Sind Haushaltsdefizite unter linksgerichteten Regierungen höher? Die Geldpolitik wird von verschiedenen Faktoren bestimmt, unter denen die Fiskalpolitik eine besonders wichtige Rolle spielt. Dies schlägt sich im Stabilitäts- und Wachstumspakt nieder, der sicherstellen soll, daß die Fiskalpolitik der einzelnen Mitgliedsstaaten mit den Zielen der gemeinsamen Geldpolitik im Einklang steht und ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum im gesamten Euro-Raum fördert. In jüngster Zeit kam jedoch Besorgnis hinsichtlich einer Verwässerung des Stabilitätspakts auf. Sie wurde vor allem von Vorstößen prominenter Politiker, den Stabilitätspakt flexibel zu interpretieren, ausgelöst. Ein weiterer Grund könnte auch darin liegen, daß derzeit in der Mehrzahl der europäischen Länder Linksparteien an der Regierung sind. Zu ihnen gehören auch die drei größten EWU-Teilnehmerländer (Deutschland, Frankreich und Italien), die gemeinsam rund drei Viertel des aggregierten BIP Eurolands erwirtschaften. In der Regel wird von linksgerichteten Regierungen vermutet, daß sie im Vergleich zu konservativen Kabinetten ein größeres Gewicht auf die Sicherung von Beschäftigung und der Sozialsysteme legen und eher dazu neigen, die Gesamtnachfrage durch eine expansive Fiskalpolitik zu stimulieren. Die wissenschaftliche Literatur hat sich in den letzten 20 Jahren in zunehmendem Maße mit dem Problem politischer und ökonomischer Zyklen beschäftigt. Dabei lassen sich zwei Ansätze unterscheiden. Bei den Modellen der ersten Generation, die vor allem Mitte der 70er Jahre Anwendung fanden, wurden in der Regel traditionelle makroökonomische Ansätze verwendet. Sie gingen davon aus, daß eine Regierung die volkswirtschaftliche Entwicklung systematisch und vorhersagbar beeinflussen kann. Die Modelle der zweiten, Mitte der 80er Jahre entwickelten Generation zeigten dagegen auf, wie eine rationale Öffentlichkeit den Spielraum von Politikern begrenzt, den Wirtschaftszyklus zu beeinflussen. In beiden Generationen wurden zwei Modelltypen entwickelt: der “opportunistische” und der “parteitypische” Ansatz. Während die opportunistischen Modelle beider Generationen auf der Annahme basieren, daß jede Regierung ihre Politik auf das Ziel der Wiederwahl ausrichtet, untersuchen parteitypische Modelle die unterschiedlichen politischen Entscheidungen und ihre Ergebnisse, die aus der ideologischen Ausrichtung der Regierungen resultieren. Durchschnittliches strukturelles Defizit linker Regierungen höher als von konservativen Bei unserer Analyse der Beziehungen zwischen der politischen Ausrichtung einer Regierung und der Entwicklung der öffentlichen Finanzen sind wir von parteitypischen Effekten auf das Budget ausgegangen und haben für die europäischen Länder (ohne Schweiz) folgende Zeitreihen der OECD für den Zeitraum von 1970 bis 1998 untersucht: (1) das strukturelle Budgetdefizit in Relation zum potentiellen Sozialprodukt; (2) die Primärbilanz in % des BIP (d.h. der Budgetsaldo ohne Berücksichtigung der Zinszahlungen auf die öffentliche Verschuldung); (3) die gesamten Staatsausgaben in % des BIP und (4) die laufenden Staatseinnahmen in % des BIP. Ebenso haben wir für die vier Indikatoren die durchschnittliche Veränderung gegenüber dem Vorjahr in unsere Untersuchung einbezogen. 2 Mehrzahl der europäischen Länder derzeit von linksgerichteten Parteien regiert Wachsende Befürchtungen hinsichtlich einer Aufweichung des Stabilitätspakts Traditionelle Modelle und rationale Erwartungen „Opportunistische“ und „parteitypische“ Ansätze Regierungen in Europa: Euroland Deutschland Frankreich Italien Spanien Niederlande Belgien Österreich Finnland Portugal Irland SPD (Sozialdemokraten), Bündnis 90/Die Grünen Sozialistische Partei Linksdemokraten Volkspartei (konservativ) PvdA (Sozialdemokraten), Liberale CVP/PSC (Christdemokraten), SP/PS (Sozialisten) SPÖ (Sozialdemokraten), ÖVP (Volkspartei) SDP (Sozialdemokraten) Sozialistische Partei (Minderheitsreg.) Fianna Fail, Progressive Demokraten (konservativ) Sonstige EU-Länder UK Labour Party (Sozialdemokraten) Sweden SDP (Sozialdemokraten) Denmark SDP (Sozialdemokraten), Sozialliberale Greece Pasok (Sozialisten) Nicht-EU-Länder Schweiz Allparteienregierung Norway CDP (Christdemokraten), Zentrum, Liberale (konservativ) Unsere Analyse ergab, daß politisch links orientierte Parteien während ihrer Regierungszeit seit 1970 im Durchschnitt ein strukturelles Defizit von knapp 4% des BIP erwirtschafteten, während konservative Regierungen strukturelle Fehlbeträge lediglich im Umfang von etwas mehr als 3½% des BIP zuließen. Dieses Resultat ergab sich auch, wenn bei einem Regierungswechsel das Wahljahr und das erste Jahr unter der neuen Regierung sowie die Zeit ab 1993, in der sowohl konservative wie linke Regierungen den Maastrichter Konsolidierungszwängen unterworfen waren, unberücksichtigt blieben. Diese Unterscheidung erschien uns notwendig, da es sich hierbei um Zeiträume handelt, in denen wohl kaum die wirtschaftspolitische Ausrichtung einer Regierung uneingeschränkt nach ihrer politischen “Couleur” beurteilt werden kann. Die Tatsache, daß auch unter dieser Einschränkung die Ergebnisse stabil blieben, läßt darauf schließen, daß es in der Vergangenheit eine relativ enge Beziehung zwischen politischem Zyklus und der Höhe des Budgetdefizits gegeben hat. Was für Europa insgesamt für eine konservative Wirtschaftspolitik von Mitte-Rechts-Regierungen spricht, zeigt sich für einzelne Länder recht unterschiedlich. Während die Konservativen in Deutschland, Frankreich und Spanien durchschnittlich merklich niedrigere Defizite als links orientierte Regierungen erzielten, übertrafen die strukturellen Fehlbeträge konservativer Regierungen in den Niederlanden, Belgien und Österreich vergleichbare Defizite unter sozialdemokratischen Parteien. Das für Euroland bzw. Europa insgesamt recht eindeutige Resultat könnte allerdings ein verzerrtes Bild liefern, wenn eine neu gewählte Regierung eine “Erblast” in Form eines hohen strukturellen Defizits vorfand. Beispielsweise betrug das durchschnittliche strukturelle Defizit, das unter der konservativen Regierung in Italien im Zeitraum 1992 bis 1995 erwirtschaftet wurde, rund 9% des BIP und war damit ebenso hoch wie unter sozialistischen Regierungen. Bei dieser Durchschnittsbetrachtung geht allerdings die Information verloren, daß es den Regierungen unter den technokratischen bzw. konservativen Ministerpräsidenten Amato, Ciampi und Berlusconi in dieser Zeit gelang, den strukturellen Fehlbetrag von 9,7% auf 8,8% des BIP zurückzuführen. Zur Klärung der Frage, ob eine Regierung aufgrund ihrer politischen Überzeugung tendenziell zu höheren Defiziten neigt, haben wir daher die durchschnittliche Veränderung des strukturellen Fehlbetrags herangezogen. Auch dieser Indikator spricht für den eingangs postulierten Zusammenhang. Im Schnitt der letzten 30 Jahre steigerten sozialistische/ sozialdemokratische Regierungen während ihrer Regierungstätigkeit das strukturelle Budgetdefizit im Durchschnitt um 0,1% des BIP pro Jahr, während konservative Regierungen den durchschnittlichen strukturellen Fehlbetrag in etwa konstant hielten. Strukturelle Budgetdefizite unter linksgerichteten Regierungen seit 1970 im Durchschnitt fast 4% des BIP, ... ... während konservative Regierungen in dieser Zeit nur einen durchschnittlichen Fehlbetrag von etwas mehr als 3½% des BIP tolerierten Sozialistische/sozialdemokratische Regierungen weiteten strukturelles Defizit während ihrer Amtszeit um durchschnittlich 0,1% des BIP