Julia Gabrisch Die Assimilation von Migranten auf dem Arbeitsmarkt und der Einfluss auf ihre Identifikation mit dem Aufnahmeland Februar 2014 Migremus Arbeitspapiere Nr. 2/2014 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ...................................................................................................... 1 2. Theoretischer Rahmen ................................................................................. 4 2.1. Das handlungstheoretische Assimilationsmodell nach Esser ................................ 4 2.2. Die Rolle des Arbeitsmarktes im Assimilationsprozess ......................................... 7 2.3. Identität und Identifikation- ein Exkurs ................................................................. 9 2.4. Hypothesen ............................................................................................................... 12 3. Methodischer Rahmen ............................................................................... 14 3.1. Datenbasis................................................................................................................. 14 3.2. Operationalisierung ................................................................................................. 15 3.2.1. Operationalisierung der abhängigen Variable .................................................... 15 3.2.2. Operationalisierung der unabhängigen Variablen .............................................. 16 3.3. Von der Random- und Fixed-Effects Methode zum Hybrid-Modell .................. 18 3.4. Ein Modell für ordinal abhängige Variablen ........................................................ 20 4. Datenanalyse und Ergebnisse .................................................................... 22 4.1. Ergebnisse der deskriptiven Analyse ..................................................................... 22 4.2. Ergebnisse der Hybrid-Modelle ............................................................................. 27 4.2.1. Ergebnisse des linearen Hybrid-Modells ........................................................... 27 4.2.2. Ergebnisse der ordinalen logistischen Regression mit Within-Effekten ............ 30 5. Zusammenfassung und Fazit..................................................................... 34 Literaturverzeichnis .......................................................................................... 37 1. Einleitung Seit nicht mehr geleugnet werden kann, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, beschäftigt man sich auch hierzulande mit der Eingliederungsproblematik von Migranten, um die eine heftige Debatte entstanden ist. Vor allem seit Stimmen laut werden, die eine Wiederbelebung der ethnischen Zugehörigkeit beobachten und einen abnehmenden Integrationswillen bei Migranten beklagen, muss man sich die Frage stellen, inwieweit Migranten tatsächlich zunehmend schlechter eingegliedert sind und vor allem welche Faktoren die Integration bzw. Assimilation von Migranten in die deutsche Gesellschaft begünstigen oder aber behindern. Diehl und Schnell (2006) haben sich ebenfalls die Frage gestellt, ob in Deutschland eher von Assimilation oder von einer Wiederbelebung der ethnischen Zugehörigkeit gesprochen werden kann und zeigen, dass es in Deutschland in den Jahren 1984 bis 2001 vor allem bei Türken und EU-Migranten insgesamt zu einem Zuwachs derjenigen gekommen ist, die sich vollkommen deutsch fühlen, also eine erfolgreiche identifikative Assimilation aufweisen (vgl. Diehl/ Schnell 2006: 800). Der Anteil derjenigen, die sich vollkommen deutsch fühlen, liegt jedoch in der ersten Generation von Türken und anderen EU-Migranten bei nur etwa 10% bzw. 17% und auch in der zweiten Generation erreichen diese Gruppen lediglich Werte von ungefähr 33% bzw. knapp 40% (vgl. ebd.). Gerade bei der zweiten Generation könnte erwartet werden, dass die Werte höher ausfallen, da diese Personen in der Regel in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Doch wie kann die unvollständige Assimilation erklärt werden und womit hängt die geringe Identifikation mit dem Aufnahmeland zusammen bzw. wie kommt es dazu, dass Zuwanderer sich überhaupt mit dem Aufnahmeland identifizieren? Gerade die Identifikation mit dem Aufnahmeland als Teilaspekt des Assimilationsprozesses wird in der wissenschaftlichen Praxis häufig vernachlässigt. Obwohl die Thematik oft in der Literatur aufgegriffen bzw. in Verbindung mit der Eingliederung von Migranten erwähnt wird, gibt es kaum Studien, die empirisch untersuchen, wie es bei Migranten letztlich zur Identifikation kommt. Im Mittelpunkt stehen dagegen häufig die Eingliederung in den Arbeits- und Wohnungsmarkt (vgl. Kalter 2006 und Massey/ Fischer 1999) oder das Knüpfen sozialer Kontakte (vgl. Winkler et al. 2011). Eine Studie, die sich mit der Identifikation beschäftigt, stammt von Diehl und Schnell (2006), die sich diesem Thema aber nur deskriptiv nähern und fest halten, dass bei Migranten insgesamt eine Zunahme der Identifikation mit Deutschland zu beobachten ist. Paul Bernhard Hill (1984) dagegen lässt bei seiner Studie zu den Zusammenhängen der Assimilationsdimensionen die Identifikation vollkommen aus. 1 Etwas ausführlicher beschäftigt sich Rainer Schnell (1990) in seiner Studie mit dem Thema Ethnizität bzw. der ethnischen Identität. Besonders interessant ist dabei die multiple Regression zur Erklärung der Selbstidentifikation als Deutscher. Besonders starke positive signifikante Effekte weisen unter anderem interethnische Kontakte bzw. ein deutscher Freundeskreis und die relative Aufenthaltsdauer auf. Negativ auf die Identifikation mit dem Aufnahmeland wirkt sich dagegen die islamische Religion aus. Keinen Einfluss haben in Schnells Untersuchung die Nationalität sowie die Diskriminierung (vgl. Schnell 1990: 54f.). Die meisten Studien konzentrieren sich also auf die Bedeutung der sozialen Kontakte oder der Sprache im Eingliederungsprozess vor allem als Bedingung für die Platzierung am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt (vgl. Esser 2006 und Hans 2010). Im Gegensatz dazu wurde der Einfluss der Arbeitsmarktassimilation auf die Identifikation noch nicht ausreichend empirisch untersucht obwohl sie eine Basis für ein erfolgreiches Leben im Aufnahmeland darstellt: Sie dient nicht nur zur Beschaffung überlebenswichtiger Ressourcen, wie Lebensmittel, sondern bestimmt den Wohnort und ermöglicht das Gefühl von Unabhängigkeit und die Aussicht auf sozialen Aufstieg. Erst wenn diese grundlegenden Bedürfnisse gesichert sind, kann ein Migrant sich seiner Umgebung und Einheimischen gegenüber öffnen. Zwar gibt es viele Studien, die zeigen, dass Migranten insgesamt benachteiligt sind und meistens schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben (Kalter 2005 und Kalter/ Granato 2004), jedoch beantworten auch diese nur unzureichend die Frage nach der Auswirkung der Platzierung auf dem Arbeitsmarkt auf den gesamten Assimilationsprozess, also vor allem auf die identifikative Assimilation, die den Endpunkt einer erfolgreichen Eingliederung darstellt. Auch die wenigen Studien, in denen der Arbeitsmarkt und die Identifikation berücksichtigt werden, lassen viele offene Fragen zurück vor allem, weil sie keine einheitlichen Ergebnisse zeigen: Joachim Trube entdeckt in seiner Pfadanalyse eine direkte aber negative Beziehung zwischen der Platzierung am Arbeitsmarkt und der identifikativen Assimilation (vgl. Trube 1984: 166). Auch in der Untersuchung von Jan Fuhse (2010) wird angenommen, dass das Einkommen einen positiven Einfluss auf den Erhalt der ethnischen Identität hat. Begründet wird dies damit, dass nur durch ein entsprechendes Einkommen transnationale Praktiken, also beispielsweise Reisen ins Herkunftsland, möglich sind (vgl. Fuhse 2010: 150). Zwar zeigen die Ergebnisse der OLS-Regression tatsächlich, dass durch ein höheres Einkommen auch die ethnische Identität zunimmt, jedoch waren die Werte nicht signifikant (vgl. Fuhse 2010: 160163). Zu anderen Ergebnissen gelangt Silke Hans (2010), die unter anderem in einem multivariaten „Random-Intercept“ Modell den Einfluss aller Assimilationsdimensionen und noch weiterer Erklärungsfaktoren auf die identifikative Assimilation testet. Demnach haben 2 alle Teilprozesse der Eingliederung einen geringen Einfluss auf die identifikative Assimilation, also auch die Platzierung am Arbeitsmarkt (vgl. Hans 2010: 229). Nicht nur die uneinheitlichen Ergebnisse aus den bisherigen Studien lassen die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Arbeitsmarktplatzierung und der Identifikation mit dem Aufnahmeland offen, sondern auch die verwendeten Methoden, die zur Beantwortung einer solchen Fragestellung häufig ungeeignet sind. Schnell, Trube und Fuhse beispielsweise verwenden nur Querschnittsdaten und Hans berechnete „Random-Intercept“ Modelle, die bei Längsschnittanalysen zu Verzerrungen führen können, da der Fehlerterm auf der Aggregatebene mit dem Fehlerterm auf der Personenebene korrelieren kann. Außerdem verwenden Trube und Hans Indizes zur Bestimmung der Assimilation, wodurch die Einflüsse der einzelnen Aspekte wie beispielsweise das Einkommen oder die Berufsposition, nicht voneinander getrennt untersucht werden können. All dies sind Gründe sich in dieser Arbeit etwas genauer mit der Problematik der identifikativen Assimilation und ihrer Beeinflussung durch die Arbeitsmarkteingliederung zu beschäftigen und empirisch zu untersuchen, wie genau der Effekt der Platzierung von Migranten auf dem Arbeitsmarkt auf die identifikative Assimilation nun aussieht. Zentral interessiert es, ob der Einfluss nur indirekt oder auch direkt sein kann, wie bei Hans angedeutet, ob er positiv oder negativ ist und welche Faktoren dabei von besonderer Bedeutung sind. Zunächst aber wird ein kurzer Überblick über das handlungstheoretische Assimilationsmodell nach Esser gegeben, welches die Grundlage für diese Untersuchung bildet und woraus später die Hypothesen abgeleitet werden. Im darauffolgenden methodischen Teil werden die Datenbasis, die Variablen und die verwendeten Methoden, ein „Hybrid“-Modell zur Analyse von Paneldaten sowie ein Modell für ordinal abhängige Variablen, erläutert. Im anschließenden Abschnitt werden zu Beginn die deskriptiven Analysen vorgestellt, um einen ersten Eindruck über die Daten und die zentralen Variablen zu gewinnen. Daraufhin werden die gerechneten Hybrid-Modelle und die Resultate vorgestellt und interpretiert. Am Ende werden die Ergebnisse hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Hypothesen zusammengefasst und diskutiert. 3 2. Theoretischer Rahmen Zur Erklärung der Eingliederung von Migranten haben sich im Laufe der Zeit zahlreiche Theorien mit jeweils eigenen Begrifflichkeiten entwickelt, wie zum Beispiel die klassischen Ansätze von Robert Ezra Park und Ernest W. Burgess (1921) oder Milton Gordon (1964), wo vor allem die sozialen Kontakte im Mittelpunkt stehen. Neuere Ansätze stammen beispielsweise von Portes und Zhou (1993), die von einer einheitlichen Assimilation in den „mainstream“ abkommen und Alba (2008) bzw. Alba und Nee (2003), die wiederum eine Angleichung über Generationen hinweg beobachten. Einen Überblick zu den verschiedenen Assimilationstheorien bieten zum Beispiel Aumüller (2009), Han (2005) und Treibel (2008). Für diese Arbeit sollen jedoch nicht alle Assimilationstheorien von Bedeutung sein, da diese amerikanischen Ansätze nicht nur keine Aussagen über den Zusammenhang zwischen der Arbeitsmarkteingliederung und der Identifikation beinhalten, sondern nach Esser „im Wesentlichen aus Generalisierungen von bestimmten empirischen Trends, angereichert allenfalls durch Skizzen und Typologien davon, über welche allgemeineren Bedingungen und generierenden Mechanismen sie zustande kommen“ (Esser 2008: 82), bestehen. Aus diesem Grund soll deshalb das handlungstheoretische Assimilationsmodell von Esser vorgestellt werden, welches eine bessere Grundlage zur Beantwortung der vorliegenden Fragestellung bietet. 