Diagnose des Diabetes und Diabetes

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Diagnose des Diabetes und Diabetes-Typen im Alter
Diabetes im Alter wird oft relativ spät diagnostiziert, da er meist keine Symptome
verursacht.
Es wird empfohlen, alle über 45-jährigen Personen alle drei Jahre auf das
Vorhandensein von Diabetes zu untersuchen – bei erhöhtem Risiko für Diabetes
jährlich. Zur Diagnose eignet sich sowohl der Nüchtern-Blutzucker als auch das
HbA1c.
Falls der Nüchtern-Blutzucker (Plasmaglukose) wiederholt mehr als 7 mmol/l, oder
das HbA1c über 6,5 % beträgt, so spricht man von Diabetes.
Der Diabetes Typ 2 ist zwar die mit großem Abstand häufigste Diabetesform des
Älteren (über 90 %). Es gibt aber auch neue Fälle von Typ-1-Diabetes in jedem Alter.
Früherfassung und Vorbeugung von Komplikationen
Komplikationen eines Diabetes, wie z.B. Herzkrankheiten, Gefäß-, Nerven- oder
Nierenschäden haben bei Älteren besondere Auswirkungen.
Hoher Blutdruck und abnorme Blutfette: Die Mehrzahl der älteren Typ-2-Diabetiker
haben einen zu hohen Blutdruck und abnorme Blutfette. Für sie – und insbesondere
auch für Diabetikerinnen – gilt wie bei Jüngeren zur Vermeidung von Herz-KreislaufKrankheiten der Grundsatz: «Typ-2 – Denk-3»: Diabetes Typ 2 denke an eine gute
Einstellung von Blutzucker, Blutdruck und Blutfetten.
Bei Diabetes soll in der Regel ein Blutdruck von unter 135/85 mm Hg und ein LDLCholesterinwert («schlechtes» Cholesterin) von unter 2,6 mmol/l, bei bestehender
Gefäßkrankheit sogar von unter 1,8 mmol/l, angestrebt werden. Viele
Diabetespatienten wissen nicht, dass zur Vermeidung von Durchblutungsstörungen
die medikamentöse Senkung von Blutfetten (Cholesterin) mit einem Statin wichtiger
ist als die Behandlung erhöhter Blutzuckerwerte.
Bei älteren Menschen müssen diese Zielwerte manchmal angepasst werden. Eine zu
aggressive Blutdrucksenkung kann bei betagten Diabetikern Nebenwirkungen wie
Schwindel und Stürze haben.
Eine Prävention von Herzkomplikationen mit einem Statin kann bei Hochbetagten
sinnlos sein, wenn der Allgemeinzustand oder die Lebenserwartung deutlich
vermindert sind.
Die diabetische Augenerkrankung (Retinopathie) ist die häufigste Komplikation der
kleinen Blutgefässe. Sie kommt bei schlechter Blutzucker- und Blutdruckeinstellung
und bei langer Krankheitsdauer gehäuft vor und kann zur Erblindung führen. Allen
älteren Diabetikern empfiehlt man mindestens jährlich eine augenärztliche
Untersuchung. Dabei genügt der Nachweis einer guten Sehschärfe beim Optiker
nicht! Grauer Star (Katarakt) ist bei Diabetes gehäuft; senile Makula-Degeneration
und grüner Star kommen allgemein bei Älteren gehäuft vor.
Nieren und ableitende Harnwege: Älter werdende Diabetiker haben gehäuft
Nierenfunktionsstörungen und Infektionen der ableitenden Harnwege. Die
Früherfassung einer Nierenstörung erfolgt durch die Bestimmung von Mikroalbumin
im Urin.
Diabetischer Fuss und diabetische Nervenschäden: Besonders wichtig ist die
regelmässige Untersuchung der Füsse durch die Betroffenen selbst und durch den
Arzt, und die Vorbeugung von offenen Füssen. Diese entstehen oft unbemerkt, sind
schlecht heilend und können zu kostspieligen Therapien und am Ende zu
Amputationen führen. Offene Füsse sind gehäuft bei Gefühlstörungen (Neuropathie)
und bei arterieller Durchblutungsstörung der Beine, sie werden begünstig durch
verminderte Gelenkbeweglichkeit und durch Fehlbelastungen, die zu Druckerhöhung
an der Fusssohle führen.
Regelmäßige Fußpflege und passendes Schuhwerk sind bei Älteren besonders
wichtig.Nervenschäden verursachen auch Symptome wie kalte, trockene oder
brennende Füsse, Kribbeln, Schmerzen oder Taubheitsgefühl (Gehen wie auf
Watte). Spezielle Medikamente zur Behandlung von Schmerzen bei Neuropathie
werden von Älteren oft schlecht vertragen.
