Astronomie und Praxis: Beobachtungen Zweifacher Blick auf erdnahen Asteroiden Parallaxenmessung im Schulunterricht Einfache Grundlagen der Optik, die sich im Unterricht veranschaulichen lassen, ermöglichen es, Objektpositionen auf Astrofotos erstaunlich genau zu messen. So ergaben die mit ferngesteuerten Teleskopen in Australien und Hawaii aufgenommenen Bilder des Asteroiden Apophis Parallaxen, die mit den Ergebnissen professioneller Astronomen vergleichbar sind. Von Matthias Penselin, Carolin Liefke und Martin Metzendorf W ie lassen sich Entfernun­ achtung: Betrachten Sie Ihren Daumen Schon Kopernikus wusste, dass die Be­ gen kosmischer Objekte abwechselnd mit dem linken oder rechten wegung der Erde um die Sonne zur Folge bestimmen? Diese Frage Auge am ausgestreckten Arm, so scheint haben müsste, dass die Fixsterne im Lauf ist von grundlegender Be­ er vor dem Hintergrund hin und her zu des Jahres kleine Ellipsen an der Himmels­ deutung für die Astronomie. Unser Ziel war springen – demnach blicken Sie mit dem kugel beschreiben. Da man sie mit den da­ es, eine Parallaxenmessung als Schulpro­ einem Auge in eine andere Richtung als maligen Mitteln nicht nachweisen konnte, jekt durchzuführen und Unterrichtsma­ mit dem anderen, um den Daumen zu fi­ war es immerhin möglich abzuschätzen, terial zu entwickeln, das die Behandlung xieren. Probieren Sie es einmal aus! wie groß die Entfernung der Fixsterne im der Entfernungsbestimmung in der Schule Diesen Effekt oder auch den Winkel Vergleich zur Entfernung Erde-Sonne sein anhand eigener Himmelsaufnahmen er­ f (phi) zwischen diesen Blickrichtungen muss, damit die Parallaxe unbeobachtbar möglicht. Zusätzlich sollte moderne Tech­ bezeichnet man als Parallaxe. Führen Sie ist. Der deutsche Astronom Friedrich Wil­ nik genutzt werden, um genaue Resultate Ihren Daumen näher an die Augen heran, helm Bessel (1784 – 1846) konnte erstmals mit wissenschaftlichem Wert zu erhalten. so ist die Parallaxe größer. Bei bekanntem mit Hilfe der Parallaxe messen, wie weit Aus einem einzelnen Foto lassen sich Augenabstand lässt sich aus den Winkeln ein uns naher Stern, nämlich 61 Cygni im nur die Himmelskoordinaten eines Ob­ des Dreiecks Auge -Auge-Daumen der Sternbild Schwan, entfernt ist. jekts bestimmen, also nur die Richtung, Abstand zum Daumen berechnen. Erd­ Im Schulunterricht ist die folgende Er­ in der sich das anvisierte Objekt von der nahe Himmelsobjekte erscheinen daher kenntnis für viele Schüler genauso scho­ Erde aus gesehen zum Aufnahmezeit­ bei der Beobachtung von verschiedenen ckierend wie für die Zeitgenossen der punkt befindet. Will man aber die volle Standpunkten auf der Erde aus gegen den Astronomen in früheren Jahrhunderten: dreidimensionale Struktur, beispielsweise Fixsternhintergrund versetzt an verschie­ Wäre die Erde zehn Meter von der Sonne unseres Planetensystems oder der Milch­ denen Positionen. Dies gilt auch für nahe entfernt, dann wäre der nächste Fixstern straße entschlüsseln, muss man zusätz­ Fixsterne, wenn sie von verschiedenen östlich von Moskau. Diese Überlegungen lich wissen, wie weit die beobachteten Standpunkten A und B auf der Erdbahn im mögen die Bedeutung der Parallaxe für Objekte entfernt sind. Von grundlegender Jahreslauf beobachtet werden (siehe Gra­ das Erfassen der räumlichen Struktur von Bedeutung hierfür ist die folgende Beob­ fik S. 74 unten). Planetensystem und Milchstraße erläu­ 72 November 2014 Sterne und Weltraum Apophis f Faulkes-Teleskop Hawaii Mit den ferngesteuerten Faulkes-Teleskopen in Hawaii und Australien beobachteten Schüler zeitgleich von Deutschland Erdnähe befand. Die Auswertung der dabei aufgenommenen Bilder gestattete eine hochgenaue Bestimmung der Parallaxe Faulkes-Teleskop Australien SuW-Grafik aus den Asteroiden Apophis, als er sich am 8. Januar 2013 in des Kleinkörpers und damit seiner Entfernung zur Erde. tern. Derzeit verfolgen die Astronomen mit der Raumsonde Gaia das Ziel, die Ent­ fernungen von einer Milliarde Sterne un­ serer Milchstraße zu bestimmen (siehe SuW 9/2014, S. 26). Sofort klar ist aber auch, dass Parallaxenwinkel in der Astronomie Erdnahe Asteroiden A ls »potenziell gefährliche Objekte (englisch: Potentially Hazardous Objects, PHO) bezeichnen die Astronomen Kleinkörper, die der Erdbahn näher als 0,05 Astro- nomische Einheiten kommen und deren Durchmesser größer als 100 Meter sind. Da sehr klein sind und dass dementsprechend sich die Definition auf die Bahn und nicht auf die Körper selbst bezieht, müssen nicht genau gearbeitet werden muss, wenn man alle PHO wirklich eine akute Bedrohung darstellen. verlässliche Ergebnisse erreichen will. Ein Vorschlag mit Folgen Auch der Asteroid (99942) Apophis ist ein PHO: Er kommt der Erde am 13. April 2029 auf rund 30 000 Kilometer nahe. Dabei wird sich seine Bahn erheblich ändern. Messungen des Weltraumteleskops Herschel legen einen Durchmesser von rund Im Herbst 2012 fand am Heidelberger 300 Metern nahe. Nach der Entdeckung des Asteroiden konnten die Astronomen Haus der Astronomie die erste hier durch­ nicht ausschließen, dass er im Jahr 2029 so abgelenkt wird, dass er 2036 auf der Erde geführte bundesweite Lehrerfortbildung einschlägt. Im Jahr 2009 wurde die Wahrscheinlichkeit dafür auf 1 : 250 000 herabge- statt, an der die Gymnasiallehrer Matthias setzt, seit der Opposition 2013 schließt die US-Weltraumbehörde NASA einen Impakt Penselin und Martin Metzendorf teilnah­ von Apophis auf der Erde im 21. Jahrhundert sicher aus. men. Hier stellte Carolin Liefke, eine der Gegenwärtig kennen die Astronomen schätzungsweise 20 bis 30 Prozent aller ständigen Mitarbeiterinnen des Hauses, PHO. Die Suche nach unbekannten PHO und die möglichst präzise Vermessung der ihre Initia­tiven im Asteroidensuchpro­ Bahn bekannter PHO ist also eine fortbestehend wichtige Aufgabe, auch wenn das gramm der International Astronomical öffentliche Interesse leider nur punktuell auf spektakuläre Nachrichten zu diesem Search Collaboration (IASC) vor. Sie sprach Thema fokussiert ist. Die vielleicht größte Bedrohung durch den Einschlag eines über die Möglichkeit, Nachbeobachtun­ Asteroiden der Größe von Apophis in einem Ozean würde durch die ausgelöste gen von Asteroiden mit den Faulkes-Tele­ Flutwelle entstehen. Die Zerstörungen könnten lokal katastrophal sein, globale skopen durchzuführen – zwei baugleiche Konsequenzen müssten nur befürchtet werden, wenn der abstürzende Asteroid noch Instrumente, von denen sich eines auf wesentlich größer ist. dem Vulkan Haleakala bei Hawaii, das an­ dere in Siding Spring in Australien befin­ det (siehe Bild S. 74 oben). Normalerweise nutzen Astronomen leskopstandorten gleichzeitig hoch genug Warum also, fragten wir uns nach dem den Erdbahndurchmesser als Basisstre­ über dem Horizont steht – und zudem Vortrag, sollten wir nicht diese beiden Te­ cke, um den Abstand zu Fixsternen zu eine Phase mit gutem Wetter an beiden leskope nutzen, um damit zeitgleich den­ bestimmen. Der gegenseitige Abstand Observatorien zu erwischen. Die beobach­ selben Asteroiden zu beobachten? Durch der beiden Faulkes-Teleskope beträgt nur tungstechnischen Aspekte waren schnell die unterschiedlichen Standpunkte auf 7640,9 Kilo­meter – im