2.1. Das handlungstheoretische Assimilationsmodell nach Esser Das Besondere an Essers Ansatz, den er 1980 erstmals in seinem Buch „Aspekte der Wanderungssoziologie“ veröffentlicht und mit seinem Modell der „intergenerationalen Integration“ 2008 erweitert hat, so dass er auch die Ausgänge der klassischen bzw. neueren Assimilationstheorien von Park, Portes und Zhou sowie Alba und Nee erklären kann, ist der Versuch, den Eingliederungsverlauf von Migranten als Folge rationalen Handelns zu erklären. Dabei stützt Esser sich zum einen auf den methodologischen Individualismus und zum anderen auf die kognitive Theorie des Lernens und Handelns (vgl. Esser 1980: 14). Unter Assimilation versteht Esser dabei einen „Zustand der Ähnlichkeit des Wanderers in Handlungsweisen, Orientierungen und interaktiver Verflechtung zum Aufnahmesystem“ (Esser 1980: 22). Das Aufnahmesystem wird dabei nicht als einheitlich angenommen, sondern weist Ungleichheiten zwischen den gesellschaftlichen Gruppen auf. Von Assimilation kann dann gesprochen werden, wenn auch die ethnische Gruppe diese Unterschiede aufweist, also 4 beispielsweise die Verteilung der Bildungsabschlüsse der Migranten mit denen der Einheimischen übereinstimmt (vgl. Esser 2000: 288). Damit grenzt Esser die Assimilation von dem gerne benutzten Begriff der Integration ab, die wiederum als „Gleichgewichtszustand von personalen bzw. relationalen Systemen“ (Esser 1980: 23, Hervorh. im Orig.) betrachtet werden kann. Ein Migrant kann somit vollkommen integriert sein, auch wenn dieser nur in die ethnische Gemeinschaft einbezogen ist und sein „System“ ohne Konflikte funktioniert bzw. sich im Gleichgewicht befindet. In diesem Fall findet das ganze Leben in der ethnischen Gemeinschaft statt: Er wohnt in ethnischen Vierteln, alle seine sozialen Kontakte sind ebenfalls Migranten, er arbeitet in einem ethnischen Betrieb und spricht eventuell nur die Sprache des Herkunftslandes. Diese Abschottung ist nach Esser aber kein erstrebenswerter Zustand, wenn eine gleichberechtigte Teilhabe der Migranten an der Aufnahmegesellschaft möglich sein und ethnische Schichtung vermieden werden soll. An dieser Stelle soll auf einen Aufsatz von Esser (2001b) verwiesen werden, wo er sich dazu klar positioniert. Die Assimilation, als Spezialfall der Integration, wird nach Esser einsetzen, „wenn ein Wanderer schließlich assimilative Handlungen als subjektiv erfolgsversprechender zur Erreichung hochbewerteter Ziele wahrnimmt, keine folgenschweren, negativ bewerteten Konsequenzen solcher Handlungen annimmt und bei entsprechender Handlungswahl das angestrebte Ziel regelmäßig und dauerhaft erreicht“ (Esser 1980: 14). Die Migranten können zwischen aufnahmelandspezifischen Handlungen (receiving-context-option bzw. rc-Option) und Aktivitäten entscheiden, die sich auf die ethnische Gemeinschaft beziehen (ethniccontext-option bzw. ec-Option) (vgl. Esser 2008: 88). Zur Erreichung ihrer Ziele, wie soziale Anerkennung oder physisches Wohlbefinden, haben sie verschiedene Möglichkeiten: Entweder investieren sie in fehlende Mittel, wie zum Beispiel einer Berufsausbildung im Aufnahmeland (rc-Option), oder sie schaffen sich Subkontexte, wie ethnische Enklaven, in denen sie ihre bereits vorhandenen Mittel, ihr Kapital, nutzen können. Entscheiden sie sich für eine rc-Option, so sind die Investitionskosten gewiss, der Ertrag allerdings nicht. Die Gefahr, dass man trotz des Erwerbs spezieller beruflicher Voraussetzungen keine Arbeit findet, ist immer gegeben. Bei den ec-Optionen fallen zwar die Investitionskosten weg und scheinen damit häufig die sichere Variante zu sein, jedoch ist der Nutzen am Ende nur begrenzt und liegt weit unter dem der rc-Optionen (vgl. ebd.). Dies muss ein Migrant vor seiner Entscheidung stets berücksichtigen. Zieht man von dem Ertrag einer rc-Option den Ertrag der ec-Option ab, erhält man nach Esser die Motivation. Ist diese Differenz positiv, dann ist der Anreiz zur Investition in rc-Optionen größer und bei einem negativen Ergebnis werden 5 Migranten eher in den ethnischen Kontext investieren. Letztlich wird die Handlung gewählt, dessen Gewicht am höchsten ist und ein positives Auskommen verspricht (vgl. Esser 2008: 89). Die Wahl zwischen aufnahmelandspezifischen Handlungen und auf den ethnischen Kontext bezogene Handlungen werden außerdem von Randbedingungen, wie der Größe der ethnischen Gruppe im Aufnahmeland, deren Zusammensetzung sowie von ethnischen Grenzziehungen, beeinflusst (vgl. Esser 2008: 89-92). Assimilation kann dabei in vier unterschiedlichen Dimensionen geschehen, die nacheinander erfolgen, aufeinander aufbauen und sich gegenseitig bedingen (Abbildung 1): Zu Beginn des Eingliederungsprozesses steht nach Esser die kognitive Assimilation wobei der Migrant die Sprache und spezifische Verhaltensweisen lernt (vgl. Esser 1980: 231). Sie ist Grundlage, um mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und die Teilhabe am Ausbildungssystem bzw. Arbeitsmarkt beeinflusst (vgl. Hans 2010: 72). Auf die kognitive Assimilation folgt die strukturelle Assimilation, also die Eingliederung in wichtige Institutionen, wobei versucht wird, sich möglichst günstig zu platzieren, um sich zum Beispiel durch eine eigene Arbeit finanziell unabhängig zu machen und eine Grundlage für einen sozialen Aufstieg zu schaffen. Diese Grundbedürfnisbefriedigung ist Grundlage für alle weiteren Schritte (vgl. Esser 1980: 230). Im dritten Schritt stehen dann die sozialen Kontakte, die zu Einheimischen geknüpft werden und besonders durch die strukturelle Assimilation beeinflusst werden, da sich durch eine erfolgreiche Eingliederung in den einheimischen Arbeits- und Wohnungsmarktmarkt mehr Möglichkeiten und Anreize zur interethnischen Interaktion bieten. Erst am Ende kann es zur Identifikation mit dem Aufnahmeland kommen (vgl. Esser 1980: 231). Dieser letzte Schritt ergibt sich durch positive Verstärkung aus den vorhergehenden und äußert sich beispielsweise in Form von Loyalitätserklärungen oder durch das Tragen spezieller Kleidung. kognitive Assimilation strukturelle Assimilation soziale Assimilation identifikative Assimilation Abb.1.: Kausalmodell der Assimilation nach Esser (Esser 1980: 231) Was im Modell nicht dargestellt ist, sind eventuelle Rückkopplungen. So ist es durchaus vorstellbar, dass Migranten ihre sozialen Kontakte bei der Wohnungs- oder Arbeitssuche nutzen können und ihre strukturelle Assimilation weiter vorangetrieben wird. Allerdings ist dies auch hier der Einfachheit halber weggelassen worden (vgl. Esser 1980: 231). Wichtig zu erwähnen ist, dass dieser in Abbildung 1 dargestellte Idealfall der Assimilation nur stattfinden 6 kann, wenn die Randbedingungen seitens der Person und der Umwelt möglichst günstig sind. Ist der Migrant beispielsweise nicht motiviert oder stellt die Umgebung keine Gelegenheiten zur Assimilation zur Verfügung bzw. existieren Hindernisse oder andere Alternativen, die bevorzugt werden, wie die Segregation, dann kann die Eingliederung zum Erliegen kommen (vgl. Esser 1980: 210 f.). Das Erlernen der Sprache reicht deshalb noch nicht aus, um den Assimilationsprozess in Gang zu setzen (vgl. Hans 2010: 72). An dieser Stelle interessiert aber weniger der Einfluss der Umwelt oder der Person, sondern allein der Zusammenhang der einzelnen Assimilationsdimensionen untereinander und im Besonderen der Einfluss der Platzierung am Arbeitsmarkt, als Teil der strukturellen Assimilation. 2.2. Die Rolle des Arbeitsmarktes im Assimilationsprozess In dieser Arbeit soll im Besonderen die Bedeutung des Arbeitsmarkts als Teil der strukturellen Assimilation im Mittelpunkt stehen. Doch in welcher Weise kann die Platzierung auf dem Arbeitsmarkt nun Einfluss auf eine erfolgreiche Assimilation, die sich durch die Identifikation mit dem Aufnahmeland auszeichnet, haben? Folgt man dem hypothetischen Kausalmodell von Esser aus Abbildung 1, so hätte die strukturelle Assimilation vor allem einen indirekten Einfluss auf die identifikative Assimilation, da sich der Arbeitsplatz aber auch der Wohnort zunächst auf die sozialen Beziehungen auswirken würde. Der Arbeitsplatz und die Wohnumgebung würden in diesem Fall als „Foci“ funktionieren, also als Orte, wo Personen zusammenkommen und soziale Interaktionen ermöglicht werden (vgl. Friedrichs 1995: 169). Erst durch diese sozialen Kontakte zu Einheimischen kommt es im zweiten Schritt zur Identifikation mit dem Aufnahmeland. Der Arbeitsplatz könnte dabei sogar eine wichtigere Rolle spielen als die Wohnumgebung, da ein arbeitender Migrant sich in der Regel einen Großteil des Tages am Arbeitsplatz aufhält und sich somit besonders viele Gelegenheiten bieten, mit anderen in Kontakt zu treten. Esser betont, dass zur erfolgreichen Integration in die Aufnahmegesellschaft, die strukturelle Assimilation unabdingbar ist, da nur durch sie Migranten die Möglichkeit haben, soziale Beziehungen zu Einheimischen aufzubauen, einen sozialen Aufstieg zu erleben und am Ende sich mit den Werten der Aufnahmegesellschaft zu identifizieren (vgl. Esser 2000: 304f.). Wenn die strukturelle Assimilation und im Besonderen die Platzierung auf dem Arbeitsmarkt, solch eine wichtige Bedeutung für den Assimilationsprozess als Ganzes hat, wäre es denkbar, dass sie die identifikative Assimilation auch direkt beeinflusst. Durch Erfolgserlebnisse am Arbeitsplatz, wie soziale Aufstiege oder Einkommenszuwächse, könnten Migranten sich 7 zunehmend mit dem Aufnahmeland identifizieren, da es ihnen diesen Erfolg erst ermöglicht hat und sie sich als Teil dieser Gesellschaft ansehen können. Vor allem eine neue Arbeitsstelle oder eine Erhöhung des Einkommens ist eine unmittelbare Belohnung für ihre Assimilationsinvestitionen, die von den Migranten mit dem Aufnahmeland und den Institutionen, die zu dem Erfolg beigetragen haben, in Verbindung gebracht werden. Man könnte Essers Assimilationsmodell deshalb auch wie folgt umbauen: strukturelle Assimilation kognitive Assimilation identifikative Assimilation soziale Assimilation Abb.2.: Alternatives Assimilationsmodell auf Basis von Esser (vgl. Esser 1980: 233) Dieses Modell aus Abbildung 2 taucht bereits bei Esser in einer etwas anderen und umfangreicheren Art auf (vgl. Esser 1980: 233). In diesem alternativen Assimilationsmodell, welches auch bei Hans wiederzufinden ist, steht die kognitive Assimilation noch immer am Anfang des Eingliederungsprozesses und die identifikative Assimilation am Ende. Allerdings haben hier alle Assimilationsdimensionen, also auch die strukturelle und die kognitive Assimilation, einen direkten Einfluss auf die Identifikation mit dem Aufnahmeland (vgl. Hans 2010: 73). Das Modell aus Abbildung 2 soll nun Grundlage für die weitere Arbeit sein, da hier der Einfluss des Arbeitsmarktes eindeutiger zu erkennen ist als beispielsweise in den bisherigen Assimilationstheorien von Park, Portes und Zhou oder Alba und Nee. Es zeigt, dass die Platzierung auf dem Arbeitsmarkt die Identifikation mit dem Aufnahmeland auf zwei Arten bedingen kann: indirekt über soziale Kontakte aber auch direkt, was für diese Arbeit besonders interessant ist. Außerdem bietet Essers handlungstheoretisches Modell alles in allem viele Vorteile, die die klassische, segmentierte oder neue Assimilationstheorie nicht haben. So ist sein Ansatz methodologisch ausgereifter und letztlich ist es möglich mit Essers weiterentwickeltem Modell der „intergenerationalen Integration“ alle Ausgänge der Eingliederung, also sowohl die Assimilation, als auch die „downward assimilation“ oder die ethnische Schichtung, zu erklären. 8 Ein Aspekt, der in den hier vorgestellten Ausführungen von Esser nicht ausführlich behandelt wird, ist die Bedeutung der identifikativen Assimilation und speziell die Frage was Identifikation bzw. Identität überhaupt bedeutet? Wie entstehen Identitäten und können sie sich überhaupt verändern? Der folgende Exkurs zu diesem Thema soll helfen, den Antworten auf diese Fragen näher zu kommen. 