-FHA USK VDA VA VIA VoMi Uprava državne varnosti / Uprava državne bezbednosti [Staatssicherheitsbehörde] Unabhängiger Staat Kroatien [Nezavisna Država Hrvatska], 1941– 1945 Verein für das Deutschtum im Ausland, ab 1933 Volksbund für das Deutschtum im Ausland [Udruženje za nemstvo u inostranstvu, od 1933. godine Narodni savez za nemstvo u inostranstvu] Vojni arhiv (Militärarchiv) Arhiv Vojno-istorijskog Instituta, Belgrad [Archiv des Militärhistorischen Instituts] Volksdeutsche Mittelstelle [Središnjica za folksdojčere] 221 222 KONKORDANZ DER ORTSNAMEN KONKORDANZ DER ORTSNAMEN Konkordanz der Ortsnamen Aussprache c=z ć = weiches tsch č = tsch đ = weiches, stimmhaftes dsch dž = hartes, stimmhaftes dsch š = sch z = stimmhaftes s ž = stimmhaftes sch Bosnien-Herzegowina Drvar (Kanton 10) Stolatz (Kanton Herzegowina-Neretwa) Tuzla (Kanton Tuzla) Windthorst (Gmd. Bosanska Gradischka, Serbische Republik) Drvar (Kanton br. 10) Stolac (Hercegovačko-neretvanski kanton) Tuzla (Tuzlanski kanton) Nova Topola (Opština Bosanksa Gradiška, Republika Srpska) Deutschland Bonn (Nordrhein-Westfalen) Freiburg im Breisgau (Baden-Württemberg) Herne (Nordrhein-Westfalen) Kandel (Rheinlandpfalz) Köln (Nordrhein-Westfalen) München (Bayern) Piding (Bayern) Regensburg (Bayern) Sindelfingen (Baden-Württemberg) Stuttgart (Baden-Württemberg) Tübingen (Baden-Württemberg) Tuttlingen (Baden-Württemberg) Zuffenhausen (Baden-Württemberg) Bon (Nordrajn-Vestfalen) Frajburg (Baden-Virtemberg) Herne (Nordrajn-Vestfalen) Kandel (Rajnlandfalc) Keln (Nordrajn-Vestfalen) Minhen (Bavarska) Piding (Bavarska) Regenzburg (Bavarska) Zindelfingen (Baden-Virtemberg) Štutgart (Baden-Virtemberg) Tibingen (Baden-Virtemberg) Tutlingen (Baden-Virtemberg) Cufenhauzen (Baden-Virtemberg) Kroatien Belowar (Gespanschaft Bjelovar-Bilogorska) Boschnjatzi (Syrmien) Bratsch (Dalmatien) Diakowar (Slawonien) Essegg (Slawonien) Groß-Pisanitz (Gespanschaft Bjelovar-Bilogora) Hvar (Dalmatien) Jarmin(a), Jarmein (Syrmien) Josipowatz, Ober-Josefsdorf (Slawonien) Kerndia (Slawonien) Kotoriba (Gespanschaft Medjimurje) Manoster Naschitz (Slawonien) Otok (Dalmatien) Owtschara (Syrmien) Bjelovar (Bjelovarsko-bilogorska županija) Bošnjaci (Srijem) Brač (Dalmacija) Đakovo (Slavonija) Osijek (Slavonija) Velika Pisanica (Bjelovarsko-bilogorska županija) Hvar (Dalmacija) Jarmina (Srijem) Josipovac (Slavonija) Krndija (Slavonija) Kotoriba (Međimurska županija) Beli Manastir (Baranja) Našice (Slavonija) Otok (Dalmacija) Ovčara (Srijem) Peljeschatz (Dalmatien) Pula (Istrien) Pusta Podunawlje Sanktivan, St. Stefan Sarwasch (Slawonien) Schabatz (Matschwa) Schipowatz (Slawonien) Slatina (Slawonien) Tenja (Slawonien) Walpowo, Walpach (Slawonien) Waschka (Slawonien) Winkowzi, Winkowitz (Syrmien) Wukowar (Syrmien) Zagreb, Agram Pelješac (Dalmacija) Pula (Istra) Pusta Podunavlje (Baranja) Petlovac (Baranja) Sarvaš (Slavonija) Šabac (Mačva) Šipovac (Slavonija) Podravska Slatina (Slavonija) Tenje (Slavonija) Valpovo (Slavonija) Vaška (Slavonija) Vinkovci (Srijem) Vukovar (Srijem) Zagreb Makedonien Bitola Kumanowo Bitola, Bitolj Kumanovo Österreich Bad Radkersburg (Steiermark) Feffernitz (Kärnten) Graz (Steiermark) Klagenfurt (Kärnten) Radkersburg Rosenbach (Kärnten) Wien Radgona (Štajerska) Fefernic (Koruška, Koroška) Gradec (Štajerska) Celovec (Koroška, Koruška) s./v. Bad Radkersburg Podrožca (Koroška, Koruška) Beč Rumänien Saderlach Tschene Ulmbach Wojtek Saderlah, Zădăreni (rum.) (Banat) Čenej, Cenei (rum.) (Banat) Ulmbach, Peciu Nou (rum.) (Banat) Vojtek, Voiteni (rum.) (Banat) Serbien Alt-Kanischa Altker (Batschka) Alt-Letz Apfeldorf Aradatz Bajza (Batschka) Batschki Breg (Batschka) Bawanischte Betschmen (Syrmien) Belgrad Berg an der Donau (Batschka) (Groß-)Betschkerek Botschar Bulkes (Batschka) Ernsthausen Filipowa (Batschka) Franzfeld Gakowa (Batschka) Georgshausen Hajduschitza Stara Kanjiža (Banat) Zmajevo, Pašićevo (Bačka) Stari Lec (Banat) Jabuka (Banat) Aradac (Banat) Bajša (Bačka) Bački Breg (Bačka) Bavanište (Banat) Bečmen (Srem) Beograd Bački Breg (Bačka) Zrenjanin (Banat) Bočar (Banat) (Bački) Maglić (Bačka) Banatski Despotovac (Banat) Bački Gračac/Filipovo (Bačka) Kačarevo (Banat) Gakovo (Bačka) Velika Greda, Đurđevo (Banat) Hajdučica (Banat) 223 224 KONKORDANZ DER ORTSNAMEN Hodschag (Batschka) India (Syrmien) Ivanitza (Kreis Orawitza) Jarek (Batschka) Kanak Karlowitz (Syrmien) Katsch (Batschka) Kernei (Batschka) Kraljewo (Bezirk Raschka) Kruschiwl (Batschka) (Syrmisch-)Mitrowitz (Syrmien) Mokrin Molidorf Mramorak Neusatz (Batschka) Nisch (Kreis Nischawa) Novi Pazar (Kreis Raschka) Palanka (Batschka) Pantschowa Rudolfsgnad Ruma (Syrmien) Schajkaschsentivan (Batschka) Schowe (Batschka) Gajdobra (Batschka) Semlin (Belgrad) St. Georgen an der Bega Stefansfeld, Stefanifeld Subotitza/Maria-Theresiopel (Batschka) Temerin (Batschka) Topola (Batschka) Uzdin Weißkirchen (Alt-/Neu-)Werbass (Batschka) Weprowatz (Batschka) Werschetz Wlajkowatz Zenta Raschka (Kreis Raschka) Sombor (Batschka) Tschatschak (Kreis Orawitza) Uschitze (Kreis Zlatibor) Slowenien Abstall (Untersteiermark) Ankaran (Slowenisches Küstenland) Arech, St. Heinrich (Oberkrain) Aßling, Assling (Oberkrain) Auritz (Gemeinde Veldes) Bacher (Untersteiermark) Bacher, Bachergebirge (Mittelgebirge im Nordosten Sloweniens) Bresternitza (Untersteiermark) Brunnendorf (bei Marburg) Cilli (Untersteiermark) KONKORDANZ DER ORTSNAMEN Odžaci (Bačka) Inđija (Srem) Ivanjica (Okrug Oravica) Bački Jarak (Bačka) Konak (Banat) Sremski Karlovci (Srem) Kać (Bačka) Kljajićevo (Bačka) Kraljevo (Okrug Raška) Kruševlje (Bačka) Sremska Mitrovica (Srem) Mokrin (Banat) Molin (Banat) Mramorak (Banat) Novi Sad (Bačka) Niš (Okrug Nišava) Novi Pazar (Okrug Raška) Bačka Palanka (Bačka) Pančevo (Banat) Knićanin (Banat) Ruma (Srem) Šajkaški Sv. Ivan (Bačka) Ravno Selo (Bačka) Gajdobra (Bačka) Zemun (Beograd) Žitište, Begejski Sveti Đurađ (Banat) Krajišnik (Banat) Subotica (Bačka) Temerin (Bačka) Bačka Topola (Bačka) Uzdin (Banat) Bela Crkva (Banat) Vrbas (Bačka) Kruščić (Bačka) Vršac (Banat) Vlajkovac (Banat) Senta (Banat) Raška (Okrug Raška) Sombor (Bačka) Čačak (Okrug Oravica) Užice (Okrug Zlatibor) Apače (Spodnja Štajerska) Ankaran (Primorska) Areh (Gorenjska) Jesenice (Gorenjska) Zagorice Hočko Pohorje (Spodnja Štajerska) Pohorje Bresternica (Spodnja Štajerska) Studenci (Maribor) Celje (Spodnja Štajerska) Dautscha (Oberkrain) Davča (Gorenjska) Dobowetz (Oberkrain) Dobovec (Gorenjska) Dobrawa (Friedhof in Marburg) Dobrava (Maribor) (Unter)Drauburg (Kärnten) Dravograd (Koroška) Eichthal, Hrastnigg (Untersteiermark) Hrastnik (Spodnja