- Schweizer Tierschutz STS

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SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS
TIER & TECHNIK ST. GALLEN
Tier & Technik St. Gallen
15. bis 28. Februar 2016, besucht am 25. Februar 2016
Zusammenfassung und Fazit
An der 16. Tier & Technik wurden verschiedene Nutztierarten ausgestellt: Milchkühe, Mastvieh,
Schafe verschiedener Rassen, aber auch einige Hühner. Die Tieranlieferung erfolgte am Mittwoch,
24. Februar. So verweilten die Nutztiere insgesamt fünf Tage in ihren Gehegen oder Anbind­eställen,
mehrheitlich ohne Tageslicht. Die angebunden gehaltenen Tiere hatten keine freie Bewegungs­
möglichkeit, lediglich beim Vorführen im Ring konnten sie einige Schritte machen.
Alle Gehege waren sauber und reichlich eingestreut und die Versorgung mit Futter und Wasser
wurde gewährleistet. Täglich fanden verschiedene Vorführungen mit Tieren statt, u. a. die Prämierung
und Auktion von Milchkühen.
Gelobt werden konnten das grosszügige Gehege der Angus-Mutterkühe und die Haltung der zwei
Mastrinder. Auch der grosse Geflügelstall im Aussengelände konnte bezüglich Grösse und Rückzug
gelobt werden.
Die Milchschafe der Sonderschau hatten zwar ein Gehege, welches die gesetzliche Norm erfüllte,
jedoch verfügte es kaum über Strukturen. Ein Tier fiel auf, weil es stark lahmte – es konnte kaum
aufstehen, geschweige denn gehen. Es könnte sich um einen Fall von Moderhinke handeln, die für
andere Schafe ansteckend ist. Überraschenderweise wusste der darauf angesprochene Standbetreuer
über den Gesundheitszustand des Tieres nicht Bescheid!
Negativ bewertet wurde auch die teilweise sehr kurze Anbindung der grossrahmigen Milchkühe.
Das Styling der Kühe musste bezüglich Tierwürde hinterfragt werden, ebenso die hinter den
präsentierten prallen Eutern stehende einseitige Hochleistungszucht bestimmter Kuhrassen. Das
Handling der Kühe beurteilte der STS in vielen Fällen als fragwürdig. Die Kühe wurden u. a. mit
Hochdruckreinigern abgespritzt, ihre Schwänze mit Klammern lahmgelegt oder mit der Hand nach
oben verdreht. In der Styling-Box mussten sie jeweils bis zu einer Stunde in unnatürlicher Haltung,
mit ausgebundenem und überstrecktem Kopf, ausharren. Abwehrverhalten wurde in den allermeisten
Fällen kurzerhand mit Zwangsmassnahmen unterbunden.
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TIER & TECHNIK ST. GALLEN
Junge Rinder ab vier Monaten, eben dem Kälberalter entwachsen, wurden unverständlicherweise
über die ganze Messe hinweg angebunden gehalten, obwohl Tiere in dieser Altersgruppe über einen
grossen Bewegungsdrang verfügen. Auch die Schafböcke wurden permanent angebunden gehalten.
Hier wäre eine freie Einzelhaltung in den Gehegen aus tierschützerischen Gründen zu bevorzugen
gewesen.
Allgemeines
Alle Gehege und Standplätze waren sehr sauber und sowohl die Tiere als auch die Unterbringungen
wurden den ganzen Tag hindurch regelmässig gereinigt. Bei den Kühen in Anbindehaltung standen
sogar StallgehilfInnen zur Verfügung, welche die Exkremente der Kühe beim Versäubern entweder
sofort mit Eimern auffingen oder sie danach sofort wuschen.
Die meisten Tiere wurden in der Halle 9.0, welche sich in einem Untergeschoss mit beschränktem
Tageslicht befand, ausgestellt. Dies hatte den Vorteil, dass nur Besucher für die Tierausstellung
gezielt dorthin gingen und so das Gedränge weniger dicht ausfiel. Ebenfalls war die Temperatur mit
18 bis 20 Grad Celsius für die Tiere angenehm. Vereinzelte Milchschafe und Hühner wurden
zusätzlich auch an anderen Standorten präsentiert.
