weisse flecken

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[WEISSE FLECKEN]
Unsere Zeitung füllt journalistische Lücken aus der NS-Zeit
Eine Zeitung von 80 Jugendlichen aus Deutschland und Polen
Herausgeber ist STEP 21 – die Jugendinitiative für Toleranz und Verantwortung | www.step21.de
Erinnern
für die Zukunft
Wie lange noch Scholl?
Nach der Hinrichtung von Hans
und Sophie 1943 erlebt die Familie
Scholl, was Sippenhaft bedeutet.
Die Ulmer Lokalzeitung beteiligt sich
an der Hetze.
Mehr dazu auf Seite 14
von Horst Köhler
Seit zehn Jahren gedenken
wir am 27. Januar in besonderer
Weise
der Opfer des
Nationalsozialismus. Doch
nicht nur mit
Blick auf diesen Tag sollten
wir uns immer
Bundespräsident
wieder fragen:
Horst Köhler
Was heißt ErSchirmherr STEP 21
innern heute?
Wie kann es gelingen, gerade junge
Menschen zur Auseinandersetzung mit
Nationalsozialismus und Holocaust zu
bewegen? Wie halten wir Erinnerung
wach, damit daraus Orientierung für
Gegenwart und Zukunft erwächst? Das
Projekt [Weiße Flecken] der Initiative
STEP 21 ist ein überzeugender Beitrag
für die Suche nach tragenden Formen
des Erinnerns: Jugendliche aus Deutschland und Polen untersuchen die Berichterstattung in ihren Heimatzeitungen
während des Nationalsozialismus.
Dabei stellen sie fest, dass Vieles
totgeschwiegen wurde, und so lernen
sie am konkreten Beispiel, wie sehr
die Medien unter den Bedingungen von
Diktatur und Besatzung instrumentalisiert waren. Dass Pressefreiheit ein hohes, für die Demokratie unverzichtbares Gut ist, wird allen bewusst, die sich
mit „gelenkten Medien“ auseinandersetzen. Aber dabei sind die Jugendlichen während ihrer Projektarbeit nicht
stehen geblieben: Sie haben die „weißen Flecken“, die sie in den Zeitungen
gefunden haben, gefüllt, haben recherchiert, mit Zeitzeugen gesprochen und
eigene Artikel geschrieben. Die daraus
entstandene Zeitung bringt nicht nur
deutsche und polnische Geschichte(n)
zusammen. Die Arbeit an diesem Projekt hat auch junge Menschen aus
Deutschland und Polen einander näher gebracht. Das ist eine Form der
gemeinsamen Beschäftigung mit Geschichte, die in die Zukunft weist.
Ich wünsche dieser Zeitung viele
interessierte Leserinnen und Leser!
Am Anfang war ein
weißer Fleck …
von Sonja Lahnstein
Im Projektleitfaden von STEP 21
steht als erster
Punkt „Leitfaden
durchstöbern“. Im
letzten Satz heißt
es „Einverständnis von Zeitzeugen für Artikel
und Fotos einhoSonja Lahnstein
len.“ Dazwischen
Initiatorin STEP 21
liegen für die
meist unerfahrenen Jungredakteure
acht Monate intensiver Arbeit.
Fortsetzung auf Seite 3
Januar 2006
„Völlig idiotisch und wertlos“
Als die vierjährige Irma in eine norddeutsche Psychiatrie eingewiesen wird,
denkt die Familie, es würde ihr dort
besser gehen …
Mehr dazu auf Seite 10
Ein aufgenähtes „P“
Wer die Regeln bricht, kommt ins Lager.
Über Arbeits- und Lebensbedingungen
polnischer Zwangsarbeiter.
Mehr dazu auf Seite 8
Synagoge in Flammen
Achtung, weiße Flecken!
In der Reichspogromnacht steht die
Dresdner Sempersynagoge in Flammen. Die Berichte der großen Dresdner Tageszeitungen sind Paradebeispiele antisemitischer Propaganda.
Mehr dazu auf Seite 26
Mit Rückspiegel nach vorne schauen
Für einen Blick in die Zukunft, der das Vergangene nicht ignoriert
Von Ann-Christin Heinig und Tobija Saßnik
Kann man ein Auto ohne Rückspiegel
fahren? Kann man in der Bundesrepublik Deutschland leben, ohne auf
die NS-Geschichte zurückzuschauen?
Ist der Rückblick der Mühe überhaupt
wert? Muss man wissen, warum Dresden heute eine neue Synagoge hat?
Muss man wissen, warum vor 70 Jahren ein 13-jähriges Mädchen in einer
Hamburger Heilanstalt spurlos verschwand? Muss man wissen, wovon
ein alter Kleiderbügel in Pforzheim im
Stillen zeugt? Angenommen, all diese
Geschichten blieben unerzählt …
In den Zeitungen des „Dritten
Reichs“ gab es viele weiße Flecken.
Ereignisse wurden totgeschwiegen,
verfälscht und propagandistisch ausgelegt. Das Reichsministerium für
Volksaufklärung und Propaganda sorgte dafür, dass die Presse stets ein Instrument der nationalsozialistischen
Ideologie blieb. Dadurch konnte man
das Volk desinformieren, manipulieren, blenden.
Diese journalistischen Lücken versuchen wir nun zu füllen. Was ist damals in unseren Heimatorten geschehen? Wo finden wir noch Spuren? Wir,
15 Teams aus Polen und Deutschland,
haben uns mit diesen Fragen beschäftigt und fassen unsere Ergebnisse in
der vorliegenden Zeitung zusammen.
Was sind die Aufgaben der Presse?
Und wie steht es heute um die Pressefreiheit?
Das Projekt [Weiße Flecken] brachte uns dazu, die Funktion von Medien
allgemein zu hinterfragen.
Was muss Presse heute eigentlich
leisten? Ergänzend zu den drei Eckpfeilern des Staates wird die Presse
als „vierte Gewalt“ bezeichnet. Tatsächlich erfüllt sie eine wichtige Kontrollfunktion in der modernen Gesellschaft. Die Medien sollen dem Einzelnen durch ein vielseitiges Informationsangebot politische Beteiligung
ermöglichen.
Doch wie verhält es sich heute mit
der Pressefreiheit? Und erfüllt die
Von staatlicher Seite haben die
Eingriffe in journalistische Arbeit in
den vergangenen Jahren zugenommen. Mit einer vermeintlichen Bedrohung der öffentlichen Sicherheit werden Durchsuchungen von Redaktions- und Privaträumen gerechtfertigt.
Journalisten werden eingeschüchtert
und bespitzelt, so etwa bei den vor
rechte und Schutz der Privatsphäre
dürfen dabei aber nicht in Vergessenheit geraten. Zugleich muss verhindert werden, dass Behörden die Arbeit der Presse behindern.
Letztendlich liegt die Verantwortung immer auch bei den Lesern. Die
Presse kann ein Spektrum an Meinungen vorgeben. Aber es ist an den Lesern, skeptisch zu bleiben, zu vergleichen und gegebenenfalls weiter nachzuforschen. Nur so kann man einen
eigenen Standpunkt einnehmen. Das
erfordert aber natürlich, den richtigen Umgang mit Medien gelernt zu
haben.
Die aktuelle Situation zu verstehen
heißt, zu wissen, was sie bedingt. Man
muss Ursachen und Hintergründe kennen, wenn man einen Zusammenhang
zwischen Vergangenheit und Gegenwart herstellen möchte. Nur das erlaubt einen Blick in die Zukunft.
Freiheit heißt auch
Verantwortung
Christian und Helge im Archiv der Lüneburger Ratsbücherei. Die Recherche historischer
Lokalzeitungen gehörte für alle [Weiße Flecken]-Teams zum Projekt.
Foto: Bente Stachowske
Presse vorbehaltlos ihren Zweck der
öffentlichen Aufklärung?
Oft wird der Gedanke der Aufklärung zugunsten boulevardesker Berichterstattung und Sensationshascherei
ein Stück weit aufgegeben, um höhere
Auflagen zu erreichen. An vielen Stellen müssen sich Journalisten ökonomischen Gesichtspunkten beugen.
Und auch die zunehmende Pressekonzentration bringt Einschränkungen
der Meinungsvielfalt mit sich.
[Weiße Flecken] macht ein solches
geschichtsbewusstes Denken in der
kurzem aufgedeckten Fällen um die
Spanne zwischen Erinnerung und VorÜberwachung von Journalisten durch
wärtsblicken möglich. Die Beschäftiden Bundesnachrichtendienst (BND)
gung mit den in Vergessenheit geratein den 1990er Jahren oder in der nen Einzelschicksalen aus der Zeit des
Affäre um das Magazin Cicero im „Dritten Reichs“ eröffnet Perspektiven
Herbst 2005. Die jüngsten Aktivitä- auf die Gesellschaft, in der wir heute
ten staatlicher Organe lassen die Un- leben. Sie betrifft auch uns.
abhängigkeitsgarantie der Presse als
Der Verantwortung, die sich für uns
fragwürdig erscheinen.
aus der deutschen Geschichte ergibt,
Freiheit heißt auch Verantwortung. können wir uns nicht entziehen. Man
Berichterstattung sollte immer dem
muss in den Rückspiegel schauen, um
öffentlichen Interesse dienen. Grund- die Spur wechseln zu können.
DAS PROJEKT | DEUTSCH-POLNISCHE SICHTWEISEN
2 [WEISSE FLECKEN]
STEP 21
Das Projekt [Weiße Flecken]
Die Idee
Auf Initiative von STEP 21 recherchieren 15 jugendliche Teams aus
Deutschland und Polen die historische
Wahrheit hinter den Falschmeldungen ihrer Lokalzeitungen. Die Verbrechen in der NS-Zeit wurden in der gelenkten Presse verschwiegen oder manipuliert: Von Krakau bis Lüneburg,
zwischen Dresden und Ulm war die
Presselandschaft voller weißer Flecken. Mit den Erinnerungen der letzten lebenden Zeitzeugen füllen die Jugendlichen journalistische Lücken aus
der NS-Zeit und halten das Gedenken
an Unrecht, Verfolgung und Leid lebendig.
Der Schirmherr von STEP 21, Bundespräsident Horst Köhler, und Paten
aus den Bereichen Medien, Wissenschaft, Film und Musik ermöglichen,
das Engagement der Jugendlichen in
die Öffentlichkeit zu tragen.
Hauptförderer des Projekts ist der
Fonds „Erinnerung und Zukunft“.
Weitere Unterstützer sind BILD
hilft e.V. „Ein Herz für Kinder“, die
ZEIT Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius und das Deutsch-Polnische Jugendwerk. DIE ZEIT, Jugendpresse
Deutschland e.V. und Groothuis, Loh-
fert, Consorten, Hamburg, sind Kooperationspartner für das Projekt [Weiße
Flecken].
Der Verlauf
März 2005
STEP 21 ruft über ihr Lehrer- und Jugendnetzwerk, in der Presse und im
Internet zur Teilnahme am Projekt
[Weiße Flecken] auf. Gesucht werden
Jugendteams in Deutschland und Polen mit Interesse an Journalismus und
lokaler Geschichte.
Juni – September 2005
In ihrer Freizeit sammeln die Teams
Material zu ihrer lokalen Geschichte.
Sie recherchieren in Archiven und Dokumentationsstätten, interviewen Experten und befragen Zeitzeugen nach
ihren persönlichen Erinnerungen. In
Newsmeldungen berichten sie über ihre Fortschritte (www.step21.de/weisseflecken). Erste Artikelentwürfe entstehen.
April– Mai 2005
Mehr als 40 Bewerbungen gehen bei
STEP 21 ein. Voraussetzung für eine
Teilnahme: Fünf Jugendliche bilden ein
Team, das ein selbst gewähltes Projektthema recherchiert und journalistisch
aufbereitet.
Mai 2005
15 Teams werden eingeladen, am Projekt teilzunehmen. Jedes Team bekommt einen Leitfaden mit Arbeitshilfen, Literatur- und Linktipps. Die
Jugendlichen nehmen ihre Arbeit auf.
Das STEP 21-Team berät von Hamburg aus und vermittelt erfahrene
Coaches.
nen. In Workshops arbeiten sie gemeinsam mit Journalisten und Historikern an ihrer Zeitungsseite. Besprochen wird der Umgang mit historischen Quellen. Ganz zentral ist die
journalistische Aufbereitung des gesammelten Materials.
Oktober–November 2005
Die Teams stellen ihre Projektseiten
fertig. Sie recherchieren letzte Informationen, kürzen ihre Artikel und tragen das Bildmaterial zusammen. Auch
im STEP 21-Büro wird intensiv gearbeitet: Beiträge von Paten und Unterstützern des Projekts treffen ein, so
zum Beispiel von den Historikern Norbert Frei und Jerzy Jarowiecki.
12. –13. November 2005
Auf einem kleinen Redaktionstreffen
schreiben vier jugendliche Redakteure den Leitartikel, Kommentare und einen Erfahrungsbericht zum Projekt für
die [Weiße Flecken]-Zeitung.
9.–11. September 2005
Redaktionskonferenz: Je zwei Vertreter aller 15 Teams reisen nach Hamburg und lernen sich persönlich ken-
Dezember 2005
Redaktionsschluss! Endredaktion und
Layout der [Weiße Flecken]-Zeitung
sind in vollem Gange. Allerletzte Korrekturen, Überschriften, Satz der Zeitungsseiten: Übersetzer, Layouter und
Schlussredakteure haben alle Hände
voll zu tun! Die Jugendlichen helfen
beim Einholen der Bildrechte.
9. Januar 2006
Am 9. Januar 2006 geht die [Weiße Flecken]-Zeitung in Druck.
23. Januar 2006
Feierliche Abschlussveranstaltung in
Berlin. Nach acht Monaten intensiver
Projektarbeit stellen die 80 jungen Redakteure ihre Zeitung der Öffentlichkeit vor: STEP 21-Schirmherr, Bundespräsident Horst Köhler, ist der erste Leser der Zeitung. Moderiert von Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur DIE
ZEIT, diskutieren die Jugendlichen mit
dem Bundespräsidenten. Gäste aus
Politik, Wirtschaft und Kultur nehmen
an der Veranstaltung teil und würdigen das Engagement der Jugendlichen.
Die [Weiße Flecken]-Zeitung wird in
hoher Auflage Schulen und Jugendeinrichtungen in ganz Deutschland zur
Verfügung gestellt.
Redaktionskonferenz in Hamburg: Milena und Asiye vom Team Pforzheim arbeiten
zusammen mit Coach Sarah (Mitte) an ihrem Leitartikel. 11. 9. 2005. Foto: Frederik Röh
Meine Sicht
von Helge Sören Stein
Frei von Barrieren
Die [Weiße Flecken]-Teams aus Deutschland und Polen
Meine Sicht
von Katarzyna Król
Bereit sein, zu verzeihen
„In Deutschland
Mit der NS-Vergangenheit wurde
herrscht Ordnung“ ich in Deutschland kaum konfrontiert.
Mir scheint, als wäre das Thema für
oder
„Ordnung
die jungen Generationen beider Länmuss sein“. Das
der doch eher abgeschlossen.
ist gerade das
In der polnischen Schule wird das
einzige Vorurteil,
das mir einfällt – Thema sehr gründlich behandelt. In
eigentlich gibt es „Wissen über die Gesellschaft“, ähnin Polen nur we- lich dem deutschen Fach Sozialkunde,
besprechen wir unter anderem unnige
Vorurteile
Katarzyna Król
über Deutschland. terschiedliche totalitäre RegierungsDieses jedoch kann ich bestätigen – systeme. Außerdem besprechen wir
im Geschichtsunterricht den Zweiten
natürlich finde ich es positiv und
denke, dass es in jedem Land Ordnung Weltkrieg sehr genau: Immerhin hatte
der Zweite Weltkrieg so einen großen
geben sollte.
