Einführung in die Astronomie und Astrophysik I, WS 2009/10 Lösung

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Einführung in die Astronomie und Astrophysik I, WS 2009/10
Dozenten: H. Beuther & Ch. Fendt,
Tutoren: L. Burtscher & O. Porth
Lösung zur 9. Übung
28. Januar 2010
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Gleichgewicht im ISM
a) Stoßzeiten: Zum Beispiel aus Dimensionsanalyse: [t] = s = [(v · ρ · σ) −1 ], die mittlere Stoßzeit
zwischen Stößen in Molekülwolken sind daher etwa 2.3 · 106 s ≈ 27Tage.
b) Vergleich mit typischen Zeitskalen: Die Freifallzeitskala der Sonne beträgt etwa 20 Minuten,
die Hubble-Zeit etwa 13,8 Milliarden Jahre. Aber diese Zeiten sind hier nicht relevant. Da es sich um
eine Molekülwolke handelt, vergleicht man die typische Stoßzeit am besten mit der Freifallzeit einer
Molekülwolke (siehe Lösung zur Übung 7). Diese liegen in der Größenordnung von 106 Jahren. Die
sehr viel kürzere Stoßzeitskala sagt einem also, dass Stöße zwischen Molekülen in Molekülwolken
relevant sind, obwohl sie lediglich etwa einmal im Monat stattfinden. Eine solche Abschätzung von
Zeitskalen (oder allgemeiner: Größenskalen verschiedener Prozesse) ist in der Astrophysik oft die erste
Herangehensweise um zu erfahren, wie relevant verschiedene mögliche Mechanismen zum Verständnis
eines astronomischen Objekts sind.
c) Boltzmann-Gleichgewicht:
Auf der Website der Leiden Atomic and Molecular Database,
findet man sowohl die Einstein-Koeffizienten für spontane Emission A21 als auch die Stoßraten Q21 1
für verschiedene Moleküle.
Für CS liest man für den Übergang mit geringster Anregungsenergie (2 → 1) und bei 20 K ab: A 21 =
1.75 · 10−6 · s−1 und Q21 = 3.7 · 10−11 · cm3 s−1 . Beachte: Q21 muss noch mit einer Teilchenzahldichte
multipliziert werden um eine echte Rate (Einheit s −1 ) zu erhalten. Der Boltzmannkorrekturfaktor
ergibt sich damit bei einer Dichte von 10 4 Teilchencm−3 zu 1+(A211/nQ21 ) = 0.17.
Für CN liest man für den Übergang mit geringster Anregungsenergie und bei 20 K ab: A 21 = 2.34 ·
10−5 · s−1 und Q21 = 3.7 · 10−11 · cm3 s−1 . Der Boltzmannkorrekturfaktor ergibt sich damit bei einer
Dichte von 104 Teilchencm−3 zu 1+(A211/nQ21 ) = 0.016.
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Die Stoßraten kann man auch in guter Näherung aus Aufgabe a) übernehmen
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Das Boltzmann-Gleichgewicht ist ein Maß dafür, wie sehr sich ein Gas im thermischen Gleichgewicht befindet. Das thermische Gleichgewicht wird durch Stöße zwischen energiereicheren und weniger
energiereichen Molekülen hergestellt. Die Moleküle können ihre Anregungsenergie aber auch durch
spontane Emission verlieren (tragen dadurch aber nicht zum thermischen Gleichgewicht bei). Indem
man nun die Rate von spontaner Emission mit der Stoßrate vergleicht, erhält man einen Eindruck
davon, wie die Moleküle Energie austauschen und daher wie sehr das thermische Gleichgewicht erfüllt
ist. In diesem Fall ist der Korrekturfaktor in beiden Fällen deutlich 6= 1 und daher das thermische
Gleichgewicht nicht erfüllt.
d) Kritische Dichten: Die Stoßrate ist linear proportional zur Dichte der Gases. Bei einer Dichte
von 104 Teilchen cm−3 sind die Boltzmannkorrekturfaktoren:
CO: 0.82
CS: 0.17
HCN: 0.0038
Für CO genügt also eine Dichte von etwa 104 Teilchen cm−3 , um ins thermische Gleichgewicht zu
gelangen. CS benötigt eine etwa fünf Mal größere Dichte und HCN gar eine fast 300 mal so große
Dichte, also 3 · 106 Teilchen cm−3 um im thermischen Gleichgewicht zu sein. Die entsprechenden
kritischen Dichten von CO und CS können in Molekülwolken erreicht werden. Die kritische Dichte
von HCN wird zwar in typischen großskaligen Molekülwolken nicht erreicht, auf kleineren Skalen der
dichten Kerne und Sternentstehung werden diese Dichten aber doch erreicht, und dort ist auch HCN
im Boltzmanngleichgewicht.
