Viele Häuser im Weltall 1 Bild 3. Die Zwerggalaxie Leo I ist eine elliptische Galaxie vom Typ E 4 mit einem Durchmesser von 2.000 Lichtjahren. Ihre Entfernung von der Milchstraße beträgt fast 850.000 Lichtjahre. Damit ist sie die entfernteste von elf kleinen Satellitengalaxien, die um unsere Milchstraße kreisen. Bild 2. NGC 205 ist eine elliptische Zwerggalaxie vom Strukturtyp E 6. Sie ist ein Begleiter des Andromedanebels und besitzt einen Durchmesser von fast 8.000 Lichtjahren. Ihre Entfernung beträgt ca. 2,3 Millionen Lichtjahre. Bild 4. Die Zwerggalaxie im Sagittarius (nicht Sogittarius DIG) ist die der Milchstraße nächstgelegene Galaxie. Ihre Entfernung beträgt etwa ein Drittel der Entfernung der Großen Magellanschen Wolke, d. h. ca. 60.000 Lichtjahre. Bild 1. Darstellung der räumlichen Verteilung der wichtigeren Galaxien der Lokalen Gruppe in Bezug auf die Milchstraße. Bild 5. Der Triangulumnebel M 33 ist eine Spiralgalaxie vom Typ Sc. Ihre Entfernung von der Milchstraße beträgt ca. 2,3 Millionen Lichtjahre, ihr Durchmesser fast 46.000 Lichtjahre. Bild 6. Die Große Magellansche Wolke (GMW) ist von der Milchstraße 180.000 Lichtjahre entfernt und besitzt einen Durchmesser von 36.000 Lichtjahren. Sie ist ein Begleiter der Milchstraße und hat eine unregelmäßige Struktur (Ir). Bild 7. Die Kleine Magellansche Wolke (KMW) ist von der Milchstraße 250.000 Lichtjahre entfernt und besitzt einen Durchmesser von 15.000 Lichtjahren. Sie hat eine unregelmäßige Struktur (Ir). 2 Galaxientypen Die Beobachtungen zeigten, daß es neben den Galaxien der Lokalen Gruppe eine unendliche Menge weiterer Galaxien gibt. Sie sind die „Häuser“ des Universums. Der Astronom Edwin Hubble hat sie in verschiedene morphologische Typen eingeteilt: Bild 1. M 87 (Typ: E1) Bild 2. NGC 2811 (Typ: Sa) Bild 5. NGC 1201 (Typ: S0) Bild 6. NGC 2859 (Typ: SB0) Elliptische Galaxien (Typ E) zeigen eine mehr oder weniger stark elliptische Form. Sie reicht von kugelförmig (E0) bis stark langgezogen (E7). Die elliptischen Galaxien enthalten nur alte Sterne und sehr wenig Gas. Ihre Massen liegen zwischen 100 Millionen und 10 Billionen Sonnenmassen. Spiralgalaxien (Typ S) bestehen aus einem elliptischen Kern, einer Scheibe mit spiralförmigem Aufbau sowie einem weniger dichten Halo. Im Kern und im Halo befinden sich alte Sterne. Die Massen dieser Galaxien reichen bis zu 100 Milliarden Sonnenmassen. In den Spiralarmen sind viele Sterne sehr jung und hell. 10 % der gesamten Galaxienmasse besteht aus Gas. Es gibt zwei Arten von Spiralgalaxien: „Normale“ Spiralgalaxien mit Spiralarmen, die direkt aus dem Kern kommen, und Balkenspiralen, bei denen die Arme aus den Enden eines Balkens kommen, der durch den Kern geht. Linsenförmige Galaxien (Typ S0) zeigen eine Morphologie zwischen der der elliptischen Galaxien und der der Spiralgalaxien. Sie besitzen einen Kern und eine Scheibe, aber keine Spiralarme. Der Kern nimmt die Hälfte der Galaxiengröße ein. Die Sternpopulation ähnelt der der elliptischen Galaxien. Sie besteht aus alten roten Sternen. Bild 3. NGC 3031 (Typ: Sb) Bild 7. NGC 2523 (Typ: SBb) Bild 4. NGC 628 (Typ: Sc) Bild 8. NGC 2525 (Typ: SBc(s)) Irreguläre Galaxien (Typ Ir) weisen keine gemeinsame Struktur auf. Sie zeigen ein unregelmäßiges Aussehen und keinen Kern. Sie bestehen aus jungen Sternen und aus 10 bis 20 % Gas. Ihre Massen sind mit 10 Milliarden Sonnenmassen relativ gering. 