Darsteller/innen: Ellen Richter (Olly Bernard) ø Alfred Gerasch (Henry Bernard, ihr Mann) ø Walter Janssen (Felix Granier) ø Frieda Richard (Frau Granier, seine Mutter) ø Philipp Manning (Der Minister) ø Robert Garrison (Emil, genannt Eierkopf) ø Harry Lambertz-Paulsen (Boxerkarl) ø Adolf Klein (Der Gerichtspräsident) ø Hugo Werner-Kahle (Der Staatsanwalt) ø Karl Platen (Diener bei Bernard). konnten. Das Originalnegativ ist vollständig, weist jedoch Fehler im Szenenablauf auf. Dieser konnte anhand im Negativ erhaltener Einstellungsnummern der Cutter sowie einer Zensurkarte aus dem Deutschen Filminstitut – DIF, Frankfurt am Main berichtigt werden. Ein Virageplan wurde anhand von Farbangaben im Negativ und der viragierten Kopie erstellt. Soweit vorhanden, konnten die originalen Produktionsfirma: Ellen Richter-Film-Gesellschaft der Universum-Film AG (Ufa), Berlin. ø Produzentin: Ellen Richter. ø Aufnahmeleitung: Max Paetz. ø Format: 35 mm, schwarzweiß (viragiert), stumm. ø Länge: 2.736 Meter. ø Zensur: 9.11.1925, B.11690 (2.736 Meter, 5 Akte), Jugendverbot. ø Uraufführung: 16.11.1925, Frankfurt am Main, SchumannTheater. ø Premiere Berlin: 19.11.1925, Ufa-Lichtspiele Tauentzienpalast. Deutsche Kinemathek Retrospektive Luis Buñuel Arbeitstitel: „Weltstadtnächte“. Kopie: Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden, 2.692 Meter, 108 Minuten bei 22 b/s (Restaurierte Fassung von 2006). ø Mit SCHATTEN DER WELTSTADT aus dem Jahr 1925 legt die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung die restaurierte Version eines Kriminal-Melodrams vor, in dem die heute nahezu vergessene Stummfilmdiva Ellen Richter im Mittelpunkt steht und das sie auch als Produzentin verantwortet hat. Bei Entstehung des Films blickt Ellen Richter bereits auf eine zehnjährige Karriere als Heldin in Kriminalfilmen und Melodramen zurück. Anfang der zwanziger Jahre gewinnt sie Unabhängigkeit durch die Gründung ihrer eigenen Produktionsfirma. Ihr Ehemann Willi Wolff schreibt ihr die Rollen auf den Leib und übernimmt auch die Regie. SCHATTEN DER WELTSTADT bietet der Diva einmal mehr Gelegenheit, „ihre Kunst zu zeigen. Von tiefster Tragik muß sie zu tändelnder Spielerei hinübergleiten, sie muß seelenvoll, ergreifend, rührend, neckisch, zärtlich, sanft sein (…)”. (Berliner Lokal-Anzeiger, 22.11.1925.) Dieser Film von und mit einer der wichtigen Protagonistinnen und Produzentinnen der zwanziger Jahre war lange Zeit nicht mehr zugänglich. Im Bundesarchiv–Filmarchiv Berlin/Koblenz fanden sich jedoch sowohl das Originalnegativ als auch eine unvollständige viragierte Kopie, auf deren Grundlage die Restaurierungsarbeiten durchgeführt werden Zwischentitel der Nitrokopie verwendet werden. Die meisten Zwischentitel wurden jedoch anhand der Blitztitel des Negativs neu hergestellt. Die Kopier- und Titelarbeiten wurden bei L’Immagine Ritrovata, Bologna, ausgeführt. Anke Wilkening, Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden. Es handelt sich um einen ganz ausgezeichneten Kriminalfilm. Im Boudoir der Frau eines höheren Staatsbeamten, der durch skrupellose Ausnutzung der Schönheit seiner Gattin Karriere gemacht hat, stirbt der Präsident am Herzschlag, als er sich den „Lohn“ für seine Empfehlung und Förderung holen will. In demselben Boudoir findet man am nächsten Morgen Bernard, den Gatten, mit einer Papierschere erdolcht. Olly Bernard steht im Verdacht die Täterin zu sein. Eine vortrefflich gesehene Gerichtsverhandlung entrollt sich vor unseren Augen, deren Ergebnis ein Freispruch wegen Mangels an Beweisen ist. Jedoch wird Olly ihrer Freiheit nicht froh, denn Granier, ein junger Journalist, den sie liebt, wendet sich von ihr. Sie sucht den wahren Mörder ihres Gatten, 11 Special Events Deutschland 1925. ø Regie: Willi Wolff. ø Regie-Assistenz: Rudolf Sieber. ø Drehbuch: Willi Wolff, Robert Liebmann. ø Kamera: Axel Graatkjaer (= Axel Sörensen). ø Dirigent der Premierenmusik: Guiseppe Becce. ø Bauten und Dekorationen: Hans Sohnle, Otto Erdmann. SCHATTEN DER WELTSTADT : Ellen Richter 58. Internationale Filmfestspiele Berlin 2008 Retrospektive Luis Buñuel SCHATTEN DER WELTSTADT Special Events sucht ihn in ganz Paris und findet schließlich einen, der darum weiß, in einen Verbrecherkeller; fast geht es ihr ans Leben und ihm auch. Im rettenden Moment erscheint die Polizei und am nächsten Tag stellt sich der wahre Mörder freiwillig den Gesetzen – er heißt Granier. Dieser Film ist im Manuskript reich an