Štajerska) Eisnern (Oberkrain) Železniki (Gorenjska) Fixelsdorf, Füchselsdorf (Übermurgebiet) Fikšinci (Prekmurje) Friedau (Untersteiermark) Ormož (Spodnja Štajerska) Fülowcze (Übermurgebiet) Filovci (Prekmurje) Gams (bei Marburg) Kamnica (Maribor) Ginzenhof, Guizenhof (Übermurgebiet) Ocinje (Prekmurje) Gonobitz, Konowitz (Untersteiermark) Slovenske Konjice (Spodnja Štajerska) Gottschee (Oberkrain) Kočevje (Gorenjska) Görz (Slowenisches Küstenland) Gorica (Primorska) Gurkfeld (Untersteiermark) Krško (Spodnja Štajerska) Hodosch (Übermurgebiet) Hodoš (Prekmurje) Hornwald, Gottscheer Horn (Gottschee) Kočevski Rog (Kočevje) Koschel bei Wöllan Košelj pri Velenju Kosnitza (Ortsteil in der Gemeinde Cilli) Košnica (Celje) Kötsch (Untersteiermark) Hoče (Spodnja Štajerska) Hrastnik, Hrastnigg (Untersteiermark) Hrastnik (Spodnja Štajerska) Hrastowetz, Gutenhag (Untersteiermark) Hrastovec, Hrastovce (Spodnja Štajerska) Krainburg, Krain (Oberkrain) Kranj (Gorenjska) Kranichsfeld (Untersteiermark) Rače (Spodnja Štajerska) Krapflern (Oberkrain) Občice (Gorenjska) Laibach (Oberkrain) Ljubljana (Gorenjska) Luttenberg (Untersteiermark) Ljutomer (Spodnja Štajerska) Marburg an der Drau (Untersteiermark) Maribor (Spodnja Štajerska) Nussdorf (Untersteiermark) Orehova vas (Spodnja Štajerska) Oberlaibach (Innerkrain) Vrhnika (Notranjska) Ottendorf (Untersteiermark) Hotinja vas (Spodnja Štajerska) Olsnitz (Übermurgebiet) Murska sobota (Prekmurje) Pesnitz, Pößnitzhofen (Untersteiermark) Pesnica (Spodnja Štajerska) Pettau (Untersteiermark) Ptuj (Spodnja Štajerska) Pobersch (Stadtteil von Marburg) Pobrežje (Maribor) Politschany, Pöltschach (Untersteiermark) Poljčane (Spodnja Štajerska) Pöllandl (Oberkrain) (Kočevske) Poljane (Gorenjska) Portorosa (Slowenisches Küstenland) Portorož (Primorska) Praßberg (Untersteiermark) Mozirje (Spodnja Štajerska) (Ober)Radkersburg (Untersteiermark) (Gornja) Radgona (Spodnja Štajerska) Radmannsdorf (Oberkrain) Radovljica (Gorenjska) Radwanje, Rothwein (Stadtteil von Marburg) Radvanje (Maribor) Rohitsch Sauerbrunn (Untersteiermark) Rogaška Slatina (Spodnja Štajerska) Rottenberg (Übermurgebiet) Serdica (Prekmurje) Rudolfswerth (Unterkrain) Novo mesto (Dolenjska) Sabrdam (Oberkrain) Zabrdo (Gorenjska) Schalkendorf (Gemeinde Veldes) Želeče (Bled) Schleinitz (Untersteiermark) Slivnica (Spodnja Štajerska) Schönstein (Untersteiermark) Šoštanje (Spodnja Štajerska) Schrottenthurn (Oberkrain) Šempeter (Gorenjska) Seeland (Oberkrain) Jezersko (Gorenjska) Selzacher Zeier (Oberkrain) Selška Sora, Selščica (Gorenjska) Sinnersdorf (Übermurgebiet) Kramarovci (Prekmurje) St. Egidi, St. Ilgen, Schentilja Šentilj (Spodnja Štajerska) (Untersteiermark) 225 226 KONKORDANZ DER ORTSNAMEN BILDNACHWEIS St. Leonhard (Untersteiermark) Stein (Oberkrain) Sternt(h)al (im heutigen Kidričevo) (Untersteiermark) Straschischtsche (Kärnten) Tepanje (Untersteiermark) Thesen (Untersteiermark) Schloß Thurnisch bei Pettau (Untersteiermark) Trifail (Untersteiermark) Tschermoschnitz (Oberkrain) Tschernembl (Oberkrain) Tschreta, Tschretten (Untersteiermark) Tüchern (Untersteiermark) Veldes, Feldes (Oberkrain) Wigaun, Vigaun (Oberkrain) Windisch Feistritz (Untersteiermark) Windische Bühel (Untersteiermark) Wöllan (Untersteiermark) Zarz (Oberkrain) Lenart (Spodnja Štajerska) Kamnik (Gorenjska) Strnišče (Kidričevo) (Spodnja Štajerska) Stražišče (Koroška) (Novo) Tepanje (Spodnja Štajerska) Tezno (Spodnja Štajerska) Turnišče pri Ptuju (Spodnja Štajerska) Trbovlje (Spodnja Štajerska) Črmošnjice (Gorenjska) Črnomelj (Gorenjska) Čreta (Spodnja Štajerska) Teharje (Spodnja Štajerska) Bled (Gorenjska) Beginje (Gorenjska) Slovenska Bistrica (Spodnja Štajerska) Slovenske gorice (Spodnja Štajerska) Velenje (Spodnja Štajerska) Sorica (Gorenjska) Sonstige Auschwitz (Polen), Aušvic Brünn (Tschechien) Krummau (Tschechien) Mitrowitza Sawe (Nebenfluss der Donau) Sutla, Sotla (Nebenfluss der Sawe) Witebsk, Vitepsk (Belarus) Kotor (Montenegro) Oświęcim, Aušvic (srb.) (Poljska) Brno (Češka) Český Krumlov (Češka) Kosovska Mitrovica (Kosovo) Sava (Pritok Dunava) Sutla (Pritok Save) Vitebsk (Belorusija) Kotor (Crna Gora) Bildnachweis Bildagentur der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (bpk): S. 64, S. 101 Bundesarchiv-Lastenausgleichsarchiv (LAA): S. 122, S. 123 Donauschwäbisches Zentralmuseum (DZM) Digitales Bildarchiv: S. 30, S. 40 (u. l.), S. 42, S. 45, S. 87, S. 111, S. 113 (o. l.), S. 119, S. 120, S. 138, S. 155, S. 157, S. 168, S. 175, S. 184 DZM Digitales Bildarchiv | Fotograf: Damir Rajle: S. 113 (o. r., u.) DZM Sammlung: S. 24, S. 25, S. 47, S. 108, S. 131, S. 134, S. 139, S. 142, S. 161, S. 174, S. 191 Endre Kovács/László Katus: Magyarország története 1848–1890, Budapest 1979, Abb. 347 und 346: S. 19 (3. R. m. & r.) Enciklopedija Jugoslavije/Enzyklopädie Jugoslawiens, 1965: S. 65 Ivan Božić u.a. (Hg.): Istorija Jugoslavije [Geschichte Jugoslawiens], Beograd 3 1973: S. 19 (4. R. l. & m., u. l., u. r.) Ivo Petrinović: Ante Trumbić. Politička shvaćanja i djelovanje [Ante Trumbić. Seine politischen Anschauungen und sein Wirken], Zagreb 1986: S. 19 (4. R. r.) Institut für Volkskunde der Deutschen im östlichen Europa: S. 172 Johann Jauß: Szeghegy im ersten Jahrhundert seines Bestandes, Kula 1866: S. 26 Kosta Nikolić: Nemački ratni plakat u Srbiji 1941 – 1944 [Das deutsche Kriegsplakat in Serbien 1941-1944], Belgrade 2000, S. 148: S. 77 Milan Grlović/Stjepan Kovačević: Album zaslužnih Hrvata XIX stoljeća. Sto i pedeset životopisa, slika i vlastoručnih podpisa. Zagreb 1898-1900. [Milan Grlović (Hg.)/Stjepan Kovačević (Abb.): Album verdienter Kroaten des 20. Jahrhunderts. 150 Lebensläufe, Bilder und eigenhändige Unterschriften, Zagreb 1889-1900.]: S. 19 (o. r. & l.) Muzej Vojvodine / Museum der Vojvodina, Novi Sad: S. 59, S. 60, S. 74, S. 75, S. 78 Nemačko udruženje za dobrosusedske odnose Karlowitz / Deutscher Verein für gutnachbarschaftliche Beziehungen Karlowitz: S. 165 Njemačka zajednica – Zemaljska udruga Podunavskih Švaba / Deutsche Gemeinschaft – Landsmannschaft der Donauschwaben, Osijek/Essegg: S. 110 (l.) Privatbesitz Georg Wildmann: S. 129 (o. r.) Privatbesitz Hans Sonnleitner: S. 129 (u. r.) Privatbesitz Herbert Prokle: S. 129 (u. l.) Privatbesitz Ivan Vinkov: S. 19 (3. R. l.) Privatbesitz Josef Beer: S. 129 (o. l.) Privatbesitz Jože Dežman: S. 200, S. 202, S. 207 Privatbesitz Karl Weber: S. 129 (u. m.) Privatbesitz Mario Jareb (Hrvatski institut za povijest [Kroatisches Institut für Geschichte]): S. 19 (o. m., 2. R. m. & r., u. m.), S. 40 (o.), S. 41, S. 153 Privatbesitz Mitja Ferenc: S. 83-86, S. 88, S. 