Das Ende des Alten Reiches im Ostseeraum - H-Net

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Das Ende des Alten Reiches im Ostseeraum. Alfried-Krupp-Wissenschaftskolleg Greifswald: Alfried-KruppWissenschaftskolleg Greifswald; Pilotprojekt 1806; Prof. Dr. Michael North, Greifswald, 08.06.2006-09.06.2006.
Reviewed by Robert Riemer
Published on H-Soz-u-Kult (September, 2006)
Das Ende des Alten Reiches im Ostseeraum
Europäische Politik um 1800 / Reaktionen der Hauptakteure
Das Pilotprojekt 1806“ (gefördert von der Alfried
”
Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung in Essen Vgl.
<http://www.uni-greifswald.de/~{}histor/
~{}neuzeit/fnzfors/1806/Startseite.htm>.
)
hatte in das Alfried-Krupp-Wissenschaftskolleg Greifswald zu einem Symposium über Das Ende des Alten
”
Reiches im Ostseeraum“ geladen. Die Ziele der Tagung
bestanden in der Vorstellung und Diskussion neuer Forschungsergebnisse über die Integration des südlichen
Ostseeraums (des Reichsnordens) in das Alte Reich und
die Frage nach der Reichsferne“ Norddeutschlands am
”
Ende des Alten Reiches. Das Symposium war thematisch zweigeteilt und behandelte im ersten Abschnitt die
europäische Politik um 1800 sowie die Reaktionen der
europäischen und norddeutschen Hauptakteure auf die
Ereignisse im Alten Reich. Im zweiten Tagungsteil rückte die Wahrnehmung des Reichsendes durch einzelne
Personengruppen (z. B. Greifswalder Professoren) und
in verschiedenen Medien in den Vordergrund. Ihren Abschluss fand die Reihe der Referate mit einem Ausblick
auf die Zeit der französischen Besetzung unserer Region
und die politischen Entwicklungen rund um den 1806
gegründeten und von Napoleon protektionierten Rheinbund, bis hin zur Entstehung des Deutschen Bundes auf
dem Wiener Kongress 1814/15.
Heinz Duchhardt (Mainz) eröffnete die Reihe der Vorträge mit seinen Ausführungen zu Ein[em] System in
”
beschleunigter Bewegung oder vor seinem Kollaps? Europäische Staatenpolitik um 1800“ und wies dabei auf die
an der Jahrhundertwende stärker werdende Kritik an der
Politik der fünf großen europäischen Mächte hin, die vor
allem den eigenen Vorteil suchten (z. B. mit der Teilung
Polens) und mithin leichtfertig den Krieg und die Existenz des Reiches riskierten. Die mindermächtigen Staaten des Reiches standen dementsprechend vor der Furcht,
selbst Teilungsopfer zu werden. Dies ist umso bedeutsamer, als die kolonialen Interessen immer weiter in den
Hintergrund traten.
Der Referent führte Paul W. Schröders Theorien an –
die Staaten bzw. deren Regierungen bedienten sich einer
modernen Medienstrategie, um ihre Interessen zu propagieren, mussten andererseits aber auch die wichtiger
werdende öffentliche Meinung berücksichtigen. Dies bedeutete zunächst, dass sich die anderen Großmächte aus
den französischen innenpolitischen Verwicklungen zur
Zeit der Revolution heraushielten, da letztere auf offene Sympathien in ganz Europa stieß. Das Ausgreifen der
Der wissenschaftliche Direktor des Kollegs, Prof. Revolution über die französischen Grenzen hinaus führte
Klaus Pinkau, und der Rektor der Ernst-Moritz-Arndt- zur Bildung antifranzösischer Koalitionen.
Universität Greifswald, Prof. Rainer Westermann, beUm 1800 war das alte Reichssystem endgültig kolgrüßten die Referenten und Gäste, bevor dann Prof. labiert, die Pentarchie zur Tetrarchie geschrumpft. Der
North als Veranstalter in das geplante Programm ein- Aufstieg Napoleons sorgte für Aufsehen, womit erneute
führte.
Überlegungen zur europäischen Balance begannen, ver-
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bunden mit ersten konstruktiven Visionen“ für ein Eu”
ropa ohne den Korsen“. In diese Richtung weisen auch
”
Forschungen zur zeitgenössischen Literatur (z. B. über E.
M. Arndts Germanien und Europa“ [Visionen zu einer
”
neuen Staatengemeinschaft? ], die Arndt als einen der
ersten Europapolitiker“ präsentieren), die auf Ansätze
”
zum Konzept eines nachnapoleonischen Europas verweisen.
(Arndt). Die starke Betonung Arndts als Vernunfteuropäer wurde bestritten, da er nicht als Vater des modernen
Europas geeignet sei. Darüber hinaus kam der Hinweis,
dass der Protest George III. gegen die Auflösung des Reiches lediglich aus Sekundärquellen rekonstruiert werden
könne. Dann wurde gefragt, wie es angesichts des französischen Drucks für die süddeutschen geistlichen Fürsten
weiter gehen sollte. Die diesbezüglichen Visionen reichten von der Wiederherstellung des Alten Reiches bis hin
Torsten Riotte (London) betrachtete mit Großbritan- zum Einheitsstaat mit einem Kaiser an der Spitze, aber
”
nien und das Ende des Alten Reiches 1806“ eine der euro- auch Teilungen stellten eine Option dar, bei der die alpäischen Großmächte und fragte danach, ob das Reich- ten Fürsten ein Mitspracherecht erhalten sollten. Genesende aus britischer Sicht als Endpunkt einer Epoche
rell haben sich die geistlichen Fürsten gegen die Machtwahrgenommen wurde. Immerhin stammte George III.
verschiebung zugunsten Frankreichs und damit auf ihre
aus Hannover, sah sich selbst – am Ende des Reiches war Kosten gewehrt, jedoch erfolglos.
er bereits seit 46 Jahren englischer König – aber als Brite.
Dieser Haltung entspricht seine Kritik an der hannoverGab es Befunde zur Wiederbelebung des Reichsgefreundlichen Politik seines Großvaters (George II.). Un- dankens in Großbritannien? Antwort: London war nicht
tersucht man die Flugschriften von 1803, so wird deut- nur britische Hauptstadt, sondern ebenso europäische
lich, dass die Rolle des britischen Monarchen Vorrang vor Metropole, die die Schaltzentrale des politischen Netzden Interessen des hannoveranischen Reichsfürsten hat- werks gegen Napoleon bildete. Hier wurden Diskussiote.
nen zur Zukunft des Reiches (auch am Beispiel Hannovers) geführt, welches als weitgehend toter Körper angeDennoch war es ausgerechnet George III., der als ein- sehen wurde (Stein wollte Deutschland in zwei Einflussziger Monarch und Reichsfürst offiziellen Einspruch ge- sphären teilen). Die Gesundheit Charles James Fox’ ist
gen die Auflösung des Alten Reiches auf dem Reichstag in Thema in der gesamten reichsweiten Presse, da er sich
Regenburg einlegte. George III. und britische Diplomaten
sehr intensiv für die Belange des Reichs einsetzte. Dazeigten sich bereits 1803 besorgt um das Alte Reich, hatgegen wurde der Gesundheitszustand George III. weniten aber dessen rasches Ende dennoch nicht vorausge- ger thematisiert. Einer der Diskutanten wies darauf hin,
sehen. Nach der Besetzung Hannovers Anfang 1806 hat- dass Hannover immerhin Teil des britischen Empire war
te ein Wandel im britischen Bewusstsein eingesetzt, man – wieso fiel die britische Reaktion auf den Verlust relativ
sah die Interessen als Reichsfürst verletzt. Mit dem Auf- verhalten aus? Antwort: Dem König wurde diese Entstieg der Printmedien wuchs, wie schon von Heinz Duchwicklung von seinen Diplomaten zunächst verschwiegen
hardt angedeutet, die politische Öffentlichkeit. Sie pro(Hannover sollte an Preußen gehen), um jenen vom Zerpagierte Frankreich nach der Besetzung Hannovers als fall des Empire abzulenken (George III. hatte drei Dekagrößte britische Bedrohung – die Angst vor einer Invasi- den zuvor bereits die nordamerikanischen Kolonien veron der Inseln (England selbst, aber möglicherweise auch loren).
Irland) stieg.
Jan Kusber (Mainz) vollzog den Sprung vom WesIm Bewusstsein der britischen Öffentlichkeit trat das ten in den Osten Europas und betrachtete Russland und
”
Alte Reich nicht als einheitliches politisches Gebilde auf,
das Ende des Alten Reiches 1806“. Zar Alexander I. entsondern stets als eine Ansammlung von Einzelstaaten.
wickelte 1801 Vorstellungen von der Etablierung RussNach dem Reichsende verwendeten britische Journalis- lands in einer neuen europäischen Ordnung. Das neu geten wegen der Unklarheit des Status’ des ehemaligen Al- schaffene russische Außenministerium suchte nach neuten Reiches den Begriff Deutschland.
en Verbündeten, wofür das Reich als Ganzes nicht in
Den Auftakt der Diskussion bildeten einige Anmer- Frage kam. Dagegen stand ein polnischer Staat in den
kungen zu Arndt und die Frage, ob im Reich ab 1803 die Grenzen vor 1772 mit einem russischen König zur DebatHerausbildung einer neuen Außenpolitik erkennbar war. te, die eigenen Handelsinteressen an der Ostsee und am
Dies wurde verneint, allerdings setzte um 1800 innerhalb Schwarzen Meer mussten beachtet werden. Dies machte
der Territorien eine Verschiebung im politischen Denken die Stoßrichtung der russischen Interessen nach außen
ein (Beispiel Hohenzollern, Stein und Hardenberg), wenn hin schwer nachvollziehbar. Nach 1803 orientierte sich
auch nicht im Sinne des europäischen Friedensprojekts“ Russland in Richtung Großbritannien und gegen Frank”
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reich, welches besonders nach der Kaiserkrönung Napo- Beeinflussung Alexanders durch Denkschriften, die klar
leons als militärische Bedrohung wahrgenommen wurde. zu bejahen war. Das Interesse Alexanders an der Existenz
Preußens im Frieden von Tilsit erkläre sich, so Kusber,
Wichtig war für Alexander der Zusammenhalt der mit dem guten persönlichen Draht zu Friedrich Wilhelm
großen europäischen Mächte gegen Frankreich. Der Rest III. Dagegen rieten die Ratgeber des Zaren, Preußen klein
des Reiches (fast immer als Deutschland“ bezeichnet) zu halten und sich vorrangig um Polen zu kümmern. Statt
”
blieb außen vor. Russland war nach dem Frieden von Tildie preußische Existenz zu sichern, könne man sich an
sit wegen der Kriege gegen Schweden (um Finnland) und
dessen Territorium bedienen.
Frankreich anderweitig beschäftigt. Ebenso erteilte Alexander auf dem Wiener Kongress einer möglichen NeubeEin Detail von Hardenbergs Leben beleuchtete die
lebung des Reiches eine klare Absage.
Frage nach den Auswirkungen seiner dänischen Liaison,
in der sich die ansonsten klare Trennung des öffentlichen
Thomas Stamm-Kuhlmann (Greifswald) warf in sei- und privaten Lebens Hardenbergs vermischte. Die genen Ausführungen einen Blick auf die Rolle Preußens nauen Motive der Verweigerung des Trauergeläuts bleiam Ende des Alten Reiches ( Für dessen Constitution
ben unklar – wahrscheinlich schien die Position des Kai”’
ich keine drei Kreuzer mehr gebe’: Hardenberg, Preußen
sers aus fränkischer Sicht als nicht stark genug, zumal ja
und das Alte Reich“). Im Mittelpunkt standen Harden- auch nicht mehr für Kaiser und Reich in der Kirche gebergs vier Varianten der Politik:
betet wurde. Die Hardenbergschen Reichsplanungen wa1. außer dem Reich“ (Versuch einer Bestimmung der ren zweifellos rational durchdacht, sind aber nachträg”
außenpolitischen Rolle Großbritanniens, für welches das lich schwer nachvollziehbar. In ihnen vermengten sich
Reich/Deutschland ein vorteilhafter Bündnispartner wäVorstellungen einer Reichs- mit einer europäischen Ordre),
nung, zumal Hardenberg sich teilweise an fremde Ent2. unter dem Reich“ (Forderungen nach dem Reichs- würfe anlehnte.
”
krieg etwa durch die Reichsritterschaft; Hardenberg – damals in Franken tätig – verbot das Trauergeläut beim
Jens E. Olesen (Greifswald) lenkte den Blick der TaTod des Kaisers 1792; nach Landgewinnen in Franken gungsteilnehmer in den Norden Europas, auf Schwe”
folgte die Neustrukturierung der Verwaltung, die letzt- den und Schwedisch-Pommern nach dem Ende des Allich nur der Homogenisierung des neuen Königreiches ten Reiches“. Er legte den Fokus seiner Ausführungen
Bayern diente),
auf 1806/07, das endgültige Ende der schwedischen Groß3. im Reich“ (erste reichspolitische Gedanken Har- machtzeit und den Abschluss einer historischen Epoche
”
denbergs 1778 in einem Brief nach London sichtbar – für Vorpommern. Das Ende des 18. Jahrhunderts war soHannover müsse mit Preußen und Sachsen ein gutes Ein- wohl in Schweden als auch in Vorpommern eine Zeit der
vernehmen haben; Argument, dass das Widerstandsrecht Reformen (Visitations- und Matrikelsachen).
der Fürsten gegen den Kaiser unter Umständen rechtBereits 1798 hatte Schweden versucht, Schwedischmäßig ist; gleichzeitig kommentierte er die ReichsverPommern an Preußen zu verkaufen. 1806 erhielt Russfassung für deren Constitution ich keine drei Kreuzer
”
mehr gebe“; starke Revolutionsfurcht auch in den nicht land ein Kaufangebot, da Schweden nicht ohne Grund
von französischen Truppen besetzten rechtsrheinischen befürchtete, durch seine deutsche Provinz in zentraleuGebieten nach der Besetzung des linken Rheinufers) und ropäische Konflikte hineingezogen zu werden. Schwe4. nach dem Reich“ (1804: Vorschlag an den preußi- den hatte sich nach dem erneuten Ausbruch des Krieges
”
zwischen Großbritannien und Frankreich (1805) zwar für
schen König, die Kaiserkrone anzunehmen – Hardenberg
neutral erklärt, doch Ende Oktober 1805 war der schwerät ab; Teilnahme an Verhandlungen zwischen Preußen
und Frankreich zur Erstellung einer neuen Reichsver- dische König in den Krieg gegen Frankreich aktiv eingefassung; Vorstellung eines Entwurfs einer neuen Reichs- treten (u. a. aus dem Bemühen heraus, einem Eingreifen
verfassung im Februar 1806 in Berlin: mit einem Kaiser, Preußens auf französischer Seite zuvorzukommen).
sechs Reichskreisen, Abschaffung der Reichslehen aber
Kurz vor dem Ende des Alten Reiches erging der
Wiedereröffnung des Reichstages).
Befehl zur Aufhebung der bisherigen Verfassung und
Hardenberg agierte getreu des eingangs zitierten der Landstände sowie zur Einführung der schwedischen
Ausspruchs mit Blick auf die Stärkung der Einzelstaaten Verfassung (u. a. des schwedischen Reichsgesetzbuches;
und nicht der des Reiches.
Arndt übersetzte die schwedische Verfassung und sollDie erste Frage der Diskussion galt einer möglichen te ab 1808 eine antifranzösische Zeitschrift herausgeben,
die sich bald auch mit gesamteuropäischen Fragen be3
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schäftigte.) Die Besetzung Schwedisch-Pommerns durch
napoleonische Truppen sorgte für einen (endgültigen)
Aufschub dieser Pläne. Nach der Aufgabe des belagerten Stralsunds und dem Frieden von Tilsit war Schweden 1807 isoliert, Preußen und Russland standen an
Frankreichs Seite. Der endgültige Verlust SchwedischPommerns 1815 spielte seitdem in der schwedischen Geschichte kaum eine Rolle, im Gegensatz zum Verlust
Finnlands, der im schwedischen Bewusstsein bis heute
fortlebt.
dung in die mecklenburgischen Strukturen“. Seine Ausführungen begannen mit der Herauslösung Wismars aus
dem mecklenburgischen Territorium und seiner Einbindung in die schwedischen Reichsbesitzungen. Ähnlich
wie im Falle Pommerns versuchte Schweden, Wismar an
Mecklenburg-Schwerin zu verpfänden. Die Verhandlungen darüber begannen um 1800, das Tribunal zog 1802
nach Stralsund um. Die Verpfändung wurde 1803 für
100 Jahre vertraglich geregelt. Das Geschäft holte Wismar, Poel und Neukloster nach über 150 Jahren nach
Mecklenburg zurück, verschaffte dem Land neben RosKathleen Jandausch (Greifswald) referierte über Die tock einen weiteren Hafen und Schweden eine Finanz”
Situation Mecklenburgs nach der Niederlegung der römispritze von 1.250.000 Reichstalern – dem Kaiser wurde
schen Kaiserkrone“. Während der Koalitionskriege wahrdie Verpfändung lediglich mitgeteilt. Zur Kompensatite Mecklenburg zunächst seine Neutralität. Die Grün- on des Tribunals sollte ein mecklenburgisches Gericht
dung des Rheinbundes bedeutete auch für die mecklen- in der Stadt angesiedelt werden, doch ein neues oberstes
burgischen Gesandten am Reichstag die Zerschlagung Gericht (Oberappellationsgericht) für Mecklenburg wurdes Reiches in der alten Form, während die Diskussion de nach zehnjähriger Diskussion nicht in Wismar, sonum die Übertragung der deutschen Kaiserkrone an Nadern in Parchim eingerichtet. Es folgte die Auflösung des
poleon in die zukünftigen Planungen der Schweriner MiKonsistoriums, um Schwerin und Rostock zu stärken. Bis
nister mit einbezogen wurde. Möglich war für diese eine 1871 blieb Wismar eine scheinbar eher ungeliebte meckAnlehnung an Frankreich, Preußen war angesichts der lenburgische Neuerwerbung, erst dann begann die Einmilitärischen Lage bestenfalls zweite Wahl – trotz bester bindung in das Land.
familiärer Beziehungen der Herzöge nach Russland und
Preußen.
