Schönheit für einen Tag

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Garten
BAUERNBLATT | 2. Juli 2016 ■
Das Wissen darum, dass jede einzelne Taglilienblüte sowieso nur einen Tag lang blüht, macht es leichter, die schönen Blüten für Salate
und Sommerbuffets zu pflücken.
Bereits am nächsten Tag blühen die
kräftigen Stauden wie zuvor. Pflegeleicht und robust, waren Taglilien früher in jedem Bauerngarten
zu finden. Sogar die Blätter lassen
sich sowohl frisch als auch getrocknet nutzbringend verwenden.
Taglilien blühen in vielen Farbtönen von Hell- und Zitronengelb
über Lachs, Orange und Rostbraun
bis zu dunklem, schwärzlichem Rot.
Die großen Trompetenblüten mit
sechs Blütenblättern – drei äußere, drei innere – und langen, nach
oben gebogenen Staubfäden ähneln denen echter Lilien. Sie sitzen allerdings im Gegensatz zu Lilienblüten auf unbeblätterten, hohen Blütenstängeln. Taglilien besitzen auch keine Zwiebeln, sondern
einen knolligen Wurzelstock, aus
dem kräftig grüne Horste langer,
schmaler Blätter treiben.
Trotz der Ähnlichkeit ihrer Blüten werden Taglilien heute botanisch nicht zu den Lilien, sondern
zur Familie der Grasbaumgewächse (Unterfamilie Tagliliengewächse) gezählt. Ähnlich wie der deutsche Name leitet sich der botanische
Gattungsname Hemerocallis von
den griechischen Wörtern „hemera“ (Tag) und „kallos“ (Schönheit)
her: Die meisten Sorten öffnen sich
nachts oder früh am Morgen und
schließen sich in der folgenden
Nacht wieder. Da sich aber an jedem Blütenstängel
viele
,Frans Hals’ ist
eine der
wenigen
zweifarbigen
Sorten.
Jede Taglilienblüte bleibt nur einen Tag geöffnet.
Vielseitige Taglilien
Schönheit für einen Tag
Blütenknospen befinden, die sich
nacheinander öffnen, dauert die
Blüte oft mehrere Wochen lang,
und eine einzige Pflanze kann bis
zu 500 Blüten hervorbringen. Frühe Sorten blühen ab Mai, späte bis
in den August oder September. Einige Sorten kommen durch Remontieren auf eine besonders lange Blütezeit.
In China, woher sie ursprünglich
stammen, wurden Taglilien schon
vor Tausenden von Jahren in Gärten kultiviert. In Europa begann
die Geschichte der Taglilien im 16.
Jahrhundert mit zwei Arten, die
so robust sind, dass sie heute bis
nach Finnland hinauf vielerorts
verwildert wachsen: die Gelbrote Taglilie Hemerocallis fulva und
die Gelbe Taglilie Hemerocallis
flava, die nach neuer Nomenklatur H.
lilioasphodelus genannt wird. Alle Taglilien gedeihen in
kalkhaltigen
bis leicht sauren Böden.
Sie bevorzugen frische
bis
feuchte Böden und sonnige Standorte. Manche Arten
kommen auch mit Halbschatten
zurecht, andere wie H. fulva mit
im Sommer trockenen Plätzen.
Die Gelbrote Taglilie wilderte
schon früh aus Bauerngärten aus.
Da sie neben verlassenen Hausruinen besonders gerne alte Gleisanlagen und Bahndämme besiedelt,
erhielt sie den Beinamen „Bahnwärter-Taglilie“. Sie blüht dunkelorange bis rostrot im Juli bis August.
Die starkwüchsige Staude wird
80 cm bis 1,20 m hoch und besitzt
einen starken Ausbreitungsdrang.
Gleichzeitig ist sie sehr robust und
anpassungsfähig, nur stark saure
und staunasse Böden verträgt sie
nicht. Obwohl H. fulva auch im lichten Schatten gedeiht, ist ein sonniger, im Sommer nicht zu kühler
Standort ideal. Im Winter überstehen die Pflanzen schadlos Temperaturen bis zu –30 °C.
