von Storch, H., I. Meinke, R. Weisse, K. Woth 2007

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Wandel von Vulnerabilität und Klima: Müssen unsere Vorsorgeinstrumente angepasst werden?
Workshop von DKKV (Deutsches Komitee Katastrophenvorsorge) und
ARL (Akademie für Raumordnung und Landesplanung), Hannover, 27. - 28. November 2006
Regionaler Klimawandel in Norddeutschland
Hans von Storch, Insa Meinke, Ralf Weisse und Katja Woth
Institut für Küstenforschung, GKSS Forschungszentrum1
Geesthacht
1. Klima und Klimawandel
Wenn wir von Klima2 sprechen, dann meinen wir die Statistik der Zustände in der
Atmosphäre, im Ozean und in anderen Komponenten des Klimasystems, wie etwa Meereis
oder dem hydrologischen System in Flusseinzugsgebieten. Wir denken also etwa an die
relativen Häufigkeiten von Temperaturen oder Windgeschwindigkeiten in der Atmosphäre, an
Häufigkeiten von Strömungen und Wasserständen in Küstenmeeren oder
Überschwemmungen in einem Flusseinzugsgebiet. Man bestimmt die Häufigkeiten aus den
Daten einer Reihe von Jahren, in der bisherigen Praxis meist 30 Jahre, aber man kann
natürlich auch kürzere oder längere Zeitintervalle wählen. Macht man dies für gleitende
mehrjährige Intervalle, so erscheint das Klima langsam zeitveränderlich.
”Klima” ist also keine statische Größe sondern eine variable Größe, die sich von Jahrzehnt
zu Jahrzehnt, von Jahrhundert zu Jahrhundert usw. verändert. Dies geschieht aufgrund
interner Dynamik im Klimasystem, d.h. spontan ohne einen spezifischen Grund, aber auch
aufgrund von Veränderungen in der Sonnenleistung, in der Präsenz von vulkanischen
Aerosolen in der Atmosphäre oder veränderten geologischen Bedingungen. Neuerdings tritt
ein weiterer Faktor hinzu, nämlich der Einfluss des Menschen durch die Freisetzung von
strahlungsaktiven Substanzen in die Atmosphäre, vor allem Treibhausgasen wie
Kohlendioxid.
Tatsächlich hat sich das globale Klima seit der Mitte des 19. Jahrhunderts um ca. 0.7 Grad
erwärmt, mit den stärksten Erwärmungen in den vergangenen 3 Jahrzehnten. Die „global
gemittelte Temperatur“, abgeleitet aus Thermometermessungen, liegt seit 126 Jahren vor; in
den letzten 16 Jahren lagen dabei die 12 wärmsten Jahre. Die Wahrscheinlichkeit für ein
solches Ereignis ist, wenn keine systematische Erwärmung vorliegt, kleiner als ein Promille.
Es ist also äußerst unwahrscheinlich, dass die jüngste Erwärmung Ausdruck normaler
Klimawaschwankungen ist. Der 3. Sachstandsbericht des „Intergovernmental Panel on
1
Das Institut für Küstenforschung des GKSS Forschungszentrums nimmt sich an u.a. der Beschreibung und
Bewertung von gegenwärtigem Klima und Klimawandel im Küstenraum sowie die Ableitung von Szenarien des
möglichen zukünftigen Klimawandels im Küstenraum. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf windbezogenen
Aspekten, also Windkraft, Sturmfluten und Seegang. Dabei sind Nord- und Ostsee von besonderem Interesse.
Außerdem werden derzeit erste Anstrengungen unternommen für entsprechende Aussagen über Veränderungen
und Perspektiven im ostasiatischen Raum.
http://www.gkss.de/pages.php?page=k_index.html&language=d&version=g
2
Eine ausführlichere Darstellung der Aspekte des Klimas, der Klimavariabilität und der Klimamodellierung
bietet das Lehrbuch von Storch, H., S. Güss und M. Heimann, 1999: Das Klimasystem und seine Modellierung.
