Titel: LÄRM - Gefährdungen und betriebliche - AS

Werbung
Titel: LÄRM - Gefährdungen und betriebliche Schutzmaßnahmen
1. Einleitung
Lärm gehört zu den häufigsten Gefährdungen am Arbeitsplatz. In Deutschland sind ca. 5 Millionen
Arbeitnehmer gehörgefährdendem Lärm ausgesetzt und die Berufskrankheit „Lärmschwerhörigkeit“
steht noch immer an erster Stelle aller Berufskrankheiten.
Aus der Statistik der Bundesanstalt für Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizin können für das Jahr 2008 die folgenden Zahlen entnommen
werden:
Insgesamt
Lärmschwerhörigkeit
Entsprechend
Prozent:
Angezeigte
Anerkannte
Verdachtsfälle Berufskrankheiten
63757
13546
9792
5158
15,4
38,1
Neue
Rentenfälle
4488
392
8,7
2. Was ist Lärm?
Lärm ist in erster Linie hörbarer Schall, der stören, belästigen, die Gesundheit schädigen und die Unfallgefahr erhöhen kann.
Lärm entsteht häufig
⇒ durch Maschinengeräusche,
⇒ aus von Betriebsmitteln emittierten Tönen,
⇒ Knall-Ereignissen,
⇒ aber auch durch laute Musik oder Sprachschall.
Im Sinne der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung ist Lärm „jeder Schall, der zu einer
Beeinträchtigung des Hörvermögens oder zu einer sonstigen mittelbaren oder unmittelbaren Gefährdung von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten führen kann“.
3. Wie wirkt Lärm?
Mechanische Wirkungen
Schallwellen werden von der Ohrmuschel „eingefangen“ und über
ein komplexes System in das Innenohr übertragen, wo eine Vielzahl
an Haarzellen den Schall in elektrochemische Energie umwandelt
und über den Hörnerv an das Gehirn weiterleitet.
Je mehr intakte Haarzellen vorhanden sind, desto besser ist das Hörvermögen. Mit zunehmendem Alter sterben einige der Haarzellen ab,
so dass sich im Laufe der Zeit auch eine natürliche, altersbedingte
Abnahme des Hörvermögens ergibt.
Die Haarzellen verhalten sich – bildhaft verglichen – wie ein Kornfeld im Wind. Das Auftreten hoher Schallpegel ist nun vergleichbar mit einem Sturm im Innenohr, der - je nach Stärke - zu einem
irreparablen Abknicken der „Kornhalme“ (Haarzellen) führen kann, die dadurch keine Reize mehr
auf den Hörnerv übertragen.
Kommt es im Lauf des Lebens zu vielen, starken „Stürmen“ im Ohr, sterben Haarzellen vermehrt ab
und das Hörvermögen wird so beeinträchtigt, dass eine bleibende Lärmschwerhörigkeit eintritt.
Psychische Belastungen
Seite 1 von 5
Lärm verursacht nicht nur Gehörschäden, sondern gefährdet generell die Gesundheit und erschwert
die Arbeit in allen Bereichen des Arbeitslebens.
⇒ Infolge des Überhörens von Signalen und Warnrufen oder als Schreckreaktion auf unerwartete
Geräusche, kann sich das Unfallrisiko erhöhen.
⇒ Durch die erhöhte Beanspruchung des Organismus, insbesondere bei Tätigkeiten mit hohen geistigen Anforderungen oder die Störung der sprachlichen
Kommunikation, steigt die Arbeitsbelastung und die
Arbeitsleistung sinkt.
⇒ Lärm in Kombination mit anderen Belastungen, wie z. B.
Schwingungen, Hitze, Kälte, Zugluft, Gefahrstoffen,
Zeitdruck oder sehr komplexen Arbeitstätigkeiten, kann zu
einem erhöhten Stress-Hormonspiegel und zur Verengung
der peripheren Blutgefäße führen und dadurch auf Dauer das
Risiko für stressbedingte Erkrankungen erhöhen. Nervosität,
Schlaflosigkeit, Bluthochdruck, Beschleunigung der Herzfrequenz, Stoffwechselstörungen, Verdauungsbeschwerden, aber auch Bandscheibenprobleme sind Beispiele für die vielfältigen, möglichen Folgen psychischer Fehlbelastungen.
4. Gesetzliche Grundlagen
Die wesentlichen gesetzlichen Grundlagen, im Zusammenhang mit dem Thema Lärm, finden sich im
Arbeitsschutzgesetz, der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung und im Arbeitssicherheitsgesetz.
Das Arbeitssicherheitsgesetz findet an diese Stelle Erwähnung, weil viele, meist kleine Betriebe,
nicht über die notwendige Arbeitsschutzorganisation verfügen. Was in großen Unternehmen selbstverständlich ist, z.B. die Bestellung eines Betriebsarztes und einer Fachkraft für Arbeitssicherheit, ist
dort vielfach nicht bekannt oder wird aus verschiedenen Gründen immer wieder aufgeschoben. Insbesondere muss nach dem Arbeitssicherheitsgesetz in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten ein
Arbeitsschutzausschuss wenigstens viermal im Jahr alle Belange der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes erörtern. Zu beteiligen sind der Arbeitgeber oder seine Vertreter, der oder die Sicherheitsbeauftragten, der Betriebsrat, der Betriebsarzt und die Fachkraft für Arbeitssicherheit.
