11 Fledermausarten im Fichtelgebirge Aus allen verfügbaren Daten wurden für jede der 17 im Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge vorkommende Arten eine umfangreiche Beschreibung sowohl über die Verbreitung im Landkreis, die Quartiere, die Jagdgebiete und Jagdstrategien, als auch der Ortungsrufe, der Lebensweise und der Lebensräume erarbeitet. Es wurde eine Verbreitungskarte für jede im Landkreis vorkommende Art erstellt, die die Quartiere, Einzelnachweise und die Ruferfassung darstellt. Die Verbreitungskarten dokumentieren den Wissensstand bis zum Jahr 2002 und wurden dem Buch "Fledermäuse in Bayern" (MESCHEDE & RUDOLPH 2004) entnommen. Wasserfledermaus (Myotis daubentonii) Beschreibung: Mittelgroße Art mit rötlicher Schnauze und einem scharf abgegrenzten blauen Pigmentfleck auf der Unterlippe, der nach einigen Jahren langsam verblasst und auffallend großen Füßen. Die Wasserfledermaus hat einen relativ kurzen Schwanz und für eine Myotis-Art mit relativ kurzen Ohren. Ohren dunkelbraun und innen aufgehellt. Der Tragus (Ohrendeckel) ist hell, abgerundet und nach vorne gebogen. Das Fell ist locker und an der Basis dunkelbraun, Abb. 86: Wasserfledermaus 68 oberseits graubraun bis dunkelbronzefarbig, Haarspitzen oft glänzend. Unterseite silbergrau und scharf abgegrenzt. Die Flughäute sind graubraun. Jungtiere mehr grau. Kopf- Rumpflänge: 45-55 mm, Unterarmlänge: 35-41,7 mm, Flügelspannweite: um 24-27,5 cm, Gewicht: 7-15 g. Zahnformel: 2133/3133 (=38 Zähne). Lebenserwartung: Zwischen 4 und 4,5 Jahren, max. 30 Jahre. Verbreitung: Die Wasserfledermaus ist nahezu in ganz Europa verbreitet. In Bayern ist sie vor allem in Nordbayern häufiger anzutreffen. Ein Grund sind sicher die zahlreichen Teichgebiete und naturnahen Fließ- und Kleingewässer in Nordbayern. Überdurchschnittlich viele Sommernachweise sind in den Naturräumen Fränkisches- KeuperLias- Land, Oberpfälzisch- Obermainisches Hügelland, Oberpfälzer und Bayerischer Wald, sowie im Voralpinen Hügel und Moorland zu finden. Status: Aus den Verbreitungskarten (Fledermäuse in Bayern) ist zu erkennen, dass die Wasserfledermaus an vierter Stelle in der Nachweishäufigkeit nach dem Mausohr, dem Braunen Langohr und der Zwergfledermaus steht. Von 1985 bis 2004 sind 101 Wochenstuben, 118 Sommerquartiere, 605 Einzelnachweise im Sommer (30 im Lkr. WUN), 460 Winternachweise (sechs im Lkr. WUN) und 12 Einzelnachweise im Winter bekannt. Bei den Quartiertypen dominieren die Winterquartiernachweise. Abb. 87: Sommerverbreitung der Wasserfledermaus Abb. 88: Winterverbreitung der Wasserfledermaus Ökologie, Lebensraum und Lebensweise: Die Wasserfledermaus wird zu den Waldfledermäusen gerechnet, da ihre Sommerquartiere hauptsächlich in Bäumen zu finden sind. Die anpassungsfähige Wasserfledermaus jagt meist flach über nahrungsreichen Still- und Fließgewässern (hier an den windstillen Uferbereichen), aber auch in Parks, Streuobstwiesen oder Wäldern. Sommer- und Winterquartiere liegen bis zu 150 km auseinander. Typisch sind auch kleine Männchenkolonien, so dass bei kleineren Ansammlungen nicht direkt auf eine Wochenstube geschlossen werden kann. Baumhöhlen und Fledermauskästen, die