Effekten, an dramatischer Steigerung der Handlung und an Überraschungen. Welch grausiger Witz beispielsweise, als Bernard den toten Präsidenten als betrunken in ein Auto lädt und dem Chauffeur die angebliche Hausnummer des Fahrgastes zuruft. Diese Hausnummer trägt der Friedhof. Welche ausgezeichnete Idee, den Fassadenkletterer im Gerichtssaal als Kritiker des Staatsanwalts auftreten zu lassen. Gerade die Gerichtssaalszenen sind eindringlich gesehen, bieten vielleicht etwas zuviel Großaufnahmen, bringen aber durch die bis zum Schluß anhaltende Spannung keine Minute der Länge. Da die Bauten und die Photographie den Regieeinfällen Dr. Wolffs ebenbürtig zur Seite stehen, ergab sich ein technisch und künstlerisch sehr guter Bildstreifen. (…) S-r. in: Der Film (Berlin), Nr. 47, 22.11.1925. Was hier, von der Sonne Ellen Richters beschienen, unter der Regie von Dr. Willi Wolff entstanden ist, ist nicht mehr und nicht weniger als die Wiederauferstehung des schon lange tot geglaubten Kriminalfilms, mit einer rätselhaften Mordaffäre und einem bitteren Frauenschicksal in der Mitte, mit perfiden, schurkischen Männern auf der einen Seite, mit Edelingen auf der anderen. Wenn das alles mit einer so hohen Spannung, die dennoch nicht unter einem sonst oft beobachteten Mangel an Elastizität leidet, gemacht ist, dann können wir getrost sagen, daß dieser Film für ein Publikum, das Atemlosigkeit als Lebenselixier nötig hat, schon geeignet ist. Wichtig und wesentlich ist die Milieuzeichnung und die Darstellung. Die Szenen unter den „Verrufenen“, im Verbrecherkeller, könnten einem Feuilleton von Leo Heller nachgeformt sein. Ellen Richter ist wieder Dame von Welt. In repräsentativen Szenen ist sie am Platz. In gesteigerten Szenen vermißt man die Blutwärme. Walter Janssen gibt einem Idealisten nicht das Format der Rolle. Sein müde-intellektuelles Lächeln sagt zu wenig. Überraschend gut Robert Garrison als Verbrecher, ebenso Lambertz-Paulsen als sein „Chef“. h. in: Reichsfilmblatt (Berlin), Nr. 47, 21.11.1925. 12 (…) Ein französisches Boulevardstück in filmischer Gestalt (…), nach dem Prinzip „Spannung um jeden Preis“ gearbeitet. Willi Wolffs Regie zeigt wie stets den gewandten Arrangeur. Er arbeitet mit dem bewährten Mittel des Kontrastes, stellt Gesellschaftsszenen gegen Kaschemmenmilieu und bringt einen bemerkenswert gegliederten Gerichtsakt. Die Realität, die Wolff bringt, ist allerdings eine geschminkte Realität, die durch literarische bzw. theatralische Vorlagen inspiriert ist. Dieses Kaschemmenmilieu ist äußerst geschickt gestellte Kulissenwelt; aber da das große Publikum nun einmal der Kulisse vor der ungeschminkten Gestaltung der Wirklichkeitswelt stets den Vorzug gibt, wird der Film gerade dadurch die Menge gewinnen. Ebenso wie durch die nur in und bei „Romanen“ mögliche Voraussetzungen, daß die Heldin zu nächtlicher Stunde durch die verrufenen Viertel von Paris irrt, um den Mann zu suchen, der ihr möglicherweise über den wahren Mörder ihres Mannes Auskunft erteilen kann. (…) Ellen Richter in der Hauptrolle die Primadonna in Reinkultur. Jeder Blick ein Volltreffer, jede Bewegung auf dekorative Wirkung gestellt. Kein Mensch, aber ein schillerndes Theaterwesen von blendendem Augenreiz, in den Kaschemmenszenen hier und da mehr als das. Eine Gestalt, wie aus einer Oper des jungen Verdi oder des Donizetti. Durch ihre Rassigkeit das große Publikum faszinierend. Ausgezeichnet trifft Gerasch die Brutalität des angenehmen Ehemannes. Janssen gibt dem Journalisten, der aus Liebe zum Mörder wird, die sympathische Passivität, die seine besondere Note ist. Frieda Richard gibt in einer Szene eine psychologische Studie, die restlos ins Optische projiziert ist. Und unerhört sind zwei Kaschemmentypen Garrison und Lambertz-Paulsen. Garrison gibt eine Figur, die durch das Auge eines Zille gesehen ist. Der zerlumpte Kerl, der sich noch ein Restchen Seele bewahrt hat. Unvergeßlich der Blick, mit dem er die Schlußworte begleitet: „Sind Sie nun glücklich?“ Hier fällt auf die Kaschemmengestalt ein Strahl aus der Welt Tolstois. LambertzPaulsen: eine Hyäne der Großstadt. Primitive Brutalität, die in den Dienst stählerner Energie gestellt ist. Ein Kondottiere der Pariser Vorstadt. Eine der stärksten Begabungen des deutschen Films. Sehr stilgerecht sind die Bauten von Sohnle und Erdmann. Der Film ist unbedingt ein Publikumsschlager ersten Ranges. M-s. (= Heinz Michaelis) in: Film-Kurier (Berlin), Nr. 273, 19.11.1925.