gesetz über die verhältniswahl des landrats

Werbung
$
KANTON
NIDWALDEN REGIERUNGSRAT
GESETZ ÜBER DIE VERHÄLTNISWAHL
DES LANDRATS
(PROPORZGESETZ; NG 132.1)
GRUNDLAGEN TOTALREVISION / VARIANTEN UND
HISTORISCHE EREIGNISSE
STANS, 23. NOVEMBER 2010
Grundlagen Totalrevision / Varianten und historische Ereignisse
Bericht vom 23. November 2010
2
Grundlagen Totalrevision / Varianten und historische Ereignisse
1 Geschichte des Proporzgesetzes
4 1.1 Erlass
4 1.2 DN-Initiative betreffend LR-Wahlkreise
4 1.3 SP-Initiative betreffend die Schaffung eines kantonalen
Wahlkreisverbandsmodells
4 1.4 Motion Ettlin betreffend die Schaffung der Möglichkeit von
Listenverbindungen bei Landratswahlen
4 1.5 Interpellation von Landrat Norbert Furrer (ehemals Dr. Peter
Steiner)
4 1.6 Urteil 1C_541/2009 des Bundesgerichts
4 2 Begriffsdefinitionen
5 2.1 Natürliches Quorum
5 2.2 Zählwertgleichheit
5 2.3 Stimmkraft- oder Stimmgewichtsgleichheit
5 2.4 Erfolgswertgleichheit
5 3 Mögliche Varianten
6 3.1 Majorz (ohne Änderung der Verfassung)
6 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 Proporz (ohne Änderung der Verfassung)
Vorbemerkung: Bundesgerichtsurteil 1C_541/2009
Wahlkreisverbände
Doppeltproportionale Divisormethode mit Standardrundung
(sog. Doppelter Pukelsheim)
6 6 7 8 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 Proporz (mit Änderung der Verfassung)
9 Vorbemerkung: Berechnungsmethode „Hagenbach-Bischoff“ 9 Einheitswahlkreis
9 Geringere Anzahl Wahlkreise
10 3.4 Übersicht
11 4 Weiteres Vorgehen
11 Bericht vom 23. November 2010
3
Grundlagen Totalrevision / Varianten und historische Ereignisse
1
Geschichte des Proporzgesetzes
1.1
Erlass
Das Gesetz über die Verhältniswahl (Proporzgesetz; NG 132.1) wurde am 26. April
1981 durch die Landsgemeinde erlassen.
1.2
DN-Initiative betreffend LR-Wahlkreise
Am 8. Juni 1997 verwirft das NW-Stimmvolk DN-Initiative betreffend die Revision der
LR-Wahlkreise mit rund 26 % Ja- gegen rund 74 % Nein-Stimmen.
1.3
SP-Initiative betreffend die Schaffung eines kantonalen Wahlkreisverbandsmodells
Am 7. Juni 1998 verwirft das NW-Stimmvolk die SP-Initiative betreffend die Schaffung eines kantonalen Wahlkreisverbandsmodells mit rund 26 % Ja- gegen rund
74 % Nein-Stimmen.
1.4
Motion Ettlin betreffend die Schaffung der Möglichkeit von Listenverbindungen
bei Landratswahlen
Die Motion vom 19. Mai 1999 von Landrat Beat Ettlin betreffend die Schaffung der
Möglichkeit von Listenverbindungen bei den Landratswahlen wurde an der Landratssitzung vom 24. November 1999 in ein Postulat umgewandelt mit dem Auftrag,
die Vor- und Nachteile der Listenverbindungen in Bezug auf das geltende Proporzverfahren aufzuzeigen.
Der Landrat nahm vom Bericht des RR zum Postulat Ettlin an seiner Sitzung vom
25. Oktober 2006 Kenntnis.
1.5
Interpellation von Landrat Norbert Furrer (ehemals Dr. Peter Steiner)
In einer Interpellation vom 16. Dezember 2005 ersuchte a.Landrat Dr. Peter Steiner
den Regierungsrat unter Bezugnahme auf ein Schreiben des Verfassungsgerichts
um Auskunft darüber, in welchem Zeitrahmen und in welcher Form der Regierungsrat auf die Anregung des Verfassungsgericht einzutreten gedenke bzw. eventualiter
mit welcher Begründung er die gebotenen Handlungen verweigere.
Die Interpellation Furrer wurde vom RR an der LR-Sitzung vom 25. Oktober 2006
beantwortet und nach erfolgter Diskussion als erledigt abgeschrieben.
1.6
Urteil 1C_541/2009 des Bundesgerichts
Mit Urteil 1C_541/2009 vom 7. Juli 2010 stellte das Bundesgericht fest, dass das
Proporzwahlverfahren des Kantons Nidwalden für die Wahl des Landrates die Erfolgswertgleichheit verletzt und vor der Bundesverfassung nicht standhält.
Bericht vom 23. November 2010
4
Grundlagen Totalrevision / Varianten und historische Ereignisse
2
Begriffsdefinitionen
2.1
Natürliches Quorum
Das natürliche Quorum ist die Folge der unterschiedlichen Mandate die auf einen
Wahlkreis entfallen. Dies wiederum hängt mit der Grösse der Wahlkreise, beziehungsweise mit der Anzahl der Stimmberechtigten zusammen.
Dies bedeutet, dass in einem Wahlkreis mit wenigen Mandaten mehr Stimmen erreicht werden müssen, um wenigstens ein Vollmandat zu erhalten. Die Definition des
Bundesgerichts hält hierzu fest, dass eine Liste dann von der (Voll-)Mandatsverteilung ausgeschlossen ist, wenn sie die Wahlzahl, d.h. den Quotienten aus
100% und der um eins vermehrten Zahl der im Wahlkreis zu vergebenden Mandate,
nicht erreicht. So sind z.B. in einem Wahlkreis mit zwei Mandaten 33.33% der Stimmen nötig [100% / (2 + 1)], um an der Vollmandatsverteilung teilnehmen zu können,
bei neun Mandaten sind es noch 10% [100% / (9 + 1)] und bei 11 Mandaten 8.33%
[100% / (11 + 1)].
2.2
Zählwertgleichheit
Aus der Rechtsgleichheit und der politischen Gleichberechtigung im Speziellen folgt
die Wahlrechtsgleichheit. Diese sichert einerseits allen Wählern desselben Wahlkreises die Zuteilung einer gleichen Anzahl von Stimmen, die Möglichkeit ihrer Abgabe sowie die gleiche Berücksichtigung aller gültig abgegebenen Stimmen bei der
Stimmenzählung (Zählwertgleichheit). Der Wähler hat das Recht, seine Stimme bei
der Zählung der gültig eingelegten Stimmen berücksichtigt zu finden; die Wähler
sind formell gleich zu behandeln, Differenzierungen des Stimmgewichts sind unzulässig
2.3
Stimmkraft- oder Stimmgewichtsgleichheit
Wahlrechtsgleichheit bedeutet andererseits Gleichheit der Stimmkraft und erfordert
die Bildung gleich grosser (Einer-)Wahlkreise bzw. ein in allen Verhältniswahlkreisen
möglichst gleichbleibendes Verhältnis von Sitzen zur Einwohnerschaft. Sie garantiert
jedem Wähler die gleiche Möglichkeit, seine Stimme verwertet und nicht nur gezählt
zu finden (Stimmkraft- oder Stimmgewichtsgleichheit;
2.4
Erfolgswertgleichheit
Insbesondere fordert die Wahlrechtsgleichheit auch, dass allen Stimmen bei der
Zählung nicht nur derselbe Wert und dieselbe Stimmkraft, sondern auch derselbe
Erfolg zukommen (Erfolgswertgleichheit). Alle Stimmen sollen in gleicher Weise zum
Wahlergebnis beitragen, und möglichst alle Stimmen sind bei der Mandatsverteilung
zu berücksichtigen. Die Zahl der gewichtslosen Stimmen ist auf ein Minimum zu begrenzen. Verschiebungen und Einbrüche im System sind nur gestattet, wenn sie
wirklich unvermeidbar sind, z.B. wenn im Rahmen der Restmandatsverteilung gewisse Stimmen unverwertet bleiben müssen. Die Erfolgswertgleichheit erfasst damit
nicht nur den Anspruch auf Verwertung der Stimme, sondern bedingt auch eine innerhalb des gesamten Wahlgebietes gleiche Verwirklichung des Erfolgswertes. Damit hat sie wahlkreisübergreifenden Charakter
Bericht vom 23. November 2010
5
Grundlagen Totalrevision / Varianten und historische Ereignisse
3
Mögliche Varianten
3.1
Majorz (ohne Änderung der Verfassung)
Gemäss konstanter Rechtssprechung des Bundesgerichts steht es den Kantonen
frei, für die Wahl ihrer Parlamente das Majorz oder Proporzverfahren zu wählen
(BGE 131 I 85, E. 2.3). Auch die Nidwaldner Kantonsverfassung schreibt nicht zwingend ein Proporzverfahren vor. Vielmehr ergibt sich aus der Kantonsverfassung,
dass Wahlen grundsätzlich nach dem Majorzverfahren durchzuführen sind, die Einführung einer Verhältniswahl (Proporz) auf Gesetzesstufe ist aber zulässig
(Art. 42 KV). Weiter werden die politischen Gemeinden als Wahlkreise mit einer
Mindestgarantie von zwei Sitzen bezeichnet (Art. 58 KV, vgl. auch 1C_541/2009, E.
