aus der Oper

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Universität für Musik
und darstellende Kunst Graz
Masterstudium Gesang
Künstlerische Masterarbeit
Zuzana Spót Ballánová
Matrikelnummer: 1073176
Musikalische und interpretative Analyse der
Arie der Gilda „Caro nome...“ aus der Oper
„Rigoletto von G. Verdi“
Zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Arts
Wissenschaftliche Betreuerin: Ao.Univ.Prof. Dr.phil. Renate Bozic
Künstlerische Betreuerin: Univ. Prof. Mag. Joanna Borowska-Isser
2016
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung.........................................................................................................2
2.
Wichtige Faktoren beim Kennenlernen eines Stückes.....................................4
3.
4.
2.1
Charakteristik der Musik in der Romantik ............................................................. 4
2.2
Giuseppe Verdi, sein Leben und Schaffen ............................................................... 5
Rigoletto...........................................................................................................8
3.1
Entstehung und Charakteristik dieser Oper ........................................................... 8
3.2
Die Uraufführung dieser Oper .................................................................................. 9
3.3
Das Bühnenbild der Oper Rigoletto im Teatro la Fenice ..................................... 11
3.4
Das Näherbringen des Geschehens ......................................................................... 11
„Gualtier Maldè... Caro nome...“...................................................................13
4.1
Musikalische und interpretative Analyse der Arie der Gilda aus dem 1. Akt der
Oper Rigoletto ........................................................................................................................ 13
5.
Zusammenfassung..........................................................................................21
Literaturverzeichnis...............................................................................................22
1. Einleitung
Für meine künstlerische Masterarbeit habe ich eine Arie ausgewählt, die eine
ganze Palette von positiven und fröhlichen Emotionen schildert. Die Oper, in welcher sie
erklingt, heißt Rigoletto und wurde von Giuseppe Verdi geschrieben. Diese Oper wurde
sehr schnell weltweit bekannt. In den ersten zehn Jahren nach der Uraufführung wurde
Rigoletto an etwa 200 Bühnen herausgebracht. Rigoletto wurde eigentlich überall
gespielt, wo es damals ein Theater gab, auch an solchen exotischen Orten wie Bombay
(1865), Batavia, Kalkutta oder Manila (1867). Seit ihrer Uraufführung am 11. März 1851,
das heißt seit über 160 Jahren, zählt diese Oper zum Standardrepertoire jedes Theaters
und gehört bis heute zu den am meisten gespielten Werken. Sogar Verdi war mit seiner
Arbeit an Rigoletto so zufrieden, dass er nach der Uraufführung im Endeffekt keine
Überarbeitungen noch Umarbeitungen machte (im Vergleich zu seinen anderen Opern,
wie zum Beispiel Simon Boccanegra oder Don Carlos).
In einem Brief an Antonio Somma1 aus dem Jahr 1853 schrieb Verdi über seine
Oper folgendes: „...Mir scheint, was die Bühnenwirkung betrifft, daß das beste Sujet, das
ich bisher in Musik gesetzt habe (ich will keineswegs vom literarischen und poetischen
Wert sprechen), Rigoletto ist. Es bietet gewaltige Situationen, Mannigfaltigkeit, Feuer,
Pathos; alle Verwicklungen entspringen dem leichtfertigen, zügellosen Charakter des
Herzogs; daher die Befürchtungen Rigolettos, die Leidenschaft Gildas usw. usw., die
viele höchst dramatische Momente ergeben, darunter die Szene des Quartetts, die was
die Wirkung angeht, stets zu dem Besten gehört, worauf unser Theater stolz sein kann...“2
Die Arie „Caro nome che il mio cor“, die ich für meine künstlerische Masterarbeit
ausgewählt habe, erklingt im ersten Akt dieser Oper und wird von einem Mädchen
gesungen, das sehr jung und naiv ist. Sie heißt Gilda und sie ist gerade während dieser
Arie überglücklich verliebt. Diese Emotionen der Verliebtheit werden in dieser Arie und
in dem vorangehenden Rezitativ reflektiert.
1
(1809-1865) Schriftsteller, Journalist, Anwalt und von 1840 bis 1847 Direktor des Teatro Grande in Triest.
Er verfaßte das Libretto zu Verdis Un Ballo in Maschera und arbeitete mit ihm am Re Lear.
2
Giuseppe Verdi. Briefe, hg. und übersetzt von H. B u s c h , Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am
Main 1979, S.49
2
Die Rolle der Gilda wurde für einen lyrischen Sopran mit Koloraturfähigkeiten
bzw. für einen Koloratursopran geschrieben, der auch die gehörige Dramatik mit der
Stimme vortragen kann.
In meiner Masterarbeit möchte ich die Arie der Gilda „Caro nome che il mio cor...“
mit dem vorangehenden Rezitativ näher beleuchten, und zwar von der historischen,
musikalischen und interpretatorischen Seite.
3
2. Wichtige Faktoren beim Kennenlernen eines Stückes
Wenn man ein Stück gut vortragen möchte, sollte man sich bei der Einstudierung
mit dem betroffenen Werk viel beschäftigen. Vor der technischen und musikalischen
Einstudierung sollte man sich für den wissenschaftlichen Hintergrund genügend Zeit
nehmen. Für mich persönlich ist es sehr wichtig, dass ich etwas über das Leben des
Komponisten lese sowie wichtige Informationen über den bestimmten Zeitraum erfahre,
wie z.B. wann das Stück geschrieben wurde und warum. Deswegen möchte ich mich in
diesem Kapitel mit dem Leben Giuseppe Verdis und mit der Epoche der Romantik
beschäftigen.
