Kurzversion des Vortrages von Dr. Fuchs „Wie schädigt Lärm das Gehör?“ Wenn wir uns über Lärmschwerhörigkeit unterhalten muss man vorher klären, was das Ohr eigentlich macht. Das Ohr ist letztendlich ein Messinstrument, das Schallwellen misst und in elektrische Energie umwandelt, die dann im Gehirn verarbeitet werden. Hören tut man also nicht mit dem Ohr sondern mit dem Gehirn, das Ohr misst lediglich die Intensität und die Frequenz von Schallwellen. Vergleicht man die Leistung des Ohres mit einer Waage, könnte man von einem Milligramm bis 1.000 Tonnen „hören“. Weiterhin ist das Innenohr ein Gleichgewichtsorgan, das soll uns heute aber nicht beschäftigen. Was ist überhaupt Lärm? Lärm ist letztendlich auch eine wertende Aussage zur Qualität eines Geräusches, nicht nur zu seiner Lautstärke. So kann ein Sinfonieorchester durchaus in den Bereich kommen, in dem man von gehörschädigendem Lärm sprechen muss, ohne das der Zuhörer es so empfindet. Andererseits kann auch das Tropfen eines Wasserhahns als Lärm empfunden werden wenn man nachts um drei Uhr nicht einschlafen kann. Streng genommen müssten wir also von gehörschädigendem Schalldruck sprechen und nicht von gehörschädigendem Lärm. Man geht davon aus, dass ab einem Beurteilungspegel über 80 dB(A) eine Gehörschädigung bei einer Exposition über acht Stunden täglich stattfinden kann. Es ist dabei festzuhalten, dass nicht nur die Lautstärke, sondern auch die Einwirkungszeit auf das Gehör, Einfluss auf das Ausmaß der Schädigung hat. Gehen wir von den bekannten Werten aus, die uns sagen, dass ab 85 dB(A) über acht Stunden eine Gehörgefährdung angenommen werden kann, so wäre das bei der doppelten Lautstärke schon nach vier Stunden der Fall. Die doppelte Lautstärke ist jedoch schon bei 3 dB(A) Steigerung erreicht, so dass wir weitergehend bei 91 dB(A) die Schädigung schon nach zwei Stunden haben, bei 94 dB(A) schon nach einer Stunde usw. Eine Lautstärke von 105 dB(A) kann die gehörschädigende Wirkung schon nach knapp fünf Minuten entfalten. Bei sehr lauten Geräten (z.B. Flex oder Kreissäge) reicht daher oft schon ein ganz kurzer Arbeitsprozess um sich die Mindestdosis für gehörgefährdenden Lärm an einem Arbeitstag einzufangen. Ganz kurz zur Anatomie des Ohres: Wir unterscheiden das äußere Ohr, den Gehörgang, das Mittelohr und das Innenohr. Das äußere Ohr dient mit der Ohrmuschel zur ersten Sammlung und Verstärkung von Schallwellen, auch ermöglicht es uns ein „perspektivisches Hören“ , also die Möglichkeit die Herkunft eines Schalls zu orten. Der Gehörgang (das Reich des Q-tipps) wird am Ende verschlossen durch das Trommelfell. Dieses wird durch die Schallwellen in Schwingungen versetzt. Diese Schwingungen werden durch drei kleine Knöchelchen (Hammer, Amboss, Steigbügel) verstärkt und auf das ovale Fenster des Innenohrs übertragen. Störungen in diesem Bereich nennt man eine Schallleitungsschwerhörigkeit, sie wird nicht durch Lärm ausgelöst sondern durch Änderungen des Druckes gegenüber der Atmosphäre (z. B. beim Fliegen) oder durch Mittelohrentzündungen. Die Umwandlung der Schallschwingungen in elektrische Impulse, die vom Gehirn weiterverarbeitet werden können, erfolgt dann in dem schneckenförmig gebauten Innenohr. Hier wird eine Membran zum Schwingen gebracht, die wiederum ihre Schwingungen auf die sog. Haarzellen überträgt. Diese Haarzellen sind Nervenzellen, die mit kleinen Härchen ausgestattet sind. Werden diese Härchen bewegt, entsteht ein elektrischer Impuls, der über den Hörnerv weitergeleitet wird. Im Innenohr gibt es für verschiedene Frequenzen auch verschiedene Areale. Also die Haarzellen einer bestimmten Region werden nur durch eine bestimmte Frequenz in Schwingung gebracht. Man kann das mit einer Harfe mit etwa 3.500 Saiten vergleichen. An den Haarzellen findet auch die Schädigung durch Lärm statt. Haarzellen sind Nervenzellen, die, wenn sie zerstört und abgestorben sind, nicht wieder nachwachsen können. Eine übermäßige Belastung dieser Haarzellen durch Lärm, ggf. auch durch sehr starke Einzelschallimpulse, führt zum „Abbrechen“ der Haare und somit zur Funktionseinschränkung der Haarzelle. Lärm führt zuerst zur Ermüdung der Haarzellen (Vertäubung), später zum irreversiblen Absterben der Haarzellen (Lärmschwerhörigkeit). Ein einmal eingetretener Lärmschaden ist nicht wieder zu reparieren. Die Exposition des Innenohrs gegenüber Lärm führt nicht zu einer gleichmäßigen Abnahme der Empfindlichkeit gegenüber allen Frequenzen. Vielmehr sind insbesondere die Frequenzen um 4.000 bis 6.000 Hertz besonders betroffen. Hier sterben die Haarzellen also sehr viel früher ab als in anderen Bereichen des Innenohres. Dummerweise ist es genau dieser Frequenzbereich, den wir am meisten benötigen um Sprache zu verstehen. Ein Lärmschwerhöriger wird ein Gespräch in einem ruhigen Raum im Allgemeinen gut verfolgen können. Erhebliche Probleme hat er aber, wenn Umgebungsgeräusche hinzukommen. Er kann eine Unterhaltung z.B. in einer Gastwirtschaft mit vielen Nebengeräuschen im Allgemeinen nicht mehr verfolgen. Er hört zwar, dass etwas gesagt wird, versteht es aber nicht mehr. Worte werden verstümmelt. Sprache und Hintergrundgeräusche vermischen sich. Die Musik verliert ihr Klangbild. Lärmschwerhörigkeit ist somit eine Einschränkung, die sich sehr stark auf den sozialen Bereich auswirkt. Nicht umsonst heißt das plattdeutsche Wort für taub: „doof“. Daher das abschließende Zitat: „Nicht sehen können trennt von den Dingen, nicht hören können von den Menschen.“ Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.