3.2).
Beim Majorzverfahren geht es nicht primär darum, dass die gesamte Bevölkerung im
Landrat vertreten ist, sondern dass gewisse als wichtig erachtete Gebietseinheiten
im Rat vertreten sein sollen. Dies werde vom Bundesgericht explizit toleriert (vgl.
hierzu Interview mit a.Bundesgerichtspräsident Guisep Nay in der Südostschweiz
am Sonntag vom 3. Oktober 2010).
Der Majorz explizit ein Personen- und kein Parteienwahlverfahren. So werden die
jeweiligen abgegebenen Stimmen einzig der gewählten Person zugerechnet. Dabei
ziehen nur solche Kandidaten in das Parlament ein, die in ihrem jeweiligen Wahlkreis die Mehrheit an Wählerstimmen auf sich vereinigen konnten. Alle anderen
Stimmen verfallen. Dieses Prinzip wird auch „winner-takes-all“-Prinzip („DerGewinner-bekommt-alles“-Prinzip) genannt, Partei- oder Listenstimmen existieren
nicht – Stimmen für nicht gewählt Kandidaten verfallen ohne Weiteres.
Abschliessend muss festgehalten werden, dass aus einer Majorzwahl objektiv das
schlechteste Abbild der gesamten Bevölkerung resultiert. Dadurch könnte es passieren, dass auf Grund der tiefen Quoren für Initiative und Referendum auf Kantonsstufe, diese Instrumente durch nicht im Landrat vertretene Gruppen in Zukunft mehr ergriffen würden.
Es darf zudem nicht unerwähnt bleiben, dass verschiedene Juristen in der Lehre
entgegen der bundesgerichtlichen Rechtssprechung die Auffassung vertreten, dass
ein Majorzwahlverfahren grundsätzlich auch nicht bundesverfassungskonform ist, da
es gerade nicht die gesamte Bevölkerung abbildet und auf Grund der vielen verfallenden Stimmen auch die „Stimmwert- und Erfolgswertgleichheit“ verletze.
3.2
Proporz (ohne Änderung der Verfassung)
3.2.1
Vorbemerkung: Bundesgerichtsurteil 1C_541/2009
Das Bundesgericht hält in seinem Urteil 1C_541/2009 fest, das dem kantonalen Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten offen stehen, im Rahmen der Kantonsverfassung das Bekenntnis zum Proporz bundesverfassungskonform auf Gesetzesstufe
auszugestalten (Art. 42 und 58 KV). Das Urteil verweist explizit auf die Möglichkeit
zur Schaffung von Wahlkreisverbänden, welche im Sinne des Verhältniswahlrechts
einen Ausgleich unter den unterschiedlich grossen Wahlkreisen bewirken würde.
Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die Wahlkreisgrössen den verfassunsgmässigen Anforderungen entsprechen müssen – insbesondere darf das natürliche Quorum den Richtwert von 10 % nicht überschreiten (vgl. zu den Quoren: BGE 129 I
185, E. 7).