2.1
Charakteristik der Musik in der Romantik
Die Epoche der Romantik ist eine künstlerische Stilrichtung, die in der Musik im
Zeitraum vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
vorherrscht. Das Ende der Romantik in der Musik ist für manche Historiker mit dem Jahr
1949, dem Tod von Richard Strauss verbunden. Für die Musik, die in diesem Zeitraum
komponiert wurde, sind die Betonung des gefühlvollen Ausdrucks und nationale
musikalische Eigenheiten charakteristisch. Die Komponisten sind von den strengen
Prinzipen der klassischen Formen befreit, deswegen haben sie versucht eigene
musikalische und künstlerische Sprachen zu finden und zu bilden. Es gibt Versuche um
eine Individualisierung und Neuerung in der Musik, vor allem im Bezug auf die
musikalische Sprache, die sich in der Spätromantik auf die Harmonie von Richard
Wagners Tristan und Isolde stützt. Die Harmonien wurden komplexer und die
Verwandtschaft zwischen den Tonarten der Stücke wurde mit der Zeit komplizierter. Ein
Grund dafür war die immer häufiger eingesetzte Chromatik. Das Orchester wurde im
Laufe des 19. Jahrhunderts ständig durch Blasinstrumente erweitert und unterschiedlichste
Schlaginstrumente kamen häufiger zum Einsatz.
Das musikalische Leben der Romantik war durch die Bewunderung der
Virtuosität gekennzeichnet. Die Virtuosen dieser Zeit, wie z.B. Niccolò Paganini oder
Franz Liszt, traten bei großartigen Konzerten oder Opernvorstellungen auf. Die Musik
wurde zum einen in den Salons der Bourgeoisie betrieben, wo kleine musikalische Formen
wie Lieder, Kammermusik oder Stücke für Klavier, wie zum Beispiel Nocturne,
Präludium, Phantasie vorgetragen wurden, zum anderen in Konzertsälen, wofür die Solo
4
Konzerte, Symphonien, Sonaten, Symphonische Dichtungen, Symphonische Suiten
bestimmt waren, und auch in großen Opernhäusern.
Die Oper gliedert sich in zwei Richtungen: die Oper vor und nach der Reform
von Richard Wagner. Die erste Phase ist bekannt unter dem Namen „Belcanto“. Die
„Belcanto-Oper“ erlebte ihre Blütezeit in der Frühromantik in Italien und ist mit den
großen Opernkomponisten wie Vincenzo Bellini, Gioacchino Rossini oder Gaetano
Donizetti verbunden. Bei Rossini überwiegen in erster Linie komische Opern, bei Bellini
und Donizetti eher tragische Inhalte. Im „Belcanto-Stil“ ist der Gesangsspart durch große
Virtuosität und schöne Kantilenen gekennzeichnet. Das Orchester hat eine begleitende
Funktion und sollte den Gesang harmonisch und rhythmisch unterstützen. Dieser Typ von
Oper gliedert sich in geschlossene musikalische Nummern, dazu gehören die Arien,
Rezitative, Chöre, Ensembles und Ballettnummern. In Verdis Oper Rigoletto gibt es auch
noch vieles sozusagen Opernhaftes nach der Art von Rossini, Bellini und vor allem
Donizetti. Die meisten Nummern in Rigoletto benötigen weiterhin eine ausgezeichnete
Belcanto-Gesangstechnik. Daneben bekommen aber die Szenen eine immer größere
musikdramatische Durchdringung von Text und Musik. Die Handlung geht bei Verdi
nicht nur durch die Rezitative, sondern auch durch die Arien voran. Das Orchester erhält
eine verhältnismäßig selbständige Funktion, es ist nicht nur begleitend, sondern ergänzt
den Gesangspart und bereitet ihn vor bzw. beendet die Arie. Was die einzelnen
musikalischen Nummern betrifft, gibt es sie zwar bei Verdi, aber man sollte sie im Kontext
verstehen, als einen unendlich strömenden Fluss, wo die Zeit niemals still steht. So
wachsen die jeweiligen Szenen organisch zusammen und bilden eine Einheit nach einer
Art von Verdi.
2.2
Giuseppe Verdi, sein Leben und Schaffen
Der italienischer Komponist Giuseppe Verdi (1813-1901) gehört zu den größten
und bedeutendsten Vertretern der Opernliteratur. Er wurde am 10. Oktober 1813 in einem
kleinen Dörfchen Norditaliens, in Le Roncole, als Sohn des eine winzige Wirtschaft
führenden Carlo Verdi und dessen Gattin Luigia geboren. Obwohl Verdi aus bescheidenen
Verhältnissen stammte, erwies sich sein Talent schon in frühem Alter. Das Musikstudium
begann er bei Ferdinando Provesi in Busseto, wo er auch in der kleinen Kirche an
Sonntagen die Orgel spielte. Mit einer Unterstützung vom Mäzen Antonio Barezzi konnte
er nach Mailand übersiedeln und dort bei dem Kapellmeister der Mailänder Scala,
5
Vincenzo Lavigna, privaten Kompositionsunterricht nehmen. Im Jahr 1836 heiratete
Verdi die Tochter seines Gönners, Margherita Barezzi. Verdis erster Erfolg kam im Jahre
1839 mit seiner ersten Oper Oberto, conte di San Bonifacio, die an der Mailänder Scala
uraufgeführt wurde. Ein Jahr später erlebte seine zweite Oper Un giorno di regno, eine
Lustspieloper, ein Fiasko. Diese Oper wurde nach dem unerwarteten tragischen Tod seiner
Gattin Margherita komponiert. So ist es geschehen, dass Verdi im Laufe von wenigen
Jahren nicht nur seine Gattin, sondern auch seine zwei Kinder verlor. Während dieser
schweren Zeit des Verlusts und des musikalischen Misserfolgs resignierte Verdi beinahe.
Seine dritte Oper, Nabucco, die am 9. März 1842 an der Scala uraufgeführt wurde, brachte
ihm einen triumphalen Erfolg, nicht nur im musikalischen Bereich, sondern auch im
politischen. Nabucco wurde vom Publikum bejubelt. Am Ende der Vorstellung musste
man sogar den wohlbekannten Chor der hebräischen Sklaven aus dem 3. Akt „Va pensiero
sull’ali dorate“ wiederholen. Diese Idee der Freiheit, der neuen Hoffnung erfüllte die
Herzen des Volks, und so wie damals wird der Chor bis heute in ganz Italien gesungen.