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Sternhaufen
a) Alter von Sternhaufen: In einem Hertzsprung-Russel oder in einem (der Beobachtung leichter
zugänglichen) Farben-Helligkeitsdiagramm fallen die meisten Sterne auf eine Linie, der so genannten
Hauptreihe. Alle Sterne auf der Hauptreihe beziehen ihre Energie durch zentrales Wasserstoffbrennen.
Wenn der Wasserstoff aufgebraucht ist, entwickeln sich die Sterne von der Hauptreihe weg. Dies passiert
zunächst für die leuchtkräftigeren, massereicheren O-Sterne, dann für B-, A-, F-, ... Sterne. Wenn man
die “Abknickposition” im Farben-Helligkeitsdiagramm erkennen kann, weiß man welche Sterne sich
schon von der Hauptreihe weg entwickelt haben und welche noch auf der Hauptreihe sind. Nimmt man
an, dass alle Sterne der beobachteten Region zu etwa derselben Zeit entstanden sind (wie es etwa bei
Sternhaufen der Fall ist), so kann man daraus das Alter der beobachteten Sternpopulation abschätzen.
Für die Plejaden erhält man auf diese Weise ein Alter von etwa 100 Millionen Jahren, weil lediglich
O-Sterne und die hellsten B-Sterne auf der Hauptreihe fehlen; bei den Hyaden fehlen die B-Sterne fast
vollkommen. Sie sind daher älter als die Plejaden (Alter: etwa 1 Milliarde Jahre).
b) ω Centauri – Scheinbare Größe:
In einer Entfernung von 30 Parsec erschiene der innere
Bereich (13 Lichtjahre, ca. 4 Parsec) etwa 8 Grad groß auf dem Himmel.
Die scheinbare Helligkeit des Sternhaufens beträgt in einer Entfernung von 5000 pc 3.7 mag. In einer
Entfernung von 30 pc, würde er entsprechend (5000/30)2 = 2.8 · 104 mal heller strahlen, oder −2.5 ·
log(2.8 · 104 ) = −11 mag heller, also etwa -7.3 mag. Dies ist zwar schwächer als Sonne (-26.8 mag)
und Mond (-12.5 mag) uns erscheinen, aber deutlich heller als der für uns dritthellste Himmelskörper
Venus (-4.7 mag).
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c) ω Centauri – Anzahl sichtbarer Sterne: Je nach Himmelshintergrund kann das menschliche
Auge Sterne bis zur 4. (Großstadtumgebung) oder 6. (dunkle Wüste) Größenklasse wahrnehmen. Auf
der Erde kann ein Mensch mit dem bloßen Auge daher maximal etwa 5000 Sterne sehen, die meisten
Menschen sehen aufgrund der (zunehmenden) “Lichtverschmutzung” deutlich weniger Sterne, viele
haben noch nie die Milchstraße gesehen.
Um abzuschätzen, wieviele Sterne ein Beobachter im Zentrum von ω Centauri sehen würde, kann man
folgenderma§en vorgehen: ω Centauri hat einen Radius von etwa 30 pc und besitzt etwa 5 Millionen
sonnenähnliche Sterne. Die Sonne hat eine absolute Helligkeit von 4.84 mag. Das ist die scheinbare
Helligkeit der Sonne, wenn wir sie in 10 pc Abstand sehen könnten. In 30 pc Abstand würden wir
sie als ein 5 · log(30pc/10pc) = 2.4 mag schwächerer Stern, also ein Stern der etwa 7. Größenklasse
wahrnehmen. Mit guten Augen und an einem dunklen Ort könnte man im Zentrum von ω Centauri
alle (bzw. jeweils die Hälfte, wenn die andere Hälfte des Himmels durch einen Planeten verdeckt ist...)
Sterne bis zu einer Entfernung von 20pc des Kugelsternhaufens wahrnehmen, etwa 10 mal mehr als
auf der Erde.
Oder würden einzelne Sterne alles andere überstrahlen? Dazu ist es hilfreich noch den typischen Abstand von Sternen in einem Kugelsternhaufen zu kennen: Bei 50 000 Sternen in ca. 4 Parsec (im
Zentralbereich), haben wir eine typische Sterndichte von 50 000/(4 3 ) Sterne / pc−3 ≈ 800 Sterne /
pc−3 , also einen typischen Sternabstand von 0.1 pc. In einem solchen Abstand erschiene die Sonne 10
mag heller als in 10 pc Abstand (absolute Helligkeit), also etwa wie ein Sterne -5. Größe (also etwas
heller als Venus). Die nächsten Sterne des Kugelhaufens würden die anderen Sterne also nicht überstrahlen. Eine genauere Abschätzung würde die Verteilung der Sterne (z.B. Plummer, King-modell)
mit einschließen, ist hier aber nicht verlangt.
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