Der Einfluß der Technologie - Fachbereich Informatik Hochschule

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Elektrische und elektronische Rechner: Der Einfluß der
Technologie
(Henner Schneider, Fb Informatik, FH Darmstadt)
Die Informatik begann mit Einzelerfindungen, die oft ihrer Zeit weit voraus waren. Dies zeigt
die Entwicklung von J. H. Müller über Ch. Babbage bis K. Zuse. Dann setzte eine zunehmend
systematische Erforschung des neuen Arbeitsgebietes an Hochschulen ein. Damit wurde schon
vor dem zweiten Weltkrieg begonnen, z.B. an dem von Prof. Alwin Walther (1898-1967) im
Jahr 1928 an der Technischen Hochschule in Darmstadt gegründeten IPM (Institut für Praktische Mathematik).
Der Übergang in die industrielle Fertigung bereitete besonders in Deutschland trotz frühzeitiger Ansätze (z.B. Zuse) große Probleme. Diese Probleme halten bis heute an. Eine Stabilisierung, z.B. in Normen, beginnt erst sehr langsam, ist aber in ersten Ansätzen zu erkennen. Dennoch sind die Auswirkungen der Informatik auf unser Leben bereits immens.
A) Direkter Zugriff zum Rechner: Einzelbenutzersysteme
Am Beginn der Computerentwicklung standen Einzelsysteme, die als Prototypen entwickelt
wurden. Eine Rechnerproduktion begann erst langsam und mit kleinen Stückzahlen. Die ersten
Computer wurden direkt vom Anwender bedient. Die geringe Leistung der Geräte genügte
eben, einfachere Rechnungen durchzuführen. Der Computer war damit voll ausgelastet, ja
meist viel zu langsam für die zu lösenden Aufgaben.
Lochkartenmaschinen: Die ersten automatischen Rechengeräte, die kommerziell eingesetzt
wurden, waren die Lochkartenmaschinen. Hermann Hollerit (29.2.1860-17.11.1929) erhielt am
8.1.1889 das Patent auf die erste nach ihm benannte Lochkartenmschine. Im Jahr 1896 gründete er in New York die "Tabulating Machine Company", aus der ab 1911 zusammen mit anderen Firmen die heutige "International Business Machines Corporation" (IBM) hervorging.
Als eine weitgehend selbständige Tochterfirma wurde 1912 in Deutschland die "DeutscheHollerith-Maschinen-Gesellschaft" gegründet. Dort wurde 1936 die mit Stecktafeln programmierbare Tabelliermaschine D11 entwickelt. Aus dieser Firma entstand nach dem zweiten
Weltkrieg die "IBM Deutschland".
Erste praktisch verwendbare Computer: Einer der ersten programmierbaren Coputer die
kommerziell verwendet wurden war der Z4 von Konrad Zuse. Der Rechner wurde in der Zeit
zwischen 1942 und 1945 entwickelt. Er wurde im Frühjahr 1945 in Göttingen vorgeführt und
dann in den letzten Kriegswirren ins Allgäu in Sicherheit gebracht. Konrad Zuse begann dort
unter großen Schwierigkeiten, die Z4 wieder funktionsfähig zu machen. Schließlich konnte er
die Maschine im Jahr 1950 für fünf Jahre an die ETH Zürich vermieten, wo sie von einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Prof. Stiefel erfolgreich eingesetzt wurde. Die Maschine
wurde später im Laboratoire des Recherches in St. Louis (bei Weil am Rhein) unter Leitung
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von Prof. Schardin weiter verwendet. Von dort ging sie im Jahr 1959 an das Deutsche Museum in München, in dessen Ausstellung sie sich noch immer befindet.
Doch auch an anderen Stellen wurden vergleichbare Entwicklungen betrieben. So war schon in
den Jahren 1943-44 am Institut für Praktische Mathematik (IPM) in Darmstadt unter der Leitung von Prof. Alwin Walther eine programmgesteuerte automatische Rechenanlage in Entwicklung, die noch auf mechanischen Rechenmaschinen basierte. Kurz vor dem Zusammenbau
der Anlage wurden alle Teile der Maschine und die Pläne im Herbst 1944 bei dem schweren
Bombenangriff auf Darmstadt vernichtet.