Eine Einführung. Springer Verlag ISBN 3-540-65830-0, 255 pp
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Climate Change“ (IPCC) findet einen breiten Konsensus in der Klimawissenschaft, dass ca.
2/3 der Erwärmung seit der vorindustriellen Zeit bis heute menschgemacht sei und nur 1/3
natürlichen Ursprungs.
Es ist plausibel, dass auch die meisten regionalen Temperaturänderungen so zu erklären
sind, wie etwa der Anstieg der Jahresmitteltemperatur in Dänemark von ca. 7 Grad auf fast
8.5 Grad innerhalb der vergangenen 140 Jahre.
Es ist aber keinesfalls so, dass deshalb auch Änderungen in allen anderen Größen ebenfalls
zu 2/3 menschgemacht seien. Insbesondere im Falle unserer „heimischen“ Stürme ist bisher
keine Änderung auszumachen, die über die historischen belegten Schwankungen, die nichts
mit menschlicher Aktivität zu tun haben, hinausgehen. Dies belegen Zeitserien von täglichen
Barometermessungen, die teilweise bis zu Napoleons Zeiten zurückgehen (Abbildung 1).
Leider behaupten Medien und interessengeleitete Gruppen immer wieder Gegenteiliges, was
in der Öffentlichkeit gut ankommt, da es von der kulturell bedingten Wahrnehmung eines sich
verschlechternden Klimas gestützt wird.
2. Szenarien
Unsere Klimamodelle3 können das gegenwärtige Klima, die historischen
Klimaschwankungen und die geologische Vergangenheit einigermaßen gut darstellen, sofern
man die „externen” Randbedingungen vorgibt, also die Sonnenleistung, die atmosphärische
Konzentration von Treibhausgasen etc. Diese Simulationen beschreiben das Klima, also die
Statistik des Wetters in Atmosphäre, Ozean etc, mit zumeist befriedigender Zuverlässigkeit,
die aber mit kleiner werdenden räumlichen Abmessungen geringer wird. Eine Aussage über
die global gemittelte Temperatur zu erzielen in so einem Modell ist wesentlicher einfacher als
eine Aussage über den Niederschlag in Hessen. Der Erfolg nimmt weiter ab, wenn es nicht
mehr um Mittelwerte geht sondern über Variabilität oder gar seltene Ereignisse, etwa
Starkniederschlag oder heftige Windstürme. Die Situation hat sich aber in den vergangenen
Jahren deutlich verbessert, seit dem so genannte Regionalmodelle besser mit räumlichen
Details umgehen können.
Aufgrund dieser Möglichkeit einer einigermaßen realistischen Beschreibung der
Gegenwart und Vergangenheit glaubt die Klimawissenschaft, dass solche Modelle auch
qualifizierte Aussagen über mögliche Zukünfte machen können, sofern es denn gelingt
robuste Abschätzungen über die antreibenden Faktoren zu konstruieren, also vor allem
zukünftige atmosphärische Konzentrationen von Treibhausgasen.
Ein wesentliches Problem ist die Abschätzung zukünftiger Freisetzungen von
strahlungsaktiven Substanzen – denn diese Freisetzung hängt von sozio-ökonomischen
Faktoren ab, die nicht alle wirklich vorhersagbar sind. Daher werden diese Entwicklungen in
3
Klimamodelle sind keine statistischen Modelle, in denen eine Reihe von (Regressions-) Parametern so
eingestellt werden, dass gewissen Beobachtungen reproduziert werden. Dies wird auch von
naturwissenschaftlich sehr gebildeten Laien oft missverstanden. Vielmehr handelt es sich um dynamische
Modelle, in denen die Änderung von Zustandsgleichungen über physikalisch motivierte Differentialgleichungen
beschrieben werden. Dabei gibt es tatsächlich eine Reihe von Parametern, die in gewissen plausiblen Grenzen
frei sind. Dies sind aber verhältnismäßig wenige Parameter, so dass der Erfolg der Klimamodelle komplexe
Sachverhalte korrekt nachzuempfinden nicht als Ergebnis eines Parametertuning verstanden werden darf.