Die weibliche Hauptrolle (Abigail) in Nabucco sang die berühmte Mezzosopranistin,
Giuseppina Strepponi, die bereits von Oberto bekannt war und die später zur idealen
Gefährtin Verdis für mehr als ein halbes Jahrhundert wurde. Die nächsten Opern, I
Lombardi alla prima crociata (Die Lombarden auf dem ersten Kreuzzug), Ernani und La
battaglia di Legnano (Die Schlacht von Legnano), wurden oft zu einer Manifestation des
italienischen Patriotismus, sowie Verdi gleichsam zu einem Kämpfer für gemeinsame
Ziele. So wurde der Name Verdis zu einer politischen Parole des vereinigten Italiens.
Wenn die Leute ihm Ruhm „Viva VERDI“ verkündeten, so feierten sie gleichzeitig auch
den König, der für die Unabhängigkeit des Landes kämpfte (V.E.R.D.I. = Vittorio
Emanuele Re D’Italia, d.h. Viktor Emanuel, der König Italiens). In die erste Phase von
Verdis Schaffen gehören weitere Opern wie Giovanna d’Arco (Die Jungfrau von Orléans),
Macbeth oder Luisa Miller, in denen Verdi teilweise an den Typ von Rossini-Opern
anknüpfte. Dieser Typ bevorzugte eine zweiteilige Arie, in der nach dem langsamen,
expressiven Teil eine schnelle, erstaunliche Cabaletta folgt. Die einzelnen Nummern der
Oper sollten die Geschichte eher verzögern, die nur in den Rezitativen nach vorne ging.
Im Vergleich zu Rossini entwickelte Verdi die Handlung nicht nur in den Rezitativen,
sondern auch in den Arien, was ermöglichte die Szenen kompakter, ganzheitlicher zu
gestalten, aber noch immer im Sinne einer Oper mit geschlossenen musikalischen
Nummern. In seine sozusagen zweite Schaffensperiode gehört die Dreiergruppe von
seiner berühmten Opern Rigoletto (1851), Il Trovatore (1853) und La Traviata (1853).
6
Diese Opern sind als Höhepunkt der klassisch erarbeiteten Opern mit geschlossenen
Nummern geschätzt. Zu politischen Stoffen, die vor allem für seine erste Schaffensperiode
charakteristisch sind, kehrte Verdi nach seiner berühmten romantischen Operntrilogie
zum Beispiel in Don Carlos oder Les vêpres siciliennees (Die sizilianische Vesper)
zurück. Die nächsten Opern La forza del destino (Die Macht des Schicksals), Simon
Boccanegra oder Aida sind in der instrumentellen und dramatischen Hinsicht
komplizierter gearbeitet. Das Orchester ist viel größer und hat einen volleren Klang, die
Partitur ist außergewöhnlich reich, die psychologische Entwicklung und Charakteristik
der einzelnen Figuren ist ebenfalls deutlicher gearbeitet. Giuseppe Verdi vertonte Stoffe
von mehreren Giganten der Literatur. Über Themen von William Shakespeares Dramen
schuf er Werke von fast unüberwindlichen Maßen, wo er die Genialität der großen
Dramatiker mit seiner eigenen Meisterschaft für die musikalisch-dramatische Sensibilität
verbinden konnte; und so konnte Verdi in den 80er Jahren seinen musikalischen
Höhepunkt mit den Opern Othello und Falstaff erreichen.
7
3. Rigoletto
3.1
Entstehung und Charakteristik dieser Oper
„...Rigoletto ist eine ganz andere Vorlage: ein Drama wilder Leidenschaften,
schwarzen Humors und Spotts, von groteskem Nebeneinander und bizarrer Logik.“3
Giuseppe Verdi
Im Jahr 1850 hat Marzari, der Präsident des Teatro la Fenice in Venedig, bei
Verdi wegen einer neuen Oper angefragt. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte Verdi am
intensivsten das Versdrama „Le roi’s amuse“ (Der König amüsiert sich) von dem
berühmten französischen Dramatiker Victor Hugo, das im Jahre 1832 schon einen Erfolg
auf der Bühne in Paris erlebte. In diesem Stück von Hugo fand Verdi alle wichtige
Elemente, die seiner Meinung nach für einen dynamischen Stoff einer Oper nötig waren,
oder die Verdi selber in seinen Briefen so oft als Triebkraft seiner Opern bezeichnete: „Ich
brauche ein kurzes Stück mit viel Spannung, viel Bewegung, sehr viel Leidenschaft...Das
alles bot Le roi’s amuse in reichem Maße.“4 Es war eigentlich schon die zweite Oper, die
Verdi auf einen Text von Hugo komponierte (die erste war der sehr erfolgreiche Ernani
im Jahre 1844). Von Verdis Begeisterung über den Inhalt sprechen auch weitere seiner
Briefe wie z.B.: „Heute, als ich über verschiedene Stoffe nachdachte, schoß mir Le roi
wie ein Blitz, eine Inspiration durch den Sinn und ich sagte gleiche: „Ja, bei Gott, da kann
nichts schief gehen.“5
Verdi wendete sich um Mitarbeit an den Librettisten Francesco Maria Piave, der
bereits schon vier Opernlibretti für ihn geschrieben hat (Ernani, I due Foscari, Macbeth,
Stiffelio). Hugos „Le roi’s amuse“ behandelte einen revolutionären Stoff mit bekannten
historischen Namen. Der Wüstling war Frankreichs König Franz I., der 1515-1547
Frankreich regierte, sein Hofnarr hieß Triboulet. Es war damals aber nicht erlaubt einen
leichtsinnigen König auf die Bühne zu bringen. Am 3. Juni 1850 schrieb Verdi in einem
Brief an Piave folgend: „...Wenn dieser nicht Le roi’s amuse heißen kann, was das
3
B u d d e n , Julian, Verdi. Leben und Werk, übersetzt von Ingrid Rein und Dietrich Klose, Philipp Reclam
jun. Stuttgart 1987, S. 223
4
P a h l e n , Kurt, Giuseppe Verdi. Rigoletto, Wilhelm Goldmann Verlag, München 1979, S. 151
5
G o s s e t t , Philip, A s h b r o o k , William, Meister der italienischen Oper. Rossini. Donizetti. Bellini.
Verdi. Puccini, übersetzt von Annette Holoch, Verlag J. B. Metzler, Weimar 1993, S. 235
8
Schönste wäre, so müßte er unbedingt La maledizione di Vallier6 oder kürzer La
Maledizione lauten. Das beinhaltet das Drama und besitzt sogar moralische Größe...“7
So hat sich Verdi für einen vorläufigen Titel „La maledizione“ (Der Fluch) entschieden
und beide haben mit der Arbeit begonnen. Im Herbst kam es aber zum Verbot der neuen
Oper durch die österreichische Zensur Venedigs. Im Endeffekt musste Verdi deswegen
den ursprünglichen Titel „La maledizione“ ändern. So wird die Oper nach ihrem
Hauptprotagonisten Rigoletto benannt, der im Original Triboulet heißt. Aus Franz I., dem
unmoralischen König nach Hugos Drama, wird ein anonymer Herzog aus Mantua, aus
Blanche Gilda. Die Schauplätze mussten ebenfalls verändert werden, so verlegte Verdi
die ganze Handlung von Paris nach Italien, und zwar nach Mantua. Verdi hat aber darauf
bestanden, dass der Herzog ein Wüstling und der Hofnarr eine hässliche Figur sein muss;
der Sack musste ebenfalls erhalten werden und „der Fluch Monterones“ als zentrale Idee
der Oper musste bleiben. Dieser Fluch eines tief gekränkten Vaterherzens bedeutete für
Verdi einen Drehpunkt des Dramas und er glaubte an dessen Bühnenwirksamkeit. Das
Fluchmotiv erklingt schon im Vorspiel und dadurch gibt es einen tragischen Unterton von
Anfang an. Dieser Fluch erfüllt sich in dem Moment, wo Gilda, die Tochter Rigolettos,
die für ihren Vater sein ganzes Leben bedeutete, zum Opfer des liederlichen Herzogs wird.
Der Vater, der seine Tochter über alles liebt, will sich rächen und plant den Tod des
Herzogs. Das Schicksal ist aber unergründlich und statt des Herzogs stirbt seine Tochter,
Gilda. Die Oper endet mit einem blitzartigen Einschlagen des Fluchs, das daran erinnern
sollte: „Ah, la maledizione!“ („Ha! jener Fluch des Alten!“)
3.2
Die Uraufführung dieser Oper
Am 20. Jänner 1851 beendete Verdi zwar fast den ganzen zweiten Akt seiner
Oper, die offizielle Genehmigung für die Aufführung lag noch immer nicht vor, die kam
erst einige Tage später. Am 5. Februar schloss Verdi die Komposition ab und am
19. Februar kam er endlich selbst nach Venedig und übernahm die Probenarbeit von den
letzten 20 verbliebenen Tagen bis zur Premiere. Verdi war berühmt, dass er vor den
Endproben keine vollständige Partitur seiner Werke hatte. Warum? „...weil ich die
Instrumentation normalerweise während der Klavierproben mache und die Partitur nie
6
„Valliers Fluch“, nach der Person des beleidigten Vaters, der den König und dann dessen Narren verflucht;
er wird dann Castiglione, endgültig Monterone heißen.
7
P a h l e n , Kurt, Giuseppe Verdi. Rigoletto, Wilhelm Goldmann Verlag, München 1979, S. 153
9
vor der Hauptprobe ganz fertig ist...“8 lautete die Erklärung Verdis. Zu diesem Zeitpunkt
waren nur die Gesangsstimmen, der Bass und eventuell einige ungewöhnliche
Instrumentationsdetails notiert.
Das dreiaktige Melodrama Verdis, wie es hieß ungefähr in vierzig Tagen
komponiert, feierte seine triumphale Uraufführung unter der Leitung von Gaetano Mares
am 11. März 1851 in Teatro la Fenice in Venedig. Die Hauptrollen wurden von berühmten
Sängern und Sängerinnen verkörpert wie Teresa Brambilla als Gilda, Raffaele Mirate als
Herzog von Mantua, Felice Varesi als Rigoletto, in den Nebenrollen Annetta Casaloni als
Maddalena, Paolo Damini als Sparafucile oder Feliciano Ponz als Monterone. Die Oper
war so erfolgreich, dass sie in der gleichen Spielzeit noch 21 Mal aufgeführt wurde. Im
Ausland wurde sie ebenfalls mit einem großen Erfolg angenommen. Nur in Paris wurde
Rigoletto erst im Jahre 1857 gespielt, da Victor Hugo gegen die Bearbeitung seines
Dramas protestierte, die er ein Plagiat nannte. Später hat aber Hugo selber zugegeben,
dass es um ein Meisterwerk geht, indem Verdis Musik manchen Stellen der dichterischen
Vorlage eine tiefere und intensivere Wirkung verleiht und er hat ebenfalls bedauert, dass
ein Sprechdrama über diese Möglichkeit nicht verfügen kann, wie diese im Quartett
zustande kommen.
Die Übereinstimmungen zwischen Hugos Drama und Piaves Libretto sind sehr
deutlich und viel größer als bei anderen von Verdi vertonten Dramen, die normalerweise
ganz weit von dem Original abweichen. Die Namen von den Darstellern, sowie auch die
Schauplätze tragen andere Namen im Drama als in der Oper, die wesentlichen Motive,
sogar die einzelnen Szenen stimmen überein. Mit einer Ausnahme, der Herzogs Arie
(„Ella mi fu rapita!“) vom Beginn des zweiten Aktes, haben alle Nummern der Oper eine
direkte Entsprechung auch bei Hugos Drama. Der Leichensack im Schlussakt, der von der
Zensurbehörde so stark kritisiert wurde, geht auch auf Hugo zurück. Piave hat sogar
einzelne Verse von Hugos Drama fast wortwörtlich übernommen, gleich wie die wohl
berühmteste Arie des Herzogs „La donna è mobile“, die Hugo angeblich in dem Schloss
Chambord9 entdeckt hatte und dem König Franz zuschrieb.
8
G o s s e t t , Philip, A s h b r o o k , William, Meister der italienischen Oper. Rossini. Donizetti. Bellini.
Verdi. Puccini, übersetzt von Annette Holoch, Verlag J. B. Metzler, Weimar 1993, S. 245
9
Schloss Chambord ist das größte Schloss in der Loireregion in Frankreich. In der ersten Hälfte vom 16.
Jahrhundert wurde es unter König Franz I. als Prunk- und Jagdschloss errichtet.
10
3.3
Das Bühnenbild der Oper Rigoletto im Teatro la Fenice
Für die Uraufführung von Verdis Oper Rigoletto hat das Bühnenbild Giuseppe
Bertoja gestaltet. Das Teatro la Fenice zählte mit rund 1900 Plätzen damals zu den größten
Opernhäuser Italiens und verfügte seit 1844 über eine moderne Gasbeleuchtung, sowie
über die neueste Bühnentechnik der damaligen Zeit. Damit ließen sich die hohen
Ansprüche Verdis an die Technik umsetzen. Verdi hat sich gewünscht, dass die Donner
und Blitze nicht wie üblich ganz nach Laune, sondern im Takt zur Verwirklichung
kommen und dass diese Blitze auf dem Bühnenhintergrund aufleuchten können. Für die
Uraufführung erstellte Bertoja die ersten dreidimensionalen Kulissen bzw. Bühnenbauten
Italiens. Bis dahin bestanden Bühnenbilder nur aus gemalten Prospekten und Kulissen aus
Karton. Für Rigoletto wurden nun zum ersten Mal auch solche Bauelemente wie Stiegen,
Terrassen oder Balkone gebaut, die eben voneinander getrennte Spielebenen bildeten und
dadurch die Bühne dramatisch aufgliederten. Die szenische Wirkung des Stückes, das
Bühnenbild und wohl auch die Inszenierung waren für Verdi genau so wichtig wie die
musikalische Seite der Oper, manchmal sogar noch wichtiger. Verdi hatte sich mit dem
szenischen Effekt seines Meisterwerks viel beschäftigt.
3.4
Das Näherbringen des Geschehens
Die Oper Rigoletto spielt im 16. Jahrhundert in der Stadt Mantua und stellt drei
Hauptfiguren vor, den notorischen Frauenhelden, den Herzog von Mantua, dessen
buckligen Hofnarren Rigoletto und seine Tochter Gilda. Die Oper beginnt mit Festen, die
von dem Herzog von Mantua organisiert werden. Auf einem solchen Fest in seinem Palast
fantasiert der Herzog über das Mädchen, welches er in der Kirche gesehen hat.
Gleichzeitig wendet er sich aber auch der Gräfin Ceprano zu, die er für sich gewinnen
will. Rigoletto verspottet den Ehemann der Gräfin, worauf dieser Rache schwört.
Ebenfalls wird auch Graf Monterone verspottet, dessen Tochter der Herzog verführt hatte.
Monterone verflucht sodann Rigoletto und den Herzog. Rigoletto schützt seine einzige
Tochter, Gilda, in solchen Maßen, dass sie das Haus nur zum Kirchgang verlassen darf.
Sie lebt ihr Alltagsleben, ohne dass sie über die Außenwelt etwas erfahren könnte.
Rigoletto hat wohl Angst, dass der Herzog seine schöne Tochter verführen kann. Das ist
jedoch schon längst geschehen. Der Herzog verkleidet sich und stellt sich Gilda als armer
11
Student vor, und so erklärt er ihr seine Liebe. Währenddessen bereiten die Höflinge die
Entführung Gildas vor, weil sie behaupten, dass Gilda die Geliebte des Hofnarren sein
könnte. Sie entführen sie direkt in den Palast des Herzogs bzw. in sein Schlafzimmer und
das sogar mit Hilfe Rigolettos, da er mit verbundenen Augen die Leiter halten soll (er
glaubt, dass die Höflinge die Gräfin von Ceprano rauben wollen). Als Rigoletto seine
Tochter um Hilfe rufen hört, erkennt er ihre Stimme und fühlt sich bereits von Monterones
Fluch verfolgt. Als sich Gilda später ihrem Vater begegnet, muss Rigoletto erkennen, dass
seine Tochter nicht nur entführt und entehrt wurde, sondern sich auch in den Herzog
verliebt hat. Rigoletto schwört Rache. Der Auftragsmörder Sparafucile soll den Herzog
umbringen, und dessen Leiche in einem Sack Rigoletto übergeben, um die tote Person in
den Fluß zu werfen. Maddalena bittet ihren Bruder um das Leben des „Gastes“.
Sparafucile lässt sich nach einigem Zögern umstimmen und will als Ersatz den ersten
Mann ermorden, der zur Tür der Kneipe hereinkommt. Gilda belauscht einen Teil des
Gesprächs zwischen Sparafucile und Maddalena und beschließt, ihr Leben für den immer
noch von ihr geliebten Herzog zu opfern. Als Mann verkleidet tritt sie herein und wird
von Sparafucile getötet. Der Sack wird Rigoletto übergeben. In diesem Moment ertönt
aber der fröhliche Gesang des Herzogs, Rigoletto öffnet den Sack und erkennt seine eigene
Tochter, die sich sterbend von ihrem Vater mit folgenden Wörtern verabschiedet: „Non
più...A lui...perdonate...mio padre...addio! Lassù in ciel, lassù in ciel preghero...per voi
preghe...“ („Lebwohl! Vergieb, o vergieb ihm mein Vater! Oben bei Gott, oben bei Gott,
ja bei Gott, dort bet’ ich für...“). Die Oper endet mit einem gruseligen Schrei Rigolettos:
„Ah! la maledizione!“ („Ha! jener Fluch des Alten!“).
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4. „Gualtier Maldè... Caro nome...“
4.1
Musikalische und interpretative Analyse der Arie der Gilda aus dem 1. Akt der
Oper Rigoletto
Die Verständlichkeit des Textes ist eines der wichtigsten Elemente bei der
Interpretation einer Arie bzw. eines Liedes. Die Oper ist selbstverständlich auf Italienisch
geschrieben. Damit man die Wörter, Sätze und den ganzen Zusammenhang besser
versteht, habe ich die ganze Arie sowie das Rezitativ ins Deutsche übersetzt.
Rezitativ:
Gualtier Maldè,
Gualtier Maldè,
Nome di lui sì amato,
Sein Name (sei) so geliebt,
Ti scolpisci nel core innamorato!
Ins verliebte Herzen gegraben
(„eingeritzen“) wirst!
Arie:
Caro nome che il mio cor
Teurer Name wie mein Herz
Festi primo palpitar,
Hat zum ersten Mal höhergeschlagen
Le delizie dell’amor
Die Wonne der Liebe
Mi dêi sempre rammentar!
Daran wirst du mich immer erinnern!
Col pensier il mio desir
Durch Gedanken meine Sehnsucht
A te sempre volerà,
Zu dir immer fliegen wird
E fin l’ultimo sospir,
Und bis zu dem letzten Seufzer
(bis ich leben werde)
Caro nome, tuo sarà,
Teurer Name, dein (Name) wird
Il mio desir a te ognora volerà,
Meine Sehnsucht zu dir ewig fliegen wird
Fin l’ultimo sospiro tuo sarà.
Bis zu deinem letzten Seufzer.
In dieser Arie steht vor uns ein völlig verliebtes, junges Mädchen, das mit ihrer
Phantasie den Namen des Geliebten umspielt. Sie ist überglücklich, fühlt sich im siebten
Himmel zu sein. Sie stellt sich ihren Auserwählten vor und träumt von dem größten Glück
auf der Welt, von der Liebe, die für sie ausschließlich vollkommen ist. Diese Gefühle,
diese Einstellungen zeigen uns eine bisher unbekannte Gilda, die die Liebe zum ersten
13
Mal erlebt. Sie liebt blind und glaubt an die ewige Liebe, damit zeigt sie ihre Naivität und
Unschuld. In dieser Atmosphäre erklingt die Arie der Gilda aus dem ersten Akt, die mit
einem kurzen Rezitativ anfängt.
Am Anfang des Rezitativs erklingt ein kurzes Vorspiel mit aufsteigenden
„Arpeggi“ (Zerlegungen von Akkorden), die von der Flöte gespielt werden und damit
eine liebeerfüllte, romantisch sehnsüchtige Atmosphäre vorbereiten. Diese „Arpeggi“
kann man sich als Wellen von Glück vorstellen, in denen Gilda den Namen von ihrem
geliebten Studenten, Gualtier Maldè ausspricht.
Notenbeispiel Nr. 1: Beginn des Rezitativs der Gilda „Gualtier Maldè...“
Diese ersten Worte und überhaupt das ganze Rezitativ, das nur aus zehn Takten und
nur aus einem Satz besteht, sollte meiner Meinung nach sehr zart und fast zurückhaltend
interpretiert werden. Gilda ist doch ein unerfahrenes und naives Mädchen, das ihre
Verliebtheit und ihre Emotionen uns eher schüchtern mitteilt. Darüber spricht auch das
dynamische Zeichen „piano dolce“ (leise, süß). In dem Gesangspart wechseln kürzere
und längere Notenwerte, die eine Aufregung, eine innere Spannung der Darstellerin
zeigen. Es ist Gildas Herzklopfen, das sich in der Musik auch spiegelt. Der ganze erste
Satz, trotz einiger Pausen, sollte unter einem großen Legato-Bogen gesungen werden.
Aus der harmonischen Sicht ist dieses Rezitativ sehr farbig und modulierend. Es beginnt
mit einer Tonika in des-Moll, danach moduliert es noch nach A-Dur und Fis-Dur bis die
14
Haupttonart der Arie (E-Dur) erreicht wird. Das Rezitativ endet mit einem
Dominantseptakkord in E-Dur, der sich erst in der Arie zur Tonika auflöst.
Die sozusagen letzte Phrase des Rezitativs „...ti scolpisci nel core innamorato!“ gibt
uns zwei verschiedene Möglichkeiten, wie man diese Phrase interpretieren kann. In den
älteren Aufnahmen dieser Arie höre ich oft, dass man die Phrase durch Atmen nach dem
Wort „core“ abtrennt und das Wort „innamorato“ wieder neu aufsetzt (bei Sängern wie
zum Beispiel Anna Moffo oder Maria Callas). Für die gegenwärtige Interpretation ist eher
eine Verbindung der ganzen Phrase typisch, wie zum Beispiel in der Interpretation von
der Sopranistin Diana Damrau. Es gibt aber auch Ausnahmen, anerkannte Sängerinnen,
die die Phrase heutzutage doch mit einer Abtrennung des Wortes „core“ von dem
nächsten Wort gestalten (z.B.: Julia Novikova, Andrea Rost, Olga Peretyatko) oder
umgekehrt in der älteren Generation von Sängerinnen, die diese Wörter unter einem Atem
verbunden hatten (Ileana Cotrubas, Joan Sutherland oder Renata Scotto).
Notenbeispiel Nr. 2: Ende des Rezitativs der Gilda
Aus dieser kleinen Recherche, was die Interpretation dieser Phrase betrifft, kann
man zeigen, dass die Gestaltung dieser Phrase sehr individuell sein kann. Es ist der
jeweiligen Sängerin frei zu stellen. Mir persönlich gefällt die zweite Variante, wo die
Phrase nicht unterbrochen wird und dadurch kompakter klingen kann. In meiner
Vorstellung von der Interpretation dieser Arie trifft es mehr den Charakter der Gilda.
