vorwort des autors an den leser

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VORWORT DES AUTORS AN DEN LESER
Da die Alten (nach Pappus) die Mechanik bei der Erforschung der Natur sehr
hochschätzten und die Neueren, nachdem sie die substantiellen Formen und
verborgenen Eigenschaften aufgegeben haben, es unternommen haben, die
Naturerscheinungen auf mathematische Gesetze zurückzuführen, so ist es der
Zweck dieser Abhandlung, die Mathematik zu entwickeln, insoweit sie sich auf
die Philosophie bezieht. Allerdings ordneten die Alten die Mechanik in zwei Teilgebiete: in die theoretische, welche genau nach Beweisen vorgeht, und die praktische. Zur praktischen Mechanik gehören alle handwerklichen Künste, von denen
deshalb der Name Mechanik entlehnt wurde. Da aber die Handwerker nicht
besonders genau zu arbeiten pflegen, so kam es dahin, dass die Mechanik insgesamt von der Geometrie unterschieden wurde, und zwar so, dass alles Genauere
der Geometrie, alles weniger Genaue der Mechanik zugeordnet wurde. Eigentlich
ist aber nicht die handwerkliche Kunst fehlbar, sondern die Handwerker. Wer
weniger genau arbeitet, ist ein weniger vollkommener Mechaniker, und wenn
jemand vollkommen genau arbeiten könnte, so wäre er der allervollkommenste
Mechaniker. Zum Beispiel gehört sowohl die Darstellung gerader Linien, als
auch diejenige von Kreisen, worauf die Geometrie gegründet ist, zur Mechanik.
Die Geometrie lehrt nicht, wie diese Linien darzustellen sind, sondern sie erfordert sie. Sie fordert nämlich, dass der Neuling deren genaue Darstellung bereits
erlernt hat, ehe er die Schwelle der Geometrie betritt; alsdann lehrt sie, wie mit
dieser Arbeitsweise wissenschaftliche Probleme zu lösen sind. Gerade Linien
und Kreise darzustellen ist ein Problem, aber kein geometrisches. Seine Lösung
fordert man von der Mechanik, die Geometrie lehrt den Gebrauch der Lösungen.
Und die Geometrie ist stolz darauf, dass sie mit so wenigen anderswoher genommenen Grundlagen so vieles leistet. Also gründet sich die Geometrie auf die mechanische Praxis, und sie ist nichts anderes als jener Teil der Mechanik insgesamt,
welcher die Kunst des genauen Messens behauptet und beweist. Da aber die
handwerklichen Künste sich vornehmlich mit dem Bewegen von Körpern beschäftigen, so ergibt es sich, dass man allgemein die Geometrie auf die Größe, die
Mechanik auf die Bewegung bezieht. In diesem Sinne wird die theoretische Mechanik die Wissenschaft von den Bewegungen sein, die aus bestimmten Kräften
hervorgehen, und von den Kräften, die zu bestimmten Bewegungen erforderlich sind, und zwar genau behauptet und bewiesen. Diesen Teil der Mechanik
hatten die Alten in den den handwerklichen Künsten zuzurechnenden fünf Kräften ausgebildet. Sie betrachteten deshalb die Schwere (da sie keine handwerkli-
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Vorwort des Autors an die Leser
che Kraft ist) kaum anders als im Zusammenhang mit Gewichten, die durch
diese Kräfte bewegt werden sollten. Wir aber, die wir uns nicht um handwerkliche Künste kümmern, sondern um die Philosophie, und die wir deshalb nicht
über die handwerklichen, sondern über die natürlichen Kräfte schreiben, behandeln bevorzugt das, was sich auf die Schwere, die Leichte, die elastische
Kraft, den Widerstand der Flüssigkeiten und derartige Kräfte, seien es anziehende oder anstoßende, bezieht, und deshalb legen wir dieses Werk als Mathematische Grundlagen der Philosophie vor. Alle Schwierigkeit der Philosophie besteht
wohl darin, dass wir aus den Bewegungserscheinungen die Kräfte der Natur
erschließen und alsdann von diesen Kräften ausgehend die übrigen Erscheinungen genau bestimmen. Und hierauf beziehen sich die allgemeinen Sätze, die wir
im Ersten und Zweiten Buch abgehandelt haben. Im Dritten Buch aber stellen
wir ein Beispiel hierfür durch die genaue Darlegung des Weltgefüges vor. Dort
nämlich werden aus den Himmelserscheinungen mit Hilfe der in den vorhergehenden Büchern mathematisch bewiesenen Sätze die Kräfte der Schwere abgeleitet, mit denen die Körper zur Sonne und zu den einzelnen Planeten hinstreben. Danach leiten wir aus diesen Kräften durch gleichfalls mathematische
Sätze die Bewegungen der Planeten, der Kometen, des Mondes und des Meeres
ab. Wenn es doch möglich wäre, die übrigen Naturerscheinungen mit der gleichen Methode auf mechanische Grundlagen zurückzuführen. Ich habe nämlich
viele Gründe dafür jedenfalls zu vermuten, dass alles von bestimmten Kräften
abhängen könnte, durch die die Teilchen der Körper aus noch nicht bekannten
Ursachen entweder wechselseitig gegeneinander stoßen und in regelmäßigen
Strukturen zusammenhängen, oder sich wechselseitig fliehen und voreinander
zurückweichen. Da diese Kräfte bisher unbekannt sind, haben die Philosophen
die Natur bislang insoweit vergebens untersucht. Ich hoffe aber, dass die hier
vorgestellten Grundlagen für diese meine Art des Philosophierens oder für eine
andere Philosophie, die der Wahrheit noch näher kommen wird, erhellend wirken werden.
Für die Herausgabe dieses Werkes hat sich der höchst scharfsinnige und in
allen Wissenschaften höchst gebildete Edmond Halley mit großer Kraft eingesetzt, indem er nicht nur die Druckfehler korrigierte und die Herstellung der
Holzschnitte besorgte, sondern überhaupt der Urheber dessen war, dass ich
mich an die Herausgabe dieser Schrift machte. Als er nämlich auf dringende
Bitten meine Darstellung der Bahnen der Himmelskörper erhalten hatte, hörte
er nicht auf in mich zu dringen, dass ich diese der Royal Society vorlegen sollte,
die schließlich, dank ihrer ermunternden und freundlichen Aufforderungen,
bewirkte, dass ich zu erwägen begann, diese Schrift zu veröffentlichen. Nachdem ich aber mit den Ungleichheiten der Mondbewegung begonnen und daraufhin angefangen hatte, anderes zu untersuchen, was sich auf die Gesetze und
Maße der Schwere und anderer Kräfte, auf die Bahnen, die von Körpern gemäß
bestimmten gegebenen Anziehungskräften beschrieben werden, auf die gegen-
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Vorwort des Autors an die Leser
seitige Bewegung mehrerer Körper, auf die Bewegung der Körper in widerstehenden Medien, auf Kräfte, Dichten und Bewegungen der Medien, auf Kometenbahnen und ähnliches bezieht, hielt ich dafür, die Ausgabe auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, um das Übrige auszufeilen und es dem Publikum
insgesamt vorzulegen. Was sich auf die Mondbewegungen bezieht (so unvollständig es ist), habe ich in den Corollarien zu Proposition LXVI gleichzeitig
zusammengefasst, um nicht einzelnes auf weitläufigere Weise, als es die Sache
wert ist, darlegen und ausgeschmückt in aller Feinheit beweisen zu müssen,
wodurch die Reihenfolge der übrigen Propositionen unterbrochen worden
wäre. Einiges erst spät Aufgefundene wollte ich lieber an weniger passenden
Stellen einfügen, als die Zahl der Propositionen und die Verweisungen zu ändern. Dass nun alles klar lesbar sei und Mängel in der so schwierigen Materie
weniger zu Tadel Anlass geben, als dass sie den Leser zu neuen Nachforschungen und gefälligen Ergänzungen veranlassen, das ist mein Wunsch.