p.a. aus, ... ... während konservative Regierungen im Schnitt den strukturellen Fehlbetrag in etwa konstant hielten Ergebnis ohne Wiedervereinigungseffekte noch deutlicher Noch deutlicher werden die Ergebnisse, wenn man die Wiedervereinigungseffekte auf den deutschen Haushalt ausklammert, da diese Belastungen wohl kaum der damaligen konservativen Regierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl zugerechnet werden können. Während der strukturelle Budgetsaldo Deutschlands 1989 noch einen geringfügigen Überschuß aufwies, betrug 1991 das Minus nach OECD-Berechnungen nahezu 5 % des BIP. Bei unserer Analyse sind wir von einem Anstieg des strukturellen Defizits Deutschlands auf lediglich etwa 1% des BIP Anfang der 90er Jahre ausgegangen, was eine relativ konservative Schätzung der Wiedervereinigungskosten darstellt. Unter die- Ohne die Effekte der Wiedervereinigung auf das deutsche Budget sinkt das durchschnittliche strukturelle Defizit konservativer Regierungen um ¼%-Punkt auf 3¼% des BIP 3 ser Annahme sinkt das durchschnittliche strukturelle Defizit der konservativen Regierungen in Europa um etwa ¼%-Punkt auf 3¼% des BIP, so daß sich der Abstand der Fehlbeträge zwischen konservativen und links orientierten Regierung in dieser Zeit auf rund ¾% des europäischen Sozialprodukts ausweitet. Entwicklung der Primärbilanz ... Bei der Untersuchung der Entwicklung der Primärbilanzen ergab sich ebenfalls ein eindeutiges Bild zugunsten konservativer Regierungen. Die Primärbilanz ist der Budgetsaldo ohne Berücksichtigung der Zinszahlungen auf die öffentliche Verschuldung. Wir haben diesen Indikator u.a. deshalb in unsere Analyse miteinbezogen, weil er “Erblasten” in Form hoher Budgetbelastungen durch Zinszahlungen auf die in früheren Jahren angehäufte öffentliche Verschuldung nicht berücksichtigt und eine wichtige Kennziffer für die Schuldendynamik darstellt. Im Zeitraum 1970 bis 1998 betrug das durchschnittliche Defizit der Primärbilanz sozialistischer/sozialdemokratischer Regierungen rund 1½% des BIP, während die in dieser Zeit regierenden Konservativen eine in etwa ausgeglichene Primärbilanz aufwiesen. Die Entwicklung der Primärbilanz war unter konservativen Regierungen deutlich günstiger ... und Staatsausgaben weisen in die gleiche Richtung, ... Ebenso deuten die Resultate unserer Untersuchung auch darauf hin, daß links orientierte Regierungen in den Mitgliedsländern Eurolands zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, Sicherung der sozialen Sicherungsysteme und Ankurbelung der Konjunktur eher zu einer Ausweitung der öffentlichen Ausgaben neigten als konservative Parteien. Zwar Struktureller Budgetsaldo Primärsaldo % BIP % BIP Der Anstieg der Staatsausgaben war im betrachteten Zeitraum unter linksgerichteten Regierungen im Durchschnitt fast doppelt so hoch wie unter konservativen Regierungen Staatsausgaben % BIP Laufende Einnahmen % BIP Durchschnitt 1970 - 1998 Links- Rechts- Regierung Veränderung Veränderung Veränderung %-Punkte p.a. %-Punkte p.a. %-Punkte p.a. Links- RechtsRegierung Links- Rechts- Links- Rechts- Links- Rechts- Regierung Regierung Deutschland -2.3 -2.0 -0.1 -0.1 -2.4 0.5 0.9 0.0 Regierung 0.6 0.0 Frankreich -2.4 -1.6 -0.3 0.1 -0.2 -0.3 0.8 0.5 0.3 0.6 Italien -9.0 -9.1 0.0 0.4 -3.8 1.0 0.7 0.5 0.7 0.5 Spanien -4.8 -1.2 0.0 -0.3 -1.4 -0.5 0.5 1.1 0.4 0.7 Niederlande -1.8 -4.5 0.0 0.0 1.4 -0.5 0.2 0.2 0.4 0.2 Belgien -4.2 -6.5 - 0.1 -1.3 1.0 0.1 0.2 1.0 0.2 Österreich -2.3 -3.3 -0.3 0.2 -0.5 0.1 0.9 -0.2 0.5 0.0 Finnland 2.4 2.1 -0.3 -0.8 2.0 1.3 0.5 1.7 0.6 0.5 Portugal -4.6 -4.0 0.3 -1.4 -0.4 0.8 0.0 2.1 0.5 0.7 Irland -4.6 -6.5 -0.4 0.5 -0.1 -1.5 -0.7 -0.3 -0.3 0.2 Euroland -4.0 -3.7 -0.1 0.0 -1.6 0.3 0.7 0.4 0.5 0.3 UK -4.1 -3.2 0.0 0.1 -1.6 -0.5 -0.4 -0.1 -0.3 -0.3 