im Lahresverlauf häufig gewechselt (bis zu 40 mal) werden. Die seltenen Gebäudequartiere werden länger genutzt. Die Quartiere befinden sich meist nicht weiter als 2,5 km vom nächsten Jagdrevier entfernt und eher am Waldrand als mitten im Waldbestand. Der Großteil der Nachweise stammt aus Fledermaus- und Vogelkästen. Wie bei der Bechsteinfledermaus sind die Wasserfledermäuse in Wochenstubenverbänden organisiert, die sich mit Beginn der Geburten auf mehrere Reproduktionsquartiere verteilen, weil nicht genügend Platz in einer Baumhöhle ist. Brücken, Gebäude, sowie Felsen oder Höhlen werden bei uns als Sommerquartiere selten genutzt. Wochenstuben: Die Wochenstuben umfassen in der Regel 20-50 Weibchen, vor allem in 69 Sommerquartiere und Einzelquartiere: Sie unterscheiden sich nicht von den Wochenstuben. Winterquartiere: Die Wasserfledermaus bevorzugt als Winterquartier Höhlen, Keller und Stollen. Hier werden die feuchten, tropfnassen Winterquartiere mit bis zu 90 % Luftfeuchtigkeit bevorzugt. Jagdgebiete: Gejagt wird an vegetationsfreien und strömungsarmen Gewässern, aber auch im Wald an Waldrändern oder über Feuchtwiesen. Weibchen jagen in einem Radius zwischen 6-10 km, Männchen in einem Radius von 4 km um das Quartier. Es werden 2-8 Teiljagdgebiete aufgesucht, so dass die Größe des Jagdgebietes stark schwanken kann. Jagdstrategie und Nahrung: 10-30 Minuten nach Sonnenuntergang verlassen die Wasserfledermäuse ihre Quartiere. Die Wasserfledermaus jagt im schnellen und wendigen Flug 5-30 cm über der Wasseroberfläche. Sie jagt besonders schwimmende Beute, die sie mit der Schwanzflughaut und den Füßen von der Wasseroberfläche holt. Sie ist in der Lage auch Fische, wie Moderlieschen, aus dem Wasser zu ziehen. Im Beutespektrum überwiegen Zuckmücken; bis zu 5 % der Beute besteht aus Köcher- und Eintagsfliegen, Schmetterlinge, Käfer, Gleichflügler, Netzflügler und Spinnen. Häufig kommt es zu Verfolgungsflügen, wenn eine andere Wasserfledermaus ins Jagdgebiet vordringt. Abb. 89, 90: Bayerischer Giebelkasten bei Arzberg Abb. 91: Wasserfledermaus im Winterquartier (Katharinenberg, Wunsiedel) Abb. 92: Jagdgebiet der Wasserfledermaus über der Eger bei Hebanz 70 Ortungslaute: Frequenzmoduliert variable Laute von 3-7 ms Dauer von 78 auf 22-28 kHz steil abfallend. Die größte Intensität liegt bei zwischen 40 und 47 (meist 45) kHz. Die Rufe klingen im Mischerdetektor wie ein lautes Knattern oder Rattern. Die Aufnahme der Rufe ist nicht einfach, weil sie von der Wasseroberfläche stark reflektiert werden (Echo) und es zu einer teilweisen „Rufauslöschung“ kommt (siehe folgendes Sonagramm). Abb. 93: Rufauslöschung Die Aufnahme vom 23.6.2009 stammt von einer dicht über dem Dorfweiher von Breitenbrunn jagenden Wasserfledermaus. Populationsbiologie und Verhalten: Die Wasserfledermaus ist nach einem Jahr geschlechtsreif und ab Mitte Juni wird ein Junges, selten auch zwei geboren. Die Säuglingsdauer beträgt ca. 7-8 Wochen. Bereits Ende der vierten Woche sind die Jungtiere flugfähig. Die Jungtiere haben ein dunkleres Gesicht und einen blauen Pigmentfleck an der Unterlippe. Der Fleck ist nach einigen Jahren verblasst. Die Männchen