Ausserdem liesse sich auch durch eine zentrale Verteilung der Parteimandate nach
der doppeltproportionalen Divisormethode mit Standardrundung (sog. Doppelter Pu-
Bericht vom 23. November 2010
6
Grundlagen Totalrevision / Varianten und historische Ereignisse
kelsheim) unter Beibehaltung der bestehenden Wahlkreise ein wahlkreisübergreifender Ausgleich realisieren (1C_541/2009, E. 5.1).
3.2.2
Wahlkreisverbände
Wahlkreisverbände können gestützt auf die aktuell geltende Verfassung gesetzlich
umgesetzt werden. Hierbei werden verschiedene (Gemeinde-)Wahlkreise zu einem
grösseren Wahlkreis zusammengefasst. So kann hohen natürlichen Quoren, ohne
Durchführung einer Wahlkreisreform auf Verfassungsebene, mittels Bildung von
Wahlkreisverbänden entgegengewirkt werden. Sie fassen zwei oder mehrere Wahlkreise, welche beispielsweise über einen regionalen oder historischen Zusammenhang verfügen, zusammen. Die Wahlen selbst finden weiterhin in den einzelnen
Wahlkreisen statt. Die Mandatsverteilung und damit die Verwirklichung des Proporzes werden hingegen auf die Ebene des Wahlkreisverbandes verlagert. Aufgrund
der nun vorhandenen zwei Ebenen gliedert sich das Verfahren zur Verteilung der
Mandate zwingend in mehrere Stufen (Vgl. hierzu § 40 des baselländer Gesetzes
über die politischen Rechte vom 7. September 1981 [SGS 27.820]). In einem ersten
Schritt müssen die auf die Parteien entfallenden Mandate eruiert, danach die Parteimandate den einzelnen Wahlkreisen zugeteilt werden, wobei der Parteienproporz
hier nicht strikt beachtet wird. In einem letzten Schritt ist ein Ausgleich zwischen allfällig über- oder untervertretenen Wahlkreisen durchzuführen. Das Bundesgericht
hat in seiner Rechtsprechung die Wahlkreisverbände wiederholt als geeignete und
grundsätzlich zulässige Massnahme gegen zu hohe natürliche Quoren (grösser als
10 %) bzw. zur Realisierung des Proporzgedankens erachtet.
Die Einteilung der Wahlkreisverbände hat Einfluss auf das Wahlsystem. Völlig unverfälscht funktioniert das Proporzsystem nur in einem Einheitswahlkreis. Jede Einteilung dieser Einheitswahlkreise bedeutet einen Eingriff in das Proporzwahlrecht. Im
Hinblick auf die Übersichtlichkeit und damit Verständlichkeit des Wahlverfahrens für
den Wähler rechtfertigt sich die Bildung von Wahlkreisen (bzw. von Wahlkreisverbänden). Diese sollten jedoch – bevölkerungs- und nicht flächenmässig – möglichst
gross und gleich sein und über zahlreiche Sitze verfügen. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtssprechung darf das natürliche Quorum höchstens 10% betragen. Ein
Wahlkreisverband muss somit mindestens 9 Sitze aufweisen (BGE 129 I 185, E.
7.1).
Beim Wahlkreisverbandsmodell handelt sich somit um eine Art „kleinen doppelten
Pukelsheim“. Dies macht aber wohl auf Grund der geringen Grösse des Kantons
wenig Sinn. Wenn man sich für das Wahlkreisverbandsmodell entschliesst, wäre es
wohl konsequent, direkt den doppelten Pukelsheim einzuführen.