Weltweit wurden an vielen Orten elektronische programmgesteuerte Rechner in Röhrentechnik
entwickelt. Zu erwähnen ist die Entwicklung des Röhrenrechners PERM an TH München von
Hans Piloty (1894-1969) und Friedrich Ludwig Bauer (*1924) ab 1952. In Göttingen wurde
am Max-Planck-Institut für Physik von Heinz Billing (*1914) zwischen 1950 und 1952 der
Rechner G1 und zwischen 1950 und 1959 der Rechner G2 gebaut. In Berlin wurde bei Prof.
Wolfgang Haack (*1902) unter Mitarbeit von F.R. Güntsch im Jahr 1958 ein Magnetbandrechner gebaut. Nach dem Krieg wurden am IPM die Arbeiten zur Entwicklung programmgesteuerter Rechner wieder aufgenommen. In den Jahren 1951 bis 1959 wurde der
elektronische Rechenautomat DERA in Röhrentechnik entwickelt. Er wurde jedoch praktisch
nicht mehr eingesetzt, da bereits leistungsfähigere kommerzielle Rechner verfügbar waren. Als
Assistent von Prof. Willers entwickelte N. Joachim Lehmann (*1912) zwischen 1953 und 1956
an der TU Dresden den Rechner D1 und baute später dort das "Institut für maschinelles Rechnen" (IMT) auf. Seine Arbeiten konnten nicht die angemessene praktische Auswirkung erreichen, da die Entwicklung in der DDR zu stark isoliert war. Die sich rasch ausbreitende Entwicklungen an vielen Instituten können hier nicht vollständig dargestellt werden.
In England wurde im Laufe des zweiten Weltkrieges der Rechner COLOSSUS entwickelt, mit
dem der Code der deutschen Chiffriermaschine ENIGMA entschlüsselt wurde. Diese Arbeiten
erwiesen sich als entscheidender Beitrag zur Beendigung des Krieges. Doch blieben diese Arbeiten lange Zeit militärisches Geheimnis und hatten somit keinen Einfluß auf die industrielle
Entwicklung.
In USA wurden seit dem zweiten Weltkrieg unabhängig von der Entwicklung in anderen Ländern Computer entwickelt. Ab 1931 betrieb am Massachusetts Insitute of Technology (MIT) in
Boston Vannevar Bush (1890-1974) die Entwicklung mechanischer Integrieranlagen. Im Jahr
1942 entstand eine große Integrieranlage mit Röhren und elektrischem Koppelfeld, die als
Computer eingestuft werden kann. An der Iowa State University entwickelte John Vincent
Atanasoff (*1903) zwischen 1937 und 1942 ertse digitale Röhrenrechner. Sein Arbeiten wurden jedoch nicht fortgeführt und sind deswegen wenig bekannt. An der Moore School of
Electrical Engineering, University of Pennsylvania begannen John Presper Eckert (*1919),
John William Mauchly (1907-1980), Hermann Heine Goldstine (*1913) und Arthur Walter
Burks (*1915) ab 1942 mit der Berechnung von Schießtafeln. Ab 1943 entwickelten sie den
Röhrenerchner ENIAC, der wegen seiner Größe (18.000 Röhren) und seines ungeheuren Leistungsverbrauchs bekannt wurde. John Louis von Neumann (1903-1957) publizierte dort im
Rahmen der Entwicklung des Rechners EDVAC im Jahr 1945 das Konzept des speicherprogrammierbaren Rechners. Weitere Entwicklungen folgten, z.B. der Computer "Whirlwind", der
am MIT zwischen 1947 und 1950 entwickelt wurde.
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Neben vielen weiteren Entwicklungen im In- und Ausland sei auch der Transistorrechner
"Mailüfterl", den Heinz Zemanek (*1920) zwischen 1956 und 1958 an der TH Wien entwikkelte, genannt. Der Name "Mailüfterl" wurde in ironischem Anklang an "Whirlwind" gewählt.
Denn der Rechner war sehr viel weniger aufwendig gebaut als der Rechner des MIT, hatte
jedoch eine durchaus vergleichbare Leistung.
Beginn der kommerziellen Computerentwicklung: Konrad Zuse gründete eine eigene Firma
und entwickelte und fertigte in Bad Hersfeld diverse Rechner, u.a. zwischen 1956 und 1958
den Rechner Z22 in Röhrentechnik, der insbesondere an einigen Hochschulen als Rechner für
Wissenschaft und Lehre eingesetzt wurde. Der 1948 erfundene Transistor hielt etwa ab 1958
Einzug in die Computerentwicklung und brachte den entscheidenden Durchbruch bei der Zuverlässigkeit der Geräte. Mit dem Z23 entwickelte Zuse 1960/61 seinen ersten Transistorrechner.