91 Privatbesitz Rotraud Senz: S. 129 (o. m.) Privatbesitz Thomas Dapper (Fotograf und Bildeigentümer): S. 210, S. 214, S. 217 Privatbesitz Vladimir Geiger (Hrvatski institut za povijest [Kroatisches Institut für Geschichte]): S. 19 ( 2. R. l.), S. 110 (r.) Stiftung Martin-Opitz-Bibliothek, Herne: S. 185 227 228 THE AUTHORS The authors Beer, Mathias, born 1957 in Sibiu, Romania. Historian, Deputy Managing Director and Head of the Institute for Danube Swabian History and Regional Studies in Tübingen, where he heads the Contemporary History research area. Lecturer at the History Department of the University of Tübingen and co-publisher of several series of papers related to the history of migration. Main areas of research: history of mentalities, administration, politics, academia and – above all – migration in modern and contemporary German and Southeast European history. His most recent independent publication is “Escape and Expulsion of the Germans. Preconditions, Proceedings, Consequences” (published by C.H. Beck, 2011). Bethke, Carl, born 1969 in Celle, Germany. Studied Southeast European History (Free University of Berlin and in Hamburg), lectureships at the University of Osijek, scholarships/fellowships at the University of Regensburg and Frankfurt (Oder). Beginning in 1999, research associate at the Institute for East European Studies at the Free University of Berlin. Doctoral thesis entitled “German and Hungarian minorities in Croatia and Vojvodina 1918–1941: Identity models and ethnopolitical mobilisation”. 2007–2011 On the Academic Council at the University of Leipzig from 2007 to 2011. Postdoctoral project entitled “Austro-Hungarian administration in Bosnia and Hercegovina”. Since 2012 junior professor for Eastern Europe in the 19th and 20th centuries, University of Tübingen. Casagrande, Thomas, born 1956 in Frankfurt am Main, Germany. Completed teacher training for the subjects of English, sport and social studies before studying political science. Doctorate in political science from the Goethe University, Frankfurt. His dissertation, entitled “The ‘Volksdeutsche’ SS-Division Prinz Eugen. The Banat Swabians and National Socialist war crimes”, was published by Campus Verlag. Following many years at several schools in Frankfurt, he worked as a university teacher at the Goethe University in the Department of Sociology, focusing on culture and migration. Dapper, Thomas, born 1969 in Stuttgart, Germany. First contact with opposition activists in East Germany in 1984. First publications in the local press in 1988. Founder of the Youth Association of the Green Party in Baden-Württemberg in 1991. Studied law at the Free University of Berlin in 1992. Attended the Kaskeline Film Academy in Berlin in 1994. In 1996 began working as a freelance author for magazine-style television programmes. Undertook his first trip to Serbia and the Banat in 2002. Began shooting the documentary film “Wege nach Mramorak” [Paths to Mramorak] in 2007. Lives in Cologne, travelling frequently within the Banat region for further documentary film projects. Dežman, Jože, born 1956 in Lesce, Slovenia (former Yugoslavia). B.A. in History and Philosophy, director of the Archives of Slovenia. Fields of study: history, anthropology, museum studies, museum