Thema55 Krebs 12

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Biochemieseminar 5.5: Krebs
5.5
erstellt von H. Wolfes und J. Alves
Krebs
Protoonkogene: Eine lebende Zelle in einem multizellulären Organismus passt sich den
wechselnden Lebensanforderungen an. Hierbei kann die Zelle folgende Umwandlungen
durchlaufen:
• Differenzierung zu einer spezialisierten Zelle
• Änderung des Stoffwechsels
• Apoptose (programmierter Zelltod)
• Zellteilung
Das Signal zur Zellanpassung wird
durch Hormone z.B. Wachstumsfaktoren) von außen an die Zelle herangetragen. Die Wachstumsfaktoren
binden an Rezeptoren, die in der Zellmembran verankert sind. Die Rezeptoren besitzen eine
extrazelluläre Domäne, an die der Botenstoff bindet, und eine cytosolische Domäne, die durch
die Bindung verändert wird. Diese Konformation aktiviert weitere cytosolische Proteine, die
das Signal durch Protein-Proteinkontakte und häufig auch durch Proteinphosphorylierung
weiterleiten (Signalkaskade). Damit kann das Signal in den Zellkern gelangen, wo es
Transkriptionsfaktoren aktiviert. Die Transkriptionsfaktoren aktivieren dann die Transkription
von spezifischen Genen, die gebildete RNA wird translatiert und die erzeugten Proteine
steuern das Zellverhalten wie zum Beispiel die Zellteilung.
Jede Zelle besitzt mehrere, unterschiedliche Rezeptoren. Das von
dem
Rezeptor
weitergeleitete
Signal wird nicht ausschließlich
von einer Signalkaskade weitergeleitet werden, vielmehr existiert
ein Netzwerk von Proteinen, die
sich gegenseitig aktivieren. Deshalb führt der Ausfall eines dieser
Proteine nicht zum Tod der Zelle.
Alle an der Transduktion von
Wachstumssignalen beteiligten Proteine gehören zu den Protoonkogenen, die durch Mutation
in eine dauerhaft aktive Onkogenform überführt werden können. Die Namen der
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Protoonkogene werden durch drei Buchstaben abgekürzt, vor denen ein „c“ (für cellular)
steht, zum Beispiel c-src, c-ras, c-raf, c-myc usw..
Die Protoonkogene können in mindestens fünf Klassen unterteilt werden:
1) Wachstumsfaktoren (Hormone; Beispiel c-sis)
2) Tyrosinkinasen (Rezeptoren; Beispiel c-kit, c-src)
3) GTP-bindende Proteine (an der cytosolischen Membran verankert; Beispiel c-ras)
4) Serin-Threonin-Kinasen (cytosolische Proteine; Beispiel c-raf)
5) Transkriptionsfaktoren (Beispiel c-myc)
Jeder Organismus benutzt Protoonkogene, um die Differenzierung und das Wachstum der
Zelle zu steuern. Werden die Protoonkogene durch Mutation verändert, kann dies zu
ungebremstem Wachstum (Krebs) führen. Man spricht dann von aktivierten Onkogenen.
Mutationen in Onkogenen sind meist dominant, weil ein mutiertes Gen ausreicht, um eine
Signalkette zu aktivieren. Wenn zum Beispiel ein Rezeptor so verändert ist, dass er
unabhängig von der Bindung eines Wachstumsfaktors sein Signal sendet, führt dies zur
vermehrten Zellteilung. Dies nennt man eine gain-of-function-Mutation. Solche somatischen
Mutationen bleiben meist ohne Konsequenzen, weil der Defekt durch das Netzwerk der
Protein-Protein-Wechselwirkungen ausgeglichen wird. Daher reicht eine einzige Mutation in
den Signalkaskaden nicht aus, um Krebs zu erzeugen (siehe auch: Mehrstufenprozess).
Der Zellzyklus: Die wachsende Zelle durchläuft bei der Zellteilung vier physiologisch
unterschiedliche und nicht umkehrbare Phasen:
G1-Phase: Alle Proteine, Membranlipide, Zucker
und Nukleotide für die Replikation der DNA werden
produziert. Die Dauer dieser Phase ist je nach
Zelltyp unterschiedlich
S-Phase: Die DNA wird repliziert, aus dem
diploiden Chromosomensatz einer somatischen Zelle
wird ein tetraploider Chomosomensatz.
G2-Phase: Die Zelle bereitet sich auf die Zellteilung
vor.
Es
erfolgt
eine
räumliche
Orientierung
(Polarisierung) der Zelle und die Festlegung der
Teilungsebene.
M-Phase: Die Zelle teilt sich. Nach der Zellteilung kann die Zelle entweder in eine neue G1Phase oder in eine G0-Phase (Ruhephase) übergehen.
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Kontrollpunkte des Zellzyklus und Tumorsuppressorgene (Antionkogene): Die Entscheidung,
den nächsten Schritt im Zellzyklus einzuleiten, bedeutet jeweils die Aktivierung eines
Kontrollpunktes einer Phase. Dies geschieht durch Proteinkomplexe, die aus Cyclinen (ihre
Konzentrationen steigen und fallen in Abhängigkeit vom Zellzyklus) und Cyclin-abhängigen
Kinasen (Cdk-Cyclin Komplexe) bestehen. Die verschiedenen Cdks werden durchnummeriert, die verschiedenen Cycline werden mit Großbuchstaben bezeichnet. Ferner spielt das
RB–Protein eine wichtige Rolle. RB ist ein Tumorsuppressor (= Produkt eines
Tumorsuppressorgens). Es wirkt als Bremse des Zellzyklus, indem es in Abwesenheit von
Wachstumssignalen die Zelle in der G1-Phase hält. Allgemein können Tumorsuppressoren als
Hemmstoffe des Zellzyklus verstanden werden.
Folgende Komplexe haben Bedeutung für das Durchlaufen der Phasen:
G1-Phase:
Cdk6/Cyclin D
Cdk4/Cyclin D (phosphoryliert und inaktiviert damit das RB-Protein)
Übergang G1-S:
Cdk2/Cyclin E (phosphoryliert und inaktiviert damit das RB-Protein)
S-Phase:
Cdk2/Cyclin A
Übergang G2-M:
Cdk1/Cylclin A
M-Phase:
Cdk1/Cyclin B (RB-Protein wird dephosphoryliert und so aktiviert)
Die Hemmung des Zellzyklus durch das RB-Protein kann physiologisch nur durch mitogene
Signale (Wachstumssignale) aufgehoben werden. Wenn das RB-Gen mutiert ist, wird das RBProtein nicht mehr als Bremse wirksam sein. Damit entsteht eine Situation, in der das
Vorhandensein von Wachstumssignalen vorgetäuscht wird: der Zellzyklus wird durchlaufen,
obwohl die physiologischen Bedingungen zur Zellteilung nicht erfüllt sind. Eine solche
Mutation nennt man loss-of-function-Mutation. Durch diese Mutation geht die Funktion eines
Alleles verloren. Das menschliche Genom ist aber diploid und das verbleibende zweite Allel
des RB-Gens ist ausreichend, um die Zelle in G1 zu halten. Eine loss-of-function-Mutation ist
daher reszessiv. Erst wenn in der Zelle auch das zweite Allel ausgeschaltet ist, wird die Zelle
zur Teilung vorbereitet.
p53: Tp53 ist das am häufigsten mutierte Gen in der Krebszellen. Das von ihm codierte
Protein p53 wirkt als Transkriptionsfaktor und reguliert mehrere Gene. Bei der Schädigung
des Genoms aktiviert es das Gen eines Inhibitors für Cyclin-abhängige Kinasen. Dadurch
wird der Zellzyklus nach DNA-Schäden angehalten, und die Zelle gewinnt Zeit, die Schäden
zu beheben. p53 hat damit die Charakteristik eines Tumorsuppressor. p53 kann auch den
programierten Zelltod (Apoptose) einleiten. Dies erfolgt, wenn die DNA-Schäden ein so
großes Ausmaß erreichen, dass die Kapazität des Reparaturapparates nicht mehr ausreicht.
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p53 wird daher auch als „Wächter über die Integrität des Genoms“ bezeichnet. Menschen, die
mit mutiertem Tp53 geboren werden, haben eine hohe Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu
erkranken,
weil
bereits
ein
Allel
ausgefallen
ist
(Li-Fraumeni-Syndrom).
Die
Wahrscheinlichkeit, dass in einer Zelle beide Allele geschädigt sind, eine Voraussetzung für
die Begünstigung der Zellteilung durch den Ausfall eines Tumorsuppressorgens, ist so
drastisch erhöht. Das Li-Fraumeni-Syndrom äußert sich durch das Auftreten unabhängiger
Karzinome, Sarkome und Hirntumoren in frühem (Kindes-)Alter.
p53 ist für die Tumortherapie von großer Bedeutung. Viele Behandlungsmethoden wirken,
indem sie DNA-Schäden bei schnell proliferierenden Zellen induzieren. Ein intaktes p53 leitet
dann in diesen Zellen den apoptotischen Prozess ein. Deshalb sprechen Tumore, in denen p53
intakt ist, häufig gut auf die Therapie an. Bei Patienten, die beide Allele von Tp53 verloren
haben, ist die Prognose meist fatal.
Weitere Tumorsuppressoren: Weil die Cdk/Cyclin-Komplexe zu einem Fortschreiten im
Zellzyklus führen, wirken Hemmer dieser Komplexe als Bremsen im Zellzyklus und damit als
Tumorsuppressoren. Man unterscheidet Proteine die an Cdk/Cyclin-Komplexe binden (p21
CIP/WAF1, p27 Kip1, p57 Kip2) und Proteine, die an Cdk4 binden und die Wechselwirkung
mit Cyclin D verhindern (p16 INK4a, p15 INK4b, p18 INK4c und p19 INK4d)
Krebs als Mehrstufenprozess: Krebs entsteht durch das Zusammenspiel von aktivierten
Onkogenen (gain-of-function) und dem Verlust von Tumorsuppressorgenen (loss-of-function).
Es sind immer mehrere Gene betroffen. Eine erste Mutation ermöglicht der betroffenen Zelle
sich schneller zu teilen als andere Zellen im Gewebe. Bei schnellerer Zellteilung kommt es
zwangsläufig zu Replikationsfehlern und damit zu weiteren Mutationen, die einen
Wachstumsvorteil gegenüber normalen Zellen ermöglichen. Durch weitere Mutationen wird
ein unreguliertes Wachstum erzeugt. Krebsentstehung ist also ein evolutionärer Prozess, der
mehrere Jahre oder Jahrzehnte in Anspruch nehmen kann.
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Schematisierter Entwicklungsgang eines Tumors
Die Zellen sammeln kontinuierlich Mutationen an, die intrinsischen Ungenauigkeiten der
Replikation und auch äußeren Einflüssen entstammen. Ab der ersten Mutation, die die
Zellteilungsrate steigert (Driver), beginnt eine klonale Expansion. Defekte von DNAReparaturmechanismen erhöhen die Mutationsrate. Es werden immer mehr Mutationen
angesammelt, unter denen viele das Tumorgeschehen nicht beeinflussen (Passenger).
Die Kooperation von aktivierten Onkogenen kann in einem Zellkulturexperiment demonstriert
werden: Man kann aus einem Organ Zellen entnehmen und sie in Petrischalen kultivieren
(Primärkultur). Die Zellen zeigen Kontaktinhibition, das heißt, wenn sie beim Wachstum
aneinander stoßen, stellen sie das Wachstum ein.
Zellen aus Primärkulturen können sich bis zu 70 mal
teilen, dann sterben sie ab. Zellen von Zelllinien
tragen bereits Mutationen. Auch sie zeigen Kontaktinhibition, sind aber unsterblich, das heißt, sie können
unbegrenzt kultiviert werden. Überträgt man nun die
DNA eines aktivierten myc Onkogens auf eine
Primärkultur und eine Zelllinie, dann zeigt die
Primärkultur keine Veränderung, aber die Zellen der
Zelllinie verlieren ihre Kontaktinhibition und wachsen
zu Zellklumpen übereinander (Foci). Ein aktiviertes
Onkogen reicht also bei normalen Zellen nicht aus,
um hyperproliferatives Wachstum einzuleiten. In der präformierten Zelllinie erzeugt das
Onkogen aber verstärktes Wachstum. Das gleiche Experiment kann auch mit einem
aktivierten ras Onkogen durchgeführt werden. Auch hier bleibt die Primärkultur unverändert,
während die Zelllinie die Kontaktinhibition verliert. Überträgt man nun beide Onkogene myc
und ras auf die Primärkultur, dann kooperieren die Gene und beseitigen auch in normalen
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Zellen die Kontaktinhibition. Es sind also mindestens zwei Ereignisse zur Transformation von
normalen Zellen notwendig.
Der Mehrstufenprozess kann modellhaft an der Entwicklung des Kolonkarzinoms beschrieben
werden: In den Normalzellen entwickelt sich eine Mutation im Tumorsuppressorgen APC
(adenomatous polyposis coli). Dies führt zu gutartigen, potentiell reversiblen Tumoren. Eine
Mutation im c-ras Protoonkogen aktiviert das ras Onkogen, der Tumor hat sich zu einem
Adenom weiterentwickelt und teilt sich vermehrt (Tumorpromotion). In über 60% aller
Kolonkarzinome ist eine Deletion auf dem langen Arm des Chromosoms 18 nachweisbar. Im
deletierten Abschnitt befindet sich das DCC- Gen (detected in colon carcinoma) welches die
Tumorprogression einleitet. Der Verlust beider Allele des Tumorsuppressorgens Tp53 hat die
irreversible Veränderung zum malignen Phänotyp zur Folge. Weitere Mutationen erlauben die
Fähigkeit zur Metastasierung.
Bisher haben wir uns hauptsächlich mit der Wachstumskontrolle in Krebszellen beschäftigt.
Für die Ausbildung eines soliden Tumors kommen aber noch weitere Veränderungen gegenüber den somatischen Zellen hinzu, die als typische Kennzeichen von Tumoren beschrieben
werden (Hanahan & Weinberg, Hallmarks of Cancer: The next Generation. Cell 144 (2011)
646-674) aber nicht unbedingt alle auftreten müssen. So ist eine Versorgung mit Blutgefäßen
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nur für solide Tumoren notwendig aber nicht für Tumoren der blutbildenden Zellen.
Dagegen findet man in den
meisten
Tumorzellen
die
Reexpression der Telomerase, sodass viele Zellteilungen stattfinden können. Es
gibt
vor
allem
indirekte
Hinweise darauf, dass entartete Zellklone schon in
frühen Stadien vom Immunsystem eliminiert werden. Entsprechend häufig findet man in
etablierten Tumoren Mutationen, die die Erkennung durch das Immunsystem beeinträchtigen.
Auch die Veränderung des Stoffwechsels hin zur eher anaeroben Glykolyse unter
Lactatbildung wird häufig detektiert. Sie ist aber noch weitgehend unverstanden.
Grundlegende Literatur:
Löffler, Basiswissen Biochemie, 7. Auflage S. 479-484
Löffler Petrides Heinrich, Biochemie & Pathobiochemie, 8. Auflage S. 1142-1154
Rassow Hauser Netzker Deutzmann, Biochemie, 3. Auflage S. 501-505, 511-516
Themen, die im Vortrag angesprochen werden sollten:
Protoonkogene
•
Signaltransduktion
•
Wachstumskontrolle
•
Onkogene
Zellzyklus
•
Ablauf
•
Regulation
Tumorsuppressorgene (Antionkogene)
•
RB
•
p53
Mehrstufenprozess der Krebsentstehung
Kennzeichen von Krebszellen
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