2.3. Identität und Identifikation- ein Exkurs Ein Blick in die Literatur zu dieser Thematik lässt erahnen, dass es auch zur Identität und Identifikation eine Vielzahl von verschiedenen Ansätzen in der Wissenschaft gibt. Einen groben Überblick zu den unterschiedlichen Identitätstheorien, beispielsweise von Mead über Goffman bis Epstein, geben unter anderem Hill und Schnell im Sammelwerk „Generation und Identität“ von Esser und Friedrichs aus dem Jahr 1990 oder auch Frey und Haußer (1987). Da es sich hier nur um einen kurzen Exkurs handeln soll, werden diese Konzepte nicht im Detail vorgestellt. Das hier vorgestellte Identitätsverständnis folgt Essers eigenen Ausführungen und lässt sich, wie noch gezeigt wird, gut mit seinem Assimilationsmodell verknüpfen. Die Identität einer Person ist zunächst nichts anderes als ein „Satz an schematisierten Hypothesen, die der Akteur über sich in seiner Beziehung zu seiner sozialen Umgebung und zu sich selbst unterhält“ (Esser 2001a: 335). Diese schematisierten Hypothesen oder auch „kategorisierten Reaktionsmuster“ (Hill/ Schnell 1990: 37), wie sie im Sammelwerk von Esser und Friedrichs genannt werden, enthalten alle durch Erfahrung und Lernen gewonnenen Einschätzungen und Vorstellungen über Situationen und Handlungen. Jeder Mensch lernt so in bestimmten Situationen auf eine eigene Art und Weise zu reagieren und kann diese eigenen Reaktionsmuster von fremden Mustern unterscheiden. Sie machen das „Selbst“ aus und bestimmen letztlich unser Denken, Fühlen und Handeln. Die Definition besagt weiterhin, dass Identität immer einen individuellen und einen sozialen Aspekt, bzw. das Verhältnis dieser beiden zueinander, beinhaltet. Die Identität setzt sich deshalb aus verschiedenen Dimensionen zusammen, die dieses Zusammenspiel von Person und Umwelt verdeutlichen: die soziale, die personale und die Ich-Identität. Diese begriffliche Unterscheidung richtet sich nach traditionellen Identitätstheorien der Soziologie und Sozialpsychologie beispielsweise von Mead oder Goffman, die ebenfalls diese Begrifflichkeiten verwenden (vgl. Esser 2001a: 341 und Esser/ Friedrichs 1990: 14). 9 Die soziale Identität, als Komponente des Selbst, die sich auf die Umgebung einer Person bezieht, ist allgemein zunächst die Vorstellung über die geläufigen und anerkannten Verhaltensweisen zwischen Akteuren in bestimmten Situationen. Diese Identität teilt sich noch einmal in die kollektive und kategoriale Identität. Während letzteres schlicht die Vorstellung über die Beziehungen der unterschiedlichen Rollen zueinander umfasst, ohne sich dabei mit den Rollen identifizieren zu müssen, ist die kollektive Identität die Kenntnis über die eigene Zugehörigkeit zu einer Gruppe bzw. einem Kollektiv, das durch ein Wir-Gefühl geprägt ist. Dazu zählt auch die ethnische Zugehörigkeit, die uns später besonders interessieren wird (vgl. Esser 2001a: 341f. und Esser/ Friedrichs 1990: 15). Die personale Identität entspricht der individuellen Dimension des Selbst und bezeichnet die Einstellung bzw. die Haltung, die der Akteur als individuelles Wesen zur Umgebung einnimmt. Die Erkenntnisse über sich selbst entstehen dabei in der Interaktion mit anderen Akteuren und werden individuell verarbeitet (vgl. Esser 2001a: 342f. und Frey/ Haußer 1987: 4). Auch diese Dimension lässt sich noch weiter unterteilen. Doch für diese Arbeit ist die detaillierte Aufteilung der personalen Identität weniger wichtig. Die dritte Dimension des Selbst, das die manchmal widersprüchlichen Aspekte der personalen und sozialen Identität zu einer reibungslos funktionierenden Einheit organisieren soll, ist die Ich-Identität (vgl. Esser 2001a: 343). Die Identität ist weiterhin kein fester und beständiger Zustand, sondern kann sich durch die Einnahme von Rollen bzw. das Nachahmen von Verhalten und dem damit verbundenen Verinnerlichen von Werten und Normen verändern (vgl. Esser/Friedrichs 1990: 13f.). Dieses Verständnis von Identität deutet bereits an, weshalb es sich gut in Essers Assimilationsmodell einfügen lässt. Die Entwicklung einer Identität kann wie die Assimilation als Lernprozess verstanden werden, welches durch Belohnungen bekräftigt wird. Auch der Wandel bzw. der Beibehalt einer Identität kann somit mit Hilfe der WertErwartungstheorie rational begründet werden. Der Wechsel oder auch das Beibehalten einer Identität wird dabei als Entscheidung für eine Handlung angesehen. Durch eine Abwägung der Kosten und des Nutzen prüft das Individuum, wie er seine Ziele am besten erreichen kann und wählt die für ihn beste Handlungsoption (vgl. Hill/Schnell 1990: 35). Entsprechend der Fragestellung dieser Arbeit interessiert vor allem die ethnische Identität, die als Teil der sozialen bzw. kollektiven Identität angesehen werden kann. Wie kommt es, dass Individuen sich weniger mit ihrem Herkunftsland identifizieren aber dafür mit dem Aufnahmeland? 10 Zur ethnischen Identität stößt man in der Literatur häufig vor allem auf Begriffe wie Ethnizität oder einfach die Definition von ethnischen Gruppen, die sich hinsichtlich ihrer Abstammung sowie kultureller Gewohnheiten von anderen unterscheiden und diese gemeinsam ausleben (vgl. Yinger 1985: 159). Ethnizität enthält also nicht nur das Wissen über die eigene Herkunft und Gruppenzugehörigkeit, sondern weist auch auf das Ausleben spezieller kultureller Verhaltensweisen hin. Deshalb ist auch für Schnell Ethnizität ein übergeordneter Begriff, der sich aus drei Dimensionen zusammensetzt: Der erste Aspekt ist die sogenannte ethnische Identität, worunter man die hier bereits vorgestellten Reaktionsmuster bezeichnen kann, die sich in diesem Fall auf eine bestimmte ethnische Gruppe beziehen. Zweitens gehört ein spezifisches ethnisches Verhalten zur Ethnizität, wie Essgewohnheiten oder das Tragen bestimmter Kleidung, wodurch die Gruppen sich offen voneinander abgrenzen können und drittens die ethnische Identifikation, was hier als das Maß der Wertschätzung der eigenen Gruppe verstanden wird (vgl. Schnell 1990: 45f.). Möchte man also die Änderung des Zugehörigkeitsgefühls zu einer ethnischen Gruppe erklären, muss man alle drei Dimensionen berücksichtigen. Folgt man dem Ansatz der Wert-Erwartungstheorie, dann besitzt der Migrant zunächst eine auf sein Herkunftsland bezogene Ethnizität bzw. Identität, die er durch die Reaktion auf spezifische Umweltreize aufgebaut hat. Durch wiederholte „Belohnungen“ wie sozialer Anerkennung oder „Bestrafungen“ lernt das Individuum auf bestimmte Situationen auf eine eigene Weise zu reagieren und verinnerlicht dies (vgl. Hill/Schnell 1990: 36f). Diese Ethnizität äußert sich, wie schon erwähnt, in den drei Dimensionen ethnische Identität (Reaktionsmuster), ethnisches Verhalten sowie ethnische Identifikation. Sie stehen nicht nur ständig in Wechselbeziehung zueinander, so dass angenommen werden kann, dass sie sich nicht unabhängig voneinander wandeln können, sondern reagieren auch (unbewusst oder bewusst) auf die Umwelt. Bei einer äußeren Veränderung, wie der Migration, funktionieren plötzlich bestimmte verinnerlichte Handlungsstrategien nicht mehr. Ziele, wie soziale Anerkennung, können durch herkömmliches (ethnisches) Verhalten eventuell nicht mehr verwirklicht werden. An dieser Stelle werden die bereits bestehenden Handlungsstrategien hinterfragt und erneut geprüft. Sind die Kosten zur Änderung zu hoch bzw. hat der Migrant eine Möglichkeit seine alten Reaktionsmuster beizubehalten, indem er zum Beispiel seine Kontakte auf die ethnische Gemeinschaft im Aufnahmeland reduzieren kann, wird die ursprüngliche Ethnizität beibehalten. Überwiegt der Nutzen, beispielsweise durch mehr soziale Kontakte zur Aufnahmegesellschaft oder ein sozialer Aufstieg durch eine neue Arbeit, dann wird die herkunftslandspezifische Identität zunehmend zugunsten einer neuen 11 aufnahmelandspezifischen Identität abgelegt (vgl. Hill/Schnell 1990: 39-41 und Schnell 1990: 53). Solch ein Wandel kann am ehesten mit Änderungen der ethnischen Verhaltensweisen beginnen. Das Ablegen traditioneller Kleidung beispielsweise, was sehr leicht zu verwirklichen ist, und die Anpassung der Gewohnheiten an die Mehrheit, könnte dazu führen, dass Migranten weniger ausgegrenzt werden, da sie sich weniger unterscheiden. Sie könnten dadurch nicht nur mit neuen Freundschaften „belohnt“ werden, sondern auch bei Vorstellungsgesprächen erfolgreicher sein. Auf der Gegenseite stehen die „Bestrafungen“ seitens der eigenen ethnischen Gruppe, die eine Aufgabe des ethnischen Verhaltens als Verrat auffassen könnten, und der Mehrheitsgesellschaft, die eine Annäherung nicht wünschen und mit Abgrenzung reagieren. Gibt es jedoch mehr Vor- als Nachteile, so dass Migranten diese Veränderung der Verhaltensweisen annehmen und verinnerlichen, dann sollten sich im Laufe der Zeit, aufgrund der engen Verbindung zwischen den Dimensionen, auch die ethnische Identität und Identifikation verändern und es zur identifikativen Assimilation kommen. Vor allem weil Migranten auch im Aufnahmeland immer unterschiedliche Rollen einnehmen und nicht bei jeder Rolle die ethnische Zugehörigkeit im Vordergrund steht, beispielsweise als Mitglied in der Gewerkschaften, als Teil der Belegschaft, als Sportler im Verein, oder als Schüler in der Schule, hat der Migrant die Möglichkeit, sich aufnahmelandspezifische Verhaltensweisen bzw. Reaktionsmuster anzueignen. Die eigene Ethnizität wird zunehmend immer unbedeutender und durch eine neue Identität ersetzt (vgl. Schnell 1990: 53; Fuhse 2010: 148 und Treibel 1993: 324). Dieser Exkurs sollte zeigen, was unter Identität verstanden wird und wie sie entsteht bzw. sich im Assimilationsprozess auch verändern kann. Es konnte gezeigt werden, dass Essers Identitätsverständnis sich gut in sein Assimilationsmodell integrieren lässt und es sinnvoll ergänzt. 2.4. Hypothesen Schon Esser hat sich Gedanken darüber gemacht, welche Variablen die einzelnen Assimilationsdimensionen umfassen. So identifiziert er für die strukturelle Assimilation unter anderem das Einkommen, das Berufsprestige, die Besetzung von Positionen, die vertikale Mobilität und De-Segregation (vgl. Esser 1980: 221). Demnach sollten diese Aspekte auch einen Einfluss auf den Assimilationsprozess haben. Gerade der Lernprozess und im Besonderen die Belohnungserfahrung spielen bei Essers Assimilationsprozess eine Rolle. 12 Migranten, die sich in den deutschen Arbeitsmarkt eingliedern, empfinden es möglicherweise als belohnend, wenn ihre Investitionen mit einer Arbeitsstelle, einer guten Entlohnung oder einem hohen sozialen Status anerkannt werden. Sie könnten sich zunehmend als Teil der deutschen Gesellschaft sehen und werden dazu gebracht, weiter in Assimilation zu investieren. Die Zufriedenheit mit arbeitsmarktrelevanten Aspekten, wie der Arbeitsstelle, dem Einkommen und dem Lebensstandard, könnte somit Ausdruck dieser Belohnungserfahrung sein. Im Großen und Ganzen ergeben sich deshalb fünf zentrale Hypothesen zum Zusammenhang der Platzierung von Migranten auf dem Arbeitsmarkt und ihrer identifikativen Assimilation, die sich aus Essers abgewandelten Assimilationsmodell aus Abbildung 2 ableiten lassen: H1: Erwerbstätige Migranten identifizieren sich eher mit dem Aufnahmeland als erwerbslose Migranten bzw. je mehr Arbeitserfahrung Migranten im Aufnahmeland sammeln, desto stärker wird die Identifikation. H2: Wenn das Einkommen einer Person ansteigt, wächst auch ihre Identifikation mit dem Aufnahmeland. H3: Erlebt eine Person einen sozialen Aufstieg, nimmt die Identifikation mit dem Aufnahmeland zu. H4: Je zufriedener Migranten mit ihrer ökonomischen Lage sind, desto eher fühlen sie sich als Deutsche. H5: Die zunehmende Assimilation in den Arbeitsmarkt hat einen direkten Einfluss auf die identifikative Assimilation. Diese Hypothesen sollen nun empirisch getestet werden. Wie genau dies vonstattengehen soll und welche Daten verwendet werden, wird im nächsten Abschnitt bei der Vorstellung des methodischen Vorgehens erläutert. 13 3. Methodischer Rahmen Zur Bearbeitung von Längsschnittfragestellungen, die im Laufe der Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnen, gibt es mittlerweile zahlreiche Möglichkeiten. Hervorzuheben sind dabei die „First-Difference“ Methode, die die Differenz zweier aufeinanderfolgender Messzeitpunkte in den Blickpunkt nimmt, die in der wissenschaftlichen Praxis beliebte „Random-Effects“ Methode und die „Fixed-Effects“ Regression. Jedoch ist nicht jede Methode für die in dieser Arbeit vorliegende Fragestellung gleich gut geeignet. Bei der FirstDifference Methode können beispielsweise nachhaltige bzw. erst mit Verzögerung einsetzende Effekte, wie sie bei der Assimilation denkbar sind, unter Umständen nicht betrachtet werden (vgl. Giesselmann/ Windzio 2012: 64). Random-Effects Modelle hingegen bringen, wie noch gezeigt wird, vor allem bei Betrachtungen über die Zeit viele Probleme mit sich und bei der Fixed-Effects Methode können keine zeitkonstanten Aspekte berücksichtigt werden. Aus diesem Grund soll für diese Arbeit eine Mischung aus Random- und FixedEffects Methode, die sogenannte „Hybrid“-Methode, herangezogen werden. Außerdem soll eine weitere alternative Methode für die in dieser Arbeit vorliegende ordinal abhängige Variable vorgestellt werden, die es erlaubt, die Vorzüge der Random- und Fixed-Effects Methode zu nutzen und gleichzeitig das Skalenniveau berücksichtigt. Wie genau diese sogenannten „Hybrid“-Modelle für die lineare bzw. ordinale Regression funktionieren und durch welche Vorteile sie sich besonders gut zur Analyse von Paneldaten eignet, soll in Abschnitt 3.3. und 3.4. dieses Kapitels erläutert werden. Zunächst jedoch werden die Datenbasis sowie die Operationalisierungen der Variablen vorgestellt. 3.1. Datenbasis Der Einfluss individueller Arbeitsmarktveränderungen auf die identifikative Assimilation von Migranten soll mit Hilfe des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) untersucht werden. Bei diesem Datensatz handelt es sich um eine repräsentative Längsschnittuntersuchung, die seit 1984 jährlich im Auftrag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) durchgeführt wird. Das Sozio-oekonomische Panel eignet sich besonders gut zur Untersuchung der Fragestellung dieser Arbeit, da es zum einen nicht nur viele Personen mit Migrationshintergrund beinhaltet, sondern auch umfangreiche Fragen zur Erwerbstätigkeit bereithält. 14 Speziell sollen dabei die Jahre 1993, 1995, 1997, 1999, 2001 und 2003 in die Berechnung mit eingehen, da in diesen Wellen Fragen zur Identifikation mit dem Aufnahmeland enthalten sind sowie Fragen zu den Kontakten mit Deutschen. 3.2. Operationalisierung Bevor nun die Operationalisierung der Variablen vorgestellt wird, sollen ein paar Anmerkungen zu Problemen und Einschränkungen gemacht werden. Bei den Assimilationsdimensionen handelt es sich teilweise um latente Variablen, die nicht direkt gemessen werden können und nach Esser aus zahlreichen Subdimensionen bestehen. So setzt sich die soziale Assimilation aus den interethnischen Kontakten und auch der Teilhabe an Einrichtungen des Aufnahmelandes zusammen. Die identifikative Assimilation besteht beispielsweise nicht nur aus der Identifikation mit dem Aufnahmeland, sondern auch aus der Rückkehrabsicht und dem Vorhaben, die Staatsbürgerschaft des Aufnahmelandes zu beantragen (vgl. Esser 1980: 221). Aufgrund der Beschränkungen der Datenbasis und der eigenen Fragestellung können und sollen nicht alle Subdimensionen beachtet werden. Außerdem ist es für diese Arbeit nicht möglich die tatsächliche Assimilation von Migranten auf dem Arbeitsmarkt zu messen, da dies kaum zu bewältigen ist. Wie oben bereits erwähnt, bedeutet Assimilation nicht allein die Teilhabe am Arbeitsmarkt in Form von Integration, sondern dass die Gruppe der Migranten eine ähnliche Verteilung, zum Beispiel auf die Berufe, aufweist wie die Deutschen. Zur Vereinfachung wird in dieser Arbeit deshalb davon ausgegangen, dass positive Veränderungen, wie Einkommenszuwächse, per se Assimilation bedeuten. 3.2.1. Operationalisierung der abhängigen Variable Abhängige Variable zur Bestimmung der identifikativen Assimilation soll die Indikatorvariable „Als Deutscher fühlen“ sein, bei der die Befragten selber auf einer 5stufigen Skala von „gar nicht“ bis „voll und ganz“ angeben mussten, wie sehr sie sich als Deutsche fühlen. Die Variable hat damit zwar nur ordinales Skalenniveau, besitzt allerdings ausreichend viele Ausprägungen, so dass sie für einen Teil der späteren Analysen als metrisch betrachtet werden soll. Die Variable wurde für die Berechnungen so umkodiert, dass geringe Werte auch eine geringe Identifikation und hohe Werte demnach eine starke Identifikation mit Deutschland bedeuten. 15 3.2.2. Operationalisierung der unabhängigen Variablen Die Erwerbstätigkeit soll als gesammelte Arbeitserfahrung im Aufnahmeland ins Modell eingehen. Grundlage ist der Erwerbsstatus der Personen, der jedes Jahr erhoben wird. Zunächst wird eine Variable gebildet, die allein zwischen erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Personen unterscheidet und 0/1 kodiert ist. Dabei zählen jene Personen zu den Erwerbstätigen, die Voll-, Teilzeit oder unregelmäßig arbeiten, in einer Ausbildung oder Altersteilzeit sind oder ihren Wehr- bzw. Zivildienst absolvieren. Im nächsten Schritt wird die Variable „Anteil der Erwerbstätigkeit gebildet. War beispielsweise eine Person in einem Jahr erwerbstätig und im nächsten Jahr erwerbslos, beträgt der Anteil der Erwerbstätigkeit 0,5. Die neue Variable besitzt somit metrisches Skalenniveau und kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Arbeitserfahrung, die vor 1993 gesammelt wurde, kann leider nicht berücksichtigt werden. Die Dummyvariable, die nur zwischen Erwerbstätigen und Erwerbslosen unterscheidet, wird allein bei der deskriptiven Analyse verwendet. Die Modelle werden mit der Variable „Anteil der Erwerbstätigkeit“ gerechnet. Das Einkommen wird über den Nettoverdienst im letzten Monat bestimmt. Einkommen, das noch in DM im Datensatz enthalten war, wurde zuvor in Euro umgerechnet. Für die Berechnung der Modelle sollen Personen, für die kein Nettoverdienst vorliegt, da sie erwerbslos waren, den Wert 0 erhalten. Außerdem soll für die Modellberechnung das Einkommen durch 100 dividiert werden, damit die Effekte der Koeffizienten nicht zu klein ausfallen. Die Information zum sozio-ökonomischen Status wird mit Hilfe des „International SocioEconomic Index“ (isei) bestimmt. Die Werte der Skala reichen von 16 bis 90 und die Variable besitzt ebenfalls metrisches Skalenniveau. Diese Variable hängt sehr stark mit der Erwerbstätigkeit zusammen, da für die erwerbslosen Phasen kein Statuswert ausgewiesen wird. Damit diese Fälle nicht aus der Berechnung ausgeschlossen werden, sollen eventuell vorliegende Statusangaben aus vorherigen Wellen übernommen werden. Der soziale Status wird in diesem Fall als Potenzial verstanden, das der Person zur Verfügung steht. Die Zufriedenheit mit der eigenen ökonomischen Lage kann mit Hilfe der im SOEP vorhandenen Fragen zur Zufriedenheit mit der Arbeit, dem (Haushalts)Einkommen und dem Lebensstandard im Allgemeinen erfasst werden. Diese drei Items werden mittels einer 11stufigen Skala abgefragt, wobei der Wert 0 völlige Unzufriedenheit und der Wert 10 völlige Zufriedenheit bedeutet. Durch diese große Spannweite der Skala werden die Variablen als metrisch betrachtet. Für die Berechnungen werden diese drei Items zu einem 16 Zufriedenheitsindex zusammengefasst. Dazu wird der Mittelwert aus den Antworten auf diese Fragen gebildet. So können mögliche Ausfälle bei einzelnen Fragen ausgeglichen werden. Zur Bestimmung der sozialen Assimilation sind im Datensatz die Variablen „Besuche bei Deutschen“ und „Besuche von Deutschen“ enthalten, die mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden konnten. Für diese Untersuchung werden sie zu einer Kontaktvariable zusammengefasst, die ebenfalls die Ausprägungen 0 (keinen Kontakt zu Deutschen) und 1 (Kontakt) besitzt. Für die Deutschkenntnisse, als Indikator für die kulturelle Assimilation, gibt es im Datensatz die Variablen „Deutsch sprechen“ und „Deutsch schreiben“, die mit Hilfe einer 5-stufigen Skala abgefragt werden und von „sehr gut“ bis „gar nicht“ reicht. Die Ausprägungen dieser beiden Variablen werden durch die Bildung des Mittelwertes zusammengefasst, so dass die endgültige Variable ebenfalls von 1 (sehr schlechte Kenntnisse) bis 5 (sehr gute Kenntnisse) reicht. Zusätzlich wird angenommen, dass die Variable metrisches Skalenniveau besitzt. Die Aufenthaltsdauer wird zunächst über das Einreisejahr und dem jeweiligen Befragungsjahr bestimmt. Für die Personen, die bereits in Deutschland geboren wurden, wird der fehlende Wert der Aufenthaltsdauer durch das jeweilige Alter der Person ersetzt. Zusätzlich wird die Aufenthaltsdauer zum Alter ins Verhältnis gesetzt. Dadurch entsteht eine Variable, die die Aufenthaltsdauer in Prozent misst. Personen, die bereits in Deutschland geboren wurden, erhalten so den maximalen Wert 100. Die zeitkonstante Variable „1. Generation“ enthält alle Personen mit eigener Migrationserfahrung, die aber erst nach ihrem sechsten Lebensjahr nach Deutschland gekommen sind. Alle anderen sind entweder bereits in Deutschland geboren oder haben einen Großteil ihrer Sozialisation hier verlebt. Migranten, die der zweiten Generation angehören, könnten eine größere Verbundenheit zu Deutschland aufweisen, im Gegensatz zu ihren Eltern, die ihre Kindheit noch im Herkunftsland verlebt haben und in Deutschland mit einer fremden Kultur konfrontiert werden. Die Berücksichtigung der Religion, als zweite zeitkonstante Variable, könnte ebenfalls interessant sein, da es Migranten mit einem christlichen Wertehorizont bzw. einer ähnlichen Kultur eventuell leichter fällt, sich deutsch zu fühlen als Personen mit einem muslimischen Hintergrund, wo die kulturellen Unterschiede zu Deutschland besonders groß sind. Die Konfession wurde im SOEP in den Jahren 1997 und 2003 abgefragt. Die Befragten konnten angeben, ob sie konfessionslos, evangelisch, katholisch, Mitglied einer anderen christlichen Religionsgemeinschaft oder Angehöriger einer anderen Religionsgemeinschaft sind. Da nur Angaben aus diesen beiden Jahren vorliegen, wurden die Werte auf die fehlenden Wellen 17 übertragen. Daraus wurden schließlich die drei Dummyvariablen „Christ“ „sonstige Religion“ und „konfessionslos“ gebildet, von denen jeweils die ersten beiden mit in die Modelle aufgenommen werden und die Konfessionslosen die Referenzkategorie bilden. 3.3. Von der Random- und Fixed-Effects Methode zum Hybrid-Modell Ein Grund warum für die vorliegende Fragestellung eine Paneldatenanalyse durchgeführt werden soll, ist der sogenannte „Within“-Schätzer, der nur bei Paneldaten ermittelt werden kann und wobei immer dieselbe Person zu verschiedenen Zeitpunkten betrachtet wird. Dabei werden kausale Schlüsse allein mit Hilfe der Veränderungen innerhalb einer Person untersucht und sind somit sicherer als Kausalschlüsse auf Grundlage von Querschnittsdaten. Bei Messungen zu nur einem Zeitpunkt kann bei einer Kausalanalyse nur zwischen Einheiten verglichen werden, die sich in einem relevanten Merkmal unterscheiden („Between“Schätzer). Schlüsse hinsichtlich Ursache und Wirkung sind damit in diesen Fällen immer sehr unsicher, da das Problem der unbeobachteten Heterogenität, wie beispielsweise die Intelligenz oder Präferenzen, nie vollständig ausgeschlossen werden kann und man letztlich nie sicher ist, ob die Unterschiede in der abhängigen Variable tatsächlich auf die erklärenden Faktoren zurückzuführen sind, oder ob nicht doch andere, nicht beobachtete Eigenschaften von Personen diese Unterschiede bedingen (vgl. Brüderl 2010: 965.). Das Hybrid-Modell ist eine solche Längsschnittmethode und im Grunde eine spezielle Form der Random-Effects Methode, mit der aber auch der Fixed-Effects Schätzer, bzw. der wichtige Within-Schätzer berechnet werden kann. Aus diesem Grund soll durch das Vorstellen dieser beiden „klassischen“ Längsschnittmethoden, ihrer Stärken und Schwächen, der Weg zum Hybrid-Modell erläutert werden. Ausgangspunkt sowohl für die Fixed-Effects als auch Random-Effects Regression ist die Gleichung zur Mehrebenenanalyse, da es sich bei Panelanalysen um gepoolte Daten handelt und es zu unseren Personen (i = 1,...,n) jeweils mehrere Messzeitpunkte (t = 1,...T) gibt: = + + In dieser Gleichung steht + = + (1) für eine zeitveränderliche unabhängige Variable und zeitkonstante Variable, wie beispielsweise das Geschlecht. Die Regressionsgewichte, wobei für eine ‘s sind die jeweiligen für die Regressionskonstante steht. Aufgrund der Mehrebenenstruktur setzt sich die Fehlerkomponente aus einem zeitkonstanten Fehler für 18 jede Einheit (fixer Effekt) und einem idiosynkratischen Fehler zusammen, der über die Einheiten sowie über die Zeit hinweg variiert (vgl. Brüderl 2010: 967). Es gibt nun zwei Möglichkeiten mit diesen Fehlertermen zu verfahren. Bei einem Random-Effects Modell, das auch als Fehlerkomponentenmodell bezeichnet werden kann, wird davon ausgegangen, dass der zeitkonstante individuelle Fehler von den Koeffizienten sowie dem idiosynkratischen Fehler unabhängig ist. Da dies in der Realität jedoch häufig nicht der Fall ist und die Terme über die Zeit korrelieren, sind die RE-Schätzer in der Regel verzerrt. Dagegen ist der große Vorteil der Fixed-Effects Regression, dass dieser personenspezifische, zeitkonstante Fehlerterm aus der Gleichung eliminiert, damit ein Teil der unbeobachteten Heterogenität heraus gerechnet und somit verhindert wird, dass dieser Fehlerterm mit den unabhängigen Variablen korreliert. Das erreicht man mit dem sogenannten „De-meaning“, wobei für jede Person die Mittelwerte der einzelnen Variablen ( , ̅ usw.) über die Zeit gebildet und von der Gleichung (1) abgezogen werden (vgl. Giesselmann/ Windzio 2012: 40-44 und Brüderl 2010: 967). So entfallen alle zeitkonstanten Terme und übrig bleibt der FE-Schätzer: − = − ̅ + − ̅ (2) Bei einem reinen FE-Modell fallen somit alle Fälle aus der Berechnung heraus, bei denen es zu keiner Veränderung in abhängiger bzw. unabhängiger Variable kommt, was häufig als Kritik an der Methode angeführt wird, da der Datenverlust sehr groß sein kann. Allerdings kann mit dem Ausschluss nicht relevanter Fälle besonders gut die Kausalität von unabhängiger und abhängiger Variable untersucht werden, weil nur zeitveränderliche Effekte in die Berechnung mit eingehen und so die Gefahr von Verzerrungen reduziert wird (vgl. Giesselmann/ Windzio 2012: 159 und Halaby 2004: 523). Für die vorliegende Fragestellung sollen jedoch auch zeitkonstante Merkmale, wie die Religion oder die Zugehörigkeit zur ersten Generation, betrachtet werden. Da diese jedoch bei der Fixed-Effects Regression herausfallen würden und die Schätzer bei der Random-Effects Methode verzerrt sein könnten, soll von beiden Modellen nur die Vorteile genutzt und eine Kombination aus beiden, nämlich eine Hybrid-Regression, gerechnet werden. Dazu werden ins Random-Effects Modell für jede zeitveränderliche unabhängige Variable der Mittelwert als Kontrollvariable und eine um den Mittelwert zentrierte Version der Variable aufgenommen (vgl. Allison 2009: 23). Wichtig dabei ist, dass zur Bildung der Mittelwerte nur die Fälle herangezogen werden, die später auch in der Modellberechnung auftauchen. Der Mittelwert spielt bei der Interpretation keine große Rolle, da er auch unbeobachtete Einflüsse 19 enthalten kann, die diesen Schätzer verzerren könnten. Es wird aber empfohlen die Mittelwerte mit aufzunehmen, um andere zeitkonstante Variablen besser schätzen zu können. Außerdem erhält man einen Eindruck davon, inwieweit sich der Koeffizient des Mittelwertes von dem der entmittelten Variable unterscheidet. Sind sie nicht gleich, kann man davon ausgehen, dass die Koeffizienten in einem reinen Random-Effects Modell verzerrt sein würden (vgl. Allison 2009: 25). Der Koeffizient der entmittelten Variable entspricht somit dem Within-Schätzer und gibt den bereinigten Effekt wieder, der uns interessiert. Wichtig bei der Berechnung des HybridModells ist, dass die abhängige Variable nicht verändert wird. So ist es letztlich möglich die Within-Schätzer zu berechnen und gleichzeitig auch zeitkonstante Variablen, die ebenfalls nicht weiter verändert werden müssen, in das Modell mit aufzunehmen (vgl. Brüderl 2010: 976f. und Allison 2009: 23ff.). 3.4. Ein Modell für ordinal abhängige Variablen Ein Nachteil der hier vorgestellten Hybrid-Methode ist, dass sie für metrische abhängige Variablen entwickelt wurde. Die Variable „Als Deutscher fühlen“ besitzt streng genommen jedoch nur ordinales Skalenniveau. Dabei ist anzunehmen, dass die Abstände zwischen den Kategorien nicht immer gleich groß sind bzw. von den Befragten nicht als gleich empfunden werden. So kann es im Fall der Variable „Als Deutscher fühlen“ sein, dass Migranten sehr schnell von der Kategorie „gar nicht“ zu „kaum“ übergehen, aber sehr lange brauchen, bis sie den letzten Schritt von Kategorie „überwiegend“ zu „voll und ganz“ vollziehen. Außerdem bietet die ordinale Regression die Möglichkeit zu untersuchen, ob die unabhängigen Variablen an allen Kategorieschwellen tatsächlich den gleichen Einfluss auf die Identifikation mit dem Aufnahmeland haben („proportional odds“ - Annahme), oder ob sich die Stärke der Effekte an den Schwellen unterscheiden bzw. sie nur den Übergang an einigen Schwellen erklären können. Bisher wurde das ordinale Skalenniveau in der Panelanalyse häufig vernachlässigt und stattdessen eine lineare Regression gerechnet. So besitzt beispielsweise STATA 12, mit dem die vorliegenden Modelle gerechnet worden sind, noch keinen zu der linearen Regression vergleichbaren „xt“- Befehl, um eine Fixed-Effects Regression für ordinal abhängige Variablen zu rechnen, was aber mittlerweile für STATA 13 nachgeholt wurde. Wie es trotzdem möglich ist, den wichtigen Within-Schätzer zu berücksichtigen, soll hier gezeigt werden. 20 Die Grundlage für ein ordinales Hybrid-Modell bildet die Gleichung für ein Fixed-Effects Modell für ordinal abhänge Variablen, welches dem Fixed-Effects Modell für die einfache binäre logistische Regression ähnelt (vgl. Allison 2009: 42): = + + + Dabei besitzt unsere Variable Mehrebenenstruktur steht zeitkonstante Variable und = 1, … , # − 1 (3) -Kategorien. Wie auch schon in Formel (1) zur für eine zeitveränderliche unabhängige Variable, für eine für einen zeitkonstanten individuellen Fehler. Analog zur üblichen ordinalen Regression kann man den Term $ % als kumulierte Wahrscheinlichkeit verstehen, Kategorie oder höher zu erreichen (vgl. Allison 2009: 42). Im Gegensatz zur binären logistischen Regression ist es im Fall der ordinalen FE- Regression nicht möglich ein konditionales Logitmodell zu rechnen. Allison schlägt deshalb vor, die Modelle mit der normalen Maximum-Liklihood Methode und robusten Standardfehlern zu berechnen (vgl. ebd.). Wie bei einem linearen Hybrid-Modell werden auch für die ordinale Hybrid-Regression erneut die personenspezifischen Mittelwerte und eine Variable mit der jeweiligen Abweichung von diesem Mittelwert gebildet und in das Modell mit aufgenommen. Die abhängige Variable wird dabei wieder nicht verändert. Anschließend kann man mit dem üblichen „ologit“-Befehl, wobei nach Personen geclustert werden muss, eine ordinale logistische Regression mit Within- und Between- Effekten berechnen (vgl. ebd.). Die Nutzung des ologit-Befehls erlaubt es auch, zu überprüfen, ob die Effekte der unabhängigen Variablen an jeder Kategorienschwelle (cut-point) gleich sind oder ob die Annahme der „proportional odds“ verletzt wird. Bei Verstoß dieser Annahme ist es möglich ein „generalized ordered logit“-Modell mit autofit zu rechnen, bei der die Parameter, auf die die „proportional odds“ nicht zutreffen, frei geschätzt werden. 21 4. Datenanalyse und Ergebnisse In diesem Kapitel sollen nun die Ergebnisse der deskriptiven Analyse und der HybridModelle vorgestellt werden. Eine Gewichtung der Daten wurde nicht vorgenommen, obwohl Migrantengruppen aus den wichtigsten Gastarbeiterländern, wie der Türkei oder dem ehemaligen Jugoslawien, überproportional in dem Datensatz enthalten sind. Da bei dem später vorgestellten „generalized-ordered-logit“-Modell die Gewichtungsoption nicht verfügbar ist, wurden auch die deskriptiven Analysen und die linearen Hybrid-Modelle nicht gewichtet. Weiterhin ist eine Gewichtung bei Panels, bei denen Personen nicht zu jedem Erhebungszeitpunkt befragt werden konnten, problematisch, so dass angenommen wird, dass die einzelnen Wellen unabhängig voneinander sind und sich gegenseitig nicht beeinflussen. 4.1. Ergebnisse der deskriptiven Analyse Der hier vorgestellte Datensatz, der sich aus den Wellen von 1993, 1995, 1997, 1999, 2001 und 2003 zusammensetzt, enthält bereits nur die Fälle, die später auch in die Modellberechnung mit eingehen, was insgesamt 6.779 Personenjahren bzw. 2.102 Migranten entspricht, von denen 58% männlich und 42% weiblich sind. Etwa 73% dieser Migranten gehören zur sogenannten „ersten Generation“ und sind damit nicht in Deutschland geboren und erst nach ihrem sechsten Lebensjahr eingereist. Ein Schwachpunkt des Datensatzes ist allerdings, dass der Migrationsstatus allein über die Staatsangehörigkeit und dem Geburtsland bestimmt wird. So entfallen alle Personen der zweiten Generation, die in Deutschland geboren wurden und seit Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Vor allem diese Gruppe könnte besonders starke Bindungen an das Aufnahmeland ihrer Eltern entwickeln. In diesen Fällen wäre es besser, den Migrationsstatus auch über die Herkunft der Eltern zu bestimmen. Die Teilnahmehäufigkeit liegt bei 3,2 Wellen. Damit handelt es sich um ein unbalanciertes Panel. Werden nur Migranten berücksichtigt, die an allen sechs Wellen teilgenommen haben, dann wäre der Datensatz um vieles kleiner, da gerade einmal 386 Migranten in allen sechs Erhebungsjahren den Personenfragebogen ausgefüllt haben. Die grundlegenden Informationen zu den Variablen, wie Median und Mittelwert, sind in Tabelle 1 dargestellt und vermitteln einen ersten Eindruck über die Daten: 22 Tab. 1: Mediane, Mittelwerte und Standardabweichungen der Variablen Gefühl als Deutscher Anteil der Erwerbstätigkeit Nettoerwerbseinkommen Sozialer Status Zufriedenheit Kontakt mit Deutschen Deutschkenntnisse Aufenthaltsdauer 1. Generation Religion: Christ Religion: sonstige Min 1 0,167 46 16 0 0 1 1,96 0 0 0 Max 5 1 25.564 88 10 1 5 100 1 1 1 Median 3 1 1.181,85 33 6,67 -3,5 57,78 ---- Mittel 2,65 0,85 1.214,15 33,97 6,47 -3,55 61,07 ---- SD 1,17 0,25 711,95 11,87 1,73 -1,06 25,62 ---- N= 6.779 Personenjahre (2.102 Personen) Wie bereits oben erwähnt, wird für diese Arbeit zunächst angenommen, dass die abhängige Variable „Als Deutscher fühlen“ metrisches Skalenniveau besitzt, weshalb sowohl der Mittelwert als auch die Standardabweichung in Tabelle 1 ausgewiesen werden. Die Werte für diese Variable deuten an, dass sie normalverteilt ist. Der Mittelwert liegt bei 2,65 und auch der Median befindet sich in der dritten Kategorie. Jedoch liegt der Mittelwert nicht genau bei 3, sondern etwas darunter, was aber für diese Arbeit nicht weiter problematisch ist. Keine Normalverteilung hat dagegen die Variable „Anteil der Erwerbstätigkeit“, was daran liegt, dass ein Großteil der Befragten zu jedem Zeitpunkt erwerbstätig war. Alle anderen Variablen zeigen auf den ersten Blick keine Besonderheiten auf. Zu beachten ist jedoch, dass Migranten ohne Einkommen zunächst von der Berechnung ausgeschlossen wurden, da die zahlreichen Fälle mit einem Wert von 0 den Mittelwert verzerrt hätten. Auch wurde das Einkommen noch nicht durch 100 dividiert. Im Folgenden soll nun die Variable „Als Deutscher fühlen“ in Abhängigkeit der zentralen unabhängigen Variablen näher betrachtet werden. In Abbildung 3 sind dazu zunächst die Mittelwerte der abhängigen Variable getrennt nach Erwerbstätigkeit und dem Kontakt zu Deutschen in den jeweiligen Jahren dargestellt. Im Jahr 1993 gab es im vorliegenden Sample keine erwerbslosen Migranten, so dass es nur einen Wert für die Erwerbstätigen gibt. Bei Betrachtung der übrigen Balken ist zu erkennen, dass erwerbstätige Migranten sich durchweg stärker deutsch fühlen als nicht Erwerbstätige. Einen noch größeren Unterschied im Gefühl, Deutscher zu sein gibt es zwischen Personen, die Kontakte zu Deutschen haben, in Form von gegenseitigen Besuchen zu Hause, und Migranten, die diesen Anschluss zu Einheimischen nicht aufweisen. 