PERIPL US Jahrbuch für außereuropäische Geschichte 2012 Wandel in der arabischen Welt LIT waren sie die Verlierer. Die politischen Sieger waren einerseits isla­ mische Parteien, welche von der sogenannten Sofa-Fraktion gewählt worden waren,49 andererseits Parteiungen wie die ägyptische "Partei des Lichts", die jene Teile der Bevölkerung in den Wahl prozess integrieren konnte, die sich ihrerseits nicht als Teil einer normativen Gesellschaftsordnung verstanden. 50 Dies zeigt, dass den Geltungsan­ sprüchen vieler Demonstranten zum Trotz die Revolten zu einer wertkonservativen Wende beigetragen haben, die auch in arabischen Ländern eine "post-Durkheimsche Welt" erschafft. 49 D 6 In der arabischen Presse meinte man damit die Teile der Bevölkerung, die " ihre" Revolution vom Sofa aus im Fernsehen mitverfolgt hatten. Die ultrareligiöse Partei des Lichts hatte vor allem in den sogenannten "informellen Städten" Caswä'iyät) sowie in den sozial desintegrierten Milieus im Norden des Nildeltas zum Teil bis zu 70 % der Stimmen gewonnen. Arabische Revolution und Rente Rachid Ouaissa Die Welle der Proteste, die breite Teile der arabischen Welt seit Ende 2010 erfasst hat, hat neben den herrschenden Diktaturen in der Re­ gion vor allem den wissenschaftlichen Blick und die Wahrnehmung der Region erschüttert. Eine Menge von Fragen drängt sich nicht nur in Bezug auf die Gründe der unerwarteten Revolten, sondern auch und vor allem in Bezug auf die Zukunftsperspektiven der Region auf. Nach den Revolten VOn 2011 beschäftigen sich die westlichen Wis­ senschaftler nun mit der Verarbeitung der eigenen Fehleinschätzun­ gen. 1 Hat die "dritte Welle" der Demokratisierung die arabische Welt doch noch erfasst? Oder handelt es sich nur um kosmetische, wenn auch etwas blutige Umwälzungen der Herrschaftsregime und -sys­ teme, um diese doch zu restaurieren und aufrechtzuerhalten? Ist die Revolution gescheitert oder hat sie noch gar nicht stattgefunden? Wollen die Islamisten Demokratie etablieren oder werden sie viel­ leicht "nur" als neue Partner für die herrschenden "Schattenmächte" (Militär, Geheimdienste und westliches Kapital) fungieren und damit die ehemaligen Staatsparteien ersetzen? Antworten auf diese und ähnliche Fragen zu liefern, ist zwar etwas verfrüht, jedoch kann man durch diachrone Analysen ähnlicher "revolutionärer Situationen"2 aus der Geschichte der Region wohl einige Entwicklungsszenarien deduzieren. Darüber hinaus stellen die Entwicklungen in der arabischen Welt Wissenschaftler und Regionalexperten vor neue theoretische und methodische Fragen. Haben die verwendeten Theorien versagt oder wurden diese aufgrund der monodisziplinären Zugänge und von den subjektiven Realitäten abgekoppelten Analysen nicht richtig an­ gewandt? Brauchen wir neue Theorien, Ansätze und methodische Zugänge, um die Dynamiken, Prozesse und Strukturen in den arabi­ schen Staaten zu verstehen? Die Fehleinschätzungen der politischen, 1 F. Gregory Gause III, Why Middle East Studies Missed the Arab Spring. The Myth 2 of Authoritarian Stability, in: Foreign Affairs, 90, 4, 2011, S. 81-90. Charles Tilly, Die europäische Revolutionen, München 1999, S. 31ff. 57 esellschaftlichen und ökonomischen Situation in der arabischen ~e1t weisen vor allem auf den Spagat zwischen Theorie und Praxis, zwischen objektiver Wahrnehmung und subjektiver Realität hin. In diesem Beitrag wird versucht, anhand der "Rententheorie" bzw. des Konzepts der "Rentierstaaten" die Entwicklungen in der arabi­ schen Welt zu analysieren. Dabei wird der Rentieransatz kritisch dis­ kutiert. Rentierstaaten sind Staaten, deren Deviseneinnahmen von Mono­ polen bzw. vom Export von Primärprodukten abhängig sind. Rente ist Folge eines beschränkten Wettbewerbs, entweder aufgrund von natürlichen Monopolen oder aufgrund politisch geschaffener Markt­ beschränkungen. Renten beeinflussen die politischen Strukturen und wirken damit über die Interessenvermittlung auch auf die Strategien von Akteuren. Die Entstehung und die Aufrechterhaltung der Ren­ tierökonomie sind eine logische Folge der strukturellen Heterogeni­ tät. Aufgrund der mangelnden Diversifikation der Industrie sowie des Mangels an Kapital müssen die ökonomisch rückständigen Staa­ ten ihre Außenhandelsbeziehungen auf ihre Rohstoffproduktion zu­ schneiden? Die Einbindung in das kapitalistische Weltsystem ver­ stärkt diese Struktur. Renten müssen nicht ökonomisch rational ein­ gesetzt werden, sondern stehen der herrschende Elite frei zur Verfü­ gung und werden in der Regel politisch eingesetzt, um Loyalitäten zu erkaufen. Der bevorzugte Einsatzbereich von Renten ist der Sozialbe­ reich. Damit entsteht ein politischer Pakt zwischen Herrschenden und Beherrschten, basierend auf der strategischen Verteilung von Renten. Erstmalig fand das Rentierstaatskonzept Anfang der 70er Jahre 4 bei Mahdavy am Beispiel des Iran Anwendung. 5 Inzwischen ist die­ 3 4 Hans Wolfgang Singer, U.S. Foreign Investment in Underdeveloped Areas. The Distribution of Gains between Inveshng and Borrowing Countries, in: American Economic Review, 40, 2, 1950, S. 473-485. Vgl. Hans Bobek, Iran. Probleme eines unterentwickelten Landes alter Kultur, Moritz Diesterweg, Frankfurt am Main; Berlin; München 1967; Hans Bobeck, Zum Konzept des Rentenkapitalismus, in: Tijdschrift voor Economische en Sociale Geografie, 65,2,1974, S. 73-78. Vgl. C1audia Schmid, Das Konzept des Rentier-Staates. Ein sozialwissen­ schaftliches Paradigma zur Analyse von Entwicklungsgesellschaften und seine Bedeutung für den Vorderen Orient, Münster 1991, S. 53. ses Konzept zum Hauptutensil der Analyse der Staaten des moder­ nen Nahen Ostens geworden. Zahlreiche Autoren verwenden den Rentenbegriff in ihren Analysen als Hauptvariable, vor allem wenn es darum geht, den Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen und politischen Strukturen in der arabischen Welt zu untersuchen. So haben Luciani und Beblawi in ihrem explizit mit "The Rentier Statel/6 betitelten Buch versucht, die gesamten arabischen Staaten mit dem' Rentenbegriff zu operationalisieren. Luciani verwendet auch die Be­ griffe "exoteric states" und "esoteric states"? Bei den ersten handelt es sich um Allokationsstaaten, die ihr Einkorrunen vorwiegend aus dem Ausland beziehen, während