Gegeben zu Cambridge,
im Trinity College,
8. Mai 1686
Is. Newton
ROGER COTES
VORWORT ZUR ZWEITEN AUSGABE
Die neue und lang ersehnte Ausgabe der Newtonischen Philosophie übergeben wir Dir jetzt, wohlwollender Leser, auf vielfache Weise verbessert und
vermehrt. Was hauptsächlich in diesem hochberühmten Werk enthalten ist,
kannst Du aus dem beigefügten Inhaltsverzeichnis entnehmen … Übrig bleibt,
einiges über die Methode dieser Philosophie hinzuzufügen.
Diejenigen, welche es unternommen haben, die Naturlehre zu behandeln,
kann man etwa in drei Gruppen einteilen. Es gab nämlich Leute, die den einzelnen Arten der Dinge arteigene und verborgene Eigenschaften zuschrieben und
wollten, dass davon wieder die Verhaltensweisen der einzelnen Körper abhingen, auf eine unbekannte Art und Weise. Darauf beruht das gesamte System der
Scholastischen Lehre, die von Aristoteles und den Peripatetikern hergeleitet ist.
Sie behaupten, dass die jeweiligen Wirkungen aus dem jeweiligen Wesen der
Körper entstehen; aber woher jenes Wesen kommt, sagen sie nicht; also sagen
sie überhaupt nichts. Und da sie sich ausschließlich mit den Namen der Dinge
befassen und nicht mit den Dingen selbst, so kann man das Urteil fällen, dass
sie eine weitere philosophische Redeweise dazuerfunden, nicht aber, dass sie die
Philosophie weitergebracht hätten.
Andere hofften, nachdem sie das nutzlose Sammelsurium von Namen zurückgewiesen hatten, das Lob besserer Einsicht zu gewinnen. Sie behaupteten,
dass die Materie insgesamt gleichartig sei, dass aber alle Spielarten der Formen,
die man an den Körpern sehen kann, aus gewissen einfachsten und sehr leicht
erkennbaren Verbindungen der Bestandteile entstünden. Und richtig wird somit
ein Fortschreiten vom Einfacheren zum Komplizierteren vorausgesetzt, wenn
sie nicht jenen elementarsten Teilchen andere Möglichkeiten zuschreiben, als
die Natur selbst ihnen gegeben hat. Sobald sie sich aber die Freiheit nehmen,
beliebige unbekannte Gestalten und Größen der Teile und nicht genau bestimmbare Örter und Bewegungen derselben anzunehmen, und sobald sie es
sich sogar unbedenklich herausnehmen, gewisse verborgene flüchtige Stoffe zu
erdenken, welche die Poren der Körper ganz frei durchdringen, ausgestattet mit
einer alles ermöglichenden Feinheit und angetrieben von verborgenen Bewegungen, so versinken sie nur in Träumereien und kümmern sich nicht um die
wahre Beschaffenheit der Dinge. Diese wird man sicherlich mit Hilfe trügerischer Vermutungen vergebens suchen, da man ihr ja doch kaum durch die genauesten Beobachtungen auf die Spur kommen kann. Von denjenigen, die die
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Roger Cotes
Grundlage für ihre Überlegungen aus bloßen Hypothesen nehmen, wird man
auch dann, wenn sie im weiteren genauestens nach mechanischen Gesetzen
vorgehen, sagen müssen, dass sie ein Märchen, wohl ein geschmackvolles und
reizendes, aber eben doch nur ein Märchen zusammenreimen.
Es bleibt noch eine dritte Art von Leuten, nämlich diejenigen, welche sich
zur experimentellen Philosophie bekennen. Diese wollen, dass die Ursachen
aller Dinge unbedingt aus möglichst einfachen Prinzipien abgeleitet werden,
aber sie erkennen nichts als Prinzip an, was noch nicht von den Erscheinungen
bestätigt worden ist. Hypothesen ersinnen sie nicht und nehmen sie nicht in die
Naturlehre auf, es sei denn als Problemstellungen, über deren Wahrheitsbezug
disputiert werden soll. Sie gehen deshalb nach einer zweifachen Methode vor,
der analytischen und der synthetischen. Die Kräfte der Natur und die einfacheren Gesetze der Kräfte leiten sie aus gewissen ausgewählten Erscheinungen
analytisch ab. Davon ausgehend machen sie dann synthetisch Aussagen über die
Beschaffenheit der übrigen Dinge. Das ist jene bei weitem beste philosophische
Methode, für deren Aneignung – vor allen anderen – sich unser hochberühmter
Autor wohlbegründet entschieden hat. Diese allein hielt er also für wert, seine
Kraft dafür aufzuwenden, dass er sie entwickelte und ausgestaltete. Als lichtvollstes Beispiel für diese Methode lieferte er allerdings seine auf das erfolgreichste aus der Theorie der Schwere abgeleitete Erklärung des Weltsystems.
Dass die Fähigkeit zur Schwere allen Körpern innewohne, haben andere schon
vermutet oder gedacht; er als erster und einziger konnte sie aus den Erscheinungen beweisen und durch außerordentlich scharfsinnige Überlegungen ein
unerschütterliches Fundament legen.
Ich weiß freilich, dass auch einige Männer mit großen Namen, mehr als billig in gewissen Vorurteilen befangen, diesem Neubeginn nur ungern beistimmen konnten und immer wieder Unerwiesenes dem Erwiesenen vorgezogen
haben. Es ist nicht meine Absicht, deren Ruhm anzugreifen, sondern ich will
lieber Dir, wohlwollender Leser, dasjenige mit wenigen Worten auseinandersetzen, woraus Du Dir selbst ein angemessenes Urteil bilden kannst.
Damit also unsere Beweisführung vom Einfachsten und Nächstliegenden
ihren Ausgang nehme, untersuchen wir kurz, welches die Natur der Schwere auf
der Erde ist, damit wir dann sicherer fortschreiten, sobald die Untersuchung zu
den sehr weit von uns entfernten Himmelskörpern gelangt ist. Alle Philosophen
sind inzwischen darüber einig, dass alle irdischen Körper gegen die Erde hin
schwer sind. Dass es keine wirklich leichten Körper gibt, ist längst durch vielfache Erfahrung bestätigt. Was man relative Leichtigkeit nennt, ist nicht wirklich
Leichtigkeit, sondern scheint nur so und entsteht aus der größeren Schwere der
umgebenden Körper.
Ferner: Wie alle Körper gegen die Erde gravitieren, so gravitiert auch umgekehrt die Erde in gleicher Weise gegen die Körper; denn dass die Wirkung der
Schwere wechselseitig und beiderseits ausgewogen ist, kann man folgenderma-
Vorwort zur zweiten Ausgabe
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ßen zeigen. Man unterteile die gesamte Masse der Erde in zwei Teile, gleich
oder in beliebigem Maße ungleich. Wenn nun die Gewichte der Teile nicht
gegeneinander wechselseitig ausgewogen wären, so müsste das geringere dem
größeren weichen, und die verbundenen Teile bewegten sich dauernd geradlinig
ins Unendliche fort, in die Stoßrichtung, in die das größere Gewicht strebt; das
ist gänzlich wider die Erfahrung. Daher wird man sagen müssen, dass die Gewichte der Teile sich in einem Gleichgewicht befinden, d.h. dass die Einwirkung
der Schwere wechselseitig und beiderseits gleich ist.
Die Gewichte von Körpern mit gleichem Abstand vom Erdmittelpunkt
verhalten sich wie die Mengen der Materie in den Körpern. Das ergibt sich
jedenfalls aus der gleichen Beschleunigung aller Körper, welche aufgrund der
Gewichtskräfte aus der Ruhelage fallen. Denn die Kräfte, durch die ungleiche
Körper gleich beschleunigt werden, müssen den Mengen der zu bewegenden
Materie proportional sein. Dass aber in der Tat alle fallenden Körper gleich
beschleunigt werden, ergibt sich daraus, dass sie im Boyleschen Vakuum in gleichen Zeiten fallend gleiche Wege beschreiben, wohlgemerkt bei Aufhebung des
Luftwiderstandes. Genauer aber kann dies durch die Pendelversuche bewiesen
werden.
Die Anziehungskräfte von Körpern mit gleichen Abständen verhalten sich
wie die Mengen der Materie in den Körpern. Da nämlich die Körper gegen die
Erde und umgekehrt die Erde gegen die Körper mit gleichen Gewichten gravitieren, so wird das Gewicht der Erde gegen jeden Körper oder die Kraft, mit
der der Körper die Erde anzieht, gleich sein dem Gewicht eben dieses Körpers
gegen die Erde. Dieses Gewicht aber entsprach der Menge der Materie im Körper; daher wird die Kraft, mit der jeder beliebige Körper die Erde anzieht oder
die absolute Kraft des Körpers dieser Menge der Materie entsprechen.
Die Anziehungskraft ganzer Körper entsteht also und setzt sich zusammen
aus den Anziehungskräften ihrer Teile; wird nämlich die Masse der Materie
vermehrt oder vermindert, so zeigt sich, dass sich die Kraft des Körpers proportional vermehrt oder vermindert. Daher muss man sagen, dass die Wirkung
der Erde aus den verbundenen Wirkungen ihrer Teile verschmolzen ist, und
daher ziehen sich notwendig alle irdischen Körper gegenseitig mit den absoluten Kräften an, die der anziehenden Materie proportional sind. Das ist die Natur der Schwere im Bereich der Erde; sehen wir nun, wie es sich damit im Weltraum verhält.
Jeder Körper verharrt in seinem Zustand der Ruhe oder der gleichförmiggeradlinigen Bewegung, wenn und soweit er nicht von äußeren eingedrückten
Kräften gezwungen wird, diesen Zustand zu verändern; das ist ein von allen
Philosophen angenommenes Naturgesetz. Daraus folgt aber, dass Körper, die
sich auf gekrümmten Bahnen bewegen, oder genauer gesagt, die von den geradlinigen, zu ihren Kreisbahnen tangentialen Bahnen beständig abweichen, durch
eine beständig wirkende Kraft auf der gekrümmten Bahn gehalten werden. Da
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Roger Cotes
die Planeten auf gekrümmten Bahnen umlaufen, muss also irgendeine Kraft da
sein, durch deren ständig wiederholte Wirkungen sie unaufhörlich von den
Tangenten abgelenkt werden.
Nun muss man billigerweise zugestehen, was durch mathematische Berechnungen sich ergibt und aufs sicherste erwiesen wird, dass nämlich alle Körper,
die sich auf einer krummen Linie in einer Ebene bewegen und die mit einem zu
einem ruhenden oder wie auch immer bewegten Punkt gezogenen Radius um
diesen Punkt den Zeiten proportionale Flächen beschreiben, von Kräften in
ihre Bahn gezwungen werden, die zu diesem Punkt hin gerichtet sind. Da es
also bei den Astronomen als ausgemacht gilt, dass die Planeten ersten Grades
um die Sonne, diejenigen zweiten Grades aber um ihre ersten Grades den Zeiten proportionale Flächen beschreiben, so folgt, dass jene Kraft, die sie beständig von den geradlinigen Tangenten abdrängt und sie zwingt, auf gekrümmten
Bahnen umzulaufen, gegen die Körper gerichtet ist, die sich in den Mittelpunkten der Bahnen befinden. Infolgedessen kann man diese Kraft, gesehen von den
umlaufenden Körpern aus, nicht unpassend Zentripetalkraft nennen, von den
Zentralkörpern aus aber Anziehungskraft, gleich aus welcher Ursache man sie
sich letztlich entstanden denkt.
Ja sogar auch das Folgende muss zugestanden werden und lässt sich mathematisch beweisen: wenn mehrere Körper mit gleichförmiger Bewegung in
konzentrischen Kreisen umlaufen und die Quadrate ihrer Umlaufzeiten sich
verhalten wie die dritten Potenzen ihrer Abstände vom gemeinsamen Mittelpunkt, so werden die Zentripetalkräfte der umlaufenden Körper den Kehrwert
der Quadrate dieser Abstände haben. Oder wenn Körper in Bahnen umlaufen,
die Kreisen sehr nahe kommen, und es ruhen die Apsiden der Bahnen, so werden die Zentripetalkräfte der umlaufenden Körper den Kehrwert der Quadrate
der Abstände haben. Die Astronomen stimmen darin überein, dass einer von
beiden Fällen bei allen Planeten vorliegt. Es verhalten sich also die Zentripetalkräfte aller Planeten umgekehrt wie die Quadrate ihrer Abstände von den Mittelpunkten ihrer Bahnen. Wenn jemand einwerfen sollte, dass die Apsiden der
Planeten und besonders des Mondes nicht gänzlich ruhen, sondern mit einer
gewissen langsamen Bewegung sich in die angrenzenden Bereiche bewegen, so
kann man antworten, dass auch dann, wenn wir einräumen, dass diese sehr
langsame Bewegung von der jeweiligen Position aus weitergegangen ist und das
Verhältnis der Zentripetalkraft ein wenig vom Quadrat abweicht, diese Abweichung durch eine mathematische Berechnung gefunden werden kann und überhaupt nicht wahrnehmbar ist. Denn selbst das Verhalten der Zentripetalkraft
des Mondes, welches von allen am meisten gestört sein muss, wird das Quadrat
nur ganz wenig übertreffen, und es wird diesem tatsächlich etwa sechzigmal
näher kommen als der dritten Potenz. Aber noch richtiger wäre die Antwort,
wenn wir sagen würden, dass dieses Vorrücken der Apsiden nicht aus der Abweichung vom quadratischen Verhältnis entsteht, sondern aus einer durchaus
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anderen Ursache, wie in der vorliegenden Philosophie auf das Vortrefflichste
gezeigt werden wird. Es bleibt also dabei, dass die Zentripetalkräfte, mit denen
die Planeten ersten Grades gegen die Sonne tendieren und diejenigen zweiten
Grades gegen ihre ersten, sich genau umgekehrt verhalten wie die Quadrate
ihrer Abstände.
Aus dem bisher Gesagten folgt, dass die Planeten durch irgendeine beständig auf sie wirkende Kraft auf ihren Bahnen gehalten werden, und es steht fest,
dass diese Kraft sich immer gegen den Mittelpunkt der Bahnen richtet. Es steht
fest, dass ihre Wirksamkeit mit der Annäherung an den Mittelpunkt zu- und mit
der Entfernung von ihm abnimmt, und dass sie gerade in dem Verhältnis zunimmt, in dem das Entfernungsquadrat abnimmt und umgekehrt. Versuchen
wir nun einen Vergleich zwischen der Gravitationskraft und den Zentripetalkräften der Planeten anzustellen, um zu sehen, ob sie vielleicht von gleicher Art
sind. Sie werden aber von gleicher Art sein, wenn von hier wie von dort aus
dieselben Gesetze und dieselben Beeinflussungen festgestellt werden. Stellen
wir daher zuerst die Größe der Zentripetalkraft des Mondes fest, der uns am
nächsten ist.
Die geradlinigen Wege, welche die aus dem Zustand der Ruhe gebrachten
Körper in gegebener Zeit unmittelbar bei Beginn ihrer Bewegung beschreiben,
sobald sie von beliebigen Kräften zur Bewegung gezwungen werden, sind diesen Kräften proportional; dies jedenfalls folgt aus mathematischen Berechnungen. Es wird sich daher die Zentripetalkraft des in seiner Bahn umlaufenden
Mondes zur Gravitationskraft an der Erdoberfläche verhalten wie der Weg, den
der Mond in der kürzestmöglichen Zeit beim durch die Zentripetalkraft bewirkten Fall zur Erde beschreiben würde (wenn man sich ihn jeder Kreisbewegung
beraubt vorstellte), zu dem Weg, den in derselben kürzestmöglichen Zeit ein
schwerer Körper in der Nachbarschaft der Erde beim durch die Gravitationskraft bedingten Fall beschreiben wird. Die Länge des ersteren dieser Wege ist
gleich dem Sinus versus des Bogens, den der Mond in derselben Zeit beschrieben hat; dieser Sinus versus misst ja die von der Zentripetalkraft bewirkte Abweichung des Mondes von der Tangente; und somit kann man ihn einerseits aus
der gegebenen periodischen Umlaufzeit des Mondes, andererseits auch aus
seinem Abstand von der Erde errechnen. Die Länge des letzteren Weges wird
mit Hilfe von Pendelversuchen gefunden, wie Huygens gezeigt hat. Stellt man
also diese Rechnung an, so verhält sich der erstere zum letzteren Weg oder die
Zentripetalkraft des in seiner Bahn umlaufenden Mondes zur Gravitationskraft
an der Oberfläche der Erde wie das Quadrat des Erdhalbmessers zum Quadrat
des Halbmessers der Umlaufbahn. Und in demselben Verhältnis steht nach
dem, was weiter oben gezeigt wird, die Zentripetalkraft des Mondes, der in
seiner Bahn umläuft, zur Zentripetalkraft des Mondes nahe der Erdoberfläche.
Folglich ist die Zentripetalkraft nahe der Oberfläche der Erde gleich der Gravitationskraft. Also sind diese beiden Kräfte nicht voneinander verschieden, son-
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dern ein und dasselbe. Wenn sie nämlich verschieden wären, so müssten Körper, weil diese beiden Kräfte sich addieren würden, doppelt so schnell auf die
Erde fallen, wie infolge der Gravitationskraft allein. Es steht also fest, dass jene
Zentripetalkraft, die den Mond beständig von der Tangente entweder wegzieht
oder wegstößt und ihn in seiner Umlaufbahn hält, eben die irdische Gravitationskraft ist, die sich bis zum Mond erstreckt. Und es ist im Einklang mit dem
logischen Denken, dass diese Kraft sich in ungeheuere Entfernungen erstreckt,
da man selbst auf den höchsten Gipfeln der Berge keine nachweisbare Abnahme dieser Kraft beobachten kann. Der Mond ist also gegen die Erde schwer;
auch die Erde gravitiert aufgrund wechselseitiger Wirkung umgekehrt in gleicher Weise gegen den Mond, ein Sachverhalt, der wirklich in dieser Philosophie
bekräftigt wird, da nämlich, wo von der Flut des Meeres und der Präzession der
Nachtgleichen die Rede ist, welche aus der Wirkung des Mondes und der Sonne
auf die Erde entstehen. Von hier aus erfahren wir endlich auch, nach welchem
Gesetz – ein solches gibt es natürlich – die Gravitationskraft mit größeren Entfernungen von der Erde abnimmt. Da nämlich die Gravitationskraft sich nicht
von der Zentripetalkraft des Mondes unterscheidet, und da diese in der Tat dem
Abstandsquadrat umgekehrt proportional ist, so muss sich die Gravitationskraft
in demselben Verhältnis vermindern.
Gehen wir nun zu den anderen Planeten über. Da ja die Umläufe derjenigen
ersten Grades um die Sonne und derjenigen zweiten Grades um Jupiter und
Saturn Erscheinungen der gleichen Art sind, wie der Umlauf des Mondes um
die Erde, da ferner gezeigt ist, dass die Zentripetalkräfte der ersten Grades auf
den Mittelpunkt der Sonne, die der zweiten Grades auf die Mittelpunkte von
Jupiter und Saturn hin gerichtet sind, ebenso wie die Zentripetalkraft des Mondes sich auf den Mittelpunkt der Erde richtet, da weiter alle diese Kräfte sich
umgekehrt wie die Abstände von den Mittelpunkten verhalten, ebenso wie die
Kraft des Mondes sich zum Quadrat des Abstands von der Erde verhält, so
wird man schließen müssen, dass sie alle von derselben Art sind. Wie also der
Mond gegen die Erde gravitiert und umgekehrt die Erde gegen den Mond, so
werden auch alle Planeten zweiten Grades gegen ihre erstgradigen und umgekehrt die erstgradigen gegen die zweitgradigen gravitieren, und ebenso alle
erstgradigen Planeten gegen die Sonne und umgekehrt die Sonne gegen die
erstgradigen Planeten.
Daher gravitiert die Sonne gegen alle Planeten und diese alle gravitieren in
Richtung auf die Sonne. Denn während die zweitgradigen Planeten ihre erstgradigen begleiten, bewegen sie sich inzwischen mit diesen um die Sonne. Aufgrund eben dieser Argumentation gravitieren also die Planeten beider Arten
gegen die Sonne und die Sonne in Richtung auf diese. Dass aber die zweitgradigen Planeten zur Sonne hin gravitieren, ist obendrein vollauf gesichert aufgrund
der Umlaufschwankungen des Mondes, deren äußerst genau ausgeführte, mit
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bewundernswertem Scharfsinn entwickelte Theorie wir im Dritten Buch dieses
Werkes dargelegt finden.
Dass die Anziehungskraft der Sonne sich nach allen Richtungen bis in ungeheuere Entfernungen erstreckt und sich über die einzelnen Teile des umgebenden Raumes ausbreitet, kann völlig einsichtig aus der Bewegung der Kometen geschlossen werden, die aus riesigen Entfernungen in die Nähe der Sonne
kommen und ihr manchmal so nahe kommen, dass sie deren Kugel, wenn sie
sich im Perihel befinden, scheinbar nur knapp nicht berühren. Ihre Theorie,
welche die Astronomen ehedem vergebens gesucht hatten, ist endlich in unserem Jahrhundert glücklich gefunden und durch Beobachtungen vollkommen
bestätigt worden, was wir unserem vortrefflichen Autor verdanken. Es ist demnach klar, dass die Kometen sich in Kegelschnitten bewegen, die ihre Brennpunkte im Mittelpunkt der Sonne haben, und sie mit den zur Sonne gezogenen
Radien den Laufzeiten proportionale Flächen bestreichen. Aus diesen Erscheinungen ergibt sich klar und wird mathematisch als richtig bewiesen, dass die
Kräfte, durch die die Kometen in ihren Bahnen gehalten werden, auf die Sonne
gerichtet sind und sich umgekehrt verhalten wie die Quadrate der Abstände von
deren Zentrum. Also gravitieren die Kometen gegen die Sonne hin, und somit
erstreckt sich die Anziehungskraft der Sonne nicht nur auf die Körper der Planeten, welche sich in gegebenen Abständen und ungefähr auf derselben Ebene
befinden, sondern auch auf die Kometen in den verschiedensten Himmelsgegenden und in den verschiedensten Entfernungen. So ist es also die Natur der
gravitierenden Körper, dass sie ihre Kräfte über alle Entfernungen auf alle gravitierenden Körper verbreiten. Daraus folgt in der Tat, dass alle Planeten und
Kometen sich wechselseitig anziehen und gegeneinander wechselseitig schwer
sind, was auch durch die Bahnstörung von Jupiter und Saturn bestätigt wird, die
den Astronomen nicht unbekannt ist, und die aus den gegenseitigen Wirkungen
dieser Planeten entsteht, wie auch durch jene oben erwähnte sehr langsame
Bewegung der Apsiden, die von einer ganz ähnlichen Ursache herrührt.
So kommen wir endlich zu der Feststellung, dass sowohl die Erde, als auch
die Sonne, als auch alle Himmelskörper, welche die Sonne begleiten, sich gegenseitig anziehen. Daher werden auch alle kleinsten Teilchen der einzelnen Himmelskörper ihre Anziehungskräfte haben, wobei ihre Stärke sich nach der Menge der Materie richtet, wie es oben für irdische Teilchen gezeigt worden ist. In
verschiedenen Abständen aber werden auch deren Kräfte im umgekehrten
Verhältnis zu den Abstandsquadraten stehen, denn dass aus Teilen, die sich
nach diesem Gesetz anziehen, Materiehaufen gebildet werden müssen, die sich
nach demselben Gesetz anziehen, lässt sich mathematisch zeigen.
