Integration Der Begriff I. wird in der Umgangs

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Integration Der Begriff I. wird in der Umgangs- und Wissenschaftssprache verwendet, wobei
seine ursprüngliche Bedeutung (Wiederherstellung oder Einfügung in ein größeres Ganzes)
variiert wird. In der Psychologie und Hirnphysiologie werden Vorgänge des Zusammenspiels von
Wahrnehmen, Fühlen, Denken u.ä. mit I. gefasst. In der Pädagogik meint I. die Einbeziehung von
behinderten Kindern in die Regelschule (→ Schulische Integration) oder den Kindergarten
(→ Integrative Erziehung), aber auch von → Kindern mit Migrationshintergrund in den
Klassenverband oder beschreibt den Zusammenschluss verschiedener Schulformen (integrierte
→ Gesamtschule).
Hier soll es v.a. um den soziologischen Begriffsgebrauch gehen, der bei der Beschreibung von
→ Minderheiten und Randgruppen einer → Gesellschaft eine Rolle spielt. Soziale I. wird dabei
i. d. R. als Anpassung an die → Normen und den → Lebensstil einer Gesellschaft oder Gruppe
verstanden, wobei abweichende Verhaltensweisen und Orientierungen zugunsten einer
Assimilation (→ Anpassung) nach und nach aufgegeben werden. Diese Erwartung bestimmt in
Einwanderungsgesellschaften das Selbstverständnis als »Schmelztiegel«. Die Bundesrepublik
Deutschland hat sich aber bisher nicht als Einwanderungsgesellschaft definiert und versteht I.
entweder als »Einbürgerung« oder »Eindeutschung« oder zumindest als unauffällige Anpassung
an den deutschen Lebensstil. Durch den ungesicherten Rechtsstatus sind aber ausländische
Arbeitnehmer darauf angewiesen, ihre ursprüngliche → Identität und Kultur zu betonen, da ihnen
eine deutsche verwehrt bleibt. Dieses Festhalten an der eigenen Kultur und Religion wird ihnen
dann als Unfähigkeit zur I. angelastet.
Im Verständnis eines → interkulturellen Lernens wird I. nun nicht mehr als einseitige Assimilation
bestimmt, sondern als ein wechsel- und gegenseitiger Lernprozess, der auch die dominante
Kultur im Sinne einer Bereicherung verändert. I. wird deshalb von Deutschen und Ausländern als
ein offener Austausch verstanden, in dem v.a. die positiven Elemente beider Kulturen erhalten
bleiben, andere sich aber im Prozess eines längerfristigen Aushandelns verändern. Identität und
I. werden dabei nicht als statisch, sondern als Prozess und immer neu zu definieren betrachtet.
Auch für Randgruppen lässt sich nachweisen, dass ihre mangelnde I. und ihr abweichendes
Verhalten
(z. B.
→ Subkultur
der
Armut)
nicht
festliegende
Gruppenoder
Persönlichkeitsmerkmale sind, sondern in Entwicklungen von Ausschluss und sozialer
→ Diskriminierung oft erst provoziert bzw. verfestigt werden. Der Alkoholismus z. B. vieler
alleinstehender Wohnungsloser ist zwar in einigen Fällen auch Ursache des Wohnungsverlustes,
in der Mehrzahl aber Folge des Lebens auf der Straße und des damit verbundenen Verlustes an
Lebensperspektiven und Selbstachtung.
I. und Desintegration hängen i. d. R. mit Strukturproblemen einer Gesellschaft zusammen. Mit
dem Leistungsdruck und mit wirtschaftlicher Unsicherheit wächst die Jagd auf Sündenböcke und
schwindet die Toleranz für behinderte Menschen, Ausländer, Straffällige, alte Menschen und
andere Gruppen am Rande der Gesellschaft. Oder es werden segregierte Randgruppen (z. B.
Obdachlose) als Mittel der Disziplinierung gebraucht (z. B. um steigende Mieten durchzusetzen).
I. und I.bereitschaft sind also nicht nur Leistungen einer Minderheit, sondern immer auch Fragen
an die I.offenheit und -würdigkeit einer Gesellschaft oder Gruppe. Eine Gesellschaft mit starken
sozialen Spannungen ist prinzipiell integrationsfeindlich und eine sozial befriedete eher auf I.
bedacht.
Als Gegensatz zum Begriff der I. wird in der neueren Diskussion, z. B. der → Stadtentwicklung,
der Begriff der »Segregation« verwendet. Er bezeichnet Prozesse der Ausgliederung oder
Gettoisierung. Stadtteile mit als problematisch angesehenen Bevölkerungsgruppen werden
gemieden und mit negativer Stigmatisierung versehen, was die Ausschließung oder Abgrenzung
vertieft und immer schwerer überwindbar macht. Auch Versager im Bildungssystem erleiden
Prozesse der Segregation. Solche Prozesse müssen frühzeitig erkannt und mit Anstrengungen
der I. beantwortet werden.
Insgesamt scheint sich in der Diskussion um I., besonders der Ausländer, ein Konsens
herausgebildet zu haben, der I. nicht mehr als unterwerfende Anpassung (Assimilation) versteht,
sondern als einen eher dialogischen Weg wechselseitiger Durchdringung, der aber zeitweilig oder
auf Dauer auch abweichende Eigenbereiche innerhalb einer multikulturellen Gesellschaft
anerkennt. Wesentliche Voraussetzung für I. sind dabei politische und rechtliche Gleichstellung
(z. B. bei Kommunalwahlen), Ermöglichung doppelter Staatsangehörigkeit und gesicherte
Aufenthaltserlaubnis (→ Zuwanderungsgesetz). Wer gezwungen wird, »auf Koffern zu leben«,
hat keine Chance auf I.
Gerd Iben
Aus: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hrsg): Fachlexikon der sozialen
Arbeit, 7. Aufl., Berlin 2011.
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