3 Galaxien sind typische Bausteine der Materieverteilung im Weltall. Für ihre physikalische Interpretation und die Untersuchung ihrer räumlichen Verteilung benötigt man ihre gegenseitigen Abstände - also Entfernungen. Dabei geht man stufenweise vor. Zuerst bestimmt man Entfernungen von Sternen in unserer Milchstraße. Zur Messung kosmischer Entfernungen gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Eine davon ist die Geometrische Entfernungsbestimmung. Sie wird für Entfernungsbestimmungen von relativ nahen Sternen angewandt. Dabei benutzt man die trigonometrische Parallaxe - den Winkel p, unter dem man die Verbindungslinie zwischen zwei Beobachtungsstandorten vom Stern aus sehen würde. Unser Beobachtungsstandort ändert sich laufend durch die Erdrotation, durch die Bewegung der Erde um die Sonne und durch die Bewegung der Sonne im Milchstraßensystem. Dabei erscheint ein Stern laufend an unterschiedlichen Positionen. Er beschreibt z. B. bei der jährlichen Bewegung der Erde um die Sonne am Himmel scheinbar eine Ellipse (siehe Bild 1). Bild 1. Die Erde wandert im Laufe eines Jahres auf einer elliptischen Bahn um die Sonne. Wegen dieser Ortsveränderung erscheint ein bestimmter Stern zu verschiedenen Jahreszeiten unter unterschiedlichen Beobachtungswinkeln. Der Stern beschreibt am Himmel eine scheinbare Ellipse - die parallaktische Ellipse. Aus dem Winkel zwischen der Richtung zur Sonne und der Richtung zum Stern kann man die Trigonometrische Parallaxe p bestimmen, weil die drei Punkte Sonnenposition, Beobachtungsort und Ort des Sterns ein rechtwinkliges Dreieck bilden, deren Winkelsumme 180 ° beträgt. Dann berechnet man aus der Basislänge (halbe Entfernung von der Erde zur Sonne) und p die Entfernung zum Stern (Bild 2). Die erste Fixsternparallaxe und damit eine Entfernung wurde 1838 von Friedrich Wilhelm Bessel für den Stern 61 Cygni bestimmt. Als entsprechende Entfernungseinheit benutzt man 1 Parsec (Abkürzung: pc) = 3,26 Lichtjahre. Das ist die Entfernung eines Sterns mit p = 1 Winkelsekunde. Mit solchen trigonometrischen Methoden kann man Sternentfernungen bis zu 100 Lichtjahren bestimmen. Eine zweite Möglichkeit besteht in der Methode der Photometrischen Entfernungsbestimmung. Diese Methode kann man anwenden, wenn man die wirkliche (absolute) Helligkeit eines Himmelskörpers kennt. Solche Situationen werden auf den folgenden beiden Tafeln beschrieben. Diese absolute Helligkeit oder Leuchtkraft bezeichnet man mit L. Mit zunehmender Entfernung beleuchtet das von einem Himmelskörper ausgehende Licht eine immer größere Fläche. Die Flächenhelligkeit und die von uns beobachtete scheinbare Helligkeit werden immer schwächer (Bild 3). Zwischen den Größen Bild 2. Man kann den Winkel zwischen der Richtung zur Sonne und der Richtung zu einem Stern - z. B. α Centauri - messen. Das Dreieck Beobachtungspunkt, Sonne, Stern ist rechtwinklig. Die Winkelsumme im Dreieck beträgt 180 °. Man kann zuerst die Parallaxe berechnen und dann mit der Formel D = AE / tan (p/2) die Entfernung von der Sonne zum Stern. Dabei bedeutet D die Distanz (Entfernung) des Sterns und AE die Astronomische Einheit (Entfernung von der Sonne zur Erde: 150 Millionen km). • • • L = Leuchtkraft (absolute Helligkeit), l = scheinbare Sternhelligkeit und D = Entfernung besteht der Zusammenhang l = L 4π D 2 . (1) Wenn man die wirkliche (absolute) Helligkeit eines Himmelskörpers kennt und seine scheinbare