Warum konnte Schweden nicht als Garantiemacht
für die norddeutschen Reichsterritorien auftreten? Dies
Trotz erklärter mecklenburgischer Neutralität flowar nach der im Wesentlichen gescheiterten schwedihen preußische Truppen nach der Niederlage von Jeschen Außenpolitik nur schwer durchführbar, dennoch
na/Auerstädt auch durch Mecklenburg und wurden von gab es 1797 und um 1803 zwei Versuche der schweFranzosen verfolgt. Die angedeuteten Familienbande dischen Gesandten, ihren Anspruch als Garantiemacht
stellten sich nun als verhängnisvoll heraus – französi- des Westfälischen Friedens durchzusetzen. Die Bemüsche Truppen besetzten das Herzogtum und etablierten hungen scheiterten am Widerstand Napoleons. Schweeine eigene Verwaltung. Die ins Exil verbannten Mitglieden war nicht das einzige Land, das mit Pommern und
der der herzoglichen Familie von Mecklenburg-Schwerin
Wismar Reichsterritorien zum Verkauf oder Tausch ankehrten erst nach dem Frieden von Tilsit mit russischer bot. Ähnliches versuchte Dänemark zwischenzeitlich mit
Unterstützung zurück.
seinem Reichsbesitz. Worin konnten die Verkaufs- oder
Beide Landesteile traten Anfang 1808 dem Rheinbund Tauschangebote realistischerweise bestanden haben? Eibei. Die Herzöge versuchten aus einem Souveränitäts- ne Möglichkeit bot sich mit einem Austausch gegen rusanspruch heraus (aus Reichsende und Mitgliedschaft im sische Eismeergebiete, andererseits war ein Tausch mit
Rheinbund), durch innenpolitische Reformen die ständi- Dänemark gegen Norwegen im Gespräch (um 1798/99).
sche Verfassung zu beseitigen, was jedoch am Wider- Als gänzlich realitätsfern galten mögliche Ambitionen
stand der Landstände scheiterte. Einen Nutzen zogen des schwedischen Königs auf die deutsche Kaiserkrone.
die Mecklenburgischen Herzöge aus dem Ende des AlDie Angst der mecklenburgischen Landstände vor
ten Reiches demnach nicht, im Gegenteil – sie dienten den herzoglichen Reformen erwies sich als unbegründet.
den Großmächten als potentielles Tauschobjekt zu de- Da die Abschaffung der erstgenannten nicht zur Debatte
ren Interessenausgleich, nachdem der verfassungsmäßistand, stellte sich auch nicht die Frage nach einer Unge Schutz des Reichsverbandes entfiel.
terstützung der Herzöge. Die Angst vor Veränderungen
Nils Jörn (Wismar) beschäftigte sich mit einem Teil- bzw. das Bestehen auf traditionellen Privilegien kostete
aspekt der schwedischen und mecklenburgischen Ge- dagegen Wismar mehrere Jahrzehnte, in denen die Einschichte nach dem Ende des Alten Reiches – Die Herr- bindung in das mecklenburgische Territorium stagnierte.
”
schaft Wismar nach der Schwedenzeit und ihre Einbin4
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Michael Bregnsbo (Odense) präsentierte in seinem
Referat Die Einverleibung von Holstein im Jahre 1806
”
und die dänische Reaktion auf die Auflösung des Heiligen Deutsch-Römischen Reiches“ den zweiten nordischen Reichsstand. Die dänischen Könige waren bereits
seit mehreren Jahrhunderten Herzöge von Holstein, doch
diese Rolle stand mit der Auflösung des Reiches zunächst
in Frage. Das Ende des Reiches gab dem dänischen König
die Möglichkeit, bereits zuvor gehegte Pläne zur stärkeren Einbindung Holsteins in den dänischen Staat durch
die Einführung der dänischen Verfassung zu verwirklichen. Die holsteinischen Gesetze mussten in dänisch
oder deutsch ausgeführt werden und auch Beamte erstere Sprache beherrschen. Die Universität in Kiel erhielt
einen Lehrstuhl für dänische Sprache und Literatur, während Rendsburg seine Militärschule verlor.
respektive napoleonische Politik und betitelten 1804 als
das Jahr der Cäsaren“ (Napoleon I., Franz II./I.). Die in
”
der öffentlichen Presse geprägten Bilder fanden sich auch
in verschiedenen privaten Briefwechseln wieder. Allerdings funktionierte die Beeinflussung der Meinung auch
– nicht nur in Hamburg – in die entgegen gesetzte Richtung: Patriotische Gesellschaften prägten nicht nur die
öffentliche Meinung innerhalb einer Stadt, sondern manipulierten auch die jeweilige Stadtregierung.
Antjekatrin Graßmann (Lübeck) beendete den ersten
Tag des Symposiums mit ihren Ausführungen zum Thema Vom reichsfreyen Bürger zum vogelfreyen Repu”’
blikaner.’ Tradition und Chancen der drei freien Hansestädte nach dem Ende des Alten Reiches“. Die besonderen Chancen Hamburgs, Lübecks und Bremens nach dem
Reichsende resultierten aus deren enger Verbundenheit
als ehemalige Hansestädte. Ziel der gemeinsamen Anstrengungen war die Erhaltung der inneren Verwaltung
und sonstigen Freiheiten, Abstimmung bei Friedensverträgen und gemeinsame Auslegung neuer Gesetze. Auf
Beratungen einigte man sich auch auf ein einheitliches
Bundessiegel, die Bewahrung alter innerstädtischer Verhältnisse, den Ausbau der Postverbindungen und die
Einstellung von diplomatischen Vertretern, die gemeinschaftlich besoldet werden sollten. Ein Hauptaugenmerk
lag auf dem Schutz des Seehandels, wobei die Neutralität – besonders gegenüber Preußen – betont wurde. Der
Status änderte sich von Reichsstädten hin zu (gleichwohl
kurzlebigen) Handelsrepubliken.
Mit diesen Verwaltungsreformen ging ein verordneter Mentalitätswandel einher – wenn sich ein Holsteiner
nun als Deutscher sah, wurde ihm Staatsuntreue vorgehalten. Die Zusammenlegung Holsteins mit Dänemark
ging mit einem Wandel vom Konglomerats-“ zum Ein”
”
heitsstaat“ einher (beide Formen wurden miteinander
verglichen). Der dänische Staat war ein Konglomeratsstaat, eine Vorform des nationalen Einheitsstaates. Bereits 1802 hatte die dänische Regierung versucht, in Holstein eine Steuerreform durchzusetzen, ohne die Ritterschaft darüber zu informieren – die Folge war eine deutliche Verschlechterung der Beziehungen zwischen Holstein und Kopenhagen gewesen. Nach dänischen Bemühungen, einen Konsens zu finden, ermöglichte schließDie verstärkte Annäherung wirkte in alle Bereiche
lich die Auflösung des Reiches eine engere Anbindung
der städtischen Verwaltung hinein und somit auch in das
der Herzogtümer an das skandinavische Königreich.
Justizwesen. Die Reichsgesetze gehörten fast komplett in
Hans-Dieter Loose (Hamburg) griff nach themati- den Reliquienschrank, fast vollständige Novellierungen
scher Abstimmung mit Antjekatrin Graßmann ein ers- waren gefordert – einhergehend mit Überlegungen zur
tes Wahrnehmungsthema“ auf: Der Verfall der Reichs- Einrichtung eines obersten Gerichtshofes. Das Wohl der
”
”
ordnung 1803-1806 in der Wahrnehmung der Bürger der Städte läge in der gemeinsamen Arbeit mit Rückbesinnorddeutschen Reichsstädte“. Basis seines Referates bil- nung auf die große Zeit der Hanse. Doch die absolute
deten hamburgische Druckerzeugnisse, die den Bürgern Freiheit währte nur kurz, der vierte Koalitionskrieg holals primäre Informationsquellen dienten. Entsprechend te zuerst Lübeck ein, das von den Franzosen erobert und
versuchte die städtische Obrigkeit, die Printmedien in geplündert wurde; später folgten Hamburg und Bremen.
ihrem Sinne zu beeinflussen – etwa durch Zensur mit
Aus dem Auditorium kam die Frage, ob man den Fürsdem Argument der Sicherung der inneren Ruhe oder als
tenstaat
vom Einheitsstaat am Beispiel Dänemarks abhilfreiche Unterstützung bei der Verfolgung außenpoligrenzen
könne.
Das Modell könne in diesem Fall nicht
tischer Ziele. Dabei vermittelten die Zeitungen zunächst
angewendet werden – ein Nationalstaat setze im Ideallediglich reine Fakten und kommentierten diese bewusst
fall eine einzelne, homogene Bevölkerungsgruppe vornicht (um eine Entmündigung des Lesers zu vermeiden). Dagegen werteten die Wochen- und Monatsschrif- aus (ein Staatsvolk), was im Falle der Annäherung Däten Nachrichten bereits in vielen Fällen und brachten die nemarks und Holsteins nicht gegeben sei. Darüber hinInformationen in einem größeren Kontext unter. So kri- aus sei zwischen dem Machtstaat des 17. und jenem des
tisierten Teile der hamburgischen Presse die französische 18. Jahrhunderts zu unterscheiden. Allerdings gab es in
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Kopenhagen keine Vorstellung und noch weniger einen
Zeitplan zur Dauer der Integration Holsteins. Grundsätzlich hatten die Dänen – anders als die Schweden – fast
immer Probleme, wenn Deutsche in der Administration
saßen.
Auflösung des Alten Reiches. Der Reichstag hatte sich im
Sommer 1806 ungewöhnlich zeitig in die Ferien verabschiedet, so dass von den wichtigen Gesandten nur der
Vertreter Preußens anwesend war, während die neuen
französischen Verbündeten (Rheinbundmitglieder) den
Reichstag ohnehin boykottierten.
Ein Sonderstatus Bremens ist in einigen Details feststellbar, z. B. in seiner Eigenschaft als Produktionsstandort (dies zieht sich bis ins 20. Jahrhundert hinein). In allen drei Hansestädten erfolgte eine Umorientierung vom
Reich in Richtung Frankreich, die ehemaligen Reichstagsgesandten präsentierten die Städte nun in Paris.
Als Reaktion auf Napoleons Ultimatum wurden die
Gesandten aus den Ferien geholt, um den letzten Staats”
akt des sterbenden Reiches“ zu begleiten und zu vollziehen. Zum Teil war echtes Bedauern nach der kaiserlichen
Abdankung zu spüren, verbunden jedoch mit der Erwartung der Annahme der deutschen Kaiserkrone durch NaWahrnehmung des Reichsendes
poleon. Letztlich ging das Reich sang- und klanglos unGeorg Schmidt (Jena) eröffnete den zweiten Teil des ter – Proteste gab es nur von England bzw. den fremden
Symposiums mit der Frage Deutschland um 1800 – eine Reichsständen, wohingegen die deutschen Reichsstände
”
Kulturnation? “ und einer einleitenden Diskussion über und Diplomaten das Ende des Alten Reiches klaglos hinden Kulturbegriff. Schwierig ist auch der Begriff der Na- nahmen und schnell ”zur Tagesordnung übergingen“.
tion – sind z. B. deutsche Aussiedler an der Wolga Russen
Dirk Alvermann (Greifswald) untersuchte das Reichoder Deutsche (u. a. auch Danzig, Bern, Riga)? An den sende aus der Sicht zeitgenössischer Akademiker: Eipolitischen/staatlichen Verhältnissen in ihren neuen Hei- ne schöne Stunde hat dem Vaterlande geschlagen ”’
…’ –
maten wollten außerhalb des Reiches lebende Deutsche
1806 in der Wahrnehmung der Greifswalder Professonichts ändern.