Bericht vom 23. November 2010
7
Grundlagen Totalrevision / Varianten und historische Ereignisse
Die nachfolgende Tabelle zeigt beispielhaft anhand zufällig gebildeter Wahlkreise
auf, wie sich die Berechnungsmethode „Hagenbach-Bischof“ anlässlich der Wahlen
2010 ausgewirkt hätte: (inkl. natürliche Quoren):
3.2.3
Politische Gemeinde
Einwohner
Sitze im LR
natürliches Quorum
Stans
7‘775
11
8.33%
Ennetmoos
2‘035
3
25%
Verband 1
9‘810
14
6.67%
Hergiswil
5‘402
8
11.11%
Stansstad
4‘460
6
14.29%
Ennetbürgen
4‘259
6
14.29%
Verband 2
14‘121
20
4.76%
Beckenried
3‘229
5
16.67%
Buochs
5‘296
8
11.11%
Emmetten
1‘215
2
33.33%
Verband 3
9‘740
15
6.25%
Dallenwil
1‘771
3
25%
Oberdorf
3‘133
5
16.67%
Wolfenschiessen
2‘018
3
25%
Verband 4
6‘922
11
8.33%
Doppeltproportionale Divisormethode mit Standardrundung (sog. Doppelter Pukelsheim)
Das Verfahren wurde vom deutschen Mathematikprofessor Dr. Friedrich Pukelsheim
erfunden. Bereits vor den Wahlen wird die jedem Wahlkreis aufgrund seiner Bevölkerungszahl zustehende Anzahl Mandate berechnet. Dies geschieht nach der neuen
Divisormethode mit Standardrundung, das heisst: ab 0,5 wird aufgerundet, unter 0,5
wird abgerundet.
Danach werden in einem ersten Schritt alle im Kanton zu verteilenden Sitze zuerst
proportional gemäss den Parteistärken auf die Parteien verteilt. Nach Abschluss der
sogenannten Oberzuteilung steht fest, wie viele Sitze jede Listengruppe, d.h. jede
Partei, gesamtkantonal erhält. In dieser Phase der Sitzzuteilung wird der ganze Kanton quasi wie ein einziger Wahlkreis behandelt. Man spricht hier von der sogenannten Oberzuteilung.
In einem zweiten Schritt, der sogenannten Unterzuteilung, werden die den politischen Parteien gesamthaft zugewiesenen Sitze auf die einzelnen Listen dieser Parteien weitergegeben. Dies erfolgt mit einer doppelten Proportionalität: Die Listen erhalten Sitze entsprechend ihrem Stimmenanteil im betreffenden Wahlkreis und entsprechend ihrem Stimmenanteil gegenüber den Listen dieser Partei in den anderen
Wahlkreisen.
Schliesslich folgt die Sitzverteilung innerhalb der Listen. Die einer Liste zugewiesenen Sitze werden nach Massgabe der Kandidatenstimmen auf die Kandidaten verteilt.
Dieses Verfahren garantiert eine hohe Abbildungsgenauigkeit der politischen Wählerlandschaft auf die Zusammensetzung des Kantonsparlament über den ganzen
Kanton gesehen (Verteilung der Sitze im Verhältnis Wählerstimmen). Indessen ist
bei der Sitzzuteilung auf Stufe Gemeinde (Wahlkreis) keine Proportionalität gegeben. Auch haben Kandidaturen einer kommunalen Wählergruppe selbst bei einem
Bericht vom 23. November 2010
8
Grundlagen Totalrevision / Varianten und historische Ereignisse
sehr hohen Stimmenanteil in der Gemeinde relativ wenig Chancen auf einen Sitz,
weil für die Sitzzuteilung die Stimmenzahl über den ganzen Kanton zählt. Es kann
somit gesagt werden, dass der doppelte Pukelsheim – unter Beibehaltung der Gemeindevertretungen und somit der Gemeinden als Wahlkreise – zur genausten Abbildung der Parteienlandschaft im Parlament führt.
Listenverbindungen sind ebenfalls nicht möglich, weil zu wenig transparent ist, welcher Liste die Stimmkraft einer Wählerin oder eines Wählers letztlich zufliesst. Deshalb hat das neue Zürcher Zuteilungsverfahren Listenverbindungen ausgeschlossen.
Ebenso sind indirekte "Listenverbindungen“ (z.B. Freie Listen Beckenried/Stansstad)
nicht mehr möglich bzw. brächten für die Stammpartei nichts. Auch stille Wahlen
sind nicht mehr möglich, da die Sitzverteilung die Zusammensetzung über den ganzen Kanton abbilden soll. Alle Parteien sind aus wahltaktischen Gründen gezwungen, in möglichst allen Gemeinden zu kandidieren, denn jede auch chancenlose
Kandidatur bringt Stimmen für die Sitzverteilung.
Eine detaillierte Erklärung des Verfahrens nach juristischen und mathematischen
Gesichtspunkten ist unter folgendem Link abgerufen werden: http://www.math.uniaugsburg.de/stochastik/pukelsheim/2004b.