mit der zweiten Bezeichnung Staa­ ten gemeint sind, deren Einkommen auf inländischer Wertschöpfung und Besteuerung basiert: "We may define allocation states as all those states whose revenue derives predominantly (more than 40 per cent) from oil or other foreign sources and whose expenditure is a substantial share of GDP".s Durch die Bezeichnung "Allokationsstaat" beabsichtigt Luciani, das Augenmerk auf die Innenseite des Rentierstaates zu lenken, nämlich auf die Zuteilung der angeeigneten Renten an bestimmte Gruppen und Klienten. Der Begriff Allokationsstaat beinhaltet also auch die Beschreibung der Natur der Beziehungen zwischen Staat und gesellschaftlichen Gruppen. Aus dieser quantitativen Differenzierung folgen Aufteilungen der e9 Rentierstaaten in Untergruppen. So schlägt Gaus vor, zwischen Rentiers hohen und mittleren Grades zu unterscheiden. Erstere be­ ziehen über die Hälfte ihrer Staatseinnahmen auS Rentenquellen, letztere zu mindestens einem Fünftel. Pawelka unterscheidet zwi­ 10 schen reinen Rentierstaaten und Semirentierstaaten. 6 Vgl. Hazem Beblawi, Giacomo Luciani (Hg.), The Rentier State, London 1987. work Giacomo Luciani, Allocation vs. Production States. A Theoretical Frame , in: Giacomo Luciani (Hg.), The Arab State, London 1990, S. 65-84, hier S. 71. 8 Ebd, Vgl., S.F. 72. Gregory Gause, III, Regional Influences on Experiments in Political Liberalization in the Arab World, in: Rex Brynen, Korany Bahgat, Paul Noble (Hg.), political Liberalization and Democratization in the Arab World, Bd. 1, 10 Theoretical Perspectives, Colorado 1995, S. 291. Peter Pawelka, Der Vordere Orient und die Internationale Politik, stuttgart 1993. 59 ;8 Der Rentierstaats-Ansatz wird vor allem als Erklärungsansatz für die Entstehung und Konsolidierung der autoritären Herrschaftsformen in den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas benutzt. ll Meist beziehen sich die Ver fechter des Ansatzes auf zwei negative Effekte der Rentierökonomie, zum einen die Deformation effizienter Wirtschaftsstrukturen und zum anderen dem Aufbau rigider Repres­ 12 sionsapparate. Michael Ross unterscheidet vier Folgen der Rentennutzung: "Taxation Effect", "Spending Effect", "Group For­ mation Effect" und den "Rentier Effect".13 Für ihn sind Regierungen, die sich durch Öleinnahmen finanzieren und große Budgets besitzen, mit hoher Wahrscheinlichkeit autoritärer als solche, die sich durch Steuern finanzieren und über relativ kleine Budgets verfügen. 14 Durch das Monopol der Rente kristallisiert sich eine bürokratische Elite heraus, die diese Rente verwaltet. 15 Unter diesen Bedingungen setzt sich in der Regel eine herrschende Klasse durch, deren genuines Interesse aber nicht die Entwicklung ist, sondern Herrschaftssiche­ rung und Machhnaximierung. Anders als bei anderen Rentenarten fordert die Ölrente eine starke Zentralität des Staates und fördert zu­ gleich die Heterogenität der herrschenden Elite. Durch eine fortge­ setzte Einwerbung von Renten und deren Verteilung können diese Klassen ihre politische Dominanz risikoloser und mit weniger Auf­ wand nach herrschaftspolitischen Kriterien statt nach ökonomischer ffizienz sichern. Dieser Typus herrschender Regime wird mit dem Begriff "Staats­ lasse" umfassend beschrieben. Die Staatsklasse besteht aus einer 1 Martin Beck, Der Rentiersstaats-Ansatz und das Problem abweichender Fälle, in: Zeitschrift für Internationale Beziehungen, 14, 2007, S. 43-70; Nadine Kreitmeyr, Oliver Schlumberger, Autoritäre Herrschaft in der arabischen Politik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 24, 2010, S. 16-22. Marcus Noland, Explaining Middle Eastern Authoritarianism, Institut for International Ecconomics. Working Paper, 05, 5, 2005. Michael 1. Ross, Does Oil Hinder Demqcracy?, in: Wor/d Politics, 53, 2001, S. 335. Ebd., S. 332. Ebd. Ross, Does Oi! Hinder Democracy?, S. 334; Dirk Vandewalle, Political Aspects of State Building in Rentier Economies. Algeria and Lybia Compared, in: Beblawi et. al. (Hg.), The Rentier State, S. 161; Hartmut Elsenhans, Abhängiger Kapitalismus oder bürokratische Entwicklungsgesellschaft. Versuch über den Staat in der Dritten Welt, Frankfurt am Main 1984. Reihe von rivalisierenden Segmenten. Diese Rivalität umfasst auch eine inhaltliche Konkurrenz um politische, wirtschaftliche und gesell­ schaftliche Projekte. Jedes Segment besteht aus einem zentralen und mehreren peripheren Clans und Gruppen. Diese positionieren sich, je nach Stärke und Gewicht, in unterschiedlicher Entfernung zum Zentrum des Segments. Erst durch die Rente entwickeln sich diese Ensembles von Clans zu einem Segment mit mehr oder weniger kla­ ren politischen, ökonomischen, ideologischen und gesellschaftlichen Programmen und Zielen. Clans sind kleinere Einheiten als die Seg­ mente und bilden sich auf vertrauensstiftenden Merkmalen der As­ sabiya wie Blutsverwandtschaft, Tribalismus, Regionalismus, 16 Familie, Sprache, Ethnie, Religion etc. Die Staatsklasse reproduziert sich zunehmend aus ihren eigenen Reihen über Bildungssystem, Nepotismus, Patronagewesen und ähnliche gesellschaftliche Bezie­ hungen. 17 Durch die welhnarktbedingten Rentenschwankungen tre­ ten Phasen der Segmentierung bzw. Konsolidierung der Staatsklasse . auf. Bei den Konsolidierungsphasen handelt es sich um Zeiträume, in denen die Rente reichlich vorhanden ist und dadurch auch die politi­ schen Spielräume groß sind. Die Clans sind konsensbereit und schließen sich zusammen, um Segmente zu bilden. Dadurch entste­ hen zwar asymmetrische Machtverhältnisse zwischen den Segmen­ ten. Da es sich jedoch um ein zentrales Segment und periphere Seg­ mente handelt, werden die Konflikte eher friedlich ausgetragen. Die Machtkämpfe sind überwiegend ideologischer Natur. Durch finan­ zielle Begünstigungen oder auch Vergütungen wird innerhalb der Staatsklasse für Loyalität gesorgt. Gleichzeitig werden durch die Rentendistribution auch die verschiedenen gesellschaftlichen Grup­ pen durch politische Programme und rentengeleitete Wirtschaftspo­ litik zufrieden gestellt. In diesen Phasen gibt es keine wirtschaftlichen Zwänge, produktive und marktorientierte wirtschaftliche Reformen durchzuführen. 