der allergene- aufklärer

Werbung
WIRTSCHAFT
WIRTSCHAFT
TEXT
FOODNOTIFY
FOODNOTIFY
TEXT
DER ALLERGENEAUFKLÄRER
Ende 2014 hat Thomas Primus Foodnotify
gegründet, eine App zur Kennzeichnung von
Speiseinhaltsstoffen für die Gastronomie.
Noch in diesem Halbjahr steht das erste große
Investment ins Haus, und soeben erfolgte der
Roll-out der App in Deutschland. Alles kein
Grund, lockerzulassen: Primus will die USA.
TEXT: ELISABETH WODITSCHKA
FOTOS: JIŘÍ TUREK & JANA JABŮRKOVÁ
70 | FORBES
APRIL 2016
APRIL 2016
076-079 Food Notify-2_H_korrBP_korrST.indd 70
01.04.2016 16:37:58
076-079 Food Notify-2_H_korrBP_korrST.indd 71
FORBES | 71
01.04.2016 16:38:05
WIRTSCHAFT FOODNOTIFY
T
homas Primus hat die
Wiener Börse gegen die
Wiener Küche getauscht.
Der ehemalige Investmentbanker war nach acht
Jahren im Job nicht mehr zufrieden.
„Ich habe realisiert, wie diese Industrie
tickt, und das hat mir dann keinen
Spaß mehr gemacht. Ich habe es nicht
mehr ausgehalten und im April 2013
gekündigt.“ In die Vorbereitung für die
Selbstständigkeit investierte er ein
Jahr Zeit und hatte vor allem einen
Gedanken im Sinn: „Wenn man etwas
Eigenes beginnt, muss man damit
rechnen, fünf bis zehn Jahre mit diesem Thema beschäftigt zu sein – und
da war Essen für mich eine logische
Konsequenz“, so der Jungunternehmer über seine Sinnsuche. Daraus
folgt: Thomas Primus isst und kocht
gerne. Dabei gerät er auch schnell ins
Schwärmen: „Vor Kurzem habe ich ein
Gulasch gekocht. Das Lustige ist – und
das wissen die wenigsten –, wenn man
Gulasch macht, muss man die Zwiebeln richtig lange anbraten. Dann hat
man eine unschlagbare Basis und kann
nichts mehr falsch machen. Das
Fleisch dafür hatte ich von einem Bauern im Waldviertel. So ein Fleisch bekommt man in keinem Supermarkt.“
Bei der Güte der Zutaten und Speisen kennt er kein Pardon. Deswegen
sind ihm Wirte, die ihre Kunden „über
den Tisch ziehen“, ein Dorn im Auge.
„Der Konsument sollte öfter von seinem Recht Gebrauch machen, die
Speisen zurückzuschicken, vor allem
dann, wenn es sich um offensichtlichen Etikettenschwindel handelt, etwa
wenn eine Packerlsuppe als selbst gemachte Consommé angepriesen wird.“
Als Verfechter qualitativ hochwertiger
Kulinarik plädiert er für mehr Konsumenteninformation: „Was bestimmt
kommen wird, ist die Kennzeichnung
der Herkunft von Lebensmitteln.
Dann können sich auch jene Gastronomen abheben, die Mehrwert anbieten –
zum Beispiel qualitativ hochwertigeres
72 | FORBES
FOODNOTIFY WIRTSCHAFT
Fleisch aus Österreich statt billigen, mit
Antibiotika versetzten Produkten. Die
Menschen müssen auch mal darüber
nachdenken, warum jemand ein
Schnitzel um zwei Euro anbieten kann.“
So betrachtet ist die App Foodnotify die
Manifestation seiner hohen Ansprüche
an Nahrungsmittelinformation. Die
Gastro-App wurde Ende 2014 von Primus und seinen Co-Gründern
gelauncht.
Über ein Konzept für eine spielerische Rezepteplattform ähnlich kochabo.at und nach weiterer Recherche
kam der Gründer auf die Idee, die gesetzliche Not der Gastronomen, alle 14
Allergene ab Ende 2014 ausweisen zu
müssen, in eine unternehmerische
Chance umzuwandeln. Die Abo-App
umfasst mittlerweile 500.000 Artikel,
die Daten kommen von den Lebensmittelproduzenten, die bei Fehlangaben haften – der Gastronom ist damit
abgesichert. Man gibt einfach ein, welches Produkt man verwendet hat, so
werden alle allergenen Stoffe automatisch in die Beschreibung des Gerichts
eingefügt. Wer sämtliche Zutaten aller
Gerichte beisammenhat, kann das Ergebnis als Speisekarte exportieren. Ändert sich die Zusammensetzung einer
Zutat, wird der Gastronom informiert –
verwendet er die neue Variante, wird
die Speisekarte angepasst. Man kann
via App auch den Deckungsbeitrag
einer Speise ermitteln oder Lebensmittel bestellen. Ein Kooperationspartner seit der ersten Stunde, der
Lebensmittelgroßhändler Metro,
liefert die Bestellungen. Mit anderen
Lieferanten ist man zurzeit noch im
Gespräch. Auch Informationen zu
Nährwert oder Zusatzstoffen bietet die
App je nach Bedarf an.