Die einzelnen Ausstellungen im Detail
Milchschafe
In der Halle 7.0 fand neben viel Technik und Maschinen die Sonderschau «Milchschafe der
Schweizerischen Milchschafzucht Genossenschaft (SMG)» statt. Es wurden fünf weibliche,
geschorene Schafe auf ca. 13 m² ausgestellt. Sie konnten sich in Richtung Rückwand den
Berührungen der Besuchern entziehen, echte Rückzugsmöglichkeiten fehlten jedoch. Es stand
ausreichend Einstreu, Wasser und Futter zur Verfügung. Alle Schafe wiesen eine erhöhte Atmung
(100 Atemzüge/Minute) auf. Ein Tier fiel auf, weil es stocklahm war und hinten beide und vorne
links die Füsse bis über die Klauen eingebunden hatte. Es hatte sichtlich Schmerzen und Mühe
beim Aufstehen, Laufen und Abliegen. Bei Nachfrage wusste der Standverantwortliche über den
Gesundheitszustand der Tiere nicht Bescheid. Laut Aussteller wurden die Schafe zweimal täglich
gemolken.
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Die Milchschaf-Haltung als Sonderschau. Alle Schafe
wiesen eine erhöhte Atmung auf und ein Tier lahmte stark.
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Milchkühe
In der Halle 9.0 wurden über 200 Milchkühe
ausgestellt. Der grösste Teil davon befand sich
aneinander gereiht in Anbindehaltung. Es
wurden Vertreter folgender Rassen präsentiert:
Brown Swiss Elite-Kühe, Original Braunvieh,
Holstein Friesian, Red Holstein, Fleckvieh, Sim­
men­
taler, Tiroler Grauvieh, Pinzgauer, Hinter­
wäldler, Evolèner, Jersey und Angus.
Die Kühe teilten sich jeweils zu zweit eine
Selbsttränke und Heu war ad libitum vorhanden.
Im Vergleich zum Vorjahr konnte eine Verbesser­
ung festgestellt werden. So befand sich in die­
sem Jahr der Krippenboden bei sämtlichen Lä­
gern auf gleichem Niveau wie diese und entsprach
damit den Vorschriften der Tierschutzverord­
nung. Insgesamt waren die Läger mit rund 2,5
m Länge ausreichend dimensioniert und auch
reichlich eingestreut. Viele der Tiere lagen ent­
spannt auf dem Stroh und waren mit Schlafen
oder Wiederkäuen beschäftigt. Im Gegensatz
dazu stand die relativ unflexible und vielfach
sehr kurze Anbindevorrichtung, die dazu führte,
dass die grossrahmigen Kühe nur sehr be­ Beispiel einer zu kurzen Anbindung einer
schränkte Bewegungsmöglichkeiten für Kopf grossrahmigen Kuh.
und Hals hatten. Diese Tiere konnten in der Fol­
ge nicht in natürlicher Körperhaltung stehen und
auch die Körperpflege war unter diesen Umständen nicht möglich. Nebst der zu kurzen Anbindung
behinderte das vorhandene Nackenrohr zusätzlich das Ausüben des Kopfschwungs beim Aufste­
hen. Wir beurteilen diese praktizierte Anbindehaltung als klar tierschutzwidrig. Es ist unverständ­
lich, dass Bauern und Ausstellungsverantwortliche diese restriktive Anbindung nicht hinterfragten!
Insgesamt wurde der Geräusch­
pegel in der Halle mit 79–85 Dezibel
für die Tiere als zumutbar beurteilt.
In einer Styling-Ecke hingegen wur­
de unmittelbar neben den Kühen
über den ganzen Tag hinweg laute
Musik aus Boxen abgespielt. Hier
konnten 90 Dezibel und mehr ge­
messen werden! Diese Art Dauer­
beschallung stellte für die Tiere
eine weitere Belastung dar und war
absolut unnötig!
Dieses komplett geschorene Kalb war zu kurz angebunden
und konnte sich deshalb im hinteren Körperbereich nicht
selbst putzen und belecken.
