Biosicherheit in Rinderbetrieben

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TIERGESUNDHEIT
Biosicherheit in Rinderbetrieben
Elementare Maßnahmen zur Tiergesundheit neu strukturiert
2014 gab es für Rinderhalter viel Neues: das neue Tiergesundheitsgesetz, den Leitfaden Biosicherheit
in Rinderbetrieben und die Hygieneempfehlungen zur Haltung von Wiederkäuern. Diese Regelungen
sollen die Hygienemaßnahmen im Rinderbereich standardisieren , die Tiergesundheit stärken und dem
Rinderhalter mehr Eigenverantwortung übertragen.
Kristin Resch, vet-consult
Tiertransporter sind ideale Übertragun gswege für Ti erse uche n eine optimale Reinigung mit Hochdruckrei ni ger ist unabdingbar,
bevor er den nächsten Hof anfährt.
D
abei hat das Tierges undheitsgesetz
di e stärkste Wa ffe: Nach Artikel 3
soll der Viehhalter d a für Sorge tragen ,
dass Tierseuchen weder in seinem Be stand ein geschleppt werden noch aus seinem Bestand versch leppt werden. Artikel
18 sieht vor, dass der Anspruch au f Entsch ädigungen entfällt, wenn dem nicht
Folge geleistet wird. Das kann zum finan ziellen Ruin füh ren .
Für d en Rinderhalte r gibt e~ zwe i
Handre ichungen, di e A nhaltspunkte
liefern können , wie ma n da s vermeiden
kann: erstens den Leit fade n Biosicherheit in Rinderbetriehen lind zweitens die
H ygieneempfehlungen an das Halten von
Wiederkä uern.
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Milchpraxis 1/2015 (49. Jg.) •
Hofeigene Schut zkleidun g für externes Fachpersonal- ein w ich t iger Baustein für ein fund iertes Biosicherheitskonzept
Was ist Biosicherheit?
Hinter dem Begriff Biosicherheit ve rbirgt sich die einfache Idee, Krankheite n
von Tierp opulatione n. Bes tänden od er
Gruppen fe rn zuha lten. in denen sie bislang nicht aufgetreten sind oder. wenn sie
bereits aufgetreten sind. di e Ausbreitung
innerhalb des Bestandes zu beschränken.
Biosicherheit hat in Rinderbetri eb en
eine ne ue Bedeutung gewonn en. Der San ierungsstand von Tierseuchen im Rinderbereich ist gut voran geschritten und
gleich zeitig we rden die Rinderbe stä nde größe r. Also wird auch die Sensibilität für Tierseucheneinbrüche grö ßer u nd
es können dadurch hohe wirtschaftli che
Schäden entstehen. So ze igte eine Unter-
suchun g, dass der wirtsc haftliche Schaden eine r BVD-Neuinfektion sich fas t
verdopp elt. wenn sich gleichzeitig der
Zeitraum zur letzten Infektion hin verdoppelt, denn das Ausbleiben von Feldinfektionen führt dazu . dass di e Tie re
keine Antikörper mehr entwickeln. Wird
dann gege n eine Tierseuche auch nicht
geimpft. kann eine Ne uinfektion große
Schäden a nrichten.
Tie rges undheitsm aß na hmen müssen
also intensiviert werden. je höher der Sanierungss tand ist. Nicht nur für den Eil1zelbetrieb. sondern au ch für den gesa m ten H a nd el mit Tieren und tierische n
Produ kte n können Se uchenei nbrü che
dram at ische Folgen h aben . Deshalb ist
es sinnvoll. Rinderhaltern Leitfaden und
TIERGESUNDHEIT
BETRETEN
VERBOTEN
WERTVOLLER
TIERBESTAND
Die Sammlung von produktionsbezogenen Daten ist eine wicht ige
Dieses Schild schützt den Tierbestand vor unerwünschtem Besuch.
Voraussetzung für hofeigene Tiergesundheitskonzepte.
Hygieneempfehlungen an die Hand zu
geben. Beide Dokumente sind zwar an
sich nicht rechtsverbindlich, bei Urteilsbegründungen können sie aber als Bezugsdokumente, die den üblichen Standard illustrieren, herangezogen werden.