Die vorstehenden Folgerungen beruhen auf dem von allen Philosophen akzeptierten Axiom, dass Wirkungen von gleicher Art, deren bekannte Eigenschaften wohlgemerkt dieselben sind, dieselben Ursachen haben müssen, und
dass sie (sofern die Ursachen dieselben sind) dieselben Eigenschaften haben
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Roger Cotes
müssen, mögen diese auch noch unbekannt sein. Wer würde wohl daran zweifeln, dass, wenn die Schwere die Ursache für das Fallen eines Steines in Europa
sein sollte, die Ursache des Fallens in Amerika dieselbe sein dürfte? Falls zwischen dem Stein und der Erde in Europa die Schwere wechselseitig ist, wer wird
bestreiten, dass sie auch in Amerika wechselseitig ist? Gesetzt den Fall, die Anziehungskraft des Steines und der Erde setze sich in Europa aus den Anziehungskräften von deren Teilen zusammen, wer wird bestreiten, dass die Zusammensetzung in Amerika dieselbe ist? Wenn sich die Anziehungskraft der
Erde in Europa auf alle Arten von Körpern und über alle Entfernungen hinweg
erstreckt, warum sollten wir nicht sagen, dass sie sich in Amerika ebenso ausbreitet? Auf diese Regel gründet sich alle Philosophie; höbe man sie auf, so
könnte man keine allgemeingültigen Aussagen machen. Die Beschaffenheit
einzelner Dinge kommt zur Kenntnis durch Beobachtungen und Experimente;
davon ausgehend urteilen wir ausschließlich mit Hilfe dieser Regel über die
Natur der Dinge insgesamt.
Da nun alle Körper schwer sind, die man im Bereich der Erde oder im
Weltall findet, über die man Versuche oder Beobachtungen anstellen kann, so
wird man allgemein sagen müssen, dass die Schwere allen Körpern zukommt.
Und wie man sich keine Körper vorstellen darf, die nicht ausgedehnt, beweglich
und undurchdringlich sind, so darf man sich auch keine vorstellen, welche nicht
schwer sind. Die Ausgedehntheit, Beweglichkeit und Undurchdringlichkeit der
Körper kommen nur durch Experimente zu unserer Kenntnis, und genau auf
die gleiche Weise erkennt man ihre Schwere. Alle Körper, über die wir Beobachtungen haben, sind ausgedehnt, beweglich und undurchdringlich, und daher schließen wir, dass alle Körper, auch die, über die wir keine Beobachtungen
haben, ausgedehnt, beweglich und undurchdringlich sein müssen. Ebenso sind
alle Körper schwer, über die wir Beobachtungen haben, und daher schließen
wir, dass alle Körper, auch die, über die wir keine Beobachtungen haben,
schwer sind. Wenn jemand behaupten wollte, dass die Körper der Fixsterne
nicht schwer seien, weil ihre Schwere noch nicht beobachtet worden ist, so
könnte man mit der gleichen Begründung sagen, dass sie weder ausgedehnt,
noch beweglich, noch undurchdringlich seien, weil diese Beschaffenheiten eben
noch nicht an ihnen beobachtet worden sind. Warum muss es Kräfte geben?
Entweder wird auch die Schwere unter den ersten Eigenschaften aller Körper
ihren Platz haben, oder Ausgedehntheit, Beweglichkeit und Undurchdringlichkeit werden ebenfalls keinen haben. Und die Natur der Dinge wird entweder
richtig durch die Schwere der Körper erklärt werden, oder sie wird auch durch
deren Ausdehnung, Beweglichkeit und Undurchdringlichkeit nicht richtig erklärt.
Ich höre, dass einige diesen Schluss missbilligen und irgendetwas von verborgenen Eigenschaften murmeln. Sie pflegen ununterbrochen wortreich zu
beteuern, dass die Schwere doch etwas Verborgenes sei, dass aber verborgene
Vorwort zur zweiten Ausgabe
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Ursachen in weiter Ferne von der Philosophie gehalten werden müssten. Hierauf kann man leicht antworten, dass es verborgene Ursachen gibt, dass es aber
nicht diejenigen sind, deren Existenz durch Beobachtungen auf das Einleuchtendste gezeigt werden kann, sondern nur die, deren Existenz verborgen und
nur vorgestellt, aber noch nicht nachgewiesen ist. Die Schwere wird daher keine
verborgene Ursache der himmlischen Bewegungen sein, jedenfalls wenn durch
die Erscheinungen klar zutage liegt, dass diese Fähigkeit tatsächlich existiert.
Vielmehr nehmen diejenigen zu verborgenen Ursachen ihre Zuflucht, die irgendwelche Wirbelbewegungen einer frei erfundenen und den Sinnen gänzlich
unbekannten Materie voraussetzen, die diesen Bewegungen ihre Richtung geben
sollen. Wird man aber die Schwere deshalb eine verborgene Ursache nennen
und mit der Begründung aus der Philosophie herauswerfen, dass die Ursache
der Schwere selbst verborgen und noch nicht gefunden ist? Diejenigen, die das
für richtig halten, sollen sich hüten, dass sie nicht etwas Absurdes für richtig
halten, wodurch zuletzt die Grundlagen der ganzen Philosophie zerstört werden. Die Ursachen pflegen ja in lückenloser Verknüpfung vom Zusammengesetzten zum Einfacheren zu reichen. Sobald man aber zur einfachsten Ursache
vorgedrungen ist, ist es nicht mehr erlaubt, darüber hinauszugehen. Für die
einfachste Ursache kann man also keine mechanische Erklärung mehr geben.
Gäbe man sie nämlich, so handelte es sich noch nicht um die einfachste Ursache. Wirst Du also diese einfachsten Ursachen verborgene nennen und ihre
Verbannung anordnen?
Zugleich damit werden natürlich auch die unmittelbar von ihnen abhängenden und die wiederum von diesen abhängenden Ursachen verschwinden, bis
schließlich die Philosophie von allen Ursachen entleert und bestens gereinigt ist.
Es gibt Leute, die sagen, die Schwere sei außerhalb der Natur und ein beständiges Wunder. Nach ihrem Willen soll sie ausgesondert werden, weil in der
Naturlehre Ursachen, die außerhalb der Natur sind, keinen Platz hätten. Es ist
kaum der Mühe wert, sich mit der Entkräftung dieses völlig unangemessenen
Einwands aufzuhalten, der die gesamte Philosophie zum Einsturz bringt. Denn
entweder werden sie leugnen, dass die Schwere allen Körpern zukomme, was
man doch nicht sagen kann, oder sie behaupten, sie sei außerhalb der Natur,
und zwar mit der Begründung, dass sie aus anderen Bestrebungen der Körper
entspringe und gerade nicht aus mechanischen Ursachen. Sicher gibt es ursprüngliche Zustände der Körper, die nicht von anderen abhängen, weil sie
ursprüngliche sind. Diese Leute mögen also schauen, ob diese nicht alle außerhalb der Natur und deshalb gleichermaßen auszusondern seien, sie sollen aber
darauf achten, was für eine Philosophie es dann in Zukunft noch geben kann.
Es gibt manche, denen diese ganze himmlische Naturlehre sogar deswegen
weniger gefällt, weil sie den Lehrsätzen des Cartesius zu widerstreiten und kaum
mit ihnen in Übereinstimmung zu bringen zu sein scheint. Ihnen soll gestattet
sein, ihre eigene Meinung zu haben; sie müssen aber dann auch selber fair sein:
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Roger Cotes
Sie werden also anderen dieselbe Freiheit nicht verweigern, die sie sich zugestanden haben wollen. Es muss daher erlaubt sein, die Newtonische Philosophie, die wir für näher an der Wahrheit halten, beizubehalten, uns in sie zu
vertiefen, und lieber Ursachen zugrunde zu legen, die durch die Erscheinungen
bestätigt sind, als solche, die nur erdacht und noch nicht bestätigt sind. Zur
wahren Philosophie gehört es, die Natur der Dinge aus wirklich vorhandenen
Ursachen abzuleiten; das heißt aber diejenigen Gesetze aufzufinden, mit denen
der höchste Weltenschöpfer diese schönste Ordnung der Welt sichern wollte,
nicht solche, durch die er das hätte tun können, wenn es ihm richtig erschienen
wäre. Es stimmt nämlich mit der Vernunft überein, dass aus mehreren merklich
voneinander verschiedenen Ursachen dieselbe Wirkung hervorgehen kann; aber
die tatsächliche Ursache wird nur diejenige sein, aus der die Wirkung im tatsächlichen Vollzug hervorgeht; die übrigen haben in einer der Wahrheit verpflichteten Philosophie keinen Platz. In selber laufenden Uhren kann die gleiche Bewegung des Stundenzeigers entweder von einem angehängten Gewicht, oder von
einer im Innern eingeschlossenen Feder her entstehen. Wenn aber eine bestimmte vorgezeigte Uhr in Wahrheit mit einem Gewicht ausgerüstet ist, so
wird der ausgelacht werden, der an eine Feder denkt und von dieser voreilig
aufgestellten Hypothese aus die Bewegung des Zeigers zu erklären unternimmt.