Auf meinen Reisen nach Deutsch- Einfluss auf die Weltgeschichte, dass
er das ganze Jahrhundert dominiert
land wurde ich immer sehr freundlich
hat. Die Europäer müssen ihre Verempfangen. Die Reaktionen auf mein
Herkunftsland und meine Mutterspra- gangenheit gut verstehen, damit sie
sich in der Gegenwart zurechtfinden
che sind positiv. Ein 40-jähriger Mann
schwärmte mir gegenüber letztens, können.
dass Polen ein schönes Land sei – und
1966 erschien der berühmte Brief
Krakau eine wunderschöne Stadt. An- der polnischen Bischöfe an die deutdere verbinden mit Polen unberührte
schen Bischöfe. Darin die bekannten
Natur, nette, zuverlässige Menschen Worte: „Wir verzeihen und bitten um
und gutes Essen …
Verzeihung“. Diese Worte haben das
Fundament zur deutsch-polnischen
Versöhnung gelegt. Sie bedeuten, dass
man immer bereit sein soll, einander zu verzeihen. Wir sollen einander
ständig verzeihen, weil Irren menschlich ist.
Derzeit stellt man sich die Frage,
wie unsere künftigen Beziehungen
aussehen werden. Es ist schwer, etwas
zu „prophezeien“. Eins könnte man
meiner Ansicht nach jedoch feststellen. Sowohl in Deutschland als auch in
Polen kam es in den letzten Wochen zu
einem Regierungswechsel: Das birgt
Hoffnung für eine bessere Zukunft.
Für diese Zukunft wünsche ich mir
viel Verständnis, Einfühlungsvermögen
und einen noch stärkeren Willen zur
gemeinsamen Zusammenarbeit auf
beiden Seiten. Wir stehen uns sowohl geographisch als auch kulturell
sehr nah, und wir können aus unseren bisherigen Erfahrungen wichtige
Schlussfolgerungen ziehen. Mit unserer Zusammenarbeit verbinden sich
für beide Länder große Chancen.
„Pass auf dich
meiner Gewohnheit aus Deutschland
auf, und lass dich
und entgegen meiner Erwartungshalnicht von Frem- tung wirkte es während meiner Besuden ansprechen!“ che in Polen nicht so, als wäre es dort
Das rieten mir ähnlich. Die blutige sechsjährige BeFreunde und Ver- satzungszeit der Deutschen wird nicht
wandte vor mei- als das zentrale Thema der polnischen
nem ersten Be- Geschichte gesehen, sondern als eines
such in Polen, die von mehreren.
zum Teil abstruse
So sah ich bei meinem Besuch in
Helge Sören Stein
Vorurteile gegen
Danzig mehr Werbung für eine Ausunseren Nachbarstaat östlich der Oder
stellung über die Solidarnosc als
haben. Die Klischees, die sich um den
Mahnmale, Ruinen oder andere Eringrößten europäischen Ex-Ostblockstaat
nerungen an die NS-Zeit.
ranken, stellten sich für mich jedoch als
Meinem Gefühl nach findet die ErMythen heraus: Keine Diebe, die von
innerung an die NS-Zeit vor allem in
hinten die Rucksäcke aufschlitzen. Kei- Jugendprojekten, Austauschprogramne Schwarzmärkte, auf denen man eine
men und Kulturforen statt. Die deutRolex für zwei Euro bekommt.
sche Boulevardpresse beschäftigt sich
Nicht nur bezüglich der Schwarz- lieber mit der angeblichen Bedrohung
märkte deckten sich meine Erfahrun- „deutscher“ Arbeitsplätze durch Polen
als mit anderen Aspekten des Zusamgen nicht mit den Erwartungen. So
hatte ich auch erwartet, mit der NS- menwachsens beider Länder. Projekte
Zeit konfrontiert zu werden, was nicht wie [Weiße Flecken], die Jugendlichen
geschah. Die meisten geschichtsbe- die Möglichkeit geben, in einen Diazogenen Gespräche, die ich auf mei- log über die gemeinsame Vergangenner Recherchefahrt der Jungen Pres- heit zu treten, tragen einen nicht unse Niedersachsen im Frühling 2005 erheblichen Teil dazu bei, dass die junmit Polen geführt habe, drehten sich – ge Generation heute als eine der ersanders als ich es von Besuchern in ten Nachkriegsgenerationen frei von
Deutschland gewöhnt bin – um die so- politischen Barrieren miteinander reden kann.
zialistische Vergangenheit Polens, um
Und das sollte sie auch tun. Polen
die Solidarnosc Revolution, nicht aber
und Deutschland sind nicht wie Feuer
um die NS-Besatzung.
Als Deutscher setzt man sich sehr und Wasser. Darum braucht es einen
Dialog, in dem frei von Nationalismus,
intensiv mit der NS-Vergangenheit
Schuldzuweisungen und Vorurteilen
auseinander; im Geschichtsunterricht
gemeinsam an einem vereinten Europa
werden die Jahre zwischen 1933 und
1945 mehrfach thematisiert. Entgegen gearbeitet wird.
UNSERE SEITE DREI
STEP 21
Mut und andere Proben
Von Giovanni di Lorenzo
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
Sie haben sich
mit einer Zeit
befasst, die einen
Tiefpunkt
und
Ausnahmezustand der Zivilisation markiert,
menschlich wie
politisch. Dabei
konnten Sie eine
Giovanni di Lorenzo
Vorstellung davon
bekommen, wie viel Mut, Anstand und
Kraft der Einzelne unter dem Naziregime haben musste, um auch nur einen kleinen Akt der Verweigerung zu
wagen. Heute leben wir in einem freien Land. Doch glaube niemand, dass
Journalisten jetzt immer großen Mut
bewiesen!
Aber es gibt sie, die Mutigen, die
uns Mut machen. Mutig war der ZDF-
Chefredakteur Nikolaus Brender, der
sich nicht einschüchtern ließ durch
die testosterongesteuerten Parolen
des Bundeskanzlers in der „Elefantenrunde“ am Abend der Bundestagswahl 2005. Mutig war die Journalistin
Giuliana Sgrena im Irak, die auf unverfälschter Berichterstattung aus eigener Anschauung bestand und dafür mit Geiselhaft und Todesangst bezahlte – die aber auch Verantwortungsgefühl zeigte und seit ihrer Freilassung
nicht mehr in den Irak gereist ist, damit sie selbst, ihre Freunde und ihr
Land nicht noch einmal in die Bredouille geraten. (Welch ein Unterschied zum deutschen Entführungsopfer Susanne Osthoff!)
Ich bewundere aber auch die vielen, denen es gelingt, mit einer Geschichte Mut zu beweisen, ohne dass
es den meisten auffallen würde. Wenn
sie nämlich auf die Schwarzweiß-Darstellung eines Ereignisses oder ei-
ner Person verzichten, zugunsten einer wahrhaftigen Schilderung, obwohl
das klischeehafte Bild bei den Auftraggebern und Lesern vielleicht besser
ankommen würde. Solche Kollegen
zeigen Mut, Vorurteile zu widerlegen –
auch die eigenen. Und sie widerstehen
der Versuchung, sich selbst wichtiger
zu nehmen als den Gegenstand ihrer
Berichterstattung.
Ich wünsche mir, dass einige
von Ihnen durch die Erfahrung mit
STEP 21 Lust bekommen haben, den
Beruf des Journalisten zu ergreifen,
der immer noch einer der schönsten
ist. Und vielleicht erinnern Sie sich hin
und wieder daran, dass Sie einmal mutig sein wollten.
[WEISSE FLECKEN] 3
Inhalt
Mit Rückspiegel nach vorne schauen
Leitartikel von Ann-Christin Heinig und Tobija Saßnik ............... 1
Erinnern für die Zukunft
von Bundespräsident Horst Köhler........................................... 1
Am Anfang war ein weißer Fleck …
von Sonja Lahnstein............................................................... 1
Idee und Verlauf des Projekts [Weiße Flecken]
mit Landkarte von Deutschland und Polen ............................... 2
Deutsch-polnische Sichtweisen
von Katarzyna Król / Helge Sören Stein ..................................... 2
Unsere Seite Drei
Mut und andere Proben
von Giovanni di Lorenzo ......................................................... 3
Ein Zeichen für die Zukunft
von Franka Kühn (Fonds „Erinnerung und Zukunft“) ................. 3
Hintergrund
Journalismus im Dritten Reich
von Norbert Frei .................................................................... 4
Presse im besetzten Polen 1939 –1945
von Jerzy Jarowiecki............................................................... 4
Die [Weiße Flecken]-Teams und ihre Themen
Am Anfang war ein weißer Fleck …
Fortsetzung von Seite 1
Für sie selbst war es, wie sie sagen, ein
Abenteuer: Für einen kurzen Augenblick Journalist zu sein. Aufzudecken,
was in ihrer Heimatgegend während
der NS-Zeit geschah und wie es in der
damaligen gelenkten Presse verschleiert wurde. Als kritische Leser haben
sie historische Lokalzeitungen untersucht. Als Forscher und Reporter haben sie Quellen zusammengetragen
und ausgewertet. Eine Reise ins Unbekannte.
Auch für mich war es ein Abenteuer zu sehen, wie sich die Zeitung langsam füllte.
Wie sich die Geschichten entwickelten. Wie die Menschen, um die es
ging, ein Gesicht bekamen. Wie leidenschaftlich und beharrlich, berührt und
Impressum
[Weiße Flecken]
Unsere Zeitung füllt journalistische Lücken
aus der NS-Zeit
Herausgeber
STEP 21 – Jugend fordert! gGmbH
V. i. S. d. P
Sonja Lahnstein
Projektleitung
Helga Stieff
Textredaktion
80 Jugendredakteure
Redaktion Rahmentexte
Kirsten Pörschke
Endredaktion
Kirsten Pörschke, Tim Schmalfeldt,
Johanna Drescher, Helga Stieff,
Agata Frank, Peer Junker
Fotoredaktion
Peer Junker, Tim Schmalfeldt
Übersetzungen
Agnieszka Grzybkowska, Imke Hansen
Gestaltung und Herstellung
Kathleen Bernsdorf, Beate Mössner
Reproduktion
frische grafik, Hamburg
Druck
v. Stern’sche Druckerei Lüneburg
Kontakt zur Redaktion
Tel 0 40.37 85 96-12
Fax 0 40.37 85 96-13
[email protected]
Postanschrift
STEP 21 die Jugendinitiative für
Toleranz und Verantwortung –
Jugend fordert! gGmbH
Stubbenhuk 3
20459 Hamburg
Auflage 30.000
Titelbild: „Heimabend“ der Hitlerjugend.
Gemeinsame Lektüre von NS-Zeitungen.
Vermutlich August 1937.
Foto: Wolff & Tritschler / Ullsteinbild
pragmatisch die Teams immer tiefer
ins Projekt eingestiegen sind. Wie sehr
sie um ihre Beiträge kämpften.
Den Blick in die Zukunft gerichtet,
erinnern die jungen Journalisten an
lokale Vergangenheit im „Dritten
Reich“: Pogrome, Widerständler, das
Arbeitslager vor der Haustür. Die Erinnerungen der Zeitzeugen, die Bilder
und Fakten über geschehenes Unrecht
im nächsten Umfeld rücken das Vergangene eindringlich in die Gegenwart
der jungen Autoren.
Ihre Verantwortung liegt darin, die
Geschichte zu kennen, sie zu verstehen
und als Erfahrung für ihre Gegenwart
und Zukunft zu nutzen – nicht, sich ihrer zu schämen oder persönlich schuldig zu fühlen. Die Jugendlichen beweisen mit [Weiße Flecken], dass sie diese
Aufgabe und Chance annehmen.
Zusammen mit jungen Menschen
engagiert sich STEP 21 für Toleranz,
Zivilcourage und Verantwortung. Meine feste Überzeugung ist, dass Jugendliche nicht die passiven, ziellosen Egoisten sind, als die sie manch bequemer
Analyst gesellschaftlicher Probleme
gerne beschreibt. Bei STEP 21 ist dies
eindrucksvoll bewiesen: Tausendfach
haben junge Menschen gezeigt, wie
mit Ideen, Engagement und Spaß eindrucksvolle Projekte entstehen.
Die Deutschen haben besonderen
Grund, sich immer wieder mit ihrer
Geschichte zu beschäftigen und daraus für die Zukunft zu lernen. Wer
könnte uns dabei besser helfen als die
Jugendlichen, die hinter der [Weiße
Flecken]-Zeitung stecken. Sie wissen,
dass Pressefreiheit auch heutzutage
nicht selbstverständlich ist, sondern
immer aufs Neue erstritten und verteidigt werden muss. Und sie wissen, wie
unentbehrlich verantwortlicher Journalismus für eine demokratische Öffentlichkeit ist.
Ich danke allen, die dieses Projekt
möglich gemacht haben, vor allem
dem Fonds „Erinnerung und Zukunft“
und den Jugendlichen. Ich wünsche
der Zeitung viele neugierige, aufmerksame und kritische Leser.
„Arisierung“ Pforzheim............................................................ 7
Zwangsarbeit Lubin (pol./dt.) .................................................. 8 / 9
Euthanasie Lüneburg.............................................................. 10 / 11
Pfadfinderbewegung und Untergrundpresse Krakau (pol./dt.) ........ 12 / 13
Familie Scholl Ulm ................................................................ 14 / 15
Die „Rote Kapelle“ Potsdam .................................................... 16 /17
Das Schicksal der Clara Rosenthal Jena..................................... 18
Das Schicksal des Josef W. Ulm ............................................... 19
Partisanen Cie˛żkowice (pol./dt.) .............................................. 20 / 21
Lager Rollwald Seligenstadt .................................................... 22/23
Hitlerjugend Soest ................................................................. 24
Zwangsarbeit Bad Zwischenahn............................................... 25
Zerstörung der Semper-Synagoge Dresden ................................. 26 / 27
Vermischtes
Die [Weiße Flecken]-Paten ....................................................... 4/15/23
Die [Weiße Flecken]-Coaches ................................................... 11/28
Förderer und Kooperationspartner .............................................. 15
In die Geschichte eingetaucht
von Sina Zimmermann ........................................................... 27
Guten Tag, Herr Nachbar
von Markus Deggerich ............................................................ 28
Dank an Zeitzeugen und Unterstützer.......................................... 28
Ein Zeichen für die Zukunft
Von Franka Kühn
Die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ wurde vor fünf Jahren gegründet. Die Stifter – die Bundesrepublik und die Stiftungsinitiative
der deutschen Wirtschaft – waren sich
darüber einig, dass sich mit Geld nicht
die schweren Schicksale derer „wiedergutmachen“ lassen, die im Zweiten Weltkrieg unter den Nationalsozialisten Zwangsarbeit leisten mussten.
Insgesamt wurden etwa zwölf Millionen Menschen aus ganz Europa nach
Deutschland deportiert und dort zur
Arbeit gezwungen.
