«Das bürgerliche Lager ist Geschichte» - Bern - derbund.ch Seite 1 von 4 BERN «D as bür ger liche Lager ist Geschichte» Von Simon Thönen. Aktualisiert am 22.11.2011 2 Kommentare SVP-Ständer at Adr ian Am stutz wur de abgewählt, weil die W ähler in der M itte m ehr Gem einsam keiten m it dem SP-Kandidaten H ans Stöckli er kannten als m it Am stutz, sagt der Politologe Claude Longcham p. D er abgewählte SVP-Ständer at Adr ian Am stutz er klär te seine N ieder lage m it der Fr ont der ander en Par teien gegen ihn. Sein Resultat zeigt aber : Er selber hat gegenüber seiner W ahl am 6. M är z r und 18 '0 0 0 Stim m en ver lor en. W ar um ? Aus drei Gründen: I m März konnte man nur zwischen Politologe Claude Longchamp. (Bild: Adrian Moser) der linken Ursula Wyss und dem rechten Adrian Amstutz wählen. Letztes Wochenende gab es auch den Mitte-Kandidaten Werner Luginbühl – und zwei statt http://www.derbund.ch/bern/Das-buergerliche-Lager-ist-Geschichte/story/20642377/p... 07.12.2011 «Das bürgerliche Lager ist Geschichte» - Bern - derbund.ch Artikel zum Thema W ie W er ner Luginbühl und H ans Stöckli zulegten – und Adr ian Am stutz stehen blieb Ser iensieger Am stutz wir d von Stöckli Seite 2 von 4 nur einen freien Sitz. Das I mage des jetzigen SPKandidaten Hans Stöckli war zudem gemässigter als jenes von Wyss. Und vor allem hat sich das politische Klima im letzten halben Jahr geändert. abgefangen Kom m entar : Stöcklis Stur m aufs Stöckli Bildstrecke W as ist im halben Jahr seit dem 6. M är z geschehen, das Am stutz für W ähler weniger attr aktiv m achte? Die SVP, deren Vizepräsident Amstutz ist, hat eine Kampagne gegen «Masseneinwanderung» und die Personenfreizügigkeit lanciert. Aber anders als in früheren Jahren gab es dagegen eine deutliche Gegenreaktion von links bis weit in die rechte Mitte D er zweite W ahlgang Wer zieht für den Kanton Bern in den Ständerat ein? hinein. I m Frühling hingegen waren die SVP und Amstutz nach dem Ja zur Ausschaffungsinitiative noch voll im Schuss. Nur fünf Tage nach der Wahl von Amstutz geschah der Unfall von Fukushima, der das ehemals bürgerliche Lager entzweite. Dies zeigte sich gerade an den Ständeratskandidaten: Luginbühl ist für den Atomausstieg, Amstutz nach wie vor für Kernenergie. Sie spr echen vom ehem als bür ger lichen Lager . I st dieses angesichts der D iffer enzen, etwa zwischen Luginbühl und Am stutz, über holt? Es scheint mir viele Gründe dagegen zu geben, das Wort bürgerlich heute noch zu verwenden. Das bürgerliche Lager entstand 1919 als Reaktion auf die russische Revolution. I nzwischen ist die einheitliche bürgerliche Abwehrfront gegen die Linke zerfallen. Von den Wirtschaftsverbänden wird sie zwar nach wie vor propagiert. Aber sie hat bereits bei der Wahl der mehrheitlich rot-grünen Regierung im Kanton Bern 2006 und 2010 Schiffbruch erlitten. D ie SVP-Par ole, es br auche eine ungeteilte bür ger liche Standesstim m e, ist also schlicht ver altet? I n zwei wichtigen Bereichen, dem Atomausstieg und der Personenfreizügigkeit, gibt es grössere Konflikte zwischen SVP und BDP als zwischen BDP und SP. Wenn man von diesen Fragen sprechen will, kann man sagen: Die ungeteilte Standesstimme hat am Sonntag tatsächlich gewonnen, aber nicht in dem Sinn, wie der Begriff gebraucht wird. Gewählt wurden jene, die für den Atomausstieg und die Personenfreizügigkeit sind, abgewählt Amstutz, der dagegen ist. Auf der ander en Seite wir d der W ahler folg von H ans Stöckli dam it er klär t, dass er als gem ässigter Sozialdem okr at für M itte-W ähler besser