136 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 9 (4) 2000; 136-139 MASSENSCHLAFPLÄTZE VON ROHRWEIHEN WURDEN IN DEUTSCHLAND BISHER EXTREM SELTEN FESTGESTELLT. UM SO MEHR WAR EIN SOLCHER SCHLAF- UND SAMMELPLATZ, DER ZEITGLEICH AUCH FÜR WIESENWEIHEN BESTAND, EIN ANLASS, DIESES BEDEUTSAME EREIGNIS AUSFÜHRLICHER AUSZUWERTEN. TORSTEN RYSLAVY Herausragender Massenschlafplatz von Rohr- und Wiesenweihen im Europäischen Vogelschutzgebiet (SPA) Belziger Landschaftswiesen im Jahr 1999 Schlagwörter: 1. Rohrweihe (Circus aeruginosus), Wiesenweihe (Circus aeruginosus), Massenschlafplatz, Europäisches Vogelschutzgebiet, SPA Belziger Landschaftswiesen Einleitung In der Literatur finden sich kaum Angaben zu größeren Schlafplätzen von Rohr- (Circus aeruginosus) und Wiesenweihe (Circus pygargus). Im Folgenden wird deshalb über einen gemeinsamen Massenschlafplatz dieser Weihenarten im Sommer 1999 im Europäischen Vogelschutzgebiet (SPA – Spezial Protection Area) Belziger Landschaftswiesen berichtet. Für die Bereitstellung von Beobachtungsdaten gilt den Herren M. Putze (Rathenow) und J. Rathgeber (Berlin) herzlicher Dank. 2. Beobachtungsgebiet Der 5.500 ha umfassende Naturraum der Belziger Landschaftswiesen befindet sich im westlichen Teil des Baruther Urstromtales, einer 3 bis 5 km breiten und unzerschnittenen Entwässerungsrinne für das abschmelzende Eis der Weichseleiszeit (Brandenburger Stadium). Einige im Fläming entspringende und über die Plane in die Havel entwässernde Fließgewässer sind für dieses Niedermoorgebiet mit einer Moormächtigkeiten bis zu 2 m charakteristisch. Näheres zur Gebietsbeschreibung findet sich in LITZBARSKI (1998). Bereits seit 1989 wird hier über Landschaftspflegemaßnahmen, insbesondere extensive Nutzung und Wiedervernässungen in Teilbereichen, die Entwicklung niedermoortypischer Pflanzengesellschaften (z. B. Pfeifengras- und Seggenwiesen) mit einer artenreichen Arthropodenfauna angestrebt. Dadurch entstehen in der Folge auch für andere Artengruppen, u. a. auch für Vertebraten, günstige Nahrungsbedingungen. Die Renaturierungsmaßnahmen sollen zudem den ökologischen Wert der nährstoffarmen Fließgewässer mit relativ hohen Strömungsgeschwindigkeiten im Gebiet weiter erhöhen. Avifaunistisch hat das Gebiet als eines Tabelle 1: Rohrweihen-Beobachtungen am Schlafplatz in den Belziger Landschaftswiesen im Sommer 1999 Datum Beobachter Anzahl 11.08. abends M.P. 13.08. morgens 14.08. abends T.R., M.P. T.R., M.P. >50 90 16.08. morgens 19.08. morgens 23.08. morgens 26.08. morgens T.R. T.R. T.R. T.R., M.P. 108 102 >101 104 01.09. abends T.R. 61 02.09. abends 05.09. morgens M.P. T.R., S.O. 42 12 05.09. abends 08.09. morgens 16.09. morgens T.R., H.H. T.R. T.R. 12 1 3 78 Bemerkungen 19,22 ad. und 2./3. KJ + 30 im 1.KJ + 7 mit unbestimmtem Alter ca. 20 im 1. KJ; unvollständig 14,25 ad. + 17,0 im 2./3. KJ + 34 im 1. KJ 4,28 ad. + 12,10 im 2./3. KJ + 46 im 1. KJ Fläche gemäht und teilweise gepresst; Schlafplätze auf Schwad! Schlafplatz auf gemähter Wiese und am Grabenrand Schlafplatz an Grabenrand 1,0 ad. 3 im 1. KJ Legende: H.H. = Hartmut Haupt (Beeskow); M.P. = Mathias Putze (Rathenow); S.O. = Susanne Oehlschlaeger (Berlin); T.R. = Torsten Ryslavy (Roskow); ad. = adult; KJ = Kalenderjahr der letzten Einstandsgebiete der Großtrappe (Otis tarda) größte Bedeutung für den Naturschutz in Deutschland. Der 1999 genutzte Weihen-Schlafplatz in den Belziger Landschaftswiesen befand sich im Zentrum des Gebietes in einer ca. 50 ha großen, extensiv genutzten Grünlandfläche, die einen lückigen Vegetationsbestand aufweist. Bestandsbildend war die Rasenschmiele (Deschampsia caespitosa), teilweise traten Rohrschwingel (Festuca arundinacea) und Rohrglanzgras (Phalaris arundinacea) auf. Die Fläche, die unter Vertragsnaturschutz stand und auf der offiziell Mitte Juni hätte gemäht werden können, wurde aufgrund des bedeutenden Wiesenweihenschlafplatzes und -brutplatzes jedoch erst Ende August gemäht. Der Landnutzer wurde über Landschaftspflegemittel des Landesumweltamtes Brandenburg für den zusätzlichen Ertragsausfall finanziell entschädigt. Trotz Mahd hielten die Wiesen- und Rohrweihen noch tagelang an diesem Schlafplatz fest, bis sie schließlich im September abzogen. 3. Methodik der Zählung am Schlafplatz Nachdem ein größerer Schlafplatz am 11. 8. bemerkt wurde, erfolgte die Bestandsermittlung beim abendlichen Einfall bzw. morgendlichen Abflug durchschnittlich aller 2 bis 3 Tage im fünfwöchigen Zeitraum zwischen dem 11. 8. und 16. 9. 99. Der Schlafplatz wurde morgens ab einsetzender Dämmerung für eine (bis maximal 1,5) Stunden unter Kontrolle gehalten, während die Abendzählungen zwei Stunden vor Dunkelheit begannen. Da der abendliche Einflug überwiegend aus Westen erfolgte und sich über 1 bis 1,5 Stunden hinzog, konnte der Bestand anhand der einfliegenden Tiere relativ gut ermittelt werden. Am Schlafplatz selbst kam es während der letzten Tagesstunde des Öfteren vor, dass TORSTEN RYSLAVY: HERAUSRAGENDER MASSENSCHLAFPLATZ VON ROHR- UND WIESENWEIHEN IM EUROPÄISCHEN VOGELSCHUTZGEBIET (SPA) 1999 137 bereits in der Grünlandfläche eingefallene Weihen wieder zu einem kurzen Bewegungsflug aufstiegen und dann endgültig am Schlafplatz einfielen. Es stellte sich heraus, dass sich der Schlafplatzbestand von nur einer Person beim morgendlichen Abflug ermitteln lässt, da die vom Boden auffliegenden Weihen, die fast ausnahmslos in südwestliche bis nordwestliche Richtung in geringer Höhe abflogen, leicht zu zählen bzw. beim näheren Vorbeifliegen Alter und Geschlecht zu bestimmen waren. Meistens waren alle Weihen nach ca. 45 min. (bis maximal einer Stunde) vom gemeinschaftlichen Schlafplatz auf- und abgeflogen. 4. Ergebnisse 4.1 Rohrweihe (Circus aeruginosus) In der ersten Augusthälfte konnte ein massiertes Auftreten an einem Schlafplatz registriert werden, das über 3 bis 4 Wochen anhielt. Interessant ist, dass sich tagsüber mit durchschnittlich 10 bis 15 nur relativ wenige Rohrweihen in der näheren Umgebung des Schlafplatzes (5 km Radius) aufhielten. Der abendliche Einfall bzw. morgendliche Abflug erfolgte zum überwiegenden Teil aus westlicher bzw. in diese Richtung. Am 16.8.99 