Pressezentrum Sperrfrist: Dokument: 0/011 CO Mittwoch, 13. Juni 2001; 17:00 Uhr Programmbereich: Veranstaltung: Gedenken zu Beginn Referent/in: Frankfurter Schüler/innen Ort: Gedenkstätte Börneplatz, Reichneigrabenstraße (Innenstadt) Texte von damals – Erfahrungen von heute Anne Frank geboren am 12. Juni 1929 in Frankfurt. Die Wohnung liegt im sogenannten Dichterviertel. Bereits 1933 emigriert die Familie nach Amsterdam und erlebt hier im Mai 1940 die Besetzung durch die deutschen Truppen. Zwei Jahre später wird Annes Schwester aufgefordert, sich für die Deportation bereitzuhalten. Die ganze Familie taucht unter. In ihrem Versteck beginnt die 13jährige Anne, Tagebuch zu schreiben. Eindringlich berichtet sie von Angst und Verfolgung, von Willkür und Gewalt durch die Nationalsozialisten. Im August 1944 wird das Versteck verraten, die Familie im Amsterdamer Hinterhaus entdeckt. Alle werden verschleppt. Die Mutter stirbt in Auschwitz, Anne und ihre Schwester sterben im März 1945 in Bergen-Belsen. Nur Annes Vater überlebt. Nach Kriegsende findet er das Tagebuch seiner verstorbenen Tochter und veröffentlicht es. Heute gehört das Tagebuch der Anne Frank zu einem der meistgelesenen Bücher der Welt. Rassismus in der Schule Ich berichte vom Unterricht in einer Berufsschulklasse heute. Das Thema heißt „Fremdenfeindlichkeit – Gewalt gegen Fremde“. Die Klasse ist multikulturell und von verschiedenen Religionen geprägt. „Gerne erzähle ich Ihnen von meiner Religion. Aber sagen sie den anderen nicht, dass ich Jüdin bin. Ich habe zu viele schlechte Erfahrungen gemacht“, bittet eine Schülerin ihre Lehrerin vor dem Unterricht. Auch andere haben zunächst Angst, über das Thema zu sprechen. Doch dann haben sie miteinander geredet über ihre Ängste und gegenseitige Vorurteile: „Türken müssen verprügelt werden, das ist das einzige, was wir noch tun können.“ Oder: „Die Juden sind doch selber schuld, die haben ja den Jesus ans Kreuz geschlagen.“ Von der anderen Seite dann: „Ihr Deutschen seid doch alle Nazis.“ „Ihr habt doch kein Herz, ihr seid Rassisten.“ Schließlich haben sie versucht, einander zu verstehen, wirklich zu hören, was der andere sagt, egal welcher Religion und welcher Nationalität er angehört. Darum: Miteinander reden und nicht schweigen und manchmal auch Wunder geschehen lassen. Wie kurz vor Ende des Schuljahres. In der Klasse haben Moslems, Juden, Christen und Atheisten gemeinsam um Segen gebetet. Margot Cohn geboren am 25. Januar 1891. Sie ist die älteste von sechs Kindern. Die Familie lebt in Berlin. Der Vater ist Geschäftsmann. Gegen den Willen der Eltern erkämpft sich Margot Cohn die Ausbildung in einer Buchhandlung. Hier lernt sie 1917 den Mann kennen, den sie nach Ende des ersten Weltkrieges in einer Berliner Synagoge heiratet. Die Liebe zum Buch verbindet sie. Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. 2 Die Eheleute ziehen nach Frankfurt und gründen eine Buchhandlung in der Nähe der Universität, die kurz zuvor an der Bockenheimer Warte eröffnet worden war. Durch den Boykott 1933 wird in der Universität per Aushang vor dem Kauf beim „Juden Cohn“ gewarnt. Die Umsätze gehen erheblich zurück. Bestellungen werden storniert, Kaufverträge nicht verlängert. Der Bruder kommt aus Berlin, bringt Ersparnisse, um die Buchhandlung zu retten – vergeblich. Der Umzug in eine kleinere Wohnung ist unvermeidlich. Gerichtsvollzieher beschlagnahmen die Möbel. Als Margot Cohn erkrankt, erklärt der Arzt, jüdische Patientinnen könne er nicht mehr behandeln. 