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Vorbereitung der Tiere
Bereits frühmorgens wurde mit der Vorbereitung der Tiere begonnen. In einer Art Waschbox, welche
nicht überdacht war, wurden die Kühe mit Hochdruckreinigern in einer rund 10-minütigen Prozedur
shampooniert und abgeduscht. Es konnte beobachtet werden, dass manche Tiere aufgrund des
starken Wasserstrahls zusammenzuckten und ausweichen wollten. Aufgrund dieser Reaktionen
muss vermutet werden, dass der praktizierte Waschvorgang für die Tiere belastend war. Obwohl mit
grosser Wahrscheinlichkeit warmes Wasser verwendet wurde, dürften die tiefen Aussentemperaturen
(am besuchten Messetag rund um den Gefrierpunkt) eine gewisse Auskühlung der Tiere zur Folge
gehabt haben.
Den ganzen Tag über wurden
Ausstellungstiere zum Styling
gebracht. Man führte sie zu den
zahlreich dafür vorgesehenen Stän­
den mit Galgen-Vorrichtungen und
fixierte sie darin. Dabei wurde
einerseits der Hals im Halsrahmen
sowie dann auch noch der Kopf
mittels Anbindung am Strick des
Knotenhalfters arretiert. Abhängig
von den Abwehrreaktionen der Tiere
und für die Rasuren im Kopfbereich
wurde der Kopf der Tiere ent­
sprechend kürzer und höher fixiert.
Das Verharren in dieser un­
natürlichen und für die Tiere sehr
belastenden Körperhaltung mit z. T.
Morgendusche in der Kälte: Die Kühe wurden mit
überstrecktem Nacken in den
Hochdruckreiniger abgespritzt.
Zwangsvorrichtungen dauerte je­
weils 45–60 Minuten. Bei manchen
Tiere machten sich gleichzeitig bis zu fünf
Stylisten zu schaffen. Bei einigen Tieren konnte
zudem beobachtet werden, wie der Strick durch
Verrutschen des Halfters über den Augen zu
liegen kam. Den Kühen tat das sichtlich weh.
Um die Augen zu schützen, mussten sie diese
immer wieder zukneifen.
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Diesen Kühen rutschte aufgrund der unkorrekten Fixation mit den Zughalftern immer wieder der
Strick in die Augen.
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Die Stylisten schienen dies entweder nicht zu bemerken oder es war ihnen egal. Als eine unserer
Mitarbeiterinnen bei einer Kuh nach längerem Zusehen den Stylisten darauf aufmerksam machte
und bat, die Anbindung entsprechend zu korrigieren, wurde sie schroff abgewiesen mit der Antwort,
dass ihm das egal sei und er lachte die Mitarbeiterin aus.
Die Weiterschur fand anschliessend meist an einem anderen Ort in «normaler» Anbindehaltung
statt, bei der die Tiere etwas mehr Bewegungsfreiheit hatten. Über alles gesehen mussten die Tiere
sehr lange regungslos ausharren. Das Grobstyling, Scheren und Rasieren von Kopf bis Fuss, dauert
pro Kuh 2–3 Stunden. Gerade für Kälber und Tiere, welche diese Styling-Prozeduren nicht gewöhnt
sind, musste die Situation als belastend und teilweise auch schmerzhaft eingestuft werden. Die
häufig beobachtete offensichtliche Gegenwehr seitens der Tiere bestätigte dies. Um die Tiere ruhig
zu stellen, waren verschiedene Hilfsmittel im Einsatz: hohes Ausbinden und Fixieren von Kopf und
Hals mit Überstreckung von Genick und Rücken, Einsatz von Schlagbügeln, Schwanzklammern aus
Metall, Nasengriffe und Massnahmen wie das schmerzhafte Hochbiegen der Schwänze mitsamt der
Schwanzwurzel.
Diese Kuh musste während der
Styling-Prozedur mit einer schmerzhaften
Schwanzklammer ausharren.
Der Schlagbügel hängt griffbereit beim
Styling-Stand.
Hier wurde der Schwanz samt Schwanzwurzel
hochgebogen. Das war so schmerzhaft für die
Kuh, dass sie sofort erstarrte und sich nicht
mehr bewegte.