konnten maximal 108 Rohrweihen am Schlafplatz festgestellt werden, wobei für eine Zeit von mindestens 12 Tagen ein Bestand von ca. 100 Rohrweihen belegt werden kann. Der Anteil Altvögel blieb etwa konstant, während sich der Anteil der diesjährigen Vögel (1. Kalenderjahr) durch Zuzug allmählich erhöhte. Auffallend war der relativ geringe Anteil von immaturen Tieren (ca. 20 %), so dass sich der Schlafplatz-Bestand hauptsächlich aus Brutvögeln und ihrem Nachwuchs zusammensetzen dürfte. Bereits Anfang September hatten die Rohrweihen das Gebiet im Wesentlichen verlassen. Abb. 1 Immatures WiesenweihenMännchen in Brandenburg Foto: T. Ryslavy Intraspezifische Aggressionen am Schlafplatz konnten trotz der großen Anzahl nicht beobachtet werden (auch keine interspezifischen Auseinandersetzungen mit den anwesenden Wiesenweihen). Die einzelnen Schlafplätze lagen, wie eine Tagesbegehung eines Teilbereiches ergab, minimal nur 1 bis 3 m auseinander, wobei allerdings keine Aussage dazu vorgenommen werden kann, ob die Einzelschlafplätze jeweils nur von einer Rohrweihe oder mitunter von 1 bis 2 weiteren Tieren belegt wurden. Interessant erscheint eine mehrtägige Ansammlung von Rohrweihen im Zeitraum 8. 9. bis 12. 9.1999 auf einem abgeernteten Luzerneschlag bei Ringelsdorf (Sachsen-Anhalt), wo sich zwischen 52 und 78 Rohrweihen (Maximum am 10. 9.) versammelt hatten (T. Bich). Diese ergiebige Nahrungsfläche liegt ca. 35 km nordwestlich des Schlafplatzes, der jedoch zu diesem Zeitpunkt an der „gewohnten“ Stelle nicht mehr besetzt war, lediglich Einzelvögel wurden gesichtet. Vermutlich handelte es sich z. T. um die „Belziger“ Rohrweihen, die aufgrund einer neuen ergiebigen Nahrungsfläche einen in der Nähe befindlichen neuen Wegzugschlafplatz genutzt hatten. Er konnte allerdings nicht ausfindig gemacht werden. Mit Sicherheit war im zentralen Teil des nahe gelegenen Fiener Tabelle 2: Wiesenweihen-Beobachtungen am Schlafplatz in den Belziger Landschaftswiesen im Sommer 1999 Datum Beobachter 15.06. abends 20.06. abends 11.08. abends 13.08. morgens 14.08. abends 16.08. morgens 19.08. morgens 23.08. morgens 26.08. morgens 01.09. morgens 02.09. abends 05.09. morgens 05.09. abends 08./16.09. morgens J.R. J.R. M.P. T.R., M.P. T.R., M.P. T.R. T.R. T.R. T.R., M.P. T.R. M.P. T.R., S.O. T.R., H.H. T.R. Anzahl 4 5-6 15 11 18 10 11 >7 6 2 3 1 1 Bemerkung 2,1 ad. + 1,0 im 2. KJ 1,2 ad. + 1-2,1 im 2.KJ 7,5 ad. /2. KJ + 3 im 1. KJ 3,3 ad. + 1,1 im 2. KJ + 3 im 1. KJ 6,4 ad. + 1,4 im 2. KJ + 3 im 1. KJ 1,0 ad. + 9 wf. u.a. 1,0 ad. + 5 im 1. KJ 1,1 ad. + 1,0 im 2. KJ + 3 im 1. KJ 0,1 ad. + 1 im 1. KJ 0,1 ad. 0,1 ad. 0 Legende: H.H. = Hartmut Haupt (Beeskow); J.R. = Jörg Rathgeber (Berlin); M.P. = Mathias Putze (Rathenow); S.O. = Susanne Oehlschlaeger (Berlin); T.R. = Torsten Ryslavy (Roskow); ad. = adult; wf. = weibchenfarben; KJ = Kalenderjahr Bruchs kein Schlafplatz vorhanden. An mehreren Tagen ließ sich beobachten, dass die Weihen abends vom Luzerneschlag aus in östliche Richtung abflogen (T. Bich). 