16-20 p 090_086_nl 19.03.10 13:34 Seite 16 16 THEME Jean-Paul Buchs Die Armeeapotheke als Pfeiler in der Pandemiebekämpfung Summary The pharmaceutical department of the Swiss Army Health System is in charge of a sufficient supply of vaccine, especially in urgent cases, as recently experienced with the influenza H1N1 pandemic. Two distribution pathways were used: Pandemrix® was distributed to the Cantons, but not before its final aliquot shares into vials was done at the Military Pharmacy. GMP conditions were respected, with storage in the pharmacy’s cold rooms. Celtura® and Focetria®, both from Novartis, were distributed directly to the Cantons by Novartis through a specialised supplier. Figure 3 summarises the involved agencies in the preparations to cope with the H1N1 virus pandemic. The example shows how the pharmaceutical department of the Swiss Army may be engaged to cope with urgent situations in health care. Urs Nydegger Im Rahmen der vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) geplanten Impfaktion mit H1N1-Impstoff war die Armeeapotheke (AApot) als logistisches Kompetenzzentrum der Armee und der Bundesverwaltung für pharmazeutische Produkte, Medizinprodukte und Medizintechnik in die Beschaffung, Lagerhaltung und Verteilung eingebunden. H1N1-Impfstoffe Die Versorgung mit H1N1-Impfstoff basierte auf den drei Impfstoffen Pandremix®, Celtura® und Focetria®. Die Verteilung der drei Produkte an die von den Kantonen bestimmten Anlieferadressen erfolgte über zwei verschiedene logistische Wege: Das GlaxoSmithKline-Produkt Pandemrix® wurde über die ALLOGA AG1 an die Kantone weiterverteilt. Bevor die Verteilung allerdings vorgenommen werden konnte, musste das Produkt endkonfektioniert werden. Die 6. Die Alloga meldet die Auslieferungen an die Armee Apotheke und stellt Rechnung für die Logistik. 2. GSK liefert ab ca. Ende September den Grippeimpfstoff in Tranchen Armeeapotheke 3. Die Armee Apotheke infomiert die Alloga über die Mengen und Anlieferorte der einzelnen Kantone 1. Die Kantone melden der Armee Apotheke die Anlieferorte für den Grippeimpfstoff 4. Die Armee Apotheke liefert der Alloga für die Lagerung und anschl. Auslieferung an die Kantone den Grippeimpfstoff inkl. den dazu benötigenden Nadeln und Spritzen 5. Die Alloga lagert und liefert gemäss den Angaben von der Armee Apotheke den Grippeimpfstoff sowie die Nadeln/Spritzen an die Anlieferorte der Kantone aus. = Infofluss = Materialfluss Abbildung 1 Logistik Pandemrix®. (Quelle: Dr. Thomas Meister, LBA, Armeeapotheke, Chef Bereich Pharmaprodukte und -technik) Originalpackung 500 Dosen à 0.5 mL Abbildung 2 Originalpackung Pandemrix®. Lieferung des H1N1-Antigens und Verpackungsmaterials durch den Hersteller erfolgte an die Armeeapotheke. Die Lagerung und die Endkonfektionierung zum handelsüblichen Produkt (vgl. Tab. 1) erfolgten unter GMP-Bedingungen2 im Kühlraum (2 bis 8 °C) der Armeeapotheke. Bei diesem Prozess wurden je 50 Vials H1N1-Antigen mit 2 x 25 Vials Adjuvans, 1 Packungsbeilage und 50 Stickers3 zum marktfähigen Arzneiprodukt zusammengefügt. Als Adjuvans wurde das unter GMP-Bedingungen gelagerte, zusammen mit dem H5N1-Pre-PandemieImpfstoff beschaffte Adjuvans verwendet. Die Lieferung des Impfstoffs an die Kantone erfolgte unter Einhaltung der Kühlkette (2 bis 8 °C) inkl. des not- wendigen Injektionsmaterials (s. «Medizinprodukte») Für die beiden Novartis-Produkte Celtura® und Focetria® erfolgte die Verteilung an die Kantone über die Voigt AG4. Unter Einhaltung der Kühlkette (2 bis 8 °C) und inklusive des notwendigen Injektionsmaterials (s. «Medizinprodukte») wurde der Impfstoff an die Kantone ausgeliefert. Antivirale Medikamente Im Auftrag des BAG lagert die Armeeapotheke Tamiflu®-Kapseln (30, 45 und 75 mg) als Bundesreserve. Die Reserve kann kurzfristig über den Pikettdienst (365 Tage/24 Stunden) der Armeeapotheke abgerufen und dem Gesundheitswesen Schweiz zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich werden zu Gunsten des Eidgenössischen 1 Logistisches Unternehmen der Galenica Gruppe. 2 GMP: Gute Herstellungspraxis/Good Manufacturing Practice nach EG-GMP Leitfaden, EudraLex Vol. 4. Abgeleitet von GXP «Good Manufacturing Practice», x als Platzhalter für C = Clinical, L = Laboratory, D = Distribution/Vertrieb, S = Storage, etc. 3 Stickers: Klebeetiketten mit aufgedruckter Chargennummer zur Dokumentation im Impfausweis/ auf dem Impfblatt 4 Pharma-Grosshändler 16-20 p 090_086_nl 19.03.10 13:34 Seite 17 THEME NR. 2 | MÄRZ 2010 Tabelle 1 Produkteübersicht Produkt Hersteller Packungsgrösse Bemerkung Anzahl Impfdosen Pandemrix® GlaxoSmithKline (GSK) 500 Impfdosen (1 x 50 Vials Antigen und Impfstoff muss rekonstituiert werden 2 x 25 Vials Adjuvans) Celtura® Novartis 10 Impfdosen (10 Fertigspritzen) Antigen und Adjuvans bereits gemischt Focetria® Novartis 100 Impfdosen (10 Vials à 10 Dosen) Antigen und Adjuvans bereits gemischt beschafft. Die Verteilung an die Kantone erfolgte gemeinsam mit dem Impfstoff über die beiden oben erwähnten zivilen Partner. Im Zuge bzw. im Nachgang zur weltweiten SARS-Epidemie (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom) beschaffte die Armeeapotheke im Auftrag des BAG 30 Mio. Hygienemasken (Typ II). Die Lagerhaltung wurde durch die Armeeapotheke sichergestellt. Die Verteilung an die einzelnen Kantone und innerhalb der Bundesverwaltung erfolgte in den Sommermonaten 2010 gemäss Auftrag und Verteilschlüssel des BAG bzw. der Bundeskanzlei. ternehmen untersteht die Armeeapotheke dem Heilmittelgesetz, wird vom Regionalen Heilmittel-Inspektorat im Auftrag der Swissmedic inspiziert und verfügt als einziger Bundesbetrieb über: – eine Betriebsbewilligung der Swissmedic zur Herstellung von Arzneimitteln, – eine Bewilligung der Swissmedic zur Einfuhr, zum Grosshandel und zur Ausfuhr von Arzneimitteln, – eine Bewilligung des BAG für die Einrichtung und den Betrieb von medizinischen Röntgenanlagen, – Produktionsanlagen zur Herstellung von Parenteralia (Infusionen und Injektionslösungen), Tabletten, Salben, Desinfektionsmitteln, sowie externen und oralen Lösungen, – ein pharmazeutisches Qualitätskontrolllabor, – Lagerkapazitäten zur Lagerung von Medikamenten, Sera und Impfstoffen (Kühl- und Gefrierräume) sowie Medizinprodukten und – medizintechnische Werkstätten zur Instandhaltung und Prüfung von medizintechnischem Spezialmaterial. Sie ist verantwortlich für die Sicherstellung der materiellen Bereitschaft des Armee-Sanitätsdienstes und ist zentrale Beschaffungsstelle für Sanitätsmaterial für die