16 17 Rachid Ouaissa, Staatsklasse als Entscheidungsakteur in den Ländern der Dritten Welt. Struktur, Entwicklung und Aufbau der Staatsklasse am Beispiel Algerien, Münster 2005. Elsenhans, Abhängiger Kapitalismus oder bürokratische Entwicklungs­ gesellschaft, S. 144. 61 Im Falle der niedrigen Rente mangelt es an Kapital, um die not­ wendigen Reformen durchzuführen bzw. erfolgt ein Führungskampf zwischen den verschiedenen Segmenten der Staatsklasse, da es an Rentenzufluss mangelt, um die Klienten der jeweiligen Segmente auf niedrigeren Ebenen zufrieden zu stellen. Es findet in der Regel zwar ein Machtwechsel statt, aber selten ein Systemwechsel. Martin Beck spricht hier von einer "Revolution von oben",18 die wohl besser als "revolution de Palais" zu bezeichnen ist. Dies erklärt zum Teil die unterschiedlichen Implosionen solcher Regime wie in Algerien im Jahre 1988 oder Libyen im Jahre 2011. Durch Rentenakkumulation und Rentendistribution gewinnt der Staat ein hohes Maß an Autonomie gegenüber der Gesellschaft und bindet zugleich die diversen Gruppen der Gesellschaft klientelistisch an sich. Jegliche Autonomie dieser Gruppen wird somit erschwert oder gar unmöglich gemacht. Der Staat bleibt somit in allen Bereichen involviert: dem politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen. Diese Bereiche werden dadurch monopolisiert, so dass keine "staats­ freien Sphären" für eine eventuelle Zivilgesellschaft übrig bleiben.19 Kurzum: Rente verhindert Demokratie, fördert die Stabilität der au­ toritären Regime und macht jegliche Revolte undenkbar. 2o Neben der Kooptation durch Rentendistribution sind große Narrative, kulturell­ identitär gefeilte Ideologien, Freund-Feind Schemata und populisti­ sche Diskurse wichtige Strategien der Staatsklassen für die Klienteli­ sierung der Gesellschaft. So gehören der arabische Nationalismus, nti-westliche und anti-israelische Narrativen sowie egalitaristische Diskurse zu den Legitimationsstrategien der herrschenden Elite in er arabischen Welt. 8 Vgl. Martin Beck, Die Erdöl-Rentier-Staaten des Nahen und Mittleren Ostens. Interessen, erdölpolitische Kooperation und Entwicklungstendenzen, Münster, Hamburg 1993, S. 142ff. 9 Schmid, Das Konzept des Rentier-Staates; Andreas Boeckh, Peter Pawelka (Hg.), Staat, Markt und Rente in der internationalen Politik, Opladen 1997; Beblawi, Luciani, The Rentier State; Hartmut Elsenhans, Das Internationale System zwischen Zivilgesellschaft und Rente, Münster 200l. Ross, Does Oil Hinder Democracy?, S. 325-361; Kreitmeyr, Schlumberger, Autoritäre Herrschaft in der arabischen Politik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 24, 2010. 2 Ausgehend von dieser These sollen nun die Entwicklungen in der arabischen Welt analysiert werden. Auf den ersten Blick scheinen die Unruhen vor allem die rentenknappen Staaten erfasst zu haben. Zu dieser Gruppe gehören, trotz gravierender Unterschiede, die Länder Tunesien, Ägypten, der Jemen und Syrien. Zudem wurde Tunesien und zum Teil Ägypten von den internationalen Finanzorganisationen und Banken sowie von der Europäischen Union als Erfolgsmodel und Musterschüler der Globalisierung eingestuft. Staaten wie Jordanien und Marokko haben ähnliche wirtschaftliche Strukturen wie diese Gruppe und doch sind große Revolten ausgeblieben. Dagegen gehö­ ren die Staaten Libyen und Bahrain zu den bevölkerungsärmsten und mit einem Pro-Kopf Einkommen von 9.372 Dollar bzw. 19.455 Dollar zu den reichsten Staaten der Region. In beiden Staaten wird die Legi­ timität der herrschenden Regime in Frage gestellt. Wie sind also die Unruhen in Libyen und Bahrain aber auch in Tunesien zu erklären? Und warum ist es für die Herrschaftsapparate in Algerien, Marokko und Jordanien möglich, die großen Revolten zu verhindern? Diese ersten Beobachtungen erschweren komparatistische Analysen auf Basis der Rententheorie. Rente verhindert nicht Demokratie, verhindert aber die Entstehung von kapitalistischen Strukturen Die von vielen Experten und Wissenschaftlern vertretene Überzeu­ gung, Rente verhindert Demokratie, ist kein selbstverständlicher Automatismus. Hier wird die Meinung vertreten, dass Rente zwar schon existierende autoritäre Herrschaftsstrukturen verstärkt und schon vorhandene gesellschaftliche Verhaltensweisen beeinflusst. Nach Rentierart Überschüsse zu produzieren schlägt sich aber direk­ ter im ökonomischen System und damit auch im politischen Verhal­ ten von Akteuren nieder. Die ökonomische Geschichte Europas sowie die Entstehung des Begriffes Rente beweisen, dass Renten in jeder Gesellschaft und in allen Wirtschaftsformen auftreten können. Im Gegensatz zu Profit entstehen Renten durch Marktunvollkommen­ heiten und dort, wo Marktmechanismen verzerrt sind. Renten erfor­ dern demzufolge unterschiedliche Arten von Monopolen oder politi­ schen Zugriffen. 63 Profit dagegen muss in marktwirtschaftlichen Systemen aufgrund der Marktkonkurrenz reinvestiert werden, ansonsten drohen den mächtigsten Kapitalisten ein Innovationsrückstand und dadurch bald ein Verschwinden vom Markt. Investitionen werden getätigt, weil Unternehmer mit größerer Konsumnachfrage rechnen. Innovations­ wettbewerb in Folge von Investitionen führt nicht nur zu technischer Überlegenheit, sondern auch zu steigenden Reallöhnen. In der keyne­ sianischen Dynamik führen steigende Reallöhne zu steigender Nach­ frage und damit auch zur Aufwertung der Arbeit als Verhandlungs­ 21 macht. Das Empowerment von Arbeit verhindert nicht nur die Über­ macht der Mächtigen, sondern ist auch die Grundlage der bürgerli­ chen Revolution und damit auch die Grundvoraussetzung für die Entstehung und den Erhalt von demokratischen Strukturen und Bür­ gerrechten. In dieser Logik sind sowohl der Staat, der als Moderator zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern auftritt, weil jeder Ar­ beitslose ihn mehr kostet, als auch die Unternehmer, die Massen­ märkte brauchen, um ihren Profit zu erhöhen, an Vollbeschäftigung interessiert. Die Unternehmer sind an qualifizierten Arbeitnehmern interessiert, um im Innovationswettbewerb zu bestehen. Der Staat investiert in Bildung und strukturelle Voraussetzungen. Breite Schichten der Gesellschaft profitieren von der Extension des Marktes und dies führt zu dem, was Hobsbawm nach der Industrialisierung Europas als "Selbstentmachtung der Aristokratie"22 bezeiclulet hat. Kapitalistische Strukturen bestimmen damit nicht nur das politi­ sche Verhalten der Elite, sondern auch das kultureIle Verhalten der Beschäftigten. Die Mobilisierung von Arbeit als Verhandlungsmacht und nicht ethnische, religiöse und Sippensolidarität wird zum bevor­ zugten Mittel, Interessen durchzusetzen. Damit tritt ein, was Ferdi­ nand Tönnis als Übergang von Gemeinschaft zu Gesellschaft be­ schrieben hat.23 Auch KlassenalIianzen zur Durchsetzung demokrati­ scher Rechte im Sinne Barrington Moores sind nur unter diesen be­ sonderen kapitalistischen Voraussetzungen erfolgversprechend. 