4.2 Wiesenweihe (Circus pygargus) Am Weihenschlafplatz in den Belziger Landschaftswiesen waren im Juni 1999 zunächst maximal 5 bis 6 Wiesenweihen anwesend (J. Rathgeber). In der zweiten Juni- und ersten Julihälfte hielten sich auch über einen Zeitraum von 3 bis 4 Wochen zwei Steppenweihen-Weibchen (Circus macrourus) auf, wobei es sich um ein vorjähriges (T. Hellwig, T. Ryslavy, D. Henning u. a. ) und ein adultes Tier handelte (J. Rathgeber, T. Ryslavy, N. Eschholz u. a.). Im August 1999 (14. 8.) erhöhte sich der Schlafplatzbestand auf maximal 18 Wiesenweihen, worunter sich auch das im Gebiet ansässige Brutpaar mit seinen drei flüggen Jungvögeln befand (Tab. 2). Die drei Jungvögel konnten zusammen noch bis mindestens 26. 8. beobachtet werden. Zwischenzeitlich waren am 19. 8. sogar zwei weitere Jungvögel am Schlafplatz anwesend, wobei im Gebiet der Belziger Landschaftswiesen definitiv nur die o.g. drei Jungvögel erbrütet wurden. An immaturen Wiesenweihen zählte der Autor maximal 5 (1 Männchen, 4 Weibchen) und an Altvögeln maximal 10 (6 Männchen, 4 Weibchen) Tiere im Kontrollzeitraum (vgl. Tab. 2). Die Wiesenweihen hatten ihren Schlafplatz nicht abseits der vielen Rohrweihen, sondern inmitten derselben (interspezifischer Schlafplatz). Anzeichen von gegenseitiger Inakzeptanz waren während der Kontrollen nicht festzustellen. Die gebietsansässigen Jungvögel hielten sich morgens nach dem Auffliegen meistens noch einige Zeit über dem Bereich der Schlafplatzfläche auf, während die anderen Wiesenweihen relativ zügig (überwiegend) nach Westen zur Nahrungssuche abflogen. Wie die Rohrweihen, so verließen auch die letzten Wiesenweihen Anfang September das Gebiet. 138 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 9 (4) 2000 5. Diskussion 5.1 Rohrweihe (Circus aeruginosus) Für die Mark Brandenburg liegen bisher sehr wenige Angaben zu Ansammlungen vor. Selbst in der Avifauna Brandenburgs (FEILER u. KOLBE 1983) sind keinerlei größere Ansammlungen erwähnt, obwohl für den dort relevanten Zeitraum bis 1978 zumindest in den Jahren 1963 und 1967 solche beobachtet wurden (DITTBERNER 1996). Angaben zu Sommeransammlungen von mehr als 20 Tieren liegen hauptsächlich aus dem Welse-Bruch vor, wo nach der Wiesenmahd bei gutem Feldmausangebot kurzzeitig wiegend aus der Uckermark recherchiert. Ausnahmsweise wurden hier 67 Rohrweihen an einem Schlafplatz festgestellt (Tab. 4). Aus anderen Bundesländern finden sich nur wenige Angaben über Schlafplatzgesellschaften der Rohrweihe in der Literatur. In GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. (1989) werden nur gelegentliche Schlafplatzgesellschaften von 5 bis 25 Rohrweihen auf dem Durchzug und im Winterquartier erwähnt. Folgende Rohrweihen-Ansammlungen mit über 20 Tieren wurden vermerkt: * Niedersachsen Für Niedersachsen (ZANG et al. 1989) sind lediglich vier Daten zu kleinen Ansammlungen erwähnt, darunter eine Angabe mit 21 Rohrweihen (5 Männchen, 16 weibchenfar- Abb. 2 Bestandsentwicklung der Wiesenweihe (Circus pygargus) in Brandenburg Tabelle 3: Ansammlungen der Rohrweihe (>20 Ex.) in Brandenburg zur Brutzeit Gebiet Datum Anzahl Quelle Welse-Bruch/UM Parsteiner See/BAR Welse-Bruch/UM Welse-Bruch/UM 20.06.1992 12.07.1967 15.6.