Kanton St.Gallen Volkswirtschaftsdepartement Amt für Natur, Jagd und Fischerei Amt Dokumentation Erfahrungsbericht FLIR-Einsatz zur Bestandes-Erhebung des Rothirsches im Werdenberg/SG Die Zunahme der Rothirschbestände stellt Jagd und Forst vor grosse Herausforderungen. Für ein wirkungsvolles Rothirschmanagement braucht es eine gute Datengrundlage über die Bestandsgrösse. In Zusammenarbeit mit der Schweizer Armee wurden gewisse Jagdreviere im Werdenberg abgeflogen, um den Wildbestand aus einem Super Puma zu erfassen, welcher mit dem Infrarotsystem FLIR III ausgerüstet war. Impressum Herausgeber Kanton St.Gallen Amt für Natur, Jagd und Fischerei Postfach, 9001 St.Gallen T 058 229 39 53 www.anjf.sg.ch [email protected] Verfasser Markus Brülisauer, Fachbereichsleiter Jagd Mirko Calderara, kant. Wildhüter ANJF Silvan Eugster, kant. Wildhüter ANJF Dr. Dominik Thiel, Amtsleiter ANJF Zusammenarbeit Die Studie erfolgte im Rahmen einer Unterstützungsleistung der Schweizer Armee zugunsten des Amtes für Natur, Jagd und Fischerei des Kantons St.Gallen, gestützt auf die Verordnung zur Unterstützung ziviler oder ausserdienstlicher Tätigkeiten mit militärischen Mitteln (VUM; SR 513.74). St.Gallen, August 2016 Erfahrungsbericht FLIR Rothirsch 2016 2/10 1 Einleitung Das eidgenössische und kantonale Jagdrecht schreibt den Kantonen vor, die Jagd zu planen und die Anliegen der Land- und Forstwirtschaft zu berücksichtigen. Dabei sollen die Wildschäden tragbar bleiben sowie eine nachhaltige Jagd gewährleistet sein. Grundvoraussetzung für eine fachlich fundierte Jagdplanung sind quantitative und qualitative Angaben über den Wildbestand. Dazu zählen die Anzahl Wildtiere sowie deren Zusammensetzung nach Alter (Jungtiere) und Geschlecht. Je besser die vorhandene Datenqualität ist, umso präziser kann die Jagdplanung durchgeführt und der Bestand durch die Jagd gesteuert werden. Eine fehler- oder lückenhafte Datengrundlage kann eine jagdliche Übernutzung oder Unternutzung zur Folge haben, was wiederum zu vermehrten Wildschäden führen kann. Nach seiner Ausrottung vor über 100 Jahren besiedeln die Rothirsche wieder ihre ursprünglichen Lebensräume in der Schweiz. In vielen Gebieten sind die Bestände in den letzten Jahren stark gestiegen, Wildschäden in der Land- und Forstwirtschaft werden vermehrt zum Thema. Während der Rothirschbestand im Sarganserland seit Jahren jagdlich erfolgreich reguliert und stabilisiert werden kann, hat er sich im Gebiet Werdenberg-Rheintal innert 10 Jahren rund verdreifacht. Die Jagdplanung ging offensichtlich von falschen Daten aus, was die Bestandsgrösse, die Dunkelziffer und das Geschlechterverhältnis angeht. Die Folge waren jahrelange Rechtsstreitigkeiten und Wildschadenforderungen der Waldeigentümer, welche unter anderem das Bundesgericht beschäftigten. Abb. 1 Resultate der Bestandserfassung Rothirsch in der Rothirsch-Hegegemeinschaft 1. Ein im Jahr 2014 gestartetes grossangelegtes Forschungsprojekt für die Praxis „Rothirsche in der Ostschweiz“ der Kantone St.Gallen, Appenzell-Innerrhoden und Appenzell-Ausserrhoden hat zum Ziel, wichtige Erkenntnisse über die Rothirschwanderungen und die Physiologie in Bezug zu Wald-Wild-Konflikten zu Erfahrungsbericht FLIR Rothirsch 2016 3/10 gewinnen. Diese Angaben dienen den Behörden auch für eine räumlich und zeitlich angepasste