ren“. In den universitären Quellen fand das Ende des ReiDie Staaten der Frühen Neuzeit waren keine Adels- ches zwar kaum Niederschlag, doch stellte das Ereignis
nationen mehr, sondern näherten sich der Charakteristik für die Universitäten eine noch nie da gewesene Erschütdes modernen Staates an, von dem sie sich durch die nicht terung dar – 25 Universitäten wurden aufgelöst, viele anvorhandenen überregionalen rechtlichen Ordnungen un- dere kämpften um ihr Überleben. Zahlungen von Seiten
terschieden. Manche Publizisten in Jena und Weimar sa- des Reiches blieben nun aus, die alte Verwaltung inkluhen die alte Reichsverfassung als Garanten des Zusam- sive des Kanzlers wurde für kurze Zeit entlassen. Dagemenhalts des Reiches, in Berlin dagegen galt sie als Basis gen sind uns unterschiedliche Meinungsäußerungen von
eines alternden Systems. Publizisten, welche die letzte- mehreren Greifswalder Professoren aus den Jahren um
re Einstellung vertraten, begrüßten denn auch zunächst 1806 überliefert. Beispielsweise hatte sich Arndt mit eidie französische Revolution, lehnten sie später aber we- nem kritisch abwägenden Blick schon vor dem Ende des
gen der Furcht vor einer neuen Barbarei“ ab (Friedrich Reiches von diesem abgewandt. Erst um 1815 finden sich
”
Schiller: Die Deutschen bilden den Kern der Mensch- wieder verstärkt Aussagen zum Ende des Alten Reiches
”
heit“). Einheit und Freiheit galten als gemeinsames ver- unter den Greifswalder Professoren, die dieses Ereignis
bindendes Ziel des Reiches, der deutschen Nation. Gab es als Erschütterung der alten Ordnung (um 1806) wahreine Äquivalenz von Reich und deutscher Nation? Ein nahmen, in den Nachbetrachtungen ein Jahrzehnt späauf das deutsche Reich bezogenes, föderatives National- ter allerdings bewusst oder unbewusst Umdeutungen mit
bewusstsein schloss das Zugehörigkeitsgefühl zu Städ- Blick auf die neue Verfassung vornahmen.
ten und Ländern nicht aus. Die deutsche Nation bildete
Wie schaffte Schiller eigentlich den Spagat zwischen
eine überständische, überkonfessionelle, überregionale,
deutscher Größe und der Ich-weiß-das- Land-nicht-zudurch Medien verbundene politische Öffentlichkeit, die finden“-Attitüde? Er gab” damit lediglich – wie übrijedoch rechtlich ungleich war und der eine massenhafte gens auch Goethe –Denkanstöße auf der Suche nach eipolitische Partizipation fehlte.
nem geflochtenen inneren Band“, da das staatliche Band
”
Wolfgang Burgdorf (München) richtete den Blick der nicht mehr gebraucht wurde; immerhin sei das Reich beTagungsteilnehmer auf Funktionseliten im Übergang.’ reits 1795 mit dem Frieden von Basel und dem Austritt
”’
Wahrnehmung des Endes des Alten Reiches durch die Preußens aus der ersten Koalition gegen Napoleon erlenorddeutschen Gesandten auf dem Regensburger Reichs- digt gewesen.
tag“ und schilderte dabei die konkreten Ereignisse bei der
Aus dem Publikum kam der Hinweis auf die Tendenz,
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im Zuge der Nationalstaatsbildung Fremdeinflüsse auszusortieren, so z. B. auch bei den Juristen, die das Römische Recht womöglich durch ein germanisches (Natur)Recht ersetzen wollten. Diese Argumente gab es bereits
während der schwedischen Epoche im norddeutschen
Raum – die Vorstellung, dass die Deutschen ihr eigenes
Recht haben, ist schon alt, das römische Recht wurde als
aufgestülpt betrachtet.
der Schweiz und in Italien – wurden in Jahresgedichten
zusammengefasst und als Chaos dargestellt. Schwedens
Mitbestimmung in Mitteleuropa durch die Funktion als
Garantiemacht des Westfälischen Friedens fiel nach dem
Ende des Alten Reiches weg. Die zunächst relativ umfassende Pressefreiheit erfuhr besonders unter Gustav IV.
Adolf starke Einschränkungen, einzelne Zeitungen wurden sogar – zumindest einzelne Nummern nach offizieller Prüfung – verboten, darunter besonders ausländiEin Einwand zielte darauf, dass der Topos vom sang- sche Auflagen aus Großbritannien und Deutschland. Den
und klanglosen Untergang in den Bereich der Legende Wert einer manipulierten Presse wusste der schwedische
gehöre.
Könige allerdings zu schätzen und nahm daher eine moWer war eigentlich existentiell vom Ende des Alten bile Felddruckerei auf seine Feldzüge mit, um seine TrupReiches betroffen? Diese Frage scheint einfacher zu be- pen sowie die Bewohner der Durchzugsgebiete in seinem
antworten: es fand letztlich Widerhall in allen Bevölke- Sinn zu beeinflussen. Die Nachrichten aus dem Reich errungsschichten, beispielsweise auch bei den Bauern, die schienen in schwedischen Zeitungen mit einmonatiger
nun in ihren Möglichkeiten der Gerichtsnutzung (Stich- Verzögerung. Nur eine Nachricht über die Auflösung des
Reiches lässt sich einer Zeitung aus Stockholm nachwort RKG/RHR) eingeschränkt wurden.
weisen. Dafür wurde das Thema in der Stralsundischen
Holger Böning (Bremen) referierte Von der un- Zeitung aus Schwedisch-Pommern, die auch nach Süd”
’
partheyischen’ Berichterstattung zum Meinungsjourna- schweden geliefert wurde, um so ausführlicher behanlismus – der pressegeschichtliche Umbruch nach dem delt.
Ende des Alten Reiches“. Wurden im 18. Jahrhundert
In der Diskussion wurde nach einer Zäsur von 1806
in Zeitungen zunächst nur Fakten abgedruckt (größter
gefragt
– war eine neue Generation von Journalisten
Wert wurde auf Auswertbarkeit und Stichhaltigkeit der
feststellbar?
