Winzlinge 340 Winzlinge Was der englischen Sprache recht ist, weit jenseits der zoologischen Systematik die LBBs als Einteilungsprinzip zu nutzen, muss uns in der deutschen Sprache auch gestattet werden. So fassen wir hier als Winzlinge solche Vögel zusammen, die durch ihre geringen Körpergrößen und ihre Vielfalt in Formen, Farben, Verhalten und Gesängen imponieren. Die Einteilung ist natürlich sehr willkürlich. Aber: was dem einen sein LBB ist dem anderen sein Winzling. Die Winzlinge müssen nicht unbedingt braun und einfarbig sein, aber winzig und lebhaft sollten sie schon sein. Brillenvögel Brillenvögel sind durchaus winzig, mit einem sehr glatten dunkelgrünen Gefieder und einem weißen Ring um das Auge als hauptsächliches Merkmal. Die Breite des Augenringes unterscheidet sich von Art zu Art, ebenso ist die grüne Gefiederfarbe von unterschiedlicher Intensität. Einige sind grüngelblich, andere mehr grau. Zu den Brillenvögeln zählt auch der Winzlinge 341 Senegalbrillenvogel (Zosterops senegalensis), der uns in Afrika in den Bergwäldern am meisten begegnete, der aber auch in Busch- und Baumsavannen sowie Kulturland beheimatet ist. Der kleine, sehr gesellige Vogel mit einem kleinen spitzen Schnabel lebt von Früchten, Nektar, Säften der Früchte, die er mit seiner bürstenförmigen Zunge aufsaugt, und von Insekten. Die kleinen Vögel legen zwei bis vier weiße, oder leicht türkisfarbige Eier in ein kleines Nest aus Rindenstreifen, Gras, Ranken und Flechten, das in einer horizontalen Astgabel im dichten Laub von Büschen oder Bäumen ein bis drei Meter über dem Erdboden angelegt ist. Beide Eltern bebrüten das Gelege elf Tage, danach werden die Nestlinge noch vierzehn Tage von beiden Eltern versorgt. Schnäpper Genauso ein Winzling ist in Ostafrika der Bergdrongoschnäpper (Dioptrornis (Melaenornis fischeri) (s. Abb. auf der folgenden Seite). Er gehört mit mehreren Unterarten zu den Schnäppern (Muscicapidae) und ist im Hochland von Kenia auch ein häufiger 342 Bergdrongoschäpper Blaßschnäpper Winzlinge Winzlinge 343 Gartenvogel. Er lebt aber ebenfalls auf dem Nyikaplateau in Malawi sowie in Sambia und Zaire. Dieser Vogel pickt oft Insekten vom Boden, nimmt aber auch Früchte. Vor allem aber fängt er von einem Ansitz aus Insekten einschließlich Schmetterlinge. Er fertigt in einer Astgabel, oft in einiger Höhe in einem Baum, ein akkurates kleines Nest aus Moos und Flechten. Er legt zwei oder drei blassgrüne, stark gefleckte Eier, die ungefähr zwei Wochen von beiden Eltern bebrütet werden. Der Blaßschnäpper (Bradornis pallidus) (s. Abb. auf der vorherigen Seite) ist in der Baumsavanne mit Unterholz zu Hause, kommt gelegentlich auch in der Akaziensavanne vor, wenn dort keine Marico-Fliegenschnäpper vorkommen. Er ernährt sich von Insekten, Termiten, Raupen, vor allem Käfer und kleine Früchte. Er ist von Äthiopien und Somalia bis nach Südafrika verbreitet. Das Gelege besteht aus zwei bis drei Eiern und wird 14 Tage in einem sehr dünnwandigen Nest aus kleinen Wurzeln bebrütet. Die Jungvögel leben nach dem Schlupf noch mehrere Monate mit den Eltern gemeinsam. 344 Winzlinge Ein bezaubernder Winzling ist der WeißflankenBuntschnäpper (Batis molitor) (s. Abb. unten), der von Zentralafrika über Ostafrika bis nach Südafrika in Busch- und Baumsavanne sowie an Waldrändern und im Kulturland verbreitet ist. In Südafrika meidet er das Highveld und den trockenen Westen. An Stelle einer Beschreibung seines Aussehens weisen wir auf das Bild hin, das besser als viele Worte die Schönheit dieses kleinen Vogels mit dem großen Kopf und Weißflanken-Buntschnäpper Winzlinge 345 relativ kurzem Schwanz zeigt. Charakteristisch ist der