Jagdplanung. Die Studien haben mittlerweile die Wanderungen sowie die wichtigsten Sommer- und Wintereinstände der Rothirsche mittels besenderten Individuen ergründet, nicht aber die effektive Populationsgrösse. Eine massive Erhöhung der Abschussvorgaben in den Jahren 2014 und 2015 hat dazu geführt, dass sich der Rothirschbestand offensichtlich stabilisiert hat und das Bestandswachstum gestoppt werden konnte. Durch den hohen Jagddruck wird die Jagd immer schwieriger, die Abschussvorgaben konnten im Kerngebiet Werdenberg seit zwei Jahren nicht mehr erfüllt werden. Jetzt stellt sich die Frage, ob der Rothirschbestand wirklich bereits reduziert werden konnte, oder ob die Tiere bloss heimlicher und weniger sichtbar geworden sind und sich dem Jagddruck geschickt entziehen. Dies hätte in Zukunft einen weiteren Bestandsanstieg zur Folge. Abb. 2 Mittels Nachtaxation wird versucht den Rothirschbestand koordiniert zu erheben (Foto: Markus P. Stähli; wildphoto.ch). Der Rothirschbestand wird jährlich mit einer sogenannten Scheinwerfertaxation vom Auto aus erfasst, respektive geschätzt. Diese Erhebung findet im Gebiet Werdenberg-Rheintal in einer Nacht im März revierübergreifend statt. Die Resultate sind von zahlreichen Faktoren wie Witterung, Schneeschmelze, Aufenthalte der Rudel, Störungen, Fahrrouten usw. abhängig. Es ist völlig unklar, wie gross die Dunkelziffer ist, resp. wie hoch der Anteil der erfassten Hirsche in Bezug zur tatsächlichen Populationsgrösse ist. Bis im Jahr 2013 hat man in St.Gallen mit einer Dunkelziffer von 10 Prozent gerechnet. Möglichst genaue Bestandsgrössen sind für die Festlegung der Abschusszahl eminent wichtig. Ohne eine erfolgreiche Bestandsreduktion der Rothirsche im Gebiet Werdenberg-Rheintal mit der wohl höchsten Bestandsdichte der Schweiz, wird der Konflikt zwischen Jagd, Land- und Forstwirtschaft nicht beigelegt werden können. Im März zieht das Rothirsch im Rheintal im Hauptwintereinstand nachts auf die Wiesen, weil die Vegetation nach der Winterruhe als Hauptnahrung des Rothirsches austreibt und zu wachsen beginnt. Die meisten Rothirschrudel halten sich am Grabser-, Gamser- und Studner Berg auf. Zahlreiche Töbel und Senken erschweren die Erfassung aller Rudel, wenn man vom Auto aus die Zählung durchführt. Von der Luft aus sind die Rothirschrudel Erfahrungsbericht FLIR Rothirsch 2016 4/10 jedoch gut zu erfassen, da das Gebiet relativ wenig bewaldet ist und nachts das Wild auf den offenen Flächen Nahrung sucht. Modernste Techniken wie Wärmebildkameras aus der Luft könnten die Rothirsche im Offenland vermutlich gut erfassen. Der Einsatz von Wärmebildkameras zur Erfassung von Wildbeständen wurde in der Vergangenheit mehrfach getestet. Bereits im Jahr 2001 kam der Prototyp des FLIR II (forward looking infrared) auf einem SUPER PUMA TH89 der Luftwaffe in zwei Wintereinständen in der Leistkammregion (SG) zum Einsatz (WildArk 2002- Bericht FLIR). Damit konnte zwar die Wilddichte mittels Linientransekt erfasst, die verschiedenen Huftierarten aber nicht unterschieden werden. Ein mehrjähriges Forschungsprojekt erprobte zur Wildbestandserhebung eine Kombi-Methode von simultaner luftgestützter Infrarot- und Echtbild-Aufnahmen (Franke et al. 2012). Die dort benutzte Technik mit 640*480 pixel-IR-Kameras (JENPOTIC®) war jedoch für die Artbestimmung nur beschränkt nutzbar. Seit Anfang 2016 verfügt die Schweizer Luftwaffe über die neuste Generation Sensoren (L3 WESCAM MX15HDi) mit dem FLIR III System auf dem SUPER PUMA TH 06 welche Infrarotbilder mit einer Auflösung von 1920x1080 Pixels (HD) liefern. 