Orthorexie: Zwanghaft gesunde Ernährungsweise - NAV

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Orthorexie: Zwanghaft gesunde
Ernährungsweise
Neben der Anorexie, zu der erste Fallbe­
richte bereits Ende des 19. Jahrhunderts
veröffentlicht wurden, ist in jüngster Zeit
eine extreme Form des gesundheits­
bewussten Ernährungsverhaltens zu
beobachten: Orthorexie, eine Verhal­
tensstörung, derentwegen sich Betrof­
fene an ihren Hausarzt wenden oder
die bei der Anamnese auffällig wird. Der
niedergelassene arzt gibt Hinweise zur
Abrechnung der Behandlung der Ortho­
rexie als IGeL.
Z
ulasten der Gesetzlichen Krankenkassen kann eine Behandlung der Orthorexie in Frage kommen, wenn diese durch
eine begleitende psychische Erkrankung
bedingt ist, die ihrerseits die Orthorexia
nervosa bedingt und mit deren Behandlung auch eine Besserung der Orthorexie
erzielt werden kann. Die Prävalenz für
eine als Störung zu bezeichnende Orthorexie wird mit ein bis zwei Prozent der
Bevölkerung angenommen.
Orthorexie, eine Modeerkrankung
Während in früheren Jahrhunderten die
meisten Menschen Mühe hatten, sich
überhaupt satt zu essen, werden heute in
Zeiten des Nahrungsmittelüberflusses zunehmend Störungen festgestellt, die Aufnahme von Nahrung total zu verweigern
(Anorexie) beziehungsweise hinsichtlich
der Nahrungsmittel eine strenge ­Selektion
vorzunehmen. Die Massenmedien befassen sich regelmäßig mit Störungen wie
der Orthorexie (z.B. magere Models),
die Forschung hat sich allerdings damit
bisher kaum befasst. Angenommen wird,
dass diese Störung im Zusammenhang
mit einer Ernährungsumstellung, zum
Beispiel auf eine vegetarische oder vegane
Ernährung, beginnt. Auch die zahlreichen
­Berichte über Lebensmittelskandale schüren die Furcht vor gesundheitsschädigenden Nahrungsmitteln und können so eine
Orthorexie auslösen.
Mannigfaltige Ausprägungen
Die Orthorexie hat viele Ausprägungsformen: Häufig sind Betroffene nur in der
Lage, zu ganz bestimmten Zeiten zu essen
und auch nur bestimmte Kombinationen
von Nahrungsmitteln. Andere beschränken sich auf zwei oder drei Gemüse­sorten.
Eine zwanghafte Fixierung auf ein gesundheitsbewusstes Ernährungsverhalten
kann zu einer Belastung werden. Häufig
ist eine Orthorexie auch die Vorstufe zu
einer Anorexie, die bekanntlich mit er-
Wichtig
• Der Verdacht auf Orthorexie ergibt
sich zumeist bei der Anamnese­
erhebung
• Durch Informationsmaterial im
Warte­zimmer kann auf die weit­
gehend unbekannte Störung
„Orthorexie“ aufmerksam gemacht
werden, verbunden mit Hinweisen,
dass eine zwanghaft selektive
Ernährungsweise Erkrankungen zur
Folge haben kann
• Beratung: Nr. 1 GOÄ, 80 Punkte,
10,72 € (2,3-fach); längere Bera­
tung, mind. 10 Minuten, Nr. 3 GOÄ,
150 Punkte 20,11 € (2,3-fach)
• Behandlung der Orthorexie mit
übenden Verfahren als Gruppen­
behandlung: Nr. 847 GOÄ, mind.
20 Minuten, bis zu zwölf Teilneh­
mer, 45 Punkte je Teilnehmer, 6,03
€ (2,3-fach)
• Behandlung der Orthorexie als
psychotherapeutische Einzelbe­
handlung: Nr. 849 GOÄ, mind.
20 Minuten, 230 Punkte, 30,83 €
(2,3-fach)
• Behandlung der Orthorexie als
Verhaltenstherapie: Nr. 870 GOÄ,
mind. 50 Minuten, 750 Punkte,
100,55 € (2,3-fach)
26 — der niedergelassene arzt 08/2015
heblichen gesundheitlichen Schädigungen
einhergehen kann. Bei einem „Orthorektiker“ stehen nicht der Wunsch nach einer
Gewichtsreduktion oder Figurprobleme im
Vordergrund. Die Betroffenen sind vollständig auf eine „gesunde“ Lebensweise fixiert. Wichtiger als der Genuss ist es,
­gesunde Lebensmittel zu sich zu nehmen.
Gegen die selbst aufgestellten Ernährungsregeln vermögen Orthorektiker zumeist
nicht zu verstoßen, die Gedanken kreisen
ständig um eine gesunde Ernährung, sogar
der Tagesablauf wird häufig danach ausgerichtet.
Die Orthorexie ist häufig mit einer
Anorexie vergesellschaftet. Untersuchungen zeigten, dass bei etwa 30 Prozent der
Patienten mit Anorexie auch Komponenten einer Orthorexie vorlagen. Möglicherweise überlappen sich hier zwei Krankheitsbilder.
Orthorexie in der Hausarztpraxis
Anhaltspunkte dafür, dass eine Orthorexia nervosa vorliegen könnte, ergeben
sich zumeist durch die Anamnese, seltener
äußern Patienten von sich aus, dass sie unter einer zwanghaft gesundheitsbewussten
Ernährungsweise leiden. Bereits wenn ein
Patient sich als Veganer outet, sollte der
Hausarzt genauer eruieren, ob die vegane
Ernährungsweise übertrieben wird und
dadurch Gesundheitsstörungen bedingt
sein können. Um den Patienten die Hemmungen zu nehmen, über ihre Orthorexie
mit dem Arzt zu sprechen, können Flyer
mit Informationen im Wartezimmer ausgelegt werden. Die Bezeichnung „Orthorexie“ für diese Verhaltensstörung ist
relativ neu und erst seit circa 20 Jahren
üblich. In der Regel kommt eine Behandlung, falls diese gewünscht wird, nur mit
Liquidation als IGeL in Frage.
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