3.3
Proporz (mit Änderung der Verfassung)
3.3.1
Vorbemerkung: Berechnungsmethode „Hagenbach-Bischoff“
Nach der Berechnungsmethode „Hagenbach-Bischoff“, werden die Nationalratswahlen und wurden bis zum Bundesgerichtsurteil 1C_541/2009 auch die Landratswahlen im Kanton Nidwalden durchgeführt (Art. 22 ff. des Proporzgesetzes). Dieses
Wahlverfahren zeichnet sich dadurch aus, dass in einem ersten Verfahrensschritt
die Gesamtzahl der gültigen Parteistimmen in einem Wahlkreis durch die um eins
vergrösserte Zahl der vergebenden Sitze geteilt wird. Die nächst höhere ganze Zahl
heisst Verteilungszahl. Jeder Liste werden so viele Sitze zugeteilt, als die Verteilungszahl in ihrer Stimmenzahl enthalten ist (also Abrundung des Quotienten zur
nächsten ganzen Zahl). Die verbleibenden Sitze werden wie folgt verteilt: Die Stimmenzahl jeder Liste wird durch die um eins vermehrte Zahl der ihr schon zugewiesenen Sitze geteilt. Der Sitz geht an jene Liste, die den höchsten Quotienten aufweist. Dieses Verfahren wird wiederholt, bis alle Sitze verteilt sind.
Das Bundesgericht hat nun festgestellt, dass bezogen auf die bestehende Wahlkreisordnung (sehr kleine und auch sehr unterschiedlich grosse Wahlkreise) die Methode Hagenbach-Bischoff verfassungswidrig sei. Das Gericht hat aber nicht die Methode an sich für unzulässig erklärt. Durch eine Änderung der Anzahl der Wahlkreise
und somit deren Grösse, könnte Hagenbach-Bischoff weiterhin bundesverfassungskonform umgesetzt werden.
3.3.2
Einheitswahlkreis
In einem Einheitswahlkreis wäre das systemreinste Proporzwahlverfahren durchführbar, welches ohne rechnerische Korrekturen auskommen könnte. Dies würde
bedeuten, dass das gesamte Kantonsgebiet als ein Wahlkreis bezeichnet werden
müsste. Dies würde dazu führen, dass alle Parteien mit allen Kandidaten im gesamten Kanton kandidieren müssten.
Anschliessend würde gemäss der Berechnungsmethode „Hagenbach-Bischoff“über
die Listenstimmen die prozentuale Verteilung nach Parteien berechnet und anschliessend die Parteikandidaten nach dem Mehrheitsprinzip auf die vorhandenen
bzw. errungenen Sitze zugeteilt. Dies führt aber dazu, dass die kommunalen Ge-
Bericht vom 23. November 2010
9
Grundlagen Totalrevision / Varianten und historische Ereignisse
bietskörperschaften (politische Gemeinden) keine garantierten Vertreter mehr haben.
3.3.3
Geringere Anzahl Wahlkreise
Wie sich bereits gezeigt hat, hat die Einteilung der Wahlkreise Einfluss auf das
Wahlsystem. Völlig unverfälscht funktioniert das Proporzsystem nur in einem Einheitswahlkreis. Jede Aufteilung des Wahlgebietes in Wahlkreise bedeutet einen Eingriff in das Proporzwahlrecht – dies kann bis zur Verfassungswidrigkeit führen (vgl.
hierzu Ziff. 1.6 oben).
Trotzdem gibt es weiterhin gute Gründe, welche für eine Aufteilung des Kantonsgebiets in Mehrere Wahlkreise sprechen. Diese ermöglichen den Stimmberechtigten
eine bessere Übersicht und sichern den Gewählten eine örtliche Nähe zu ihrer Wählerbasis. Der Proporz kann umso besser umgesetzt werden, je grösser die Wahlkreise sind. Je weniger Mandate einem Wahlkreis zugeteilt werden, desto höher liegt
das natürliche Quorum. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtssprechung darf das natürliche Quorum höchstens 10 Prozent betragen, wobei dieser Wert als Richtwert
gelte. Im Hinblick auf die Übersichtlichkeit und damit Verständlichkeit des Wahlverfahrens für den Wähler rechtfertigt sich die Bildung von Wahlkreisen. Diese sollten
jedoch – bevölkerungs- und nicht flächenmässig – möglichst gross und gleich sein
und über zahlreiche Sitze verfügen (gemäss Bundesgericht mindestens 9, vgl. BGE
129 I 185, E. 7.1.2).
Durch eine Neufestlegung der Wahlkreise könnten bundesverfassungskonforme
Voraussetzungen geschaffen werden, um weiterhin mit dem bekannten Wahlsystem
„Hagenbach-Bischoff“ die Landräte zu bestimmen. Tatsache ist aber, dass auch in
diesem Fall die Gemeindevertretung nicht mehr gesichert ist (vgl. hierzu aber Ziff.
