Handlungskonzepte Sozialer Arbeit im öffentlichen Raum

Werbung
Handlungskonzepte Sozialer Arbeit
im öffentlichen Raum
Prof. Dr. Marion Klein
Fachhochschule Clara Hoffbauer Potsdam
FT 2017
Inhalt
1. Sozialraumorientierung oder Gemeinwesenarbeit?
2. Von welchem „Sozialen Raum“ ist die Rede?
1.
Raumverständnis nach Bourdieu
3. Konsequenzen eines komplexeren Raumverständnisses für
eine sozialraumorientierte Soziale Arbeit
4. Das SONI-Modell der Sozialraumorientierung
Sozialraumorientierung oder
Gemeinwesenarbeit?
• „Die Sozialraumorientierung scheint das Arbeitsprinzip
Gemeinwesenarbeit in Praxis und Theorie zu ersetzen“
(Hinte/Treeß 2007)
• „Sozialraumorientierung findet Anwendung als spezifisches
Arbeitsfeld der Gemeinwesenarbeit…“ (Becker 2012)
• „Gemeinwesenarbeit kann als eigenständiges
Handlungskonzept im Rahmen einer sozialraumorientierten
Sozialen Arbeit verstanden werden (Stoik 2010)
Geschichte und Entwicklung
• „Die Sozialraumorientierung scheint das Arbeitsprinzip
Gemeinwesenarbeit in Praxis und Theorie zu ersetzen“ (Hinte/Treeß
2007)
• Wurzeln der Sozialen Arbeit im Gemeinwesen: Settlementbewegung
(USA, Großbritannien“), Nachbarschaftsheimbewegung (Deutschland)
• Boom der GWA in Deutschland 1970er bis 1980er Jahre
Drei Richtungen:
• „Aggressive GWA“: durch den „solidarischen Zusammenschluss von
Minderheiten innerhalb eines Wohnquartieres“ sollen die MachtStrukturen verändert und dadurch eine gerechtere Gesellschaft
geschaffen werden (vgl. Müller 1971, S. 232).
• „Integrative GWA“: harmonische Anpassung verschiedener Interessen
an ein abstraktes Gemeinwohl: „Verschiedenheit in der Einheit“;
versucht, mit den Bewohner_innen Kompromisse zu suchen um ihre Not
zu lindern (vgl. Ross 1971, S. 67).
• „Katalytisch-aktivierende GWA“: über die Aktivierung von
Gruppenselbsthilfe die Lebensbedingungen in benachteiligten
Stadtteilen verändern und neue Ressourcen schaffen; nicht die
Menschen „erziehen“; akute Probleme beseitigen und strukturelle
Probleme langfristig angehen (vgl. Karas/Hinte 1978).
Geschichte und Entwicklung
• „räumliche Wende“ in der Sozialen Arbeit (vgl. Reutlinger
2008; Werlen/Reutlinger 2005)
• Begriff „Sozialraumorientierung“ tauchte ab 2000 vermehrt
auf
• „Catch-All-Begriff“ (Kessl & Reutlinger 2010)
• „Sozialraumorientierung findet Anwendung als spezifisches
Arbeitsfeld der Gemeinwesenarbeit, in Quartierarbeit, der
Quartierentwicklung und im Quartiersmanangement, in
Projekten oder dauerhaften Stadtteilbüros / -zentren und als
Handlungskonzept in anderen Arbeitsfeldern Sozialer Arbeit, wie
z.B. der Schulsozialarbeit, der offenen Jugendarbeit oder den
allgemeinen sozialen Diensten, aber auch zunehmend in der
Altenhilfe, Behindertenhilfe, Straffälligenhilfe usw.“ (Becker 2012)
Von welchem „Sozialen Raum“ ist die Rede?
• Die (Wieder-)Entdeckung des Raums in zahlreichen Disziplinen
und in der Sozialen Arbeit (vgl. u.a. Kessl/Reutlinger/Maurer/Frey
2005; Kessl/Reutlinger 2007) führt zu einer Zuwendung zum
physischen Raum.
• unterkomplexes Verständnis von Sozialem Raum als
benachteiligtes Quartier oder Stadtteil
• Probleme, die gar nicht im physischen Raum – also im Stadtteil
oder der ländlichen Region – entstehen, sollen dort bearbeitet
werden.