rostrote Kehlfleck. Einige Ornithologen diskutieren eine Verwandtschaft mit den Buschwürgern und Brillenwürgern. Im äußeren Erscheinungsbild sehen wir selbst keine Ähnlichkeiten, im Verhalten dagegen spricht vieles für die Verwandtschaft mit Fliegenschnäppern. Derzeit wird der Vogel noch in die Familie der Kleinschnäpper (Platysteiridae) gestellt. Er ist oft paarweise anzutreffen und ernährt sich von Insekten und Spinnen. Das Gelege besteht aus zwei Eiern, die 16 bis 18 Tage nur vom Weibchen bebrütet werden, nach dem Schlupf werden die Jungen noch 16 bis 18 Tage von beiden Eltern gefüttert, sind aber noch weitere sechs bis vierzehn Wochen von den Eltern abhängig. Der Paradiesschnäpper (Terpsiphone viridis) (s. Abb. auf der folgenden Seite) ist in der gesamten äthiopischen Region in der Baumsavanne, aber auch im Kulturland verbreitet. Auffällig sind sein schwarzer Kopf und die rostbraune Färbung von Flügeln, Rücken und Schwanz, der beim Männchen wesentlich länger ist als beim Weibchen. In einigen Gegenden Kenias, z.B. im Tsavo Nationalpark, überwiegt eine weiße Gefiedervariante, die nur das Männchen be- 346 Paradiesschnäpper Silberschnäpper Winzlinge Winzlinge 347 trifft. Die Nahrung besteht aus Insekten. Das Gelege aus zwei bis drei Eiern wird 12 bis 17 Tage bebrütet. Die geschlüpften Jungvögel bleiben noch weitere zehn bis zwölf, selten einmal sechzehn Tage im Nest und werden von beiden Eltern gefüttert. Der Glanzdrongoschnäpper (Melaernornis pammelaina) ist ein blauschwarzer Fliegenschnäpper, der in der trockenen Savanne lebt. Er ähnelt sehr dem Drongo, zumal er einen längeren drongoähnlichen Schwanz hat. Seine braunen Augen sind jedoch ein gutes Unterscheidungsmerkmal zum rotäugigen Drongo. Der Vogel sitzt gern auf blattlosen Zweigen, die er als Ansitz benutzt. Er ist ein stummer Jäger, der Insekten, aber auch Sämereien vom Erdboden aufnimmt. Ein anderer etwas größerer schlanker Schnäpper mit recht langem Schwanz ist der Silberschnäpper (Empidornis semipartitus) (s. Abb. auf der vorherigen Seite), der durch seine harmonisch abgestimmten Farben - silbergrauer Rücken und rostroter Bauch auffällt. Der scheue Vogel lebt paarweise und es ist schwer sich ihm zu nähern. Dabei ist er in Ostafrika keineswegs selten. Er lebt in trockenen Busch- und Akaziensavannen und ist am Baringosee in Nordkenia 348 Winzlinge und im Kidepo NP im Norden Ugandas sogar recht häufig zu finden. Er sitzt gern auf den unteren Zweigen von Büschen und Akazienbäumen und sucht seine Beute, Insekten, am Erdboden. Nektarvögel „Stopp! Da is’n Kolibri!! Stopp!“ „Quatsch! Is keiner!“ „Haben Sie ihn noch nicht gesehen? „Nö, brauch ich auch nicht!“ „Aber wir haben ihn beide erkannt: Klein, bunt schillernd, ganz krummer Schnabel und den steckte er in die rote Blüte an dem Busch!“ „Na und?“ „Was heißt hier ’na und?’ „ „Hier gibt’s keine Kolibris, in Afrika! „Wo denn?“ „Nur in der Neuen Welt. Da leben sie in denselben ökologischen Nischen wie die Nektarvögel in Afrika!“ „Und wer war denn der mit dem glänzenden Gefieder und dem gebogenen Schnabel?“ Winzlinge 349 „Könnte ein Nektarvogel gewesen sein; es gibt viele hier!