24 Rente verhindert nicht Demokratie per se, sondern verhindert die Etablierung der historischen Voraussetzung des Kapitalismus, und auf gesellschaftlicher Ebene verhindert sie den Übergang von Ge­ meinschaft zu Gesellschaft. In rentendominierten Wirtschaften muss der Kapitalüberschuss nicht ökonomisch investiert werden. Die Kontrolle und das Monopol des Überschusses erfordern den Einsatz von politischen und repressiven Mitteln. Gerade dieser Repressions­ effekt wird als wichtige Folge der Rentenwirtschaft betrachtet. Der dafür verwendete Anteil des Überschusses ist aber gering. Auch die Korruptionsdimensionen sind, trotz der Selbstprivilegierungstenden­ zen der herrschenden Klassen, relativ überschaubar. Die Industriali­ sierungsversuche in vielen Staaten der Dritten Welt und der arabi­ schen Welt sowie die staatlichen Anstrengungen für Wohlfahrtsan­ gebote zeigen, dass der größte Teil der Renten doch für breite Teile der Gesellschaft mobilisiert wird. Es gibt aber markante Unterschiede zwischen der kapitalistischen profitorientierten Arbeitsbeschaffung und der Arbeitsbeschaffung in rentendominierten Wirtschaften. In den letzteren ist Arbeit nicht an Produktivität gekoppelt, sondern an Gefälligkeiten. In diesen Wirtschaften dominiert was Hartrnut EI­ senhans als Marginalität beschrieben hat. Marginaler Arbeiter ist derjenige, der mehr kostet, als er erwirtschaftet und im Rahmen des vorkapitalistischen Sozialvertrags beschäftigt wird. 25 Der marginale Arbeiter kann eigene Interessen nicht durch Mobilisierung von sei­ nesgleichen durchsetzen. Im Gegenteit er wird an seinen Patron und seine Sippe (oder Glaubensgemeinschaft) klientelistisch gebunden, da er nur deren Wasta 26 verdankt beschäftigt zu werdenP Jede Form von organisiertem Protest kann zum Einsatz der Reservearmee billiger 24 21 22 23 Hartmut Elsenhans, Kapitalismus kontrovers. Zerklüftung im nicht so sehr kapitalistischen Weltsystem, Welt Trends Papiere, 9, 2009. Eric J. Hobsbawm, Das imperiale Zeitalter. 1875-1914, Frankfurt, New York 1989. Ferdinand Tönnis, Studien zu Gemeinschaft und Gesellschaft, Herausgegeben von Klas Lichtblau, Wiesbaden 2012. 25 26 27 Barrington Moore, Soziale Ursprünge von Diktatur und Demokratie. Die Rolle der Grwldbesitzer und Bauern bei der Entstehung der modernen Welt, Frankfurt am Main 1969. Elsenhans, Das internationale System zwischen Zivilgesellschaft und Rente, S. 210-211. Beschreibt nepotistische Beziehungen in Form von Patron-Klient-Beziehungen in den arabischen Gesellschaften. Ahmed Henni, Le Cheikh et le Patron. Usages de la modernite dans la reception de la tradition, Office des publications universitaires, Alger 1993. 4 65 Arbeiter28 führen. Dies stärkt wiederum die gesellschaftlichen vor kapitalistischen Strukturen, das Patronagesysteme und die Frag­ mentierung der Gesellschaft entlang der Gemeinschaften, wie es von Ibn Khaldun im 14. Jahrhundert beschrieben wurde. 29 Die herrschende Elite klientelisiert Gruppen der Gesellschaft durch Schaffung von Arbeit, d.h. marginaler Arbeit, und subventio­ niert die meisten Konsumgüter. Zugleich führt das Wohlfahrtsange­ bot, kostenlose Bildung, medizinische Versorgung etc. zur Entstehung von breiten Mittelschichten. Diese Mittelschichten wan­ dern in die Städte, weil solche Angebote in der Regel dort erhältlich sind. Hinzu kommt für die arabische Welt, dass die Agrarwirtschaft aufgrund der besonderen klimatischen Bedingungen sowie der Im­ portstrategien der herrschenden Elite vernachlässigt wird. Die Sub­ sistenzagrarwirtschaft reicht nicht, um die ländliche Bevölkerung zu ernähren. Die Überbevölkerung der Städte verstärkt wiederum den Import von Nahrungsmitteln und anderen Konsumgütern. Die neuen, marginalbeschäftigten Mittelschichten sind aber nicht markt­ orientiert und marktbedingt im Sinne Webers,3D sondern rentenbe­ dingt. Für den algerischen Fall bezeichne ich diese Mittelschichten als "Trabendo-Mittelschichten" .31 Sie konsumieren mehr, als sie produzieren und ihr sozialer Stand hängt damit vom Anteil des von den herrschenden Klassen ausgegebenen Überschusses für Konsum ab. Diese Mittelschichten sind nicht Resultat der Verbreitung des produktionsabhängigen, sondern des rentenfinanzierten Konsums. Deswegen sind sie nur in ihrem Habitus als solche zu bezeichnen und dadurch nicht gegen die herrschende Elite mobilisierbar. 32 Zugleich 28 29 30 31 \2 Michal Kalecki, Political Aspects of Full Employment, in: Political Quarterly, 14, 1943, S. 322-331. Abd-al-Rahman Ibn Khaldün, Discours sur I' Histoire universelle, AI-Muquddima, Traduit de l'arabe, presente et annote par Vincent Monteil, Paris 1997. Max Weber, Wirtschaft Wld Gesellschaft. Grundrisse der verstehenden Soziologie, Mohr, Tübingen 1985 (1922). Der Begriff Trabendo stammt aus dem Spanischen und bezeichnet kleine Wiederverkäufer von Waren. Siehe: Rachid Ouaissa, Die Revolution bleibt aus. In Aigerien erkauft sich das Regime politische Ruhe, in iz3w, 330, Mai/Juni 2012, S. 32-33. Pierre Bourdieu, Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns, Frankfurt am Main 1998. 56 aber setzen sie indirekt die herrschende Elite unter Druck, noch mehr für Konsum auszugeben. Genau diese breit konsumierenden, renten­ abhängigen Mittelschichten sind in der Geschichte der arabischen Welt oft die rebellierenden Schichten. Rente und die heutigen Revolten in der arabischen Welt Bei den Protestbewegungen in Nordafrika, die die Souveränität der jeweiligen autokratischen Staatsregime vehement in Frage stellen, wird von einem komplexen Bündel struktureller Ursachen und Aus­ löser ausgegangen. Diese Protestbewegungen sind aber kein Novum in der modernen Geschichte der Region. Betrachtet man die Ge­ schichte der Region seit Mitte des 19. Jahrhunderts, so zeichnet sich eine Art zyklische Entwicklung solcher Protestbewegungen ab. Die aufsteigenden Mittelschichten sind dabei die Hauptträger der Revol­ ten. Der Aufstieg dieser Mittelschicht war aber nicht, wie in der Ge­ schichte Europas, Ergebnis der Intensivierung der Industrialisierung und der damit einhergehenden Intensivierung der Investitionen, sondern das der rentenorientierten Umstrukturierung der Agrarwirt­ schaft sowie der Eingliederung des Osmanischen Reichs in die Welt­ wirtschaft. Durch die Einführung der Tanzimat-Reformen (1839-1976) im Osmanischen Reich und die Umstrukturierung der Agrarwirt­ schaft in eine exportorientierte (Muhammed Ali) wurden das Ren­ 33 Diese tiersystem bzw. der sog. Staatskapitalismus etabliert. Umstrukturierungen haben zum Aufstieg einer neuen städtischen Mittelschicht, die im nahöstlichen Kontext mit dem Begriff "Effen­ diya" bezeichnet wurde, geführt. Diese Effendiya ist ErgebniS der Eingliederung der osmanischen Region in das europäische Wirt­ schaftssystem sowie der Einführung des europäischen Bildungssys­ tems. Sie führte zu massiver Urbanisierung der notabeln ruralen Fa­ 33 Ziad Hafez, The Culture of Rent, Factionalism, and Corruption: a Political Economy of Rent in the Arab World, in: Contemporary Arab Affairs, 2,3, 2009, S. 458-480; DoGu ErgiI, Robert 1. Rhodes, Western Capitalism and the Disintegration of the Ottoman Empire. The Impact of the World Capitalist System on Ottoman Society, in: Economy and History, 18,1, 1975, S. 41-60; Ali Kazancigil, La participation et les elites dans un systeme politique en crise: le cas de la Turquie, in: Revue fran<;aise de science politique, 23, 1, 1973, S. 5-32. 67 milien. Diese Effendiya artikulierte sich in Form der Nahda und später als anti-osmanische Bewegung. Die Intensivierung der Modernisie­ rung der Region unter der imperialistischen Kolonialherrschaft Euro­ pas führte zur Diskreditierung der agrarischen Mittelschichten, also der Effendiya, und zur Entstehung neuer Mittelschichten, die in der Literatur als "Neue Effendiya" bezeichnet werden. Diese neuen Mit­ telschichten entstanden nach dem Ersten Weltkrieg; Sie wurden zum Hauptträger des arabischen Nationalismus. Mit Ende des Kolonialismus übernahmen in den jungen unabhän­ gigen Staaten der Region diese Mittelschichten die Macht. Mit Hilfe der Öl einnahmen entwickelten sie sich von einer "Klasse an sich" zu einer "Klasse für sich" und es entstand damit die Staatsklasse. Die Öl rente ersetzte die Agrarrente. Mit Hilfe der Ölwirtschaft verzeich­ neten diese Länder zum Beispiel zwischen 1973 und 1983 Wachstumsraten von bis zu llProzent des BIPs (Arbeitsmigration, Renten aus den Ölstaaten und Ölexport selbst). Die Arbeitslosigkeits­ rate lag bis in die 1980er Jahre bei etwa 5 Prozent in Ägypten und 1,6 Prozent in Jordanien. Die Folgen waren: eine rasante Verstädterung (Ägypten von 30 Prozent im Jahre 1950 auf 47 Prozent im Jahre 1990; Syrien von 32 Prozent auf 51 Prozent; Jordanien von 38 Prozent auf 78 Prozent; Saudi-Arabien von 12 Prozent auf 86 Prozent), die Ver­ nachlässigung der Modernisierung der Agrarwirtschaft und somit auch Nahrungsabhängigkeit sowie eine Bevölkerungsexplosion (Ägypten von 21 Mio. Menschen im Jahre 1950 auf 55,S Mio. im Jahre 1990; Jordanien 600.000 auf 3,5 Mio.; Algerien und Marokko 9,5 Mio. auf 30 Mio.; Syrien von 3,5 Mio. auf 16 Mio. Menschen, jeweils im gleichen Zeitraum). Dabei verjüngte sich die Bevölkerung und der Anteil der arbeitsfähigen Bevölkerung (zwischen 15 und 64 Jahren) vergrößerte sich in allen Ländern des Nahen Ostens auf mehr als 60 Prozent. Gleichzeitig ist ein Rückgang der Bevölkerung in der Alters­ gruppe zwischen 0 und 15 Jahren zu verzeichnen. Diese Politik führte zum Aufstieg einer neuen Mittelschicht ab Mitte der 1970er Jahre. Neben der rosigen ökonomischen Situation, die die Klientelisierung der Gesellschaft ermöglicht hat, haben die herrschenden Regime ein ideologisches Gerüst zur Anbindung der arabischen Bevölkerung entwickelt, nämlich den arabischen Nationa­ lismus, basierend auf einern antiimperialistischen und anti-israeli­ schen Diskurs. Zugleich entwickelten sich die Regime zunehmend zu Diktaturen mit einern riesigen Sicherheitsapparat zur Überwachung der Gesellschaft. Zum ideologischen Apparat gehörten auch Partei, Gewerkschaften und diverse Organisationen. Spätestens Mitte der 1980er Jahre erfuhr diese Politik jedoch eine schwere Krise. Die Ölkrise führte nicht nur zur Krise des Wirt­ schafts-, sondern des gesamten Systems. Die meisten Staaten der Region waren auch gezwungen, die Strukturanpassungsprogramme und die damit einhergehenden Konditionalitäten des IWF umzusetzen. Dies führte zum Rückzug des Staates aus seiner gesellschaftlichen Verantwortung und zum Ende des staatlichen Wohlfahrtsangebots. Die Krise des Rentierstaates beendete auch die loyalitätssichernden Distributionsstrategien. Der Anteil der gesellschaftlich marginalisierten Jugend wurde immer größer und die Forderungen der Mittelschichten nach größeren ökonomischen Freiräumen immer deutlicher. Der "Sozialpakt" zwischen Staat und Gesellschaft und damit auch die "Pax Politica" waren zerbrochen. Auch in Staaten, in denen die Religion stärker an die Staatsräson gebunden war, ging die Allianz zwischen Staat und Religion zu Ende. Nun wird die Religion zu einem neuen Artikulationskanal. Aufstieg einer global konsumierenden Mittelschicht Trotz des Scheiterns der verfolgten Entwicklungsmodelle sind einige positive Erfolge zu verzeichnen, nämlich der Anstieg der Alphabeti­ sierungsrate, gerade bei den Frauen, sowie die Urbanisierung. Dies führte auch zu einem deutlichen Rückgang der Fertilitätsrate in fast allen Staaten der Region ab Mitte der 1980er Jahre (die Fertilitätsrate erreicht in einigen Ländern, wie Libanon oder Tunesien, europäische Verhältnisse mit etwa 1,7 Kindern pro Frau). Die Krise des Rentier­ systems führte daher auch zu einer neuen demographischen Politik in vielen arabischen Staaten. Dazu kommen Strukturanpassungs­ programme, der Rückgang des Familieneinkommens und die Nut­ zung der neuen Medien. All dies führte zu einer Umstrukturierung der Gesellschaften der Region (eine Ausnahme bilden immer noch die Golf-Staaten). Kleine Familien mit hohem Unterhalt und kosten­ intensiver Bildung für Kinder sowie Karrieremöglichkeiten für 68 69 Frauen führen zur Destabilisierung des patriarchalischen Systems, aber auch zu einem veränderten Verhältnis zwischen Geschwistern sowie zwischen Eltern und Kindern. Auch die Beziehung zum Staat und zur Obrigkeit wird in Frage gestellt und neu verhandelt. Diese Entwicklung bezeichnen Emanuel Todd und Youssef Courbage als " · " .34 D'lese neue G "unau fh a Itsame Revo Iuhon eneratlOn lS t interessenorientiert, will mehr Respekt und Teilnahme. Sie ist auch nicht mehr durch die alten, archaischen Mechanismen und Diskurse zu zähmen und verlangt nach ein neuem "Gesellschaftsvertrag". Der kulturelle und politische Verhaltenswandel dieser neuen urbanisier­ ten, gut ausgebildeten und rentenalimentierten Mittelschichten ist durch das neue Konsumverhalten zu analysieren. Seit den 1990er Jahren ist im Konsumverhalten sowie in diversen Produktionszweigen, unter dem Deckmantel der herrschenden kultu­ rellen, traditionellen und religiösen Ordnungen, ein Prozess der Selbstorganisation und individuellen Zukunftsgestaltung ohne jegli­ che ideologische Untermauerung bei den Mittelschichten der arabi­ schen Welt zu beobachten. Diese "stille" Revolution wird in der interdisziplinären Marburger Forschungsgruppe am Zentrum für Nah- und Mittelost Studien als" Triumph der Subversion" bezeich­ net. 35 Diese jüngeren Entwicklungen werden in neuesten Forschungsan­ sätzen auch als eine Globalisierung des Islams bzw. Islamisierung der 36 Globalisierung beschrieben. Hier wird die These vertreten, dass wir einen Aufstieg einer neuen Mittelschicht in der MENA-Region erle­ ben, die neue Formen von Konsum pflegt. "Halal-Produkte" wie "Mecca-Cola" oder modisch gestylte, verschleierte Frauen verweisen auf zunehmend "hybride" Konsumformen. Damit wird die "Globali­ sierung" islamisiert bzw. "glokalisiert". Es findet eine Art Ökonomi­ 34 35 36 70 Youssef Courbage, Emmanuel Todd, Die unaufhaltsame Revolution. Wie die Werte der Moderne die islamische Welt verändern, Mtinchen 2008. Siehe die Webseite des Projekts unter: http://www.uni-marburg.de/ cnms/ forschung/ subversion/ index_html. Patrick Haenni, The Economic Politics of Muslim Consumption, in: Johanna Pink (Hg.), Muslim Societies in the Age of Mass Consumption. Politics, Culture and Identity between the Local and the Global, Newcastle upon Tyne 2009, S. 328-341; Mona Abaza, Changing consumer cultures of modern Egypt. Cairo's urban reshaping, Leiden, Boston 2006. sierung und eine zunehmende Entideologisierung des Islams statt/ 7 in diesem Kontext werden auch die neuen Erscheinungsformen des Glaubens als "Cool Islam" bezeichnet. 38 Anlehnend an Pierre Bour­ dieu wird das neue Konsumverhalten als Zeichen des Aufstiegs einer neuen Mittelschicht verstanden, welche sich vom Rest der Gesell­ schaft unterscheidet. 39 Cohen bezeichnet diese Entwicklung am Bei­ spiel Marokkos als aufsteigende "Global Middle Classes" .40 Diese gesellschaftlichen Schichten sind zugleich Ergebnis und Reaktion auf das Scheitern der auf Renten aufgebauten und vom arabischen Na­ tionalismus geprägten Modelle. Der globale Konsumismus erreichte also auch breite Teile der nahöstlichen Mittelschichten. Allerdings ist diese Teilnahme am glo­ balen Konsum nicht ein Ergebnis der Intensivierung der Industriali­ sierung und damit auch der Vollbeschäftigung und der Anhebung der Kaufkraft. Diese Entwicklungen ähneln zwar denjenigen Europas im 19. Jahrhundert, unterscheiden sich aber dennoch grundlegend. In Europa führte die Verbreitung der Industrialisierung zum Aufstieg neuer marktorientierter und wertkonservativer Mittelschichten, die 41 zum Wahrzeichnen des viktorianischen Zeitalters geworden sind. Problematisch ist nun aber, dass die Mittelschichten in der arabi­ schen Weltregion nicht Ergebnis tiefgreifender struktureller Verände­ rung und/oder der Integration breiter Schichten in Industrialisie­ rungsprozesse sind, sondern Ergebnis der Intensivierung des renten­ bedingten Konsums. So wäre es gewagt, die neu zu beobachtenden ' Jemen43' mit. emem . . Sau d'1-A ra b'len42 un d 1m Konsumformen m 37 38 39 40 41 42 Pa trick Haenni, L' islam de marche. L'autre revolution conservatrice, Seuil, Paris 2005. Amel Boubekeur, Olivier Roy, Whatever happened to the Islamists? Salafism, Heavy Metal Muslims and the Lure of Consumerist Islam, London, New York 2009. Pierre Bourdieu, Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt am Main 1982. Shana Cohen, Searching for a Different Future. The Rise of aGlobai Middle Class in Morocco, Durham 2004. Hobsbawm, Das imperiale Zeitalter. Relli Shechter, Consumer's Monarchy. Citizenship, Consumption, and Material Politics in Saudi Arabia since the 1970s, in: Johanna Pink (Hg.), Muslim Societies in the Age of Mass Consumption, S. 89-104. 71 Modernisierungsschub oder mit einer erstarkten Autonomie der Zi­ vilgesellschaft zu verbinden. In Kairo, Istanbul und Ankara existieren moderne und traditionelle Lebens- und Konsumformen nebeneinan­ der. Die Einkaufshäuser, die Musikstraßen und die verbarrikadierten noblen Stadtviertel für die neuen Reichen schmücken das Bild der Stadt im Nahen und Mittleren Osten. Empirisch gesehen sind die neuen Konsumimpulse, vor allem bei Frauen und Jugendlichen, nicht auf eine verbesserte Lebenssituation, Beschäftigung oder besseren Zugang zum Arbeitsmarkt zurückzu­ 44 führen. Laut der Arabischen Organisation für Arbeit stieg die Ar­ beitslosenquote zwischen 1990 und 2000 von 12,7 Prozent auf 15 Pro­ zent. Dabei beträgt die Arbeitslosigkeit in bestimmten Altersgruppen (Jugend und Frauen) und mar~lnalisierten ethnischen bzw. religiösen Gruppen mehr als 40 Prozent. Der "Arab Human Development Re­ port" von 2009 beziffert die Quote der Armen in der arabischen Welt auf 140 Millionen. Dabei stieg die Zahl der unterernährten Menschen von 19,8 Millionen im Jahr 1990 auf 25,5 Millionen Menschen im Jahre 2004. 