Auch die Gelbe Taglilie kommt
heute in ganz Europa verwildert
auf Wiesen und in Auwäldern vor.
Sie liebt frische bis feuchte, humusreiche Böden und wächst bevorzugt in der Nähe von Teichen
und Wasserläufen. Auch im Garten
passt sie gut an den Rand eines Teiches oder Wasserbeckens. Sie verträgt Sonne und Halbschatten, in
der Sonne blüht sie allerdings üppiger. Mit 70 bis 80 cm Höhe bleibt
Hemerocallis flava etwas kleiner
als die Gelbrote Taglilie, und auch
die hellgelben Blüten sind schmaler und zierlicher. Dafür öffnen sie
sich bereits ab Mai oder Juni und
duften blumig.
Die Zitronentaglilie Hemerocallis
citrina gelangte erst Ende des 19.
Jahrhunderts aus China nach Europa. Sie ist starkwüchsig mit dunkelgrünen Blättern und einem stark
verzweigten Blütenstand. Die Zitronentaglilie blüht ab Juni/Juli
bis August. Ihre schmalblättrigen,
hellzitronengelben Blüten öffnen
sich bereits gegen Abend und duften nachts zitronenähnlich. Bei heißem Wetter schließen sie sich dafür schon im Laufe des folgenden
Nachmittags wieder. Wie die Gelbe Taglilie eignet sich H. citrina gut
für die Bepflanzung von Wasserläufen, aber auch für nicht zu trockene Beete mit Wildstaudencharakter und ist ebenso wie diese bis
zu –30 °C winterhart.
Systematisch gezüchtet wurden
Taglilien seit etwa 1900 vor allem
in England und Italien, später in
Nordamerika. In den vergangenen
Jahrzehnten entstanden vor allem
in den USA Hunderte von Sorten
in vielen Farben, Blütenformen
und -größen, von denen aber viele
hinsichtlich des Wetters recht anspruchsvoll sind: Die Blüten leiden
nicht nur unter Regen, sondern verlangen auch milde Nächte. Liegen
die Nachttemperaturen zur Blütezeit unter 15 °C, öffnen sich die Blütenknospen häufig nur unvollständig oder gar nicht. Für norddeutsches Klima eignen sich deshalb vor
Der Blattaustrieb im Frühjahr lässt sich
wie Lauch in der Küche verwenden.
allem ältere Sorten, deren Blüten
widerstandsfähiger gegenüber Regen und kühlen Nächten sind und
bis etwa –25 °C winterhart.
Die meisten Hybridsorten entstanden unter Verwendung spät
blühender Arten (H. multiflora, H.
thunbergii), die in Reinform nicht
mehr im Handel sind. Ihre Haupt-
■ BAUERNBLATT | 2. Juli 2016
blütezeit liegt im Juli. Eine Ausnahme bildet etwa die zierliche,
aber dennoch unempfindliche Sorte ,Maikönigin’, die ihrem Namen
entsprechend bereits zwischen
Mai und Juni blüht. Sie wird nur
50 bis 60 cm hoch und trägt kleine, hellgoldgelbe, duftende Blüten. ,Sammy Russell’ ist eine widerstandsfähige und wüchsige spätere Sorte mit ziegelroten Blüten
bis in den August hinein, sie wird
60 bis 80 cm hoch. Eine der wenigen zweifarbigen Sorten ist ,Frans
Hals’, deren äußere Blütenblätter
gelb sind, die inneren dagegen
rostrot mit gelbem Mittelstreifen.
Diese alte, etwa 60 cm hohe Sorte
zeichnet sich durch eine besonders
reiche Blüte und lange Blütezeit
im Juni/Juli aus. Durch Remontieren kommt ‚Stella de Oro‘ auf eine
noch längere Blütezeit von Juni/
Juli bis zum Spätsommer. Passend
zu den kleinen, goldgelben, duftenden Blüten wachsen auch die
Stauden niedrig und werden nur
40 cm hoch.
Gepflanzt werden alle Taglilien im Frühjahr oder so zeitig im
Herbst, dass die Pflanzen vor dem
Winter noch einwurzeln können.