Sie erhielten nach dem Krieg keine Entschädigung. In Deutschland galt
Zwangsarbeit noch bis Ende der achtziger Jahre als „kriegsbedingte Maßnahme“, nicht aber als anerkanntes
nationalsozialistisches Unrecht. Auch
hinter dem „Eisernen Vorhang“, in
Osteuropa, interessierte das Schicksal der „Ostarbeiter“ kaum. Vor allem
in der Sowjetunion wurden die zur Arbeit nach Deutschland Deportierten,
die nach dem Krieg wieder nach Hause kamen, oft als „Vaterlandsverräter“
beschimpft. Nicht wenige wurden für
Jahre zu weiterer Zwangsarbeit in den
GULAGS verurteilt.
Eine breite Debatte über die ver-
Enteignung der Tietz AG Oberhausen......................................... 5
Hitler-Attentäter Georg Elser Aalen............................................ 6
gessenen Opfer begann erst mit der
politischen Wende nach 1989. Politiker, deutsche Unternehmer und einzelne Personen setzen sich für eine
Entschädigung der Opfer ein. 1999
erklärte der frühere Bundespräsident
Johannes Rau: „Ich weiß, dass für viele gar nicht das Geld entscheidend ist.
Sie wollen, dass ihr Leid als Leid anerkannt und das Unrecht, das ihnen
angetan worden ist, Unrecht genannt
wird.“
Die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ hat ihre Aufgabe inzwischen weitgehend abgeschlossen: 1,6 Millionen Menschen aus über
100 Ländern erhielten Leistungen zwischen 2.500 und 7.500 Euro, je nach
Schwere ihres Schicksals.
Mit der Gründung der Stiftung wurde auch ein Zeichen für die Zukunft
gesetzt. Dafür wurde der Fonds „Erinnerung und Zukunft“ eingerichtet.
Seine dauerhafte Aufgabe ist es, Brücken nach Osteuropa zu bauen. Gefördert werden internationale Projekte zur Stärkung von Demokratie, Menschenrechten,
Völkerverständigung
und bürgerschaftlichem Engagement.
Dafür stehen jährlich rund sieben Millionen Euro zur Verfügung.
Der Fonds „Erinnerung und Zukunft“
Nach Abschluss der Auszahlungen humanitärer Leistungen durch die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ an ehemalige Zwangsarbeiter und andere NSOpfer bleibt der Fonds „Erinnerung und Zukunft“ als Förderstiftung auf Dauer tätig.
Sein gesetzlicher Auftrag besteht darin, Projekte zu fördern, die der Völkerverständigung, den Interessen von Überlebenden des nationalsozialistischen Regimes,
dem Jugendaustausch, der sozialen Gerechtigkeit, der Erinnerung an die Bedrohung
durch totalitäre Systeme und Gewaltherrschaft sowie der internationalen Zusammenarbeit auf humanitärem Gebiet dienen. Seit Aufnahme der Fördertätigkeit im April
2002 unterstützt der Fonds vornehmlich internationale Bildungsprojekte, humanitäre
Initiativen und Stipendienprogramme.
358 Millionen Euro des Stiftungsvermögens sind in Form einer Kapitalstiftung für
den Fonds „Erinnerung und Zukunft“ bestimmt. Aus den Erträgen von jährlich rund
sieben Millionen Euro fördert der Fonds vorrangig internationale Programme und Projekte, die Brücken nach Mittel- und Osteuropa, Israel und in die USA bauen. Seit
Bestehen des Fonds wurden über 600 Projekte mit einem Fördervolumen von über
24 Millionen Euro unterstützt.
Der Fonds fördert Initiativen, die sich für eine friedliche und demokratische Zukunft einsetzen. Viele der Projekte beziehen junge Menschen ein, die diese Zukunft
maßgeblich mitgestalten wollen. Das Projekt [Weiße Flecken] wird von einer solchen
Initiative, von STEP 21, engagiert durchgeführt. Junge polnische und deutsche Redakteure lernten unter Anleitung von erfahrenen Journalisten historische Dokumente zu
interpretieren, sich über verschiedene Erfahrungen und Sichtweisen des Nachbarlandes auszutauschen. Gemeinsam gingen sie den Folgen der Unterdrückung der Pressefreiheit und der politischen Manipulation von Medien nach. Aus den journalistischen
Forschungsreisen der Jugendlichen ist eine eindrucksvolle Zeitung entstanden, die
hoffentlich zahlreiche und aufmerksame Leser findet.
Fonds „Erinnerung und Zukunft“
Markgrafenstr. 12–14
10969 Berlin
Telefon +49.30.25 92 97 80
Telefax +49.30.25 92 97 42
E-Mail [email protected]
www.zukunftsfonds.de
HINTERGRUND | NS-PRESSEPOLITIK
4 [WEISSE FLECKEN]
STEP 21
Mit „Papierkugeln“ zum Sieg? – Journalismus im Dritten Reich
Von Norbert Frei
Während seiner 12-jährigen Herrschaft
beansprucht das NS-Regime die totale
Kontrolle der öffentlichen Meinung. Raum
für unangepasste Berichterstattung gibt
es kaum. Doch das Ziel eines perfekten
Kommunikationssystems erreichen die
Nationalsozialisten nicht.
„Was durch Papierkugeln zu gewinnen
ist, braucht dereinst nicht durch stählerne gewonnen zu werden.“ (Adolf
Hitler 1922). Schon während der Weimarer Republik ist Hitlers NSDAP im
Kern eine Propagandabewegung. Mit
gnadenlosen Kampagnen führt Joseph
Goebbels vor, dass man Ereignisse mittels Medien machen kann. Wo NS-Aktivisten auf „bürgerliche Blätter“ keinen Einfluss gewinnen können, geben
sie selbst Zeitungen heraus, um ihre
braune Botschaft ans Volk zu bringen.
Nach der Machtübernahme am
30. Januar 1933 nimmt die propagandistische und medienpolitische Aktivität der NSDAP bis dahin unerreichte
Ausmaße und neue institutionelle Formen an. Goebbels übernimmt im März
das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda. Ziel der Nationalsozialisten ist die Monopolisierung und totalitäre Beherrschung der
öffentlichen Kommunikation. Die Wege dahin sind vielfältig: Zensur und
Repression, ökonomische Konzentration und strukturelle Modernisierung,
aber auch die Ermunterung karrierebewusster Parteigänger, journalistisch
tätig zu werden.
Linke Publizistik wird
ausgeschaltet, „bürgerliche“
kommt an die Kandare
Gegenüber der linken Publizistik bedeutet NS-Medienpolitik im wesentlichen Ausschaltung. Kommunistische
und sozialdemokratische Zeitungen
werden pauschal verboten. Überall
im Reich schicken NS-Funktionäre ih-
Joseph Goebbels
während einer Rede
als Gauleiter in Berlin,
vermutlich 1931.
Im März 1933 übernimmt Goebbels das
Reichsministerium
für Volksaufklärung
und Propaganda.
Foto: akg-images
re SA aus, die die häufig gut ausgestat- in großen Teilen der deutschen Gesellteten Druck- und Verlagshäuser beset- schaft zu beobachten ist.
zen. Es wird randaliert und beschlagnahmt, aufgelöst und verschleudert.
Die Redakteure – wenn sie nicht be- „ … wie Sie das am
reits nach dem Reichstagsbrand untergetaucht oder geflohen sind – kommen zweckmäßigsten dem
in Schutzhaft. Nach Monaten, manch- Volk klar machen …“
mal auch Jahren in Konzentrationslagern ist eine Rückkehr in den Beruf für
sie so gut wie unmöglich.
Zügig zimmern die NationalsozialisWeniger dramatisch entwickelt sich ten Strukturen und Gesetze für eine
die Situation der so genannten bürger- systematische Personalkontrolle. Das
lichen Journalisten. Die neuen Macht- Schriftleitergesetz vom 4. Oktober 1933
haber wissen, dass sie sich dem Bür- reglementiert die Zulassung zu den vorgertum gegenüber ein so rabiates Vor- her völlig freien Presseberufen. Schriftgehen wie gegenüber der Linken nicht leiter kann nur noch werden, wer nacherlauben können. Irgendjemand muss weislich deutscher Reichsangehöriger,
schließlich die Zeitungen machen. Au- „arischer“ Abstammung und nicht jüßerdem ist die deutsche Gesellschaft
disch verheiratet ist. Journalisten steanfangs noch nicht hinreichend nati- hen nun ganz in der Pflicht des Staates.
onalsozialistisch durchdrungen – und Spezielle Berufsgerichte tragen zu ihrer
genau daran soll die bürgerliche Pres- politischen Einschüchterung bei.
se mitwirken.
Wichtigstes und effektivstes InstruAus NS-Sicht macht sich die Taktik ment der Vorzensur ist die Reichspresbezahlt: Die Verleger- und Journalis- sekonferenz in Berlin. Täglich kurz
tenverbände fügen sich in ihre „Gleich- nach Mittag erfahren Journalisten hier,
schaltung“. Zum Teil irritiert und einge- ob und wie bestimmte Themen in den
schüchtert angesichts der brutalen Zer- Zeitungen behandelt werden sollen.
schlagung der linken Presse, zum Teil „Selbstverständlich sollen Sie hier Informationen bekommen“, so Goebbels
angetan vom neuen Regime, entsteht
so jene charakteristische Mischung am 15. März 1933, im Hochmut seiner
aus Selbstanpassung und erzwungener neuen Macht als Minister, zu den versammelten Journalisten, „aber auch
Umstellung, die im Frühsommer 1933
Instruktionen. Sie sollen nicht nur wissen, was geschieht, sondern auch wissen, wie die Regierung darüber denkt
und wie Sie das am zweckmäßigsten
dem Volk klar machen können.“
Wenngleich nicht im Kommandoton
formuliert, handelt es sich bei den Presseanweisungen um Befehle – das ist allen Beteiligten klar. Je nach Bedarf werden die Journalisten gescholten oder
demonstrativ gelobt: Ein Zickzackkurs
zwischen Zuckerbrot und Peitsche.
DNB = „Darf nichts bringen“
Weil die meisten deutschen Zeitungen
keinen Korrespondenten in Berlin besitzen, spielen die Nachrichtenagenturen bei der inhaltlichen Steuerung der
Presse eine entscheidende Rolle. Die
Meldungen des staatlichen Deutschen
Nachrichtenbüros (DNB) geben die
Richtung vor – im Volksmund steht das
Kürzel bald für „Darf Nichts Bringen“.
Zur Lenkung und Kontrolle der Provinzzeitungen lässt Goebbels seit Sommer 1933 außerdem Landesstellen seines Ministeriums einrichten, die später zu Reichspropagandaämtern aufgeblasen werden.
Trotz
Goebbels’
unablässigem
Kampf für eine vollständige Zentralisierung und Monopolisierung der Presselenkung bleibt diese Stückwerk. Organisatorische Schwierigkeiten, machtpolitische Rivalitäten und strukturell
bedingte Probleme häufen sich; Pannen und Widersprüche – bei 80.000 bis
100.000 Anweisungen, die im Laufe der
Jahre ausgegeben werden, kein Wunder – führen dazu, dass die indoktrinatorische Wirksamkeit der Massenmedien auch weiterhin Grenzen findet.
sich – trotz des Siegeszuges des Radios – um die Massenwirkung seiner
Propaganda. Deshalb bemüht er sich
um ein lebhafteres Erscheinungsbild
der Zeitungen. All seine Versuche, der
Gleichförmigkeit der Presse entgegenzuwirken, scheitern jedoch am unaufgebbaren Anspruch auf totalitäre Kontrolle der öffentlichen Kommunikation. Auch wenn von unterschiedlichen
Zeitungen durchaus ein unterschiedliches Maß an Anpassung verlangt wird:
Welcher Journalist sollte sich durch
die vagen Versprechungen Goebbels’,
auch kritische Beiträge zuzulassen, ermutigt fühlen, bewusst ein Risiko einzugehen?
Wirtschaftlich begründete Stilllegungen lichten in den letzten Kriegsjahren die deutsche Presselandschaft
weiter. Von den am Ende verbliebenen rund 1.000 Zeitungstiteln hält die
NSDAP einen Marktanteil von über 80
Prozent und verfügt damit über den
größten Pressekonzern der Welt.
Prof. Dr. Norbert Frei
[Weiße Flecken]-Pate
Lehrstuhlinhaber für Neuere und
Neueste Geschichte an der
Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Zeitungskrise
Norbert Frei / Johannes Schmitz:
Schon bald ist von einer Zeitungskrise die Rede. Die Zeitungen werden zunehmend eintöniger. Die Gesamtauflage sinkt und sinkt. Goebbels sorgt
Journalismus
im Dritten Reich
3. überarb. Auflage; Beck, 1999
„Das ganze System der Nachrichtenverbreitung muss zerschmettert werden …“
NS-Pressepolitik im besetzten Polen 1939 bis 1945
Von Jerzy Jarowiecki
1939, nach der Besetzung Polens durch
die nationalsozialistischen Truppen,
betrieb das Reichspropagandaministerium aktiv die Liquidierung des polnischen Informationssystems. Die Führer
des „Dritten Reichs“ teilten Polen in
das Gebiet, das dem Deutschen Reich
angeschlossen wurde und das so genannte Generalgouvernement (Karte
auf Seite 28).
In den eingegliederten Gebieten
wurde bereits im September 1939 die
Produktion und Verbreitung polnischer
Presse „bis auf Widerruf“ verboten. An
ihrer Stelle begann man, deutschsprachige Presse herauszugeben. Dabei
nutzte man die Infrastruktur des polnischen Vorkriegsverlagswesens und
die Zeitungen nationaler Minderheiten. Ein System der Presseverwaltung
entstand, das den gleichen Prinzipien
folgte wie das des „Dritten Reichs“,
und das sich an den Bedürfnissen nationalsozialistischer Politik orientierte.
Zum Hauptorgan des Gauleiters Arthur Greiser wurde der Ostdeutsche Beobachter. In der ersten Ausgabe verkündete Greiser, der Ostdeutsche Beobachter sei ein „publizistischer Kämpfer im Osten des Dritten Reiches, eine
mächtige Bastion des Deutschtums und
Träger der Idee von der Schaffung eines neuen Bezirks Wartheland“. Einen
ähnlichen Charakter sollte die deutsche
Tageszeitung in Lodz haben. Sie sollte
nicht nur informieren, sondern „den
Deutschen im Wartheland als heimatliche Zeitung dienen und die Rolle einer
Festung des Nationalsozialismus im alten deutschen Kulturgebiet spielen“.
Im Generalgouvernement, das am
12. Oktober 1939 als kolonialer Anbau
des „Dritten Reichs“ mit dem Status eines so genannten Nebenlandes geschaffen wurde, liquidierte man ebenfalls die
bisherigen polnischen Presse- und Verlagsinstitutionen sowie das Radio.
Presse im Dienst der
deutschen Besatzer
Der zum Generalgouverneur berufene
Hans Frank formulierte auf einer Konferenz am 31. Oktober 1939 in Lodz die
Grundlagen seiner Politik: „Den Polen
dürfen nur solche Bildungsmöglichkeiten bleiben, die ihnen die Hoffnungslosigkeit ihres völkischen Schicksals
zeigen. Es kommen daher höchstens
schlechte Filme oder solche, die die
Größe und Stärke des Deutschen Reiches vor Augen führen, in Frage. Es
wird notwendig, dass große Lautsprecheranlagen einen gewissen Nachrichtendienst für Polen vermitteln.“
Auf der gleichen Konferenz befahl
Goebbels, das gesamte polnische Informationssystem zu liquidieren. Frank
notierte dazu: „Reichsminister Dr. Goebbels führte aus, dass das gesamte Nachrichtenvermittlungwesen der Polen zerschlagen werden müsse. Die Polen dürften keine Rundfunkapparate und nur
reine Nachrichtenzeitungen, keinesfalls eine Meinungspresse behalten.
