STERNSYSTEMEI M it dem Spitzer-InfrarotWeltraumteleskop haben amerikanische Astronomen eine ganze Reihe sonnennaher Sterne untersucht. Bei einem, dem 41 Lichtjahre entfernten HD 69830 im Sternbild Achterdeck (»Puppis«, etwa 6. Größe, rund sieben Grad südlich von M 48), stießen die Forscher dabei auf warmen Staub. Dies ist für einen derart alten Stern eher ungewöhnlich und lässt die Erklärung zu, dass es sich womöglich um einen Asteroidengürtel, ähnlich dem zwischen Mars und Jupiter in unserem Sonnensytem, handelt. Allerdings gäbe es dann um HD 69830 rund 25-mal mehr Asteroiden als vermutet, die entsprechend häufiger zusammenstoßen und zu Staub zerfallen – der dann von Spitzer beobachtet wird. Der Gürtel ist seinem Zentralstern auch recht nah. In unserem System würde er mit der Umlaufbahn der Venus zusammenfallen und daher am Nachthimmel weitaus heller als die Milchstraße leuchten (siehe Illustration rechts). Weitere Untersuchungen sollen klären, ob sich in dem Sternsystem auch Spuren von Planeten finden lassen – seien es Gasriesen wie Jupiter oder auch Gesteinsplaneten wie die Erde. Letztere bestehen weit gehend aus dem gleichen Material wie die Asteroiden. Asteroidengürtel wurden bisher erst bei zwei anderen Sternen entdeckt, die aber wesentlich jünger und massereicher sind als die Sonne. Daher lassen sich bei ihnen nicht so gut Parallelen zu unserem Planetensystem ziehen. Vorsicht Steinschlag! So, wie Jupiter in unserem Sonnensystem den Asteroidengürtel abschließt, könnte das bei dem um HD 69830 vielleicht eine zweite Erde tun. MARSROVERI Europa behält den Mars im Blick E uropäische Forscher haben der Weltraumorganisation Esa empfohlen, ihre nächste wissenschaftliche Mission zum Mars mit einem Rover auszurüsten. Das Roboterfahrzeug soll die Oberfläche des Roten Planeten erkunden und dort nach Spuren von Leben suchen. Bei einem Start im Juni 2011 würde eine solche Mission den Mars im Juni 2013 erreichen. ESA ASTRO NEWS Heißer Asteroidengürtel um sonnenähnlichen Stern Die Wissenschaftler hatten Anfang April bei einem internationalen Arbeitstreffen in England über Robotermissionen zum Mars im Rahmen des europäischen Aurora-Programms beraten. Zur Auswahl standen drei Missionen: BeagleNet, ExoMars und ExoMars-Lite. Nach eingehender Untersuchung empfahlen die Forscher, Schlüsselelemente aller drei Vorschläge in einer Expedition zu vereinen. Diese soll mindestens einen Rover zum Mars befördern. Der Roboter wird dort nach Spuren von Leben suchen sowie dessen Bodenchemie, Oberflächenbeschaffenheit und seismischen Phänomene erkunden. Hierfür sollen mit einem Bohrer Bodenproben aus bis zu zwei Meter Tiefe gewonnen werden. Die Forscher diskutierten auch über eine Mission, die Bodenproben vom Mars zur Erde bringen soll. Eine solche Expedition ist in internationaler Zusammenarbeit für das Jahr 2016 geplant. Die Nasa schickt inzwischen ihre Marsrover in die Verlängerung: Spirit und Opportunity, die bereits seit vierzehn Monaten über den Roten Planeten kurven, dürfen dort noch bis zu achtzehn Monate weiterforschen. Erst in fernerer Zukunft sollen auch Esa-Astronauten bemannte Missionen auf dem Roten Planeten begleiten. 8 ASTRONOMIE HEUTE JUNI 2005 NASA, JPL / CALTECH, SSC, T. PYLE ASTEROIDEN I Neues Mitglied Falkenflug zum Kleinplaneten N D icht nur die EU, auch die Esa wächst: Seit dem 16. März ist Griechenland offizielles Mitglied der Europäischen Weltraumagentur. Damit ist die Gemeinschaft auf 16 Mitgliedsstaaten angewachsen. Griechenland bemüht sich bereits seit Jahren um die Aufnahme in die Weltraumbehörde. Nun gab Per Tegnér, Vorsitzender der Esa-Ratsversammlung, den Beitritt offiziell bekannt. Esa-Pressesprecher Franco Bonacini bestätigt: »Griechenland hat inzwischen die nötige Reife erreicht.« Es sei nicht einfach, die Anforderungen für eine Aufnahme zu erfüllen, sagt er. Die Esa verlangt von ihren Mitgliedern vor allem wissenschaftliches Know-how und ausreichend industrielle Ressourcen. Gleichzeitig mit Griechenland bewilligte der Esa-Rat auch Luxemburg die Aufnahme. Das Großherzogtum wird voraussichtlich im Dezember 2005 beitreten, da noch nicht alle notwendigen Verträge unterzeichnet sind. ASTRONOMIE HEUTE JUNI 2005 ie japanische Raumsonde Hayabusa (»Falke«) nähert sich ihrem Ziel. Der Missionsplan sieht für diesen Sommer das Rendezvousmanöver mit dem Kleinplaneten 25143 Itokawa vor. Erstmals soll mit der Mission Bodenmaterial von einem Asteroiden eingesammelt und zur Analyse zur Erde gebracht werden. Das ehrgeizige Vorhaben ist die erste Rückkehrmission zu einem Himmelskörper seit dem Flug der russischen Mondsonde Luna 24 im Jahr 1976. Mit über 20 000 Betriebsstunden hat der Ionenantrieb von »Muses-C«, so der ursprüngliche Name der Sonde, stetig auf den 600 Meter langen Felsbrocken zugehalten. Typisch für sparsame Ionentriebwerke wurden dabei nur etwa zwanzig Kilogramm Xenon verbraucht. Drei Monate Den Falken im Anflug auf den Kleinplaneten 25143 Itokawa zeigt diese künstlerische Darstellung. lang soll der zur Gruppe der erdnahen Asteroiden zählende Itokawa nun aus nur zehn Kilometer Abstand inspiziert werden. Erst dann ist die weit gehend automatische Probennahme geplant. Mit einigen Gramm Asteroidenstaub im Gepäck soll die Zwanzig-Kilo-Rückkehrkapsel der Falken-Sonde im Juni 2007 weich in Australien niedergehen. A. IKESHITA, MINORBODY EXPLORATION FORUM / JAXA, ISAS ESAI 9 NASAI Neuer Chef NASA Als dritter Mann soll der deutsche Thomas Reiter die Besatzung der Raumstation demnächst verstärken. ISSI Ablösung auf der Raumstation D ie internationale Raumstation ISS hat eine neue Besatzung. Der russische Kosmonaut Sergej Krikaljow und sein amerikanischer Kollege John Phillips trafen als »Expedition 11« am 17. April auf der Station ein und sollen bis Oktober 2005 dort bleiben. Ihre Vorgänger, der Amerikaner Leroy Chiao und der Russe Salischan Scharipow, die seit Oktober 2004 auf der Station ausharrten, verließen die ISS am 24. April und landeten einen Tag später wohlbehalten in der kasachischen Steppe. Während der Übergabephase an die neue Besatzung machte ein Esa-Astronaut das Full House komplett: Der Italiener Roberto Vittori hatte den dritten Sitzplatz der Sojus-Kapsel eingenommen und führte auf der Station die Experimente der Mission »Eneide« durch. Am 24. April begab sich Vittori 10 zusammen mit Chiao und Scharipow zur Erde zurück. Für ihre Landung nutzten sie die Sojus-TMA-5-Kapsel, die seit Oktober 2004 an der Raumstation angedockt gewesen war. Unterdessen bereitet sich der deutsche Astronaut Thomas Reiter auf seinen geplanten Langzeiteinsatz auf der Raumstation vor. Sobald die Shuttleflüge wieder aufgenommen werden, soll er an Bord der »Atlantis« zur Raumstation fliegen und dort zu Krikaljow und Phillips stoßen. Auf diese Weise will man wieder dazu übergehen, ständig drei Mann Besatzung auf der Station zu haben, nachdem die Mannschaftsstärke zwischenzeitlich wegen der knappen Versorgungslage auf Grund der ausgesetzten Shuttleflüge auf zwei Astronauten verringert worden war. Reiter wäre der erste Deutsche auf der Station. Hat gut lachen: Michael Griffin ASTRONOMIE HEUTE JUNI 2005 NASA, RENEE BOUCHARD K ASTRO A LEIDNEWS O SK O P D ie US-Weltraumbehörde Nasa hat einen neuen Administrator – und die Fans des Weltraumteleskops »Hubble« neuen Grund zur Hoffnung. Am 14. April leistete Michael Griffin seinen Amtseid und trat damit die Nachfolge von Sean O’Keefe an. In seiner Antrittsrede erklärte Griffin, er sehe durchaus noch Überlebenschancen für das Hubble-Weltraumteleskop. Sein Vorgänger hatte das leicht marode, jedoch enorm beliebte Gerät bereits abgeschrieben. Griffin versprach, wenn die Shuttleflüge erfolgreich wieder aufgenommen worden seien, müsse die Nasa ihre Pläne für Hubble noch einmal neu überdenken. Die Entscheidung, das Teleskop bereits im Jahr 2010 stillzulegen, sei unmittelbar nach dem tragischen Verlust der Raumfähre Columbia getroffen worden, bei dem die sieben Astronauten den Tod fanden. Eine Reparatur per Roboter scheint für Hubble ausgeschlossen. Daher bleibt nun abzuwarten, ob die verbesserten Shuttles der Nasa eine Wiederaufnahme der bemannten Raumfahrt erlauben. Mit Michael Griffin übernimmt ein »Mann vom Fach« den Chefsessel der amerikanischen Weltraumbehörde: Der 55-Jährige ist Physiker, Ingenieur und Pilot und hält neben einem Doktortitel in Luft- und Raumfahrttechnik zahlreiche weitere akademische Titel. US-Präsident George W. Bush hatte Michael Griffin für die Stelle vorgeschlagen, nachdem dessen Vorgänger Sean O’Keefe seinen Rücktritt erklärt hatte. NASA / ESA / STSCI Wie Rauchschwaden wabert auf diesem Hubble-Foto interstellarer Staub durch die Galaxie NGC 1316 im »Chemischen Ofen«. HUBBLEI Kosmische Wollmäuse W enn das kein Grund ist, die Mission des etwas altersschwachen Hubble-Teleskops zu verlängern: Das oben abgebildete Foto des Weltraumteleskops sieht aus, als habe ein abstrakter Künstler Rauchschwaden an einen gespenstisch bewölkten Vollmondhimmel gemalt. Tatsächlich zeigt das Bild die große Ellipsengalaxie NGC 1316. ASTRONOMIE HEUTE JUNI 2005 Wie kosmische Wollmäuse liegen dort in allen Ecken und Enden große, komplexe Flocken aus interstellarem Staub. Die Aufnahme lässt darauf schließen, dass NGC 1316 sich einst aus einem Zusammenschluss zweier gasreicher Weltinseln gebildet hat. Ein amerikanisches Forscherteam um Paul Goudfrooij vom Space Telescope Science Institute in Baltimore, Maryland, hatte dieses und weitere Fotos geschossen, um Hinweise darauf zu bekommen, wie sich elliptische Galaxien aus der Verschmelzung zweier Sternsysteme bilden. NGC 1316 befindet sich im Sternbild Fornax, dem Chemischen Ofen. Sie gehört zu einem kompakten Galaxienhaufen in etwa 75 Millionen Lichtjahren Entfernung und ist deren hellste Komponente. 11 SHUTTLESTARTI Trotz mancher Sicherheitsbedenken: Die Nasa will noch im Mai den ersten Shuttleflug seit der Explosion der Raumfähre Columbia vor zwei Jahren starten. A m 1. Februar 2003 explodierte die Raumfähre Columbia beim Wiedereintritt in die Atmosphäre. Ein rund 750 Gramm schweres Stück Isolierschaum, das beim Start vom Treibstofftank abgebrochen war, hatte die Hitzekacheln an der linken Tragfläche beschädigt. Daraufhin konnten bei der Rückkehr extrem heiße Gase in die Raumfähre eindringen, die deren Aluminiumgerüst schließlich zum Schmelzen brachten. Zu der Katastrophe, erklärte eine eingesetzte Untersuchungskommission anschließend, sei es indessen nicht nur auf Grund von technischem Versagen gekommen, sondern auch, weil die Nasa die Sicherheitsstandards über Jahre schleifen ließ. Der Schreck der Tragödie und des harschen Urteils steckt der Behörde bis heute in den Gliedern. Zwei Jahre nach dem Unglück steht jetzt wieder eine Raumfähre in Cape Canaveral auf der Startrampe – die Discovery, die in einem Zeitfenster von Mitte Mai bis Anfang Juni abheben soll. STS 114, die 114. Mission der kleinen Shuttleflotte, mit der Astronautin Eileen Collins als Kommandantin, war 2003 als Routineflug nach der Landung der Columbia geplant. Galt es damals noch, die Internationale Raumstation zügig fertigzustellen, steht heute in erster Linie die Sicherheit des Raumschiffs und die Kompetenz der Nasa auf dem Prüfstand. Der Raumfahrtorganisation darf kein weiterer Fehler unterlaufen, denn ansonsten stünden nicht nur ihre von Bush verordneten bemannten Missionen zu Mond und Mars in Frage. Es würde die Behörde um Jahre zurückwerfen – und wohl auch das Ende der Raumstation bedeuten, die auf Lieferungen durch die Shuttleflotte angewiesen ist. Reparaturkit fliegt mit Kosmischer Fliesenleger In Zu- 12 kunft müssen die Shuttleastronauten ihr Gefährt auch noch selbst flicken können. Nach zwei Jahren Zwangspause NASA, KSC Vor wenigen Wochen wollte die Nasa der Weltöffentlichkeit demonstrieren, dass die Mission mit dem Auslaufmodell Spaceshuttle – 2010 soll die Shuttleflotte eingemottet werden – bestmöglichst vorbereitet ist. Zu diesem Zweck lud sie die internationale Presse nach Houston ein. Dort breiteten die Experten vor kritischen Augen aus, was den Shuttle künftig sicherer machen soll: So sind Flügelkanten und -spitzen der Raumfähre mit einem dichten Netzwerk empfindlicher Sensoren ausgestattet, um jegliche Materialveränderung zu registrieren. Auch die Technik, mit der der Isolierschaum auf den Außentank aufgetragen wird, wurde verbessert. Am Boden baute man die Kontrollen aus: Eine ganze Batterie digitaler Kameras ist über Cape Canaveral verteilt und soll den Start des Shuttle aus allen erdenklichen Perspektiven beobachten. Die Astronauten sind auf fast alle Eventualitäten vorbereitet und gut trainiert. Auch traf man Vorkehrungen, um den Shuttle im Weltraum mittels eines kamerabewehrten Roboterarms auf Schäden zu überprüfen. So demonstrierten die Missionsspezialisten Stephen Robinson von der Nasa und Soichi Noguchi von der japanischen Raumfahrtagentur Jaxa in einer Halle NASA, JPL K ASTRO A LEIDNEWS O SK O P Kalkuliertes Risiko soll der Regelbetrieb der Shuttleflüge mit dem Start der Discovery wieder aufgenommen werden. neben einem Schwimmbecken, in der sie sonst Handgriffe in annähernder Schwerelosigkeit trainieren, neu entwickelte Reparaturtechniken (Bild links). Während eines Weltraumspaziergangs