2 Ziel des Einsatzes Mit dem FLIR der Schweizer Luftwaffe sollten zwei Fragen beantwortet werden: Eignet sich die neuste Generation des FLIR zur nächtlichen Erfassung von Rothirschbeständen in der Region Werdenberg-Rheintal? Wenn ja, wie gross ist die Dunkelziffer des Rothirschbestandes im Gebiet Werdenberg-Rheintal im Vergleich zur herkömmlichen Methode des Bestandserfassung mit der Scheinwerfertaxation? Diese Dunkelziffer soll in Zukunft in die jährliche Abschussplanung einfliessen. 3 Methoden der Aufnahme Erfahrungen aus der Jägerschaft und die Telemetriestudie beim Rothirsch haben gezeigt, dass das meiste Rothirsch und vor allem das Kahlwild, welches den Sommer in den höheren Lagen des Werdenberg und teilweise Obertoggenburg verbringen, im Winter sich am Hangfuss im Rheintal der Gemeinden Grabs, Gams und Sennwald aufhalten. Der Talboden ist nebst den Siedlungen von Offenland ohne Wald dominiert. Die Wälder beginnen je nach Standort erst am Hangfuss, und sind in den unteren Lagen noch von offenem Weideland dominiert. In tiefen Lagen dominieren Laubhölzer, welche gegen oben in dichte Nadelwälder übergehen. Im zeitigen Frühjahr lockt das spriessende Grün der Wiesen am Hangfuss das überwinternde Rothirsch auf die Wiesen. Speziell die trächtigen Hirschkühe sind während der Phase der wachsenden Embryos vor der Setzzeit auf nährstoffreiches Grünfutter angewiesen. Tagsüber halten sich die Rothirsche in den Waldbeständen auf, während es mit der Dämmerung auf die offenen Wiesen zieht und somit von der Luft aus gut sichtbar sein sollte. Erfahrungsbericht FLIR Rothirsch 2016 5/10 In der Nacht vom 9. auf den 10. März 2016 wurde die simultane Scheinwerfertaxation in allen Revieren der RHG-Sektion Werdenberg-Rheintal durchgeführt. Dabei wurden die seit Jahren fix festgelegten Strassen abgefahren und das mit Scheinwerfern rechts und links aus den Fahrzeugen angeleuchtete Rothirsch gezählt. Die Nacht war klar bei -4°C, die Schneedecke war ab 700m ü M geschlossen. In der folgenden Nacht vom 10. auf den 11. März von 22.15h-00.15h wurde ein Teil der Jagdreviere mit dem Superpuma abgeflogen und mit dem FLIR III die Rothirsche erfasst. Die Konsole im zweimotorigen Helikopter verfügt über zwei 17" Monitore, wo simultan das Wärmebild, das konventionelle TV-Bild und die digitale Karte (moving map) dargestellt sind. Auf der Karte werden mit Hilfe des GPS und eines digitalen Höhenmodells die Position des Helikopters sowie des beobachteten Ziels dargestellt. Der Ausschnitt und die Richtung des FLIR werden mit einem Transducer gesteuert und konstant als digitale Videodaten oder bei Bedarf auf Knopfdruck als Foto (jpg) gespeichert. Um die Eignung des FLIR zu testen, wurden zwei Methoden angewendet: 1. Transektflug: Abfliegen von im Voraus festgelegten hangparellelen (5) Transekten (3 bis 7 km lang, im Abstand von 400 m), entlang des Alpsteinmassivs in den Jagdrevieren Sennwald-Süd, Sennwald-Nord und die nördliche Hälfte des Reviers Gams und fix nach unten gerichtetem FLIR (Flughöhe 600m). Standorte von Rudel wurden dabei mit dem System markiert und gespeichert, um sie später nochmals anzufliegen. Das Gebiet ist ab Hangfuss aufwärts praktisch von geschlossenem Wald dominiert, nur in der Ebene befindet sich offenes Weideland. Diese Methode hatte zum Ziel ein im Voraus definierter Perimeter flächig, lückenlos und systematisch abzufliegen, um herauszufinden, ob dabei Wild erfasst werden kann, und es später auf den digitalen Aufzeichnungen bezüglich Art und Anzahl genau zu erfassen. 