Vergleich zum Erd­ geklärt: Martin Metzendorf und Matthi­ der Erde wäre ein Asteroid vor dem Fix­ bahndurchmesser von rund 300 Millionen as Penselin würden an ihren Schulen die sternhintergrund parallaktisch verscho­ Kilometern. Der entscheidende Punkt, Teleskope steuern, und Lothar Kurtze, der ben, und aus der Größe seiner Parallaxe von dem die Realisierbarkeit unseres Pro­ die Arbeit der deutschsprachigen Schulen sollte sich seine Entfernung berechnen jekts abhing, lag nun darin, ein geeignet mit den Faulkes Telescopes koordiniert, lassen! nahes Objekt zu finden, das an beiden Te­ würde ihnen mit Rat und Tat zur Seite ste­ www.sterne-und-weltraum.de November 2014 73 hen. Und bei der Durchführung könnten die beiden Lehrer von seiner langjährigen Erfahrung bei der Suche nach Kleinplane­ ten profitieren. Das richtige Ziel Die Frage nach der Gefährdung der Erde durch Asteroiden weckt bei Schülern stets Interesse. Asteroiden sind aber darüber hinaus auch ein wichtiges Ziel astrono­ mischer Beobachtungen. Nach der im Astronomieunterricht üblichen Behand­ lung des Planetensystems entsteht bei den Schülern oft der Eindruck, das Plane­ Lothar Kurtze tensystem sei im Wesentlichen leer – vor allem dann, wenn es gelingt, die tatsächli­ chen Größenverhältnisse zu veranschauli­ chen. Außerdem erscheint ihnen das Pla­ netensystem wie ein statisches Uhrwerk, das gemäß den keplerschen Gesetzen im­ Jedes der ferngesteuerten Faulkes-Teleskope ist mit einem lichtstarken mer weiter läuft, ohne Entwicklung. Ritchey-Chrétien-Spiegelsystem ausgerüstet und befindet sich an einem Behandelt man aber Kleinkörper, dann klimatisch günstigen Standort. per haben wir plötzlich hunderttausende. Ihre Bahnen kreuzen sich, und die Objek­ Faulkes-Teleskop Australien Faulkes-Teleskop Hawaii 11:45 UT 11:45 UT 11:56 UT 11:56 UT te können sich immer wieder gegensei­ tig beeinflussen. In Wahrheit hat sich die Gestalt des Planetensystems ja beständig geändert und wird sich auch in Zukunft ändern. Ein rein statisches Bild des Plane­ Fixsternhintergrund Position 2 Position 1 naher Fixstern ( ) f r sin 2 x Der Vergleich der Aufnahmen von Apophis verdeutlicht die Parallaxe und f Eigenbewegung des Asteroiden während seiner Erdnähe am 8. Januar 2013: Wegen der großen Distanz zwischen den beiden Faulkes-Teleskopen er- Matthias Penselin / SuW-Grafik x scheint der Asteroid an unterschiedlichen Positionen bezüglich der Fixsterne. tensystems würde unserem modernen as­ zu dem man die Bahn optimal vermes­ tronomischen Weltbild nicht entsprechen. sen konnte, auch der günstigste Moment Der Asteroid Apophis gehört zu den po­ für die Bestimmung der Parallaxe. Neben tenziell gefährlichen Objekten (englisch: dem richtigen Objekt ist aber für die Paral­ Potentially Hazardous Objects, siehe Kas­ laxenmessung als Schulprojekt entschei­ ten S. 73). Es war also ein wissenschaftlich dend, dass die Faulkes-Teleskope genau Infolge des Erdumlaufs um die Sonne ver- sinnvolles Ziel, die Erdnähe von Apophis die passenden »Fotoapparate« darstellen. schiebt sich die Position eines nahen Sterns im Januar 2013 zu nutzen, um seine Bahn aus der Sicht eines irdischen Beobachters genauer als zuvor vermessen zu können Zwei schöne Teleskope vor dem fernen Fixsternhintergrund. Aus und auf diese Weise mit noch größerer Si­ Dank ihres Hauptspiegeldurchmessers der gemessenen Parallaxe phi (f) lässt sich cherheit ausschließen zu können, dass im von zwei Metern lassen sich mit den Faul­ zusammen mit dem bekannten Abstand r 21. Jahrhundert ein Impakt dieses Klein­ kes-Teleskopen auch lichtschwache Objek­ der Erde zur Sonne die gesuchte Distanz x körpers auf der Erde stattfindet. Gleichzei­ te nachweisen. Mit ihrer Brennweite von zum Stern berechnen. tig war aber der Moment seiner Erdnähe, 18 300 Millimetern ermöglichen die Opti­ A r B Sonne 74 November 2014 Sterne und Weltraum Lothar Kurtze, Carolin Liefke, Martin Metzendorf, Matthias Penselin wandelt sich dieses Bild. Anstatt acht Kör­ ken zudem genaue Positionsbestimmun­ tes unserer Schulen: www.julian-goeltz.de Bilder mit ausreichend hoher Bildqualität. gen. Hinzu kommt, dass sich die Teleskope und www.lgl.de. Setzt man alle Bilder von einem Standort über eine benutzerfreundliche Oberfläche fernsteuern lassen. Speziell für unser Parallaxenprojekt aus zu Animationen zusammen, sieht ist es wichtig, dass die Teleskope so weit man sofort, wie sich Apophis gegen den Der Initiator Martin C. Faulkes wollte auseinanderliegen, dass eine ausreichend Fixsternhintergrund bewegt. Vergleicht für Schulen in seinem Heimatland Eng­ lange Basisstrecke zwischen den beiden man aber die beiden Animationen, bei­ land eine einfache und zugleich leistungs­ »Augen« liegt. Andererseits liegen die spielsweise in dem man sie in zwei Fens­ fähige Beobachtungsmöglichkeit schaf­ Standorte der Observatorien noch so nahe tern gleichzeitig nebeneinander ablaufen fen. Die Standorte sind so gewählt, dass beieinander, dass sich ein genügend gro­ lässt, so erkennt man, dass die von Aus­ der lokale Nachthimmel während der nor­ ßer Teil des Himmels zeitgleich mit bei­ tralien aus betrachtete Bahn von Apophis malen Schulzeit in Mitteleuropa beobach­ den Teleskopen anvisieren lässt. gegen die von Hawaii aus beobachtete tet werden kann. Mit beiden Instrumen­ Bahn versetzt ist: Die Parallaxe wird beim ten ist sowohl der Blick auf den nördlichen 16 Bilder und zwei Filme als auch auf den südlichen Sternhimmel Schließlich buchten wir für den 8. Januar gewährleistet. Daher nutzten wir die Te­ 2013 eine halbe Stunde Beobachtungszeit Zur Auswertung standen uns prinzi­ leskope auch oft, um im Schulunterricht parallel an beiden Teleskopen. Für die Aus­ piell zwei Wege offen. Zum einen gab es Deep-Sky-Objekte zu fotografieren. Kost­ wertung wählten wir vier von Australien zwei Aufnahmen mit guter Qualität, die proben gibt es auf den Astronomie-Websi­ und zwölf von Hawaii aus aufgenommene mit einem Zeitabstand von nur 18 Sekun­ Betrachten der Filme sofort sichtbar (siehe Bilder S. 74 Mitte). Der Pixelmaßstab unserer Aufnahmen B ezeichnet man die Größe eines Gegenstands, der durch ein In unserem Beispiel ergibt sich f = 0,53 Grad. Schon hier optisches System – beispielsweise durch eine Lochblende – kann man also lernen, dass die Bildgröße astronomischer Ob- abgebildet wird, als G und seine Entfernung als Gegenstands- jekte stets eine Aussage zum Winkeldurchmesser des Objekts weite g, so erzeugt die Optik ein Bild der Größe B in einer Entfer- beinhaltet. nung von der Hauptebene der Optik, die man Bildweite b nennt. Was ändert sich nun, wenn man zu den Faulkes-Teleskopen Der Grafik lässt sich entnehmen, dass die Größen B, G, b und g wechselt? Man muss in den obigen Formeln lediglich die Bild- durch eine einfache Beziehung miteinander verbunden sind: weite b durch die Brennweite f der Faulkes-Teleskope ersetzen. G g B b Der Grund liegt darin, dass in der Linsengleichung der Optik –– –– . 