bilden kleinere Verbände in den Sommerquartieren. Eine Interpretation der verschiedenen Gruppen (Wochenstuben, Sommer- oder Männchenquartiere) ist durch das häufige Wechseln der Quartiere und das Durchmischen mit Jungtieren und Männchen nicht möglich. Gefährdung: Die Wasserfledermaus ist durch den Verlust von Quartierbäumen (hier besonders der uferbegleitenden Bäume) und der Winterquartiere bedroht. Insgesamt hat die Wasserfledermaus in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet seit den 1950er Jahre zugenommen. Sie ist offenbar ein Nutznießer der Eutrophierung (Nährstoffanreicherung und die damit verbundenen Insektenzunahme) der Gewässer, auf die die Zunahme der Bestände zurückgeführt wird (NATUSCHKE 1987, ROER & SCHOBER 2001). Rote Liste der IUCN 2006: LC (Least Concern = ungefährdet), FFH- Anhang: IV, Rote Liste BRD: (ungefährdet); Berner Konvention II; Bonner Konvention II. Sanierungsmaßnahmen am Quartier: Daten über Sommerquartiere an Gebäuden sind sehr selten. Dehnungsfugen oder Spalten unter Brücken werden jedoch häufig genutzt und nicht so oft gewechselt wie Wochenstuben in Kästen. Kritische Zeiten bei Brückensanierungen liegen zwischen Mai und September. Die Temperaturansprüche unter Brücken liegen bei einem Mittel von 25°C. Wasserfledermäuse reagieren sensibel auf Beleuchtungen an den Ausflugsöffnungen (Versuchsweise Beleuchtung eines Kirchenturms Freienbach/CH). Auch nach Abschaltung der Beleuchtung um 23 Uhr flogen die Tiere erst 30 Minuten später aus. (REITER & ZAHN 2006). FFH- Monitoring: FFH- Anhang IV. Die Entwicklung der Wasserfledermaus wird in Bayern durch das Auszählen ausgewählter Winterquartiere seit 20 Jahren überwacht, da diese Art in Sommerquartieren nur schwierig und bisher unzureichend erfasst wurde. Das Monitoring in Bayern wird in Winterquartieren mit mindestens fünf Individuen (insgesamt 14 Stichproben) alle zwei Jahre 71 durchgeführt. Ein Bestand mit mehr als 15 Tieren gilt als als hervorragend, mit 5-15 als gut und mit weniger als fünf als mittel bis schlecht. 2012 wird nach einer erneuten Diskussion entschieden werden, ob die Art evtl. besser in den Wochenstuben erfasst werden sollte. Verbreitung im Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge: Durch ihre relativ enge Bindung an Wasserflächen, die als bevorzugte Jagdgebiete genutzt werden, fallen die höher liegenden Waldgebiete als Siedlungs- und Jagdlebensraum weitgehend aus. Besiedelt sind alle Gebiete, die entsprechende Gewässer aufweisen, selbst die größeren Städte und Einzelgehöfte, soweit wenigstens ein Weiher vorhanden ist. Bei den Funden in Dörfern handelt es sich meist um Beobachtungen an Teichen (Netzfang bei Reutlas; 2 Tiere Morgenroth 1992 und Albrecht & Hammer 1992; 8 Tiere am Breiten Teich) und Teichketten sowie an Bachläufen also punktuelle Vorkommen. Im Bereich der größeren Flüsse wie Eger (Netzfänge Albrecht & Hammer 1992; 19 Tier an der Eger/Selb und 23 Tiere an der Hammermühle) und an der Röslau konnte die Art an allen kontrollierten Stellen in größerer Anzahl vorgefunden werden, so dass hier durchgehende Vorkommen angenommen werden können. Eine sehr hohe Individuendichte (> 10 Tiere) wurden