Dieser große Bogen evoziert in mir die glückliche Liebe, die Gilda gerade erlebt und die
ewig dauern wird. Über dem letzten Wort „innamorato“ steht in den Noten „morendo“
(abklingend), was die Emotionen bestätigt, die Gilda gerade in diesem Moment fühlt. Sie
will ihre Gefühle nicht in die Welt hinausschreien, sondern umgekehrt, sie erlebt diese
Liebe sehr innerlich und sensibel. Man kann sich über ihre Entscheidung nicht wundern.
Sie lebt doch sozusagen ein Klosterleben, alles was sie gerade erlebt, was sie fühlt, ist
neu für sie. Am Ende des Rezitativs ist noch eine Fermate über der Viertelpause zu finden,
15
was auch die träumerische und verliebte Welt Gildas reflektiert, die für einen Augenblick
ganz still steht. Nach diesem Moment kann sie tief einatmen und sich sorglos den
glücklichen Gefühlen überlassen.
Das Vorspiel zu der Arie steht in E-Dur und deutet eine fröhliche Atmosphäre
mit einer Facette von „piano dolcissimo“ in der Musik an. Die Anfangsmelodie wird von
zwei
in
Sextparallelen
(Fortbewegung
zweier
Stimmen
in
gleichlaufenden
Sextintervallen) geführten Flöten eingeleitet, worauf dann Gilda mit ausdrucksvollem
Gesang einsetzt. In meiner Interpretation versuche ich dieses Einsetzen quasi als eine
Ergänzung bzw. als eine Entwicklung des Vorspiels zu behaupten, und die durch die
Instrumentation vorgegebene Atmosphäre so anzunehmen, dass ich beim Einsetzen
meiner Phrase die Kontinuität der musikalischen Gedanken nicht unterbreche.
Notenbeispiel Nr. 3: Beginn der Arie der Gilda „Caro nome...“
Die Arie beginnt mit den Worten „Caro nome che il mio cor“, wo Gilda ihre
Gefühle zu ihrem Geliebten von Anfang an ausspricht. Die rhythmische Linie dieser
Phrase schildert Gildas Emotionen, ihre seelische Erregung, malt ihre Schüchternheit.
Der Komponist verwendet da Achtelnoten abwechselnd mit Achtelpausen, die eben einen
Effekt von Herzklopfen oder Seufzer schaffen und die Spannung dieser lyrischen
Gesangslinie steigern. Im Orchesterpart gibt es im Takt 10 ein kleines Motiv, das
ebenfalls mit den Gefühlen Gildas korrespondiert und bildet eine motivische Bedeutung
in der Musik, die während den nächsten Takten mehrmals vorkommt. Die sozusagen
zweite Phrase „festi primo palpitar“ ist mit Legato-Zeichen mit der ersten Phrase zu
verbinden, genau so wie die dritte mit der zweiten oder die vierte mit der dritten Phrase.
Zusammen bilden sie eine riesige Phrase, eine Einheit. Wenn wir diese Phrase unter die
Lupe nehmen, sehen wir, dass es sich um nur einen einzigen Satz handelt, mit dem Gilda
den „teuren Namen ihres Herzens“ besingt.
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Notenbeispiel Nr. 4: Arie der Gilda „Caro nome“, Takt 8-15
Der nächste Abschnitt, der meiner Meinung nach dem Komponisten sehr gelungen
ist, sind die Takte 19 bis 23, wo mit Hilfe einer Verwendung von kürzeren rhythmischen
Werten und Trillern ermöglicht wird die wahre und überglückliche Seele Gildas zu
erleben. Ich denke, dass wir durch diese Verzierungen hören können, als ob Gilda vor
Liebe zittern würde. Das Zittern ist in diesem Fall in einem positiven Sinn zu verstehen,
eine wunderbare Empfindung, ein angenehmes Gefühl, welches uns Gildas Verliebtheit
schildert. Im Takt 22 kommt das kleine Motiv vom Takt 10 wieder vor. In diesem Fall
aber mit einer chromatischen Färbung, die Gildas bisher unbekannte Gefühle in der
Musik darstellt. Diese Verliebtheit, die nicht nur durch die Musik, sondern auch durch
den Text dargestellt wird, geht über die Grenzen eines Menschen hinaus und ermöglicht
der Darstellerin ein Gefühl von Fliegen. In diesem Moment ist für sie nichts wichtiger als
der Name, der für sie süßer als Honig ist, ihr Geliebter, Gualtier Maldè, den sie immer
und ewig lieben wird.
Notenbeispiel Nr. 5: Arie der Gilda „Caro nome“, Takt 16-23
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Danach folgt der Teil, der meiner Meinung nach eher sozusagen einer Exhibition
der Sängerinnen dient. Die Arie ist nicht zuletzt ein Prunkstück aller Koloratur-Soprane,
die die Virtuosität ihrer Stimme zeigen können. Mit den steigernden, immer stärkeren
Gefühlen Gildas wird die Gesangslinie auch technisch anspruchsvoller und virtuoser. Die
Takte 25 und 26 geben dem Zuhörer ein Gefühl, als ob Gilda in den Wolken schweben
würde. Es wird in der Musik durch ein „Staccato“ (trennend) unterstützt, welches mit
einem „Legato-Bogen“ darüber die Gesangslinie verfeinert und zarter macht. Auch in
diesem Fall korrespondiert die Melodie mit dem Text. Das zeigt uns eine große
Sensibilität im Umgang mit dem Text, eine Meisterschaft des Komponisten.
In den nächsten Takten findet man gleich zwei Stellen, wo die Sängerin ihre
technischen Fähigkeiten, ihre Virtuosität durch bravouröse Kadenzen zeigen kann. Dafür
gibt es mehrere Variationen, wie man diese Stellen gestalten kann. Eine von diesen
Optionen ist die originale Version Verdis, die in den Noten aufgeschrieben wurde. Die
nächste Möglichkeit bietet uns verschiedene Bearbeitungen dieser Kadenzen, die mit den
Jahren entwickelt wurden und heutzutage sozusagen zu einer Tradition gehören. Sängern
und Sängerinnen kann auch sehr hilfreich die große Sammlung von Giulio Ricci mit dem
Titel „Variationen, Kadenzen und Traditionen für Gesang“ sein. Da ist eine größere
Auswahl von möglichen Kadenzen, Variationen notiert. Für meine Interpretation habe
ich die Kadenz von Ricci ausgewählt. Im Original gibt es hier einen Lauf runter von dem
Ton „a2“ bis zu kleinem „h“. Nach Ricci ist die ganze Phrase um eine Terz nach oben
verschoben. So kann eine Sängerin ihren großen Stimmumfang bzw. ihre Spitzentöne
auch zeigen.