-15.7.67 03.07.1993 38 (bei wohl 6-8 BP) 30 bis 30 24 (12,12) (MUNDT u. UHLIG 1992) (DITTBERNER 1996) (DITTBERNER 1996) (J. Mundt) Legende: UM = Landkreis Uckermark; BAR = Landkreis Barnim; BP = Brutpaar Tabelle 4: Ansammlungen der Rohrweihe (>20 Ex.) in Brandenburg während des Wegzuges Gebiet Datum Anzahl Quelle Schlafplatz Altkrs. Prenzlau/UM bei Stolpe/O./UM Polder Schwedt/UM (Sommerflutung) 03.09.1982 13.08.1963 16.08.1977 67 40 28 (I.-D. Lembke, H. Schonert) (DITTBERNER 1996) (DITTBERNER 1996) Legende: dz. = durchziehend; UM = Landkreis Uckermark; OHV = Landkreis Oberhavel nahrungsreiche Flächen vorhanden sein können (Tab. 3). In der Regel handelt es sich dabei um kurzzeitige Greifvogelansammlungen (auch Weißstörche) während eines sehr günstigen Nahrungsangebotes in warmen und trockenen Sommern. Sie setzen sich überwiegend aus Nichtbrütern aus einem größeren Einzugsbereich zusammen. So waren z. B. am 20. 6.1992 neben den 38 Rohrweihen u. a. noch 442 Weißstörche, 156 Mäusebussarde, 85 Rot- und 34 Schwarzmilane anwesend (MUNDT u. UHLIG 1992). Daten zu Wegzugansammlungen (August/ September) sind ebenfalls spärlich und über- bene [wf.]) am 26.8.1970 am Schlafplatz in einem Getreidefeld an der Weserstaustufe Schlüsselburg (SCHOENNAGEL 1970). * Rheinland-Pfalz SIMON (1991) berichtet von mehreren Ansammlungen im südlichen Rheinhessen (wohl identisch mit dem Gebiet in MÜLLER 1980) für 1987 bis 1990, wobei der größte Trupp 14 Tiere umfasste. Bei insgesamt 81 zur Brutzeit 1987 gemusterten Rohrweihen, es handelte sich dabei überwiegend um Nichtbrüter, waren 71 Tiere weibchenfarben und nur 10 Tiere männchenfarben. Im Verlauf der Mauser war dann ein Teil der weib- chenfarbenen (vorjährigen) Rohrweihen als Männchen zu erkennen. * Sachsen Im Südteil des Kreises Delitzsch wurde am 6. 9.1980 29 Rohrweihen (3 Männchen, 26 Weibchen) registriert (K. Grössler in STEFFENS et al. 1998). * Baden-Württemberg Am 13. 9.1977 konnte ein starker abendlicher Einflug von Rohrweihen in das Eriskircher Ried bei Friedrichshafen/Bodensee beobachtet werden, es wurden bis zu 73 Tiere gleichzeitig über dem Schlafplatz (Schilffläche) gezählt. Am nächsten Morgen (14. 9.1977) waren sogar 107 Rohrweihen vom Schlafplatz aufsteigend und in südwestliche Richtung über den Bodensee abziehend zu beobachten, wobei es sich bei ca. 85 % um immature Tiere handelte (HEMPRICH u. RESCH 1979). * Sachsen-Anhalt Für Sachsen-Anhalt ist ein mehrjährig besetzter (1988 bis 1994) Massenschlafplatz für die Wegzugsperiode belegt; hier fanden allerdings intensive Kontrollen statt (KÖHLER 1998). Es hielten sich bis zu 153 Rohrweihen am Schlafplatz auf. Die Schlafplätze waren von Mitte August bis maximal Anfang Oktober besetzt. Das Maximum wurde überwiegend Anfang September erreicht. Als Schlafhabitate dienten bevorzugt Luzerne- und Zuckerrübenschläge, kurzzeitig auch (nach Mahd eines zuvor genutzten Luzerneschlages) ein kleiner Baumbestand. Weiterhin ist im Zeitraum 8. bis 12. 