Helligkeit aus den Messungen bestimmen kann, folgt aus der Formel seine Entfernung. Bild 3. Das von einer Lichtquelle ausgehende Licht breitet sich gleichförmig im Raum aus. Die von ihm bestrahlte Kugeloberfläche wächst mit dem Quadrat des Radius – der Entfernung von der Lichtquelle. Die gesamte emittierte Strahlung verteilt sich immer auf die laufend zunehmende Kugeloberfläche. Darum nimmt die Helligkeit einer punktförmigen Lichtquelle nach Formel (1) mit der Entfernung ab. 4 Entfernungsbestimmungen mit Hilfe veränderlicher Sterne Voraussetzung für die Anwendung der photometrischen Methode zur Entfernungsbestimmung ist die Kenntnis der absoluten, d. h. wirklichen Helligkeit eines kosmischen Objektes. Bild 1. Das Bild veranschaulicht die periodische Helligkeitsveränderung eines δ-Cephei-Sterns. δ-Cephei-Veränderliche treten in einer Phase der Sternentwicklung nach der Erschöpfung des Wasserstoffvorrats auf. Dabei schrumpft die Kernregion des Sterns und wird aufgeheizt. Deshalb kann anschließend Helium als neuer Brennstoff verbrannt werden. In dieser Übergang sphase kommt es durch das Wechselspiel zwischen Strahlungsdruck und Gravitation zu radialen Schwingungen der äußeren Sterngebiete – die äußere Sternhülle pulsiert. Die Folge ist eine schwankende Helligkeit mit einer Periode zwischen 1 und 50 Tagen. Eine bedeutende Möglichkeit zur Bestimmung der absoluten Helligkeit von Sternen bieten einige Arten von veränderlichen Sternen. In bestimmten Phasen der Entwicklung können Sterne instabil werden: Sie dehnen sich für eine kurze Zeit aus und ziehen sich dann wieder zusammen. Ihre Durchmesser - und damit ihre Helligkeiten - nehmen rhythmisch zu und ab. Die Sterne „pulsieren“. Eine solche Situation ist im Bild 1 dargestellt. Die Sterne zeigen dann eine periodische Schwankung ihrer Helligkeiten. Erstmals wurde eine solche Erscheinung an einem Stern im Sternbild Cepheus - dem Stern δ-Cephei beobachtet. Darum nennt man solche Veränderlichen Cepheiden. Die δ-Cephei-Sterne gehören zu den wichtigsten Pulsationsveränderlichen. Sie liegen im Hertzsprung-Russel-Diagramm im Gebiet der überriesen und gehören zur sogenannten Sternpopulation I. Ihre Helligkeitsperioden dauern 1 - 50 Tage und ihre Amplituden liegen zwischen 0,3 und 2,5 Größenklassen. Die Form ihrer Lichtkurve ist regulär und zeigt einen ziemlich schnellen Anstieg, gefolgt von einem langsamen Abfall (Bild 1). Bei diesen Objekten besteht eine eindeutige Korrelation zwischen der Pulsationsperiode und der absoluten Helligkeit. Dieser Zusammenhang wurde im Jahre 1912 von Henrietta Leavitt an Cepheiden in den Magellanschen Wolken entdeckt (Bild 2). Bild 2. Das Bild zeigt den Zusammenhang zwischen der mittleren absoluten Helligkeit in Größenklassen (Ordinate) und der Periodendauer in Tagen (Abszisse) für drei Arten von veränderlichen Sternen. RR Lyrae-Sterne zeigen eine konstante Periode unabhängig von der Helligkeit. Die Perioden der Helligkeitsschwankungen von W Virginis- und δ-Cephei-Sternen zeigen eine deutliche Korrelation mit ihrer mittleren Helligkeit. Je heller der Veränderliche ist, desto länger ist seine Periode. Der entsprechende Zusammenhang für Cepheiden wurde im Jahre 1912 von Herietta Levitt entdeckt. Die Pulsationsperiode wird aber durch die Entfernung nicht verfälscht. Darum kann man für alle δ-Cephei-Sterne nach der Formel auf der vorigen Tafel Entfernungen bestimmen, wenn man die absolute