Nach Einschätzung von Experten ist das
Bewusstsein unter den Rinderhaltern
für Biosicherheit nicht einheitlich. Während Rinderhalter von großen Beständen
sich stark mit Biosicherheitsmaßnahmen
auseinandersetzen, bleibt zu hoffen, dass
auch Rinderbestände mit kleineren Zahlen das Potenzial dieses Konzeptes für
sich erkennen.
te. Ausschlaggebend für die Entscheidung
sind folgende beiden Faktoren: Welchen
züchterischen Wert hat die Herde? Welche
Sanierungsstufe ist erreicht? Sicherheitsstufe 1 sollte jedoch Grundlage sein für
das Halten von Rindern.
Die ersten Schritte
Wie kann man sein Vorhaben, Biosicherheitsmaßnahmen zu etablieren,
in die Tat umsetzen? Dr. Mark Holsteg,
Tierarzt beim Rindergesundheitsdienst
der Landwirtschaftskammer NordrheinWestfalen, empfiehlt, dabei wi rklich die
Expertise der Tiergesundheitsdienste in
Anspruch zu nehmen. Denn hilfreich
sind Hofbegehungen von Experten, die
den Hof und seine Betriebsabläufe mit
unverstelltem Blick von außen begutachten. Sie können die häufige Betriebsblindheit des Landwirts und seiner Mitarbeiter am besten ausgleichen. Wer sich
Früherkennungskriterien eines möglichen Tierseucheneinbruchs
1. Abfall des durchschnittlichen Tagesgemelks um mehr als 20 % oder massiver
Der Aufbau eines betriebsindi·
vi duellen Biosicherheitssystems
Eine gute Grundlage zur Erstellung
solch eines Systems bietet der Leitfaden
der Tierärztekammer Niedersachsen. Eine Initiative der Tierärztekammer Niedersachsen hat die Zusammenarbeit einer interdisziplinären Arbeitsgruppe aus
Tierärzten, Viehzüchtern, Viehhändlern,
Tierbesamungstechnikern und Experten für landwirtschaftliches Bauen angeregt. Daraus ist ein Leitfaden entstanden,
der übersichtlich und sehr praktisch dem
Landwirt etwas an die Hand gibt, um sein
eigenes Biosicherheitssystem zu erstellen.
In vier Arbeitsfeldern Tierverkehr, Personen- und Fahrzeugverkehr, Tiergesundheitsmanagement und landwirtschaftliches Bauern, werden konkrete Maßnahmen vorgestellt - vom Verbringen des
Tierkadavers über das Stiefelputzen bis
hin zum Stallbau. Das Drei-Stufen-Modell
gibt dabei drei Sicherheits ebenen vor, die
Rinderhalter erreichen können. Eine Verbesserung der Biosicherheit ist natürlich
nicht umsonst zu haben. Aber der Landwirt entscheidet selbst, welche Sicherheitsstufe er für seine Herde haben möch-
Milchrückgang bei mehreren Einzeltieren
2. Fieber von mehr als 40 Grad Celsius bei mehr als 10 % der Herde
3. Kälberverluste von über 5 % in den ersten acht Lebenswochen
4. Verluste bei den adulten Tieren von mehr als 5 %
5. Aborte oder Totgeburten von über 3 % pro 500 Abkalbungen
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Mi lchpraxis 1/2015 (49. Jg.) .
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TIERGESUNDHEIT
jedoch davor zunächst scheut, kann mit
Tierkontakte durch die Fremdperson
vermieden werden.
dem Leitfaden gut selbst einen Anfang
3. Nach der Behandlung kan n der Tier-
machen.
arzt/der Besucher sich und se ine In strumentarien an ein em ausreichend
großen Waschbecken mit heißem Wasser reinigen.
Meist si nd es die alltäglichen Dinge,
die große Probleme ve rursachen. Zum
Beispiel der Besuch des Tierarztes. Ein
Gramm infi zierter Rinderkot kann eine
gesamte Herd e mit BVD anstecken. Eine
Untersuchung im Jahr 2001 in den Niederlanden hatte gezeigt, dass der Haupt-
Fotos: vet-consult
Sie haben das bereits so eingerichtet?
Dann können Sie mit sich zufrieden sein .
Dies sind die einfachsten Schritte. um
das Risiko e in er Infekt ion se in schlep pung durch den Tierarzt zu verkleinern .