9.1999 eine mehrtägige Wegzugansammlung von maximal 78 Rohrweihen auf einem abgeernteten Luzerneschlag bei Ringelsdorf (vgl. 4.1.) mit unbekanntem Schlafplatz registriert worden (T. Bich). Somit sind deutschlandweit, inklusive Belziger Schlafplatz, bisher lediglich fünf Schlafplätze mit mehr als 50 Rohrweihen – darunter drei Gebiete mit über 100 Rohrweihen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Brandenburg – bekannt geworden. Übersommernde Nichtbrüter kommen merklich später (Mai/Juni) als die Brutvögel (April) im Gebiet an. Am auffälligsten sind kleinere Nichtbrüter-Ansammlungen (Schlafplätze) im Juni/Juli, ehe dann nach und nach Altund Jungvögel der (wohl umliegenden) Brutgebiete sowie eventuell weitere Nichtbrüter hinzukommen. Erfolglose Brutvögel scheinen sich bereits schon in der zweiten Junihälfte sowie im Juli dem Nichtbrüterbestand anzuschließen. Bei den Nichtbrütergruppen handelt es sich zugleich um Mausergesellschaften. Die höchsten Werte wurden an allen Schlafplätzen in der Wegzugsperiode erreicht. Voraussetzung für ein längeres Bestehen solcher Schlafplätze ist ein ausreichendes und zudem gut verfügbares Nahrungsangebot in der näheren oder weiteren Umgebung, wobei TORSTEN RYSLAVY: HERAUSRAGENDER MASSENSCHLAFPLATZ VON ROHR- UND WIESENWEIHEN IM EUROPÄISCHEN VOGELSCHUTZGEBIET (SPA) 1999 139 die Feldmausabundanz auf den ab Juli abgeernteten Flächen von ausschlaggebender Bedeutung sein dürfte. Vor allem Luzerne- und Kleeschläge bieten als mehrjährige Feldfutterkulturen den Kleinsäugern sehr gute Lebensbedingungen, was nachfolgend auch den Greifvögeln zugute kommt. Jedoch ist gerade in Ostdeutschland der Luzerneanbau in den 90er Jahren drastisch zurückgegangen, z. B. im benachbarten Sachsen-Anhalt von 51.400 ha im Jahr 1990 auf nur noch 4.800 ha (!) im Jahr 1998 (MAMMEN 2000). Für das mehrwöchige Bestehen des Belziger Schlafplatzes im August 1999 war mit hoher Wahrscheinlichkeit ein gutes Feldmausangebot auf abgeernteten Luzerneschlägen in der weiteren westlichen Umgebung ursächlich. Dafür sprechen auch die Beobachtungen in den Belziger Landschaftswiesen selbst, wo tagsüber selten mehr als 10 bis 20 Rohrweihen ermittelt werden konnten. Dass der Schlafplatz bereits Anfang September von den Rohr- und auch von den Wiesenweihen aufgegeben wurde, könnte neben der Wiesenmahd mit einem verringerten Nahrungsangebot auf attraktiven Luzerneschlägen der näheren und weiteren Umgebung zusammenhängen. Erfahrungen an anderen Schlafplätzen besagen nämlich, dass in der ersten Septemberdekade oder gar erst Mitte September das Maximum erreicht wurde, z.T. mit Fortbestand des Schlafplatzes bis Anfang Oktober (KÖHLER 1998, HEMPRICH u. RESCH 1979). Im Jahre 2000 wurden die Belziger Landschaftswiesen nicht als Schlafplatz gewählt. Im Havelländischen Luch konnten dagegen zwischen Juni und August maximal 14 Rohrweihen an einem über mehrere Wochen besetzten Nichtbrüter-Schlafplatz (überwiegend immature Tiere) registriert werden (T. Ryslavy). 