Bundesverwaltung. Sie erfüllt mit ihren ca. 70 Mitarbeitenden die folgenden Grundaufträge: – Versorgung der Kunden (in der ordentlichen Lage) mit pharmazeutischen Produkten und Medizinprodukten. – Notversorgung (inkl. Eigenproduktion) mit Medikamenten zu Gunsten der Armee und Zivilbevölkerung im Rahmen des Koordinierten Sanitätsdienstes (KSD). Departements des Äusseren (EDA) Tamiflu®-Kapseln als Reserve für Botschaften und Auslandschweizer gelagert. Die oben erwähnte Lagerung von Tamiflu® ist unabhängig vom Pflichtlagerhaltungsvertrag «Oseltamivir (Tamiflu®)», der vom Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) mit der Herstellerfirma abgeschlossen wurde. Das Pflichtlager umfasst Bulkware, die gegebenenfalls zum Handelspräparat verarbeitet wird. Als zweiter antiviraler Wirkstoff wird eine kleine Menge Zanamivir (Handelsprodukt Releza®, GSK) als Bundesreserve zu Gunsten des Gesundheitswesens Schweiz vorrätig gehalten. Notfall-Lieferungen erfolgen ebenfalls über den Pikettdienst der Armeeapotheke. Medizinprodukte Die für die Rekonstitution des Impfstoffs Pandemrix® sowie die Injektion der verschiedenen H1N1-Impfstoffe (Pandemrix®, Celtura®, Focetria®) notwendigen Spritzen und Nadeln wurden zentral durch die Armeeapotheke Gesundheitswesen Pandemieplan Vorgaben und Empfehlungen BAG Logistik Zusammenarbeit auf Bundesebene In die Pandemievorbereitungsarbeiten waren, auf Stufe Bund verschiedenste Bundesstellen involviert. Summarisch kann diese Zusammenarbeit wie in Abb. 3 dargestellt zusammengefasst werden. Armeeapotheke Als ein im pharmazeutischen und medizintechnischen Umfeld tätiges Un- Heilmittelmarkt Risikoanalyse der Versorgung CH XQG Pflichtlager - Beschaffung - Lagerung - evtl. Produktion Abbildung 3 Zusammenarbeit auf Bundesebene. (Quelle: Dr. Thomas Meister, LBA, Armeeapotheke, Chef Bereich Pharmaprodukte und -technik) 17 16-20 p 090_086_nl 19.03.10 13:34 Seite 18 18 THEME – Pharmazeutische und medizintechnische Qualitätssicherung. – Sicherstellung der fachtechnischen Einsatzbereitschaft der Militärspitäler und pharmazeutischen Produktionsanlagen der Armee. – Betreuung von medizin- und spitaltechnischem Spezialmaterial. – Bevorratung pharmazeutischer Produkte und Medizinprodukte zusam- men mit Bund (u.a. BAG, BWL), Kantonen (z.B. Kantonsapotheker) und Industrie (pharmazeutischeund medizintechnische Firmen). Die Armeeapotheke ist in der Logistikbasis der Armee (LBA) eingegliedert und erbringt seit Jahren zu Gunsten der Schweizer Bevölkerung und des Gesundheitswesens Schweiz im Sinne einer «Bundesapotheke» umfangreiche Dienstleistungen für zivile Departemente der Bundesverwaltung. Korrespondenz: Dr. pharm. Jean-Paul Buchs Logistikbasis der Armee Armeeapotheke Chef Bereich Qualitätssicherung Worblentalstrasse 36 CH-3063 Ittigen [email protected] Christian Griot1, Werner Wunderli2 Neue Viren, neue Krankheiten Virusinfektionen bedeuten eine grosse Belastung für das öffentliche Gesundheitssystem. Es wird davon ausgegangen, dass weltweit jährlich über 20 Millionen Menschen an Virusinfektionen sterben, davon rund 600 000 Kinder allein an Masern. Zoonosen sind Krankheiten, die vom Tier auf den Mensch übertragen werden können. Weil 75% der neuen Krankheiten («emerging and re-emerging diseases») über ein zoonotisches Potential verfügen, haben diese in den letzten Jahren an Beachtung und an Bedeutung gewonnen [1]. Tiere, einschliesslich Wildtiere und Arthropoden, dienen als Reservoir für zoonotische Viren. Ein gutes Beispiel ist das SARS-Virus, das im Jahre 2003 schwere respiratorische Erkrankungen beim Menschen auslöste. Dieses Virus wird durch die Zibetkatze und möglicherweise durch Fruchtfledermäuse übertragen. Auch Vektoren, wie Insekten (z.B. Mücken), spielten in den letzten Jahren eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung. Sie verschleppen die Viren in verschiedene Regionen und verursachen Krankheiten bei Tier und Mensch. So auch im Fall des West-Nil-Fiebers (WNF), das 1 Institut für Viruskrankheiten und Immunprophylaxe, Mittelhäusern 2 Institut für Medizinische Virologie, Universität Zürich seit 1999 in weiten Teilen der Welt, einschliesslich Europa, auftritt. Für die wachsende Entstehung und Ausbreitung von zoonotischen Erkrankungen werden eine Reihe von Faktoren verantwortlich gemacht. Dazu gehören die Ausweitung des internationalen Tier- und Handelsverkehrs, die allgemeine Klimaerwärmung, demografische Änderungen, die Reisetätigkeit des Menschen wie auch verändertes Freizeitverhalten. Ohne Zweifel kommt dabei der genetischen Veränderbarkeit und dem sich daraus ergebenden Evolutionspotential vieler Viren eine besondere Bedeutung zu. Die vielen heute vorhandenen Viruserreger sind nicht zuletzt durch Mutationen und Rekombinationen entstanden. Für den Erreger ist es lediglich wichtig, sich an einen neuen Wirt anzupassen (Nischenfindung). Dieser Wirt muss nicht zwingend erkranken, sondern funktioniert wiederum nur als Reservoir. Arboviren sind häufig Auslöser von Krankheiten beim Mensch wie auch beim Tier [2]. Diese Gruppe von Viren wird von Arthropoden (Insekten) übertragen. Sie stellen keine eigentliche Virusfamilie im taxonomischen Sinn dar, sondern der Begriff umfasst vielmehr etwa 550 Vertreter aus verschiedenen Virusfamilien. Diese sind Bunyaviridae, Reoviridae, Flaviviridae, Togaviridae und Rhabdoviridae (Tabelle 1). Die überwiegende Anzahl der Arboviren gehört zu Virusfamilien, die eine Lipiddoppelmembran und ein proteinhaltiges Kapsid als Hüllen aufweisen (umhüllte Viren). Somit sind diese Viren empfindlich auf Lösungsmittel und Detergenzien. Des weiteren weisen sie eine geringe Stabilität gegen Hitze auf. Arbeiten mit infektiösen Arboviren sind unter erhöhten Biosicherheitsbedingungen durchzuführen, da diese Erreger überwiegend in die Risikogruppen 3 bzw. 4 eingeordnet sind. Arbovirus-Erkrankungen Von den 550 bekannten Arboviren sind 80 für den Menschen pathogen (z.B. Gelbfieber, Rifttal-Fieber, WestNil-Fieber). Wie epidemiologische Studien zeigen, ist der Mensch nur in einzelnen Fällen als Virusreservoir anzusehen und ist in der Regel ein sogenannter «dead-end host». Das durch Zecken (Ixodes ricinus) übertragene Virus der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) spielt in der Schweiz epidemiologisch eine wesentliche Rolle beim Menschen. Die Anzahl daran erkrankter Menschen hat in den letzten Jahren zugenommen (www.bag.admin.ch). Sechs virale Krankheiten beim Tier können durch Insekten oder Zecken übertragen werden. Es sind dies die Blauzungenkrankheit (BT), Afrikani-