Grundsätzlich dürften sie auch keine
Theater, Kinos und Kabaretts bekommen, damit ihnen nicht immer wieder
vor Augen geführt werden würde, was
ihnen verloren gegangen sei.“
Geleitet wurde die Propagandaarbeit im Generalgouvernement von
der Abteilung für Volksbildung und
Propaganda. Wollte man die Presse
zunächst zur öffentlichen Bekanntmachung von Anordnungen der deutschen Machthaber nutzen und die polnische Bevölkerung nur mit den nötigsten Informationen versorgen, ging
man Anfang 1940 dazu über, die Presse bewusst als Lenkungsorgan im
Dienste der Deutschen einzusetzen.
Diese Aufgabe sollte der im Dezember 1939 von Hans Frank gegründete
Pressekonzern „Zeitungsverlag Krakau-Warschau GmbH“ erfüllen. In den
Jahren 1939 bis 1945 gab der Verlag mehr als 50 Titel heraus, die von
den polnischen Adressaten „Hetzblätter“ genannt wurden. Unter ihnen acht
Tageszeitungen, vier Monatsschriften –
von Wissenschaftlern quasi-kulturelle
Zeitschriften genannt – sowie mehr als
30 Titel so genannter berufsbezogener
Zeitschriften, die in unterschiedlichen
Abständen erschienen.
Hetzpublizistik
Die Hetzpublizistik bemühte sich, die
polnische Gesellschaft davon zu überzeugen, dass das Resultat der Septemberniederlage nicht rückgängig zu ma-
chen sei. Dass es notwendig sei, sich
der Realität zu fügen und sämtliche
Unabhängigkeitsbestrebungen aufzugeben. Gleichzeitig machte die Presse England und die übrigen westlichen
Alliierten für die Situation Polens verantwortlich. Eine ganze Serie von Artikeln versuchte, das aggressive Verhalten der Deutschen rein zu waschen
und warf Polen vor, an seinem Unglück
selbst Schuld zu sein.
Man versuchte, der polnischen Gesellschaft das Fehlen von Regierungsfähigkeit und politischer Selbstständigkeit einzureden. Der Goniec Krakowski
schrieb aggressiv, „die Enstehung Polens in Versailles war ein Verbrechen
gegenüber der ganzen Welt.“ Man lobte die „Zucht und Ordnung“, die „Klugheit“ der deutschen Verwaltung und
versuchte, die Leser davon zu überzeugen, dass ein erheblicher Teil der
Polen den Besatzern wohlwollend gegenüber steht und sie als Wächter der
Ordnung anerkennt.
Nach Ausbruch des deutsch-sowjetischen Krieges wendete sich die
Pressepolitik gegen die UdSSR und rief
die Polen zum Kampf gegen die „Barbarei des Ostens“ auf. Auch antisemitische Propaganda wurde verbreitet: ein
Zerrbild von Juden als Bolschewisten,
Plutokraten und Finanzmagnaten.
Die Bevölkerung Polens war gegenüber der deutschen polnischsprachigen Presse negativ eingestellt. Trotz
wiederholter Boykottaufrufe aus der
Widerstandsbewegung wurden die
Zeitungen aber in verschiedenen Milieus gelesen. Gleichzeitig verlangte das
polnische Volk jedoch nach konspirativer Presse, die der polnische Widerstand an Stelle der von den Besatzern
liquidierten veröffentlichte.
Zwischen 1939 und 1945 gab es im
besetzten Polen nahezu 2.000 Untergrundzeitungen. Verschiedene politische, militärische und kulturelle Gruppen sowie konspirierende Jugendliche
gaben sie heraus. Diese Presse informierte zuverlässig über die militärische und politische Situation. Außerdem kämpfte sie gegen die Nazipropaganda an. Die deutschen Besatzer bemühten sich, die Untergrundpresse zu
zerschlagen, indem sie nicht nur Redakteure und Herausgeber, sondern
auch Verbreiter und Leser zu Gefängnis- und Todesstrafen verurteilten.
Prof. Dr. Jerzy Jarowiecki
[Weiße Flecken]-Pate
Literaturwissenschaftler und
Historiker an der Pädagogischen
Akademie Krakau.
STEP 21
ENTEIGNUNG DER TIETZ AG | OBERHAUSEN
[WEISSE FLECKEN] 5
Boykott und Enteignung in Oberhausen: Das Kaufhaus Tietz
„Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei
Juden!“ – unter dieser Parole begann am
1. April 1933 ein Boykott jüdischer Geschäfte, Ärzte und Rechtsanwälte. Deutsche
Juden sollten aus dem Wirtschaftsleben
vertrieben werden, letztlich auch aus dem
Land. Aber schon vorher haben Nationalsozialisten Geschäfte von Juden überfallen.
So Anfang März die Oberhausener Filiale
der Kaufhauskette Leonhard Tietz.
Oberhausen, 8. März 1933: Eine Gruppe SA-Männer stürmt in das Kaufhaus
Tietz in der Langemarckstraße 19–21.
Die Männer marschieren durch die
Verkaufsräume in die Büros, wo sie
sich breitbeinig vor dem Filialleiter
aufbauen und ihn unmissverständlich
auffordern, das Geschäft auf der Stelle
zu schließen.
An die Schaufensterscheiben kleben die SA-Männer großformatige Plakate: „Deutsche kauft bei Deutschen“.
Zwar darf das Kaufhaus zwei Tage
später wieder geöffnet werden. Jedoch nur vorläufig. Der 8. März 1933
ist der Anfang des gewaltsamen Endes des Familienunternehmens Tietz.
Denn schon am 1. April startet ein landesweiter Boykott aller jüdischen Geschäftsleute, geplant von der SA und
anderen nationalsozialistischen Organisationen. Niemand soll mehr bei Juden einkaufen. Die Unternehmer müssen um ihre Existenz, ihre Gesundheit
und ihr Leben bangen.
die Dresdener Bank und die Deutsche
Bank verkaufen.
Die neuen Eigentümer geben dem
Unternehmen am 11. Juli 1933 den
Namen: „Westdeutsche Kaufhof AG“.
Erst am 30. Juli 1933 lesen die
Oberhausener davon in ihrer Zeitung.
Eine Annonce in der Ruhrwacht verkündet die Umbenennung. Darin heißt
es, die Besitzverhältnisse und die Führung der Tietz AG hätten sich grundlegend geändert. Dahinter und hinter
den so genannten „Maßnahmen“ zur
Hinter der Umbenennung
„Angleichung der Betriebsführung an
verbirgt sich die
die Grundsätze nationaler Wirtschaftsführung“ steht jedoch die Geschichte
gewaltsame Enteignung
einer gewaltsamen Enteignung und
der Entlassung der 1.500 jüdischen Angestellten.
Doch dieses Mal ist die Familie Tietz
gewarnt und verlässt um den 25. März
1936 wird in den Werbeanzeigen der
1933 herum Deutschland. Während sie Kaufhof AG auch der Zusatz „vormals
bei Freunden in Amsterdam unterge- Leonhard Tietz AG“ gestrichen. Damit
bracht ist, treten am 3. April die jüdi- verschwindet der letzte Hinweis auf die
schen Aufsichtsratsmitglieder der 1928 von Alfred Leonhard Tietz in der
Tietz AG zurück. Kurz darauf muss
Oberhausener Langemarckstraße eröffsie ihre Aktien an die Commerzbank, nete Filiale.
Noch ein paar Wochen nach der Enteignung dürfen Werbeanzeigen unter dem
alten Namen Tietz geschaltet werden.
Ruhrwacht, 31. 7. 1933
Über diese Annonce erfahren die
Oberhausener vom „Besitzerwechsel“
der Leonhard Tietz AG.
Ruhrwacht, 30. 7. 1933
Kommentar
Für eine sichtbare Erinnerung
Sommerschlussverkauf
beim Kaufhof in Oberhausen, o. J. Bis zum
Sommer 1933 stand in
großen Lettern Tietz
auf dem Hausdach.
Foto: Stadt Oberhausen
Die Leonhard Tietz AG
Sein erstes kleines Textilgeschäft eröffnete Leonhard Tietz 1889 in Stralsund. Es folgten weitere Läden, später auch in Holland und
Belgien. Tietz baute ein Filialsystem auf. Die erste Rolltreppe Deutschlands machte sein Kölner Haupthaus zum Konsumparadies.
Tietz bot seinen Kunden – ungewohnt zu jener Zeit – Festpreise, Barzahlung und eine Umtauschgarantie an. In den Genuss dieser
neuen Kaufqualität kamen auch die Oberhausener, wo Alfred Leonhard Tietz, Sohn des 1914 verstorbenen Firmengründers, 1928
eine Filiale in der Langemarckstraße eröffnete. 1933 enteigneten die Nationalsozialisten die jüdische Warenhauskette.
„
“
Da kauft kein Deutscher ein
Seit unseren Recherchen zur Enteignung des Kaufhauses Tietz in Oberhausen sehen wir im heutigen BertBrecht-Haus mehr als nur den Standort für die Volkshochschule und die
Stadtbücherei. Das Gebäude hat als
eins von fünf Warenhäusern der ehemaligen Leonhard Tietz AG den Zweiten Weltkrieg überstanden – 35 andere wurden zerstört.
Heute erklärt die unscheinbare Gedenktafel die tragische Geschichte des
Hauses nur wenig und wird zudem oft
übersehen. Einerseits ist nachvollziehbar, dass dieses Gebäude, in dem von
1926 bis zu ihrer Auflösung 1934 so-
wie von 1949 bis 1967 die Ruhrwacht
gedruckt wurde, seit 1984 den Namen
Bert Brecht trägt. Andererseits wäre
es wünschenswert, dem Haus als Ort
der Erinnerung an die frühere traurige Zeit den Namen des Mannes zu geben, der 1933 von den Nationalsozialisten enteignet wurde, weil er Jude
war: Leonhard Tietz.
Da in Oberhausen überlegt wird,
die Langemarckstraße, an der das
Kaufhaus Tietz stand, umzubenennen,
können wir uns den Namen „Leonhard-Tietz-Staße“ gut vorstellen: Dieser Name könnte auf die damalige Situation hinweisen und diesen weißen
Fleck in der Oberhausener Geschichte
überschreiben.
Team Die Aufklärerinnen aus Oberhausen
Eine ehemalige Verkäuferin erinnert sich an den Boykott jüdischer Warenhäuser 1933
S: Frau Müller *, Sie sind heute 89 Jahre alt. 1930 haben Sie Ihre Lehre als
Verkäuferin in der Oberhausener Filiale des Kaufhaus Tietz begonnen und
zehn Jahre dort gearbeitet.
Frau M.: Ja, am 31. März 1930 habe
ich die Schule verlassen und sofort am
1. April die Lehre begonnen. Damals
war ich gerade 14 Jahre alt. Da ich mir
die Abteilung aussuchen konnte, habe ich in der Handarbeitsabteilung angefangen und gelegentlich noch in der
Unterwäscheabteilung gearbeitet.
1933 hatten Sie Ihre Lehre beendet
und wurden als Verkäuferin übernommen. Bemerkten Sie Veränderungen
im Kaufhaus?
(stockt) Ja, das war eine komische Zeit.
Wir bekamen mit, dass eine jüdische
Verkäuferin aus unserer Abteilung in
eine andere Filiale wechselte. In unserer Abteilung hatten wir nach meiner
Lehre zu viel Personal.
Es tat uns leid, dass sie gehen musste, denn wir haben gut zusammengearbeitet. Es gab eine gute Kameradschaft
unter uns, im Geschäft haben wir aber
nicht darüber geredet und auch nicht arisch, also nicht-jüdisch, waren. Alle
darüber nachgedacht, weil wir viel ar- mussten dann in der Partei sein. Wir
beiten mussten. Wir einfachen Verkäufe- haben nichts von Entlassungen mitberinnen haben zwar mit unseren Vorge- kommen, wir haben gedacht, sie hasetzten gesprochen, doch es war alles ben sich selbst eine andere Arbeitsdistanziert. Die Zeiten waren damals stelle gesucht.
anders als heute. Die meisten unserer
1935 hat meine Schwester im KaufVorgesetzten waren Juden, und alle wa- hof angefangen, eingestellt wurde sie
ren freundlich zu uns.
von Herrn Coeppicus, dem neuen GeHaben noch mehr Angestellte das schäftsführer, der vorher Abteilungsleiter der Herrenkonfektion war.
Kaufhaus verlassen?
Ja, alle jüdischen Vorgesetzten waren Können Sie sich noch an den Boykott
weg, die meisten bis zum Jahresen- gegen das Kaufhaus im März 1933 erde, die allerletzten Anfang 1934. Mich innern?
hatte zum Beispiel der jüdische Perso- SA-Männer standen einige Tage vor
nalleiter Herr Dr. Fleck eingestellt. An- dem Eingang und sprachen Passanten
fang 1933 haben wir in der Berufs- an: „Das ist ein jüdisches Geschäft. Da
schule von unserem Lehrer erfahren, kauft kein Deutscher ein“. Sie forderdass ein anderes Kaufhaus in Ober- ten die Leute auf, weg zu gehen. Und
hausen mit dem Kaufhaus Tietz kon- tatsächlich kamen anfangs weniger
kurrieren würde. Der Besitzer sei ein Kunden, und der Verkauf ließ nach.
Christ, Herr Magis. Wir, und damit Wir haben in der ersten Etage gearbeimeinte er das Kaufhaus Tietz, wären tet und nicht viel von dem Boykott mitdann weg. Später wurde das Kaufhaus bekommen. Es war einfach keine schöne Zeit.
Tietz tatsächlich zum Kaufhof.
Nach und nach gab es neue Abteilungsleiter und Geschäftsführer, die * Name von der Redaktion geändert
Jil Flesch (16), Tanja Schulting (15), Sabrina Hartmann (16), Carina Schulzke (16)
und Jana Cremer-Joppien (15) (v. l.)
Wir sind Carina, Jana, Sabrina, Tanja und Jil. Wir gehen in die zehnte
Klasse der Oberhausener Gesamtschule Weierheide.
Um die Hintergründe herauszufinden, die 1933 zur Enteignung
des Kaufhauses Tietz geführt haben,
haben wir Zeitzeugen über die örtliche Presse gesucht und verschiedene Personen befragt, die sich bei uns
gemeldet haben. Außerdem haben
wir in den regionalen Medien, im
Stadtarchiv und in der Geschichtswerkstatt etwas über die Umstände
dieser Zeit erfahren.
Wir haben einen anderen Einblick in die Geschichte unserer Stadt
bekommen und gelernt, im Team zu
arbeiten, Quellentexte zu lesen und
Texte zu verfassen.
6 [WEISSE FLECKEN]
HITLER-ATTENTÄTER GEORG ELSER | AALEN
Allein gegen Hitler – Wie der Königsbronner
Georg Elser sich gegen den Krieg stemmte
Am 8. November 1939 versuchte der
Schreiner Georg Elser aus Königsbronn, Adolf Hitler durch ein Attentat im Münchener Bürgerbräukeller zu
töten. Doch das Attentat misslang. Der
36-jährige Widerständler wurde ins
Konzentrationslager Dachau gebracht
und dort kurz vor Kriegsende ermordet. Doch auch 60 Jahre nach seinem
Tod ist Elser nicht vergessen.