Schweden 0.0 -4.4 0.7 -1.4 0.8 -4.3 0.0 1.3 0.7 -0.3 Dänemark 1.0 -0.1 0.4 -0.2 3.2 3.0 -1.8 0.1 -1.1 -0.2 Griechenland -8.4 -7.0 0.0 -0.3 -0.5 -2.5 0.0 0.7 0.3 0.3 EU -3.9 -3.6 -0.1 0.0 -1.5 0.0 0.4 0.4 0.4 0.2 Norwegen -1.4 -1.2 -0.4 0.6 -2.6 -2.2 0.4 -0.2 0.4 0.6 Europa -3.9 -3.6 -0.1 0.0 -1.5 0.0 0.4 0.4 0.4 0.2 4 ist im Untersuchungszeitraum sowohl bei links ausgerichteten als auch bei konservativen Regierungen ein merklicher Anstieg der öffentlichen Ausgaben seit 1970 festzustellen. Dieser fiel jedoch bei linken Regierungen in Euroland mit durchschnittlich 0,7%-Punkte p.a. nahezu doppelt so hoch wie bei konservativen (0,4%-Punkte p.a.) aus. Unter Berücksichtigung der restlichen europäischen Staaten ist allerdings kaum mehr ein Unterschied zu finden. Dies ist vor allem auf die kräftige Rückführung der öffentlichen Ausgaben durch sozialdemokratische Regierungen in Großbritannien und Dänemark in dieser Zeit zurückzuführen. Bei der Entwicklung der Staatseinnahmen zeigt sich ein ähnliches Bild. Linke Regierungen tendierten in den vergangenen 30 Jahren zu einer deutlich kräftigeren Erhöhung der Einnahmen als konservative. Der Anstieg fiel mit 0,4%-Punkte p.a. doppelt so hoch wie bei konservativer Wirtschaftspolitik aus. ... allerdings ist bei der Interpretation der Ergebnisse Vorsicht geboten Trotz der empirischen Evidenz sollten die Ergebnisse unserer Analyse vorsichtig interpretiert und vorschnelle Schlüsse vermieden werden. Beispielsweise könnte die Wahl des Untersuchungszeitraums einen Einfluß auf die Ergebnisse haben. So wurde Anfang und Ende der 70er Jahre die Wirtschaftspolitik merklich durch die beiden Ölpreisschocks beeinflußt. Während des ersten drastischen Ölpreisanstiegs Anfang der 70er Jahre waren in den EU-Mitgliedsländern neun sozialistische/ sozialdemokratische Regierungen im Amt. Während des zweiten Ölpreisschocks Ende der 70er Jahre waren immerhin noch sieben links orientierte Regierungen am Steuer, so daß die damals zur Abwehr einer weltweiten Rezession notwendigen fiskalpolitischen Stimulierungsmaßnahmen die unter linken Regierungen aufgetretenen Defizite überzeichnet haben könnten. Allerdings müssen Ergebnisse vorsichtig interpretiert werden Ebenso gestaltete sich auch die Einordnung der Regierungen in sozialistisch/sozialdemokratisch bzw. konservativ für die vergangenen 30 Jahre schwierig. Beispielsweise waren die Christdemokraten in Belgien in der Nachkriegszeit in der Regel die stärkste Partei und stellten den Minsterpräsidenten. Sie wechselten sich jedoch auch mit den Sozialisten (in der Regel ihrem Koalitionspartner) einige Male in der Regierungsführung ab. Zudem fanden sich im Untersuchungszeitraum auch sozialdemokratische Minderheitsregierungen (Norwegen, Dänemark) sowie zahlreiche sozial-liberale Koalitionen, u.a. in Deutschland, Belgien, Dänemark, mit z.T. erheblichen Einflüssen liberaler Wirtschaftspolitik auf die Haushaltsführung. Ergebnisse ökonometrischer Untersuchungen Einige der erwähnten Schwierigkeiten werden in differenzierten ökonometrischen Studien untersucht. So haben z.B. Alesina, Roubini und Cohen1 einen “panel-data”-Ansatz (simultaner Querschnitts- und Zeitreihenregressionsansatz) verwendet. Ihre Analyse stützt sich auf Daten für 13 Industrieländer2 für den Zeitraum 1960 bis 1993. Auf der linken Seite der Regressionsgleichung steht das Haushaltsdefizit, das als Veränderung der Schuldenquote gemessen wurde. Die erklärenden Variablen sind: (1) das vorherige Defizit; (2) die Veränderung der Arbeitslosenquote; (3) die Veränderung der BIP-Wachstumsrate; (4) die Panel-data-Ansatz für 13 Länder für den Zeitraum 1960-93 1 Alesina, Alberto; Roubini, Nouriel; Cohen, Gerald D.: Political Cycles and the Macroeconomy. Cambridge, MA; London: The MIT Press, 1997 