46 Deswegen wird hier die These vertreten, dass der neue Lebensstil tA7 eher ein politischer "Code ist, den es zu dechiffrieren gilt. Damit ist er eher ein Indiz der Artikulation von bestimmten individuellen Interessen als ein Zeichen der Repräsentation und Distinktion. Wir gehen davon aus, dass die neu geschaffenen "islamischen Konsum- und Produktionsmilieus" ein Zeichen für die zunehmende Atomisierung der Gesellschaft sind und für das Ende der Massenbe­ wegungen, und damit auch für die wachsenden Individualisierung der islamischen Gesellschaften. Zugleich ist ein Desinteresse an akti­ ver politischer Beteiligung zu beobachten. So sind in Ägypten, laut 43 44 Ulrike Stohrer, Consumption in Yemen. Continuity and Change, in: Johanna Pink (Hg.), Muslim Societies in the Age of Mass Consumption, S. 129-143. Sarah Touahri, La classe moyenne au Coeur des debats au Maroc, in: Magharebia, Mai 2009. Dajani, The New Danger in the Middle East. Unemployment, in: http://www.huffingtonpost.com/jamal_dajani/ the-new-danger-in-the­ mid_b_166696.html (Zugriff am 05.06.2012). 6 Arab Human development Report. Challenges to Human Security in the Arab Countries, 2009. einer Studie des Ahram Zentrums für politische und strategische Studien, mehr als 67 Prozent der wahlberechtigten Jugendlichen bei 48 den Wahlen nicht registriert. Deswegen sind mittelständische und Klein-Unternehmer mit Spe­ zialisierung auf islamische Trend-Produkte, die Loslösung von beste­ henden Sexualnormen bei Jugendlichen in islamischen Ländern wie Iran und Ägypten,49 die Schischa rauchenden jungen verschleierten Studentinnen, die Rap-Gruppen mit islamischen Texten oder die Husseyn-Partys im Iran50 Anzeichen der Unterwanderung der herr­ schenden Regeln. In einer Umfrage bei 100 Studentinnen in Kairo gaben 8 Prozent der befragten Studentinnen zu, Geschlechtsverkehr zu haben, 37 Prozent der Befragten gaben zu, Erfahrung mit Sexuali­ tät gehabt zu haben, und 23 Prozent sagten aus, bereits geküsst zu haben. 51 Die islamischen Grundsätze werden zu Befreiungsinstrumenten. Der modische Schleier wird zum "befreien­ den Schleier" und zur Verschleierung individueller Interessen einge­ setzt. Diese neuen Mittelschichten artikulieren sich, indem sie neue Kon­ sumräume und Konsumarten schaffen. Dies führt aber zu Mehraus­ gaben des Staates für den Import von Luxusgütern. Diese Dynamik verschmälert zugleich die Rentenvolumen. Gerade weil diese neuen Gruppen nicht Ergebnis der Kapitalisierung, sondern der Renten sind, und weil sie weiterhin an klientelistische Beziehungen (lokal und national) gebunden sind, entwickeln sie andere Formen von Selbstorganisation. Diese Gruppen sind nicht mehr in hierarchisch gesteuerten Massenbewegungen organisiert, sondern agieren in Form von neuen sozialen Bewegungen bzw. in Form von "non-move­ ments" bzw. in "collective actions of non-collective actors". Das wichtigste Merkmal dieser neuen "non-movements" ist, dass sie im 48 45 Jamal 7 Michel 2 de Certeau, Kunst des Handeins, Berlin 1988. 49 50 51 Samantha M. Shapiro, Revolution, Facebook-Style. Can Social Network Turn Young Egyptian Into a Force for Democratic Change?, in: New York Times, 25.01.2009. Asef Bayat, Life as Politics: How Ordinary People Change the Middle East, Stanford 2010. Ebd. Fatma El-Zanaty, Behavioral Research among Egyptian University Students, MEDTEC FHI Behavioral Research Unit, Cairo 1996. 73 Gegensatz zu den Massenbewegungen keine kollektive Identität her­ vorbringen. Das "Ich" steht nun im Mittelpunkt der Aktion und nicht mehr das "Wir". Im rousseauschen Sinne ist hier die Entmachtung des" volonte generale" zugunsten des " volonte de tous" zu beobach­ ten. Gerade weil diese Gruppen individuell zur Verbesserung bzw. Aufrechterhaltung der eigenen Situation agieren, und nicht im Na­ men der Umma und der Nation, besitzen sie keine gemeinsame politi­ sche Agenda und es ist wenig überraschend, dass somit auch die Is­ lamisten bei den ersten freien Wahlen triumphieren. Die Islamistischen Bewegungen als neue Rentiers Islamistische Bewegungen werden oft als eine Zusammenkunft der Armen und Marginalisierten der Gesellschaft beschrieben. Dabei zeigt selbst die bescheidenste soziologische Analyse,52 dass es sich hier überwiegend um städtische Bewegungen handelt/ 3 die ihre An­ hänger selten aus der ländlichen, rückständigen, armen und anal­ phabetischen Bevölkerung rekrutiert. In der Literatur zu islamisti­ schen Bewegungen ist die Rede von einer "Koalition der Verlierer", die sich aus Segmenten der Bourgeoisie, proletarisierten Staatsan­ gestellten, Industrieproletariat, unterbeschäftigter Intelli~entsia, No­ tabeln, Agrarkapitalisten und Studenten zusammensetzt. 4 Zu Recht weist Kepel 55 darauf hin, dass der Erfolg und das Ge­ schick der Islamisten nicht in der Mobilisierung und Einbindung der Unterschichten liegt, sondern mehr in der Fähigkeit, eine Synthese zwischen den Unterschichten und den aufsteigenden (frommen) Mittelschichten herzustellen. Denn die Islamisten pflegen einen radi­ kaIen Diskurs, der die frustrierten Unterschichten mobilisiert und propagieren gleichzeitig mittelschichtorientierte wirtschaftliche 56 Programme, die deren sozialen Aufstieg ermöglichen sollen. Wäh­ rend sich die Mittelschichten erhofften, durch ihre Integration in die Bewegung die Regierenden zu Reformen zu zwingen, hielten die Unterschichten die Herrschenden für korrupt und bestanden deswe­ 57 gen auf ihrer Beseitigung, nötigenfalls mit Gewalt. In ihrer Untersu­ chung über die Aktivität der islamistischen Wohlfahrtsorganisation in den drei Ländern Ägypten, Jordanien und dem Jemen ist Janine Clark 58 zu dem Ergebnis gekommen, dass die islamistischen modera­ ten Gruppen ihre Anhänger mittels zweier unterschiedlicher Strate­ gien an sich binden: Sie pflegen horizontale Beziehungen gegenüber den Mittelschichten und vertikale klientelistische (Patron-Klient) Be­ ziehungen gegenüber den Unterschichten. Darüber hinaus stellt die Autorin fest dass nicht nur viel umfangreichere Hilfsprogramme und Dienste für die Mittelschichten zur Verfügung gestellt werden als für die Unterschichten, sie vertritt sogar die Meinung, dass islamische Wohlfahrtseinrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen etc. speziell für die Mittelschichten des Landes errichtet worden sind. Die Bewegungen bieten durch ihre verschiedenen Organisationen im so­ zialen Bereich ein Dach für die frustrierten Unterschichten und liefern durch den bürokratischen Apparat in den verschiedenen Tätigkeits­ bereichen der