Niemand wusste, wer genau Georg Elser war. Die Königsbronner be-
schreiben ihn als sehr verschlossen.
Wilhelm Schwenk, ein früherer Arbeitskollege des Widerständlers, erzählt: „Als er mit mir im Steinbruch
gearbeitet hat, hat er nicht viel mit uns
geredet.“ Auch sonst zeigte Elser seine Ablehnung des Hitler-Regimes im
Stillen. Er verweigerte den Hitlergruß.
Liefen im Radio Reden des „Führers“,
verließ er den Raum.
Vom stillen Widerstand zum
mutigen Attentat –
Georg Elser wollte Hitler töten
Der Bürgerbräukeller in München am 10. 11. 1939. Polizisten begutachten den Tatort.
Foto: Ullsteinbild
Doch Elsers Widerstand sollte sich
nicht mehr lange auf eine stille Ablehnung des NS-Regimes beschränken.
Bereits während seiner Wanderzeit
als Schreiner wurde er politisch geprägt, bekam viel von dem mit, was im
Land geschah. Bald trat er dem „Roten
Frontkämpferbund“ bei, der Kampforganisation der Kommunistischen Partei Deutschlands. Elser war der Mei-
nung, dass Arbeiter im „Dritten Reich“
benachteiligt werden. Auch die Einschränkung des freien Denkens und
der Religionsfreiheit waren Gründe für
Elsers Wut auf das Regime.
Als Elser bei seiner Arbeit in einer
Armaturenfabrik eine „Sonderabteilung für Rüstungsfragen“ kennen lernte, erkannte er die drohende Kriegsgefahr und fasste den Entschluss zum Attentat auf Hitler.
Im November 1938 begann er die
Planung. Elser handelte nicht im Auftrag der Briten – auch wenn die Nationalsozialisten dies nach seiner Tat
glauben machen wollten und für ihre
Propaganda nutzen. Er fühlte sich imstande und hatte letztendlich auch die
Kraft, das Attentat alleine zu verüben.
Heutzutage sind sich die meisten
Menschen in Königsbronn einig: Georg
Elser ist ein Held, nicht nur ein sonderbarer Einzelgänger. Der kleine Schreiner versuchte, gegen eine unmenschliche Diktatur anzukämpfen. Ein Kampf
Davids gegen Goliath. Leider ging der
Kampf mit einem Sieg für Goliath zu
Ende.
„Das heuchlerische England als Mordhelfer“
Nazipresse stellte den Hitler-Attentäter Elser als Marionette des britischen Geheimdienstes dar
Heute steht fest: Georg Elser hat den
Anschlag im Bürgerbräukeller alleine verübt. Daran glaubte im „Dritten
Reich“ jedoch weder die Nazi-Presse
noch die englischsprachige Presse. Gegenseitige Beschuldigungen waren an
der Tagesordnung.
Geprägt durch die journalistische Propaganda der NS-Zeit, wollte
bis weit in die sechziger Jahre hinein
kaum jemand an die Einzeltäterschaft
Elsers glauben. Um das Volk zu verbünden, verbreitete die NS-Presse die
Theorie, der Attentäter sei eine Marionette des britischen Geheimdienstes.
So wurde bereits zwei Tage nach dem
Attentat in der Kocher- und Nationalzeitung, dem amtlichen NSDAP-Blatt
des Kreises Aalen, berichtet: „Einzelheiten deuten auf England hin.“ Weniger zurückhaltend sprach dieselbe
Zeitung schon am nächsten Tag vom
„heuchlerischen England als Mordhelfer“. 13 Tage später versicherte sie:
„England war der Auftraggeber“.
Auch nach der Verhaftung Georg
Elsers und langen Verhören durch die
Gestapo, in denen Elser hartnäckig auf
Der Völkische Beobachter vom 22. 11. 1939 macht Georg Elser zum „Werkzeug“ des
britischen Geheimdienstes. Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Kommentar
Jeder kann Widerstand leisten
Widerstandskämpfer im „Dritten Reich“
sind einige bekannt. Ob Stauffenberg,
die Geschwister Scholl oder auch Dietrich Bonhoeffer. Aber kaum jemand
kennt Johann Georg Elser.
Dabei war der Schreiner aus dem
Schwäbischen einer der ersten, der
den Diktator – unter Einsatz seines eigenen Lebens – stoppen wollte. Zwar
wurde in den vergangenen zehn Jahren viel getan, um an den Menschen
Elser zu erinnern. So gibt es in Königsbronn die „Georg-Elser-Schule“ und
eine Gedenkstätte. Straßen wurden
nach ihm benannt und eine Briefmarke mit seinem Portrait gedruckt. Doch
dies alles geschah erst über ein halbes
Jahrhundert nach dem Attentat im November 1939.
Ein Grund dafür, dass Georg Elser
früher relativ wenig Beachtung geschenkt wurde, sind die Zweifel an seinen Motiven für den Anschlag. Viele
Menschen hielten es für ausgeschlossen, dass es für den einfachen „Provinzler“ ersichtlich war, in was für eine Katastrophe Hitler die ganze Welt
führen würde. Sie waren der Meinung,
dass das Attentat zwar richtig war, Elser jedoch selbst ganz andere, vermeintlich nichtige Gründe für seinen
Anschlag hatte.
Eine andere Sichtweise ist, dass Elser durch das „Raster der Geschichte“
fiel, weil sich nach dem Krieg kaum eine Gesellschaftsgruppe mit ihm identifizieren konnte. Er war Einzeltäter und
weder kirchlich, noch akademisch oder
politisch sonderlich engagiert. Zwar
war er Mitglied im „Roten Frontkämpferbund“, doch die Kommunisten feierten ihn nach dem Attentat nicht als Antifaschisten. Der „Attentäter aus dem
Volk“ ist beim Volk als Vorbild praktisch durchgefallen.
Vielleicht war es das schlechte Gewissen vieler Menschen, die selber keinen Widerstand leisteten, das eine
Würdigung Georg Elsers verhinderte.
Denn Elsers Tat ist ein Symbol dafür,
dass es für jeden Einzelnen möglich
gewesen wäre, Widerstand zu leisten.
Auch heute noch steht sein Attentat
dafür, dass auch der „kleine Mann“ im
Volk nicht einfach nur den Massen hinterher rennen muss.
deshalb die Vermutungen der englischsprachigen Presse, dass das Attentat
von den Nationalsozialisten selbst inszeniert worden sei, um die Stärke des
Führers zu demonstrieren.
Ein spät anerkannter Held
Team Schwäpo-Jure aus Aalen
Caroline Schaal (17),
Corinna Grabatin (18),
Evelyn Seidl (16),
Bianca Krauß (14),
Dorle Butz (20)
und Jonas Miller (20)
(hinten v. l.).
Larissa Hübener (16)
und Jonathan Brandt
(17) (vorne)
Unser [Weiße Flecken]-Team traf
bei einer unserer Redaktionssitzungen für die Jugendseite der Schwäbischen Post Aalen zusammen. Zum
Team gehören Jonas, Dorle, Caroline,
Corinna, Larissa, Jonathan, Evelyn
und Bianca. Wir haben uns entschieden, über Georg Elser zu schreiben,
weil er in der Nähe von Aalen aufgewachsen ist und selbst die Bewohner
seines Heimatortes Königsbronn bis
seiner Einzeltäterschaft beharrte, hielt
man an dieser Theorie fest. Die Befragungen dauerten ganze 14 Tage, dann
gab man schließlich auf.
Erst am 22. November 1939 wurde
die Öffentlichkeit darüber informiert,
dass der Täter gefasst wurde. Trotzdem wurde weiter behauptet, der britische Geheimdienst sei Urheber des
Attentats gewesen. So hieß es in einer Titelschlagzeile der Kocher- und
Nationalzeitung vom 24. November
1939: „London will es nicht zugeben.“
An dieser Theorie festzuhalten, brachte Hitler gleich mehrere Vorteile, denn
eine Einzeltat hätte möglicherweise
andere Gegner Hitlers ermutigt, selbst
tätig zu werden. So konnten die Nationalsozialisten den Anschlag nutzen,
um das Volk hinter seinem Führer zu
versammeln und England als Sündenbock darzustellen. Die nationalsozialistische Presse beteuerte zudem, dass
Italien, Japan und die USA das Attentat aufs Tiefste verurteilten.
Hitler konnte auf diesem Weg seinen Ruf als unbesiegbarer Diktator
stärken. Nicht weit her geholt waren
STEP 21
heute nicht die ganze Wahrheit über
den Widerständler kennen. Um so
viel wie möglich über Elser herauszufinden, teilten wir uns in Gruppen auf
und begannen mit den Recherchen.
So versuchten wir herauszubekommen, wer dieser Mann wirklich war,
was die NS-Presse über ihn schrieb,
wie bekannt Elser heute bei den Menschen ist und was die Bewohner seines Heimatortes über ihn wissen.
Inzwischen versucht Königsbronn, seinem bekanntesten Einwohner ein rühmendes Denkmal zu setzen. Doch nicht
jeder war von Anfang an hundertprozentig von der Tat Elsers überzeugt,
besonders die Bewohner der Gemeinde Königsbronn, die die Folgen des Attentats hautnah miterlebten, schwiegen oft zu diesem Thema.
„Für die Königsbronner war die Zeit direkt nach dem Attentat furchtbar. Die SS
hat alle befragt. Wenn
die Antworten den SSMännern nicht gefielen, gab es Schläge. Viele saßen
auch im Gefängnis“, erzählt Wilhelm
Schwenk (85), der damals mit Elser
zusammenarbeitete. „Trotzdem rede
ich inzwischen über die Tat und denke, es wäre uns viel erspart geblieben,
wenn das Attentat geklappt hätte.“
Marlene Weber (47)
aus Königsbronn: „Meine Großmutter hat mir
damals erzählt, dass
man nicht über Elser
reden soll. Ich finde
seine Tat heute aber
sehr gut. Ich bin begeistert, dass sein
Vorgehen inzwischen so anerkannt
ist.“ Auch die aufgeklärtere Jugend
beschäftigt sich inzwischen mit dem
Thema Elser.
„Es ist schade, dass
es damals nicht geklappt hat“, erzählt
Daniel Truppel (18).
„Für mich ist Elser ein
Held. Ich glaube nicht
an das Märchen von
Elser als Spion. Er war ein Einzelgänger. Leider wird in den Schulen viel zu
wenig von ihm erzählt. Elser hat ganz
alleine gegen Hitler gekämpft!“
Inzwischen wurde in Königsbronn
der Schulkomplex in „Georg-ElserSchule“ umbenannt. Auch eine Gedenkstätte wurde errichtet, in der man
sich über das Leben Elsers informieren
kann. Außerdem wird seit 2001 alle
zwei Jahre der „Georg-Elser-Preis“ an
Menschen mit Zivilcourage verliehen.
Georg Elser wird immer ein Held im
Kampf gegen den Nationalsozialismus
bleiben. Auch heute noch zeigt er den
Menschen, dass man nicht mit der Herde mitlaufen muss, sondern auch alleine gegen den Strom schwimmen kann.
Lebenslauf Georg Elser
4. Januar 1903:
Geboren in Hermaringen / Württemberg
5 Geschwister
1919 –1925:
Ausbildung und Anstellung als Schreiner (Königsbronn),
anschließend verschiedene Anstellungen und Arbeitslosigkeit,
verschiedene Wohnorte
1928/1929:
Eintritt in den „Roten Frontkämpferbund“ in Konstanz
September 1930: Geburt seines Sohnes Manfred
Ab 1938
Systematische Vorbereitung auf das Attentat
Elser beschafft sich Sprengstoff bei Arbeiten in einer Sonderabteilung für Rüstungsfragen und im Königsbronner Steinbruch
8. November 1939: Attentat im Münchener Bürgerbräukeller und Festnahme in
Konstanz
9. April 1945:
Ermordung nach 5-jähriger Haft im KZ Dachau
„ARISIERUNG“
STEP 21
| PFORZHEIM
Was Kleiderbügel erzählen können
„Arisierung“
Der Begriff Arisierung gehört zum Wortschatz der Nationalsozialisten und bezieht sich
auf die NS-Ideologie einer angeblichen „arischen Herrenrasse“. Hinter der Arisierung
steht die wirtschaftliche Ausgrenzung und Enteignung der jüdischen Bevölkerung. Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten begannen die Diskriminierungen und Ausplünderungen.
Durch den so genannten „Arierparagraphen“ wurden Beamte und Angestellte jüdischen Glaubens bis 1934 weitgehend aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Aus dem
Wirtschaftsleben wurde die jüdische Bevölkerung schrittweise verdrängt. Nach dem
groß angelegten Geschäftsboykott am 1. April 1933 wurden vor allem kleinere und mittlere Geschäfte und Betriebe zerstört. Vom 1. Januar 1938 an war Juden das Betreiben
von Geschäften und Handwerk untersagt, Firmen und Banken wurden enteignet, „jüdischer Besitz“ beschlagnahmt.
Die Arisierung war aus Sicht des NS-Regimes notwendig, da Ende 1937 der Staatsbankrott drohte, der Kreditspielraum ausgereizt und die Aufrüstung für den geplanten
Krieg nicht mehr finanzierbar war.
Nach der Reichspogromnacht im November 1938 verschärfte sich das Tempo der
Arisierung. Der wachsende Druck zwang jüdische Bürger, ihre Geschäfte zu dem festgelegten Minimalwert zu verkaufen. Vielen, auch ehemals wohlhabenden Familien,
blieb nicht mal mehr das Geld zur Flucht. Im Zweiten Weltkrieg dehnten die Nationalsozialisten die Arisierung auf fast alle von ihnen besetzten Länder aus.
Die stille „Arisierung“ eines kleinen Bekleidungsgeschäftes in Pforzheim
Übrig geblieben sind nur zwei Kleiderbügel, die bis vor wenigen Jahren noch
auf der Stange desselben Damenbekleidungsgeschäfts in Pforzheim hingen. Ein an der Pforzheimer Geschichte interessierter Lehrer hat sie sich
kurz vor der Aufgabe des Modehauses von dort erbeten. Auf den ersten
Blick sind sie kaum zu unterscheiden:
geschwungene Holzbögen, von denen
der cremefarbene Lack abblättert. Auf
dem einen steht Kurt Erber, der Name
des Geschäfts, auf dem anderen Krüger & Wolff. Die beiden Bügel sind der
einzig verbliebene Hinweis auf die tragische Geschichte, die sich 1938 um
das kleine Modehaus und in ähnlicher
Weise viele weitere Male in Deutschland abspielte.
Die Angst hat alle Müdigkeit verdrängt
Auch die Pforzheimer Juden bezahlten die Aufrüstung der Nazi-Diktatur
In der Reichspogromnacht wurden auch
in Pforzheim Juden verfolgt. Die Täter
und ihre Nachfahren wollen nicht daran
erinnert werden.
Die Finger des jungen Mannes zittern,
als er versucht, den Fernsprecher auf
dem kleinen Beistelltisch neben seinem Bett zu bedienen. Es ist tief in der
Nacht, vielleicht zwei Uhr, nur die Tür
seines Schlafzimmers trennt ihn von
dem Schrecken, der in der elterlichen
Wohnung im zweiten Stock des Hauses Bertholdstraße 4 in Pforzheim Einzug gehalten hat. Ein Trupp pöbelnder betrunkener Männer, halbe Kinder noch, hat ihn und seine Familie
aus dem Schlaf gerissen und grölend
Zutritt zur Wohnung verlangt, gar gedroht, die gläserne Eingangstür einzuschlagen, sollten die Eltern nicht öffnen. Diese gaben, völlig verwirrt von
dem nächtlichen Überfall, schließlich
nach. Sofort drängte sich die Gruppe
in den kleinen Flur, ohne Vorwarnung
begannen sie, auf den Vater des jungen Mannes einzuschlagen.
Dieser steht wie gelähmt vor Angst
hinter der Tür seines Zimmers, in das
ihn seine Mutter rasch hineingedrängt
hat. Er kann kaum denken, weiß nur,
dass sein Vater Hilfe braucht, und das
so schnell wie möglich. Mit letzter Beherrschung wählt er die Nummer der
nahen Polizeidienststelle, seine Hand
krampft sich um den Hörer, als er dem
wachhabenden Polizisten das Geschehen schildert. Dessen Antwort klingt
tröstlich: „Keine Aufregung“, sagt
er dem jungen Mann, „wir kommen
gleich“.
Doch es wird niemand kommen.
Jahre später bezeichnet der junge
Mann sein damaliges Verhalten als
naiv. Der Schutz des Staates, der für
uns alle eine Selbstverständlichkeit ist,
wurde seiner Familie wie so vielen anderen Menschen in dieser Nacht vom 9.
auf den 10. November 1938 verwehrt.
Schlimmer noch, die Überfälle, die für
die Öffentlichkeit als spontaner Volkszorn dargestellt wurden, waren von
der Obrigkeit systematisch und bis ins
Detail geplant. Die Nacht, die für viele Menschen in Deutschland furchtbares Leid mit sich brachte, sollte als
„Reichspogromnacht“ in die Geschichte eingehen, unzählige mussten leiden,
aus dem einzigen Grund, weil sie Juden waren.
Auf den Schutz des Staates
warteten sie vergeblich
zielle Situation ermöglichte es vielen
Pforzheimer Juden, die die Zeichen
der Zeit früh genug erkannt hatten,
Deutschland rechtzeitig zu verlassen.
Die Inhaber der meisten Pforzheimer Läden nahmen die Chance wahr,
sich und ihre Familie in Sicherheit zu
bringen.
Gerhard Brändle, ein engagierter
Lehrer und Heimatforscher, veröffentlichte 1990 in seinem Buch „Jüdische Gotteshäuser in Pforzheim“ Briefe und Erinnerungen emigrierter jüdischer Pforzheimer, die er sich von
diesen erbeten hatte. Die Briefe erreichten ihn aus fernen Ländern wie
Indien, Brasilien, Nordamerika und
Kanada.
Zensierte Erinnerungen
Sucht man in den öffentlichen Adressbüchern der damaligen Zeit nach
dem Laden in der Leopoldstraße (da-
ber. 1941 ist der Name Günzburger
dann völlig aus dem Adressbuch verschwunden.
Der Brief seines Schwiegersohnes Werner Weyl
gibt uns Auskunft über
sein Schicksal: „Die Eltern von Frau M. Weyl,
O. und E. Günzburger,
wurden am 22. Oktober
1940 ins Lager Gurs/
Südfrankreich
deportiert, die Mutter wurde
gerettet, der Vater starb
1942 in Lyon/ Frankreich.“ Wie die Übernahme seines GeschäfDie Kleiderbügel von Krüger & Wolff und Kurt Erber
tes vonstatten gegangen
mals: Westliche Karl-Friedrich-Stra- ist, kann man sich denken. Trotzdem
spricht die Pforzheimer Zeitung noch
ße), so findet man in den Jahren 1933
und 1934 die Eintragungen des Privat- am 27. Juni 1998 von dem von Kurt
mannes Otto Günzburger und sei- Erber 1938 gegründeten „traditionsnes Geschäfts für Damenkonfektion: reichen“ Unternehmen. Otto Günzburger und sein Schicksal wurden vergesKrüger & Wolff. Fünf Jahre später lebte
Günzburger noch immer in dem Haus, sen. Nur seine Kleiderbügel hat man
behalten, die Kleiderbügel eines deutdas Bekleidungsgeschäft gehörte nun
aber plötzlich dem Kaufmann Kurt Er- schen Juden.
ich als die einzige jüdische Angestellte wurde herausgeholt, umgeben von
Hunderten von Leuten, die Polizei im
Vordergrund.“ Anschließend musste
Frau Peritz die Schuhe säubern und
wieder in das Geschäft hineinwerfen.
Eile war geboten, da einige vorüber-
Überlebende erinnern sich –
die Namen der Täter wurden
geschwärzt
Neben vielen anderen traumatischen
Erlebnissen schildern sie den Prozess
der Arisierung in Pforzheim, die Zer1933 lebten in unserer Stadt Pforzheim
830 namentlich bekannte jüdische Bür- störungen und Plünderungen der Geger. Davon wurden 190 in Konzentra- schäfte in der Reichspogromnacht.
tionslagern ermordet, das Schicksal Eleonore Peritz war Kassiererin im
von 29 ist bis heute nicht aufgeklärt. großen Schuhwarenhaus „Speier AG“
Die anderen 611 konnten emigrie- am Leopoldplatz, sie war selbst eine
ren und überlebten – eine verhältnis- Betroffene des Pogroms am 10. Nomäßig große Zahl. Pforzheim war da- vember 1938. Die fünf großen Schaufenster des Ladens, in dem sie arbeimals eine reiche Stadt, sie lebte von
tete, wurden in jener Nacht zerstört:
der Herstellung und dem Vertrieb von
Schmuck und Uhren. Ihre gute finan- „Die Schuhe lagen alle auf der Straße,
Kommentar
Von den vier in Pforzheim existierenden Zeitungen überlebten nur die
[WEISSE FLECKEN] 7
Wegen Abreise nach Palästina geschlossen,
Pforzheim 1933.
Foto: Sebastian Winkler
gehende Passanten sich an der auf der
Straße verstreuten Ware bedienten.
Auch der Bericht von Erna Schlorch
zeigt, welchen Demütigungen die
Pforzheimer Juden hilflos ausgesetzt
waren: „Die Geschäfte wurden den
Juden schließlich weggenommen und
mein Vater wurde gezwungen, in einem Holzschuppen zu arbeiten. Jeden
Morgen ging er an seinem eigenen Geschäft vorbei, das nun von einem SSMann übernommen worden war. Wie
muss er sich gefühlt haben?“
Franz Mayer aus den USA berichtet: „Mein Großvater Eugen Rothschild war der Inhaber der Firma
Maier Adler am Güterbahnhof. Das
ganze Bureau wurde in der Nacht
vom 8. zum 9. November zerstört. Ich
selbst sah die Schäden am folgenden
Tag. Die Möbel, Schreibmaschinen,
Fenster, Fernhörer waren total zerstört. Das Geschäft wurde Teil der …
(geschwärzt), eine Zwangsübernahme, nachdem mein Großvater für alle Schäden bezahlen musste.“
Das geschehene Unrecht erschüttert in jedem Brief aufs Neue. Um so
seltsamer mutet es an, dass in Gerhard Brändles Buch die Namen derjenigen, die als „Arisierer“ in den Briefen der Betroffenen oder ihrer Nachfahren namentlich erwähnt werden,
geschwärzt wurden. Dies habe er tun
müssen, so der Autor auf unsere Anfrage, da ihm mit Klagen gedroht worden sei.
Team Los Waswarlos aus Pforzheim
Pforzheimer Rundschau und der Pforzheimer Anzeiger die ersten Jahre der
Hitlerdiktatur. Die Rundschau erschien bis 1943, der Anzeiger in sei-
Regionale Nachrichten der Pforzheimer Rundschau vom 10. November 1938. Rechts
oben wurde ein Artikel ausgeschnitten, dessen Inhalt nicht mehr zu rekonstruieren ist.
ner linientreuen Funktion als „Parteiamtliches Organ der NSDAP für den
Amtsbezirk Pforzheim“ bis 1945. Dass
solche Blätter viele weiße Flecken hinterlassen haben, sollte uns also nicht
wundern. Seltsam ist jedoch, dass in
den verbliebenen Exemplaren der
Zeitungen, die im Pforzheimer Stadtarchiv einzusehen sind, immer wieder Artikel fehlen, die nachträglich
herausgeschnitten wurden. Um ihren
Inhalt und Verbleib ranken sich viele Gerüchte.
Dazu passt, dass Namen, die Hinweise auf „Arisierer“ geben könnten,
vom Autor des Buches „Jüdische Gotteshäuser in Pforzheim“ geschwärzt
werden mussten. Es ist kaum zu glauben, dass die Erinnerungen jüdischer
Menschen, die in unserer Stadt so viel
Schreckliches und Menschenunwürdiges erlebt haben, zensiert werden
mussten.
Es ist nicht immer leicht, sachlich
zu bleiben, wenn man eigentlich einfach nur wütend ist, über die Tatsache,
dass die Täter von damals sich auch
heute noch hinter schwarzen Flecken
verbergen können.
Lehrer Jürgen Schlichting und Cihan Akyildiz (17) (hinten v. l. );
Loredana Miculita Bleiziffer (18), Marion Maysenhölder (18), Asiye Aydin (21),
Lehrerin Gabriele Busche und Evindar Simsek (17) (mittlere Reihe);
Sara Adirbelli (19) und Milena Nestor (19) (vorne)
Los Waswarlos – was für ein komischer Name. Und doch passend. Wir
haben in Pforzheim Recherchen zum
Thema „Arisierung in Pforzheim von
1933 – 1939“ angestellt.
Kennen gelernt haben wir uns in
der Geschichtswerkstatt des FritzErler-Gymnasiums Pforzheim. Unser
Team besteht aus, Asiye, Milena, Sara, Cihan, Evindar, Loredana, Marion und unserer Lehrern Gabriele
Busche und Jürgen Schlichting.
8 [WEISSE FLECKEN]
ROBOTY PRZYMUSOWE | LUBIN
„Lampersdorf 8 – Zaborów 4“
Pani Katarzyna ma 81 lat. Mimo
podeszłego wieku doskonale pamięta
lata swej młodości, które spędziła na
robotach przymusowych. Ucieszyła się
z mojej wizyty i chętnie odpowiadała
na zadawane pytania.
Gdy wybuchła wojna pani Katarzyna miała 15 lat. Mieszkała w
miejscowości Pokrowce pod Lwowem
(wtedy należącym do Polski, dziś na
Ukrainie, 80 km od granicy polskiej) w
powiecie Żydaczów, z rodzicami i czterema siostrami. Pamięta, że wszyscy
bardzo bali się wojny.
„Wiedziałam, że nie wolno
mi sie˛ sprzeciwić“
Któregoś dnia do sołtysa przyszedł nakaz
urzędowy mówiący o tym, ile osób ze wsi
ma być przymusowo wywiezionych do
pracy. Piętnastoletnia wówczas dziewczyna została zabrana jako najstarsza
z sióstr. Jechała pociągiem osobowym:
„Najpierw dotarłam do Przemyśla, gdzie
przebadano nas, sprawdzano ogólny
stan zdrowia, zdolność do pracy oraz
obecność chorób zakaźnych, co miało
Pani Katarzyna Jach była pracownikiem przymusowym, na zdje˛ ciu pierwsza od prawej.
1943 r., z albumu pani Katarzyny Jach
wykluczyć zarażenie innych ludzi, a
następnie do Wrocławia. Tu na postoju kazano wszystkim rozebrać się i
oddać ubrania do wyczyszczenia. Kolejnym etapem była Ścinawa“. Docelowym miejscem podróży okazała
się być wieś Zaborów (niemiecka nazwa – Lampersdorf). Tu właśnie miała
pracować przymusowo. Jak się później
okazało, do jej obowiązków należały
wszystkie czynności, które wykonuje się
w gospodarstwie rolnym, m.in.: dojenie
krów, pomoc przy żniwach i wykopkach
ziemniaków. Po pewnym czasie została
również opiekunką wnuka kobiety, u
której pracowała.
„Na początku Niemka traktowała
mnie jak zwykłą siłę roboczą. Zmieniła
stosunek do mnie po śmierci jej męża
i dzieci. Może tak po prostu, po ludzku, poczuła się samotna? I ona na tej
wojnie coś wreszcie straciła …“ – opowiada pani Jach. Od tej pory pani Katarzyna nie mogła narzekać. Miała
swój pokój na poddaszu domu. Zawsze dostawała do pracy kromkę chleba i do podziału dzbanek kawy. Zimą
musiała skubać pierze z kaczek, więcej
czasu poświęcała na pomoc w domu, gotowała posiłki, sprzątała, prała,
prasowała. Nigdy nie sprzeciwiała się,
dlatego unikała kar. „Byłam świadoma
tego, że jeśli naruszę reguły ustalone
przez gospodynię zostanę przeniesiona
do obozu pracy, jak moja sąsiadka“ –
wzdycha pani Katarzyna. Dniem wolnym od pracy była niedziela, a raz w
miesiącu, po wcześniejszym uzyskaniu
zgody, pani Jach mogła pojechać nawet do kościoła we Wrocławiu.
Także po wojnie brak wolności
W Zaborowie pracowali ludzie różnych
narodowości – Polacy, Włosi i Francuzi. W „swoim“ gospodarstwie była
jedyną Polką, przez co często czuła się
STEP 21
bardzo samotna. Niespodziewanie dla
niej nastał koniec wojny. Pani Jach nie
mogła uwierzyć, że to koniec poniewierki. I niestety miała rację. W maju 1945
roku uciekła przed wojskami rosyjskimi wraz z Niemką, u której pracowała.
Dlaczego bała się „wyzwolicieli“?
Słyszała o nich, że biją, gwałcą, często
mordują bez powodu oraz, że sieją
spustoszenie w miejscach, do których
docierają. Miały więc teraz wspólnego wroga. Jedynym ratunkiem stała się
ucieczka pod francuską granicę. Gdy
dotarły na miejsce, okazało się, że było
już tam zbyt wielu ludzi, panowała bieda, a obcokrajowcom kazano wracać.
Powrotny transport dowiózł dziewczynę
na teren opanowany przez sowietów.
Tu zmuszono ją do pracy przy sypaniu
okopów i dostarczaniu żołnierzom jedzenia. W końcu zdecydowała się wrócić
w miejsce gdzie wcześniej pracowała.
Pociągiem dojechała do Legnicy, a dalej pieszo do Zaborowa. W ten sposób
historia zatoczyła koło. Pani Katarzyna
zamieszkała wraz z przyszłą rodziną w
domu oddalonym o około 100 metrów
od gospodarstwa, w którym pracowała.
Dziś pani Katarzyna opowiada o
tamtych wydarzeniach z pewnym dystansem. Jednak spytana o przeżycia
wewnętrzne z czasu wysiedlenia nie
powstrzymała emocji i z jej brązowych
oczu popłynęły łzy.
„Mobilizacja pozaniemieckiej siły roboczej“
W poszukiwaniu śladów polskich robotników przymusowych w prasie z 1940 roku
Sprawa polskich robotników przymusowych została nagłośniona dopiero kilka lat temu, przy okazji sprawy
wypłat odszkodowań za prace przymusowe w III Rzeszy. Nawet bezpośrednio
po zakończeniu II Wojny Światowej był
to temat tabu w Polsce. Sami robotnicy niechętnie poruszali ten problem,
zapewne także ze strachu przed szykanami a także ponowną deportacją –
pracowali przecież na rzecz i korzyść
okupanta.