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der Form von Szenarien antizipiert. Dies sind mögliche, plausible, in sich konsistente aber
nicht immer sehr wahrscheinliche Entwicklungen. So erhält man eine Reihe alternativer
Entwicklungen. Dieses Vorgehen erlaubt es abzuschätzen, welche Bandbreite an Folgen
möglich und plausibel erscheinen, um abzuschätzen, wie stark das Gegensteuern sein sollte
und welcher Anpassungsdruck sich ergeben kann.
Solche Szenarien werden von wirtschaftswissenschaftlichen Gruppen angeboten. Dabei
werden Aspekte wie Bevölkerungsentwicklung, Globalisierung und Innovationsgrad variiert –
aber alle gehen von einem Anwachsen der klimarelevanten Gase in der Atmosphäre aus.
Eine Reihe von Emissionsszenarien sind im „IPCC Special Report on Emissions
Scenarios“ (SRES) veröffentlicht worden (Abbildung 2). Neben Veränderungen in den
Emissionen beschreiben sie auch mögliche Entiwkclungen für zukünftige Landnutzung. Vier
Gruppen von Szenarien werden ausgeführt, die wie folgt charakterisiert werden:
A1
Eine Welt mit schnellem Wirtschaftswachstum und der schnellen Einführung
von neuer Technologie mit gesteigerter Energieeffizienz,
A2
Eine sehr heterogene Welt, in der Familienwerte und lokale Traditionen große
Bedeutung haben.
B1
Eine „dematerialisierte“ Welt, in der saubere Technologien eingeführt werden.
B2
Eine Welt, in der lokale Lösungen für den nachhaltigen Umgang mit
Wirtschaftl und Umwelt im Vordergrund stehen.
Diesen Szenarien liegen detaillierte „Storyboards“ zugrunde, wie z.B. in A1 Erwartungen,
dass marktbasierte Lösungen verfolgt werden, und dass private Haushalte auf hohe
Sparleistungen und gute Ausbildung abzielen. Ein anderes Beispiel aus der B2-Gruppe
beschreibt einen geringen Fleischkonsum in Ländern mit hoher Bevölkerungsdichte. Aus
diesen Überlegungen leiten sich dann erwartete Emissionen von strahlungsrelevanten
Substanzen in die Atmosphäre ab. Abbildung 1 zeigt die SRES Szenarien für die Emission
von Kohlendioxid (in Gigatonnen Kohlenstoff) als wesentlichem Repräsentanten der
Treibhausgase und von Schwefeldioxid (in Megatonnen Schwefel) als Repräsentanten für
anthropogene Aerosole. Das pessimistische, aber durchaus plausible Szenario A1F1
beschreibt einen Zuwachs auf etwa das Dreifache der vorindustriellen Konzentration von
Treibhausgasen zum Ende des 21. Jahrhunderts, während das optimistischere aber ebenso
plausible SzenarioB1 eine Erhöhung auf fast das Doppelte beschreibt (siehe Abbildung 2).
Die eben skizzierten Emissionsszenarien werden umgerechnet in erwartete atmosphärische
Konzentrationen (Abbildung 2). Darauf basierend rechnen globale Klimamodelle ohne
weitere Bereitstellung von Beobachtungsdaten eine oft hundertjährige Folge von z.B.
stündlichem Wetter, mit einer großen Anzahl von relevanten Variablen sowohl in der
Stratosphäre und der Troposphäre, aber auch in Bodennähe bzw. an der Grenzfläche
Ozean/Meereis/Atmosphäre
–
etwa
Lufttemperatur,
Bodentemperatur,
Meeresoberflächentemperatur, Niederschlag, Salzgehalt im Ozean, Meereisbedeckung,
Windgeschwindigkeit usw.