Nichtsdestotrotz ist der Tierarzt natürli ch auch mit einer der wichtigsten Akteure bei den Biosicherheitsmaßnahmen,
besonders im Baustein Tiergesundheitsmanagement. Dabei ist besonders wichtig die gute Zusa mme narbeit von Tierhalter und Tierarzt. Der Landwirt kann
eine gute Tierbeobachtung liefern und
se in e produktionsbiologischen Daten
nut zerfreundlich sammeln. Die regelmä-
Risiko ver ringert, dass Keime einge-
2. Die zu behandelnden Tiere sind abge-
zeit ig Krankheitsa nzeichen zu erkennen.
schleppt we rden. Am besten steht betriebseigene Kleidung zur Verfügung.
trennt von dem Rest der Herd e fixiert
und gekennzeichnet. damit unnötige
des Bundeslandwirtschaftsministeriums
grund für Neuinfekt ionen von Herden
mit BVDVI war, dass der Personenve r-
kehr wie z. B. Klauenpfleger, Besamungs-
.. ...
~
techniker und Tierarzt nicht mit betri ebseigener Kleidung ausgestattet wa r.
,
~.
"'-- ..-:
Deshalb sollte der Tierarztbesuch oder
Besuche von anderem Fachpersonal im
Stall bzw. bei der He rde folgenderma ßen
vorbereitet sein:
Jede Hofanlage muss seinem Fachpersonal
eine Gelegenheit bieten, sich und seine
Instrumentarien zu reinigen, damit Erreger~
I. Der Besucher hat Gelegenheit, seine
St iefel zu reinigen und zu desinfizieren,
verbreitung minimiert w ird.
bevor er den Stall betritt - somit ist das
Fakten zu BVD
ßige Tierbeobachtung dient dazu, fr üh-
siven Effekte bei vor allem jungen Rin -
Hier we rden die Hyg ieneempfehlungen
bedingungen und Mängel in der Fütte -
dern erklärt. Es treten häufig bakteriel -
rung. Während bei Kälbern vor allem
Die Bovine Virusdiarrhoe (BVD) der
le Sekundärinfektionen auf. Die Viru s-
Rinder kommt weltwe it vo r und hat
ausscheidung erfolgt über alle Exkrete
für die Rinderh altung eine große wirtschaftliche Bedeutung.
und Sekrete, die den Körper verlassen.
Atemwegserkrankungen vorkommen ,
find en sich be i erwach se nen Tieren
vermehrt Anzeichen von Durchfa ller-
Inzwischen besteht in Deutschland ei-
ne regional unterschiedliche Durchseuchungsrate. wobei im Durchschnitt
80 % der Rinderp opulation als betroffen angenommen wird.
Das BVD-Virus hat eine große Affinität zu den Schleimhautzellen des Verdauungstraktes. Darüber hinaus ist es
in der Lage. nach einer In fektion eines ungeschützten tragenden Tiers die
Pla zentaschranke zu überwinden, so dass eine intrauterine Infektion des Fe -
krankungen. Je nach Vi rulen z des Erregers und seiner Eigenschaften sowie
der Immunitätslage des infizierten Tieres können sich verschiedene klinische
Formen der Erkrankung ausbilden. Die
Inkubationszeit beträgt zw ischen 5 bis
10 Tage.
Infektionswege
Die Verbreitung des BVD-Erregers erfolgt vor allem du rch Tierhandel, Besamung, Deckakt, unbelebte Vektoren so-
übe rstand ener Erkrankung erlangen
die Tiere eine lang anhaltende Immu -
nität, BVD-Antikörper werden über das
Die Heilungsaussichten sind je nac h
klini scher Verlaufsform unte rsch ied-
wie Personenverkehr. Die Infektion fin -
Kolostrum an Neugeborene weitergege-
lich. Bei der subklinischen und respira-
det über die Schleimhäute (Tröpfchen-
ben.
torischen Form sow ie der Virusdiarrhö
ist sie meist günstig, bei der In fektion
während der Trächtigkeit unbestimmt.
Eine wirksame Therapie der eigentlichen Virusinfektion ist nicht möglich,
infektion) von Tier zu Tier sowie über
Personen, Fahrzeuge. Gerätschaften
und Ähnliches statt. So weit bekannt,
wird BVD nicht durch Insekten übertragen. Der Hauptüberträger stellt das
persistent infizierte Tier dar (PI-Tier).
Des Weiteren fungieren seropositive
Kühe mit virämischen Feten (..Trojani-
sche Kühe") als Einschleppungsgefahr
in empHi nglichen Beständen ..