Der Bedarf an diesem Service ist,
gemessen am Erfolg der Unternehmung, jedenfalls da: „Schon in unseren
ersten Tagen haben wir Umsatz gemacht. Dabei hatten wir zu Beginn,
2014, gerade mal 20.000 Artikel.“
„Wir haben von Anfang
an Umsatz gemacht,
dabei hatten wir zu
Beginn, 2014, gerade
einmal 20.000 Artikel
in unserer Datenbank.
Heute sind es 500.000.“
In den westlichen Industrienationen sind bis zu
40!% aller Menschen von Nahrungsmittelunverträglichkeiten
betroffen (Quelle: British Allergy Foundation, 2009).
Durch aktive Bewusstseinssteigerung und Aufklärung
ergibt sich ein Marktpotenzial von rund 45 Millionen
Betroffenen in der DACH-Region.
DIE 10 HÄUFIGSTEN NAHRUNGSMITTELUNVERTRÄGLICHKEITEN:
Quelle: Kiweno
53,5"%
Weizen
49,1"%
Kasein
46,6"%
Roggen
66,6"%
Hühnerei
61,3"%
Dinkel
37,3"%
41,5"%
Haselnuss
39,5"%
Mandel
36"%
Banane
33,5"%
Gluten
Senf
4.000 registrierte User, darunter 1.000
zahlende Kunden, hat das Start-up in
Österreich und Deutschland aktuell.
Mit 286.000 Gastronomiebetrieben in
der DACH-Region ist in Europa noch
reichlich Luft nach oben. Der Markteintritt beim großen Nachbarn vor
rund einem Monat via Metro war aber
erst ein guter Anfang. „Das war ein
perfektes Tandem. Wir boten die Innovation, Metro als Gastronomiezulieferer – aktiv in ganz Europa – die
Reichweite. Wie sonst hätte ich ohne
Riesenbudget, mit damals nur vier und
heute neun Mitarbeitern so eine Verbreitung erreichen können?“ Nächstes
Ziel: Die Schweizer Eidgenossen sollen in Sachen Nahrungsmittel ebenfalls aufgeklärt werden. „Wir führen
bereits Gespräche“, so Primus, der das
ganz große Ziel aber in den USA
wittert. Und überhaupt: „Wir wollen
lange nicht da, wo sie sein könnte“, so
der Unternehmer. Trotzdem, das Geschäft mit Essen und Gesundheit läuft
gut. Rund 40 Prozent der Menschen in
westlichen Industrieländern sind von
Lebensmittelunverträglichkeiten betroffen. Der weltweite Markt für
glutenfreie Lebensmittel ist in den
letzten fünf Jahren um 50 Prozent
gestiegen – dabei bringen „frei von“Lebensmittel meistens nichts, so Experten. Im Gegenteil: Unverarbeitete
Nahrungsmittel sind gesünder. Allein
in Österreich hat sich eine lebendige
Start-up-Szene in diesem Bereich gebildet. Ein Beispiel ist Kiweno, ein
Start-up, das Nahrungsmittelunverträglichkeits-Selbsttests anbietet und
kürzlich sieben Mio. € Mediavolumen
einheimsen konnte. Wie viel Foodnotify 2016 an Investitionen abräumen
wird, wird sich bald weisen.
APRIL 2016
APRIL 2016
076-079 Food Notify-2_H_korrBP_korrST.indd 72
Nahrungsmitteldaten auf der ganzen
Welt sammeln und aufbereiten.“ Hier
werden Datenschützer vielleicht hellhörig – das ehrgeizige Unternehmen
weckt aber vor allem das Interesse von
Geldgebern. „Wir sind mit mehreren
Investoren im Gespräch und prüfen
die Angebote. Es geht um siebenstellige Beträge. Im ersten Halbjahr 2016
wollen wir closen.“
Auch auf Kundenseite läuft es gut.
Von Anfang an waren – neben Metro –
namhafte Kunden wie der Spartenvertreter Tourismus und Freizeit der
WKO, Berndt Querfeld (u."a. Café
Landtmann), oder die Austria Trend
Hotels mit von der Partie. Seit Jänner
2016 jüngster Kunde ist Tim Mälzers
Salonplafond. „Sie wollen paperless arbeiten und sind damit echte Vorreiter“,
so Primus. „Die digitale Durchdringung in der Gastronomie ist noch
01.04.2016 16:38:06
076-079 Food Notify-2_H_korrBP_korrST.indd 73
FORBES | 73
01.04.2016 16:38:19
Herunterladen