“ Tatsächlich sahen wir im selben Augenblick einen. Ganz bunt, war ’n Männchen. Die Mitreisenden hatten schon gut beobachtet und geschildert. Der Vogel war ein Winzling. Sein Gefieder schillerte blaugrün, an Kehle und gesamter Brust war er leuchtend rot befiedert, auf dem Oberkopf schillerte es glitzernd amethystfarbig. Der Schnabel war dünn und perfekt gebogen, um an den Nektar in den Kelchen der von ihm bevorzugten Blüten zu gelangen. Wir waren hier gerade in Ostafrika, der Vogel war eine Nectarinia (Chalcomitra senegalensis) und hat mehrere deutsche Namen: Senegalglanzköpfchen oder auch Natalglanzköpfchen, manche nennen ihn auch Rotbrustglanzköpfchen. Dieser Vogel bohrt mit seinem spitzen Schnabel auch Blüten von außen an, um an den Nektar zu gelangen. Reisen bildet bekanntlich. Geografische Angaben in der wissenschschaftlichen Nomenklatur deuten auf weite Verbreitung eines Tieres in verschiedenen Gebieten. Die Bevorzugung bestimmter Körperteile in der Namensgebung zeugt von den Privilegien der Wissenschaftler, die dafür 350 Winzlinge zuständig sind. Was dem einen die Brust ist dem anderen das Köpfchen. Was sind nun die Nektarvögel? Die Nektarvögel sind eine große verhältnismäßig einheitliche Gruppe, die überall in den Tropen der Alten Welt, wo ausreichend Blüten blühen, zu finden sind. Ihre Verbreitung reicht von Westafrika über Ostafrika bis nach Südafrika. Ihre größte Verbreitung haben sie im Kontinent Afrika. Die Mitglieder dieser Gruppe sollen hier nicht vollständig aufgezählt werden. In vielen Bestimmungsbüchern findet man sehr gute Angaben und auch Bilder. Ein wenig in die Diskussion eingreifend, ob Fotos oder Malereien naturgetreuer die Einzelheiten wiedergeben, sagen wir, dass gerade die Strukturfarben die Fotografie vor größere Aufgaben stellen als Pinsel oder Farbstift. Das Auge des Naturbeobachters sieht in der Natur Strukturfarben eben immer in Abhängigkeit vom einfallenden Licht. Und so entsteht in dieser Abhängigkeit keine konstante Farbe. Es ist gerade für Vogel-Bestimmungsbücher nicht richtig, die Verwendung von Fotos für objektiver zu halten als andere Darstellungen. Was ist überhaupt objektiv? Vom Körperbau her und auch in ihren Bewegungen Winzlinge 351 und im Flug sind Nektarvögel ausgesprochen zierlich. Bei allen Arten besteht ein ausgeprägter Geschlechtsunterschied. Die Männchen sind immer die bunteren und haben teilweise faszinierende Farbkompositionen. Da die Mitglieder der Gruppe paarweise leben, trifft man beide Geschlechter meist gemeinsam an. Es gibt Nester, die bis zu 8 Jahre nacheinander benutzt werden und Paare, die über 3 Jahre hinaus verpaart bleiben. Die Weibchen ähneln einander in ihrer Schlichtheit sehr und sind, wenn man sie allein antrifft, ganz schwer zu erkennen, dagegen an ihren männlichen Partnern immer gut identifizierbar. Die Nektarvögel erfüllen eine wichtige ökologische Aufgabe, sie sorgen mit dem Aufnehmen des Nektars für die Bestäubung der von ihnen besuchten Blüten, teilweise auch in höheren Berglagen. Dem Konzept dieses Buches entsprechend werden wir auch hier die Gemeinsamkeiten dieser größeren Gruppe ähnlicher Vögel zusammenfassend schildern. Alle Nektarvögel sind klein. Alle haben einen langen, abwärts gebogenen Schnabel, vor allem die der Gattung Nectarinia; die der Gattung Anthreptes haben kürzere, geradere Schnäbel, denn sie sammeln auch noch Insekten von den Pflanzen- 352 Winzlinge blättern, außerdem essen sie auch noch kleine Früchte. Sie werden darum von einigen Ornithologen auch Kurzschnabelnektarvögel genannt. Die Zunge ist vorstreckbar und zweiröhrig und damit zum Aufsaugen des Nektars geeignet. Einige männliche Nektarvögel haben verlängerte mittlere Schwanzfedern. Sie verfügen nicht über die Fähigkeit zum Schwirrflug wie die Kolibris, können aber dennoch mit einigen schnellen Flügelschlägen ’auf der Stelle’ vor einer Blüte in der Luft stehen. Im Übrigen klammern sie sich an den Blüten mit den Füssen an. Sie beherrschen auch nicht den Rückwärtsflug wie die Kolibris. Wie schon erwähnt leben die Nektarvögel in Einehe, zumindest für mehrere Jahre. Sie bauen gemeinsam ein kunstvolles Nest aus Pflanzenteilen, die durch Spinnenfäden zusammengehalten