Helligkeit aus der Pulsationsperiode und die scheinbare Helligkeit kennt. Diese Methode gewinnt dadurch besondere Bedeutung, daß man solche Objekte außer in der Kleinen Magellanschen Wolke auch in anderen verhältnismäßig nahen Galaxien beobachten kann. Darum sind so extragalaktische Entfernungsbestimmungen möglich. Die erste Bestimmung einer solchen extragalaktischen Entfernung mit dieser Methode erfolgte im Jahre 1913 in Potsdam durch Ejnar Hertzsprung. In der Arbeit „über die räumliche Verteilung der Sterne vom δ-Cephei-Typus“ (Astronomische Nachrichten, 196, S. 201-210) benutzte er 13 δ-Cephei-Sterne in der Milchstraße zur Eichung der Perioden-LeuchtkraftBeziehung. Mit Hilfe dieser geeichten Beziehung konnte er dann die Entfernung zur Kleinen Magellanschen Wolke berechnen. Bild 3. Das Diagramm zeigt den Zusammenhang zwischen Helligkeit und Periode von Cepheiden in der Kleinen Magellanschen Wolke. Diese Objekte haben eine besondere historische Bedeutung. Mit ihnen wurde die erste extragalaktische Entfernung - bis zur Kleinen Magellanschen Wolke - bestimmt. Das geschah 1913 in Potsdam durch Ejnar Hertzsprung. Damit wurde Ejnar Hertzsprung zum Wegbereiter für den Amerikaner Edwin Hubble, der diese Methode 1923 anwandte, um die Entfernung zum Andromedanebel zu berechnen. Auch die Entfernungen zu anderen Galaxien, für die Hubble 1929 den für die moderne Kosmologie fundamentalen Zusammenhang zwischen Entfernung und Fluchtgeschwindigkeit von Galaxien ableitete, wurden von ihm mit Hilfe dieser Methode bestimmt. Dazu wird auf die Tafel „Expansion des Weltalls“ in diesem Raum verwiesen. 5 Supernovae als Entfernungsindikatoren Es gibt auch Arten von kosmischen Objekten, die immer fast die gleiche absolute Helligkeit besitzen. Durch Messung ihrer scheinbaren Helligkeit und Vergleich mit der bekannten absoluten Helligkeit kann man ihre Entfernung bestimmen. Eine besonders gute Möglichkeit bieten die Supernovae. Wie aus den Beobachtungen bekannt ist, gibt es zwei Arten von Supernovae, den Typ I und den Typ II: Bild 1. Das Bild zeigt die Aufnahme einer entfernten Galaxie mit einer Rotverschiebung von z = 0.66 ohne Supernova, aufgenommen mit dem Vier-Meter-Teleskop auf dem Cerro Tololo in Chile. • Der Typ I entsteht in Doppelsternsystemen, in denen einer der Sterne im Laufe der Entwicklung bereits ein weißer Zwerg geworden ist. In einem solchen System kann Materie vom anderen Stern auf den weißen Zwerg überströmen. Wenn dabei die für den weißen Zwerg kritische Massengrenze von 1,4 Sonnenmassen überschritten wird, explodiert der weiße Zwerg als Supernova (thermonukleare Explosion). • Der Typ II ist verbunden mit dem Kollaps nach der Entwicklung eines Sterns mit einer Anfangsmasse zwischen 8 und 60 Sonnenmassen. Von besonderem Interesse für die Bestimmung großer extragalaktischer Entfernungen sind die Supernovae vom Typ I. Sie treten sowohl in Spiralgalaxien wie auch in elliptischen Galaxien auf und sind mindestens zweimal so hell wie Typ II-Supernovae. Es gibt drei Untertypen a, b und c des Typs I, die wegen ihrer unterschiedlichen Charakteristika in den Spektren unterschieden werden. Die Supernovae vom Typ Ia erreichen die größte absolute Maximalhelligkeit. Beim Aufleuchten einer solchen Supernova strahlt der Zwergstern manchmal für kurze Zeit heller als eine komplette Galaxie. Wegen dieser sehr großen und immer gleichen absoluten Helligkeit eignen sich