1938 werden der Ehemann und der 18jährige Sohn ins Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Margot Cohn zieht zu ihrer Mutter nach Berlin. 1942 wird auch Margot Cohn deportiert und in Auschwitz ermordet. Antisemitische Zwischenfälle im Jugendfußball Ich berichte von antisemitischen Zwischenfälle auf dem Fußballplatz. Der jüdische Sportverein in Frankfurt hat sie im vergangenen Herbst mehrmals erlebt. Zu Gast bei einer gegnerischen Mannschaft werden die jugendlichen Kicker des TuS Makkabi mit Flaschen bedroht und mit Steinen beworfen. Sie werden als Juden wüst beschimpft. Weder Betreuer noch Spieler oder Zuschauer greifen ein oder bedauern die Vorfälle. Beschwerden des Vereinsvorstandes werden von Fußball–Funktionären erst drei Monate später gehört – auf öffentlichen Druck hin. Ein Gespräch am „Runden Tisch“ findet statt. Der Hessische Fußballverband entschuldigt sich und richtet eine Anti-Diskriminierungsstelle ein. Die betroffenen Vereine distanzieren sich von den Vorfällen. Gemeinsam will man nun versuchen, den gehäuften Attacken gegen jüdische Kicker ein Ende zu setzen. Alle Beteiligten sagen zu, künftig konsequent gegen Antisemitimus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit auf dem Fußballplatz durchzugreifen. Im Augenblick ruht die Arbeit der Anti-Diskriminierungsstelle. Arthur von Weinberg geboren am 11. August 1860 in Frankfurt. Er studiert Chemie, Physik, Mathematik und Altphilologie in Straßburg und München und promoviert 1882. Ein Jahr später wird Arthur von Weinberg Teilhaber und technischer Leiter der Firma Cassella. 1908 läßt er die Villa Buchenrode in Niederrad errichten. Sie wird 1944 zerstört. Im Ersten Weltkrieg ist von Weinberg Reserveoffizier. Aufgrund seines sozialen Engagements wird er zahlreich geehrt: 1927 bekommt er die silberne Plakette der Stadt Frankfurt, 1930 wird er zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. 1932 bekommt er die Goethe-Medaille des Reichspräsidenten. Nach 1933 ist Arthur von Weinberg auf Druck der Nationalsozialisten gezwungen, seine Wirtschaftsämter niederzulegen. 1938 muss er seine Villa an die Stadt verkaufen. Er verläßt Frankfurt und zieht zu seiner Tochter nach Oberbayern. Anfang Juni 1942 wird er dort verhaftet. Im Alter von 81 Jahren wird er in das Durchgangs- und Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt.1943 im März stirbt er dort an den Folgen einer Operation. EKD-Synode, 9. November 2000 Kundgebung zu Christen und Juden: 50 Jahre Erklärung von Weißensee Nicht nur durch „Unterlassen und Schweigen“ ist die Kirche schuldig geworden. Vielmehr ist sie durch die unheilvolle Tradition der Entfremdung und Feindschaft gegenüber den Juden hineinverflochten in die systematische Vernichtung des europäischen Judentums. Diese theologische Tradition hat nach 1945 Versuche zu einer Neubestimmung ihres Verhältnisses zum jüdischen Volk belastet und hinausgezögert. ... Heute können wir aussprechen: Wir glauben, dass Gott, der Schöpfer und Herr der Welt, in Jesus Christus „unser Vater“, Israel als sein Volk erwählt hat. Er hat sich für immer an Israel gebunden und bleibt ihm in der Kontinuität von biblischem Israel und jüdischem Volk treu. Die Jüdinnen und Juden sind uns Zeugen der Treue Gottes. Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers.