Forensische Psychiatrie für Juristen Strafrechtliche Massnahmen Basel, 17. April 2013 Dr. med. Marc Graf Forensisch Psychiatrische Klinik Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Strafrechtliche Massnahmen • Art. 59 Massnahmen an geistig abnormen • Art. 60 Behandlung von Trunk- und Rauschgiftsüchtigen • Art. 61 Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt • Art. 63 ambulante Massnahmen • Art. 64 Verwahrung 1 Voraussetzungen für strafrechtliche Massnahmen Art. 59 StGB psychisch schwer gestört strafbare Handlung Rückfallgefahr Behandelbarkeit Verbesserung der Legalprognose stationäre Massnahme • geschlossene Anstalt bei Flucht- oder Rückfallgefahr • auch in Strafanstalt möglich, sofern Therapie gewährleistet • i.d.R. höchstens 5 Jahre, Verlängerung möglich (Art. 60 3 Jahre) Art. 19 StGB Schuldunfähigkeit und verminderte Schuldfähigkeit • • • • 1 War der Täter zur Zeit der Tat nicht fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so ist er nicht strafbar. 2 War der Täter zur Zeit der Tat nur teilweise fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so mildert das Gericht die Strafe. 3 Es können indessen Massnahmen nach den Artikeln 59–61, 63, 64, 67 und 67b getroffen werden. 4 Konnte der Täter die Schuldunfähigkeit oder die Verminderung der Schuldfähigkeit vermeiden und dabei die in diesem Zustand begangene Tat voraussehen, so sind die Absätze 1–3 nicht anwendbar. 2 Art. 56 Abs. 1-2 Grundsätze • 1 Eine Massnahme ist anzuordnen, wenn: – a. eine Strafe allein nicht geeignet ist, der Gefahr weiterer Straftaten des Täters zu begegnen; – b. ein Behandlungsbedürfnis des Täters besteht oder die öffentliche Sicherheit dies erfordert; und – c. die Voraussetzungen der Artikel 59–61, 63 oder 64 erfüllt sind. • 2 Die Anordnung einer Massnahme setzt voraus, dass der mit ihr verbundene Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Täters im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit und Schwere weiterer Straftaten nicht unverhältnismässig ist. Art. 56 Abs. 3-6 Grundsätze • 3 Das Gericht stützt sich beim Entscheid über die Anordnung einer Massnahme nach den Artikeln 59–61, 63 und 64 sowie bei der Änderung der Sanktion nach Artikel 65 auf eine sachverständige Begutachtung. Diese äussert sich über: – – – • • • • a. die Notwendigkeit und die Erfolgsaussichten einer Behandlung des Täters; b. die Art und die Wahrscheinlichkeit weiterer möglicher Straftaten; und c. die Möglichkeiten des Vollzugs der Massnahme. 4 Hat der Täter eine Tat im Sinne von Artikel 64 Absatz 1 begangen, so ist die Begutachtung durch einen Sachverständigen vorzunehmen, der den Täter weder behandelt noch in anderer Weise betreut hat. 4bis Kommt die Anordnung der lebenslänglichen Verwahrung nach Artikel 64 Absatz 1bis in Betracht, so stützt sich das Gericht beim Entscheid auf die Gutachten von mindestens zwei erfahrenen und voneinander unabhängigen Sachverständigen, die den Täter weder behandelt noch in anderer Weise betreut haben.1 5 Das Gericht ordnet eine Massnahme in der Regel nur an, wenn eine geeignete Einrichtung zur Verfügung steht. 6 Eine Massnahme, für welche die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind, ist aufzuheben. 3 Art. 56a Zusammentreffen von Massnahmen • • 1 Sind mehrere Massnahmen in gleicher Weise geeignet, ist aber nur eine notwendig, so ordnet das Gericht diejenige an, die den Täter am wenigsten beschwert. 2 Sind mehrere Massnahmen notwendig, so kann das Gericht diese zusammen anordnen. Art. 57 Verhältnis der Massnahmen zu den Strafen • • • 1 Sind die Voraussetzungen sowohl für eine Strafe wie für eine Massnahme erfüllt, so ordnet das Gericht beide Sanktionen an. 2 Der Vollzug einer Massnahme nach den Artikeln 59–61 geht einer zugleich ausgesprochenen sowie einer durch Widerruf oder Rückversetzung vollziehbaren Freiheitsstrafe voraus. Ebenso geht die Rückversetzung in eine Massnahme nach Artikel 62a einer zugleich ausgesprochenen Gesamtstrafe voraus. 3 Der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug ist auf die Strafe anzurechnen. 4 Art. 59 StGB Ziff. 1 – 2 stationäre therapeutische Massnahme • • 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn: a. der Täter ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, das mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang steht; und b. zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang stehender Taten begegnen. 2 Die stationäre Behandlung erfolgt in einer geeigneten psychiatrischen Einrichtung oder einer Massnahmevollzugseinrichtung. Art. 59 StGB Ziff. 3 – 4 stationäre therapeutische Massnahme • • 3 Solange die Gefahr besteht, dass der Täter flieht oder weitere Straftaten begeht, wird er in einer geschlossenen Einrichtung behandelt. Er kann auch in einer Strafanstalt nach Artikel 76 Absatz 2 behandelt werden, sofern die nötige therapeutische Behandlung durch Fachpersonal gewährleistet ist. 4 Der mit der stationären Behandlung verbundene Freiheitsentzug beträgt in der Regel höchstens fünf Jahre. Sind die Voraussetzungen für die bedingte Entlassung nach fünf Jahren noch nicht gegeben und ist zu erwarten, durch die Fortführung der Massnahme lasse sich der Gefahr weiterer mit der psychischen Störung des Täters in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Verlängerung der Massnahme um jeweils höchstens fünf Jahre anordnen. 5 Art. 60 StGB Ziff. 1 – 2 Suchtbehandlung • • 1 Ist der Täter von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn: a. der Täter ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, das mit seiner Abhängigkeit in Zusammenhang steht; und b. zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit der Abhängigkeit in Zusammenhang stehender Taten begegnen. 2 Das Gericht trägt dem Behandlungsgesuch und der Behandlungsbereitschaft des Täters Rechnung. Art. 60 StGB Ziff. 3 – 4 Suchtbehandlung • • 3 Die Behandlung erfolgt in einer spezialisierten Einrichtung oder, wenn nötig, in einer psychiatrischen Klinik. Sie ist den besonderen Bedürfnissen des Täters und seiner Entwicklung anzupassen. 4 Der mit der stationären Behandlung verbundene Freiheitsentzug beträgt in der Regel höchstens drei Jahre. Sind die Voraussetzungen für die bedingte Entlassung nach drei Jahren noch nicht gegeben und ist zu erwarten, durch die Fortführung der Massnahme lasse sich der Gefahr weiterer mit der Abhängigkeit des Täters in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Verlängerung der Massnahme einmal um ein weiteres Jahr anordnen. Der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug darf im Falle der Verlängerung und der Rückversetzung nach der bedingten Entlassung die Höchstdauer von insgesamt sechs Jahren nicht überschreiten. 6 Art. 61 Ziff. 1 – 3 Massnahmen für junge Erwachsene • • • 1 War der Täter zur Zeit der Tat noch nicht 25 Jahre alt und ist er in seiner Persönlichkeitsentwicklung erheblich gestört, so kann ihn das Gericht in eine Einrichtung für junge Erwachsene einweisen, wenn: a. der Täter ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, das mit der Störung seiner Persönlichkeitsentwicklung in Zusammenhang steht; und b. zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit der Störung seiner Persönlichkeitsentwicklung in Zusammenhang stehender Taten begegnen. 2 Die Einrichtungen für junge Erwachsene sind von den übrigen Anstalten und Einrichtungen dieses Gesetzes getrennt zu führen. 3 Dem Täter sollen die Fähigkeiten vermittelt werden, selbstverantwortlich und straffrei zu leben. Insbesondere ist seine berufliche Aus- und Weiterbildung zu fördern. Art. 61 Ziff. 4 – 5 Massnahmen für junge Erwachsene • • 4 Der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug beträgt höchstens vier Jahre. Er darf im Falle der Rückversetzung nach bedingter Entlassung die Höchstdauer von insgesamt sechs Jahren nicht überschreiten. Die Massnahme ist spätestens dann aufzuheben, wenn der Täter das 30. Altersjahr vollendet hat. 5 Wurde der Täter auch wegen einer vor dem 18. Altersjahr begangenen Tat verurteilt, so kann die Massnahme in einer Einrichtung für Jugendliche vollzogen werden. 7 Art. 63 Ziff. 1 – 2 Ambulante Behandlung • • 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn: a. der Täter eine mit Strafe bedrohte Tat verübt, die mit seinem Zustand in Zusammenhang steht; und b. zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Taten begegnen. 2 Das Gericht kann den Vollzug einer zugleich ausgesprochenen unbedingten Freiheitsstrafe, einer durch Widerruf vollziehbar erklärten Freiheitsstrafe sowie einer durch Rückversetzung vollziehbar gewordenen Reststrafe zu Gunsten einer ambulanten Behandlung aufschieben, um der Art der Behandlung Rechnung zu tragen. Es kann für die Dauer der Behandlung Bewährungshilfe anordnen und Weisungen erteilen. Art. 63 Ziff. 3 – 4 Ambulante Behandlung • • 3 Die zuständige Behörde kann verfügen, dass der Täter vorübergehend stationär behandelt wird, wenn dies zur Einleitung der ambulanten Behandlung geboten ist. Die stationäre Behandlung darf insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern. 4 Die ambulante Behandlung darf in der Regel nicht länger als fünf Jahre dauern. Erscheint bei Erreichen der Höchstdauer eine Fortführung der ambulanten Behandlung notwendig, um der Gefahr weiterer mit einer psychischen Störung in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen zu begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Behandlung um jeweils ein bis fünf Jahre verlängern. 8 Art. 64 Ziff. 1 – 2 Verwahrung • • 1 Das Gericht ordnet die Verwahrung an, wenn der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, eine Vergewaltigung, einen Raub, eine Geiselnahme, eine Brandstiftung, eine Gefährdung des Lebens oder eine andere mit einer Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat begangen hat, durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer andern Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte, und wenn: a. auf Grund der Persönlichkeitsmerkmale des Täters, der Tatumstände und seiner gesamten Lebensumstände ernsthaft zu erwarten ist, dass er weitere Taten dieser Art begeht; oder b. auf Grund einer anhaltenden oder langdauernden psychischen Störung von erheblicher Schwere, mit der die Tat in Zusammenhang stand, ernsthaft zu erwarten ist, dass der Täter weitere Taten dieser Art begeht und die Anordnung einer Massnahme nach Artikel 59 keinen Erfolg verspricht. 2 Der Vollzug der Freiheitsstrafe geht der Verwahrung voraus. Die Bestimmungen über die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe (Art. 86–88) sind nicht anwendbar. Art. 64 Ziff. 3 – 4 Verwahrung • • 3 Ist schon während des Vollzugs der Freiheitsstrafe zu erwarten, dass der Täter sich in Freiheit bewährt, so verfügt das Gericht die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe frühestens auf den Zeitpunkt hin, an welchem der Täter zwei Drittel der Freiheitsstrafe oder 15 Jahre der lebenslänglichen Freiheitsstrafe verbüsst hat. Zuständig ist das Gericht, das die Verwahrung angeordnet hat. Im Übrigen ist Artikel 64a anwendbar. 4 Die Verwahrung wird in einer Massnahmevollzugseinrichtung oder in einer Strafanstalt nach Artikel 76 Absatz 2 vollzogen. Die öffentliche Sicherheit ist zu gewährleisten. Der Täter wird psychiatrisch betreut, wenn dies notwendig ist. 9 Verwahrungsinitiative 2/04 • Lebenslängliche Verwahrung für extrem gefährlich Sexual- und Gewaltverbrecher • keine Lockerung, ausser neue wissenschaftl. Erkenntnisse • Haftung von Gericht und Gutachter Art. 64 Abs. 1bis lebenslängliche Verwahrung • • • 1bis Das Gericht ordnet die lebenslängliche Verwahrung an, wenn der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, einen Raub, eine Vergewaltigung, eine sexuelle Nötigung, eine Freiheitsberaubung oder Entführung, eine Geiselnahme, Menschenhandel, Völkermord, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder ein Kriegsverbrechen (zwölfter Titelter) begangen hat und wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:2 a. Der Täter hat mit dem Verbrechen die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer anderen Person besonders schwer beeinträchtigt oder beeinträchtigen wollen. b. Beim Täter besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass er erneut eines dieser Verbrechen begeht. c. Der Täter wird als dauerhaft nicht therapierbar eingestuft, weil die Behandlung langfristig keinen Erfolg verspricht.3 10 Art. 64c Prüfung der Entlassung aus der lebenslänglichen Verwahrung • • • • • 1 Bei lebenslänglicher Verwahrung nach Artikel 64 Absatz 1bis prüft die zuständige Behörde von Amtes wegen oder auf Gesuch hin, ob neue, wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass der Täter so behandelt werden kann, dass er für die Öffentlichkeit keine Gefahr mehr darstellt. Sie entscheidet gestützt auf den Bericht der Eidgenössischen Fachkommission zur Beurteilung der Behandelbarkeit lebenslänglich verwahrter Straftäter. 2 Kommt die zuständige Behörde zum Schluss, der Täter könne behandelt werden, so bietet sie ihm eine Behandlung an. Diese wird in einer geschlossenen Einrichtung vorgenommen. Bis zur Aufhebung der lebenslänglichen Verwahrung nach Absatz 3 bleiben die Bestimmungen über den Vollzug der lebenslänglichen Verwahrung anwendbar. 3 Zeigt die Behandlung, dass sich die Gefährlichkeit des Täters erheblich verringert hat und so weit verringern lässt, dass er für die Öffentlichkeit keine Gefahr mehr darstellt, so hebt das Gericht die lebenslängliche Verwahrung auf und ordnet eine stationäre therapeutische Massnahme nach den Artikeln 59–61 in einer geschlossenen Einrichtung an. 4 Das Gericht kann den Täter aus der lebenslänglichen Verwahrung bedingt entlassen, wenn er infolge hohen Alters, schwerer Krankheit oder aus einem andern Grund für die Öffentlichkeit keine Gefahr mehr darstellt. Die bedingte Entlassung richtet sich nach Artikel 64a. 5 Zuständig für die Aufhebung der lebenslänglichen Verwahrung und für die bedingte Entlassung ist das Gericht, das die lebenslängliche Verwahrung angeordnet hat. Es entscheidet gestützt auf die Gutachten von mindestens zwei erfahrenen und voneinander unabhängigen Sachverständigen, die den Täter weder behandelt noch in anderer Weise betreut haben. Verhältnis Urteile / Massnahmen 1990 bis 2010 11 Anteil Massnahmen an Gesamtzahl Urteile 1990 bis 2010 in Prozent Stationäre therapeutische Massnahmen 1984 bis 2010 Art. 59 StGB 12 Einweisung in eine Einrichtung für junge Erwachsene1984 bis 2010 Art. 61 StGB Verwahrungen 1984 bis 2010 Art. 64 StGB 13 Entlassungen aus Verwahrung (Art. 43.1.2.aStGB) und Sterbefälle 1984 bis 2006 14 Besonderheiten der forensisch-psychiatrischen Therapie 1. 