sollen sie so einmal Risse in den Hitzeschutzkacheln des Shuttles ausbessern können. Dazu haben Nasa-Ingenieure eine Kreuzung aus Spritzpistole und Maschinengewehr erfunden, die einen schwarzen Kitt in den vorhandenen Spalt presst, der mit Spachteln glatt gestrichen werden muss. Außerdem zeigten sie, wie beschädigte Kohlefaser-Formteile, die beim Shuttle die der Hitze besonders ausgesetzten Kanten abschirmen, mit Mull ausgestopft, anschließend mit einem Flicken abgedeckt und einer Platte versiegelt werden. Die Nasa hofft indes, dass es bei den kommenden Flügen keine tatsächlichen ASTRONOMIE HEUTE JUNI 2005 Schäden gibt, die so ausgebessert werden müssten. Auf die Frage, ob er auch mit einem so reparierten Raumschiff zur Erde zurückfliegen würde, meint Noguchi ausweichend: »Da müsste man das Risiko schon sehr genau kalkulieren.« Die neuen Geräte würden dabei ohnehin nicht ausreichen, ein Loch von der Größe dessen zu kitten, das die Columbia seinerzeit zerstörte. Damals hatte der Shuttle kein Werkzeug für Außenreparaturen an Bord, ja nicht einmal genügend Treibstoff, um die womöglich rettende Raumstation zu erreichen. Diese Fakten wirkten ernüchternd. Da hilft es auch nicht weiter, dass mehrere Nasa-Offizielle darauf verweisen, dass die Columbia-Untersuchungskommission in ihrem Katalog für neue Shuttleflüge lediglich gefordert hatte, die Reperaturmethoden müssten »anASTRONOMIE HEUTE JUNI 2005 wendbar sein«, was einen gewissen Interpretationsspielraum lasse. Der Flug der Discovery besteht freilich nicht nur aus Testläufen neuer Reparaturtechnologien. Ein Besuch bei der Raumstation steht ebenfalls auf dem Programm. Sie wartet auf Nachschub, den die russischen Sojusraketen in den vergangenen zwei Jahren aus Platzgründen nicht liefern konnten. Beispielsweise benötigt die Station dringend ein neues Gyroskop, einen Stabilisationskreisel, der hilft, die ISS auf Kurs zu halten. An Bord funktionieren derzeit nur noch zwei der ursprünglich vier Richtungsgeber. Auf dem Heimweg transportiert die Raumfähre außerdem eine Tonne verschlissener Instrumente, abgeschlossene Experimente und Haushaltsmüll zur Erde. Doch diese Aufgaben erwähnen Nasa-Oberen in Houston nur am Rand. »Sicherheit« ist das beherrschende Thema. Zeigen sich an der Raumfähre beim jetzt auf Juli terminierten Flug erneut bedenkliche Schäden, wäre ein Andocken an die ISS noch ein Ausweg. Für die Shuttleastronauten ist sie in Notsituationen ein sicherer Hafen im Erdorbit. Für einen solchen Fall wird am Boden bereits die Raumfähre Atlantis vorbereitet, die im Juli einen regulären Flug zur Raumstation absolvieren soll. Sie könnte aber – wie der Flugdirektor von STS 114, Leroy Cain, erklärt – im Notfall auch etwas früher starten, um die Astronauten aus den beengten Wohnverhältnissen zu retten. »Wir gehen davon aus«, so fügt er hinzu, »dass es dazu nicht kommt.