an der Eger unterhalb von Hendelhammer (Egerstau), im Wellerthal, am Café Egerstau, an der Hammermühle und am Sauerbrunnen in Hohenberg a.d. Eger beobachtet. Jagende Tiere können gelegentlich auch an Waldrändern, in alten Alleen (Schloss Sophienreuth) oder über Hochstaudenfluren am Rande von Gewässern jagend beobachtet werden. In diesen Situationen werden die Rufe mit batcordern wesentlich zuverlässiger aufgezeichnet und bestimmt als über dem Wasser (fehlende Rufauslöschung). Die Wasserfledermaus scheint wie andere Vertreter der Gattung Myotis Licht zu meiden. Jagdbeobachtungen fehlen im Bereich beleuchteter Straßenzüge, Parkplätzen und Fassaden. Bei den Städtekartierungen konnten 20 Fundpunkte am Rand der Städte gefunden werden (Wun: 11; Mak: 4; Sel: 5). Kleinere Verbände in drei Fledermauskästen wurden am Katharinenberg im Jahr 2006 mit 26 Tieren und 2009 mit 16 Tieren in zwei Kästen, sechs Tieren in einem Kasten in Reichenbach bei Nagel und zehn Tieren in drei Kästen (Bayerischer 72 Giebelkasten) bei Heiligenhaus erfasst. An zwei Scheunen in Fichtenhammer und Kühlgrün wurden 2008 jeweils zwei Wasserfledermäuse entdeckt. Alle anderen Nachweise stammen von Teichen und Fließgewässern. Bei der Erfassung mit den batcordern wurden 207 Kartierungspunkte (2008: 50 und 2009: 157) in die Landkreiskarte gesetzt. Damit liegt die Wasserfledermaus hinsichtlich der Häufigkeit auf Platz drei hinter der Nordfledermaus und der Zwergfledermaus. Der Anteil der Wasserfledermaus beträgt 11,27 % aller Beobachtungen. Derzeit scheint der Bestand der Wasserfledermaus im Landkreis nicht bedroht zu sein. Die Nachweise an Sommerquartieren gelangen nur an Kästen. Quartierbäume befinden sich selten weiter als 3 km von Gewässern entfernt (ROHRER & SCHOBER 2001). Zur Stützung dieser Art steht der Schutz von Höhlenbäumen und das Aufhängen von Kästen in Gewässernähe an erster Stelle. Verbreitungssituation in Oberfranken: Die Wasserfledermaus ist auch in ganz Oberfranken weit, aber bei weitem nicht gleichmäßig, verbreitet. Schwerpunktvorkommen bestehen an den Teichanlagen im Regnitzbecken und an der Regnitz zwischen Forchheim und Bamberg. Aus dem Stadtgebiet von Bamberg sind Massenvorkommen jagender Tiere vom linken Regnitzarm (Haingebiet) bekannt. Diese Art ist auch in den Stadtgebieten von Coburg und Bayreuth häufig, während sie im Obermaingebiet deutlich seltener und im Frankenwald sowie in der nördlichen Frankenalb im Sommerhalbjahr bisher nur vereinzelt nachgewiesen wurde. Für die höhlenreiche Frankenalb ist jedoch ab Mitte August ein starker Zuzug von Wasserfledermäusen zu beobachten. Balzrufe der Männchen wurden z. B. am 28.8.2009 an der Püttlach (Parkplatz an der Teufelshöhle) und am Zusammenfluss von Püttlach und Ailsbach bei Behringersmühle aufgenommen. Verbreitung in Deutschland: Die Wasserfledermaus ist eine in Deutschland weit verbreitete und häufige Art. Verbreitungsschwerpunkte sind hierbei Seenlandschaften und Flussauen. Die Nachweisund wohl auch die Bestandsdichten zeigen hierbei eine deutlich positive Entwicklung. Abb.: 94 Verbreitungskarte der Wasserfledermaus im Landkreis Wunsiedel i. Fichtelgebirge, Stand: März 2010 73