23 Erwerbstätigkeit 3.5 Als Deutscher fühlen 3 2.5 2.8 2.9 2.7 2.7 2.7 2.9 2.5 2.4 2.5 Kontakt zu Deutschen 2.9 2.9 2.7 2.7 2.6 2.6 2.9 2.4 2.4 2.8 2.4 2.2 2.2 2.0 2 1.8 1.9 1.8 1.6 1.5 1 nicht erwerbstätig erwerbstätig kein Kontakt Kontakt N= 6.779 Abb.3: Sich als Deutscher fühlen nach Erwerbstätigkeit und Kontakt zu Deutschen (Mittel) Quelle: Sozio-ökonomisches Panel, eigene Berechnungen Allerdings kann man allein durch die Diagramme den Verlauf bzw. die Veränderung innerhalb der Personen nicht beobachten. Wir wissen somit auch nicht, ob beispielsweise der Zuwachs des Gefühls, Deutscher zu sein bei den Erwerbstätigen deshalb erfolgt, weil mehr Personen arbeiten oder ob dies ein Effekt ist, der automatisch einsetzt. Schließlich ist im Zeitverlauf zu beobachten, dass die Identifikation mit Deutschland auch bei den Erwerbslosen zunimmt. Liegt die Identifikation bei den Erwerbslosen 1995 noch bei einem Wert von 2,2 und somit in der zweiten Kategorie „kaum“, so steigt der Wert 2001 auf 2,7 und liegt damit in der Kategorie „in mancher Beziehung“. In Abbildung 4 sind wieder die Mittelwerte der Variable „Als Deutscher fühlen“ in den verschiedenen Erhebungswellen nach Einkommensgruppen dargestellt. Für diese Darstellung wurde den Erwerbslosen ein Einkommen von 0 € zugewiesen und bilden eine eigene Kategorie. Hier sieht das Bild auf den ersten Blick nicht so eindeutig aus, wie bei dem Kontakt zu Deutschen. Betrachtet man zunächst den Graphen, der alle Jahre vereinigt, dann ist zu erkennen, dass der Mittelwert bei mehr als 2.000 € mit einem Wert von etwa 3 höher ausfällt als in der Kategorie „1-250 €“, wo das Mittel bei ca. 2,7 liegt. Dieses Ergebnis findet man in fast jedem Erhebungsjahr. Zwischen den übrigen Einkommensgruppen fallen die Mittelwerte der abhängigen Variable dagegen mal höher, mal niedriger aus. So ist beispielsweise in den Jahren 1993 und 1997 die Identifikation mit Deutschland in der dritten Einkommensgruppe (251-500 €) höher, als in der vierten Einkommensgruppe (501-750 €). 24 Als Deutscher fühlen 3.5 3 2.5 2 1.5 1 insgesamt 1993 Nettoerwerbseinkommen 1995 1997 1999 N= 6.779 2001 2003 Abb.4: Sich als Deutscher fühlen nach Einkommensgruppen Quelle: Sozio-ökonomisches Panel, eigene Berechnungen Diese uneindeutigen Ergebnisse können allerdings durch die Kategorisierung des Einkommens zustande gekommen sein. Alles in allem kann man aber insbesondere in den höheren Einkommensgruppen (ab 1.251-1.500 €) erkennen, dass die Identifikation von Kategorie zu Kategorie zunimmt, was auf einen positiven Zusammenhang zwischen dem Nettoerwerbseinkommen und dem Gefühl, Deutscher zu sein hinweist. Aber auch für dieses Diagramm gilt: Die Übergänge und Veränderungen können nicht beobachtet werden. In Abbildung 5 ist nun der Zusammenhang zwischen der Identifikation mit Deutschland und dem sozialen Status in den unterschiedlichen Erhebungsjahren dargestellt. Als Deutscher fühlen 3.5 3 2.5 2 1.5 1 <26 26-35 36-45 46-55 56-65 >65 sozialer Status N= 6.779 insgesamt 1993 1995 1997 1999 2001 2003 Abb.5: Sich als Deutscher fühlen nach sozialen Statusgruppen Quelle: Sozio-ökonomisches Panel, eigene Berechnungen 25 Die Grafik zeigt, dass Personen mit einem hohen sozialen Status sich generell auch stärker als Deutsche fühlen. So liegt der Mittelwert in der geringsten Statusgruppe über alle Jahre zusammen bei ca. 2,4 und in der höchsten Statusgruppe bei 3,1. Die einzelnen Jahre weisen einen ähnlichen Verlauf auf, mit Ausnahme des Jahres 1995. Hier bricht in der fünften Statusgruppe (56-65) plötzlich die Identifikation mit Deutschland ein. Erklärt werden kann dies aufgrund der geringen Fallzahl von nur 13 in dieser Kategorie. Ob der Verlauf nun tatsächlich bedeutet, dass Migranten mit einem hohen sozialen Status sich stärker mit Deutschland identifizieren, ob die Kategorisierung verantwortlich ist oder ob es einen hier noch unbeobachteten Effekt gibt, bleibt an dieser Stelle offen. Das letzte Diagramm (Abbildung 6) zeigt den Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit mit der ökonomischen Lage und dem Gefühl, Deutscher zu sein. Besonders auffällig sind hier die ersten drei Kategorien („unzufrieden“ bis „2“). Es kann kein eindeutiger Trend für die Identifikation ausgemacht werden. Die Werte scheinen in den einzelnen Erhebungsjahren willkürlich von Kategorie zu Kategorie zu springen. Jedoch kann dies auf geringe Fallzahlen Als Deutscher fühlen zurückgeführt werden. 3.5 3 2.5 2 1.5 1 Zufriedenheit insgesamt 1993 1995 1997 N= 6.779 1999 2001 2003 Abb.6: Sich als Deutscher fühlen nach der Zufriedenheit (* in einigen Jahren geringe Fallzahlen in diesen Gruppen). Quelle: Sozio-ökonomisches Panel, eigene Berechnungen Gerade in den ersten drei Kategorien basiert die Mittelwertsberechnung häufig auf weniger als fünf Fällen. Zwischen Kategorie „3“ und „9“ kann man allerdings einen einheitlichen positiven Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit und der Identifikation erkennen. Der Mittelwert steigt von 2,4 in Kategorie „3“ auf 2,8 in Kategorie „9“. 26 Zusammenfassend wird deutlich, dass allein die deskriptive Analyse keine befriedigenden Antworten auf die Frage geben kann, wie sich die individuelle Platzierung auf dem Arbeitsmarkt auf die Identifikation mit dem Aufnahmeland auswirkt. Sie kann ausschließlich zeigen, dass es zwischen zufriedenen und unzufriedenen Personen bzw. Migranten mit einem hohen oder geringen Einkommen usw. Unterschiede gibt, wenn es um das Gefühl, Deutscher zu sein geht. Im nächsten Abschnitt werden deshalb die Ergebnisse der Längsschnittanalysen vorgestellt. 4.2. Ergebnisse der Hybrid-Modelle Zur Untersuchung der Fragestellung gibt es, wie bereits weiter oben erwähnt, verschiedene Möglichkeiten. Im Vorfeld dieser Arbeit wurde bereits eine Fixed-Effects Regression gerechnet. Dazu wurden weniger Erhebungsjahre betrachtet und weniger bzw. teilweise andere Variablen verwendet. Im Großen und Ganzen zeigten die Ergebnisse aber einen positiven Zusammenhang zwischen dem Einkommen und der Identifikation mit Deutschland. Die Erklärungskraft des Modells war mit einem R2 von 0,033 aber sehr gering, so dass für diese Arbeit weitere Erklärungsfaktoren aufgenommen werden. In dieser Arbeit sollen nun zwei weitere Möglichkeiten vorgestellt werden, um den Einfluss der strukturellen Assimilation auf die Identifikation mit dem Aufnahmeland zu untersuchen. 4.2.1. Ergebnisse des linearen Hybrid-Modells Insgesamt wurden drei Modelle gerechnet und die Ergebnisse der unterschiedlichen linearen Hybrid- Modelle sind in der folgenden Tabelle 2 zusammengefasst. Das Nettoerwerbseinkommen wurde für diese Berechnungen, wie in der Operationalisierung beschrieben, verändert: Damit die Effekte nicht zu gering ausfallen, wurde das Einkommen durch 100 geteilt und alle erwerbslosen Personen erhalten den Wert 0. Für jede zeitveränderliche Variable wurden zwei Koeffizienten aufgenommen. Der zeitveränderliche Koeffizient steht dabei für den bereinigten „Within“-Schätzer, der zeigt, was sich innerhalb einer Person verändert, und der zeitkonstante Schätzer kann als „Between“-Effekt betrachtet werden, der aber durch unbeobachtete Einflüsse verzerrt sein kann. 27 Tab.2: Ergebnisse der linearen Hybrid- Regressionen zur Erklärung der Identifikation mit dem Aufnahmeland Modell 1 zeitverzeitänderlich konstant -1,72*** Modell 2 zeitverzeitänderlich konstant -0,44** Modell 3 zeitverzeitänderlich konstant -1,402*** Anteil Erwerbstätigkeit -0,769*** (0,096) 0,014 (0,112) -0,764*** (0,095) 0,033 (0,104) -0,358*** (0,103) -0,078 (0,100) Nettoerwerbseinkommen 0,019*** (0,003) -0,003 (0,003) 0,019*** (0,003) -0,001 (0,003) 0,012*** (0,003) 0,000 (0,003) sozialer Status -0,000 (0,002) 0,016*** (0,002) -0,001 (0,002) -0,001 (0,002) -0,001 (0,002) -0,003 (0,002) Zufriedenheit 0,022** (0,009) 0,084*** (0,017) 0,018* (0,009) 0,044** (0,016) 0,023** (0,009) 0,024+ (0,015) ----- ----- 0,189*** (0,04) 0,784*** (0,097) 0,184*** (0,04) 0,677*** (0,093) ------- 0,378*** (0,026) --- 0,172*** (0,023) 0,462*** (0,029) 0,035*** (0,003) -0,012*** (0,001) 1. Generation ------- 0,182*** (0,023) --- ---- ----- --- -0,391*** (0,084) Religion: Christ ---- ----- ---- ---- ---- 0,202** (0,074) Religion: sonstige ---- --- N (Personenjahre/ Personen) R2 (within) R2 (between) R2 (overall) --6.779/ 2.102 0,016 0,042 0,046 Konstante Kontakt mit Deutschen Deutschkenntnisse Aufenthaltsdauer --6.779/ 2.102 0,034 0,182 0,185 --0,11 -(0,079) 6.779/ 2.102 0,055 0,256 0,198 Signifikanzen: ***p≤0,001 ; **p≤0,01 ; *p≤0,05 ; +p≤0,1 (Standardfehler in Klammern) Quelle: Sozio-ökonomisches Panel, eigene Berechnungen. Gleich in Modell 1 überrascht die Erwerbstätigkeit mit einem höchstsignifikanten negativen Einfluss auf die Identifikation mit Deutschland. Der zeitveränderliche Effekt von -0,77 besagt, dass sich Migranten mit zunehmender Erwerbserfahrung weniger deutsch fühlen und widerspricht damit der oben aufgestellten Hypothese H1. Weshalb dies so ist, kann nur spekuliert werden. Viele Migranten kommen beispielsweise nur für kurze Zeit nach Deutschland, um Geld zu verdienen. Fehlt ihnen also die Motivation zur Assimilation, da sie bald wieder in ihre Heimat zurückkehren wollen, dann wird auf die zunehmende Erwerbserfahrung auch keine Identifikation einsetzen. Abgeschwächt wird dieser Effekt allerdings in Modell 3 durch die Aufenthaltsdauer, die selber einen signifikant positiven Einfluss auf die abhängige Variable hat. Erklärt werden könnte dieser Befund dadurch, dass Migranten, die erst kurze Zeit in Deutschland leben, meist nur schlechte Jobs mit niedriger Entlohnung sowie prekären Arbeitsverhältnissen bekommen und deshalb zunächst enttäuscht 28 vom Aufnahmeland sind und sich nicht mit Deutschland identifizieren. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer könnte sich auch die Arbeitssituation verbessern und so diesen Befund erklären. Auch der soziale Status zeigt nicht den erwarteten Effekt. Sein Einfluss liegt in allen Modellen nicht nur bei 0, sondern ist auch nicht signifikant. Man kann aber vermuten, dass der soziale Status vom Einkommen beeinflusst wird, da diese beiden Variablen eng zusammenhängen. Betrachtet man den zeitkonstanten Effekt des sozialen Status, dann zeigt dieser mit 0,016 einen schwachen positiven Einfluss. Auch wenn man mit der Interpretation des zeitkonstanten Effekts vorsichtig sein muss, deutet er an, dass sich zwischen den Personen die Identifikation durchaus unterscheidet: Migranten mit einem hohen sozialen Status identifizieren sich, unter Kontrolle des aktuellen sozialen Status, demnach auch stärker mit Deutschland. Das entspräche dem Bild, das in Abbildung 5 zu sehen war. Doch Statusänderungen innerhalb einer Person scheinen keinen Einfluss auf die Identifikation zu haben. Der Einfluss des Nettoerwerbseinkommens entspricht wiederum der aufgestellten Hypothese H2: Verdient ein Migrant im Monat 100 Euro mehr, dann nimmt seine Identifikation mit Deutschland um den Wert 0,012 (Modell 3) zu. Dieser Effekt ist dazu noch höchstsignifikant und wird nur leicht durch die Aufenthaltsdauer beeinflusst. Auch die Zufriedenheit mit der ökonomischen Lage lässt die Identifikation leicht ansteigen: Mit jedem Schritt auf der Zufriedenheitsskala, wächst das Gefühl, Deutscher zu sein um den Wert 0,02. Die zusätzlichen Variablen „Kontakt mit Deutschen“ und „Deutschkenntnisse“ tragen aber ebenfalls dazu bei, die Identifikation zu erklären. Die zeitveränderlichen Effekte liegen in Modell 3 bei etwa 0,18 bzw. 0,17 und sind höchstsignifikant. Durch ihre Aufnahme ändert sich nur wenig bei den zentralen unabhängigen Variablen. So wird beispielsweise der zeitveränderliche Effekten der Zufriedenheit leicht beeinflusst, der sich ein wenig abschwächt und nur noch auf dem 5%-Niveau signifikant ist. Das bedeutet, dass ein Teil der Varianz, die vorher scheinbar durch die Zufriedenheit erklärt worden ist, jetzt durch die neu aufgenommenen Variablen erklärt wird. Dabei scheinen vor allem die Sprachkenntnisse, also die kulturelle Assimilation, für diesen Effekt verantwortlich zu sein. Man kann sich vorstellen, dass Migranten durch gute Sprachkenntnisse auch bessere Arbeit bekommen und dementsprechend zufriedener sind. Trotzdem weist die Zufriedenheit, wie auch das Einkommen auch einen direkten Einfluss auf die Identifikation auf. 29 Von den zusätzlichen Variablen, die sich nicht über die Zeit verändern, weisen die Zugehörigkeit zur ersten Generation und die christliche Konfession signifikante Effekte auf. Bei Migranten, die erst nach dem sechsten Lebensjahr nach Deutschland eingereist sind, reduziert sich die Identifikation um den Wert -0,39 und Migranten, die einer christlichen Religionsgemeinschaft angehören, fühlen sich eher als Deutsche als andere. Die „Within“-Erklärungskraft von Modell 3 liegt bei 5,5% erklärter Varianz. Der Zuwachs ist aber vor allem auf die Kontaktvariable, die Sprachkenntnisse und die Aufenthaltsdauer zurückzuführen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass einige Hypothesen nach der Überprüfung an dieser Stelle verworfen werden müssen: So zeigt der soziale Status keinen signifikanten Einfluss auf die Identifikation. Auch weist die Erwerbstätigkeit nicht den erwarteten Einfluss auf, sondern widerspricht mit einem negativen Effekt der Hypothese H1. Es wurde zwar bereits versucht dieses Resultat zu erklären, jedoch bleiben dies lediglich Vermutungen, die nur durch weitere Untersuchungen geklärt werden können. Dagegen haben sowohl das Einkommen, als auch die Zufriedenheit mit der ökonomischen Lage, die beide für eine zunehmende strukturelle Assimilation sprechen, einen positiven und auch direkten Einfluss auf die Identifikation mit dem Aufnahmeland. Im nächsten Schritt soll nun versucht werden, auch das ordinale Skalenniveau der abhängigen Variable zu berücksichtigen. 