« >> Hubertus Breuer 13 MARSFORSCHUNGI K rater sind das tägliche Brot der Planetologen. An ihnen erkennen die Wissenschaftler das Alter der Himmelskörper. Fehlen die Ringgebirge auf den Porträts der fernen Welten, heißt es gleich, die fragliche Landschaft sei besonders jung. Freilich nur, wenn man geologische Maßstäbe anlegt, eine Million Jahre also zu einer Art kleinster messbarer Zeiteinheit schrumpft. Besonders Kraterkundige können so relativ genau ermitteln, wie alt die zernarbten Gelände auf den Monden und Planeten unseres Sonnensystems sind. Als Eichinstrument für die Methode fungiert unser Erdmond: Mondgestein, das die Apollo-Astronauten vor gut dreißig Jahren zur Erde chauffierten, half, die Datierung zu präzisieren. Vom Mond zum Mars Indem die Forscher zählen, wie viele Einschläge einer bestimmten Größe heute in einer Mondlandschaft zu finden sind, lassen sie die Uhr quasi rückwärts laufen. Ihre Theorie liefert dann eine Zeitangabe, wann das Meteoritenbombardement begann. So taxierten die Mondforscher einst das Alter von Mondmeeren und -hochländern. Mit den Sonden zu den Planeten zogen auch die Chronisten weiter und übertrugen ihr Verfahren auf den Mars. Dank der hoch auflösenden Fotos der europäischen Mars-Express-Sonde haben Planetenforscher wie der Berliner Wissenschaftler Gerhard Neukum in den vergangenen Monaten erstaunlich junge geologische Aktivität auf dem Roten Planeten gefunden: Aktive Vulkane, fließende Gletscher, Packeis in Äquatornähe (siehe AH 6/2005, S. 12) – vieles davon kaum zehn, zwanzig Millionen Jahre alt, manches sogar noch jünger. Das zumindest ergibt die Statistik der Marskrater. Kürzlich sorgte jedoch der Forscher Alfred McEwen von der University of Mitarbeiter dieser Rubrik: Thorsten Dambeck, Carolin Konermann Aktuelle Meldungen aus Astronomie und Raumfahrt finden Sie auch unter: www.wissenschaft-online.de/astronomie 14 NASA, JPL / MSSS K ASTRO A LEIDNEWS O SK O P Kontroverse um Kraterdatierungen Arizona für Aufregung. Der US-Geologe hatte Infrarotbilder des Nasa-Orbiters Odyssey studiert und dabei besonders die Umgebung des Zehn-KilometerKraters Zunil ins Visier genommen. Zunil gehört neben einer Hand voll weiterer Exemplare zur Gruppe der Mars-Strahlenkrater. In seinem Auswurfmaterial fand McEwen zahlreiche Kleinkrater, der größte von ihnen misst 230 Meter. Der Forscher schätzt ihre Zahl auf mehrere Millionen und hält sie für Sekundärkrater, die entstanden, als der Impakt den Zunil-Krater aufriss. Damals flogen Gesteinsbrocken wie gewaltige Wurfgeschosse hunderte Kilometer weit. Bei ihrem Rücksturz formten sich Krater zweiter Ordnung, Sekundärkrater genannt. Aus dem Zunil-Befund schließt McEwens nun, dass die gängigen Marsdatierungen, insbesondere die jüngsten Altersangaben, ungenauer sind als bislang angenommen. Er argumentiert, Sekundärkrater seien kaum von den eigentlichen Einschlagkratern zu unterscheiden. Aufprall oder Spritzer? Aus den Kratern bestimmen Planetologen das Alter einer Landschaft. Demnach läge die Genauigkeitsgrenze bei zehn Millionen Jahren. Geologen wie Roland Wagner vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) widersprechen dieser Deutung: Die »Sekundären« seien in der Regel sehr wohl von Primärkratern unterscheidbar. Sie könnten also bei der Zählung übergangen werden. Außerdem haben Vergleiche mit Asteroiden gezeigt, dass Krater zweiter Ordnung auf den größeren planetaren Körpern, also auch beim Mars, nur eine untergeordnete Rolle spielen. Asteroiden, auf denen wegen der geringen Schwerkraft keine Sekundärkrater entstehen, zeigen nämlich die gleichen Kraterverteilungen wie Monde und Planeten. Die Kontroverse dauert also an – eine Art marsianischer Historikerstreit. << ASTRONOMIE HEUTE JUNI 2005