2 Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Finnland, Großbritannien, Italien, Japan, Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweden, USA. 5 Veränderung des Realzinssatzes abzüglich der Wachstumsrate des BIP multipliziert mit der Schuldenquote; (5) ein Dummy für Wahlen und (6) ein Dummy für links ausgerichtete Regierungen. Die Berechnungen führen laut den Autoren zu folgenden Ergebnissen: Statistisch läßt sich die Hypothese nicht stützen, daß das Haushaltsdefizit unter linksgerichteten Regierungen tendenziell höher ist. In einem kürzeren Untersuchungszeitraum (1961-85) ließ sich zwar feststellen, daß die Variable für linksgerichtete Regierungen statistisch signifikant war und auf höhere Haushaltsdefizite unter diesen Regierungen hindeutete. Bei Hinzunahme des Zeitraums von 1985 bis 1993 läßt sich dieses Ergebnis jedoch nicht halten. Dies könnte so interpretiert werden, daß linke Regierungen im letzten Jahrzehnt immer stärker zu einer konservativeren Fiskalpolitik tendierten. Aufgrund weiterer Untersuchungen läßt sich vermuten, daß die Fiskalpolitik vom Wahlzyklus abhängt, d.h., daß die Haushaltsdefizite in Wahljahren höher sind. Die zyklischen Ausschläge sind jedoch nicht sehr stark. Vor Wahlen steigen die Regierungsausgaben im Verhältnis zum BIP tendenziell an, obgleich die geschätzten Koeffizienten statistisch nicht signifikant sind. Zwar hat die Variable für die Wahlen in Bezug auf die Steuereinnahmen das erwartete Vorzeichen, ist aber ebenfalls statistisch nicht signifikant. Diese Ergebnisse überraschen ein wenig. In der empirischen Literatur zu politischen Zyklen wurden in jüngster Zeit einige interessante Theorien zur Erklärung veröffentlicht.3 Erstens scheinen Koalitionsregierungen bei der Haushaltskonsolidierung erfolgreicher zu sein als nur von einer Partei gebildete Regierungen. Zweitens wirkt eine Lockerung der Fiskalpolitik nicht in allen Fällen expansiv, und es gibt keine Bestätigung für die Auffassung, daß eine lockerere Fiskalpolitik zu einer längeren Regierungszeit führt. Geringere Lohn- und Gehaltszahlungen des Staates und niedrigere Transferzahlungen scheinen sich nicht negativ auf die Stabilität der Regierung auszuwirken. Tatsächlich können sich Regierungen, die aktiv gegen ein steigendes Defizit vorgehen, häufig höherer Zustimmung in der Bevölkerung erfreuen. Schließlich führen fiskalische Einschnitte nicht zwingend dazu, daß die Popularität einer Regierung sinkt. Fazit Obwohl der von uns gefundene Zusammenhang zwischen parteipolitischen Gesichtspunkten und der Höhe von Haushaltsdefiziten an Erklärungsgehalt verliert, wenn andere defizitbestimmende politische und wirtschaftliche Faktoren Berücksichtigung finden, sollten die mit den Vorstößen zur Aufweichung des Stabilitätspakts verbundenen Risiken nicht unterschätzt werden. Die Senkung der Arbeitslosigkeit dürfte die Popularität einer Regierung in der Bevölkerung entscheidend beeinflussen. Die Arbeitslosigkeit ist zwar in den meisten Ländern strukturell bedingt, die jüngsten Vorschläge einflußreicher europäischer Politiker (z.B. Ciampi und Lafontaine) lassen aber befürchten, daß die Nachfragesteuerung ein zentrales Element der künftigen Politik sein wird. Österreichs mittelfristiger Finanzplan könnte am Anfang eines neuen Trends stehen. Sollten andere Länder sich entschließen, Österreichs Beispiel zu folgen, dürfte sich die EZB einer weiteren, bedeutenden Herausforderung gegenübersehen. Peter Cornelius, Frankfurt, (069) 910-31737 Bernhard Gräf, Frankfurt, (069) 910-31738 3 Alesina, Alberto; Perotti, Roberto; Tavares, José: The Political Economy of Fiscal Adjustments. Brookings Papers on Economic Activity, 1:1998, 191-266. 6 Fiskalpolitik linksgerichteter Regierungen scheint konservativer geworden zu sein