Diesen Szenarien stetig erhöhter Treibhauskonzentrationen ist gemein, dass alle
Klimamodelle aus ihnen eine generelle Erhöhung der Temperatur und der Wasserstände
ableiten (Abbildung 2). Da diese Aussagen – Erhöhung der Temperatur und Wasserstand –
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unabhängig vom verwendeten Emissionsszenario sind, werden sie zur Vorhersage, während
die Intensität dieser Erhöhung Szenarien, also plausible alternative Möglichkeiten, bleiben.
Mit regionalen Klimamodellen sind diverse globale Klimaänderungssimulationen für
Europa regionalisiert worden. Dabei stellte sich heraus, dass bei gleichem globalen
Antriebsmodell die verschiedenen Regionalmodelle viele Aspekte einer zukünftigen
Entwicklung ähnlich beschreiben. Allen Simulationen ist gemein, dass es deutlich wärmer
wird; es zeichnet sich auch ab, dass die statistischen Verteilungen, etwa von winterlichen
Starkwindgeschwindigkeiten über der Nordsee oder sommerlichen Starkniederschlägen in
Zentraleuropa breiter werden. Abbildung 3 zeigt beispielhaft erwartete Veränderungen im
Szenario A2 für den Zeitraum 2070-2100 im Vergleich zu 1960-1990 für Starkniederschlag in
Europa und Starkwind im Bereich der Nordsee.
Demnach kann man für den Starkwind in der Nordsee zum Ende des Jahrhunderts mit
einer Verstärkung der Windgeschwindigkeiten von bis zu 10% rechnen. Wenn man einen
linearen Anstieg dieser Größe über die Zeit annimmt, was zu einer anfänglichen
Überschätzung des Effekts führt, dann haben wir einen Anstieg von knapp 1% der
Geschwindigkeiten von Starkwinden pro Jahrzehnt, also ein derzeit sehr schwaches Signal,
das jenseits der Nachweisgrenze liegt. Demnach ist es stimmig, wenn wir derzeit kein
Klimaänderungssignal im Wind finden können.
3. Winde, Sturmfluten, Temperaturen und Niederschlag in den SchleswigHolstein, Hamburg und Niedersachsen
Aus den simulierten Wetterabläufen in den Szenarien (A2 und B2) können wir auch
abschätzen, wie sich Temperaturen, Niederschläge und Winde in Norddeutschland ändern
könnten. Eine feinere Auflösung, in der etwa zwischen Kiel und Bremen unterschieden
werden könnte, ist nicht sinnvoll. Auch sind alle Aussagen mit einer gehörigen Portion
Vorbehalt zu verwenden – es handelt sich eben um Szenarien, also mögliche, plausible
Zukünfte und nicht um Vorhersagen. Dieser grundsätzliche Vorbehalt geht oft bei der
öffentlichen Kommunikation von Resultaten der Klimaforschung verloren. Wir geben auch
Unschärfen an, die die Bandbreite darstellen, die durch die Verwendung verschiedener sozioökonomischer Szenarien (also: Freisetzung von Treibhausgasen) und die Verwendung
verschiedener Klimamodelle entsteht.
Abbildung 4 gibt die möglichen Veränderungen für Winter und Sommer und für die
Zeithorizonte 2030 und 2085 in Norddeutschland an. Demnach dürfen wir erwarten, dass die
Temperaturen, sowohl im Tagesmittel, im Tagesminimum und im Tagesmaximum um ca. 1
Grad ansteigen können bis 2030 im Vergleich zum Ende des 20. Jahrunderts. Ein Anstieg bis
3 Grad im Winter bzw. ca. 3.5 Grad im Sommer erscheint für den Zeithorizont 2085 möglich.
Die Winter werden diesen Szenarien zufolge generell feuchter, mit einem Zuwachs der
monatlichen Niederschlagssummen von 10 mm/Monat in 2030 und ca. 30 mm/Monat in
2085; für den Sommer deutet sich ein trockeneres Klima an mit Verminderungen von 6
mm/Monat in 2030 bzw. 20 mm/Monat in 2085. In allen Szenarien nehmen die
Windgeschwindigkeiten im Sommer geringfügig ab; im Winter ist ein Anstieg von ca. 10%
plausibel bis zum Ende des 21.ten Jahrhunderts.