1 1 1 f b g –– –– + –– Projiziert man beispielsweise die Sonne mit einer Lochblende auf einen Schirm, hat man somit ein maßstäbliches Abbild der Bruch 1/g wegen der großen Entfernung des abgebildeten der Sonnengröße G zu ihrer Entfernung g vor Augen. Für eine astronomischen Objekts vernachlässigbar klein ist. Die Linsen- Bildweite von 650 Millimetern (Entfernung zwischen Lochblen- gleichung vereinfacht sich also zu 1/f = 1/g beziehungsweise de und Schirm) findet man eine Bildgröße von 6 Millimetern. g = f, so dass die Formel für den Winkeldurchmesser nun Da aber die Entfernung der Sonne zunächst unbekannt ist, lässt sich in Wahrheit nur ihr Winkeldurchmesser f bestimmen. Er folgt gemäß obiger Skizze aus der Formel f G B f tan –– ––– 2 2f lautet. Mit f = 18 300 mm und B = 0,027 mm für die Größe eines B tan –– –– –– . 2 2g 2b Pixels des Chips der Faulkes-Teleskope findet man nun denjenigen Winkel fp der einem Pixel am Himmel entspricht: Gegenstandsweite g ( ) fp fp 2 arctan ––– 8,453 10–5 Grad, 2f Bildweite b header der von Hawaii aus aufgenommenen CCD-Bilder. G/2 f f/2 www.sterne-und-weltraum.de f/2 Im Prinzip beschreibt die Formel einen nichtlinearen ZusamBildgröße B B/2 SuW-Grafik Gegenstandsgröße G also 0,304 Bogensekunden. Diese Angabe nennt auch der Datei- menhang zwischen der Bildgröße B und dem Winkel f. Da das Gesichtsfeld der Faulkes-Teleskope bei nur zehn Bogenminuten liegt, sind aber alle Winkel klein, und daher gilt im Bogenmaß näherungsweise B tan f f –– . f Lochblende Projektionsschirm Der Proportionalitätsfaktor zwischen Winkel und Bildgröße ist somit der Kehrwert der Brennweite. November 2014 75 Referenzstern S Hawaii SA SAAustralien Australien aus berechnet. Auf diese Weise gerechnet wird. Auf diesem Weg fanden erreichten wir, dass alle Bilder in die Be­ wir die Parallaxe: f = 0,03049 Grad. Dieses rechnung der Parallaxe einfließen. Wir er­ Ergebnis weicht von den im Folgenden hielten so das Ergebnis f = 0,030 096 Grad. beschriebenen Daten das US-amerikani­ Da Apophis von allgemeinem Interesse schen Minor Planet Center (MPC) nur um ist und der Oppositionszeitpunkt für die rund ein Prozent ab. genaue Vermessung der Asteroidenbahn Noch am Abend des 8. Januar 2013 der günstigste ist, schickten in den Tagen führte Lothar Kurtze eine genauere Aus­ um den 8. Januar 2013 viele Beobachter­ wertung durch, in die er alle 16 Aufnah­ gruppen men einbezog. Die Himmelskoordinaten an das MPC, wonach die Astronomen die von Apophis bestimmte er jeweils mit Bahn neu berechneten. Zeitgleich vermaß Hilfe der Software Astrometrica. Dazu die NASA den Asteroiden per Radar. Ein Auf den in Australien und Hawaii aufgenommen Bildern wird jeweils die Lage SA Hawaii beziehungsweise SA Australien von Apophis identifiziert die Software durch Abgleich Impakt von Apophis im 21. Jahrhundert mit einem Sternkatalog möglichst viele kann nunmehr ausgeschlossen werden. Fixsterne und errechnet aus ihren be­ Andererseits ergibt sich im Nach­hinein bezüglich eines Referenzsterns S vermessen. kannten Positionen eine »nichtlineare die Möglichkeit, unsere Ergebnisse für Der in Pixeln berechnete Betrag des Differenzvektors P entspricht dem gesuchten Plattenlösung«. Sie beschreibt den Zusam­ die Parallaxe mit denjenigen Werten zu menhang zwischen Pixelkoordinaten und vergleichen, die sich aus der Ephemeri­ Parallaxenwinkel. Himmelskoordinaten. Sodann passt die denrechnung des MPC nach der Neube­ Software an die Helligkeitsverteilung des rechnung der Bahn ergeben. Die von uns sternähnlichen Abbilds von Apophis eine bestimmten Werte weichen am Ende des den fotografiert worden waren. Also sollte Gaußverteilung an. Sie ermöglicht eine Beobachtungszeitraums um rund ein durch direkten Vergleich dieser beiden Bil­ auf Pixelbruchteile genaue Bestimmung zehntausendstel Grad von den Werten der eine einfache Abstandsbestimmung der Position