Peter Hanau, RC Köln am Rhein Ist Berufsethik ein Thema für Rotary? Vortrag auf dem Berufsdienstforum des Distriktes 1810 am 12.5.2007 Mein Thema fällt aus dem üblichen Rahmen und Ihnen hoffentlich nicht auf die Nerven. Praktizierung und Förderung der Berufsethik gehören von Anfang an zu den wesentlichen Zielen von Rotary im Allgemeinen und des Berufsdienstes im Besonderen, Woher also die Zweifel an der Eignung dieses Themas für unsere Gemeinschaft? Ganz einfach aus der Beobachtung, dass zwar viele Rotarier gerade als Rotarier berufsethisch vorbildlich handeln, einschlägige Themen in den rotarischen Institutionen und Aktionen aber kaum vorkommen. Wie man dem Rotary Magazin entnehmen kann, wird dies auch an der Spitze von Rotary, von Weltpräsidenten und Governors so gesehen, verbunden mit der Forderung nach Wiederentdeckung des Themas und Rückkehr zu seinen rotarischen Wurzeln (Rotary Magazin 2004/5 S. 8; 2007/2 S. 8 und 2007/3 S. 5). Seit einigen Jahren versuche ich dazu, ziemlich ohne Erfolg, in Vorträgen und Veröffentlichungen (Rotary Magazin 2001/ 8 S. 16; 2005/ 8 S. 44) beizutragen und bin froh, dass ich heute mit Ihnen diskutieren kann. Wir werden uns einig sein, dass die Aktualität des Themas ungemindert, eher sogar gesteigert ist. Täglich hören und lesen wir von Korruption, Betrug und anderen Arten berufsunethischen Verhaltens. Ebenso aktuell und verstärkt ist die Gegenbewegung. Aus den USA kommen vielseitige Ethik – Richtlinien zu uns, auf die sich zunehmend auch hiesige Unternehmen verpflichten. Man kann und sollte freilich darüber streiten, ob die praktisch wichtigste in ihnen vorgesehene Maßnahme, nämlich die Ermunterung der Mitarbeiter zu auch anonymen Anzeigen unethischen Verhaltens selbst ethisch korrekt ist. Welche Mittel heiligt der berufsethische Zweck? Ein so genannter Compliance – Beauftragter eines hiesigen Großunternehmens, gleichsam ein Rechts – und Ethik – Wart, hat mir jedenfalls die Effizienz eines solchen Maßnahme bestätigt. Warum hat das alles in der rotarischen Gemeinschaft so wenig Widerhall und Niederschlag gefunden? Gewiss werden ethische Fragen häufig thematisiert, insbesondere Fragen der medizinischen Ethik, doch werden diese wohl weniger als berufsethische denn als allgemeine ethische Fragen wahrgenommen. 1 Für die Vernachlässigung der eigentlichen Berufsethik dürfte es objektive und subjektive Gründe geben. Die objektiven Schwierigkeiten beginnen schon damit, dass Berufsethik schwer zu definieren und abzugrenzen ist. Die rotarische 4 – Fragen - Probe versucht es mit dem Begriff der Fairness. Bei dem Versuch, diese zu definieren, kann man ganz unpassend aber vielleicht treffend an die Antwort eines Richters des US – Supreme Court denken, auf die Frage, was denn (verbotene) harte Pornographie sei: I can’t define it, but I can tell it when I see it. So einfach war das lange mit der Berufsethik, dem fairen Verhalten im Beruf, doch sind die Dinge schwieriger geworden, insbesondere durch die zunehmende Verrechtlichung des Wirtschaftslebens. Ist jedes rechtswidrige Verhalten unfair, unethisch? Früher sagte man, das Recht enthalte das moralische Minimum. Heute, enthält es das moralische Maximum und mehr. Sind alle verbotenen Kartelle unethisch? Jeder Insiderhandel, jede Steuerverkürzung, jede Bestechung, auch in Ländern, in denen sie üblich ist? Wo soll man mit einer neuen rotarischen Ethik – Offensive ansetzen? Übrigens lassen auch die amerikanischen Ethik – Richtlinien, die sich massenweise im Internet finden, eine erhebliche Unsicherheit über das Verhältnis von Recht und Ethik erkennen. Zu diesen objektiven Schwierigkeiten gesellen sich subjektive. Zunächst ein Gefühl der Hilflosigkeit. Was kann Rotary, was kann der einzelne Club schon tun, um Korruption, Betrug und andere Arten beruflich unethischen, unfairen Verhaltens zu bekämpfen? Gewiss, der einzelne Rotarier kann für sich und seinen Bereich ethische Anforderungen definieren und durchsetzen. Aber mehr scheint kaum möglich. Zudem ist das Thema unangenehm. Man kommt nicht in den Club, um nach allem beruflichen Stress auch hier noch mit den dunklen Seiten und den Grauzonen des Berufslebens konfrontiert zu werden. Man will auch den Freunden nicht mit solchen Themen lästig fallen. Es wäre deshalb durchaus verständlich, wenn Berufsethik kein Thema mehr für Rotary und seinen Berufsdienst wäre. Nicht weil Berufsethik nicht mehr wichtig wäre, sondern im Gegenteil, weil sie so wichtig geworden, in eine so große faktische und rechtliche Dimension hineingewachsen ist, dass sie die Möglichkeiten unserer Gemeinschaft sprengen kann. Schon das heutige Forum und der mit ihm verbundene, großartige Einsatz von Rotariern beiderlei Geschlechts zeigt, dass dem Berufsdienst genügend andere wichtige und eher zu bewältigende Aufgaben bleiben. 2 Falls nun aber doch eine oder einer oder einige von Ihnen überlegen, ob es nicht einzelne Ansätze geben kann, berufsethischen Themen einen Zugang zu unserer Gemeinschaft zu geben, lässt sich wie bei anderen Themen dreierlei nennen: Information – Diskussion Aktion. Ein Club kann sich informieren, z.B. über Korruption oder Korruptionsbekämpfung bei einem Vertreter von Transparency International, einer Vereinigung, die sich dem Kampf gegen Korruption verschrieben hat. Oder über Ethik – Richtlinien bei einem Compliance – Beauftragten. Oder über ethische Investments bei einem einschlägig aktiven Banker wie unserem Clubfreund Berndorff von der Pax – Bank. Ein Club kann über viele berufsethische und berufsrechtliche Grauzonen diskutieren, von der Vergütung von Vorstandsmitgliedern und Betriebsräten bis zu Legitimität und Grenzen parteilpolitischer Auswahlkriterien im öffentlichen Dienst. Auch vielfältige Aktivitäten sind denkbar, doch will ich sie hier nicht schildern, da sie allzu visionär wirken könnten, zumal Menschen mit Visionen nach einem Wort des Altbundeskanzlers Helmut Schmidt ins Irrenhaus gehören. Schließlich sei zur Frage der Sinnhaftigkeit eines solchen rotarischen Engagements auf zwei praktische Maximen hingewiesen, die mir mein Vater aufgrund seiner Lebenserfahrung mit auf den Weg gegeben hat: Es kommt alles raus; stolpere nicht über Kleinigkeiten. Manchen bedeutenden und unbedeutenden Persönlichkeiten und Unternehmen ginge es jetzt besser, wenn sie sich danach gerichtet hätten; fast jeden Tag besteht Anlass zu dieser Feststellung. Der Lohn für berufsethisch und berufsrechtlich korrektes Verhalten muss nicht erst im Himmel kommen. 3