solche Objekte zur Entfernungsbestimmung von sehr weit entfernten Galaxien unabhängig von der Rotverschiebung, weil die durch die Astronomen beobachtete relative Helligkeit eben ein Maß für die Entfernung darstellt. In den Bildern 1 und 2 ist eine ferne Galaxie vor und nach dem Aufleuchten einer solchen Supernova dargestellt. Das Bild 3 zeigt die Lichtkurve einer Typ Ia-Supernova. Im Bild 4 ist der Zusammenhang zwischen scheinbarer Helligkeit und der Rotverschiebung im Galaxienspektrum dargestellt. Zur Erläuterung der Rotverschiebung und ihrer Bedeutung für Astronomie und Kosmologie verweisen wir auf die Tafel „Expansion des Weltalls“. Bild 2. Dieses Bild zeigt dieselbe Galaxie wie in Bild 1 - diesmal aber mit Supernova - aufgenommen mit demselben Vier-MeterTeleskop auf dem Cerro Tololo in Chile. Wegen der großen Entfernung der Galaxie verändert die Supernovaexplosion das Bild nur in wenigen Pixeln. Bild 3. Das Bild zeigt die Lichtkurve einer Typ-Ia-Supernova. Man erkennt den sehr plötzlichen Helligkeitsanstieg und den langsamen Abfall über fast ein Jahr. Bild 4. Das Diagramm zeigt den Zusammenhang zwischen der Entfernung (ausgedrückt durch die Rotverschiebung; siehe dazu die folgende Tafel) und der relativen (d. h. scheinbaren) Helligkeit für eine Reihe von Supernovae. Da Typ-Ia-Supernovae immer die gleiche absolute Helligkeit besitzen, besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der scheinbaren Helligkeit und der Entfernung. Zur Erklärung der - gebremsten oder beschleunigten - Expansion wird auf die folgende Tafel und auf die Tafel „Inflationäres Weltmodell“ im Raum „Kosmologie“ verwiesen. 6 Die Expansion des Weltalls Die Spektren aller extragalaktischen Sternsysteme zeigen deutliche Emissions- und Absorptionslinien, die alle zum roten Spektralbereich hin verschoben sind (Bild 1). Verschiebungen von Spektrallinien können gut durch den Dopplereffekt - also durch radiale Bewegungen der sie emittierenden Objekte erklärt werden. Radiale Bewegungen in Richtung auf den Beobachter verursachen eine Verschiebung zum blauen Spektralbereich, radiale Bewegungen vom Beobachter weg dagegen eine „Rotverschiebung“ (Bild 2). Da nur „Rotverschiebungen“ und keine „Blauverschiebungen“ in den Galaxienspektren auftreten, wird dieser Befund so interpretiert, daß sich alle Galaxien radial von uns fortbewegen. Es findet eine Expansion des uns umgebenen Raumes statt. Und diese Radialgeschwindigkeit der Galaxien erfolgt um so schneller, je weiter sie von uns entfernt sind. Dieses Phänomen wurde erstmals durch den amerikanischen Astronomen Edwin Hubble beobachtet. Allerdings bedeutet das nicht, daß wir uns im „Zentrum“ der Welt befinden und sich die gesamte Außenwelt von uns weg bewegt. Vielmehr ist es so, daß sich wohl jede Galaxie von jeder anderen entfernt, wie die Rosinen in einem sich beim Backen ausdehnenden Kuchenteig (Bild 3). Das Weltall expandiert. Wenn es sich immer ausgedehnt hat, war es früher sehr klein. Die gesamte in ihm enthaltene Materie war in einem sehr kleinen Raumbereich konzentriert. Das war vor etwa 13 Milliarden Jahren. Zu dieser Zeit sollte - nach den Vorstellungen des Urknalls - die Welt entstanden sein und sich seither ausdehnen. Mit der Rotverschiebung der Spektrallinien in den Spektren der Galaxien fand Hubble eine neue Möglichkeit zur Entfernungsbestimmung: Bild 1. Das Bild zeigt Spektren von Galaxien in sehr unterschiedlichen Entfernungen. Man erkennt die Spektrallinien H + K neben einem Vergleichsspektrum. Dabei beobachtet man eine zunehmende Verschiebung der Spektrallinien - die Rotverschiebung - mit anwachsender Entfernung der Galaxien. Diese Rotverschiebung wird auf der Grundlage des Doppler-Effektes als Radialgeschwindigkeit der Galaxien gedeutet und führte zu den Vorstellungen von der kosmischen Expansion und vom Urknall. Einzelheiten dazu werden auf der Tafel zum Urknall im Raum „Kosmologie“ beschrieben. • Er bestimmte mit einer unabhängigen Methode - mit der Perioden-Helligkeits-Beziehung der δ-Cephei-Sterne in nicht zu weit entfernten Galaxien - deren Entfernung. • Dann leitete er die Rotverschiebungen in den Spektren dieser Galaxien ab. • Das Ergebnis ist ein linearer Zusammenhang zwischen Rotverschiebung (d. h. Radialgeschwindigkeit) und Entfernung der Galaxien (Bild 4). Das ist das Hubble-Gesetz: Vr =Ho ⋅ r mit der Radialgeschwindigkeit Vr, der Entfernung r und der Hubble-Zahl Ho als Proportionalitätsfaktor. • Wenn man annimmt, daß dieser lineare Zusammenhang für alle Rotverschiebungen gilt, kann man aus jeder Rotverschiebung in einem Galaxienspektrum die Entfernung der entsprechenden Galaxie ableiten. Bild 2. Eine Lichtquelle bewegt sich relativ zu zwei ruhenden Beobachtern (rechts und links) mit einer konstanten Geschwindigkeit vom Punkt 1 über 2, 3 zum Punkt 4. Die gestrichelten Kreise markieren die von den einzelnen Punkten ausgesandten Wellenfronten. Der linke Beobachter sieht Licht mit einer kürzeren Wellenlänge, einer höheren Frequenz (einer Verschiebung der Farben zum Blauen, einer Blauverschiebung), der rechte Beobachter sieht eine Rotverschiebung (Licht mit niedrigerer Frequenz). Das ist der sogenannte Doppler-Effekt. Aus der „Rotverschiebung“ der Spektrallinien in den Galaxienspektren folgert man deshalb eine Bewegung von uns fort. Bild 3. Die Radialgeschwindigkeit aller Galaxien von uns fort bedeutet nicht, daß wir uns im „Zentrum der Welt“ befinden müßten. Vielmehr sollte sich jede Galaxie von jeder anderen entfernen - wie die Rosinen beim Backen eines Kuchenteiges. Bild 4. Das Bild zeigt den ursprünglich von Hubble im Jahre 1929 abgeleiteten Zusammenhang Vr = H o ⋅ r zwischen der Rotverschiebung (bzw. Radialgeschwindigkeit) und der Entfernung von Galaxien. 7 Die Entwicklung der Galaxien Ein bis heute noch nicht endgültig geklärtes Problem ist mit der Frage nach der Entstehung und der Entwicklung der Galaxien verbunden. Es gibt dazu immer noch sehr unterschiedliche Ansichten. Bild 1. Das Bild zeigt ein Modell, wonach sich Galaxien durch Kontraktion ursprünglich mehr oder wenig dicht verteilter Gasmengen bilden könnten. Bild 2. In Abhängigkeit von der Geschwindigkeit der Sternbildung sollte sich entweder eine elliptische Galaxie (linkes Teilbild) oder eine Spiralgal axie (rechtes Teilbild) entwickeln können (siehe nebenstehender Text). Die erste Ansicht geht davon aus, daß alle Galaxien durch die Kontraktion großer ursprünglicher Gaswolken infolge der Wirkung ihrer eigenen Schwerkraft gebildet wurden. Dabei kann eine ursprüngliche Gaswolke die gleiche Masse wie die spätere Galaxie haben oder es bildeten sich zuerst einzelne Komplexe, die später zusammenstießen und sich dabei zur endgültigen Galaxie vereinigten. Man nimmt an, daß beide Prozesse gleichzeitig und unterschiedlich stark in Abhängigkeit von den Anfangsbedingungen wirken. In jedem Fall sollte sich eine kugelförmige Wolke bilden, in der Sterne entstehen. Wenn die Bildung der Sterne relativ schnell und gleichförmig verläuft, verbraucht die Galaxie bald das ursprüngliche Gas und wird zu einer elliptischen Galaxie. Damit kann man die hauptsächliche Existenz von alten Sternen in elliptischen Galaxien erklären. Wenn die Sternbildung aber zumindest von einem bestimmten Zeitpunkt ab - langsamer verläuft, bleibt mehr Gas übrig. Dieses Gas entwickelt sich zu einer dünnen Scheibe um den Kern. In Abhängigkeit von der Geschwindigkeit der weiteren Sternbildung kann sich dann ein linsenförmiges Sternsystem oder eine normale Spiralgalaxie bilden. Nach diesen Vorstellungen ist das Klassifikationsschema von Hubble kein Ausdruck einer Entwicklung von Ellipsen zu Spiralen oder umgekehrt. Vielmehr sollten die unterschiedlichen Arten von Galaxien unabhängig voneinander entstehen und sich entwickeln können. Die Art der Galaxie wird von den vorliegenden Anfangsbedingungen (z. B. Materiedichte oder Drehimpuls) bestimmt. Daneben wird die Möglichkeit diskutiert, daß sich elliptische Galaxien durch Verschmelzungen von Spiralgalaxien gebildet haben könnten. Ein solches Szenarium könnte erklären, warum es in den Zentralgebieten von Galaxienhaufen (siehe dazu die Tafeln im folgenden Raum) fast nur elliptische Galaxien gibt. Bild 3. Die Galaxie M 87 = NGC 4486 - auch Virgo A genannt - ist die Hauptgalaxie in einem großen Galaxienhaufen - dem Virgo-Haufen. Galaxienhaufen werden im anschließenden Raum beschrieben. Der Virgo-Haufen liegt in einer Entfernung von 50 Millionen Lichtjahren. M 87 ist eine starke Radioquelle. Aus dem Zentrum der Galaxie kommt ein heller Materiestrahl, der weit aus dem eigentlichen System herausragt. Seit den sechziger Jahren existiert die Vorstellung, daß Radiogalaxien durch Explosionen in Galaxienkernen enstehen. Ursache für die Explosion in M 87 ist wahrscheinlich die Existenz eines sogenannten schwarzen Lochs von mindestens 100 Millionen Sonnenmassen. Eine dritte Ansicht favorisiert einen ganz anderen Entwicklungsweg: Eine explosionsartige Entwicklung von sehr massereichen und überdichten Körpern zu kleineren Fragmenten. Sie geht von der Beobachtung einer Vielzahl von unterschiedlich starken Aktivitätserscheinungen in Galaxien aus. Dazu gehören normale Radiogalaxien, kompakte Radioquellen, Seyfertgalaxien und Quasare. Sie zeigen starke Energieausbrüche oder sogar den Auswurf neuer Objekte. Die Mehrheit der Astronomen folgt heute den zuerst beschriebenen Vorstellungen von Verdichtungen und Verschmelzungen. Vertreter der zuletzt genannten Ansicht sind vor allem der armenische Astronom V. A. Ambarzumjan und der britische Astronom H. Arp. Sie machen neben den beobachteten Aktivitätsphänomenen vor allem geltend, daß ihre Vorstellung wegen der angenommenen Entwicklungsrichtung von dichten zu dünnen Materiezuständen auch mit der beobachteten globalen Expansion des Weltalls in Einklang steht. Bild 4. Ganz besonders aktive und starke Radioquellen mit explosionsartigen Ausbrüchen sind die sogenannten Quasare. Auch bei Ihnen vermutet man im Zentrum einer Akkretionscheibe ein schwarzes Loch. Senkrecht zur Ebene der Akkretionsscheibe erfolgt der Ausbruch eines relativistisch beschleunigten Materiejets. Quasare sind in Galaxien eingebettet. Sie sind die hellste Form aktiver Galaxienkerne. Das Bild gibt die hier beschriebene Modellvorstellung wieder.