Auch das unbewusste Nervensystem kann betroffen sein (autonome Neuropathie):
Zu den häufigsten Symptomen zählen Magen-Darmbeschwerden und
Erektionsschwäche bei Männern. Ein Wechsel von Durchfall und Verstopfung,
Blähungen oder Sodbrennen sind typische Beschwerden. Gerade bei älteren
Menschen kann eine Verzögerung der Magenentleerung durch eine Neuropathie
Grund für eine Unterzuckerung nach Essensbeginn sein, wenn rasch wirksames
Insulin vor der Mahlzeit gespritzt wird. In solchen Fällen ist es sinnvoll, das
Essensinsulin erst nach einer eingenommenen Mahlzeit zu spritzen – insbesondere
bei relativ tiefen Blutzuckerwerten vor der Mahlzeit.
Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 bei Senioren
Grundsätzlich gelten die gleichen Prinzipien und Zielwerte wie bei Jüngeren. Die
Güte der Langzeiteinstellung des Blutzuckers wird mit dem HbA1c-Wert beurteilt –
dieser ist ein Mass für den mittleren Blutzucker der vergangenen zwei bis drei
Monate. Der wichtigste Grund für das Therapieziel eines HbA1c-Wertes von unter
7% ist das Vermeiden von diabetesspezifischen Komplikationen (Augen-, Nervenund Nierenschäden).
Die Wahl der Präparate bei den Stufen 2 und 3 ist abhängig von der individuellen
Situation und der Präferenz von Patient und Arzt/Ärztin. Die jeweiligen PräparateGruppen (Sulfonylharnstoffe [z.B. Diamicron®, Amaryl®]; GLP-1-Wirkstoffe oder
langwirksames Insulin [Insulatard®, Levemir®, Lantus®]) haben Vor- und Nachteile,
die im Einzelfall abgewogen werden müssen. Bei stark erhöhten Blutzuckerwerten
oder bei akuten Erkrankungen kann es nötig sein, eine oder mehrere Stufen zu
überspringen.
Viele ältere Menschen sträuben sich gegen eine Insulintherapie, und sie wird viel zu
lange hinausgeschoben, sei es aus Angst, Vorurteilen oder Schwierigkeiten bei der
technischen Durchführung. Eine Diabetes-Beratung kann diese Hemmnisse oft
überwinden, und die Patienten realisieren viel zu spät, wie viel besser sie sich fühlen,
wenn sich die Blutzuckerwerte gesenkt haben.
Die wichtigen zwei Nebenwirkungen der Insulintherapie sind die Gewichtszunahme
und die Hypoglykämie. Letztere ist bei älteren Menschen wegen des Sturz- und
Unfallrisikos besonders zu beachten. Es wird auch vermutet, dass Unterzuckerungen
gefährliche Herz-Rhythmus-Störungen provozieren können.
Die Basis-Bolus-Therapie, d.h. die Anwendung von Langzeitinsulin, kombiniert mit
raschem Insulin (NovoRapid®, Humalog®) vor dem Essen, wird heute den
Mischinsulinen (z.B. NovoMix®, Humalog Mix®) vorgezogen, da sie flexibler an den
wechselnden Insulinbedarf angepasst werden kann.
Nutzen und Risiken einer intensiven Blutzuckereinstellung bei SeniorenObwohl eine
gute Blutzuckereinstellung grundsätzlich auch bei Senioren wünschbar ist, soll eine
zu «scharfe» Einstellung vermieden werden, da der Nutzen geringer sein kann als
die Risiken – eine Studie hat vor Kurzem gezeigt, dass bei zu intensiver DiabetesTherapie mit einem HbA1c-Zielwert von unter 6,0 % die Sterblichkeit 25 % höher war
als bei einem HbA1c-Wert von 7,0 bis 7,9 %.Ein HbA1c-Wert von über 8 % ist jedoch
in jedem Fall zu vermeiden, da mit negativen Folgen wie Verlust an Körperwasser
und Elektrolyten, Muskelabbau, verminderte Infektabwehr und verzögerte
Wundheilung zu rechnen ist.Neue medikamentöse Therapien (GLP-1-Wirkstoffe)
Das körpereigene Hormon GLP-1 (Glucagon-like Peptide-1) wird normalerweise im
Dünndarm bei der Nahrungsaufnahme freigesetzt. Es verstärkt die Insulinsekretion
nach Mahlzeiten. GLP-1 hat weitere günstige Wirkungen bei Diabetes Typ 2, indem
es den Appetit vermindert und die Magenentleerung verzögert. GLP-1 wirkt nicht bei
tiefen Blutzuckerwerten und hat damit den grossen Vorteil, dass es keine
Unterzuckerungen verursacht.Natürliches GLP-1 ist wegen des raschen Abbaus
durch ein Enzym (DPP-4) im Körper für die Therapie bei Diabetes ungeeignet.