5.2 Wiesenweihe (Circus pygargus) Über den effektiven Schutz von Brutplätzen der Wiesenweihe ist in den letzten Jahren bereits publiziert worden (z. B. SIMON 1991, REUSSE 1998, GIERACH 1999). Der in den westdeutschen Bundesländern festzustellende positive Bestandstrend griff ab 1996 auch auf Brandenburg über. Während die Art im Jahr 1996 als Brutvogel verschollen war, konnte in den Folgejahren – infolge Expansion und auch flächenmäßig zunehmender extensiver Landnutzung – ein kontinuierlicher Bestandsanstieg registriert werden, wobei im Jahr 2000 bereits mindestens 21 Reviere (davon 15 Brutnachweise) bekannt wurden. Vor dem Hintergrund der positiven Brutbestandsentwicklung müssen auch die mehrwöchigen Ansammlungen von Wiesenweihen in den Jahren 1997 bis 2000 im SPA Havelländisches Luch und (s. o.) 1999 im SPA Belziger Landschaftswiesen betrachtet werden. Im Havelländischen Luch, wo ein Paar seit 1998 in jedem Jahr erfolgreich brütete, wurden mehrwöchige und -monatige Aufenthalte in den letzten Jahren festgestellt: 1997 - zwischen Mai und August bis zu 7 nichtbrütende Wiesenweihen (M. Kühn, U. Tammler, N. Vilcsko u. a. in RYSLAVY 1998), 1999 - im Juni/Juli ebenfalls bis 7 (3,1 ad. + 1,2 imm.) Tiere (J. Rathgeber) und 2000 - im Juni/Juli bis zu 6 nicht brütende (J. Rathgeber, N. Vilcsko u. a. ) und im August sogar bis zu 11 Wiesenweihen (T. Ryslavy). Weitere Angaben zu größeren Ansammlungen liegen aus Brandenburg nicht vor. Im benachbarten Bundesland MecklenburgVorpommern gelang ebenfalls im Sommer 1999 eine Beobachtung mehrerer Wiesenweihen: Infolge eines reichlichen Nahrungsangebotes (Feldmaus) konnte bei Ganzlin (Müritz-Kreis) eine sehr große Greifvogelansammlung (u. a. 88 Mäusebussarde und 65 Rotmilane) registriert werden, worunter sich auch 12 Wiesenweihen befanden (C. Rohde, in litt.). SIMON (1991) erwähnt für Rheinhessen, dass die Registrierung unausgefärbter Wiesenweihen im Zeitraum 1987 bis 1990 in der weiteren Umgebung der Brutreviere auf sich manifestierende Übersommerungs- bzw. Mauserplätze hindeutet (analog Rohrweihe). Diese Annahme scheint sich auch für die beiden westbrandenburgischen Gebiete (Havelländisches Luch, Belziger Landschaftswiesen) zu bestätigen. Wie bei den Rohrweihen schließen sich auch bei den Wiesenweihen die Brutvögel mit ihren Jungvögeln dem Übersommerungsbestand an. Die Auflösung des Familienverbandes erfolgte hier erst Ende August/Anfang September (bei LOOFT 1991 um Mitte August). Offensichtlich scheinen Ansammlungen bzw. Schlafplätze von Wiesenweihen die Ausnahme zu sein. Es hat den Anschein, dass zuvor in den westdeutschen Bundesländern – nach dem Aufwärtstrend der 90er Jahre – ähnliche Mauser- und Sammelschlafplätze hätten entdeckt werden müssen. Bei der anhaltenden Populationsentwicklung sollte auch in anderen Teilen Brandenburgs (z. B. Luckauer Becken, Oderbruch, Uckermark) in den nächsten Jahren auf Rast- und Schlafplatzansammlungen von Wiesenweihen geachtet werden. Möglicherweise wird sich diesbezüglich sogar – ein entsprechendes Nahrungsangebot vorausgesetzt – eine gewisse Tradierung in manchen Gebieten einstellen. 