2. 3. Ziel = Verbesserung der Legalprognose Auftraggeber = Behörde Patient = unfreiwillig Prinzipien einer forensischpsychiatrischen Therapie • Strikte Trennung von Therapie und Begutachtung • Deliktorientiert und störungsspezifisch • Ausschliesslich etablierte und wirksame Therapieverfahren • Lückenlose Dokumentation • Strukturierte Berichte zu Handen Straf- und Massnahmevollzug • Interdisziplinäres Team • Klare Verantwortlichkeiten 15 Forensische Therapie Beurteilung Therapie Endpunkt: • günstige Legalprognose • Abbruch • Umwandlung der Massnahme • Haftstrafe / Entlassung integrierte ForensischPsychiatrische Therapie • • • • biologische Therapieverfahren Psychotherapie Soziotherapie Kombinationen 16 biologische Therapieverfahren • Chirurgie – (stereotaktische Neurochirurgie) – Kastration • Elektro-Krampf-Therapie EKT • Lichttherapie • Medikamente Medikamente • Tabletten, Kapseln, Tropfen... • sublingual Tabletten • Injektion: – intravenös – subkutan – intramuskulär 17 Psychopharmaka • Definition: Medikamente, die in den Gehirnsstoffwechsel eingreifen • Überwiegend durch Einflüsse auf Neurotransmitter und Rezeptoren, die an der Weiterleitung von Nervenimpulsen beteiligt sind • Therapie meist symptomorientiert • Bei Psychosen in akuten Phase und in der Rezidivprophylaxe unverzichtbar Benzodiazepine • Valium, Temesta, Seresta, Xanax, Dormicum, Rohypnol… • Stimulieren GABA(Gammaaminobuttersäure)-erges System, welches seinerseits wiederum (fast ubiquitär im Gehirn) hemmend auf die anderen Nervenzellen wirkt >>> Dämpfung der neuronalen Aktivität • angstlösend, schlafanstossend, muskelrelaxierend • Indikation: Erregungszustände, Psychosen, Katatonie, Panik- und Angst-Erkrankungen • Toleranzentwicklung>>>Abhängigkeit 18 Neuroleptika • • • • • • • Klassische: Haldol, Clopixol, Truxal… Atypika: Seroquel, Leponex, Zyprexa, Risperdal… Blockieren va. Dopamin-Rezeptoren bei Überschuss von Dopamin Wirkung: Antipsychotisch Indikation: Psychosen bei Schizophrenien, Manie Nebenwirkungen: Extrapyramidal-motorische Störungen (Zittern, Steifigkeit, Unruhe…), Speichelfluss, hormonelle Veränderungen, Gewichtszunahme, sexuelle Dysfunktion… Cannabinoide = „Antagonist“ Antidepressiva • • • • Seropram, Remeron, Surmontil, Efexor… Serotonin-(Noradrenalin-)Wiederaufnahmehemmer Wirkung: Stimmungsaufhellend, (antiaggressiv) Indikation: Depressionen, bipolare (manisch-depressive) Störungen • i.d.R. wenige Nebenwirkungen und gute Verträglichkeit 19 Phasenprophylaktika/Antiepileptika • • • • Orfiril, Depakine, Lithium, Lamictal… Stabilisierung der neuronalen Aktivität Wirkung: antiepileptisch, stimmungsstabilisierend Indikation: bipolar-affektive Störungen, Schizophrenien, Persönlichkeitsstörungen • z.T. erhebliche Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Müdigkeit, sexuelle Dysfunktion Überwachung der Medikamenteneinnahme • • • • • Abgabe unter Sicht Depotpräparat Monitoring der Psychopathologie Nebenwirkungen Serumspiegel 20 Zwangsmedikation • • • • Zwangsmedikation <> notwendige Behandlung bei urteilsunfähiger Person notfallmässig <> elektiv Personen im Strafvollzug haben weniger Möglichkeiten, sich gegen eine Zwangsbehandlung zu wehren > sorgfältige Evaluation und Legitimation durch anordnende Behörde / Gericht i.d.R. keine Zwangsmedikation