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Nicht nur würdelos, sondern auch tierschutzwidrig war aus unserer Sicht beim Kuh-Styling auch,
dass grundsätzlich die ganze Kuh, bis auf die Rückenlinie (Top-Line), radikal geschoren und rasiert
wurde: Sämtliche Haare vom gesamten Kopfbereich inkl. der Ohren, innen und aussen über die
Beine bis zu den Klauen hin, das Euter, der sensible Innenschenkelbereich, der Schwanz bis auf
eine Quaste und auch sämtliche Tasthaare am Flotzmaul und an den Brauen wurden abgeschnitten
bzw. wegrasiert – was die Tierschutzgesetzgebung etwa bei Pferden explizit verbietet. Bei manchen
Tieren wurde zudem beidseits zur Betonung der Silhouette die Rippenform nachgeschoren.
Dieser Kuh werden gerade die Tasthaare an
den Augenbrauen geschoren. Sie wachsen nur
langsam und teilweise nur unvollständig nach.
Der natürliche Fangschutz der Haare an
der Innen- und Aussenseite der Ohren
beispielsweise gegen Schmutz, Keime und
Fliegen fehlt den Tieren nun für einige
Wochen. Insbesondere für die kommende
Weidesaison ein nicht zu unterschätzendes
Handicap für die Ausstellungstiere.
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Auch der ganze Kopf der Kühe mit samt
der Ohren wurde während der Ausstellung
kahlgeschoren.
Das glattrasierte Euter hatte weniger Schutz
wegen der fehlenden Haare. Die dadurch
prominent gezeichneten Gefässstrukturen
wirken unnatürlich und gekünstelt.
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Je nach Erfahrung und Zeitdruck des Stylisten kam es immer wieder mal zum Hängenbleiben der
Schermaschine in der Haut und entsprechenden Ritzverletzungen. Die Blutungen wurden jeweils
mittels Desinfektionstüchlein gestillt. Für gute Lichtverhältnisse beim Stylen sorgten starke Strahler,
welche die Tiere häufig blendeten und zudem relativ viel Wärme auf die Tiere abgaben. Dies wurde
mit dem Einsatz von Föhns zur Entfernung der geschorenen Haare und Stylen der Top Line (Haare
der Rückenlinie) zusätzlich verstärkt.
Der Schweizer Tierschutz STS kritisiert seit Langem derartige künstliche, übertriebene und
unnötige Styling-Prozeduren an Tierausstellungen. Nach vielen Jahren des Protests gibt es in der
Schweiz nun wenigstens strengere Reglemente für die Hundeaustellungen. Demnach ist dort das
Verwenden von Galgen zur Fixation der Tiere für das Styling, sowie sämtliche Hilfsmittel, die über
das Bürsten und Kämmen hinausgehen, wie beispielsweise das Scheren, Trimmen, Schneiden von
Haaren oder die Anwendung von Sprays, Lacken, Cremes, Puder etc. untersagt. Dass nun das Stylen
von Kühen exzessiver und ohne Einschränkungen an den Kuh-Ausstellungen betrieben wird, als
vergleichsweise an internationalen Hundeausstellungen, ist nicht nachvollziehbar. Diese
unnatürlichen und übertriebenen kosmetischen Eingriffe kontrastieren scharf zur häufig tristen,
realen Lebenswelt von Milchkühen.
Millimeterarbeit beim Kuhstyling. Die Kuh musste dafür lange mit hoch ausgebundenem Kopf
stillstehen.
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Beurteilung Problematik verlängerte Zwischenmelkzeit
Da der STS die Messe nicht an den Tagen der Elite-Schauen besuchte, wo speziell auf riesige Euter
geachtet wird, dürften die meisten von uns beobachteten Kühe wohl noch im normalen Intervall
gemolken worden sein. Trotzdem konnten bei zwei Tieren bereits am Mittag bzw. früheren Nachmittag
tropfende bzw. laufende Euter beobachtet werden, was auf einen unüblich frühen, ersten Melkgang
schliessen lässt. Nachmittags gegen vier Uhr wurde bei 78 Kühen jeweils ein sehr schweres und
pralles Euter festgestellt. Auch an dieser Messe standen den Ausstellern zahlreiche mobile
Melkmaschinen zur freien Verfügung – es wurden aber nur zwei Tiere von ihren Besitzern vorzeitig
gemolken.
Diese Kühe hatten bereits am Mittag bzw. frühen Nachmittag Milchfluss, was auf ein extrem
frühes Melken hindeutet, und wurden nicht zwischengemolken.
Der Veranstalter stellte den Ausstellern
genügend mobile Melkmaschinen zur
Verfügung. Diese wurden aber nur vereinzelt
zum Zwischenmelken benutzt.
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Diese Kuh durfte gemäss Auskunft des
Besitzers wegen zu hohem Ausstellungsstress
und einer beginnenden Mastitis frühzeitig die
Heimreise antreten. Damit sie nicht mit prallem
Euter und Schmerzen auf den Transport
musste, wurde sie vorher noch gemolken.
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Kälber
Neben der Stylingstation wurden Kälber mit unterschiedlichem Alter ausgestellt. Kälber unter vier
Monaten befanden sich in unstrukturierten Gehegen à 2 x 5 m. In einem der Gehege befanden sich
zwei Tiere und in einem zweiten Gehege ein einzelnes Kalb. Ihnen stand tiefe Einstreu, Wasser in
Eimern und frisches Heu sowie in der doppelt belegten Bucht sogar eine rotierende Kratzbürste zur
Verfügung. Sie wirkten entspannt und waren während unserer Beobachtungen mit Dösen oder
Wiederkauen beschäftigt.
Kälberbucht mit Kratzbürste.
Daneben wurden neun über vier
Monate alte Aufzuchtrinder in
Anbindehaltung ausgestellt. Auch
ihnen stand, wie den Kühen, Heu
zur freien Aufnahme zur Verfügung
und jeweils zwei Tiere teilten sich
eine Tränke. Sämtliche Tiere waren
bereits geschoren. Das Anbinden
von Jungtieren ab vier Monaten
ist gesetzlich zwar erlaubt, der
Schweizer Tierschutz STS erachtet
jedoch das permanente Anbinden
über mehrere Tage hinweg ohne
freie Bewegungsmöglichkeiten aus­
serhalb des Standplatzes als klar
tierschutzwidrig. Gerade junge Rin­
der haben viel Energie und sollten
ihre Bedürfnisse täglich in freier
Bewegung ausleben können. Da
eine Tierausstellung an einer Publikums­messe
eine Vorbildfunktion einnimmt, wäre eine Auf­
stallung mit freier Bewegungsmöglichkeit für die
Tiere zwingend. Die Tier & Technik sollte sich hier
an dem Musterbeispiel der SMP (Schweizer
Milchproduzenten) orientieren: Am «Tag der
Milch» werden diverse Kälberausstellungen
stattfinden: Die SMP gibt hier vor, dass alle Käl­
ber mindestens zu dritt ausgestellt werden müs­
sen und sich in gross dimensionierten
und tiergerecht eingerichteten Freilaufgehegen
befinden sollen.
Die in Anbindehaltung aufgestallten, komplett
geschorenen, Kälber.
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Mutterkuhhaltung
Die schweizerische Vereinigung der
Anguszüchter Swiss Angus stellte
eine Angus-Mutterkuh-Herde aus.
Zwei Mutterkühe befanden sich mit
zwei Kälbern und einem Muni auf
einer komfortablen Fläche von ca.
6 x 6 m. Neben Heu und Wasser
standen den Tieren ein Salzleck­
stein und eine Kratzbürste zur Ver­
fügung. Aufgrund des grosszügigen
Platz­
angebotes konnten sich die
Tiere bei Bedarf den Zuschauern
ent­
ziehen und wirkten allesamt
recht entspannt.
Sichtlich entspannte Tiere in der Mutterkuhhaltung der
Swiss Angus.
Mastkühe
Das Label Bio Weidebeef stellte
auf einer Fläche von ca. 4 x 3 m
zwei Mastrinder aus. Sie hatten tie­
fe Einstreu sowie Wasser und Futter
zur freien Verfügung und konnten
sich vorbildlicherweise gegen eine
Seite von den Zuschau­ern zurück­
ziehen.
Auch die Mastrinder machten einen recht entspannten
Eindruck.