Ja durchaus, jedoch war dies nicht mit eiNachrichten gelegt, die Meinungsbildung überließen die
nem
Generationswechsel
zu erklären, sondern mit eiSchreiber dem mündigen Leser), galt nach dem Ende des
nem
Wandel
der
Arbeitsmethoden
der Journalisten. Erst
Alten Reiches die unparteiliche Berichterstattung als verab
1830
gab
es
eine
neue
Generation
von Intellektuellen
ächtlich, Zensur war alltäglich. Dazu gab es neue An(beispielsweise
Arndt
für
Greifswald).
Zur Rezeption der
forderungen an die Zeitungen – der Zeitungsjournalist
Zeitungen
neuen
Typs
gibt
es
bisher
keine
gesonderten
wollte nicht mehr nur getreuer Diener seiner Leser sein,
Forschungen,
doch
der
Meinungsjournalismus
setzte sich
sondern deren Meinungen bilden.
in den folgenden Jahren durch.
Um die Zeit der Französischen Revolution kam eiDie Felddruckereien waren übrigens schon seit längene partiell sehr revolutionsfreundliche Berichterstattung
rer
Zeit
üblich und nicht erst eine Erfindung des schweauf, doch mit der französischen Besetzung war es mit
dischen
Königs. Mit ihrer Hilfe konnte gleich in mehder politischen Freiheit vorbei. Printerzeugnisse wurden
reren
Sprachen
schnell auf aktuelle Ereignisse reagiert
von den Franzosen umfassend zensiert, Korrespondenund
Flugschriften
verfasst werden. Die teilweise unklaten durften nicht mehr von überall her berichten (z. B.
re
schwedische
Politik
der folgenden Jahre erklärt sich
aus London). Ab 1811 mussten die wenigen noch existieaus
den
unklaren
Verhältnissen
um 1806, denn mit dem
renden Zeitungen im ehemaligen Reich in deutscher und
Fortbrechen
des
Alten
Reiches
sind
die schwedischen Gefranzösischer Sprache erscheinen. Dennoch wurden auch
biete
in
Pommern
verloren
–
das
Reich
hatte einen Puffer
Zeitungen gegründet – zu Propagandazwecken. Zeitungebildet,
der
auch
Vorpommern
für
Schweden
sicherte.
gen alter Schule, die sich den neuen Formen der meiDennoch
konnte
Gustav
IV.
Adolf
nicht
unbedingt
davon
nungsbildenden Zeitungen nicht anschlossen, verloren
ausgehen, dass Vorpommern endgültig verloren war, obbald ihre Leserschaft.
wohl er sich dies bedingt wünschte – schließlich hatte er
Andreas Önnerfors (Lund) widmete sich ebenfalls selbst versucht, Pommern zu verkaufen oder zu vertauden Printmedien und betrachtete Das Ende des Al- schen.
”
ten Reiches als Medienereignis in schwedischen und
Robert Riemer (Greifswald) wandte sich einem Erdeutschen Zeitschriften“. Die kriegerischen Ereignisse
in Europa und Naturkatastrophen – beispielsweise in eignis aus der Zeit der französischen Besetzung zu und
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trug zum Thema Der Anfang der Befreiung – Ferdinand
”
von Schill in Mecklenburg und Pommern“ vor. Der Schillsche Versuch der Anzettelung einer Revolution im ehemaligen Reich gegen die französischen Besatzer war –
trotz Schills letztlich eigenmächtiger Aktion – ursprünglich als Teil einer größeren antifranzösischen Bewegung
geplant. Da die französischen Armeen bereits mit dem
spanischen Aufstand und den österreichischen Truppen
in Bayern beschäftigt waren (letzteres firmiert unter der
Bezeichnung der fünften Koalition), schien die Zeit für
ein Losschlagen in Norddeutschland günstig zu sein. Der
Erhebung des Obersten Dörnberg im Königreich Westfalen gedachte Schill zur Hilfe zu eilen und tat dies gegen den ausdrücklichen Willen Friedrich Wilhelm III. Auf
seinem Zug westlich der Elbe zunächst bejubelt, drang
Schill, Schrecken verbreitend, in Mecklenburg ein. Sein
Ziel war Stralsund, wo er sich – nachdem ihn die Nachrichten von den Niederlagen Dörnbergs und der Österreicher erreicht hatten – verschanzen wollte. Ein Kontakt mit England als Rückversicherung für ein schnelles Ausweichen über die Ostsee kam nicht zu Stande,
doch da Stralsund – trotz Schills gegenteiliger Meinung
– nicht zu halten war, fielen seine Pläne einer Befreiung Deutschlands (erinnert sei an seinen Aufruf an die
”
Deutschen“ von Anfang Mai 1809) der überlegenen französischen Armee zum Opfer. Als Deserteur und Tyrann
gebrandmarkt, erfuhr der gefallene Schill mit dem Beginn des Befreiungskrieges 1812/1813 seine Rehabilitierung und galt fortan als Held und patriotisches Vorbild.
schen Fremdherrschaft, das heißt der Verbindung rheinbündischer Reformen mit der militärischen Ausbeutung
der Territorien durch Frankreich.
Dem Rheinbund ist es nie gelungen, die Verluste aus
dem Alten Reich bezüglich eines festen Bezugspunkts
und der Reichssymbolik zu kompensieren – er konnte das
Alte Reich nie ersetzen. Preußen versuchte in der nördlichen Hälfte des ehemaligen Reiches mit einer Restitution
alter Ordnungen und der Gründung eines eigenen Norddeutschen Bundes den Rheinbund auszuhebeln.
Heute sieht man in einer Art Neubewertung im Rheinischen und später im Deutschen Bund eine Neuordnung, die effektiver als die alte Reichverfassung war. Gerade der Deutsche Bund erscheint heute in einem positiveren Licht als noch bis vor wenigen Jahrzehnten. Trotz
der teilweisen Ablehnung durch die Zeitgenossen war
der Deutsche Bund mit großen Hoffnungen gegründet
worden – entsprechend lange setzte man auf ihn, doch
nach 1830 wurde der Rückbezug auf das Alte Reich erneut verstärkt.
Das Auditorium wies auf weitere Bestrebungen gegen die französischen Besatzungstruppen hin, wie den
Zug des Herzogs von Braunschweig und die Unternehmung der Leutnante Hirschfeld und Katte im Osten Westfalens. Den Versuchen war nur minimaler Erfolg beschieden, da mehrere der Hauptpersonen Doppelrollen spielten (wie der Berliner Garnisonskommandant Graf Chasot, der die Aktion der beiden Leutnante verriet). Anders
als bei seinem Vater gab es bei Schill keine persönlichen
ökonomischen Motive – er war ein überzeugter, übereifriger und schließlich gescheiterter Patriot.
Hans-Werner Hahn (Jena) beschloss die Reihe der
Vorträge mit seinen Ausführungen Vom Alten Reich
”
zum Deutschen Bund. 1806 und die Suche nach einer
politischen Neuordnung Deutschlands“. Der Deutsche
Bund galt bei den klassischen Historikern im 19. Jahrhundert als eine Sackgasse der deutschen Geschichte und
selbst nach 1945 hielt sich diese Aussage noch lange in
den Köpfen. Dies mag daran gelegen haben, dass der
Deutsche Bund lediglich als Übergangslösung zwischen
dem Alten Reich und einem neuen Deutschland angesehen wurde. Dabei fügte er sich nahtlos in die Entwicklungen in den letzten Jahren des Alten Reiches ein, da man
bereits vor 1806 plante, dessen innere Strukturen zu verändern. Ein von Publizisten und zunächst auch Napoleon
geförderter Ausbau des Rheinbundes als neue deutsche
Konföderation und Konstitution kam schließlich nicht
mehr zu Stande – mit einem rheinbündisch geführten
deutschen Nationalgefühl konnten sich die Franzosen
nicht anfreunden. Der Ausbau scheiterte aber auch am
Widerstand einiger ehemaliger Reichsfürsten und ihrem
Anspruch auf Souveränität sowie dem Bild der französi-
Kontinuitäten zwischen alter Verfassung und Deutschem Bund sind unübersehbar. Wegen des Zeitdrucks
bei der Suche nach einer Lösung der deutschen Frage
nach dem Ende des Alten Reiches, den restaurativen Ambitionen der ehemaligen Reichsfürsten und ihrer Gesandten am Wiener Kongress sowie dem Untergang Napoleons blieben völlig revolutionäre Überlegungen außen
vor. In den Plänen einer deutschen Neuordnung waren
zwar auch viele Elemente enthalten, die nicht für Kontinuität stehen, dennoch wurden immer traditionelle Verfassungselemente bemüht.
Das größte Problem 1806 war wohl jenes, die nunmehr weitgehend leere Hülle des Begriffs Reich“ zu fül”
len, dessen Grenzen in weiten Teilen zunächst annähernd
gleich blieben. Es erwies sich als schwierig, die Überreste
des Reiches in eine allgemeine gemeinsame Ordnung zu
bringen, da zusätzlich die Vorstellungen über eine deut8
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sche Nationalität und die Erhaltung des ohnehin brüchigen europäischen Gleichgewichts berücksichtigt werden
mussten. Zu beachten ist, dass Diskussionen über ein
eventuelles Ende des Reiches in Nord- und Süddeutschland zeitlich differierend erfolgten, im Norden tatsächlich
im Jahr 1806, im Süden jedoch bereits 1801/1803 (Frieden von Lunéville/Reichsdeputationshauptschluss). Beachtenswert war auch die Frage, ob es im Reichsnorden nach 1795 (Frieden von Basel) überhaupt noch einen
einheitlichen Reichsgedanken gab (besonders in den von
Berlin beeinflussten Gebieten). Wenn dies bejaht wird,
dann wurde er vor allem von den fremden Reichsständen verfolgt. Die Sprengwirkung lag in der Tatsache, dass
es um 1800 im Norden Frieden und im Süden Krieg gab,
1806/1807 war es umgekehrt.
poleons Vorstellungen – ein starkes Reich ohne Österreich und Preußen, welches als Sperrriegel besonders vor
russischen Bestrebungen in Mitteleuropa schützen sollte.
Die Vorträge und Diskussionsbeiträge des Symposiums lieferten einerseits sowohl einen Überblick als
auch Details zum Reichsende im Norden des Alten Reiches – inklusive neuer Forschungsergebnisse, andererseits machten sie die Bandbreite der Einzelthemen im
Rahmen der Reichsgeschichte auch in einem vergleichsweise kurzen Zeitabschnitt mehr als deutlich. Erneut
konnte die Einbindung der norddeutschen Territorien in
das Gesamtsystem Altes Reich nachgewiesen werden, eine politische Ferne dagegen nicht – im Gegenteil: hier
regierten jene Landesherren, die sich – letztlich erfolglos – für den Erhalt des Reiches am stärksten einsetzten.
Aus Sicht der Dänen und Schweden galt 1806 eben- Das große Interesse und die rege Beteiligung am Symfalls als wichtige Zäsur, in ihren Auswirkungen beson- posium sowie viele weitere Tagungen und Ausstellunders für Schweden eine lang anhaltende – Schweden gen zur Erinnerung an das 200-jährige Ende des Alten
spielte bis zum Eintritt in die EU keine große politi- Reiches zeigen darüber hinaus dessen anhaltende Bedeusche Rolle auf dem europäischen Spielfeld mehr. Was tung für die Forschung, die auch vom Pilotprojekt 1806“
”
aber waren die französischen Vorstellungen zum Alten unter dem Titel 1806 – Ende oder Neubeginn? Der Un”
Reich? Gab es einen französischen Diskurs über die tergang des Alten Reiches aus norddeutscher und skanReichsordnung? In der Endphase des Alten Reiches woll- dinavischer Perspektive 1789-1815“ weitergeführt wird.
ten die Franzosen dieses entweder möglichst stark zerDie Beiträge der Tagung und die Ergebnisse des Prosplittern (alte französische Konzeption) oder – nach Najekts sollen in einem Sammelband veröffentlicht werden.
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Citation: Robert Riemer. Review of , Das Ende des Alten Reiches im Ostseeraum. H-Soz-u-Kult, H-Net Reviews. September, 2006.
URL: http://www.h-net.org/reviews/showrev.php?id=28910
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