W prasie oficjalnej z 1940 roku wydawanej w okolicach Lubina nie ma
wzmianki o istnieniu polskich robotników przymusowych. Po kilku godzinach
spędzonych w archiwum, znaleźlismy
niewielki fragment mówiący o tym,
że potrzebni są robotnicy. Jednak nie
była określona liczba ani narodowość
poszukiwanych do pracy osób, nie
można więc jednoznacznie stwierdzić,
że chodziło o Polaków. Informacja ta
pochodzi z gazety Steinauer Kreis u.
Stadtblatt z 24 maja 1940 r. Dziennik
ten ukazywał się na terenie Ścinawy
w latach 1906 –1940. Głównym zadaniem tej gazety było odwrócenie uwagi czytelnika od okrucieństw wojny.
Pojawiające się w niej artykuły, na temat sytuacji gospodarczej Niemiec,
nie miały nic wspólnego z prawdą i
całkowicie pomijały problem braku siły
roboczej. W Steinauer Kreis u. Stadt- ów na roboty rolne do Niemiec?“, w
blatt można było znaleźć nie mające po- którym przedstawiony jest mechanizm
i organizacja wywózek polskich robotkrycia w rzeczywistości informacje na
ników na teren Rzeszy.
temat malejącej potęgi Anglików oraz
zarzucanych Churchillowi błędów. W
W tekście zamieszczone są inforkażdym numerze znajdowały się wieści
macje dotyczące wieku werbowanych
z nieopodal leżącego Wrocławia, po- na roboty przymusowe mężczyzn i
rady dla gospodyń domowych, drobne
kobiet, którzy mieli być pomiędzy
ogłoszenia i rubryka ze sportem.
szesnastym a sześćdziesiątym rokiem
Rzeczywistą
sytuację
polskich życia, a także opis barbarzyńskich
robotników przymusowych przedsta- metod werbowania ludzi do pracy:
wiała prasa wydawana na emigracji „Niemcy obiecywali, że ci, którzy wyjaoraz podziemna. W numerze 14 gaze- dą, będą mogli ze swych oszczędności
posyłać swoim rodzinom w Polsce
ty podziemia polskiego Walka, z dnia
12 lipca 1940 roku, znajdujemy frag- po 100 zł miesięcznie. Mimo tych
ment: „Udało nam się zdobyć garść wszystkich obietnic niemieckich mało
było amatorów na wyjazd. Na skutek
autentycznych danych … wywieziono
‚dobrowolnie‘ do Niemiec 15240 osób. takiego niepowodzenia swej propagandy
Transportów rolnych bylo 33, fach- Niemcy nałożyli na każde miasto i wieś
owych 9. W celu zwerbowania ‚ochot- obowiązek dostarczania pewnej ilości
ników‘ urzędy urządzały odczyty robotników, grożąc w razie biernego
obiecując im złote góry i dobrą zapłatę, oporu zastosowaniem siły. Mimo tych
a w rezultacie naszywano wywiezio- gróźb bardzo niewiele osób zgłosiło się
nym na ramionach literę ‚P‘ (Polen), (…). Władze niemieckie zastosowały
co było wystarczającym powodem do wówczas metody barbarzyńskie. Poprzesladowań i nie sprzedawania im częły mianowicie wyłapywać ludzi, tak
jak błąkające się psy, zatrzymując
żywności.“
Podobne informacje znaleźlismy w wychodzących z kościoła, przypadkoGłosie Polskim – wydawanej we Fran- wych przechodniów, lub wyciagając
cji gazecie polskojęzycznej. W nume- ludzi z łóżek. Zorganizowali następnie
prawdziwe ekspedycje na wsie, wyłarze z 11 kwietnia 1940 roku można
znaleźć krótki artykuł pt: „Jak sie od- pując o ile mogli młodych chłopców i
bywa ‚dobrowolna‘ rekrutacja Polak- ludzi, którzy kryli się po lasach.“
Głos Polski z 11 kwietnia 1940 r. pisze o wywózkach Polaków na roboty przymusowe;
na stronie obok Steinauer Kreis u. Stadtblatt z 24 maja 1940 pisze o „mobilizacji
pozaniemieckiej siły roboczej“, Archiwum Biblioteki Uniwersytetu Wrocławskiego
Artykuł ten kończy trafny i przejmujący komentarz: „Trudno jest sobie
wyobrazić rozpacz rodzin, których
członków porywają i wywożą do Niemiec“. Informacje, które znaleźć można
w polskiej prasie podziemnej i emigracyjnej są potwierdzeniem, że polscy robotnicy przymusowi „nie istnieli“ –
ale tylko w prasie podległej propagandzie nazistowskiej, w prasie podziemnej i emigracyjnej, znaleźliśmy dowody na ich istnienie. Najlepszym jednak
źródłem prawdy o tym czasie, są ludzie,
którzy przeżyli wywózkę, trudy przymusowej pracy i dziś chcą sie podzielić
z nami swoimi historiami.
Grupa z Lubina
Naszyta litera „P“
Roboty przymusowe na terenie Lubina i w okolicach
W 1940 roku gospodarka Rzeszy Niemieckiej zacz˛eła odczuwać niedobór liczby
pracowników, głównie w rolnictwie i
przemyśle zbrojeniowym. Niwelacja tego
deficytu miała polegać na dostarczeniu
Rzeszy taniej siły roboczej z okupowanych
terenów, w tym z Polski.
Dorota Garbowska (18) , Mariusz Konaniec (23), Krzysztof Jasiński (19), Magdalena
Maziej (19) i Łukasz Pleszka (19) (od lewej)
Grupa z Lubina liczy 5 osób. W jej
skład wchodzą: Magdalena Maziej,
Łukasz Pleszka, Dorota Garbowska,
Mariusz Konaniec oraz Krzysztof
Jasiński. Do projektu przystąpiliśmy
przez przypadek, lecz cieszymy
się, że zdecydowaliśmy się na to by
spróbować podołać temu zadaniu.
Tak naprawdę prawie się wcześniej
nie znaliśmy, lecz praca nad projek-
tem bardzo nas do siebie zbliżyła.
Dorota i Magda zajęły się robieniem
wywiadów oraz gromadzeniem informacji do reportaży. Chłopcy natomiast
uzupełniali grupę w sprawach komputerowych, nagrywali płyty, robili slajdy
oraz zdjęcia. Nad końcowym efektem
pracowała jednak cała grupa. Temat,
który realizujemy to „Robotnicy przymusowi z terenu Lubina i okolic“.
Niemcy rozpoczęli agitację za dobrowolnymi wyjazdami ludności polskiej
do pracy.
Gdy zabrakło ludzi zgłaszających
się dobrowolnie, zaczęto stosować
bardziej drastyczne metody w celu ich znalezienia. Polegały one m. in.
na wysyłaniu nakazów urzędowych
do poszczególnych osób pod groźbą
wysłania ich rodzin do obozów koncentracyjnych, zagrabienia mienia, a
nawet kary śmierci. Według Ministerstwa Pracy Rzeszy liczba Polaków
wywiezionych na roboty przymusowe
to 2 miliony osób.
Polscy robotnicy przymusowi mieli obowiązek noszenia na ubraniu, w
widocznym miejscu, literę „P“. Miało
to pozwolić odróżnić ich od ludności
miejskiej. Zakazano im utrzymywania kontaktów towarzyskich z obcokrajowcami, a Niemców karano aresztem za okazywanie sympatii robotnikom przymusowym.
Polacy mieli zakaz chodzenia do
kościołów, kontaktowania się między
sobą, utrzymywania kontaktów z rodzinami, czy korzystania ze środków transportu publicznego. Byli to ludzie całkowicie ubezwłasnowolnieni. Powszechnie
uważano ich za niewykwalifikowaną,
tanią siłę roboczą, przydzielaną do prostych, ale jednocześnie ciężkich robót.
Warunkiem przetrwania na zesłaniu
było całkowite podporządkowanie się
Niemcom i wywiązywanie się ze wszystkich powierzonych obowiązków.
W okresie II wojny światowej na terenach Lubina i w okolicach utworzonych zostało kilka miejsc pracy przymusowej. Były to: firma Wilhelma
Schrottke-Fahrzeugwerke, mydlarnia
w Ścinawie, fabryka amunicji w Osieku. Pracownicy przymusowi zatrudnieni byli także przy budowie dróg, w
leśnictwie, budownictwie, produkcji
bulionów, cukierni, piekarni, roszarni.
W obozach tych pracowali zarówno
zwykli robotnicy, którzy zamieszkiwali teren Lubina i okolic, jak i przymusowi robotnicy. Najwyższy stan zatrudnienia obcokrajowców odnotowano w sierpniu 1944 r. Na opisywanym
obszarze, powstała mozaika, którą
tworzyło ponad 20 języków.
ZWANGSARBEIT | LUBIN
STEP 21
„Lampersdorf 8 – Zaborów 4“
Katarzyna Jach ist heute 81 Jahre alt.
Trotz ihres hohen Alters erinnert sie
sich sehr gut an die Jahre ihrer Jugend, in denen sie Zwangsarbeit leisten
musste. Sie freut sich über meinen
Besuch und beantwortet die Fragen
gern.
Als der Krieg ausbrach, war Katarzyna Jach 15 Jahre alt. Sie wohnte in
Pokrowce bei Lemberg (damals gehörte es zu Polen, heute zur Ukraine, 80
Kilometer von der polnischen Grenze)
im Landkreis Żydaczów, mit ihren Eltern und ihren vier Schwestern. Sie erinnert sich, dass alle große Angst vor
dem Krieg hatten.
Eines Tages erreichte den Dorfvorsteher ein Befehl der Verwaltung, der
besagte, wie viele Dorfbewohner zur
Zwangsarbeit deportiert werden sollten.
Katarzyna wurde als älteste Schwester
ausgewählt. Sie fuhr mit einem Personenzug. „Zuerst kam ich nach Przemyśl,
wo wir untersucht wurden. Man prüfte
den allgemeinen Gesundheitszustand,
die Arbeitsfähigkeit und das Vorhandensein von infektiösen Krankheiten,
um Ansteckung zu vermeiden. Dann
ging es weiter nach Breslau. Hier
mussten wir uns ausziehen und unsere Kleider zur Reinigung abgeben. Die
nächste Etappe war Ścinawa.“
„Ich wusste, dass ich mich
nicht widersetzen darf“
Es stellte sich heraus, dass das Dorf
Zaborów (Lampersdorf) Ziel der Reise
war. Hier sollte Katarzyna Zwangsarbeit leisten. Zu ihren Aufgaben zählten
alle Tätigkeiten, die in einer Landwirtschaft anfallen: Kühe melken, bei der
Ernte und beim Hacken von Kartoffeln helfen. Nach einer gewissen Zeit
lin, dadurch fühlte sie sich oft sehr einsam. Das Kriegsende kam für sie überraschend. Sie konnte nicht glauben,
dass die harte Zeit vorbei sein sollte –
und hatte Recht damit. Im Mai 1945
floh sie zusammen mit ihrer deutschen
Hausherrin vor den russischen Truppen. Warum sie sich vor den „Befreiern“ fürchtete? Sie hörte, dass die Soldaten schlagen, vergewaltigen, oft ohne Grund töten und Verwüstung hinter
sich zurück lassen.
Katarzyna Jach, 2005
begann sie, auch auf die Enkelin ihrer
Hausherrin aufzupassen.
„Anfangs behandelte mich die Deutsche wie eine gewöhnliche Arbeitskraft.
Nach dem Tod ihres Mannes und ihrer
Kinder änderte sie ihre Haltung mir gegenüber. Vielleicht fühlte sie sich einfach einsam, was nur menschlich ist.
Sie hatte in diesem Krieg schließlich
etwas verloren,“ erzählt Katarzyna
Jach. Von diesem Zeitpunkt an konnte die junge Polin nicht klagen. Sie hatte ihr Zimmer im Dachgeschoss. Sie bekam zur Arbeit eine Scheibe Brot und
einen halben Krug Kaffee. Im Winter
verbrachte sie viel Zeit im Haus, musste Enten rupfen und Essen kochen. Sie
putzte, wusch und bügelte. Sie widersetzte sich nie, so bekam sie auch keine Strafen. „Mir war bewusst, dass ich
wie meine Nachbarin ins Arbeitslager
geschickt werde, wenn ich die Regeln
der Hausherrin breche“, seufzt Katarzyna Jach. Sonntags hatte sie frei, und
einmal im Monat durfte sie nach vorheriger Absprache sogar zur Kirche nach
Breslau fahren.
In Zaborów arbeiteten Leute unterschiedlicher Herkunft: Polen, Italiener
und Franzosen. Auf „ihrem“ Bauernhof war Katarzyna Jach die einzige Po-
Nach dem Krieg kein Frieden
Plötzlich hatten Katarzyna und die
Deutsche einen gemeinsamen Feind.
Ihre einzige Rettung war die Flucht
über die französische Grenze. Dort angekommen, stellte sich heraus, dass
schon viele andere Menschen das gleiche Ziel gehabt hatten. Es herrschte Armut, und Ausländern wurde geheißen,
umzukehren. Der Rücktransport führte die Frauen ins sowjetisch besetzte
Polen, wo die Frauen dazu gezwungen
wurden, Gräben zu graben und die Soldaten mit Essen zu versorgen.
Katarzyna Jach entschied sich, an
ihren ehemaligen Arbeitsort zurück
zu kehren. Mit dem Zug fuhr sie bis
Legnica, dann ging sie zu Fuß bis Zaborów. So schloss sich der Kreis ihrer
Geschichte. Sie wohnte mit ihrer zukünftigen Familie in einem Haus, nur
knapp einhundert Meter von dem Bauernhof entfernt, auf dem sie Zwangsarbeit geleistet hatte.
Heute redet Katarzyna Jach über
diese Geschehnisse mit einer gewissen
Distanz. Über ihre Erinnerungen an
die Zeit der Vertreibung befragt, kann
sie ihre Emotionen jedoch nicht kontrollieren, und aus ihren braunen Augen fließen Tränen.
„Mobilisierung außerdeutscher Arbeitskräfte“
Auf der Suche nach polnischen Zwangsarbeitern in der Presse von 1940
Zur Sprache kam das Schicksal polnischer Zwangsarbeiter im „Dritten
Reich“ erst vor einigen Jahren, anlässlich der Entschädigungszahlungen für ehemalige Zwangsarbeiter.
Direkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs war Zwangsarbeit in Polen ein
Tabuthema. Die Arbeiter selbst sprachen das Problem nicht gerne an, sicher auch aus Angst vor Schikanen
oder einer erneuten Deportation – hatten sie doch für den ehemaligen Besatzer gearbeitet.
In der offiziellen Presse von 1940
in der Umgebung von Lubin wird die
Existenz polnischer Zwangsarbeiter
nicht erwähnt. Nach einigen Stunden
im Archiv fanden wir einen kleinen
Ausschnitt, in dem es hieß, dass Arbeiter gebraucht würden. Es gab aber
Hauptaufgabe dieser offiziellen Zeitung war es, die Aufmerksamkeit des
Lesers von den Grausamkeiten des
Krieges abzulenken. Sie beinhaltete
Artikel über die wirtschaftliche Situation Deutschlands. Die jedoch haben
mit der Wahrheit nichts zu tun und
lassen das Problem der fehlenden Arbeitskräfte komplett aus. Im Steinauer
Kreis u. Stadtblatt konnte man Informationen über die schwindende Macht
der Engländer und Churchills angebliche Fehler finden, die keineswegs der
Realität entsprachen. In jeder Ausgabe fanden sich Nachrichten aus dem
nahen Breslau, Ratschläge für Hausfrauen, Kleinanzeigen und eine Sportrubrik.