Gliptine sind synthetische DPP-4-Hemmer, die den Abbau des körpereigenen GLP-1
verzögern. Bei uns verfügbare Präparate sind Sitagliptin (Januvia® oder Xelevia®),
Vildagliptin (Galvus®), und Saxagliptin (Onglyza®). Nach oraler Einnahme dieser
Präparate wird der Blutspiegel von GLP-1 während 12 – 24 Stunden angehoben.
Die GLP-1-Analoga Byetta® und Victoza® sind vom Aufbau her verwandt mit dem
natürlichen GLP-1, sie werden aber nicht rasch abgebaut. Sie müssen wie Insulin ein
oder zwei Mal pro Tag gespritzt werden. Ein besonderer Vorteil dieser GLP-1Analoga ist, dass sie tendenziell das Gewicht senken. Wie der Langzeit-Nutzen und
die potenziellen Risiken dieser noch relativ neuen Präparate sind, werden wir erst in
Zukunft wissen.Diabetes mellitus Typ 1 im AlterImmer mehr Typ-1-Diabetiker
erreichen heute ein hohes Alter, und es treten damit spezielle Probleme auf. Die
Diabetes-Einstellung wird zunehmend labil, und viele realisieren nicht, dass sie sich
mit einer zu intensiven Blutzuckersenkung zunehmend einem Risiko für
Unterzuckerungen aussetzen.
Sie verlieren oft mit den Jahren die Warnsymptome von Hypoglykämien, und
gefährden sich mit zu tiefen Werten sowohl durch Stürze als auch durch Abnahme
des Gedächtnisses. Sie haben von ihren Therapeuten jahrzehntelang gehört, dass
der Blutzucker zur Vermeidung von Spätschäden «herunter» muss. Viele ältere Typ1-Diabetiker tun sich schwer damit, die Blutzuckerzielwerte etwas nach oben zu
korrigieren, und vermehrt auf die Vermeidung von zu tiefen Werten als auf zu hohe
zu achten.Ein spezielles Problem ist die Fahrtauglichkeit von älteren Typ-1Diabetikern. Sie können bei Hypoglykämien Dritte und auch sich selbst erheblich
gefährden; sie müssen deshalb konsequent vor jeder Fahrt den Blutzucker messen,
nicht zu lange ohne Pause und Blutzuckerkontrolle fahren und sich selbstkritisch die
Frage der grundsätzlichen Fahrtauglichkeit stellen.
Bei Unsicherheit über die Fahrtauglichkeit kann ein Experte beigezogen
werden.Viele Ärztinnen, Ärzte und Pflegende kennen die spezifischen Bedürfnisse
von älter werdenden Typ-1-Diabetikern zu wenig. Dies wird dann zum Problem, wenn
diese hospitalisiert oder unselbstständig werden. Sie sind im Spital besonders
gefährdet durch Hypoglykämien und bedürfen einer intensiven Insulintherapie. Nicht
selten wird ihr Diabetestyp verkannt und sie gelten als «gewöhnliche»
Altersdiabetiker.
Die zwei wichtigsten «Todsünden» der Insulintherapie in Spitälern bei diesen
Patienten sind, dass das Basisinsulin vergessen oder weggelassen wird, und dass
das rasch wirkende Insulin nur hinterher zur Korrektur von hohen Blutzuckerwerten
und nicht vor dem Essen zur Abdeckung von Mahlzeiten eingesetzt wird. Dies führt
dazu, dass gerade in Spitälern oft chaotische Blutzuckerprofile auftreten. Zum
Schluss soll betont werden, dass heute alle älteren Diabetiker Typ 1 und Typ 2 mit
der vielseitigen Palette von Therapien gut behandelt werden können. Es geht bei
ihnen darum, sie weitgehend vor Schäden durch die Krankheit und durch die
Therapie zu bewahren. Dies gelingt besonders dann, wenn der Diabetes von den
Betroffenen ernst genommen wird und sie von einem kompetenten Diabetes-Team
behandelt werden.
Prof. Ulrich Keller
FMH Endokrinologie-Diabetologie,
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