4.2.2. Ergebnisse der ordinalen logistischen Regression mit Within-Effekten Zunächst wurde eine einfache ordinale Regression mit robusten Standardfehlern berechnet. Es zeigte sich im Anschluss, dass einige Effekte sich zwischen den Kategorien unterscheiden, so dass im Anschluss ein „generalized ordered logit“-Modell mit der „autofit“-Funktion berechnet wurde. Im Folgenden sollen auch nur die Ergebnisse dieses ausführlichen Modells vorgestellt werden. Für die ordinale Regression wurde nur das vollständige Modell verwendet, da sich durch die Aufnahme weiterer Variablen auch stets die Effekte der anderen Variablen verändert und eine Vergleichbarkeit mehrerer nichtlinearer Modelle somit immer problematisch ist (vgl. Giesselmann/ Windzio 2012: 164). Weiterhin ist anzumerken, dass die Variable zum sozialen Status aus dem Modell entfernt wurde. Zum einen wurde bereits mehrfach nachgewiesen, dass der soziale Status keinen Einfluss auf die Identifikation mit dem Aufnahmeland aufweist 30 und zum anderen konnte nur so das „generalized ordered logit“-Modell fehlerfrei und ohne Warnungen berechnet werden. Die folgende Tabelle 3 fasst die Ergebnisse des „generalized ordered logit“-Modells, welches auf demselben Sample wie die linearen Hybrid-Modelle beruht, zusammen. Tab.3: Ergebnisse des „generalized ordered logit“-Modells mit Within- und Between-Effekten Anteil Erwerbstätigkeit Nettoerwerbseinkommen Zufriedenheit Kontakt mit Deutschen Deutschkenntnisse Aufenthaltsdauer 1. Generation Religion: Christ Religion: sonstige Anteil Erwerbstätigkeit 2 Nettoerwerbseinkommen kaum Zufriedenheit Kontakt mit Deutschen Deutschkenntnisse Aufenthaltsdauer 1. Generation Religion: Christ Religion: sonstige Anteil Erwerbstätigkeit 3 Nettoerwerbseinkommen in Zufriedenheit mancher Kontakt mit Deutschen Beziehung Deutschkenntnisse Aufenthaltsdauer 1. Generation Religion: Christ Religion: sonstige Anteil Erwerbstätigkeit 4 Nettoerwerbseinkommen überZufriedenheit wiegend Kontakt mit Deutschen Deutschkenntnisse Aufenthaltsdauer 1. Generation Religion: Christ Religion: sonstige N (Personenjahre/ Personen) Pseudo R2 1 gar nicht Koeffizient robust SE (zeitveränderlich) -0,662** (0,211) *** 0,023 (0,005) 0,013 (0,024) 0,38*** (0,08) (0,046) 0,301*** 0,081*** (0,009) -------0,662** (0,211) 0,023*** (0,005) 0,072*** (0,022) *** 0,38 (0,08) 0,301*** (0,046) 0,065*** (0,008) -------0,662** (0,211) 0,023*** (0,005) 0,061* (0,028) 0,38*** (0,08) 0,301*** (0,046) 0,054*** (0,011) -------0,662** (0,211) 0,023*** (0,005) -0,025 (0,052) 0,38*** (0,08) 0,301*** (0,046) 0,005 (0,017) ------6.779/2.102 0,093 Koeffizient robust SE (zeitkonstant) -0,168 (0,168) -0,001 (0,004) -0,001 (0,035) 1,066*** (0,17) 0,55*** (0,069) 0,002 (0,003) 0,165 (0,195) 0,197 (0,14) 0,092 (0,159) -0,168 (0,168) -0,001 (0,004) 0,031 (0,03) 1,551*** (0,176) 0,74*** (0,055) -0,001 (0,003) 0,12 (0,159) 0,197 (0,14) -0,089 (0,15) -0,168 (0,168) -0,001 (0,004) 0,032 (0,034) (0,304) 1,919*** (0,064) 0,884*** *** (0,003) -0,019 (0,18) -0,717*** 0,197 (0,14) -0,298+ (0,16) -0,168 (0,168) -0,001 (0,004) (0,047) 0,137** (0,399) 1,495*** (0,1) 1,067*** (0,004) -0,036*** *** (0,284) -1,283 0,197 (0,14) -0,262 (0,215) Signifikanzen: ***p≤0,001 ; **p≤0,01 ; *p≤0,05 ; +p≤0,1 (Standardfehler in Klammern) Quelle: Sozio-ökonomisches Panel, eigene Berechnungen. 31 Von den zeitveränderlichen Koeffizienten wurden nur die Zufriedenheit und die relative Aufenthaltsdauer frei geschätzt. Bei den zeitkonstanten Koeffizienten gab es weitaus mehr Verstöße gegen die „proportional odds“- Annahme, so dass letztlich nur der Anteil der Erwerbstätigkeit, das Nettoerwerbseinkommen und die Zugehörigkeit zu einer christlichen Religionsgemeinschaft über alle Kategorien den gleichen Effekt aufweisen. Die Koeffizienten in der Tabelle geben die Veränderung der logarithmierten Chancen bzw. der „log odds“ an, eine höhere Kategorie zu erreichen: Bei positiven Werten erhöhen sich die logarithmierten Chancen die höhere Kategorie zu erreichen um den angegebenen Wert, während negative Vorzeichen die log odds sinken lassen. Zunächst sollen die zeitveränderlichen Koeffizienten im Mittelpunkt stehen, die sich über die Kategorieschwellen hinweg nicht verändern. Von den zentralen unabhängigen Variablen zur Assimilation in den Arbeitsmarkt haben der Anteil der Erwerbstätigkeit und das Nettoerwerbseinkommen einen signifikanten Einfluss. Genau wie im linearen Hybrid-Modell hat das Nettoerwerbseinkommen dabei einen positiven Einfluss auf die Identifikation mit dem Aufnahmeland: Steigt beispielsweise das Einkommen um 100 Euro, so erhöhen sich die log odds die nächsthöhere Kategorie zu erreichen um den Wert 0,02. Der Anteil der Erwerbstätigkeit weist dagegen erneut einen signifikant negativen Wert auf, was bedeutet, dass sich bei zunehmender Erwerbstätigkeit die logarithmierten Chancen die nächste Kategorie zu erreichen um den Wert -0,66 reduzieren. Auch die Befunde zum Kontakt mit Deutschen und den deutschen Sprachkenntnissen stimmen mit dem linearen Hybrid-Modell überein, da sie auch hier höchstsignifikant positive Werte aufweisen. Der Einfluss der Zufriedenheit mit der ökonomischen Lage ist dagegen nicht über alle Kategorieschwellen konstant. In der ersten Kategorie wird zwar mit 0,01 ein positiver Wert ausgewiesen, dieser ist jedoch nicht signifikant. Erst in Kategorie 2 (und auf einem Signifikanzniveau von 5% auch in Kategorie 3) lassen sich signifikante Ergebnisse zum Einfluss finden: Steigt die Zufriedenheit um eins an, so erhöhen sich die log odds Kategorie 3 (Kategorie 4) zu erreichen um den Wert 0,07 (0,06). Für den Übergang von der vierten in die fünfte Kategorie weist das Modell zwar einen negativen Zusammenhang aus, was der Hypothese widersprechen würde, jedoch ist dieser Wert nicht signifikant. Die Zufriedenheit spielt damit nur bei den Übergängen von Kategorie 2 zu 3 bzw. von Kategorie 3 zu 4 eine Rolle. Die Hypothese H4 zum positiven Zusammenhang von der Zufriedenheit und dem Gefühl, Deutscher zu sein kann somit ebenfalls weiterhin bestehen. 32 Zur Aufenthaltsdauer soll nur kurz gesagt werden, dass sie, bis auf den Übergang zu „voll und ganz“, in allen Kategorien einen signifikant positiven Einfluss auf die Identifikation mit Deutschland hat. Die Stärke des Effekts nimmt aber von Kategorie zu Kategorie ab, bis er nicht mehr signifikant ist. Das bedeutet, dass die Aufenthaltsdauer bei der Erklärung hoher Identifikationswerte kaum bis gar keine Bedeutung mehr hat und dass Faktoren, wie der Kontakt mit Einheimischen, die Sprachkenntnisse und auch die Assimilation in den Arbeitsmarkt in Form von Einkommenszuwächsen eine entscheidendere Rolle spielen. Von den zeitkonstanten Koeffizienten sollen an dieser Stelle nur die Zugehörigkeit zur ersten Generation und die Konfession genauer betrachtet werden. Während die christliche Religion im Gegensatz zum linearen Hybrid-Modell keinen signifikanten Einfluss hat, wirkt die Zugehörigkeit zu einer sonstigen Religion in Kategorie 3 als Hemmnis. Jedoch ist dieser Effekt nur auf einem Niveau von 10% signifikant. In Kategorie 2 und 4 weisen die sonstigen Religionen zwar ebenfalls einen negativen Wert auf, doch hier sind sie nicht signifikant. Bei Angehörigen einer sonstigen Religionsgemeinschaft reduzieren sich demnach die log odds Kategorie 4 zu erreichen ca. um den Wert -0,3. Die Zugehörigkeit zur ersten Generation hat in den Kategorien 3 und 4 einen Einfluss: Für Migranten, die nach ihrem sechsten Lebensjahr nach Deutschland gekommen sind, reduzieren sich die logarithmierten Chancen Kategorie 4 bzw. Kategorie 5 zu erreichen um den Wert -0,72 bzw. -1,28. Schaut man sich nun an, welche Einflussfaktoren in Kategorie 4 Einfluss haben, so fällt auf, dass hohe Identifikationswerte nicht durch alle Aspekte bedingt werden. Von den ökonomischen Variablen haben nur die Erwerbstätigkeit und das Einkommen einen Einfluss, wobei der negative Effekt der Erwerbstätigkeit der aufgestellten Hypothese widerspricht. Auch ist die relative Aufenthaltsdauer weggefallen und stattdessen die erste Generation hinzugekommen. Anscheinend ist die Sozialisation, die eine Bindung zum Herkunftsland aufbaut, nicht unwichtig. Bei Zugewanderten sind die Barrieren, sich mit dem Aufnahmeland zu identifizieren vermutlich höher als bei Personen der zweiten Generation, für die das Aufnahmeland im Grunde die Heimat ist. Alles in allem ähneln aber die Ergebnisse dem linearen Hybrid-Modell. Die einzige wirkliche Abweichung besteht darin, dass im „generalized ordered logit“-Modell die christliche Religion keinen signifikanten Einfluss hat und stattdessen die sonstigen Religionen in Kategorie 3 eine Rolle spielen. Die Erklärungskraft liegt mit einem Pseudo-R2 bei 0,093, was aber an dieser Stelle wenig aussagt, da nicht zwischen Within- und Between-Varianz unterschieden wird. 33 5. Zusammenfassung und Fazit Was sagen die Ergebnisse der linearen Hybrid-Modelle bzw. des „generalized ordered logit“Modells mit Within- und Between-Effekten über den Einfluss der Arbeitsmarktplatzierung auf die identifikative Assimilation aus? Zwar müssen Hypothese H1 und H3, die einen positiven Zusammenhang zwischen der Erwerbstätigkeit bzw. dem sozialen Status und der Identifikation mit dem Aufnahmeland sehen, verworfen werden, dafür aber können sowohl Hypothese H2, die besagt, dass die Identifikation mit dem Aufnahmeland steigt, wenn das Einkommen einer Person wächst, als auch Hypothese H4, die einen Zuwachs der Identifikation bei wachsender Zufriedenheit mit der ökonomischen Lage sieht, bestätigt werden. Die Ergebnisse zeigen weiterhin, dass das Einkommen und die Zufriedenheit einen direkten Einfluss auf die Identifikation mit dem Aufnahmeland haben und neben dem Kontakt zu Deutschen als Indikator für die soziale Assimilation und den deutschen Sprachkenntnissen als Indikator für die kulturelle Assimilation als Erklärungsvariablen bestehen können. So kann auch Hypothese H5, die einen direkten Zusammenhang zwischen der Arbeitsmarktplatzierung und der Identifikation sieht, bestätigt werden. Ein wichtiges Fazit, das man aus den Resultaten ziehen kann, ist, dass es nicht ausreicht einfach nur im Arbeitsmarkt „integriert“ zu sein. Erwerbstätigkeit bedingt nicht automatisch eine höhere Identifikation mit dem Aufnahmeland. Im Gegenteil scheint die Arbeitserfahrung einen negativen Einfluss zu haben. Viel wichtiger ist es aber, dass Migranten für ihre Arbeit gut bezahlt werden und selber mit ihrer Arbeit zufrieden sind. Dabei spielt der soziale Status der Migranten scheinbar keine Rolle. Trotz der signifikanten Ergebnisse und der Tatsache, dass bei Hybrid-Modellen die R2-Werte stets niedriger ausfallen als bei normalen linearen Regressionen, kann die geringe