wählbar war als W yss. Aber Stöckli m achte nur r und 70 0 0 Stim m en m ehr als W yss am 6. M är z. Die politischen Positionen, die Stöckli und Wyss im Nationalrat vertraten, unterscheiden sich kaum. Wyss hatte den Nachteil, dass sie als eine der Organisatoren der Abwahl von Christoph Blocher aus dem Nationalrat gilt und damit als eine Art Mutter allen Unheils, das über das einst http://www.derbund.ch/bern/Das-buergerliche-Lager-ist-Geschichte/story/20642377/p... 07.12.2011 «Das bürgerliche Lager ist Geschichte» - Bern - derbund.ch Seite 3 von 4 bürgerliche Lager hereingebrochen ist. Stöckli hingegen konnte sich als Bieler Stadtpräsident mit der Expo.02 als Machertyp profilieren. Wichtiger ist aber, dass Stöckli aus der Niederlage von Wyss gelernt hat: Mit dem Unternehmerkomitee um Rolf Bloch konnte er sich als überparteilicher Kandidat profilieren. Zudem hat er, anders als Wyss, seine Kampagne nicht nur in den Städten, sondern auch in den kleinen und mittleren Zentren und sogar auf dem Land geführt. Ander s als am 6. M är z, als nur ein Er satz für Sim onetta Som m ar uga gewählt wur de, konnten die W ähler letzten Sonntag zwei Ständer äte wählen. Ein U nter schied? I n der Tat: Bei einer Einlinien-Wahl mit einem rechten und einer linken Kandidatur fällt es den Wählern in der Mitte schwer, sich zu entscheiden. Meistens wählen sie eher gegen als für eine Person. Viele entschieden sich etwa im Mitterechts-Spektrum gegen Wyss, obwohl sie Amstutz nicht besonders schätzen. Bei einer Zweilinien-Wahl wählt man auf der ersten Zeile den Kandidaten des Herzens. Da hatte Amstutz den Vorteil, dass er den grössten politischen Block vertritt. Aber bei drei politischen Lagern kommt alles auf die zweite Linie an. Da zeigte sich, dass Luginbühl massive Unterstützung aus dem rot-grünen Lager erhielt. I n geringerem Umfang wurde Stöckli aus der Mitte unterstützt. Diese beiden konnten gegenüber dem ersten Wahlgang stark zulegen. Amstutz hingegen konnte nur eine Minderheit der Zentrumswähler gewinnen und verharrte im wesentlichen auf den Blockstimmen, die er schon im ersten Wahlgang erhalten hatte. M it ihr er W ahlem pfehlung für Luginbühl wollte die SVP er r eichen, dass Luginbühl -W ähler auf die zweite Zeile Am stutz schr eiben. W ar um klappte dies kaum ? Da wirkt die Geschichte der Abspaltung der BDP von der SVP nach. Es ist im Kanton Bern allgemein bekannt, dass Amstutz da von Anfang an eine zentrale Rolle spielte, was die BDPWähler nicht vergessen haben. Die Mehrheit der BDP-Wähler schrieb Stöckli auf die zweite Linie. Zum einen, weil sie ihre Partei in Abgrenzung zur SVP positionieren wollten. Aber auch, weil es zwar sachliche Differenzen zu Stöckli gibt, aber eben durchaus auch viele Gemein samkeiten. D ennoch: Auf dem Land hätte Am stutz Stöckli besiegt. Er lag sogar in sieben von zehn Ver waltungskr eisen vor Stöckli. Den Ausschlag für Stöckli gab der Verwaltungskreis Bern-Mittelland. Oder genauer: die Stadt Bern allein. Hier büsste Amstutz 20 800 der 21 200 Stimmen ein, die ihm in ganzen Kanton für eine Wiederwahl fehlten. Die SVP bleibt im Kanton Bern eben eine konservativ-ländliche Partei. Bestätigt die Abwahl von Am stutz letztlich einfach die Regel, dass ein SVPH ar dliner in einer M ajor zwahl schlechte Kar ten hat? Dass Amstutz vor einem halben Jahr gewählt wurde, ist in der Tat die grössere Überraschung, als dass er jetzt abgewählt wurde. (Der Bund) Erstellt: 22.11.2011, 06:39 Uhr http://www.derbund.ch/bern/Das-buergerliche-Lager-ist-Geschichte/story/20642377/p... 07.12.2011