• „Territorialisierung des Sozialen“ (Kessl/Otto 2007)
• siehe Handout Berlin
• Sozialer Raum ist mehr als der Stadtteil und mehr als „der
Beziehungsraum“
Raumverständnis von Pierre Bourdieu
• Sozialer Raum als symbolischer Raum
• zuerst der abstrakte Raum der sozialen Hierarchisierung; erst in
zweiter Linie der physische Raum, in dem sich der soziale Raum
abbildet und der wieder auf den sozialen Raum wirkt.
• Vgl. Handout Sozialer Raum nach Bourdieu
• Sozialer Raum als Raum, in dem Menschen sich anordnen je
nach Ausstattung der unterschiedlichen Kapitalsorten
• Raum, in dem sich Ungleichheiten abbilden
• Konzept ist eng verbunden mit der empirischen Suche nach
Klassen
• Der Soziale Raum ist Ausdruck der Möglichkeiten und
Einschränkungen des Handelns von Menschen.
• Je nach Verfügung über Kapital ist Handeln und die Gestaltung
von Raum möglich, oder schwierig.
Konsequenzen eines komplexeren Raumverständnisses für
eine sozialraumorientierte Soziale Arbeit
• siehe Handout
• „Soziale Arbeit setzt einerseits bei der Erweiterung von
Handlungsmöglichkeiten der Betroffenen an (im Rahmen einer
konstruktivistischen Raumtheorie), andererseits fragt sie nach
den sozialen Verhältnissen (im Rahmen einer materialistischen
Raumtheorie), um diese mit zu gestalten (vgl. Kessl/Reutlinger
2007)“ (Stoik 2010)
• Ungleichheiten können nur dann ausgeglichen werden, wenn
Strukturen verändert UND Handlungsmöglichkeiten erweitert werden,
weil Raum einerseits von Menschen gestaltet ist ,andererseits das
Handeln einschränkt oder ermöglicht.
• Welchen Beitrag leistet das Konzept der GWA für eine
sozialraumorientierte Arbeit?
Der Beitrag des Konzeptes der GWA für eine
sozialraumorientierte Arbeit
• Gemeinwesenarbeit war seit ihrem Entstehen mit sozialen
Bewegungen verknüpft
• Neben der Erweiterung individueller und kollektiver
Handlungsfähigkeit von Menschen leistet GWA einen Beitrag „zur
aktiven Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Leben und zur
Verbesserung der Lebensbedingungen." (vgl. Oelschlägel 2007, 35).
• Stoik 2010: „Ohne Berücksichtigung dieser Traditionen und Theorien
kann sich der Fokus der Sozialen Arbeit, Lebenswelten zu schützen,
und Aushandlung zu organisieren, leicht verschieben hin zu einem
rein programmatischen, etatistischen Verständnis sozialer Arbeit, die
ausschließlich auf die Lebenswelten in kolonialisierender, den
Gegebenheiten anpassender Weise einwirkt“.
• „Gemeinwesenarbeit bzw. -entwicklung kann somit als
eigenständiges Handlungskonzept im Rahmen einer
sozialraumorientierten Sozialen Arbeit verstanden werden.“ (ebd.)
Das SONI-Modell der Sozialraumorientierung
• Früchtel / Budde / Cyprian (2013: 9): „Sozialraumorientierung
hebt die klassische Abgrenzung von Fallarbeit, Gruppenarbeit
und Gemeinwesenarbeit auf und integriert die Arbeitsformen
der Sozialen Arbeit zu einem mehrschichtigen Ansatz.“
SONI-Felder (siehe Handout):
• Sozialstruktur
• Organisation
• Netzwerk
• Individuum
Literatur / Zum Weiterlesen…
• Fröhlich, Gerhard / Rehbein, Boike (Hrsg.): Bourdieu Handbuch.
Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart-Weimar 2009, S. 219ff.
• Stoik, Christoph 2010: Gemeinwesenarbeit und
Sozialraumorientierung – eine Standortbestimmung
verfügbar unter: http://www.stadtteilarbeit.de/handlungsfelder-gwa250/gwa-sozialraumorientierung/306-gwasozialraumorientierung.html
• Früchtel, Frank / Budde, Wolfgang / Cyprian, Gudrun: Sozialer Raum
und Soziale Arbeit. Fieldbook: Methoden und Techniken, Wiesbaden
2013 (3., überarbeitete Auflage)
• Oldierna, Simone / Berendt, Ulrike (Hrsg.): Gemeinwesenarbeit.
Entwicklungslinien und Handlungsfelder, Neu-Ulm 2004.
• Deinet, Ulrich (Hrsg.): Sozialräumliche Jugendarbeit. Grundlagen,
Methoden und Praxiskonzepte, Wiesbaden 2009 (3., überarbeitete
Auflage)
Herunterladen