Die durch den Einsatz verschiedener Szenarien und Modelle verursachte Ungenauigkeit ist
erheblich, aber sie ändert nicht das Vorzeichen. Tatsächlich ist es durchaus möglich, dass die
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Unsicherheiten unterschätzt sind, da nicht alle Unabwägbarkeiten bei der Bewertung
berücksichtigt werden können.
Man kann nun die simulierten Winde, die in 6-stündlicher Folge vorliegen, auch
verwenden, um Sturmfluten zu simulieren, beispielsweise längs der deutschen Nordseeküste.
Dies ist mit dem angesprochenen regionalen Wind- und Luftdruckszenarien geschehen. So
ergeben sich direkt Abschätzungen für Cuxhaven. Ein weiterer „Lokalisierungs“-Schritt,
diesmal mit einem statistischen Modell, erlaubt auch Angaben für den Pegel St. Pauli. Die
Ergebnisse sind wiederum für die beiden Zeithorizonte 2030 und 2085 in Abbildung 5 gezeigt
mitsamt der eben schon diskutierten Ungenauigkeit. Demnach ist ein Anstieg von bis zu 10
bis 20 cm für Cuxhaven und St. Pauli für 2030 im Rahmen des A2-Szenarios plausibel; für
2085 ergeben sich wesentlich höhere Zahlen, nämlich 50 bis 60 cm für Cuxhaven bzw. 50 bis
80 cm für St. Pauli. Diese Zahlen beinhalten sowohl den Anteil aufgrund veränderter
Sturmtätigkeit als auch den Anstieg des mittleren Wasserstandes durch thermische
Ausdehnung des Wassers. Sie sind verbunden mit einer merklichen Unsicherheit, die in 2030
bis ±20 cm und in 2085 ±50 cm ausmachen kann.
Zur Sicherstellung des Küstenschutzes auf dem bisherigen Niveau ist es daher für die
nähere Zukunft ausreichend, die Entwicklung genau zu beobachten. Die
Verantwortungsträger sind aber schon jetzt gefordert, sich mit den Szenarien für die Zeit
gegen Ende des Jahrhunderts auseinanderzusetzen und Perspektiven für geeignete
Gegenmaßnahmen und Anpassungsstrategien zu entwickeln.
4. Folgerungen
Kurz zusammengefasst ergeben sich die folgenden wesentlichen Punkte für den regionalen
Klimawandel in Norddeutschland, wie sie der heutige Wissensstand nahe legt:
1. Die Folgen der stetig sich erhöhenden Treibhausgaskonzentrationen auf das Klima in
der Welt und auch in Norddeutschland lassen sich mit modernen Klimamodellen
abschätzen.
2. Jede Aussage über die Zukunft ist unsicher, vor allem auch deshalb, weil die
zukünftige Entwicklung des Klimas auch gerade von der sozialen und ökonomischen
Entwicklung jenseits der Grenzen Norddeutschlands abhängt.
3. Es ist zu erwarten, dass der derzeitige Erwärmungstrend sich in der Zukunft fortsetzt,
mit Temperaturerhöhungen um 1 Grad (relativ zu 1960-90) bis 2030 und um etwas
mehr als 3 Grad bis 2085. Niederschläge im Sommer werden in der Summe geringer,
im Winter höher; ähnlich verhält es sich mit hohen Windgeschwindigkeiten.
4. Die derzeitigen Änderungen in Niederschlag und Wind, die mit dem anthropogenen
Klimaeffekt zusammenhängen, sind derzeit vernachlässigbar im Vergleich zu den
natürlichen Schwankungen. Die beobachtete Erwärmung enthält vermutlich einen
signifikanten menschgemachten Beitrag.
5. Der anthropogene Klimawandel wird sich im kommenden Jahrhundert auch in
Norddeutschland immer deutlicher entfalten. Diesen Prozess mit dem Wort
„Klimakatastrophe“ zu belegen, ist nicht hilfreich.
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6. Weltweite Verminderungen der Emission von Treibhausgasen in die Atmosphäre sind
geboten, um den Umfang der menschgemachten Klimaänderungen zu begrenzen.
Völlig vermeiden werden diese sich aber nicht mehr lassen.
7. Gleichzeitig wächst die Notwendigkeit einer besseren Anpassung an die Gefahren des
Klimas, heute und in Zukunft. Bei der Planung besserer Anpassung ist zu
berücksichtigen, dass sich parallel zum Klima auch viele andere Dinge ändern, im
sozialen wie im wirtschaftlichen Bereich, in den gesellschaftlichen Werten sowie in
den technischen Möglichkeiten.
5. Ausblick: „CoastDat“
Ein Problem bei der Entwicklung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel
ist die Tatsache, dass es bisher kein Testlabor gibt, in dem die
Wirksamkeit
solcher
Maßnahmen
unter
quasi-realistischen
Bedingungen
getestet werden kann. Zur Bewertung des vollen Spektrums der Auswirkungen
einer Maßnahme gehört eben nicht nur die Betrachtung einzelner (extremer)
Fallbeispiele,
sondern
eine
langfristige
Betrachtung,
die
eine
ebenso
langfristige Bewertung ermöglicht.
Am Institut für Küstenforschung am GKSS Forschungszentrum Geesthacht ist
mit dem Projekt coastDat ein erster Schritt gegangen wurden, ein solches
Testlabor zumindest für die Küstenregionen und Randmeere zu schaffen und
zur Verfügung zu stellen4. Das Testlabor besteht aus einem so homogen wie
möglich gestalteten Datensatz, der die vergangenen Änderungen z.B. im
Wind-,
Sturmflutund
Seegangsklima
beschreibt
und
der
für
die
Küstenregionen
in
hoher
räumlicher
und
zeitlicher
Auflösung
für
den
Zeitraum der letzten etwa 50 Jahre erstellt wurde. Weiterhin werden
Parameter wie z.B. Strömungen berechnet, mit deren Hilfe beispielsweise
Auswirkungen angenommener Ölunfälle zu beliebigen Wetterlagen abgeschätzt
und verschiedene alternative Bekämpfungsstrategien getestet werden können.
Andere Anwendungen umfassen die Beurteilung von Seegang als Kriterium für
die Sicherheit im Seeverkehr, die Auswirkungen von Umwelteinflüssen auf
Schiffsentwürfe und Offshore Windparks, oder die küstennahe Modellierung
von Seegang und Sturmfluten.
Neben der Rekonstruktion vergangener Bedingungen des Küstenklimas stellt
coastDat ebenfalls Szenarien über mögliche zukünftige Entwicklungen zur
Verfügung. Damit ist es möglich, Aussagen über die Veränderlichkeit des
Küstenklimas in der Vergangenheit zu treffen und abzuschätzen, inwieweit
mögliche zukünftige Änderungen über das bisher beobachtete Maß der
Variabilität hinausreichen und welche Auswirkungen Anpassungsmaßnahmen in
einem zukünftigen Klima haben würden.
4
Mehr Information findet man auf www.coastdat.de
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6. Ausblick: “Norddeutsches Büro für Klimawandel”
Das Norddeutsche Regionalbüro für Klimawandel5 ist eine Einrichtung des Instituts für
Küstenforschung der GKSS. Die Aufgaben des Regionalbüros haben mehrere Schwerpunkte.