Notenbeispiel Nr. 7: Giulio Ricci: Variationen,
Kadenzen und Traditionen für Gesang, S. 69
Notenbeispiel Nr. 6: Arie der Gilda
„Caro nome“, Takt 36
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Obwohl eine schöne, virtuose Kadenz gesungen wird, geht die Arie weiter und zwar
in einer sehr anspruchsvollen Art. In der Gesangslinie finden wir eine Kette von
Sextsprüngen, die eine präzise Intonation benötigen. Im Rahmen eines Taktes gibt es
immer Bewegungen um eine Sekund tiefer. Wenn wir aber die Beziehung zwischen den
Takten analysieren, können wir feststellen, dass sich jeder Takt sequenzierend eigentlich
um eine Sekund höher verschiebt. Die Flöte führt da einen Dialog mit der
Gesangsstimme, sozusagen ein Wechselspiel, welches von Chromatik im Gesangspart
sowie im Part von der Flöte geprägt ist.
Notenbeispiel Nr. 8: Arie der Gilda „Caro nome“, Takt 37
In Takt 44 begegnet uns ein weiteres interessantes Moment in der Musik, das in der
Praxis nach zwei Arten interpretiert wird. Die Gesangslinie, die im Unisono (singen oder
spielen einstimmig bzw. in Oktaven) mit der Begleitung geschrieben ist, kann man
entweder, wie es im Original steht, unter einem Legato-Bogen singen oder jeden Ton mit
Staccato aufsetzen, genau so wie es in dem Orchesterpart steht.
Notenbeispiel Nr. 9: Arie der Gilda „Caro nome“, T. 44
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Am Ende der Arie gibt der Komponist wieder Raum, während dem die Sängerin
mit einer fulminanten Kadenz brillieren kann. Vor dieser Kadenz gibt es noch einen
interessanten harmonischen Moment im Takt 46, wo man einen Harmoniewechsel bzw.
mehrmals wiederholte kurze Wechsel zwischen den Tonarten C-Dur und E-Dur finden
kann. Danach folgt die letzte große Kadenz der Arie, in der die Sängerinnen über die
höchsten Spitzentöne verfügen sollten. Die meisten lösen es sogar mit einem Anstieg zum
hohen „es3“, das zwar nicht in der Partitur steht, aber bei den Kadenzen von Ricci zu
finden ist.
Notenbeispiel Nr. 10: Arie der Gilda „Caro nome“, T. 50
Bei konzertanten Aufführungen wird diese Arie meistens mit dieser letzten Kadenz
beendet. Bei einer Opernaufführung aber folgt danach noch eine Rückkehr des
Anfangsmotivs, welches in diesem Fall eine ganz andere Nuance bekommt. Im Vergleich
zu der ersten Phrase wird sie diesmal nicht mehr durch Achtelpausen unterbrochen,
sondern unter einem großen Bogen geführt. Die innere Spannung Gildas löst sich langsam
auf. Statt Herzklopfen, Seufzer oder statt einer Erregung malt Gilda mit ihrem Gesang
eine ruhige, verliebte und träumerische Atmosphäre, in die sich der Chor der Entführer
als düsterer Kontrapunkt mischt.
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5. Zusammenfassung
Beim Schreiben dieser Masterarbeit habe ich viele interessante und wichtige
Informationen über die Entstehung der Oper Rigoletto erfahren. Diese Kenntnisse sind
nötig und hilfreich bei der Analyse und vor allem bei der Einstudierung eines Werkes. Im
Gesangstudium lernen wir sehr viele Stücke aus verschiedenen Epochen und Stilen und
wir haben als StudentInnen oft zu wenig Zeit uns mit einer Arie gründlich zu
beschäftigen, obwohl diese Arbeit sehr wichtig fürs Verständnis einer Arie bzw. einer
Oper wäre. Nur dann, wenn wir alle Zusammenhänge, Subtexte und Gefühle unserer
Rolle verstehen, können wir uns beim Singen ehrlich und überzeugend in unsere Rolle
versetzen. Beim Singen von Gildas Arie „Caro nome...“ muss bewusst werden, dass sie
ein junges Mädchen ist, das zum ersten Mal in ihrem Leben verliebt ist. Sie liebt blind
und glaubt an die ewige Liebe, damit zeigt sie uns ihre Naivität und Unschuld. Diese
Verliebtheit erlebt sie ganz innerlich, nur für sich selbst; sie will ihr Glück und ihre Freude
gar nicht in die Welt hinausschreien. Genau diese Emotionen sollte man vom Anfang des
Rezitativs an beherrschen. In der Arie wird sie dann immer entspannter und fröhlicher.
Aus ihrem Gesang kann man spüren, wie sie das Leben endlich einmal genießen kann.
Mit ihrem Gesang zeigt sie uns auch, wie ein junges Mädchen ausschaut, wenn sie gerade
überglücklich verliebt ist. Dieser Genuss wurde in der Musik von Giuseppe Verdi durch
bravouröse Koloraturen bzw. Kadenzen wiedergegeben. Ich denke, dass solche Analysen,
die ich auch in meiner Arbeit gemacht habe, als eine gute Basis für eine erfolgreiche
Interpretation dienen können.
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Literaturverzeichnis
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Notenbeispiele:
Giulio R i c c i , Variationen, Kadenzen und Traditionen für Gesang, G. Ricordi, Mailand,
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Giuseppe V e r d i , Rigoletto, Klavierauszug, G. Ricordi, Mailand, o. J.
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