des Asteroiden in jeder Auf­ des MPC ab, was 0,36 Bogensekunden ent­ möglich sein. P Apophis Australien ihre Positionsbestimmungen nahme. Nun lassen sich die Himmelskoor­ spricht (siehe Diagramm unten). Durch Zweitens sollte eine genauere Ab­ dinaten von Apophis auf allen Einzelbil­ die Einbeziehung aller Bilder und durch standsbestimmung möglich sein, wenn dern bestimmen. Noch am gleichen Tag die Auswertung mit der Software Astro­ alle 16 Bilder in eine gemeinsame Aus­ erhielt das MPC die aus den Bildern be­ metrica lässt sich also ein nur drei Hun­ wertung einbezogen werden. Hierbei sind stimmten Positionen. dertstel Grad großer Winkel auf wenige allerdings sowohl die Bahnbewegung von Trägt man diese Koordinaten in Abhän­ Erde und Apophis relevant als auch die gigkeit von der Zeit auf, so lassen sich die Drehung unseres Planeten. Daher ist die innerhalb der Beobachtungszeit an beiden Von der Parallaxe zum Abstand Paral­laxe im Allgemeinen zeitabhängig. Standorten gewonnenen Daten jeweils Um aus der Parallaxe den Abstand zu Für eine möglichst einfache Auswer­ durch zwei lineare Funktionen annähern. Apophis berechnen zu können, muss der tung setzen wir nun voraus, dass sich Aus den beiden Funktionen wurde dann räumliche Abstand der Teleskope bekannt jede in Pixeln gemessene Distanz auf den für 11:50 Uhr UT die Position am Him­ sein. Hierzu nutzten wir die beim MPC Bildern der Faulkes-Teleskope mit einem mel von Apophis von Hawaii aus und von hinterlegten »Parallaxenkonstanten«. Sie konstanten Faktor – dem Pixelmaßstab – Promille genau messen. 0,0303 in eine Winkeldistanz am Himmel umge­ rechnen lässt. Wir berechneten diesen Faktor bei bekannter Brennweite und Pi­ Während des Beob- xelgröße mit Hilfe einfacher Grundlagen achtungszeitraums der Optik (siehe Kasten S. 75). von rund 30 Minuten änderte sich Bildern die Position von Apophis (A) be­ die Parallaxe von züglich eines Referenzsterns (S). Die jewei­ Apophis infolge der ligen Positionen notierten wir als Vektoren SA Hawaii und SA Australien, jeweils mit einer Erdrotation. Die von in Pixeln ausgedrückten x- und y-Koordi­ nate: SA Hawaii = (x1, y1) beziehungsweise = (x , y ). Zieht man diese Vek­ SA telten Parallaxen toren voneinander ab, so ergibt sich ein Differenzvektor P = SA Australien – SA Hawaii, Werten, die sich aus der den Weg des Asteroiden in einem Bild net Center berech- zu der Position im zweiten Bild beschreibt neten Bahn ergeben (siehe Grafik oben). (Kreise), maximal Australien 2 2 Der Betrag von P ist die der Parallaxe entsprechende Distanz in Pixeln, die dann 76 November 2014 den Autoren ermit(Rauten) weichen von denjenigen 0,0301 0,0300 Matthias Penselin / SuW-Grafik Anschließend maßen wir in den beiden 0,0302 Parallaxe in Grad Matthias Penselin / SuW-Grafik Apophis Hawaii mit Hilfe des Pixelmaßstabs in Grad um­ 0,0299 der vom Minor Pla- um ein zehntausendstel Grad ab. 0,0298 25 30 35 40 45 50 55 60 65 Zeit in Minuten Sterne und Weltraum Die Standorte der Teleskope Faulkes North A in Hawaii (N) und Faulkes South in Australien (S) bilden mit Apophis (A) ein Dreieck. fA Die gesuchte Entfernung x lässt sich aus der bekannten Distanz D der Teleskope und der Horizonthöhe α1 mit Hilfe des Sinussatzes Matthias Penselin un- berechnen. terrichtet am AlbertSchweitzer-Gymnasium in Crailsheim Physik und Hor izon tebe benachbarte Fächer. Seit x ne N a1 Schulklassen durch. Schwerpunkte seines a2 Matthias Penselin / SuW-Grafik September 2013 führt er im Haus der Astronomie Workshops für D Astronomieunterrichts sind neben der Arbeit a a1 + a2 a2 b1 mit den Faulkes-Teleskopen die