Bewegungen Aufstiegsmöglichkeiten für die margina­ lisierten Mittelschichten.59 Für arbeitslose Akademiker stehen nun beispielsweise Möglichkeiten zur Ausübung ihres Berufs im Bankwe­ sen und in Krankenhäusern zur Verfügung. Dies macht aus diesen Bewegungen, gerade in der Zeit des Rückzuges des Staates aus sei­ Domenico Los urdo, Was ist Fundamentalismus?, in: Marxistische Blätter, 7, 2002, 52 S. 8. ,3 Nilufer Narli, The Rise of the Islamist Movement in Turkey, in: Barry Rubin (Hg. ): ;4 5 Revolutionaries and Reformers. Contemporary Islamist Movements in the Middle East, Alban y 2003, S. 125-140. Gudrun Krämer, Ägy pten unter Mubarak. Identität und nationales Interesse, Baden-Baden 1986, S. 106; Saad Edine Ibrahim, Egypt, Islam and Democracy. Twelve Critical Essays, Kairo 1996; Abdennasser Djabi, Al Intikhabat Eddawla oua EI Mujtamaä (Les elections, I'Etat et la societe), Algier 1998; N .M. Ayubi, The Political Revival of Islam. The Case of Egypt, in: International Journal of Middle East Studies, 12, 1980, S. 481-499. Gilles Kepel, Jihad Expansion et Declin de l'Islamisme, Paris 2000, S. 9. 74 56 57 58 59 Janine Clark, Soci.al Movement Theory and Patron-Clientelism. Islamic Social Institutions and the Middle Class in Egypt, Jordan, Yemen, in: Comparative Political Studies, 37, 2004, S. 941-968. Stephen C. Pelletiere, A Theory of Fundamentalism. An Inquiry into the Origin and Development of the Movement, in : Strategie Studies Institute, 1995, S. 33. Clark, Social Movement Theory and Patron-Cl ientelism, S. 945. Bayat, Life as Politics, S. 24. 75 nem wohlfahrtsstaatlichen Aufgabenbereich, ein paralleles Rentier­ system par excellence. 6o Nachdem die gewalttätigen Strategien zur Machtübernahme in Algerien und Ägypten gescheitert waren, verwandelten sich die un­ terschiedlichen islamistischen Bewegungen zunehmend in Parteien, die auf allen Ebenen ihre Teilnahmechancen auszuschöpfen ver­ suchten. Die algerische Erfahrung hat gezeigt, dass die islamistischen Parteien durch ihre Transformation von politischen Massen­ bewegungen zu politischen Parteien, sowie durch Übernahme von Regierungsverantwortung, riskieren, an Glaubwürdigkeit und An­ sehen zu verlieren. Nach ihrem Einzug in die nationalen Parlamente entfalteten sich sowohl parteiintern als auch bei Anhängern und Wählern neue Dynamiken, die nicht mehr durch einfache popu­ listische Diskurse und dogmatische Reden zu steuern sind. 61 Zudem sind selbst die Stammwähler und Anhänger dieser Parteien kritischer geworden. Dadurch findet auch eine Art "De-Sakralisierung" der islamistischen Bewegungen sowie der ihnen nahstehenden Or­ ganisationen und damit auch der Religion als politischem Mittel statt. Durch politische Partizipation werden diese Parteien zunehmend pragmatischer und verlieren dabei an Kontrolle über ihre Anhänger. ie einst proklamierten großen Ziele und Reformprojekte sowie die rrichtung eines auf der Scharia basierenden Staatswesens sind ängst Geschichte. Auch die islamische Sozialutopie der nationalen erechtigkeit, basierend auf egalitärer Verteilung, entpuppte sich als emagogischer Diskurs zur Klientelisierung bestimmter Schichten er Gesellschaft. 62 Ihre ökonomischen Programme entpuppen sich als ompatibel mit den neoliberalen Programmen des IWF und der eltbank. So nehmen es diese Parteien durch ihre Kooptation in auf, sich von den Marginalisierten der Gesellschaft, damit von ei- Herta Müller, Marktwirtschaft und Islam. Ökonomische Entwicklungskonzepte in der islamischen Welt unter besonderer Berücksichtigung Algeriens und Ägyptens, Baden-Baden 2002, S. 126-129. John L Esposito, Mohammed A. Khan Muqtedar, Religion and Politics in the Middle East, in: Deborah J. Gerner (Hg.), Understanding the contemporary Middle East, Colorado 2000, S. 319-343. Clark, Social Movement Theory and Patron-Clientelism, 944f. 6 nem wichtigen Teil ihrer Anhängerschaft, zu entfernen und insge­ samt an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Die Erfahrung islamistischer Parteien in Algerien zeigt, dass sie eher schwächer als stärker gewor­ den sind.63 Je länger diese Parteien am politischen Wettbewerb teil­ nehmen, desto real politischer handeln sie. Somit dienen sie aufgrund ihrer politischen Partizipation eher der Legitimation der inszenierten "Fassadendemokratien" und somit auch der Stärkung der herrschen­ den autoritären Regime. Inzwischen sind auch die islamistischen Parteien genauso wie die herrschende Elite in Korruptionsaffären verwickelt. 64 Die hier vertretene These scheint paradoxal zu den letz­ ten Wahl ergebnissen in Ägypten, Tunesien und Marokko zu sein. Jedoch bleibt den Islamisten an der Macht nur die Möglichkeit, ent­ weder ein totalitäres System zu bilden, und damit nicht besser als ihre nationalistischen Vorgängerparteien an der Macht zu sein, oder sich zu normalisieren bzw. "christdemokratisieren" . Gerade wegen ihrer parlamentarischen Mehrheiten stehen die is­ lamistischen Parteien vor einigen großen Herausforderungen. Zum einen müssen diese Parteien in einer Kohabitation mit dem Militär­ apparat bzw. den realen Machtinhabern regieren, was zu ihrer politi­ schen Banalisierung führen kann. Zum anderen müssen dringende sozioökonomische Probleme in den Ländern des Nahen Ostens schnell und effektiv gelöst werden. Die Lösung dieser Probleme er­ fordert nicht nur politische Erfahrung, sondern auch intensive Zu­ sammenarbeit mit den westlichen Staaten. Dies kann zur Zerreiss­ probe für die machtunerfahrenen Parteien werden. Weiterhin bleibt die Verwaltung der Rente und die kluge Transformation des Rentier­ systems in eine produktive Ökonomie d ie größte Herausforderung, deren Bewältigung allzu leicht scheitern kann. Dabei hat die Ausei­ nandersetzung zwischen den islamistischen Gruppen und den west­ lichen Mächten, die den Aufstieg konservativer, leicht manipulierba­ rer Kleinstaaten wie Katar bevorzugen, längst begonnen. 65 63 64 65 Charles Kurzman, Ijal Naqvi, Islamic Political Parties and Parliamentary Elections, in: United States Institute of Peace Working Paper, 15. Januar 2009. Hacen Ouali, la scene politique est secoUl~~e par une serie de scandales de corruption, in: EI Watan, 02.02.2010, S. 3. Ahmed Henni, Le syndrome islamiste et les mutations du capitalisme, Paris 2008. 77