Erklärungskraft der Modelle nicht ignoriert werden. Doch scheint die Operationalisierung in diesem Fall nur eine geringe Bedeutung zu haben. Man kann sich beispielsweise fragen, inwieweit es sinnvoll ist, Personen im Wehr- bzw. Zivildienst als erwerbstätig zu bezeichnen. Auch beschränkt sich die Variable „Anteil der Erwerbstätigkeit“ nur auf den Beobachtungszeitraum und es wäre sinnvoll zu ermitteln, wie viel Arbeitserfahrung ein Migrant insgesamt seit der Einwanderung gesammelt hat. Außerdem werden Variablen wie der Kontakt mit Deutschen nur sehr unzureichend mit „ja“ oder „nein“ abgefragt, so dass es kaum überrascht, dass diese Variable im Laufe der Zeit nur wenige Veränderungen innerhalb der Person aufweist. Weitere Informationen über Häufigkeit und Qualität des Kontakts, zum 34 Beispiel am Arbeitsplatz, würden genauere und damit auch bessere Einblicke ermöglichen. Dies alles könnte jedoch wahrscheinlich die Erklärungskraft der Modelle gar nicht oder nur minimal verbessern. Viel eher ist die mangelnde Erklärungskraft auf fehlende Einflussfaktoren zurückzuführen. Die hier betrachteten Indikatoren für Assimilation scheinen nicht auszureichen, um die Identifikation mit dem Aufnahmeland zu erklären. Für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt wurden zwar die zentralen Merkmale, wie das Einkommen und die Erwerbstätigkeit, berücksichtigt, können aber trotzdem verbessert und eventuell ergänzt werden. So gibt es Migranten, die in ihrem Herkunftsland eine gute Ausbildung absolviert haben, in Deutschland aber nicht in ihrem erlernten Beruf arbeiten können bzw. dürfen und stattdessen arbeitslos sind oder eine Arbeit ausüben, die unter ihren Fähigkeiten liegt. Diese Frustrationserfahrung könnte sich ebenfalls auf das Gefühl, Deutscher zu sein auswirken. Essers Kausalmodell der Assimilation mit der Abfolge kulturelle-strukturelle-sozialeidentifikative Assimilation scheint letztlich nur einen geringen Teil bei der Eingliederung zu erklären, auch wenn nicht alle Aspekte der Dimensionen hier getestet werden konnten. Aber nach Esser gibt es noch weitere Einflussgrößen, die hier nicht berücksichtigt werden konnten und die die Person sowie die Umgebung des Migranten betreffen. Sind diese Randbedingungen nicht günstig, dann wird der Assimilationsprozess gebremst. In einer Studie von Esser (1981) werden die Einflüsse der Person, Umgebung und Situation auf die einzelnen Assimilationsdimensionen untersucht. In einem Regressionsmodell, in dem die Identifikation in Abhängigkeit nicht nur durch die Randbedingungen sondern auch durch die anderen drei Assimilationsdimensionen erklärt werden soll, haben die kognitive, strukturelle und soziale Assimilation tatsächlich keinen Einfluss auf die Identifikation, wenn die Handlungssituation nicht eindeutig geklärt ist, also wenn beispielsweise der Aufenthaltsstatus unsicher ist oder der Ehepartner noch im Ausland wohnt (vgl. Esser 1981: 121 und 127). Eine Kontrolle der Umgebung und individueller Aspekte scheint somit unausweichlich, bringt aber auch neue Probleme der Operationalisierung mit sich. Viele Merkmale sind nur indirekt messbar oder über subjektive Einschätzungen zu erfassen. Die Motivation beispielsweise könnte über die Bleibeabsicht oder das Vorhandensein eines einheimischen Partners festgestellt werden. Vor allem aber die objektive Bewertung von Bedingungen als „assimilationsfördernd“ oder „assimilationsfeindlich“ gestaltet sich meiner Meinung nach als schwierig. So könnte die Beantragung einer Aufenthaltsgenehmigung von Einigen als kompliziert und somit als Barriere aufgefasst werden und von Anderen als simpel und transparent und damit als assimilationsfördernd. Mit dem vorliegenden Datensatz wäre solch 35 eine Analyse, die auch die Umgebung und individuelle Aspekte der Person berücksichtigt, nicht möglich, da entweder wichtige Informationen, wie die Wahrnehmung von Barrieren oder Unsicherheit, fehlen oder existierende Variablen, wie eigene Diskriminierungserfahrungen, meiner Meinung nach unzureichend operationalisiert sind. Diese Arbeit hat gezeigt, dass Essers Kausalmodell bzw. die weiterentwickelte Form trotz ihrer geringen Erklärungskraft auch einer Längsschnittüberprüfung standhalten und somit seine Bedeutung in der wissenschaftlichen Landschaft weiterhin verteidigen kann. Ferner wurde sichtbar, dass Eingliederung ein komplexer Sachverhalt ist, der nicht allein über den sozialen Kontakt oder das Erlernen der Sprache zu bewerkstelligen ist. Auch die Platzierung auf dem Arbeitsmarkt und die Umgebung darf nicht vernachlässigt werden. Jedoch ist deutlich geworden, dass dieses vielschichtige Thema noch lange nicht voll ausgeschöpft ist und auch weiterhin im Fokus der Wissenschaft bleiben sollte, vor allem in einer Zeit, in der die Zuwanderung nach Deutschland die Bevölkerung nicht nur zahlenmäßig wachsen lässt, sondern auch das Bedürfnis nach qualifizierten Fachkräften stillen muss. Auch die Politik hat diese Bedeutung erkannt und versucht deshalb stetig neue Anreize zur Eingliederung zu schaffen, um die Lebensbedingungen der hier lebenden Migranten zu verbessern und so die Zuwanderung attraktiver und einfacher zu gestalten. Dabei wurde erkannt, dass eine einseitige Politik, die etwa nur das Aufenthaltsrecht regelt und die Migranten ansonsten mit ihren Problemen alleine lässt, nicht ausreicht. Schon seit Jahren bemüht man sich, unter anderem die Eingliederung in den Arbeitsmarkt etwa durch die Anerkennung ausländischer Abschlüsse voranzutreiben bzw. zu vereinfachen. Seit April 2012 gibt es zum Beispiel das "Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen", kurz Anerkennungsgesetz, das Migranten ermöglichen soll, in ihrem erlernten Beruf zu arbeiten und auch auf dem letzten Integrationsgipfel vom Mai 2013 stand die "Integration in Arbeitsmarkt und Erwerbsleben" im Mittelpunkt. Damit wurde zwar ein weiterer Schritt getätigt, um die Eingliederung voranzutreiben und die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass die Assimilation in den Arbeitsmarkt durchaus positive Folgen haben kann, allerdings dürfen dabei andere gesellschaftliche Barrieren, wie die Diskriminierung, die die Assimilation bremsen, nicht ignoriert werden. 36 Literaturverzeichnis Alba, Richard (2008): Why We Still Need a Theory of Mainstream Assimilation. in: Kalter, Frank (Hrsg.): Migration und Integration. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Sonderheft 48. Wiesbaden. S. 37-56. Alba, Richard/ Nee, Victor (2003): Remaking the American Mainstream. Assimilation and Contemporary Immigration. Cambridge et al. Allison, Paul D. (2009): Fixed Effects Regression Models. Los Angeles et al. Aumüller, Jutta (2009): Assimilation. Kontroversen um ein migrationspolitisches Konzept. Bielefeld. Brüderl, Josef (2010): Kausalanalyse mit Paneldaten. in: Wolf, Christof/ Best, Henning (Hrsg.): Handbuch der sozialwissenschaftlichen Datenanalyse. Wiesbaden. S. 963994. Diehl, Claudia/ Schnell, Rainer (2006): “Reactive Ethnicity” or “Assimilation”? Statements, Arguments, and First Empirical Evidence for Labor Migrants in Germany. in: International Migration Review. Nr. 4. S. 786-816. Esser, Hartmut (1980): Aspekte der Wanderungssoziologie. Assimilation und Integration von Wanderern, ethnischen Gruppen und Minderheiten. Eine handlungstheoretische Analyse. Darmstadt/Neuwied. Esser, Hartmut (1981): Situationsunsicherheit und die Eingliederung von Arbeitsmigranten. in: Unterrichtswissenschaft. Nr. 2. S. 120-130. Esser, Hartmut (2000): Soziologie. Spezielle Grundlagen. Band 2: Die Konstruktion der Gesellschaft. Frankfurt/ New York. Esser, Hartmut (2001a): Soziologie. Spezielle Grundlagen. Band 6: Sinn und Kultur. Frankfurt(Main)/ New York. Esser, Hartmut (2001b): Kulturelle Pluralisierung und strukturelle Assimilation: das Problem der ethnischen Schichtung. in: Swiss Political Science Review. Nr. 7 (2). S. 97-108. Esser, Hartmut (2006): Migration, Sprache und Integration. AKI-Forschungsbilanz 4. Berlin. Esser, Hartmut (2008): Assimilation, ethnische Schichtung oder selektive Akkulturation? Neuere Theorien der Eingliederung von Migranten und das Modell der intergenerationalen Integration. in: Kalter, Frank (Hrsg.): Migration und Integration. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Sonderheft 48. Wiesbaden. S. 81-107. Esser, Hartmut/ Friedrichs, Jürgen (Hrsg., 1990): Generation und Identität. Theoretische und empirische Beiträge zur Migrationssoziologie. Opladen. Frey, Hans-Peter/ Haußer, Karl (1987): Entwicklungslinien sozialwissenschaftlicher Identitätsforschung. in: Frey, Hans-Peter/ Haußer, Karl (Hrsg.): Identität. Entwicklungen psychologischer und soziologischer Forschung. Stuttgart. S. 3-26. Friedrichs, Jürgen (1995): Stadtsoziologie. Opladen. Fuhse, Jan (2010): Transnationalismus, ethnische Identität und interethnische Kontakte von italienischen Migranten in Deutschland. in: Pries, Ludher/ Sezgin, Zeynep (Hrsg.): Jenseits von „Identität oder Integration“. Grenzen überspannende Migrantenorganisationen. Wiesbaden. S. 143-168. Giesselmann, Marco/ Windzio, Michael (2012): Regressionsmodelle zur Analyse von Paneldaten. Wiesbaden. Gordon, Milton M. (1964): Assimilation in American Life. The Role of Race, Religion, and National Origins. New York. Halaby, Charles N. (2004): Panel Models in Sociological Research: Theory into Practice. in: Annual Review of Sociology. Nr. 30. S. 507-544. Han, Petrus (2005): Soziologie der Migration. Erklärungsmodelle, Fakten, politische Konsequenzen, Perspektiven. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart. 37 Hans, Silke (2010): Assimilation oder Segregation? Anpassungsprozesse von Einwanderern in Deutschland. Wiesbaden. Hill, Paul B. (1984): Determinanten der Eingliederung von Arbeitsmigranten. Königstein/Ts. Hill, Paul B./ Schnell, Rainer (1990): Was ist “Identität”?. in: Esser, Hartmut/ Friedrichs, Jürgen (Hrsg.): Generation und Identität. Theoretische und empirische Beiträge zur Migrationssoziologie. Opladen. Kalter, Frank (2005): Ethnische Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt. in: Abraham, Martin/ Hinz, Thomas (Hrsg.): Arbeitsmarktsoziologie. Probleme, Theorien, empirische Befunde. Wiesbaden. S. 303-332. Kalter, Frank (2006): Auf der Suche nach einer Erklärung für die spezifischen Arbeitsmarktnachteile von Jugendlichen türkischer Herkunft. in: Zeitschrift für Soziologie. Nr. 35 (2). S. 144-160. Kalter, Frank/ Granato, Nadia (2004): Sozialer Wandel und strukturelle Assimilation in der Bundesrepublik. Empirische Befunde mit Mikrodaten der amtlichen Statistik. in: IMIS-Beiträge. Nr. 23. S. 61-81. Massey, Douglas S./ Fischer, Mary J. (1999): Does Rising Income Bring Integration? New Results for Blacks, Hispanics, and Asians in 1990. in: Social Science Research. Nr. 28. S. 316-326. Park, Robert E./ Burgess, Ernest W. (1921): Introduction to the Science of Sociology. Chicago. Portes, Alejandro/ Zhou, Min (1993): The New Second Generation: Segmented Assimilation and its Variants. in: The ANNALS of the American Academy of Political and Social Science. Nr. 530. S. 74-96. Schnell, Rainer (1990): Dimensionen ethnischer Identität. in: Esser, Hartmut/ Friedrichs, Jürgen (Hrsg.): Generation und Identität. Theoretische und empirische Beiträge zur Migrationssoziologie. Opladen. Treibel, Annette (1993): Transformationen des Wir-Gefühls. Nationale und ethnische Zugehörigkeiten in Deutschland. in: Blomert, Reinhard et al. (Hrsg.): Transformationen des Wir-Gefühls. Studien zum nationalen Habitus. Frankfurt(Main). S. 313-345. Treibel, Annette (2008): Migration in modernen Gesellschaften. Soziale Folgen von Einwanderung, Gastarbeit und Flucht. 4. Auflage. Weinheim/ München. Trube, Joachim (1984): Assimilation und ethnische Identifikation. Analysen zur Eingliederung ausländischer Arbeitsmigranten. Weinheim/ Basel. Winkler, Nils/ Zentarra, Annabell/ Windzio, Michael (2011): Homophilie unter guten Freunden. Starke und schwache Freundschaften zwischen Kindern mit Migrationshintergrund und einheimischen Peers. in: Soziale Welt. Nr. 62. S. 21-39. Yinger, J. Milton (1985): Ethnicity. in.: Annual Review of Sociology. Nr. 11 (1). S. 151180. 38