Schafe
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In der Halle 9.0 befanden sich insgesamt 106
Mutterschafe und Widder verschiedener Altersund Gewichtsklassen. 63 Schafe gehörten der
Rasse Ile de France Suisse an und 43 Schafe
waren braunköpfige Fleischschafe. Die Schafe
wurden einen Tag später für die Auktion mit
Punkten bewertet und rangiert. Die Gehege
waren allesamt 6,76 m² gross, reichlich
eingestreut und sauber. Pro Gehege waren je
nach Alters­kategorie zwei bis sechs Schafe auf­
gestallt. Die vorgegebenen Mindestflächen der
Tierschutz­verordnung wurden eingehalten. Dies
ist aus unserer Sicht lobenswert (gilt nur für
Gehege der Schafe.
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unangebundene Tiere), da sich
andere Organisatoren und Verant­
wortliche von Tierausstellungen
häufig mit den Ausnahmeregel­
ungen rechtfertigen und Ausstel­
lungs­tieren deshalb oft viel zu wenig
Platz zur Verfügung steht bzw. die
Mindest­
bestimmungen der Tier­
schutz­ver­ordnung häufig während
Ausstel­
lungen nicht eingehalten
werden. Die Mutterschafe konnten
sich gegen die Futterraufe hin auch
den Berührungen der Besucher ent­
ziehen.
Die Widder wurden jeweils alleine
oder zu zweit permanent im Gehege
angebunden, einige davon extrem
Bis zu sechs Tiere befanden sich in einem Gehege und jedes kurz. Sie hatten teilweise sogar
Tier konnte ungehindert an der Futterraufe Heu fressen.
Schwierigkeiten, sich hinzulegen
ohne sich zu würgen! Dies wurde
bereits im Jahr zuvor kritisiert. Gemäss Tierschutzverordnung dürfen Schafe nur vorübergehend
angebunden werden – vermutlich mussten die Tiere aber die ganzen Ausstellungstage so verharren!
In einigen Widder-Gehegen waren die Wasserkübel zu weit entfernt von den Tieren, sodass sie keinen
freien Zugang zu Wasser hatten. Ihnen wurde aber gemäss Auskunft des Standpersonals einmal pro
Stunde manuell Wasser angeboten. Im Vergleich zum letzten Jahr konnten die angebundenen
Widder immerhin nicht mehr von den Zuschauern berührt werden. Die Atemfrequenz sämtlicher
Schafe, insbesondere der Böcke, war massiv erhöht. Sie lagen durchschnittlich bei 120–200
Atemzüge pro Minute. Normalerweise atmen Schafe in Ruhe und ohne körperliche Belastung
ungefähr 12–25 mal pro Minute. Die Ausstellungsbedingungen und die widernatürliche
Anbindehaltung wirkten sich offensichtlich stark belastend für die Schafe aus.
Alle Böcke wurden angebunden gehalten und hatten dadurch keinen
freien Zugang zum Wasser.
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Ein Bock war extrem fettleibig und sass den
ganzen Tag schwer atmend im Gehege. Weil er
so dick war, konnte er nicht mehr liegen und das
Sitzen war entlastender.
Er hatte nach Auskunft einer Fachperson des
OIF-Stands über den Winter zu wenig Bewegung
gehabt und würde sehr schnell Gewicht zulegen
– auch vom Heu. Man erwarte, dass er im Früh­
ling wieder schlanker werde. Die Ausstel­lungs­
situation war für den fettleibigen Schafbock
sichtlich belastend.
Dieser Schafbock war besonders dick.
Geflügel
Auf dem Aussengelände wurde ein grosser Stall mit Geflügel ausgestellt. Wegen des schlechten
Wetters war der Stall kaum von Besuchern umringt. Die Hühner verfügten über viel Sichtschutz.
Im Stall war reichlich eingestreut, Wasser und Futter standen zur freien Verfügung. Im Stall gab es
eine erhöhte Fläche, darauf befanden sich zwei Sitzstangen. Die Grösse des Stalles war grosszügig
– es ist jedoch sehr schade, dass die Fläche und vor allem auch die Höhe des Stalles nicht für eine
abwechslungsreichere Einrichtung genutzt wurde.
Grosser Stall mit wenig Inneneinrichtung im Aussengelände.
Auf die Präsentation der Küken wurde in diesem Jahr verzichtet – aus der Sicht der STS ein guter
Entscheid.