Es wäre nämlich nötig gewesen, die innere Konstruktion der Maschine eingehender zu untersuchen, damit er so den tatsächlichen Ursprung der vorliegenden Bewegung mit Sicherheit hätte feststellen können. Und ein gleiches oder
doch nicht unähnliches Urteil wird über jene Philosophen gefällt werden, welche wollen, dass der Weltraum mit einer gewissen außerordentlich feinen Materie angefüllt sei, und dass diese beständig in Wirbeln herumgetrieben werde.
Denn wenn sie auch den Erscheinungen mit ihren Hypothesen sogar auf das
Genaueste gerecht werden könnten, so kann man doch nicht sagen, dass sie die
wahre Philosophie gelehrt und die wirklichen Ursachen der Himmelsbewegungen gefunden haben, wenn sie nicht bewiesen haben, dass diese Ursachen wirklich existieren oder wenigstens, dass andere Ursachen dafür nicht existieren.
Wenn also gezeigt werden könnte, dass die Anziehung aller Körper in der Natur
wirklich vorhanden ist, und wenn weiter gezeigt werden könnte, auf welche
Weise alle Bewegungen im Weltraum von daher ihre Erklärung finden, so dürfte der Einwurf ohne Substanz sein und verdientermaßen Spott ernten, wenn
jemand behaupten wollte, dass eben diese Bewegungen durch Wirbel erklärt
werden müssten, auch wenn wir mit größtem Entgegenkommen einräumen
wollten, dass dies geschehen könne. Wir räumen das aber nicht ein. Die Erscheinungen können nämlich auf gar keinen Fall durch Wirbel erklärt werden,
was von unserem Autor ausführlich und durch die einleuchtendsten Gründe
nachgewiesen wird. Deshalb geben diejenigen sich mehr als recht ist Träumen
hin, welche sich die aussichtslose Mühe machen, diese Theorie durch eine
Vorwort zur zweiten Ausgabe
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höchst ungereimte Konstruktion wieder zu flicken und weiter mit neuen Einfällen auszuschmücken.
Wenn die Körper der Planeten und Kometen von Wirbeln um die Sonne
getragen werden sollten, so müssten die herumgetragenen Körper und die ihnen
nächsten Teile der Wirbel mit derselben Geschwindigkeit und in derselben
bestimmten Bahnrichtung sich bewegen, und sie müssten dieselbe Dichte oder
dieselbe Trägheitskraft im Verhältnis zur Materiemasse haben. Es steht aber
fest, dass die Planeten und Kometen, während sie sich in denselben Gegenden
des Himmels aufhalten, sich mit verschiedenen Geschwindigkeiten und mit
verschiedenen Bahnrichtungen bewegen. Daher folgt notwendig, dass jene Teile
des himmlischen Fluidums, die sich in denselben Entfernungen von der Sonne
befinden, zur gleichen Zeit in verschiedenen Richtungen mit verschiedenen
Geschwindigkeiten umlaufen müssten; denn für die Fortbewegung der Planeten
wird eine andere Richtung und Geschwindigkeit nötig sein als für die der Kometen. Da dies nicht zu erklären ist, so wird man entweder einräumen müssen,
dass die Himmelskörper nicht durch die Materie eines Wirbels abgelenkt werden, oder man wird sagen müssen, dass ihre Bewegungen nicht auf ein und
denselben Wirbel, sondern auf mehrere zurückzuführen sind, die untereinander
verschieden sind und denselben die Sonne umgebenden Raum durchlaufen.
Falls man annimmt, mehrere Wirbel seien in demselben Raum enthalten,
durchdrängen sich gegenseitig und liefen mit verschiedenen Bewegungen um,
weil ja diese Bewegungen denen der mitgerissenen Körper gleichartig sein müssen, Bewegungen, die äußerst regelmäßig sind und in Kegelschnitten verlaufen,
welche teils sehr exzentrisch sind, teils sich der Kreisform sehr annähern; so
wird man mit Recht fragen müssen, wie es möglich sein sollte, dass diese Bewegungen unbeirrt erhalten bleiben und durch die Einwirkungen der entgegenlaufenden Materie in so vielen Jahrhunderten nicht im mindesten gestört werden.
Wahrlich, wenn diese nur erdachten Bewegungen verwickelter und schwieriger
zu erklären sind als jene wirklichen Bewegungen der Planeten und Kometen, so
erscheint es mir sinnlos, sie in die Philosophie aufzunehmen; denn jede Ursache
muss einfacher sein als ihre Wirkung.
Ist einmal die Freiheit, einfach drauflos zu erzählen, eingeräumt, so könnte
jemand behaupten, dass alle Planeten und Kometen von einer Atmosphäre
umgeben seien wie unsere Erde; und diese Hypothese stünde immer noch eher
in Übereinstimmung mit der Vernunft, als die der Wirbel. Weiter könnte er
behaupten, dass diese Atmosphären sich kraft ihrer Natur um die Sonne bewegen und Kegelschnitte beschreiben; diese Bewegung kann man sich fürwahr viel
leichter vorstellen, als eine ähnliche Bewegung von Wirbeln, die sich gegenseitig
durchdringen. Schließlich könnte er behaupten, man müsse glauben, dass die
Planeten und die Kometen selbst von ihren Atmosphären um die Sonne getragen würden und ob der somit gefundenen Ursache der himmlischen Bewegungen triumphieren. Wer aber meint, dass er dieses Märchen zurückweisen müsse,
76
Roger Cotes
der wird auch das andere Märchen zurückweisen, denn ein Ei ist dem anderen
nicht ähnlicher als die Hypothese der Atmosphären derjenigen der Wirbel.
Galilei hat gelehrt, dass die Abweichung des geworfenen, auf parabolischer
Bahn sich bewegenden Steins von der geradlinigen Bahn aus der Schwere des
Steins gegen die Erde entstehe, das heißt aus einer verborgenen Eigenschaft. Es
könnte nun sein, dass irgendein anderer Philosoph mit feinerer Nase sich eine
andere Ursache ausdenkt. Er wird sich also vorstellen, dass irgendeine feine
Materie, welche man weder sehen noch fühlen, noch sonst durch irgendeinen
Sinn wahrnehmen kann, sich in den Gegenden befindet, welche der Oberfläche
der Erde am nächsten sind. Er wird behaupten, dieselbe Materie fliege in verschiedene Richtungen mit vielfältigen und meist entgegengesetzten Bewegungen, und sie beschreibe parabolische Linien. Alsdann wird er die Bahnabweichung des Steins folgendermaßen vortrefflich erklären und den Beifall der
Menge ernten. Der Stein, wird er sagen, schwimmt in jenem feinen Fluidum
und kann, da er dessen Bahn folgt, nur den gleichen Weg beschreiben. Das
Fluidum aber bewegt sich in parabolischen Linien, also muss sich der Stein
notwendigerweise auf einer Parabelbahn bewegen. Wer wird nun nicht den
höchst scharfsinnigen Geist dieses Philosophen bewundern, der aus mechanischen Ursachen, nämlich aus der Materie und der Bewegung, die Erscheinungen der Natur so einleuchtend ableitet, dass sie auch die Menge begreifen kann?
Und wer würde nicht in der Tat dann über jenen guten Galilei feixen, der es
unternahm, mit großem Aufwand an Mathematik die glücklich aus der Philosophie verbannten verborgenen Eigenschaften aufs neue zurückzuholen? Aber ich
schäme mich, länger bei unerheblichen Hirngespinsten zu verweilen.
Der Sachverhalt lässt sich doch folgendermaßen zusammenfassen: Die Zahl
der Kometen ist ungeheuer groß; ihre Bewegungen sind höchst regelmäßig und
befolgen dieselben Gesetze wie die Bewegungen der Planeten. Sie bewegen sich
in Kegelschnittbahnen; diese Bahnen sind außerordentlich exzentrisch. Sie bewegen sich von überall her in alle Teile des Weltalls und durchkreuzen die
Bahnebenen der Planeten völlig ungehindert und ziehen ihre Bahn oft entgegen
der Ordnung der Sternbilder. Diese Erscheinungen werden durch astronomische Beobachtungen völlig zuverlässig bestätigt und können durch Wirbel nicht
erklärt werden. Im Gegenteil, sie können zusammen mit Wirbeln, in denen die
Planeten wären, gar nicht bestehen. Für die Bewegungen der Kometen wird
überhaupt kein Raum sein, wenn nicht jene bloß gedachte Materie vollständig
aus dem Weltraum entfernt wird.