in Haft, weil: – lückenlose fachliche Überwachung – sofortige fachliche Intervention bei Überdosierung/Nebenwirkungen Verlegung in Forensische Klinik notwendig Therapeutische Elemente • Symptomreduktion (Pharmakotherapie, Psychotherapie) • Management der eigenen Erkrankung (Psychoedukation) • Unterstützung in sozialen Belangen (Wohnsituation, Arbeitsstelle, Finanzen…) • Soziales Training (Bezugspersonen-System, Gruppentraining sozialer Kompetenzen) • Training von Fertigkeiten (Skills-Training, Ergotherapie, Arbeitstraining) 21 Lockerungsstufen auf der forensischen Abteilung der UPK Basel • • • • • • • • • • • Isolierzimmer Isolierzimmer mit Lockerungen offenes Isolierzimmer Abteilung gesicherter Garten Einzelbegleitung im Klinikareal Gruppe im Klinikareal Einzelbegleitung ausserhalb Klinikareal Gruppe ausserhalb Klinikareal Ausgang nach Absprache Wohn- und Arbeitsexternat Wirksamkeit von Massnahmen Basler Kohortenstudie 22 UPK Basel 32 Betten Ambulanz Jugendforensik KPK Rheinau 61 Betten 27 Hochsicherheit Schachen 33 Plätze Bitzi 42 Plätze St. Johannsen 80 Plätze Cazis 32 Betten Ambulanz Bewachungsstation Inselspital 10 Plätze Königsfelden 16 Betten Ambulanz PPD Zürich Ambulanz 59er Pöschwies Massnahmezentren für junge Erwachsene Art. 61 StGB Kalchrain 55 Plätze Arxhof 44 Plätze Uitikon 48 Plätze 23 „nothing works“ • Robert Martinson 1974 (Metaanalyse 1945-1967): – „… with few and isolated exceptions, the rehabilitative efforts that have been reported so far have had no appreciable effect on recidivism“. – „… our present strategies … cannot overcome, or even appreciably reduce, the powerful tendencies of offenders to continue in criminal behavior“. • Jérôme Endrass SonntagsZeitung 2007: – „Wenn man einen Psychopathen eine Schreinerlehre machen lässt, hat man nachher nicht einen Psychopathen weniger, sondern einen Psychopathen mit Schreinerlehre.“ – „Die Idee, dass Täter resozialisiert werden müssen, ist grundlegend falsch. Sie sind ja schon sozialisiert. Was sie brauchen, ist eine massgeschneiderte Therapie, die nur eines zum Ziel hat: Rückfälligkeit verhindern.“ „even worse“ • Rice, Harris, & Cormier 1992: – „inappropriate institutional environment for psychopaths can actually increase criminal behavior … The present results strongly suggest that the kind of therapeutic community described in this paper is the wrong type of program for serious psychopathic offenders“. unbehandelte nicht-Psychopathen behandelte nicht-Psychopathen gewalttätiger Rückfall Rückfall unbehandelte Psychopathen behandelte Psychopathen 0 20 40 60 80 100 % 24 Wirksamkeit der Behandlung von Psychopaths • The MacArthur Violence Risk Assessment Study (Steadman 1998, Monahan 2001, Skeem 2002) Nicht Psychopathen < 7 Kontakte Nicht-Psychopathen >= 7 Kontakte gewalttätig in 10 Wochen nach Entlassung Psychopathen < 7 Kontakte Psychopathen >= 7 Kontakte % 0 5 10 15 20 25 30 – Therapieerfolg abhängig von Therapiefrequenz – Psychopathie alleine kein negativer Faktor für Therapieerfolg – Psychopathie häufiger assoziiert mit Komorbiditäten (DSM-IV Achse I + II) Wirksamkeit Sexualstraftäterbehandlung % Loesel und Schmucker 2005 25 Wirksamkeit ambulanter forensischer Nachsorge • Modellprojekt Bayern: – 111 Patienten (109 ♂, 2 ♀) – Störungen: • 65% Schizophrenien als Erstdiagnose • 37% zusätzlich Substanzmissbrauch – Mittlere Beobachtungszeit 54,3 Mte. – 2 Pat. Verstorben, einer durch Suizid – 6 Straftaten, 5 Verdachtsfälle ohne Strafverfolgung – Rezidivraten 5.4% bzw. 9.9% – Rezidivraten schwerwiegende Delinquenz 1.8% bzw. 6.3% Stübner und Nedopil 2009 26