Aufnahme x D sin f sin a und quantitative Auswertung digitaler Bilder sowie die Spektroskopie. S Martin Metzendorf ist Mitglied der StarkenburgSternwarte in Heppen- geben die Teleskopstandorte in Polarkoor­ Wir erhalten aus unseren Bildern für dinaten an. Rechnet man sie in kartesische die Entfernung von Apophis zum Tele­ heim und Physiklehrer am Koordinaten um, so lässt sich mit Hilfe skop »Faulkes South« eine Distanz x von Lessing-Gymnasium in des Satzes des Pythagoras die Distanz D 14,50 Millionen Kilometern. Zum Ver­ Lampertheim (LGL). Dort der Teleskope zueinander berechnen. So gleich: Aus den Daten des MPC ergibt sich leitet er die Schulsternwarte. Seit 2009 ist das erhielten wir den bereits genannten Wert 14,46 Millionen Kilometer – eine sehr gute LGL eine der Pilotschulen des Faulkes Telescope von 7640,9 Kilometern. Übereinstimmung. Project sowie Partnerschule des Hauses der Um nun die Berechnung des Abstands Astronomie in Heidelberg und des Deutschen von Apophis möglichst einfach zu ge­ Die Sterne standen günstig stalten, legten wir hierbei einen kugel­ Parallaxenmessungen förmigen Erdkörper zu Grunde und be­ Spätestens seit Kopernikus war die Un­ trachteten das aus Teleskop N, Teleskop möglichkeit, mit den damaligen Instru­ Carolin Liefke promo- S und Apophis gebildete Dreieck N–S–A menten Parallaxen zu messen, ein gutes vierte in Astrophysik an (siehe Grafik oben). Entnimmt man aus Argument zu Gunsten des geozentrischen der Hamburger Sternwarte den Metadaten unserer Bilddateien die Horizonthöhen a1 und b1 von Apophis an Weltbilds. Der Nachweis, dass schon die und ist wissenschaftliche mit bloßem Auge sichtbaren Sterne so viel Mitarbeiterin im Haus der beiden Standorten, so lässt sich mit der weiter von uns entfernt sind als alle Ob­ Astronomie in Heidelberg. Winkelsumme im Dreieck der Winkel a2 jekte unseres Planetensystems und dass zwischen den Horizontebenen und der Fixsternparallaxen zwar sehr klein, aber Verbindungslinie der Orte berechnen: heutzutage messbar sind, ist ein wichti­ a1 + 2 a2 + b1 + fA 180 Grad beziehungsweise 180 Grad – fA – a1 – b1 a2 –––––––––––––––––– . 2 sind schwierig. ger Schritt zu einem weit geöffneten mo­ Literaturhinweise dernen Weltbild, das der Schulunterricht Althaus, T.: Apophis: Kein Einschlag im Jahr 2036. In: Sterne und Weltraum 3/2013, S. 14 Quetz, A. M.: Zum Nachdenken: (99942) Apophis. In: Sterne und Weltraum 6/2009, S. 24 Voigt, H. H.: Abriss der Astronomie. Herausgegeben von H.-J. Röser und W. Tscharnuter. Wiley-VCH, Berlin 2012 heutzutage vermitteln sollte. Die Schüler sollen erfahren, dass grund­ legende Prinzipien der astronomischen Entfernungsbestimmung auf einfache Damit sind in dem Dreieck N–S–A alle Wei­se verstanden werden können. »Astro­ Winkel und eine Strecke bekannt. Nun nomische Zahlen« – das sollen nicht Anga­ lässt sich über den Sinussatz die Distanz x ben sein, unter denen sich niemand etwas zwischen Apophis und einem der Telesko­ vorstellen kann, sondern Ergebnisse guter pe berechnen: Messungen. Viele Faktoren mussten zu­ x D sin a sin f ––––– ––––– , wobei a = a1 + a2 ist. Daraus folgt D sin a x –––––– . sin f www.sterne-und-weltraum.de SOFIA Instituts in Stuttgart. sammenkommen, um im Schulunterricht eine Parallaxe messen und daraus die Ent­ fernung von Apophis bestimmen zu kön­ nen. Wir hoffen, dass viele Bildungsein­ richtungen mit unserem Unterrichtsma­ terial diesen glücklichen Moment nach­ vollziehen können. Weblinks zum Thema: www. sterne-und-weltraum.de/artikel/ 1310000 Didaktische Materialien: www.wissenschaft-schulen. de/artikel/1311287 November 2014 77