69 10 Kinetik allgemeiner Systeme Durch Freischneiden der einzelnen Körper und Aufstellen von Impuls- und Drallsatz gelingt es grundsätzlich, die Bewegungsgleichungen eines Systems zu finden. Manchmal ist es jedoch zweckmäßiger, das System in seiner Gesamtheit zu betrachten. Schneidet man aus einem abgeschlossenen Massenpunktsystem einen einzelnen Massenpunkt heraus, so wirken auf diesen einerseits äußere Kräfte durch Wechselwirkungen oder Bindungen mit Elementen außerhalb des Systems, andererseits Kräfte durch Wechselwirkungen oder Bindungen mit anderen Massenpunkten des Systems. Die Axiome der Mechanik besagen, dass sich die inneren Kräfte jeweils paarweise in ihrer Wirkung aufheben (actio=reactio), d.h. sie haben nach außen weder eine Kraft- noch eine Momentenwirkung. Beim Aufsummieren der Impulssätze für die einzelnen Massenpunkte heben sich daher die inneren Kräfte vollständig heraus, so dass nur die resultierende äußere Kraft Einfluss auf die Änderung des Gesamtimpulses eines Systems hat. In gleicher Weise heben sich innere Momente heraus, weshalb sich die Änderung des Gesamtdralls eines System lediglich aus dem äußeren resultierenden Moment ergibt. Die Änderung des Gesamtimpulses lässt sich als Gesamtmasse multipliziert mit der Beschleunigung des Gesamtschwerpunkts formulieren, woraus der Schwerpunktsatz (oder auch Massenzentrumsatz) folgt. Integriert man Impuls- und Drallsatz über ein vorgegebenes Zeitintervall, ergeben sich daraus Impuls- und Drallbilanz für das abgeschlossene System. Dies wird sich bei Stoßaufgaben als vorteilhaft erweisen, wo man den exakten Zeitverlauf der Stoßkräfte nicht kennt. Beim nichtabgeschlossenen System verändert sich die Gesamtmasse durch Zu- oder Abströmen von Masse. Mit dem Massenstrom verknüpft ist ein Impulsstrom, der den Impuls des verbleibenden Systems verändert und damit zu einer Kraftwirkung führt. Bei der Rakete wird Masse mit hoher Geschwindigkeit nach hinten ausgestoßen und führt auf eine Schubkraft, bei einer Schöpfkelle muss die aufgenommene Masse auf die Geschwindigkeit der Schöpfkelle beschleunigt werden und verzögert sie dadurch. 70 10 Kinetik allgemeiner Systeme 10.1 Impuls- und Drallsatz für abgeschlossene Systeme Abgeschlossenes Massenpunktsystem abgeschlossenes System Ein System heißt abgeschlossen, wenn keine Masse über die Systemgrenze tritt. ³ F j(a) Auf jeden Massenpunkt³ m j wirken äußere Kräfte ³ F j(a) und innere Kräfte F jk(i). Letztere haben nach außen keine resultierende Kraft- und Momentenwirkung: ³ (i) ³ (i) mj F jk ) F kj + 0 ³ (i) ³ ³ F jk ) r k rj ³ (i) ³ Fkj + 0 ³ (a) m jr j + Fj ) ³ rj mk ³ rk ȍ Fjk ³ (i) O k0j Impulssatz für ein abgeschlossenes System Impulssätze für einzelne Massenpunkte: .. ³ .. ³ ³ .. ³ ³ ³ m 1r³1 + F1(a) ³ (i) (i) ) F 12 ) F 13 ) AAA ³ ³ (i) m 2r 2 + F2(a) ) F 21 (i) ) F 23 ) AAA ³ (i) (i) m 3r³3 + F3(a) ) F 31 ) F 32 AAA ) AAA Summation über das Gesamtsystem → innere Kräfte heben sich auf → Gesamtimpuls wird nur durch äußere Kräfte verändert ³ (a) d³ p+F dt ³ resultierende äußere Kraft F (a) + ȍ Fj(a): ³ j Gesamtimpuls des Systems ȍ mjrj p + ȍ m jr Cj Z Massenpunktsystem ³ p + . ³ Z Mehrkörpersystem ³ . ³ Z Kontinuum rj F jk F kj(i) ³ Für jeden Massenpunkt gilt der Impulssatz .. ³ . ³ ³ (i) ³ ³ p+ ŕ rdm dm . ³ ³ r O . ³ r 10 Kinetik allgemeiner Systeme 71 ³ (a) d³ p+F dt Massenmittelpunkt ³ 1 r C :+ m m jr³j mit m + ȍ ³ F (a) ȍ mj j j C .. ³ ³ (a) mr C + F Schwerpunktsatz: Der Massenmittelpunkt C eines abgeschlossenen Systems bewegt sich so, als seien die gesamte Masse und alle äußeren Kräfte in ihm vereinigt ³ rC abgeschlossenes System O Drallsatz für ein abgeschlossenes System ³ Der Drall eines Massenpunkts ist definiert als Impulsmoment L Oj + ³ rj ³ ³ pj + rj . ³ . m jr³j. ³ Durch Multiplikation der Impulssätze mit ³ r j ergeben sich die Drallsätze L Oj + M Oj: .. ³ ³ m 1r³1 + ³ r1 F 1(a) ³ m 2r³2 + ³ r2 F 2(a) ) ³ r2 (i) F 21 ³ m 3r³3 + ³ r3 F 3(a) ) ³ r3 ³ (i) F 31 )³ r3 r1 r2 r3 AAA .. .. ³ ³ )³ r1 ³ ³ ³ (i) F 12 )³ r1 (i) F 13 ) AAA )³ r2 (i) F 23 ) AAA ³ ³ (i) F 32 ) AAA Summation über das Gesamtsystem → innere Momente heben sich auf → Gesamtdrall wird nur durch äußere Momente verändert ³ ³ (a) dL + MO O dt ³ (a) resultierendes äußeres Moment M O + ȍ rj ³ ³ F j(a) j Gesamtdrall des Systems Z Mehrkörpersystem ȍ rj mjrj L + ȍ I Cjw j ) r Cj Z Kontinuum L+ Z Massenpunktsystem ³ ³ ³ ³ ³ L+ ³ ŕr ³ . ³ ³ . ³ rdm ³ . m jr³Cj 72 10 Kinetik allgemeiner Systeme 10.2 Impuls- und Drallbilanz für abgeschlossene Systeme Impulsbilanz ³ (a) d³ p+F dt Integration über Bewegung ³ ³ p2 + p1 ) ŕ t2 F (a) ³ (a) F (a) (t) F dt t1 Kraftstoß t1 ³ (a) Sonderfall: F ³ +0 å ³ p2 + ³ p 1 Impulserhaltung Drallbilanz ³ ³ (a) dL + MO O dt Integration über Bewegung ³ ³ L O2 + L O1 ) ŕ t2 ³ (a) M O dt t1 Momentenstoß ³ (a) ³ Sonderfall: M O + 0 å ³ ³ L O2 + L O1 Drallerhaltung t2 t 10 Kinetik allgemeiner Systeme 73 10.3 Impulssatz für nichtabgeschlossene Systeme ³* v abs .* System mit Massenausstoß m u 0 Massenbilanz für K ³ (a) F m(t ) dt) * m(t) dt (m * dm* ) * m + dt * . dm +* + * m* t 0 dt . m+ ³ (a) F v (t) ³ (a) ³ ³ (a) m dv + F dt ³ v ) dv³ ³ v ) dv³ * m * dm K(t) Bahn von K * * m* ³ v rel . dm v rel K(t ) dt) m p(t ) dt) + ³ p(t) ) F dt (t ) dt) ³ Impulsbilanz für Gesamtsystem ³ * ³* Raketengleichung Ausstoßgeschwindigkeit relativ*zur Rakete . Massenausstoß pro Zeit m*+ dm dt ³ . * ³* Schubkraft S + * m v rel äußere resultierende Kraft (ohne Schub) Beschleunigung der Rakete aktuelle Masse m(t) der Rakete Beispiel: Raketenstart v v m(t) m(t) m(t)g(z) m(t)g(z) z .* m v* rel S + m* v * rel . x * mv + * mg ) m* v rel . . oder . mv + * mg ) S 74 10 Kinetik allgemeiner Systeme ³ (a) F .) System mit Massenaufnahme m u 0 (t ) dt) ³ Massenbilanz für K v ) ³) dm m(t ) dt) * m(t) dt (m ) dm) ) * m + dt ) .) dm + +m u0 dt ³ (a) F ³) v abs (t) m v ) dv³ m ) dm K(t ) dt) v rel . m+ ³ ) ³ v K(t) Bahn von K Impulsbilanz für Gesamtsystem ³ (a) ³ ³ p(t ) dt) + p(t) ) F dt ³ ³ (a) m dv + F dt ) ) m) ³ v rel . ) ) Aufnahmegeschwindigkeit relativ zur Schöpfkelle ³ v rel + ³ v abs * ³ v ) .) dm Massenaufnahme pro Zeit m + dt ³ . ) ³) Druckkraft D + m v rel Beispiel: Schöpfkelle ³ ³) v abs + 0 F (a) v) rel + v v F (a) m) v D + m) v ) rel . m(t) mv + F (a) * m) v . . m(t) oder . mv + F (a) * D .