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4/2016
SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS
Fazit und Forderungen STS
Aus Sicht des Schweizer Tierschutz STS müssen Ausstellungen in Sachen Tierhaltung heutzutage
eine Vorbildfunktion wahrnehmen. Es besteht daher allgemein der Anspruch, den Besuchern eine
zeitgemässe und tiergerechte Haltung aufzuzeigen und mit guten Beispielen voran zu gehen. Diese
Anforderungen erfüllte die Tier & Technik leider nicht überall. So wurden Kälber ab vier Monaten
permanent angebunden, obwohl Tiere in dieser Altersklasse über einen grossen Bewegungsdrang
verfügen. Auch die Schafböcke wurden permanent angebunden, obwohl es genug Platz gehabt
hätte, um den Tieren eine freie Einzelhaltung in grossen Gehegen zu ermöglichen. Generell betrachtet
der Schweizer Tierschutz STS die permanente Anbindehaltung von Nutztieren an mehrtägigen
Ausstellungen als tierschutzwidrig.
In der Schweiz existieren zwar gesetzliche Regelungen hinsichtlich Platzangebot und GehegeEinrichtung, welche in der Tierschutzverordnung dokumentiert sind. Diese Mindestanforderungen
müssen allerdings an temporären Ausstellungen nicht immer eingehalten werden, selbst dann nicht,
wenn sie mehrere Tage andauern. Aus Sicht des STS ist ein mehrtägiges Unterschreiten der
Minimalanforderungen der Tierschutzbestimmungen an Ausstellungen nicht akzeptabel. Die
Mindestvorschriften definieren längstens keine optimalen tierfreundlichen Haltungsbedingungen,
sondern setzen lediglich die Grenze zur Tierquälerei fest. Der STS fordert daher, dass für
Tierausstellungen, analog wie bei Tiertransporten, Ausnahmeregelungen nur kurzzeitig, keineswegs
über mehrere Tage hinweg, zulässig sein sollen.
Neben der Haltung bestehen aber auch Ansprüche an ein vorbildliches Handling der Tiere! Dies
war an der Tier & Technik bei den meisten Kühen aber keineswegs der Fall. Der STS fordert nebst
dem schonenden Umgang mit den Ausstellungstieren unter den aufgezeigten aussergewöhnlichen
Umständen und Haltungsbedingungen an Tierausstellungen auch ein möglichst normales und
natürliches Aussehen und Erscheinungsbild der ausgestellten Tiere. Die Kahlrasuren und das dafür
nötige stundenlange Fixieren von Kühen in Zwangsvorrichtungen bei unbequemer, belastender und
teils schmerzhafter Körperhaltung, sowie weiterer Zwangsmassnahmen, wie das Verwenden von
Schwanzklammern und Schlagbügeln oder das hohe Ausbinden der Tiere an galgenartigen
Konstruktionen, sowie schmerzhafte Nasengriffe oder Schwanzhochbiegen, gehören da sicher nicht
dazu. Im Gegenteil, aus Sicht des Tierschutzes wird hierbei unter grössten Belastungen auch die
Würde der Tiere verletzt. Das Nicht-Einhalten der Melkzeiten bzw. verlängerte Melkintervalle und
auch das Zitzenverkleben, für die Vorführungen beispielsweise, sind ein altbekanntes, tier­
quälerisches Phänomen an Kuhausstellungen.
Der sogenannte «Ehrencodex» über Haltung und Umgang mit den Kühen an Ausstellungen muss
nach Meinung des STS bezüglich der erwähnten Missstände konkretisiert werden. Er bevorteilt
Züchter, die auf überlange Zwischenmelkzeiten und stundenlanges, tierquälerisches Styling setzen
und damit Leiden und Schmerzen ihrer Tiere bewusst in Kauf nehmen. Das Nachsehen haben
Züchter und Tierbesitzer, denen das Tierwohl wichtiger ist als ein übervolles, schmerzhaftes Euter
und/oder eine kahlrasierte Kuh!
Insbesondere vor dem Hintergrund der grosszügigen Bezuschussung der Viehschauen mit
Punktierungen von jährlich 300 000 Franken durch den Bund darf erwartet werden, dass die
eingesetzten Gelder zur Förderung der Tierzucht nicht in tierschutzwidrige Praktiken investiert
werden, sondern auch dem Tierwohl an Ausstellungen zu Gute kommen.
[email protected] · www.tierschutz.com
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