Wenn nämlich die Planeten von Wirbeln um die Sonne getragen werden, so
werden die Teile der Wirbel, die den jeweiligen Planeten am nächsten umgeben,
dieselbe Dichte haben wie der Planet, wie oben ausgeführt wurde. Daher wird
alle jene Materie, welche sich im Bereich der Umlaufbahn der Erde befindet, die
gleiche Dichte haben wie die Erde; diejenige aber, die sich zwischen der Erdbahn und der des Saturn befindet, wird entweder gleiche oder größere Dichte
Vorwort zur zweiten Ausgabe
77
haben. Damit nämlich die Struktur eines Wirbels von Dauer sein kann, müssen
die weniger dichten Teile die Mitte einnehmen, während sich die dichteren
weiter von der Mitte entfernen. Weil aber die periodischen Umlaufzeiten der
Planeten im eineinhalbfachen Verhältnis ihrer Entfernungen von der Sonne
stehen, so müssen die Umlaufzeiten der Teile des Wirbels dasselbe Verhältnis
einhalten. Daraus folgt aber, dass die Zentrifugalkräfte dieser Teile sich umgekehrt verhalten müssen wie die Abstandsquadrate. Also streben die in größerem
Abstand vom Mittelpunkt mit geringerer Kraft danach, sich von diesem zu
entfernen. Falls sie also weniger dicht sein sollten, so wichen sie wohl notwendigerweise der größeren Kraft, mit der die dem Mittelpunkt näheren Teile nach
außen streben. Die dichteren werden also nach außen aufsteigen, die weniger
dichten nach innen absinken und es wird ein Tausch der Plätze stattfinden, bis
die flüchtige Materie des gesamten Wirbels so verteilt und geordnet ist, dass sie
zur Ruhe kommt, weil sie sich im Gleichgewicht befindet. Wenn zwei Flüssigkeiten von verschiedener Dichte sich in demselben Gefäß befinden, so wird es
geschehen, dass die von der größeren Dichte aufgrund der größeren Schwerkraft den untersten Platz anstrebt, und in nicht unähnlicher Weise wird man
durchaus sagen müssen, dass die dichteren Teile eines Wirbels aufgrund der
größeren Zentrifugalkraft dem höchsten Ort zustreben. Jener ganze und bei
weitem größte Teil des Wirbels also, der außerhalb der Erdbahn liegt, wird
demnach eine Dichte und eine Trägheitskraft im Verhältnis zur Materiemasse
haben, welche nicht kleiner sein wird als die Dichte und die Trägheitskraft der
Erde. Daraus wird aber für die hindurchgeschleuderten Kometen ein ungeheuerer und sehr wohl bemerkbarer Widerstand entstehen, um nicht zu sagen ein
Widerstand, der wohl ihre Bewegung vollständig zum Stillstand bringen und
aufheben kann. Es steht aber aufgrund der vollkommen regelmäßigen Bewegungen der Kometen fest, dass sie keinen auch nur im geringsten merklichen
Widerstand erfahren, und dass sie also keineswegs mit irgendeiner Materie zusammenstoßen, die irgendeine Widerstandskraft oder irgendeine Dichte oder
Trägheitskraft besitzt. Der Widerstand von Medien entsteht nämlich entweder
aus der Trägheit der Materie, soweit sie flüssig ist, oder aus einem Mangel ihrer
Gleitfähigkeit. Der letztere Widerstand ist außerordentlich gering und kann
tatsächlich in den gemeinhin bekannten Flüssigkeiten kaum wahrgenommen
werden, wenn sie nicht sehr zähe sind, wie etwa Öl und Honig. Der in der Luft,
im Wasser, im Quecksilber und in anderen nicht zähen Flüssigkeiten fühlbare
Widerstand ist fast ganz von der ersteren Art und kann nicht durch einen Grad
größerer Feinheit verkleinert werden, sofern die Dichte oder die Trägheitskraft
der Flüssigkeit, der dieser Widerstand immer proportional ist, die gleiche bleibt.
Das hat unser Autor aufs einleuchtendste in der überaus hervorragenden Theorie der Widerstände bewiesen, welche in dieser zweiten Ausgabe etwas genauer
dargelegt ist und durch Experimente mit fallenden Körpern ausführlicher untermauert wird.
78
Roger Cotes
Die Körper teilen dadurch, dass sie sich vorwärtsbewegen, ihre Bewegung
allmählich der umgebenden Flüssigkeit mit und verlieren durch diese Übertragung an Bewegung; durch diesen Verlust aber werden sie langsamer. Daher ist
diese Verlangsamung der übertragenen Bewegung proportional. Die übertragene Bewegung aber verhält sich bei gegebener Geschwindigkeit des sich bewegenden Körpers wie die Dichte der Flüssigkeit; also wird die Verzögerung oder
der Widerstand wie diese Dichte der Flüssigkeit sein, und sie kann in keiner
Weise aufgehoben werden, es sei denn, von der Flüssigkeit würde die verlorengegangene Bewegung beim Zurückfließen gegen die hinteren Teile des Körpers
wieder ersetzt. Das könnte man aber nicht sagen, wenn nicht die Einwirkung
der Flüssigkeit auf den Körper an den hinteren Teilen gleich wäre der Einwirkung des Körpers auf die Flüssigkeit an den vorderen Teilen, das heißt, wenn
nicht die relative Geschwindigkeit, mit der die Flüssigkeit an den Körper von
hinten fließt, gleich ist der Geschwindigkeit, mit der der Körper in die Flüssigkeit vordringt, d.h. wenn die absolute Geschwindigkeit der von hinten nachfließenden Flüssigkeit doppelt so groß ist wie die absolute Geschwindigkeit der
vorwärtsgestoßenen Flüssigkeit, was unmöglich ist. Es kann also auf keine Weise der Widerstand von Flüssigkeiten aufgehoben werden, der aus ihrer Dichte
und Trägheitskraft entsteht. Daher wird man folgern müssen, (1) dass das
Himmelsfluidum keine Trägheitskraft besitzt, da es keine Widerstandskraft hat;
(2) dass es keine Kraft hat, die Bewegung übertragen könnte, da es keine Trägheitskraft besitzt; (3) dass es keine Kraft gibt, die irgendeine Veränderung, sei es
einzelner, sei es mehrerer Körper hervorrufen kann, da keine Kraft da ist, durch
die Bewegung übertragen werden könnte; (4) dass es überhaupt keinerlei Wirksamkeit gibt, da keine Fähigkeit vorhanden ist, irgendeine hervorzurufen. Sicherlich darf man also diese Hypothese, die einer Grundlage vollständig entbehrt, und die nicht einmal ein bisschen zur Naturerklärung dient, eine ganz
abwegige und eines Philosophen gänzlich unwürdige nennen. Die das Weltall
mit „Fluidum“ [d.h. einer Materie, die sich wie eine Flüssigkeit verhält] angefüllt
sehen wollen, stellen in der Tat die These auf, dass dieses nicht träge sei; mit
Worten beseitigen sie das Vakuum, aber in Wirklichkeit führen sie es doch ein.