Ist diese Arbeitsschutzorganisation im Betrieb implementiert, sind ausreichend Arbeitsschutzexperten vorhanden, die auf die Durchführung der notwendigen Maßnahmen im Sinne der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung drängen werden. Insbesondere die Sicherheitsbeauftragten sind
dem Chef und ihren Kolleginnen und Kollegen kompetente Ansprechpartner in Sachen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Sie kennen die Arbeitsplätze und Tätigkeiten im Unternehmen aus
dem FF und sind Vorbild in Belangen von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Durch ihre Einbindung in die betriebliche Sicherheitsorganisation sind sie stets bestens informiert und tragen Sicherheitsdefizite, die vor Ort nicht abgestellt werden können, an die Vorgesetzten und den Arbeitsschutzausschuss heran.
5. Gefährdungsbeurteilung
Die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung legt fest, dass der Arbeitgeber, bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes, zunächst festzustellen hat, ob die
Beschäftigten Lärm ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein könnten.
Ist dies der Fall, hat er alle hiervon ausgehenden Gefährdungen für die Gesundheit und Sicherheit der
Beschäftigten zu beurteilen. Er hat die auftretenden Expositionen am Arbeitsplatz zu ermitteln und
zu bewerten.
Die notwendigen Informationen können
⇒ beim Hersteller oder Inverkehrbringer von Arbeitsmitteln,
⇒ bei anderen zugänglichen Quellen oder
Seite 2 von 5
⇒ durch Messungen beschafft werden.
Entsprechend dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung sind danach die Schutzmaßnahmen nach
dem Stand der Technik festzulegen.
Nach der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung betragen die Auslösewerte in Bezug auf
den Tages-Lärmexpositionspegel und den Spitzenschalldruckpegel:
Obere Auslösewerte: LEX,8h = 85 dB(A) beziehungsweise LpC,peak = 137 dB(C)
Untere Auslösewerte: LEX,8h = 80 dB(A) beziehungsweise LpC,peak = 135 dB(C)
Bei der Anwendung der Auslösewerte wird die dämmende Wirkung eines persönlichen Gehörschutzes der Beschäftigten nicht berücksichtigt.
6. Schutzmaßnahmen
Beim Erreichen bzw. Überschreiten der oben genannten Grenzwerte, müssen die folgenden Schutzmaßnahmen „ausgelöst“ werden:
Präventionsmaßnahmen nach LärmVibrationsArbSchV:
Maßnahmen bei Erreichen bzw. Überschreiten der Tages-Lärmexposiunteren/oberen Auslösewerte
tionspegel 80 dB(A),
Spitzenschalldruckpegel 135
dB(C)
Lärmminderungsprogramm § 7 (5)
Kennzeichnung der Lärmbereiche und Bereichsabgrenzung, sofern technisch möglich, Zugangseinschränkung § 7 (4)
Gehörschutz zur Verfügung stellen § 8 (1)
überschritten
erreicht oder überschritten
erreicht oder überschritten
erreicht oder überschritten
Vorsorgekartei § 13 (6)
Angebot arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen »Lärm« § 14 (3), Nr. 1
Veranlassung arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen »Lärm« § 14 (1), Nr. 1
überschritten
erreicht oder überschritten
Gehörschutz-Tragepflicht § 8 (3)
Unterweisung inkl. allgemeine arbeitsmedizinische
Beratung § 11 (1)
Tages-Lärmexpositionspegel 85 dB(A),
Spitzenschalldruckpegel 137
dB(C)
überschritten
erreicht oder überschritten
Tabelle 1
7. Lärmminderungsprogramm
Am wirksamsten ist die Bekämpfung der Lärmemission direkt an der Quelle der Lärmentstehung,
z. B. der Ersatz einer mit Druckluft betriebenen Pumpe durch eine Pumpe mit elektrischem Antrieb.
Gelingt die Verringerung der Lärmentstehung dadurch nicht ausreichend, sollte im nächsten Schritt
versucht werden, die Schallausbreitung über Schalldämpfung und –Absorption, z. B. mit Kapseln
oder Verkleidungen, zu bekämpfen und zwar so nah wie möglich an der Quelle der Lärmentstehung.
Erst wenn eine wirksame Lärmbekämpfung an der Lärmentstehungsquelle nicht möglich ist, bietet es
sich an, im Arbeitsraum schallabsorbierende Auskleidungen oder Trennwände anzuwenden.
8. Kennzeichnung der Lärmbereiche
Seite 3 von 5
Wird die obere Auslöseschwelle für den Tages-Lärmexpositionspegel oder den Spitzenschalldruckpegel erreicht oder überschritten, ist der Arbeitsbereich als Lärmbereich zu kennzeichnen und, falls
technisch möglich, abzugrenzen.