2. Freiflug: Die südliche Hälfte des Reviers Gams sowie die Gebiete Studnerberg und Grabserberg wurde im freien Suchflug abgeflogen. Hier sind die Rothirschrudel gut ersichtlich, weil das Gebiet von Offenland dominiert ist und fast nur die Töbel bewaldet sind. Während dem Freiflug wurde das ganze Gebiet kreisförmig abgeflogen und der FLIR auf die angetroffenen Rudel fokussiert und gefilmt, um sie später genau auszählen zu können. Diese Methode hatte zum Ziel die genaue Grösse der Grossrudel zu erfassen und zu sehen, ob und wo sich Rudel aufhalten, welche in der Vornacht mittels Scheinwerfertaxation nicht erfasst werden konnten (Senken, Anzahl Tiere pro Rudel, usw.). Die Gerätschaften bei der Konsole wurden während dem Flug von einem Berufs FLIR Operateur der Luftwaffe bedient. Ein ortskundiger kantonaler Wildhüter stand dem Operateur bei der Konsole zur Verfügung, markierte auf dem Monitor die erfassten Wildtiere und half bei der Flugroute beim Freiflug, um die zur Verfügung stehende Zeit optimal zur Erfassen der Rudel zu nutzen. Die aktuellen Standorte der besenderten Rothirsche gaben ebenso Auskunft, wo sich die Rudel mit den besenderten Tieren während in der Zeit vom 9./10. März aufhielten. Diese Erfahrungsbericht FLIR Rothirsch 2016 6/10 dienten als Kontrolle, um möglicherweise grosse räumliche Verschiebungen von Einzeltieren oder Rudeln zwischen den beiden Zählnächten festzustellen. Mit beiden Methoden betrug die Flughöhe rund 600m. Die Aufnahmen des FLIR wurden als Videodaten resp. Fotos gespeichert und konnten danach am PC ausgewertet werden. Sämtliche Aufnahmen wurden im Anschluss durch zwei ortskundige kantonale Wildhüter gesichtet, die erfassten Tiere nach Art und teilweise Geschlecht bestimmt, ausgezählt und auf eine Karte übertragen. Die Filme konnten jederzeit gestoppt, gezoomt und wiederholt angeschaut werden. Dank der ständigen Aufzeichnung der Flugroute konnten die Standorte der Tiere genau bestimmt werden. 4 Resultate Der Transektflug konnte wie geplant durchgeführt werden. Es hat sich bestätigt, dass sich die Rudel in den tiefen Lagen am Hangfuss aufhielten. In den steilen Hangflanken der oberen Lagen mit geschlossener Schneedecke konnten nur Einzeltiere bestätigt werden. Die aktuellsten GPS-Positionen der 13 besenderten Rothirsche im Untersuchungsperimeter bestätigten, dass es keine räumlichen Verschiebungen der Tiere zwischen den beiden Erfassungsnächten vom 9. und 10. März gab. Die Wildtiere konnten im Offenland sowie im lückigen Wald gut erfasst werden. Auch Tiere in Laubholzbeständen konnten gut erfasst werden, weil im März keine Blätter die IRStrahlen behindern. Tiere, welche vollständig von Nadelbäumen verdeckt wurden, konnten nicht erfasst werden, weil sie für IR-Strahlen nicht durchdringbar sind. Folgende Tiere konnten mit dem FLIR erfasst werden: Katze, Hund, Reh, Hirsch, Gams, Schaf und Rinder. Die Tiere konnten