critique, journalism. Researches the consequences of the racist division of Slovenian society under Titoism and the process of transitional justice. Has edited several anthologies of local history, arranged more than 10 exhibitions, and published several hundred articles in anthologies as well as scientific publications and daily papers. Director of the National Museum of Contemporary History (Ljubljana) 2005–2010. Has led the Commission of the Government of the Republic of Slovenia for Concealed Mass Graves since 1995. Ferenc, Mitja, born 1960 in Ljubljana, Slovenia (former Yugoslavia). Assistant Professor (History of Southeast Europe in the 20th century, Ljubljana Faculty of Arts). THE AUTHORS Doctoral topic: the German-speaking area in the Kočevje region after the emigration of the Gottscheer Germans (1942–1956). Involved in publishing 18 monographs and 150 treatises/articles, predominantly on cultural heritage, partisan health care, Gottscheer Germans, the German minority in Slovenia, and concealed graves. Led the “Inventory of Concealed Graves in the Republic of Slovenia” project from 2002 to 2009. Performed work/research on concealed graves from 2006 to 2009. President and/or Vice-President of the Association of Historical Societies of Slovenia since 2004. Geiger, Vladimir, born 1962 in Đakovo, Croatia (former Yugoslavia). Scientific advisor. Doctoral degree: 1996, Faculty of Philosophy in Zagreb. Wrote thesis on ethnic Germans in and around Ðakovo. Employed at the Croatian Institute for History (HIP), Zagreb, since 1993. Researches the history and fate of the German ethnic community in Croatia as well as repression and crimes of the Communist-led partisan movement in Croatia at the end of World War II and in the immediate post-war period. Currently head of the scholarly project, “Human losses in Croatia during World War II and in the post-war period” (HIP). Awarded the “Danube Swabian Cultural Award of the Federal State of Baden-Württemberg for 2009”. Janjetović, Zoran, born 1967 in Zagreb, Croatia (former Yugoslavia). Studied history at the University of Belgrade from 1987 to 1993. Postgraduate studies: Belgrade 1993– 1997 and Budapest 1994/95. Completed dissertation on the national minorities of Yugoslavia 1918–1945 in 2004. At the Institute for Recent History of Serbia since 1994. Has published six books and 98 articles and studies. Has received grants to research in Germany 1997–2007 at the Institutes for European History, Danube Swabian History and Regional Studies, and the Culture and History of the Germans of Southeast Europe. Research: history of minorities in Yugoslavia, Yugoslav foreign policy, popular culture in socialist Yugoslavia, Second World War in Serbia. Karner, Stefan, born 1952 in St. Jakob bei Völkermarkt, Austria. Historian, founder and head of the Boltzmann Institute for Research into Consequences of War, Graz – Vienna – Klagenfurt. Deputy Chairperson: Institute for the History of Economy, Social and Business History, Graz University. Austrian ‚Scientist of the Year‘ 1995. Member of numerous academic commissions and institutions. Board member: German Historical Museum, Berlin; Hannah Arendt Institute for Research on Totalitarianism, Dresden; Anthology of Historical Research on Communism, Berlin. Curator: Austrian National Library. Academic director of large-scale exhibitions (recent example: “Republic Exhibition” in the Austrian Parliament). Kessler, Wolfgang, born 1946 in Hamm, Germany. After studying history and Slavic studies in Bochum and Düsseldorf, worked at the University of Cologne (Slavic studies), Düsseldorf and Marburg (East European History). Director of the Martin Opitz Library Foundation in Herne, 1989–2011. Has published works principally on the history and cultural history (especially relating to the topic of books) of Croatia and Slavonia in the 18th and 19th centuries, and the history of the German minority in Poland and the German expellees. Koljanin, Milan, born 1953 in Belgrade, RS (former Yugoslavia). Research Fellow, Institute for Contemporary History. His research work centres on the study of specific social groups (e.g. students and refugees), the features of repressive systems in World War Two in Yugoslavia (especially the construction and functioning of the system of camps), the repressive legislature of the Independent State of Croatia, the Holocaust in Serbia and Yugoslavia, the use of film as a means of propaganda, and anti-Semitism in Yugoslavia between the two world wars. His papers have been published in scientific journals in Serbia and abroad. Has also published three monographs. 229 230 THE AUTHORS Krel, Aleksandar, born 1968 in Belgrade, Serbia (former Yugoslavia). Was educated and lives in Belgrade. Conducts research in the fields of social culture and communications, mostly relating to children’s games and socialisation of children, ethnic identity, and cultural features of national minorities in Serbia. 2003 until present: Institute of Ethnography SANU (Serbian Academy of Sciences). 2001–2003: Ethnologist Custodian, Museum of Ethnography, Belgrade. 1998–1999: Ethnologist Custodian, Museum of the City of Novi Sad. 2011: Doctorate, Faculty of Philosophy, Belgrade, Department of Ethnology and Anthropology (“Ethnic identity of Germans in Vojvodina”). 2003: M.A., 1993: B.A. IMPRESSUM 231 Die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung und die Stiftung Donauschwäbisches Zentralmuseum werden aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert durch Perenčević, Leni, born 1983 in Bad Mergentheim, Germany. Studied history, European ethnology and south Slavic philology at the University of Freiburg and Zagreb University, 2003–2009. Worked 2006–2011 as a research assistant at the Johannes Künzig Institute for the Ethnology of Eastern European Germans. Currently working on her doctorate, entitled “Telling a new (his)story. The Yugoslavian Germans in Historiography, Literature and Public Memory in post-1989 Croatia and Serbia” (for which she received a grant from the “History and Narrative” doctoral programme, Freiburg University). Since January 2012: academic staff member of the Danube Swabian Central Museum in Ulm. Petrović Todosijević, Sanja, born 1977 in Šabac, Serbia (former Yugoslavia). Research associate at the Institute for the Recent History of Serbia, Belgrade. Author of the monograph “For the nameless. The Activity of UNICEF in the Federal People’s Republic of Yugoslavia from 1947 to 1954”, INIS, Belgrade, 2008, and co-author of the book, “News from the past. Knowledge, ignorance, use and abuse of