Neue Tierarten in Ravensburger Streuobstwiesen entdeckt

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HOLSTEIN: Trauermücken
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Trauermücken (Diptera: Sciaridae)
Neue Tierarten in Ravensburger Streuobstwiesen entdeckt !
Joachim Holstein
Im Rahmen ökologischer Untersuchungen über die Lebensgemeinschaft Streuobstwiese wurden in Streuobstwiesen bei Ettmannsschmid und Krebserösch drei
der Wissenschaft bisher unbekannte Trauermückenarten entdeckt (HOLSTEIN et
al. 1994). Sie wurden inzwischen beschrieben und heißen Corynoptera vitella,
Lycoriella palposa und Bradysia ravensburgensis (RUDZINSKI & DRISSNER
1992, 1994). B. ravensburgensis wurde erst auf den zweiten Blick als neue Art
erkannt, denn zuerst wurde sie für die nah verwandte B. cinerascens gehalten.
Trauermücken sind kleine, durchschnittlich etwa 3mm große, düster gefärbte
Mücken, die in fast allen Lebensräumen zu finden sind. Sie wurden nur selten bei
der Nahrungsaufnahme beobachtet und ernähren sich wohl von in Pflanzensäften
oder Tautropfen gelösten Stoffen, die sie auflecken. Stechen können sie nicht.
Ihre Larven leben im Boden und entwickeln sich in zerfallendem pflanzlichen
Material wie Totholz oder in der Laub- und Nadelstreu. In manchen
Lebensräumen, wie etwa bodensauren Nadelwäldern, in denen die eigentlichen
Streuzersetzer wie Regenwürmer, Schnecken und Tausendfüßler fehlen, sind sie
mit die wichtigsten Zersetzer der pflanzlichen Bestandsabfälle (FUNKE 1983).
Auch aus diesem Grunde wäre es für Entomologen angebracht, sich intensiver mit
dieser Dipterenfamilie zu beschäftigen. Bei ökologischen Untersuchungen
werden Trauermücken oft in großen Mengen als „Beifang“ erfaßt und wandern in
ein Magazin oder werden weggeworfen, weil es niemanden gibt, der sie
bearbeiten kann. Dabei können sie eine Schlüsselfunktion im Stoffumsatz des
Ökosystems innehaben.
In der insektenkundlichen Literatur werden Trauermücken meist nur sehr knapp
abgehandelt. Fast immer Erwähnung findet jedoch ein sehr selten beobachtetes
Phänomen, das auch nur von wenigen, insbesondere einer Art bekannt ist,
nämlich die Bildung eines sogenannten „Heerwurms“. Dabei finden sich die etwa
7-10mm langen ausgewachsenen Larven im Sommer bei feuchtem Wetter und
vor allem nachts zu riesigen Wandergesellschaften zusammen. Bei der Art Sciara
militaris soll dieser „Heerwurm“ im Durchschnitt 4 m lang sein; es sollen aber
auch schon welche mit über 10 m Länge und 15 cm Breite beobachtet worden
sein, mit einer Wandergeschwindigkeit von etwa 1 m pro Stunde (JACOBS &
RENNER 1988).
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Mitt.Natursch.RV 3, 1997
Trauermückenarten sind sehr schwer voneinander zu unterscheiden und es gibt
nur wenige Spezialisten, die sich intensiv mit diesen Tieren beschäftigen. Die
Bestimmungsliteratur ist sehr spärlich und auch die Bestimmung selbst ist sehr
aufwendig, da sie eine detaillierte Präparation unter dem Mikroskop erfordert. So
wurde diese Mückengruppe von den Insektenforschern sträflich vernachlässigt
und immer wieder werden neue Arten entdeckt.
Die wichtigsten Bestimmungsmerkmale finden sich auf den Vorderbeinen, dem
Flügelgeäder, den Lippentastern, den Fühlern und vor allem bei den männlichen
Genitalien. So kommt es, daß aufgrund des Mangels an ausreichenden
Unterscheidungsmerkmalen die Weibchen oft in Bestimmungsschlüsseln gar
nicht berücksichtigt wurden. Von vielen Arten sind daher die Weibchen allein gar
nicht bestimmbar. Bei wenigen Spezies weisen die Weibchen reduzierte Flügel
auf, so daß diese oft gar nicht als Mücken erkannt werden.
Für Larven gibt es überhaupt keinen Bestimmungsschlüssel, so daß man sie nur
bestimmen kann, wenn man abwartet bis sich diese verpuppt haben und aus der
Puppe dann die erwachsenen Mücken schlüpfen.
Weibchen von Bradysia affinis, ca. 4 mm lang.
In Deutschland gibt es etwa zwischen 250 und 350 Arten, so genau weiß man das
nicht, denn fast jedes Jahr kommen ein paar neue hinzu. Der Name
„Trauermücken“ bezieht sich auf ihre düstere braune bis schwarze Färbung.
Aufgrund der schwierigen Artbestimmung behaupten manche frustrierten
Insektenforscher jedoch ihr Name komme daher, daß es insgesamt eine sehr
traurige Angelegenheit wäre, sich mit diesen Tieren zu beschäftigen. Dafür
HOLSTEIN: Trauermücken
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bezeichnend ist auch der folgende Satz, den der finnische Mückenforscher Prof.
Carl Lundström auf die Titelblätter der seinerzeit in seinem Besitz befindlichen
Sciaridenabhandlungen von Winnertz (auch Mückenforscher) geschrieben hat:
„Tufri från detta“ („Gott behüte“). Die Trauermücken sind also seit jeher die
Sorgenkinder der Dipterologen (Fliegen- und Mückenforscher) gewesen, und ihr
Name ist auch aus diesem Gesichtspunkt heraus sehr am Platze.
Literatur:
FUNKE, W. (1983): Arthropodengesellschaften mitteleuropäischer Wälder Abundanz und Biomasse - Eklektorfauna. Verh. Ges. Ökol. 11: 111-128.
HOLSTEIN, J., DRISSNER, J., WALLISER, G., WEBER, D. U. EISLER, M. (1994):
E+E-Vorhaben auf dem Gebiet des Naturschutzes "Streuobstwiesen im
Landkreis Ravensburg". Zoologischer Teil, Abschlußbericht an das Bundesamt
für Naturschutz (BfN), Bonn.
JACOBS, W. & RENNER, M. (1988): Biologie und Ökologie der Insekten. 2. Auflage, Fischer, Stuttgart - New York.
RUDZINSKI, H.-G. & DRISSNER, J. (1992): Neue Sciariden aus Deutschland
(Diptera: Nematocera). Entomol. Zeitschr. u. Insektenbörse 102(12): 223-227.
RUDZINSKI, H.-G. & DRISSNER, J. (1994): Bradysia ravensburgensis n.sp., eine
neue Trauermücke aus der Bradysia brunnipes-Gruppe (Diptera: Sciaridae).
Entomol. Zeitschr. u. Insektenbörse 104(11): 218-220.
Anschrift des Verfassers:
Dr. Joachim Holstein, Pfarrstraße 10, 73333 Gingen/Fils
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