3.2.2).
Bericht vom 23. November 2010
10
Grundlagen Totalrevision / Varianten und historische Ereignisse
3.4
Übersicht
Vorteile
Nachteile
Majorz
- relativ einfaches Wahlverfahren
- keine Verfassungsänderung
- schlechtes Abbild der Gesamtbevölkerung
- in der Rechtstheorie umstritten
Wahlkreisverbände
- keine Änderung der Verfassung
- regionale Verankerung
- Vertretung Gemeinden gewahrt
Doppelter Pukelsheim über alle
Wahlkreise
- keine Änderung der Verfassung
- Vertretung Gemeinden gewahrt
- sauberer Proporz
- genauste Abbildung der Parteilandschaft im Landrat
- kompliziertes System
- geringe Nachvollziehbarkeit
- Systembedingte Umverteilungen
- mangelhafte Proportionalität innerhalb
Wahlkreis
Einheitswahlkreis
- sauberster Proporz
- Beibehaltung vertrautes Wahlsystem „Hagenbach-Bischoff“
- Verfassungsänderung
- keine zwingende Gemeindevertretung
mehr
Reduzierte Wahlkreise
- regionale Verankerung
- Beibehaltung vertrautes Wahlsystem „Hagenbach-Bischoff“
4
- nur „kleiner Puckelsheim“
- wie Verbände bilden?
- keine zwingende Gemeindevertretung
mehr
- Verfassungsänderung
- wie Wahlkreisverbände, aber mit Verfassungsänderung
Weiteres Vorgehen
Der Regierungsrat führt eine erste Vernehmlassungsrunde bei den Parteien und den
Gemeinden durch. Diese sollte bis Ende Februar 2011 abgeschlossen sein. Ziel dieser Vernehmlassungsrunde ist, einen Konsens darüber zu erlangen, in welche Richtung die Revision grob gehen soll. Dies bedeutet, dass die Parteien als erstes einen
Konsens darüber erlangen sollen, ob eine Lösung basierend auf der geltenden Verfassung erarbeitet werden soll, oder ob die Wahlkreise und die verfassungsmässig
garantierte Gemeindevertretung (Art. 57 und 58 der Kantonsverfassung; NG 111)
geändert bzw. aufgehoben werden sollen.
Auf Grund der momentanen Unsicherheit darüber, ob allenfalls vor der Erarbeitung
eines Gesetzes eine Verfassungsrevision durchzuführen ist, ist der Terminplan im
Moment noch mit verschiedenen Unsicherheiten behaftet.
Es kann aber gesagt werden, dass selbst im zeitintensivsten Fall einer beschlossenen Verfassungsänderung, bei einer zügigen und konstruktiven Bearbeitung des
Projekts, eine allfällige Verfassungsabstimmung im Juni 2012 durchgeführt werden
könnte. Ein sich darauf stützendes Gesetz dürfte ca. im November 2012 in zweiter
Bericht vom 23. November 2010
11
Grundlagen Totalrevision / Varianten und historische Ereignisse
Lesung durch den Landrat verabschiedet werden. Ein hierauf ergriffenes Referendum würde zu einer weiteren Volksabstimmung im Frühling 2013 führen. Bei einer
Gutheissung durch den Souverän bliebe somit immer noch genug Zeit um die notwendigen Vorbereitungshandlungen für die Landratswahl im Jahr 2014 gestützt auf
das neue Gesetz in Angriff zu nehmen.
Stans, 23. November 2010
REGIERUNGSRAT NIDWALDEN
Landammann
Gerhard Odermatt
Landschreiber
Hugo Murer
Bericht vom 23. November 2010
12
Herunterladen