aufgrund der guten Auflösung und Bildqualität auf Artniveau bestimmt werden. Dazu braucht es jedoch die Erfahrung der Wildhut, welche aufgrund der Grösse und Form die Tiere bestimmen konnten. In einigen Fällen konnten auch männliche und weibliche Rothirsche aufgrund des erkennbaren Geweihs unterschieden werden. Für eine vollständige Geschlechterbestimmung aller Individuen reichte die Qualität jedoch nicht aus. Mit der Scheinwerfertaxation wurden im Gebiet am 9. März 2016 470 Stück Rothirsch erfasst. Am 10. März wurden zur gleichen Zeit im selben Gebiet aus der Luft mit dem FLIR 585 Stück erfasst. Dies entspricht einer Dunkelziffer von 20 Prozent. Erfahrungsbericht FLIR Rothirsch 2016 7/10 Gebiet Sennwald Nord Sennwald Süd Gams Grabserberg Staudnerberg total Scheinwerfertaxation 43 36 183 181 27 470 FLIR* 70 42 208 190 75 585 Differenz 27 6 25 9 48 Erfassungsquote 61 86 88 95 36 Dunkelziffer 39 14 12 5 64 Abb. 3 Anzahl erfasster Stück Rothirsch der beiden Erfassungsmethoden „Scheinwerfertaxation“ und „FLIR“ im selben Untersuchungsgebiet Werdenberg-Rheintal mit der errechneten Dunkelziffer (FLIR*-Bestand = 100 %). Im Gebiet Studnerberg ist die Dunkelziffer bei der Nachttaxation besonders hoch. Dort sind von den befahrbaren Strassen während der Scheinwerfertaxation einige Flächen nicht einsehbar. Je nachdem, wo sich die Rudel während der Scheinwerfertaxation aufhalten, können diese erfasst oder übersehen werden. Im Bereich Grabserberg wurde in einem Gebiet am Vorabend des Fluges mit den Scheinwerfern rund 80 Stück Rothirsch gezählt, welches während dem Flug leider nicht bearbeitet wurde. Aufgrund dem Abgleich der Tiere der beiden Einsätze in dieser Region wurden deshalb beim Flug rund 40 Tiere dieser 80 Stück nicht erfasst. Am Gamserberg wurden während dem Flug drei Rothirschrudel in einem Fichtenwald entdeckt, welche wegen den Nadelbäumen nicht vollständig ausgezählt werden konnten. Deshalb muss auch dort mit einer effektiv höheren Dunkelziffer gerechnet werden. Die meisten Tiere liessen sich durch den Überflug nicht stören. Einige Individuen wurden auf dem Wärmebild erkannt, wie sie zum Helikopter rauf blickten. In keinem Fall konnte beobachtet werden, dass die Tiere vor dem Helikopter flüchteten. Abb. 4 Die Wildtiere können mit dem FLIR auch unter/hinter laubfreien Laubbäumen erfasst werden (rechte Bildhälfte), nicht aber hinter Nadelbäumen (Bildmitte). Erfahrungsbericht FLIR Rothirsch 2016 8/10 5 Diskussion Die Frage, ob sich das FLIR III System der Luftwaffe für die nächtliche Erfassung der Rothirschbestände in der Region Werdenberg-Rheintal eignet, kann mit ja beantwortet werden. Die Rothirsche konnten nachts im Offenland und hinter/unter Laubbäumen problemlos erkannt und gezählt werden. Die Aufnahmequalität ist sogar so gut, dass selbst die Bestimmung der Tierart fast immer problemlos möglich war, und dies trotz der Flughöhe von 600 Metern. Wie auch bei früheren Versuchen erkannt, bleiben jedoch von Nadelbäumen verdeckte Wildtiere mit der Wärmebildkamera unerkannt. Weil sich das Rothirsch im Gebiet Werdenberg-Rheintal zum Zeitpunkt der Zählung im Offenland oder in (lückigen) Wäldern mit Laubholzanteilen aufhielt, konnte der effektive Bestand jedoch gut erfasst werden. Mit dem Vergleich der beiden Methoden, Scheinwerfertaxation von Fahrzeugen aus gegenüber der