B) Zentralisierte Datenverarbeitung: Das Rechenzentrum
Mit zunehmender Leistung der Computer und unter Berücksichtigung der enormen Kosten der
Hardware entstand die Notwendigkeit die Systeme durch möglichst intensive Ausnutzung rentabler einzusetzen. Ferner wurde begonnen, den Anwender von Bedienaufgaben zu entlasten,
indem spezielles Bedienpersonal (Operator) eingesetzt wurde. Damit entstand die Zemtralisierung der elektronischen Datenverarbeitung in Rechenzentren. Anfangs wurden die anstehenden
Aufgaben im Stapelbetrieb abgearbeitet. Im nächsten Schritt wurde die Rechnerleistung den
Benutzern durch interaktive Terminals in Form von schreibenden Terminals bzw. von Bildschirmen direkt zugänglich gemacht. Die Rechnerleistung wurde den Benutzern durch Mehrbenutzer-Betriebssysteme im Zeitscheibenverfahren zugeteilt. Die Rechnerleistung wurde weiterhin zentral verwaltet. Das führte zur Entwicklung immer leistungfähigerer Großrechner.
Damit wurde die zentrale Organisation der Firmenstruktur unterstützt und der einzelne Bearbeiter in diese Struktur eingebunden.
Die industrielle Entwicklung von Computern in Deutschland: Die industrielle Computerentwicklung in Deutschland begann mit zwei kleineren Firmen:
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Zuse KG, Neunkirchen: ab 1949 (ab 1940 betrieb K. Zuse schon ein Ingenieurbüro)
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Nixdorf, Paderborn: ab 1952
Erst relativ spät erkannte die Großindustrie in Deutschland die Bedeutung der Computertechnik, nachdem die technologische Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg durch die Siegermächte lange Zeit behindert wurde. Erst nach massiver staatlicher Förderung begannen drei
Großfirmen mit der eigenen auf der Transisitortechnik basierenden Computerentwicklung:
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SEL, Stuttgart: ER-56 Rechner (1958)
•
Siemens, München: 2002 Rechner (1958)
•
Telefunken, Ulm: TR-4 Rechner (1962)
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Die Firmen SEL und Telefunken gaben ihre Aktivitäten bald wieder auf. Lediglich die Firma
Siemens blieb im Computergeschäft aktiv. Aber auch sie ging ab 1978 eine Kooperation mit
der japanischen Firma Fujitsu ein, mit der schon vor dem Kriege Verbindungen bestanden hatten. Die Firma Zuse KG mußte ebenfalls 1964 an BBC und später an Siemens verkauft werden. Schließlich wurde auch die Firma Nixdorf im Jahr 1990 von Siemens übernommen und die
gemeinsame Firma "Siemens Nixdorf Informationssysteme AG" (SNI) gegründet. Die Firma
gehört seit 1991 vollständig zu Siemens. Aber auch diese einzige große deutsche ComputerFirma hat wegen der rasenden technologischen Entwicklung große wirtschaftliche Probleme.
Die internationale Entwicklumg: Insbesondere die US-amerikanischen Computergroßfirmen,
allen voran IBM nahmen im Rahmen der Großrechnerentwicklung eine führende, ja marktbeherrschende Rolle ein. Doch auch diese Firmen blieben mit dem Rückgang der Bedeutung der
großen Rechenzentren nicht von wirtschaftlichen Problemen verschont.
Im Jahr 1946 gründeten Eckert und Mauchly die "Electronic Control Corporation", die später
als UNIVAC-Division von Remington Rand übernommen wurde. In Kooperation mit der Harvard-Universität entwickelte IBM im Jahr 1944 den Rechner MARK I. Es folgten 1946 der
IBM 603-Rechner, 1948 der IBM 604-Rechner (weltweit in ca. 5600 Stück eingesetzt), 1953
der IBM 701-Rechner (als Rechnerserie 702 usw. fortentwickelt), 1954 der IBM 650-Rechner
und ab 1964 die IBM 360-Rechnerfamilie, das von IBM bis heute kompatibel weiterentwikkelte Konzept der zentralen Großrechner.