history”, Belgrade Centre for Human Rights, Belgrade, 2010. Project team member of the work group for the restoration of the permanent exhibition of the Republic of Serbia in the AuschwitzBirkenau State Museum. Portmann, Michael, born 1975 in Escholzmatt, Switzerland. Senior research associate, Historical Commission of the Austrian Academy of Sciences (since 2006), lecturer at the universities of Vienna and Bern. Fields of research: contemporary history of Yugoslavia and the Balkans, state-building in Southeast Europe in the 19th century. Selected publications: “The Communist Revolution in Vojvodina 1944–1952. Politics, Society, Economy, Culture” (Vienna 2008); “Nation, Nationalities and Nationalism in Eastern Europe. Publication commemorating the 65th birthday of Arnold Suppan”, edited together with Wolfgang Mueller and Marija Wakounig (Vienna 2010). Schödl, Günter, born 1944 in Erlangen, Germany. Studied classical philology and then German philology, history and social studies (University of Erlangen-Nuremberg) 1964–1969, passing his state examination in 1970. Doctorate in 1974 (published 1978: The Pan-German League and German Minority Politics in Hungary 1890–1914). Study visits to Austria, Yugoslavia and Hungary. 1983: Postdoctoral qualification, Modern and European History, University of Erlangen-Nuremberg (published 1990: Croatian National Politics and “Jugoslavenstvo”). 1983–1992: Universities of Erlangen, Munich, Augsburg and Kassel. Academic Chair of the History of East Central Europe, Humboldt University Berlin, since 1992. Wildmann, Georg, born 1929 in Bački Gračac/Filipowa, Serbia (former Yugoslavia). Interned in a camp under the Tito regime from November 1944 to May 1946. Completed school in Linz, Austria, and studied to become Doctor of Theology. Philosophy and religion teacher from 1959, Professor for Philosophy at the Theological University of Linz 1970–1974. Author of “Filipowa – A Picture of a Danube Swabian Community”, Vienna 1978–1999. Staff member of the Danube Swabian Cultural Foundation in Munich from 1980. Co-author of volumes 1–3 of “The Path of Suffering of the Germans in Communist Yugoslavia”, 1991–95. Main author of the book “Crimes against Germans in Yugoslavia 1944–1948”, 1998, as well as of volume two of “Danube Swabian History”, 2010. Impressum Herausgegeben von Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung (Berlin) Donauschwäbisches Zentralmuseum (Ulm) 1. Auflage 2016 Anmerkung der Redaktion: Die Beiträge geben den Stand der Forschung aus Sicht der jeweiligen Autoren wieder. Die Herausgeber haben deshalb auf formale Eingriffe verzichtet, die Wertungen, Inhalte oder einzelne Begriffe verändert hätten. Redaktion: Christian Glass, Dr. Zoran Janjetović, Dr. Wolfgang Kessler, Dr. Andreas Kossert, Anka Lück, Leonie Mechelhoff, Leni Perenčević Zu beziehen: Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung Mauerstraße 83/84, 10117 Berlin Tel.: +49 (0)30 206 29 98-0 www.sfvv.de Übersetzungen ins Deutsche: Dr. Wolfgang Kessler Übersetzungen ins Serbische: Dr. Zoran Janjetović Gestaltung: Peter Nils Dorén Grafikdesign Druck und Bindung: Ruksaldruck GmbH + Co. KG Repro plus Offset Umschlagabbildung: Gotscheer im österreichischen Flüchtlingslager Feffernitz. Privatbesitz Mitja Ferenc. ISBN 978-3-946867-00-5