Bis frisch gepflanzte Taglilien ihre
Blüte voll entfalten, dauert es oft
drei bis vier Jahre. Dafür halten sie
in durchlässigen, nährstoffreichen
Böden lange am gleichen Platz
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werden, fördert dies allerdings die
Blühfreudigkeit. Auch aufgrund
des starken Ausbreitungsdrangs
starkwüchsiger Arten und Sorten
kann es nötig sein, die Pflanzen
hin und wieder zu reduzieren oder
zu teilen. Besser setzt man allerdings gleich ebenbürtige Partner
ins Beet: Rote oder rotbraun blühende Taglilien wie Hemerocallis
fulva passen hinsichtlich Wüchsigkeit und Standort zu Lampionblume (Physalis), Gemswurz (Doronicum) und Goldfelberich (Lysimachia). Gelb blühende Taglilien passen
gut zu Schwertlilien (Iris sibirica),
Dreimasterblume (Tradescantia)
Hemerocallis flava blüht bereits im Spätfrühjahr.
und hohen Glockenblumen (Campanula persicifolia). Auch Kombiaus und wachsen zu immer um- man das im Herbst einziehende nationen mit rot bis violett blühenfangreicheren Stauden heran. Der Laub überwiegend belassen und den Bauerngartenstauden wie InPflanzabstand sollte deshalb min- erst im Frühjahr nach dem Neudestens 60 bis 90 cm betragen, nur austrieb entfernen. Taglilien leibei schwachwüchsigen Sorten ge- den auch kaum unter Schädlinnügen 40 cm. Der Wurzelstock soll gen. Bei den Blütenknospen frübei der Pflanzung 5 cm mit Erde be- her Sorten kann es vorkommen,
deckt sein.
dass sie unförmig anschwellen,
Die robusten Stauden benötigen statt sich zu öffnen. Verursacher
neben gelegentlicher Düngung ist eine Gallmücke, deren Vermehmit Kompost und etwas Steinmehl rung durch das Ausbrechen und
wenig Pflege. Falls es während der Vernichten befallener Knospen
Blütezeit an Regen mangelt, för- gestoppt wird.
dert regelmäßiges Gießen die BlüAuch ohne Verjüngung sind Hetenentwicklung, andernfalls blei- merocallis sehr langlebig und könben die Blüten klein. Während ab- nen Jahrzehnte an einem Standort
geblühte Stängel bodentief abge- überdauern. Wenn sie alle zehn bis Die feinen Blätter ergeben beim
schnitten werden können, sollte 15 Jahre geteilt und umgepflanzt Flechten schöne Effekte (hier mit
Weide und Rotem Hartriegel).
dianernesseln (Monarda), Sonnenbraut (Helenium) und Sonnenhut
(Echinacea) bieten sich an.
Bereits im alten China waren die
Schösslinge und Knospen von Taglilien als Gemüse sehr geschätzt.
Die geöffneten Blüten schmecken
pfeffrig pikant und ergeben gefüllt mit mildem Frischkäse oder
Sauerrahm eine nicht nur dekorative, sondern auch leckere Vorspeise. Knospen und Blüten verschönern auch Salate und schmecken
fein geschnitten auf dem Butterbrot. Die langen, schmalen Blätter sehen nicht nur Lauchstangen
ähnlich, sondern schmecken jung
fast genauso und können als Gemüsebeilage oder zu Nudelgerichten gedünstet werden.
Damit sind die Verwendungsmöglichkeiten noch nicht erschöpft: Im Herbst nach dem Einziehen der Staude dienen die im
trockenen Zustand fein glänzenden, silbrig braunen Blätter als natürliches Bindematerial und zum
Flechten kleiner Körbe und Gefäße. In Ostasien werden sogar SeiHemerocallis fulva wandert auch gerne durch den Kombination alter Bauerngartenpflanzen: Taglilien und le und Schuhe aus Taglilienblättern
Anke Brosius
Zaun.
­Zinnien.
Fotos: Anke Brosius hergestellt.
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