C) Dezentrale Datenverarbeitung: Vernetzte Arbeitsplatzrechner
Die Entwicklung der Mikrorechner in VLSI-Technik (Very Large Scale Integration) ermöglichte die Entwicklung ausreichend leistungsfähiger Arbeitsplatzrechner. Damit wurde der
Rechner wieder direkt dem Anwender zugänglich. Diese Entwicklung wurde anfangs von den
professionellen Anwendern und insbesondere von den Rechenzentren mit großer Skepsis betrachtet. Tatsächlich war diese Skepsis berechtigt, solange die Arbeitsplatzrechner nur als isolierte Systeme betrieben wurden. Denn damit wäre die durch den zentralen Rechner gegebene
Kommunikationsmöglichkeit der Bearbeiter entfallen, die für die zentral organisierte Firmenstruktur unentbehrlich war.
Erst die Entwicklung der Vernetzung der Arbeitsplatzrechner stellte die erforderliche Kommunikationsmöglichkeit zwischen den dezentralen Arbeitsplatzrechnern wieder her. Damit erzielten die Arbeitsplatzrechner endgültig ihren Durchbruch. Denn im Gegensatz zum Betrieb von
Zentralrechnern können vernetzte Arbeitsplatzrechner einfacher und rascher den wechselnden
Anforderungen der Organisation und der Anwendung angepaßt werden.
Die vernetzten Arbeitsplatzrechner haben wiederum die Firmenstruktur und die Organisation
der Arbeit in erheblichem Maße verändert. Die Arbeit läuft heute wesentlich dezentraler ab, als
früher. Das geht bis hin zum häuslichen Arbeitsplatz, von dem aus der Mitarbeiter seine Arbeit
verrichten kann, ohne in die Firma zu gehen. Ja der transportable Rechner wird schon auf Reisen unterwegs verwendet und kann über Funktelefonverbindung in die Rechnervernetzung
einbezogen werden.
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Entwicklung des Mikroprozessors in VLSI-Technik: Nachdem die ab 1965 begonnene
VLSI Technik in USA eine solche Integrationsdichte erreicht hatte, daß sogar komlette Rechnerschaltungen integriert werden konnten, entwickelte die Firma Intel im Jahr 1971 den ersten
Mikroprozessor 4004 als integrierten Silizium-Chip. Auch in der Speichertechnik wurden
komplette Speichereinheiten auf einem Chip entwickelt. Diese Entwicklungen haben sich inzwischen zu einem weltweiten technologischen Wettstreit ausgeweitet, der entscheidend die
Computerentwicklung bestimmt.
Weitere Entwicklung der Computerindustrie: Die Verbreitung der Arbeitsplatzrechner bis
in den privaten Bereich haben eine Vielzahl kleiner Unternehmen entstehen lassen, die inzwischen zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz der großen Computerhersteller geworden sind,
da sie mit weitaus geringeren Unkosten arbeiten als die Großfirmen. Dazu trägt noch die Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer, insbesondere im fernöstlichen Bereich bei. Dafür
haben die Hersteller der hochintegrierten Schaltungen, die die Basis der Rechner bilden, eine
teilweise marktbeherrschende Stellung gewonnen. Führend ist dabei weiterhin die Firma Intel.
Heute verlagern sich die industriellen Aktivitäten zunehmend auf das Gebiet der Software. Eine
unübersehbare Vielzahl kleiner und kleinster Softwarefirmen sind in relativ kurzer Zeit entstanden. Daneben gibt es einige große Softwarefirmen, die aber keine Marktbeherrschende Position
erreichen. Wenige neue Großfirmen, wie z.B. Microsoft sind aus kleinsten Anfängen entstanden. Bei diesen Firmen zeichnet sich sich die Möglichkeit einer Marktbeherrschung ab. Doch
ist die Entwicklung auf dem Softwarebereich noch so heftig, daß endgültige Aussagen dazu
zur Zeit unmöglich sind.
Weiterführende Literatur:
1. de Beauclair, W.: Rechnen mit Maschinen. Eine Bildgeschichte der Rechentechnik.
Braunschweig: Vieweg, 1968.
2. Zemanek, Heinz: Weltmacht Computer. Geschichte, Strukturen, Medien. Esslingen;
München: Bechtle, 1991.
ISBN 3-7628-0492-3
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