6. Zusammenfassung Im Jahr 1999 bestand in den Belziger Landschaftswiesen erstmals ein Massenschlafplatz von Rohr- (Circus aeruginosus) und Wiesenweihen (Circus pygargus). Mitte August 2000 wurden dort maximal 108 Rohr- und 18 Wiesenweihen registriert. Eine Recherche über Massenansammlungen bzw. -schlafplätze aus dem deutschen Raum ergab erstaunlich wenig Daten zu diesem Thema. Literatur DITTBERNER, W. 1996: Die Vogelwelt der Uckermark. E. Hoyer. -Galenbeck: 125-128 FEILER, M. u. KOLBE, M. 1983: Rohrweihe - Circus aeruginosus. In: RUTSCHKE, E. (Hrsg.): Die Vogelwelt Brandenburgs. G. Fischer-Verlag. Jena: 171-172 GIERACH, K.-D. 1998: Die Wiesenweihe (Circus pygargus L.) - wieder Brutvogel im Altkreis Luckau. -Biol. Stud. Luckau 27: 92-95 GLUTZ VON BLOTZHEIM, U.; BAUER, H.-G. u. BEZZEL, E. 1989: Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Bd. 4. -Wiesbaden. 2. Aufl. HEMPRICH, M. u. RESCH, J. 1979: Große Schlafplatzansammlung der Rohrweihe Circus aeruginosus am Bodensee. -Anz. Orn. Ges. Bayern 17(1): 179 KÖHLER, E. 1998: Beobachtungen an Schlafplätzen der Rohrweihe während der Wegzugsperiode. -Apus 10: 72-87 LITZBARSKI, B. 1998: Das Europäische Vogelschutzgebiet (SPA) Belziger Landschaftswiesen. -Natursch. u. Landschaftspfl. Bbg. 7: 182-184 LOOFT, V. 1991: Rohrweihe - Circus aeruginosus; Wiesenweihe - Circus pygargus. In: OAG für Schleswig-Holstein u. Hamburg e.V. (Hrsg.): Vogelwelt Schleswig-Holsteins. Bd. 2. Karl Wachholtz Verlag. Neumünster: 73-75, 89-90 MAMMEN, U. 2000: Bestandsabnahme beim Rotmilan Milvus milvus von 1994 bis 1997 in Deutschland. -Orn. Mitt. 52: 4-13 MÜLLER, K. 1980: Zum Mauserverhalten der Rohrweihe (Circus aeruginosus) im Weserwald. -Natursch. u. Orn. in Rheinland-Pfalz 1 (4): 439-445 MUNDT, J. u. UHLIG, R.1992: Bemerkenswerte Brutzeitansammlungen von Greifvögeln und Weißstörchen (Ciconia ciconia) im Welsebruch (Uckermark) im Jahr 1992. -Rundbr. Weltarbeitsgruppe Greifvögel u. Eulen e.V. 16/17: 13-14 OAG BERLIN (WEST) 1990: Die Vögel in Berlin (West). -Orn. Ber. Berlin(West) 15: 54 REUSSE, P. 1998: Empfehlungen zum Schutz von Bruten der Wiesenweihe (Circus pygargus) nach Erfahrungen aus der Großenhainer Pflege. -Naturschutzarb. Sachs. 40: 51-56 RYSLAVY, T. 1998: Zur Bestandssituation ausgewählter Vogelarten in Brandenburg - Jahresbericht 1997. Natursch.u. Landschaftspfl. Bbg. 7: 222-230 SCHOENNAGEL, E. 1970: Ornithologische Beobachtungen auf Borkum im Januar 1970. -Orn. Mitt. 22: 76-78 SCHOENNAGEL, E. 1970: Am Massenschlafplatz der Rohrweihe (Circus aeruginosus). -Orn. Mitt. 22: 218 SIMON, L. 1991: Kartierung und Sicherung der Weihenbrutplätze (Circus) im südlichen Rheinland-Pfalz: Entwurf eines Artenhilfsprogrammes. -Fauna Flora Rheinland-Pfalz 6: 683-705 STEFFENS, R.; SAEMANN u. GRÖSSLER, D. u. K. (Hrsg.) 1998: Die Vogelwelt Sachsens. Gustav-FischerVerlag Jena-Stuttgart-Lübeck-Ulm ZANG, H.; HECKENROTH, H. u. KNOLLE, F. (Hrsg.) 1989: Die Vögel Niedersachsens und des Landes Bremens - Greifvögel. -Natursch. u. Landschaftspfl. Niedersachs., Sonderr. B, H. 2.3: 81-96 Anschrift des Verfassers: Torsten Ryslavy Staatliche Vogelschutzwarte Buckow Dorfstraße 34 14715 Buckow