Wärmebilderfassung aus der Luft, lässt sich eine Dunkelziffer von 20 Prozent errechnen, wobei 100 Prozent dem effektiven Bestand entspricht, welcher mit dem FLIR erfasst wurde. Unter Berücksichtigung des einen nicht vollständig beflogenen Gebietes (Grabserberg) und der teilweise verdeckten Rudel (Gamserberg) liegt diese Dunkelziffer tatsächlich noch leicht höher. Sie liegt für das untersuchte Gebiet Werdenberg-Rheintal jedoch etwas tiefer als in anderen Studien, welche anhand langjähriger Datenreihen mit Kohortenanalysen errechnet wurden. So lag die Dunkelziffer beim Rothirsch in Graubünden rund um den Schweizerischen Nationalpark in den Jahren 1992-1996 bei 31 Prozent (Jenny 2010). Diese Dunkelziffer ist aber mit Sicherheit von den Strukturen und der verwendeten Methode der untersuchten Gebiete abhängig, wie auch schon die unterschiedliche Dunkelziffer in den fünf verschiedenen Gebieten im Werdenberg-Rheintal zeigt. Stärker bewaldete Gebiete oder Gebiete mit höherem Nadelholzanteil weisen erwartungsgemäss höhere Dunkelziffern auf. Bis im Jahr 2012 wurde im Kanton St.Gallen für die Jagdplanung beim Rothirsch mit einer Dunkelziffer von 10 Prozent gerechnet, was sich eindeutig als zu tief herausstellte. In Zukunft muss zumindest für die Region Werdenberg-Rheintal mit einer realistischeren Dunkelziffer von mindestens 20 Prozent gerechnet werden. Die deutlich unterschätzte Dunkelziffer hatte eine über Jahre zu tiefe Abschussvorgabe zum Resultat, was mit ein Grund für den starken Anstieg des Rothirschbestandes trotz erhöhten Abschusszahlen ist. Der in dieser Studie eingesetzte FLIR-Einsatz zur Erfassung des Rothirschbestandes ist aufgrund der Kosten und dem Aufwand keine Methode, um die herkömmliche und jährlich angewendete Scheinwerfertaxation zu ersetzen. Sie diente aber dazu die regionenspezifische Dunkelziffer für eine wildökologisch orientierte Jagdplanung zu eruieren. In diesem Sinne wäre es wertvoll auch in anderen Regionen die Dunkelziffer mit einem einmaligen FLIR-Einsatz zu eruieren. Denn eine fachlich orientierte korrekte Jagdplanung ist die erste Voraussetzung, um die schweizweit steigenden Rothirschbestände jagdlich zu regulieren. Erfahrungsbericht FLIR Rothirsch 2016 9/10 6 Dank Dieser Einsatz war nur möglich dank der grosszügigen Unterstützung der Schweizer Armee, allen voran Divisionär Hans-Peter Kellerhals der Ter Reg 4. Ebenso danken wir ganz herzlich Stephan Noger, Operationsplaner VUM des Führungsstabes der Armee und Jörg Köhler, Leiter Amt für Militär und Zivilschutz des Kantons St.Gallen für die Unterstützung des Einsatzes im Vorfeld. Für den reibungslosen Einsatz und die wertvolle Unterstützung vor und nach dem Flugeinsatz danken wir dem Team von Oberstlt Christian Lucek (LW Stab A3/5 C FD FLIR), den Piloten und Loadmastern der Luftwaffe. 7 Literatur Franke U, Goll B, Hohmann U & Heurich M. 2012. Aerial ungulate surveys with a combination of infrared and high-resolution natural colour images. Animal Biodiversity and Conservation 35.2 S 285-293. Jenny H. 2010. Es kommt Licht in die Dunkelziffern der Wildbestände. Cratschla 2/10, S 8-9 Eyholzer R, Baumann M & Jäggi C. 2002 Methodenentwicklung für den Einsatz von luftgestützten Wärmebild-Geräten zum Monitoring von wildlebenden Huftieren. WildArk – interner Bericht. Erfahrungsbericht FLIR Rothirsch 2016 10/10