Es wird 1) eine Plattform geschaffen, auf der interessierte Personengruppen mit
Klimaforschung in Norddeutschland in Wechselwirkung treten können. Aus dieser
Kommunikation heraus werden 2) neue wissenschaftliche Fragestellungen an die
Klimaforschung abgeleitet, deren Beantwortung dazu dient 3) Informationslücken zwischen
Wissenschaft und Praxis zu schließen. Beispielsweise werden in der Fachplanung der
Klimawandel und seine Folgen häufig noch zu wenig thematisiert. Begründet wird dies
hauptsächlich durch den fehlenden Überblick bezüglich der regionalen Ausprägung des
Klimawandels und dessen Folgen. Aufgrund der naturräumlichen Gegebenheiten
Norddeutschlands ergibt sich ein thematischer Fokus im Hinblick auf die Entwicklung von
Sturmfluten und Seegang in Nord- und Ostsee und -als deren Ursache- die Entwicklung von
Stürmen im Klimawandel. Die Forschungsergebnisse aus diesen Bereichen können
planerischen Maßnahmen im Küsten- und Katastrophenschutz dienen. Zu den weiteren bereits
identifizierten Interaktionsfeldern des Norddeutschen Regionalbüros für Klimawandel zählen
Landwirtschaft, Tourismus, Energiewirtschaft, Fischereiwirtschaft etc., die jeweils spezifische
Informationen zum Klimawandel benötigen.
Zusammenfassend tragen die Arbeiten im Norddeutschen Regionalbüro für Klimawandel
dazu bei, Klimaforschung am Institut für Küstenforschung der GKSS stärker an die
Bedürfnisse der Praxis anzupassen und bestehende Informationslücken zu schließen. Somit
kann das Regionalbüro die Entwicklung von Strategien zur Anpassung an den Klimawandel
in Norddeutschland gezielt von wissenschaftlicher Seite begleiten.
5
Weitere Informationen zum Norddeutschen Regionalbüro für Klimawandel unter:
http://w3k.gkss.de/service/regionalbuero/
Kontakt: E-Mail: [email protected], Tel: 04152/87 1868 (Dr. Insa Meinke)
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Abbildung 1: Jährliche Anzahl täglicher Barometermessungen von 980 hPa und weniger in
Lund (blau) und Stockholm (rot). Die durchgezogene Linie ist eine Ausgleichslinie. Von Lars
Bärring und Hans von Storch, Geophysical Research Letters, 31, L20202
Abbildung 2: Szenarien für Emissionen von Kohlendoxid (als Beispiel für Treibhausgase, in
Gigatonnen Kohlenstoff pro Jahr) sowie von Schwefeldioxid (repräsentativ für industrielle
Aerosole; in Megatonnen Schwefel pro Jahr). A1, A2, B1 und B2 sind SRES Szenarien.
IS92a ist ein früheres IPCC Szenario. Aus dem dritten Sachstandsbericht des IPCC (2001).
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Abbildung 3: Änderung von Starkniederschlag und Starkwindereignissen im Szenario A2
zum Ende des 21ten Jahrhunderts (Änderung von 2070-2100 gegenüber 1960-1990).
Oben: 5-tägige Niederschlagssummen im Sommer in % (Christensen und Christensen, 2000,
nature 421, p. 805-806)
Unten: Windgeschwindigkeiten im Winter in m/sec
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Abbildung 4: Szenarien von Änderungen der Temperatur (Tagesmittel, Tagesmaximum,
Tagesminimum), der maximalen Windgeschwindigkeit und der monatliche Summe in
Niederschlägen in Norddeutschland (Mittelwerte des Gebietes Schleswig-Holstein, Hamburg
und Niedersachen). Oben: Zeithorizont 2030; Unten: Zeithorizont 2085. Rechts:
Sommermonate. Links: Wintermonate.
Abbildung 4: Szenarien von Sturmfluthöhen in Cuxhaven und St Pauli in 2030 bzw. 2085.
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