Da nämlich eine solche flüchtige Materie in keiner Weise vom leeren Raum
unterschieden werden kann, dreht sich der ganze Streit nur um die Namen der
Dinge, nicht um ihre Natur. Wenn aber Leute so sehr der Materie verhaftet
sind, dass sie glauben möchten, man könne einen von Körpern leeren Raum auf
keine Weise zulassen, so wollen wir einmal sehen, wohin diese Leute schließlich
mit ihrem Glauben kommen müssen. Entweder nämlich werden sie sagen, die
Beschaffenheit der Welt, wie sie sie sich denken, nämlich als eine ganz und gar
volle, sei aus dem Willen Gottes hervorgegangen, zu dem Zweck, dass für das
Walten der Natur eine immer verfügbare Hilfe zuhanden sei durch den alles
durchdringenden und erfüllenden Äther; das kann man aber doch nicht sagen,
da ja bereits aufgrund der Erscheinungen der Kometen gezeigt ist, dass dieser
Vorwort zur zweiten Ausgabe
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Äther keinerlei Wirkung hat. Oder sie werden sagen, eine solche Welt sei aus
dem Willen Gottes um eines unbekannten Zweckes willen geschaffen. Auch das
darf man nicht sagen, da ja genauso eine ganz andere Beschaffenheit der Welt
gestützt werden könnte. Oder sie werden zuletzt sagen, dass eine solche Welt
nicht aus dem Willen Gottes, sondern aus einer gewissen Naturnotwendigkeit
hervorgegangen sei. Man stürzt zwangsläufig am Ende in den abscheulichen
Gedankensumpf einer heidnischen Horde. Diese Leute sind es, die delirieren,
durch das Fatum, nicht aber durch die Vorsehung werde die Welt gelenkt; und
die Materie habe kraft eigener Notwendigkeit immer und überall existiert, sie sei
grenzenlos und ewig. Setzt man dies als richtig voraus, so wird sie auch überall
gleichgestaltig sein, denn die Mannigfaltigkeit der Formen verträgt sich überhaupt nicht mit dem unausweichlichen Zwang. Sie wird auch ohne Bewegung
sein, denn wenn sie sich zwangsläufig in einer vorbestimmten Richtung bewegte
mit einer vorbestimmten Geschwindigkeit, so wird sie sich mit gleicher Unausweichlichkeit in eine davon verschiedene Richtung mit davon verschiedener
Geschwindigkeit bewegen. Sie kann sich aber nicht in verschiedene Richtungen
mit verschiedenen Geschwindigkeiten bewegen; sie muss also ohne Bewegung
sein. Auf keine andere Weise konnte wahrlich diese Welt entstehen, die durch
die schönste Vielfalt der Formen und Bewegungen geschmückt ist, als aus dem
vollkommen freien Willen Gottes, der alles vorhersieht und lenkt.
Aus dieser Quelle sind also die sogenannten Naturgesetze geflossen, in denen wahrhaftig viele Zeichen weisester Überlegung, aber keine des unausweichlichen Zwanges sichtbar werden. Daher müssen wir diese Naturgesetze nicht
aus ungewissen Vermutungen folgern, sondern durch Beobachtung und Experiment erlernen. Wer glaubt, er könne die Grundlagen der wahren Naturlehre
und die Gesetze aller Dinge allein im Vertrauen auf die Kraft seines Verstandes
und auf das inwendige Licht der Vernunft erkennen, der muss entweder behaupten, dass die Welt aus unausweichlichem Zwang schon immer bestanden
habe, und dass die formulierten Gesetze aus dem gleichen unausweichlichen
Zwang sich ergeben, oder dass, wenn die Ordnung der Natur durch den Willen
Gottes entstanden sein sollte, dennoch er, der armselige Zwerg, den vollen
Durchblick habe, was am besten geschehen solle. Jede vernünftige und wahre
Philosophie gründet sich auf die Erscheinungen der Dinge: wenn diese uns
sogar gegen unseren Willen und gegen unser Widerstreben zu derartigen
Grundlagen führen, in denen der unübertreffliche Ratschluss und die väterliche
Herrschaft des weisesten und mächtigsten Wesens auf das deutlichste erkennbar
werden, so werden diese Grundlagen nicht schon deshalb verlassen werden
dürfen, weil sie vielleicht später einmal gewissen Leuten weniger in den Kram
passen. Für solche möge alles, was ihnen nicht passt, Wunder oder verborgene
Qualitäten heißen: aber diese in boshafter Absicht verliehenen Bezeichnungen
darf man nicht den Dingen selber zum Vorwurf machen. Es sei denn, sie wollen letztendlich mit dem Geständnis herausrücken, dass nach ihrer Ansicht die
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Roger Cotes
Philosophie auf den Atheismus gegründet werden müsse. Um dieser Leute
willen wird man die Philosophie nicht umstürzen müssen, weil ja die Weltordnung nicht die Absicht hat, sich zu ändern.
Also wird sich vor urteilsfähigen und gerechten Richtern die vorzüglichste
Methode des Philosophierens durchsetzen, die ihre Grundlage in Experimenten
und Beobachtungen hat. Man wird kaum zum Ausdruck bringen können, welches Licht und welche Würde dieser philosophischen Methode aus dem vorliegenden lichtvollen Werk unseres so hochberühmten Autors zuwächst. Die
außerordentliche Fruchtbarkeit seines Geistes, der jedes noch so schwierige
Problem löst und bis dorthin vordringt, wohin der menschliche Geist nicht
einmal hoffen durfte sich erheben zu können, bewundern und verehren verdientermaßen alle, die ein wenig tiefer in diese Materie eingedrungen sind. Ihm
nämlich gelang es, die Schlösser zu öffnen und er machte uns dadurch den
Zugang frei zu den schönsten Geheimnissen der Natur. Das außerordentlich
kunstvolle Gefüge des Weltsystems legte er auf diese Weise schließlich offen
und ermöglichte uns, dieses Gefüge tiefer zu durchschauen, so dass auch König
Alphons [der Weise von Kastilien], wenn er jetzt ins Leben zurückkehrte, weder
die Einfachheit noch den Reiz der Harmonie darin vermissen würde. So dürfen
wir jetzt die Majestät der Natur näher anschauen und in der angenehmsten
Betrachtung genießend verweilen. Den Schöpfer und Herrn der Welt aber können wir noch inbrünstiger anbeten und verehren, welches die bei weitem reichste Frucht der Philosophie ist. Blind müsste sein, wer aus der besten und weisesten Einrichtung der Dinge nicht sogleich die unendliche Weisheit und Güte des
allmächtigen Schöpfers erkennen würde, und von Sinnen, wer dies nicht bekennen wollte.
Newtons außerordentliches Werk wird daher die sicherste Festung gegen die
Angriffe der Atheisten sein, denn nirgends wird man wirkungsvoller als aus
diesem Köcher Geschosse gegen die gottlose Schar hervorholen. Das hat schon
früher der in allen Wissenschaften ausgezeichnete Mann und Förderer aller
schönen Künste, der herausragende Richard Bentley, gespürt und in hochgelehrten englischen und lateinischen Reden als erster in unübertrefflicher Weise
dargelegt, ein Mann, der eine große Zierde seines Zeitalters und unserer Akademie ist, ein Lehrer an unserem Trinity College von höchster Würde und
höchstem Ansehen. Diesem muss ich mich in mehrfacher Hinsicht verpflichtet
bekennen, und auch Du, wohlwollender Leser, wirst ihm Deinen schuldigen
Dank nicht versagen. Da er sich schon seit langer Zeit der engen Freundschaft
des hochberühmten Autors erfreute (wenn er von der Nachwelt nach dieser
Freundschaft eingeschätzt wird, hält er das nicht für weniger wertvoll, als durch
seine eigenen Schriften berühmt zu werden, die für die literarische Welt von
hohem Reiz sind), trug er zugleich für den Ruhm seines Freundes und für die
Vermehrung der Wissenschaft Sorge: Als nämlich die Exemplare der früheren
Ausgabe außerordentlich selten geworden und nur zu einem ungeheueren Preis
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erhältlich waren, beredete er den Autor mit dauernden dringenden Bitten und
brachte endlich – wobei er fast schon schimpfen musste – den ausgezeichneten
Mann, der nicht weniger durch Bescheidenheit als durch höchste Bildung hervorragt, so weit, dass er zuließ, dass diese neue Ausgabe des Werkes, vollständig
überarbeitet und mit wichtigen Zusätzen bereichert, auf seine Kosten und in
seinem Namen erscheint. Mir aber übertrug er, wie es sein Recht ist, die nicht
unwillkommene Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Neuausgabe möglichst fehlerfrei sei.
Cambridge, 12. Mai 1713
Roger Cotes,
Mitglied des Trinity College,
Inhaber des Plume'schen Lehrstuhls für Astronomie
und experimentelle Philosophie.
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