werden. Das geschlossene, meist beutelförmige Nest mit einem seitlichen Eingang wird an einem Ast hängend befestigt. Es werden zwei helle, manchmal dunkel gefleckte Eier gelegt, die nur vom Weibchen 13 Tage lang bebrütet werden. Nach dem Schlupf sorgen dann wieder beide Eltern noch 16 Tage gemeinsam für die Jungen. Winzlinge 353 Im Folgenden wollen wir ein paar besonders bekannte, besonders hübsche oder besonders auffällige Arten vorstellen. Der Goldschwingen-Nektarvogel (Nectarinia (Drepanorhynchus reichenowi) ist ein typischer Vogel der Bergwälder Kenias, Ugandas und Nordtansanias, ist dort aber auch in den Moorländern zu finden. Er liebt besonders die gelborange blühenden Löwenköpfchenblüten (Leonotis). Das Männchen hat einen sehr langen Schwanz und lässt bei seinem sehr langsamen Balzflug das Gelb der Flügel und des Schwanzes deutlich erkennen. Eine Besonderheit ist, dass auch das Weibchen einen gelben Bauch und gelb gesäumte Flügel und Schwanzfedern hat. Auch der Malachitnektarvogel (Nectarinia famosa) ist ein Vogel des Hochlandes über 1500 m. Er liebt Waldränder, Waldlichtungen, Moorland und hochgelegene Grasländer. Dieser Nektarvogel ist in Afrika von Äthiopien über Zaire, Uganda, den Sudan und Ostafrika bis nach Malawi und Südafrika verbreitet. In der Kapprovinz kommt er im Flachland bis auf Meereshöhe vor. Dort liebt er besonders Proteenbüsche, im Hochland bevorzugt er Fackellilien. 354 Winzlinge Der Takazzenektarvogel (Nectarinia tacazze) (s. Abb. unten) ist ein besonders großer Nektarvogel, der etwas untersetzt wirkt. Er hat stark verlängerte mittlere Schwanzfedern. Sein Gefieder erscheint tiefschwarz, schimmert aber bei bestimmtem Lichteinfall metallisch-violett. Er ist im Hochland über 2000 m in Äthiopien, Uganda, Kenia und Tansania zu Hause, ist aber auch in Gärten hochgelegener menschlicher Ansiedlungen zu finden. Der metallisch grünlich schimmernde Bindennektarvogel (Nectarinia (Cinnyris) mariquensis) hat ein tiefrotes Band quer über die Brust verlaufend bei schwarzem Bauch. Dieser Nektarvogel ist ein Vogel der Savannen, besonders der Akazienwälder. Sein Takazzenektarvogel Winzlinge 355 Verbreitungsgebiet reicht von Äthiopien über Ostafrika bis nach Südafrika, aber auch nach Angola, Botswana und Namibia. Er ist häufig an den Küsten des Indischen Ozeans anzutreffen. Der relativ kleine Gelbbauchnektarvogel (Nectarinia venusta) (Cinnyris venustus) (s. Abb. unten) ist über weite Teile Afrikas verbreitet von Äthiopien bis ins südliche Afrika. Seine Heimat sind die Bergwälder über 2400 m, aber auch Busch- und Kulturland. In den Gärten Ostafrikas ist er häufig zu sehen. Er ist immer gut erkennbar an dem Kontrast zwischen seinem gelben Bauch und dem metallisch blaugrünen oder purpurnen Glanz an Kopf, Kehle und Rückseite. Mehrere Sekunden Schwirrflug vor Spinnennetzen gestatten ihm Spinnen zu fangen, er saugt Nektar aus verschiedenen Blüten (Erythrina, Protea; Leonotis). Das unordentliche Nest wird selten höher als 2 Meter über dem Boden angelegt, 2-3 Eier erbrütet Gelbbauchnektarvogel 356 Winzlinge Preuss-Nektarvogel das Weibchen meist allein, die Nestlinge werden dann von beiden Eltern betreut. Beim Preussnektarvogel (Nektarinia preussii) (s. Abb. oben) ist es notwendig, das dreifarbige Brustband hinsichtlich der Reihenfolge der Farben sorgfältig zu erkennen. Nicht zu den Nektarvögeln gehört der Kap-Honigfresser (Promerops cafer), er gehört vielmehr in eine ganz eigene Familie, die Promeropidae. Er lebt von Insekten, Spinnen und dem Nektar der Proteen und der Heide des Fynbos. Für diese Pflanzen ist er ein unverzichtbarer Bestäuber. Seine Verbreitung ist nur das Kapland.