Gesundheit & Lebenshilfe Krebstherapie Maßgeschneiderte Krebstherapie Krankenhaus St. Veit/Glan Die Diagnose „Krebs“ ist für viele Menschen nach wie vor Sinnbild für den unabwendbaren Tod. Das Wort allein löst oft tiefere Ängste aus als zum Beispiel die Diagnose „Leberzirrhose“ oder „Herzschwäche“. Und das, obwohl mittlerweile durch die intensive Zusammenarbeit diverser Fachdisziplinen immer mehr Krebserkrankungen heilbar werden. VON OA DR. UTE ENÖKL-TOMANTSCHGER Die Angst vor Krebs geht zum Teil darauf zurück, dass die Onkologie ihren PatientInnen sehr lange Zeit bis auf wenige Chemotherapeutika nur wenig anzubieten hatte. In den letzten beiden Jahrzehnten hat die Entwicklung rasant an Fahrt aufgenommen – von der Öffentlichkeit zunächst unbemerkt, da sich ein großer Teil der Erkenntnisse auf die Ergebnisse von Grundlagenforschung stützt. Während „Krebs“ in den Jugendjahren unserer Eltern und Großeltern noch ein Begriff für eine unerklärliche, den Körper aufzehrende Erkrankung war, der man oft nichts entgegenzusetzen hatte, haben wir mittlerweile Kenntnis darüber gewonnen, dass „Krebs“ ein Überbegriff für eine Unzahl verschiedener Erkrankungen ist. Die eigentlich bahnbrechende Erkenntnis ist, dass selbst vermeintlich gleichartige „Krebstypen“ bei verschiedenen PatientInnen extrem unterschiedlich aufgebaut sein können. Zum Beispiel können PatientInnen Gleichartige „Krebstypen“ mit Lungenkrebs bereits heute können bei verschiedenen durch die Analyse bestimmter PatientInnen extrem Mutationen im Tumor in gewisunterschiedlich aufgebaut sein. sen Fällen sehr unterschiedliche maßgeschneiderte Therapien erhalten. Ähnlich große Fortschritte konnten beim Melanom, dem „schwarzen Hautkrebs“, gemacht werden. Eine metastasierte Erkrankung, die für viele binnen Kurzem den Tod 8 granatapfel 5 ∙ 2016 bedeutete, kann nun immer öfter über Jahre stabilisiert werden. Einfach ausgedrückt: Wie jeder Mensch seinen charakteristischen Fingerabdruck hat, hat jeder Krebspatient einen auf molekularer Ebene anders aufgebauten ­Tumor und benötigt wahrscheinlich seine eigene individuelle Therapie. So lautet das Konzept der „personalisierten Krebstherapie“. Immer noch ein großes Problem stellen aber Resistenzen dar – das bedeutet, dass der Tumor früher oder später auf die Therapie ­unempfindlich wird. Erneute Probenentnahmen können dann notwendig werden, um festzustellen, auf welche Substanzen der ­Tumor noch empfindlich ist – was belastend und manchmal auch riskant sein kann. Auch hier hat die Forschung schon große Fortschritte gemacht: Mithilfe sehr genauer Methoden wird versucht, genetisches Material des Tumors aus einer Blutprobe des Patienten zu gewinnen. Man erhofft sich eines Tages mittels „liquid biopsy“ (wie man diese Technik nennt) bei Therapieversagen durch eine Blutabnahme festzustellen, welche Substanz beim betroffenen Patienten als Nächstes ­wirken würde. Kraftwerk Tumorzelle Wenn man sich den kleinsten Baustein des Tumors, die Tumorzelle, schematisch anschaut, erkennt man aber auch, wie steinig Krebstherapie Die sogenannte „personalisierte Medizin“ für KrebspatientInnen ist im Vormarsch. Fotos: Barmherzige Brüder St. Veit, Monkey Business/Fotolia.com Oberärztin Dr. Ute Enökl-Tomantschger ist Fachärztin für Innere Medizin an der Abteilung für Innere Medizin am Krankenhaus in St. Veit/Glan. der Weg vom Forschungsergebnis zur therapeutischen Anwendung ist. Man kann sich die Tumorzelle wie ein kleines Kraftwerk vorstellen, das von vielen kleinen Motoren am Leben erhalten wird. Wenn ein Motor nicht mehr funktioniert, springt eben – plakativ ausgedrückt – ein anderer ein und erhält die Tumorzelle am Leben. Daher kann es auch vorkommen, dass eine vielversprechende Substanz in der Praxis nicht wirkt. Zudem besteht jeder Tumor und jede Metastase aus Milliarden verschieden aufgebauter Tumorzellen, die unterschiedliche Eigenschaften haben können. Das erklärt auch, warum wir die allermeisten metastasierten Krebserkrankungen derzeit nicht mit Chemotherapie heilen können, weil immer ein paar Tumorzellen unempfindlich werden. Dazu kommt noch die komplexe Rolle des körpereigenen Immunsystems, das erst in den letzten Jahren in den Fokus der Forschung gerückt ist. Viele Tumoren haben nämlich die Fähigkeit, durch Botenstoffe dem Immunsystem vorzugaukeln, dass das „Krebsgeschwür“ zum Körper gehört und nicht bekämpft werden muss. Es wird derzeit sehr intensiv versucht, diese Immunblockade aufzulösen, sodass der Körper zur Tumorzellabwehr befähigt wird. Ein gewisser Prozentsatz der Melanom- und LungenkrebspatientInnen kann von dieser therapeutischen Option profitieren. Allerdings sind wir noch weit von einer breiten Anwendung entfernt. Personalisierte Medizin Die sogenannte „personalisierte Medizin“ ist trotz allem im Vormarsch. In einzelnen Fällen hat eine zielgerichtete Therapie schon ­heute Eingang in die Praxis gefunden. Bei sehr vielen fortgeschrittenen Tumorerkrankungen ist es aber nach wie vor sinnvoll, zunächst die etablierten chemotherapeutischen Maßnahmen auszuschöpfen, ehe man sich an einem Studienzentrum in eine experimentelle Studie einschließen lässt. Sehr häufig ist auch die Voraussetzung für eine Studienteilnahme, dass die Standardtherapien durchgeführt wurden. Zusammengefasst sickern die reichhaltigen Erkenntnisse aus den molekularen Laboratorien zunehmend in die Praxis ein. Es ist bei weitem noch nicht Zeit für Enthusiasmus, und es gibt noch zahlreiche ungelöste Probleme. Fortgeschrittene Krebserkrankungen sind in den meisten Fällen immer noch nicht heilbar, und sie werden es in den nächsten Jahren wohl leider nicht werden. Aber immer mehr PatientInnen werden in Zukunft mit ihrer Erkrankung über viele Jahre mit guter Lebensqualität leben können. Bereits heute haben sehr viele KrebspatientInnen eine bessere Lebenserwartung als PatientInnen mit schwerer Herzschwäche oder Leberzirrhose. 9