Nach der Infektion vermehrt sich das
Virus auf der Nasenschleimhaut und
in den Tonsillen.' Die weitere Virusvermehrung erfolgt dann in den weißen
Blutkörperchen, was die immunsupres -
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Milchpraxis 1/2015 (49. Jg. ) •
tus möglich wird. Nach Infektion bzw.
Symptome
Die Einsch leppung des BVD-Virus in
einen Rinderbestand führt in der Regel
zu einem Bestandsproblem, auch wenn
deutliche Krankheitsanzeichen nur
an Ein zelti eren zu beobachten si nd. Je
Vorbeugung
weshalb die Prophylaxe großgeschrieben wi rd. Es gibt Impfstoffe gegen den
nach Infektionslage kommt es zur allmählichen Durchseuchung der Herde.
Eine 100%ige Durchseuchung ist aller-
BV D -Vi ru s, die eine Immunisie run g
vor Beg inn der Trächtigkeit ermöglichen, sodass sich tragende Rinder nicht
anstecken können.
dings eher die Ausnahme, da sich einzeln e Tiere aufgrund einer sehr guten
Abwehrlage nicht infi zieren. Begünsti- .
konsequenten Durchführung vo n Biosicherheitsmaßnahmen einen sinnvol-
gend für Ansteckun g und Schwere der
Erkrankung sind schlechte Haltungs-
len und notwendigen Schutz für Milchviehbetriebe dar.
Quelle: Boehringer
Eine BVD-Impfung stellt neben einer
TIERGESUNDHEIT
Praxistipp:
Möchten Sie die erwähnten Dokumente im Original lesen? Schauen
Sie im Internet unter www.tkns.de
bzw. www.bundesanzeiger.de.
management ist eine komplexe Sache
und bei größeren Herden brauchen Sie
eine Person, die alle Fäden in der Hand
hält und den Überblick bewahrt.
•
Fazit
Keine Maßnahme bietet einen
100 %-Schutz!
Kosten für die Biosicherheit
Tierseuchen kann nur mit einem
Eine sehr gute Entscheidungshilfe bei
der Frage, für welche Biosicherheitsstufe
sich der Landwirt entscheidet, bietet ei ne neue Untersuchung, die zum ersten
Mal die Biosicherheitskosten pro Betrieb
bzw. pro Kuh berechnet hat. So betragen
die Kosten für eine Herde von 64 Kühen
jährlich knapp 5.000 Euro, um die Biosicherheitsstufe 1 zu erreichen, für die Stufe 3 muss man aber schon knapp 30.000
Euro kalkulieren. Verhältnismäßig werden die Kosten aber geringer. je größer
die Herde ist. Diese Studie hat auch die
Kosten gegeneinander aufgetragen, die
bei einer Neuinfektion mit BVD auftreten. So sind die Kosten für die Biosicherheitsmaßnahmen Stufe 1 und 2 immer
noch geringer als die Kosten , die entstehen, wenn es zu einem BVD -Einbruch
kommt.
«
den - von dem Biosicherheitsmaßnahmen neben den Impfungen mit
als die wichtigsten betrachtet werden müssen. Es ist zunehmend wichti ger, die Rinderherden bei einem stei genden Sanierungsstand zu schützen, denn die Rückschläge können
sehr schmerzlich sein. Ein gut durchdachtes Biosicherheitskonzept ist ein
wichtiger Grundstein , seine Herde zu
schützen.
Maßnahmenpaket begegnet wererfrischend konkret. Sie geben Warn schwellen als Früherkennungskriterien
bekannt, bei denen der Tierhalter spätestens dann bestandsdiagnostische Maßnahmen initiieren sollte.
Der Trend geht dahin, dass auch Rinderbetriebe im Rahmen einer integrierten Bestandsbetreuung kontinuierlich
von einem Tierarzt betreut werden, wie
von beiden Dokumenten auch empfohlen . Der Tierarzt ist dabei nicht nur kurativ tätig, sondern begleitet aktiv die Sanierungsprogramrne sowie steht beratend zur Seite bei sämtlichen tiergesundheitlichen Fragen. Er kann auch die Fäden zusammenhalten bei der notwendigen Hinzuziehung von weiterem Expertenwissen wie zum Beispiel Melktechniker und Futterberater. Tiergesundheits-
• KONTAKT •••
Kristin Resch, Tierärztin, Berlin
[email protected]
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