Nach der Arbeitsstättenrichtlinie ASR A1.3 „Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung“
muss die Kennzeichnung mit dem Gebotszeichen „M003 – Gehörschutz benutzen“ erfolgen.
9. Gehörschutz
Individueller Gehörschutz ist eine Maßnahme, die erst dann angewandt werden soll, wenn alle anderen Möglichkeiten der Verminderung der Schallentstehung und -ausbreitung ausgeschöpft
sind. Da der Umsetzung von Lärmminderungsmaßnahmen jedoch häufig technische oder betriebswirtschaftliche Grenzen gesetzt sind, ist die Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen eine regelmäßig anzutreffende und wichtige Schutzmaßnahme:
⇒ Individuell angepasste Gehörschutz-Otoplastiken
⇒ Gehörschutzstöpsel
⇒ Kapselgehörschützer mit Kopf- oder Nackenbügel
⇒ Kapselgehörschützer, die an Arbeitshelmen befestigt werden
Gehörschutz muss hygienisch einwandfrei und gegen Verschmutzung geschützt aufbewahrt werden.
Detaillierte Informationen zu diesem Thema beinhaltet die
BGR 194 „Einsatz von Gehörschützern“.
10. Unterweisung inkl. allgemeiner arbeitsmedizinischer Beratung
Zu den häufigsten, organisatorischen Defiziten in Betrieben gehören fehlende Schulungsnachweise.
Werden die o. g. Auslöseschwellen erreicht oder überschritten stellt der Arbeitgeber sicher, dass die
betroffenen Beschäftigten eine Unterweisung erhalten, die auf den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung beruht und die Aufschluss über die mit der Exposition verbundenen Gesundheitsgefährdungen gibt. Die Unterweisung soll folgende Themengebiete beinhalten:
1. Die Art der Gefährdung.
2. Die durchgeführten Maßnahmen zur Beseitigung
oder zur Minimierung der Gefährdung unter Berücksichtigung der Arbeitsplatzbedingungen.
3. Die Expositionsgrenzwerte und Auslösewerte.
4. Die Ergebnisse der Ermittlungen zur Exposition
zusammen mit einer Erläuterung ihrer Bedeutung
und der Bewertung der damit verbundenen möglichen Gefährdungen und gesundheitlichen Folgen.
5. Die sachgerechte Verwendung der persönlichen
Schutzausrüstung.
6. Die Voraussetzungen, unter denen die Beschäftigten Anspruch auf arbeitsmedizinische Vorsorge haben, und deren Zweck.
7. Die ordnungsgemäße Handhabung der Arbeitsmittel und sichere Arbeitsverfahren zur Minimierung der Expositionen.
8. Hinweise zur Erkennung und Meldung möglicher Gesundheitsschäden.
Über die Durchführung dieser Schulungen ist ein Nachweis zu führen (§4 UVV BGV A1)
Eine moderne und sehr effiziente Methode der Wissensvermittlung ist das so genannte E-Learning.
So hilft zum Beispiel „AS-Trainer®“ dabei, die Führungskräfte und Sicherheitsbeauftragten durch
Fortfallen von Organisation, Terminabsprachen u. Schulungszeiten zeitlich zu entlasten und eine hoSeite 4 von 5
he Rechtssicherheit durch nachweisbar bestandene Abschlusstests zu gewährleisten (siehe auch
www.as-trainer.com).
11. Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen
Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen sind in der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) aufgeführt.
Danach sind Pflichtuntersuchungen durchzuführen, wenn die oberen Auslösewerte von
Lex,8h = 85 dB(A) beziehungsweise LpC,peak = 137 dB(C) erreicht oder überschritten werden.
Angebotsuntersuchungen sind den Beschäftigten anzubieten, wenn die unteren Auslösewerte von
Lex,8h = 80 dB(A) beziehungsweise LpC,peak = 135 dB(C) überschritten werden.
Die Vorsorgeuntersuchungen sind von einem Arzt mit der Gebietsbezeichnung “Arbeitsmedizin”
oder Zusatzbezeichnung “Betriebsmedizin” entsprechend dem Berufsgenossenschaftlichen Grundsatz für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen G20 “Lärm” durchzuführen.
12. Zusammenfassung
Gefährdungen und Belastungen durch Lärm können vielfältig sein. Eine gründliche Gefährdungsbeurteilung und die kontinuierliche Verbesserung aller Schutzmaßnahmen sind wichtige Bestandteile
der Unternehmensführung. Sie garantieren Rechtssicherheit, einen störungsfreien Betrieb mit hoher
Produktivität, eine gute Zusammenarbeit mit Behörden und Verwaltungen, eine Senkung der Kosten,
den Schutz und die Zufriedenheit Ihrer Mitarbeiter und nicht zuletzt ein hohes Maß an Lieferzuverlässigkeit.
Autor
Gert Passehl
Geschäftsführer der AS-Trainer
GmbH sowie freiberufliche Fachkraft für Arbeitssicherheit und Gefahrgutbeauftragter
Mail: [email protected]
Seite 5 von 5
Herunterladen