Die reale Situation der polnischen
Zwangsarbeiter ist lediglich in der in
nach Deutschland. Es gab 33 Transporte mit Landarbeitern und neun mit
Facharbeitern. Um „Freiwillige“ zu
werben, organisierten die Ämter Vorträge, in denen ein guter Lohn und
das Blaue vom Himmel versprochen
wurde. Im Endeffekt wurden die Verschleppten mit einem auf der Kleidung
aufgenähten „P“ gekennzeichnet. Träger des „P“s waren Diskriminierung
und Verfolgung ausgesetzt, beispielsweise weigerten sich Verkäufer, ihnen
Lebensmittel zu verkaufen.“
Ähnliche Informationen fanden wir
im Głos Polski – einer in Frankreich
herausgegebenen polnischsprachigen
Zeitung. In der Ausgabe vom 11. April
1940 findet man einen kurzen Artikel
mit dem Titel: „Wie die ‚freiwillige‘ Rekrutierung von Polen zur Landarbeit
[WEISSE FLECKEN] 9
Ein aufgenähtes „P“
Zwangsarbeit in Lubin und Umgebung
1940 wurde in der Wirtschaft des „Dritten
Reichs“ ein Mangel an Arbeitskräften
spürbar, vor allem in der Landwirtschaft
und der Rüstungsindustrie. Um dieses
Defizit auszugleichen, sollten billige Arbeitskräfte aus den besetzten Gebieten, darunter
aus Polen, ins Reich geholt werden.
Die Deutschen begannen, unter der
polnischen Bevölkerung für Arbeit in
Deutschland zu werben. Wenn sich
nicht genügend Menschen freiwillig
meldeten, wurden drastischere Methoden angewandt, um Arbeitskräfte zu
finden. So wurden an bestimmte Leute
amtliche Verfügungen versand, mit der
Androhung, ihre Familien in ein Konzentrationslager zu schicken, ihr Eigentum zu konfiszieren oder sie sogar mit
dem Tod zu bestrafen. Nach Angaben
des Reichsarbeitsministeriums wurden
zwei Millionen Polen zur Zwangsarbeit
nach Deutschland deportiert.
Die polnischen Zwangsarbeiter
waren verpflichtet, an ihrer Kleidung
sichtbar den Buchstaben „P“ zu tragen. Das ermöglichte, sie von der städtischen Bevölkerung zu unterscheiden.
Es war ihnen verboten, freundschaftliche Kontakte mit der Bevölkerung zu
pflegen. Deutsche wurden für Sympathiebekundungen gegenüber Zwangsarbeitern mit Arrest bestraft.
Die Zwangsarbeiter durften nicht
zur Kirche gehen, keinen Kontakt untereinander oder mit ihren Familien
pflegen und keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Sie waren vollkommen entrechtet. Allgemein wurden
sie als unqualifizierte, billige Arbeitskräfte angesehen. Ihnen wurden einfache aber zugleich körperlich schwere Arbeiten zugewiesen. Zum Überleben war es notwendig, sich den Deutschen vollständig unterzuordnen und
alle auferlegten Pflichten zu erfüllen.
Während des Zweiten Weltkriegs
wurden im Lubiner Raum in mehreren
Betrieben Zwangsarbeiter beschäftigt:
in der Firma Wilhelm Schrottke-Fahrzeugwerke, der Seifenfabrik in Ścinawa
und in der Munitionsfabrik in Osiek. Außerdem wurden sie im Straßenbau, im
Bauwesen, im Forstwesen, in der Produktion von Fertigbrühe, in Konditoreien, Bäckereien und Röstereien eingesetzt. Die höchste Zahl ausländischer
Zwangsbeschäftigter wurde im August
1944 notiert. In dem Gebiet entstand ein
Mosaik aus über 20 Sprachen.
Steinauer Kreis u. Stadtblatt vom 24.5.1940 über „die Mobilisierung außerdeutscher
Arbeitskräfte“. Auf der gegenüberliegenden Seite: Glos Polski (Die polnische Stimme) vom
11.4.1940. Unter der Schlagzeile „Wie verläuft die „freiwillige“ Rekrutierung von Polen
für Arbeiten in der deutschen Landwirtschaft“ berichtet die Untergrundzeitung über die
Verschleppung polnischer Zwangsarbeiter
barbarischen Methoden der Rekrutierung: „Die Deutschen versprachen,
dass die, die fahren, ihren Familien
in Polen Ersparnisse in Höhe von etwa
100 Zloty schicken können. Trotz der
ganzen deutschen Versprechen gab
es wenige Freiwillige. Als Konsequenz
des Misserfolgs ihrer Propaganda verpflichteten die Deutschen jede Stadt
und jeden Ort, eine bestimmte Anzahl
an Arbeitern zu stellen und drohten im
Falle passiven Widerstands mit Gewalt.
Trotz der Drohung meldeten sich sehr
wenige (…) Die deutschen Machthaber
wendeten währenddessen barbarische
Methoden an. Sie begannen, Menschen
wie herrenlose Hunde zu fangen, Leute, die aus der Kirche kamen oder zufällige Passanten, und sie zerrten Menschen aus ihren Betten. Sie organisier-
ten später richtige Expeditionen aufs
Land und fingen so viele junge Männer
und in den Wäldern Versteckte, wie sie
konnten.“
Der Artikel endet mit dem treffenden und ergreifenden Kommentar: „Es
ist schwer, sich die Verzweiflung der
Familien vorzustellen, deren Mitglieder entführt und nach Deutschland deportiert wurden.“
Während Zwangsarbeiter in der offiziellen Presse einfach nicht existierten, findet man in der polnischen Untergrund- und Exilpresse durchaus
Berichte und Informationen. Die beste Quelle der Wahrheit über diese Zeit
sind aber die Menschen, die die Deportation und die Zwangsarbeit überlebt
haben und heute ihre Geschichten mit
uns teilen wollen.
Die Lubiner
Dorota Garbowska
(18), Mariusz Konaniec (23), Krzysztof
Jasiński (19),
Magdalena Maziej
(19) und Łukasz
Pleszka (19) (v. l.)
Steinauer Kreis u. Stadtblatt vom 24. 5. 1940. Die Titelseite zeigt das Wappen der Stadt Lubin (links),
Archiv der Bibliothek der Universität Wroclaw
keine Angaben über Anzahl oder Nationalität der gesuchten Arbeitskräfte,
man kann also nicht daraus schließen,
dass es hier um Polen geht. Die Information kommt aus der Zeitung Steinauer Kreis u. Stadtblatt vom 24. Mai
1940. Diese Tageszeitung erschien im
Gebiet Ścinawa von 1906 bis 1940.
der Emigration oder im Untergrund
veröffentlichten Presse nachzulesen.
In der polnischen Untergrundzeitung
Walka (Kampf) vom 12. Juli 1940 finden wir einen Abschnitt: „Es gelang
uns, eine Handvoll authentischer Angaben zu bekommen (…) man transportierte 15.240 Personen „freiwillig“
nach Deutschland aussieht“. Darin ist
der Mechanismus und die Organisation der Transporte polnischer Arbeiter
ins Reichsgebiet beschrieben.
Der Text enthält Informationen
über das Alter der zur Zwangsarbeit
deportierten Männer und Frauen (zwischen 16 und 60 Jahren) und über die
Unser Lubiner Team besteht aus fünf
Personen, dazu gehören Magdalena,
Łukasz, Dorota, Mariusz und Krzysztof. An das Projekt gerieten wir
durch Zufall. Wir freuen uns, dass
wir uns entschieden haben, diese Herausforderung anzunehmen. Vorher
kannten wir uns kaum, aber die Projektarbeit hat uns sehr zusammenge-
schweißt. Unser Thema ist „Zwangsarbeiter aus Lubin und Umgebung“.
Dorota und Magda führten Interviews und sammelten Informationen
für die Reportage. Die Jungs ergänzten die Gruppe in Sachen Computer.
Sie brannten CDs, machten Dias und
Fotos. Das Endergebnis haben wir
zusammen erarbeitet.
EUTHANASIE | LÜNEBURG
10 [WEISSE FLECKEN]
STEP 21
Die Ungedruckten
In Lüneburg ermordeten Nazi-Ärzte Kinder – alle wussten es, doch die öffentliche Stimme schwieg
In Lüneburg ermordeten Nazi-Ärzte Kinder.
Viele Bürger wussten davon – und schwiegen. Die Zeitung erwähnte die Opfer mit
keinem Wort.
Wer sehen wollte, konnte sehen: „Todesbusse“, wie die Bevölkerung sie
nannte, fuhren durch die Stadt. Plötzliche Tode von körperlich gesunden
Kindern, deren sterbliche Überreste
ihren Eltern nur noch eingeäschert
übergeben wurden, sorgten für Gerüchte auf den Straßen. Krankenhauspersonal stürzte sich aus Scham
oder Verzweiflung in den Freitod. Das
alles blieb nicht unbemerkt. Das alles waren Hinweise darauf, dass etwas nicht stimmen konnte in unserer kleinen Stadt. In Lüneburg, wo ab
dem Jahr 1934 unter dem harmlosen
Wort Euthanasie Verbrechen begangen wurden.
Wenn sich diese Vorfälle mehrten
und Wissen darüber bestand, warum
verlor die Presse Lüneburgs hierüber
kein einziges Wort?
Die Antwort ist wohl die gleiche
wie bei den anderen weißen Flecken
jener Zeit: Die NS-Führung wollte es
verschweigen. Doch obwohl das Krankenhaus am Stadtrand lag, blieben die
Schreie der rücksichtslos Ermordeten
nicht vor der Öffentlichkeit verborgen. Sei es wegen der grausamen Art
und Weise, auf die geistig Behinderte in den Anstalten ermordet wurden,
so dass das Personal, getrieben vom
schlechten Gewissen, den SchweigeSchwur gebrochen hat. Sei es wegen
der Todesbusse, in denen die Insassen
über ein geschlossenes Abgassystem
erstickt wurden, und die auf öffentlichen Straßen fuhren. Oder aber es
waren Eltern, Geschwister und andere Verwandte, die den plötzlichen Tod
ihrer Verwandten für mehr als nur einen merkwürdigen Zufall hielten.
In manchen Fällen kam das
Schicksal der Opfer der NS-Euthanasie erst viel später ans Licht. Antje Kosemund, unsere Zeitzeugin aus Hamburg, wurde erst in den achtziger Jahren stutzig, als sie eines Tages die
Sterbeurkunde ihrer Schwester Irma
in der Hand hielt, und das Sterbedatum und die Ausstellung der Urkunde
ein Jahr auseinander lagen.
Todesanzeigen für gefallene
Soldaten – keine für
Euthanasie-Opfer
Viele wussten Bescheid, aber das öffentliche Wissen fand keinen Niederschlag im veröffentlichten Wissen.
Diese Opfer sind die Ungedruckten.
In den damaligen Lüneburgschen
Anzeigen befindet sich nach eigenen
Recherchen und Aussagen der Geschichtswerkstatt keinerlei Hinweis
auf das mörderische Vorgehen der
Ärzte in Lüneburg. Stattdessen berichtete die Lokalzeitung – unter dem
Einfluss des Reichsministeriums für
Volksaufklärung und Propaganda –
Bewohner des Wichern-Hauses in Rotenburg (Wümme), vermutlich 1937/38. Mit hoher
Wahrscheinlichkeit sind auch diese Patienten später Opfer der NS-Euthanasie geworden.
Foto: Rotenburger Werke
über gescheiterte Fliegerangriffe der
Engländer, gewonnene Seeschlachten und vordringende deutsche Streitkräfte: Jubelmeldungen statt düstere Wahrheiten. Im typischen Nazijargon beschäftigte man sich damit, wie
wichtig eine gesunde und starke Jugend für die „Volksgemeinschaft“ ist.
Menschen, die die Hilfe der Gesellschaft gebraucht hätten, haben gestört. So findet man Todesanzeigen
für gefallene Soldaten – aber keine
für die Opfer der Euthanasie. Man erfährt, wo die Lebensmittelkarten abzuholen waren, nicht aber, was hinter den Mauern des Krankenhauses
geschah.
Was ist die Geschichte der Ungedruckten? Das heutige Landeskrankenhaus in Lüneburg wurde als Landes- Heil- und Pflegeanstalt 1901 gegründet. Die Anstalt wurde damals
aufgrund ihrer besonderen Architektur in höchsten Tönen gelobt. Angelegt war sie als Stadt in der Stadt. Eine Art Reservat für Heil- und Pflegebedürftige. Eine Idylle. Ursprünglich
sollten die Patienten mit dem Ziel behandelt werden, eines Tages wieder
als arbeitende Bürger in die Gesellschaft integriert zu werden.
Die jüngsten Opfer
waren drei Jahre alt
Haus 23 der Kinderfachabteilung der Landes-, Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Hier
bekamen schon dreijährige Kinder Todesspritzen oder Opiate, durch die sie abmagerten
und starben. Foto: Bildungs- und Gedenkstätte „NS-Psychiatrie in Lüneburg“
Begleitet vom Erscheinen einiger rassistischer Broschüren und Bücher mit
Titeln wie „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ (von
dem Philosophen Karl Binding und
dem Mediziner Alfred Koche), ordnete
rektor der Psychiatrischen Anstalt Königslutter ernannt.
Vier Jahre später gab Baumert zu,
bis Kriegsende für vorsätzliche Tötungen von tatsächlich oder vermeintlich
psychisch kranken Kindern verantwortlich gewesen zu sein – und sie in
weitem Umfang veranlasst zu haben.
Das daraus resultierende Gerichtsverfahren wurde jedoch eingestellt. Das
Gericht bescheinigte Baumert Vernehmungsunfähigkeit aufgrund von Herzproblemen – allerdings war er zu diesem Zeitpunkt sehr wohl imstande,
immerhin ein weiteres Jahr halbtags
zu arbeiten. 1966 stellte das Oberlandesgericht Celle die Ermittlungen gegen ihn ein – „wegen schlechten körperlichen und seelischen Zustandes“.
Auch nach dem Krieg versäumte
man es lange, die Menschen über das
Geschehene aufzuklären. In der Bildungs- und Gedenkstätte im heutigen
Landeskrankenhaus wird das dunkle
Kapitel zwar seit 2004 durch eine gut
recherchierte Ausstellung endlich thematisiert, dennoch weiß heutzutage
im geschichtsverdrossenen Lüneburg
immer noch ein Großteil der 70.000
Einwohner nicht, was damals hinter
den Klinikmauern in ihrer direkten
Nachbarschaft vor sich ging.
die NS-Führung 1934 die Zwangssterilisation von psychisch kranken Männern, Frauen und Kindern an. Allein
in Lüneburg wurden unter der Aufsicht von Direktor Bräuner zwischen
1934 und 1945 insgesamt 347 Männer und Frauen sterilisiert. Die jüngsten Opfer waren gerade mal drei Jahre alt, die ältesten weit über 50.
Dr. Bräuner, seit 1935 Direktor der
Anstalt, richtete 1941 entgegen seines
Hippokratischen Eides eine „Kinderfachabteilung“ ein, in der unter Auf- Mit Aufklärungsarbeit gegen
sicht des extra dafür eingestellten Dr.
das Vergessen
Willi Baumert – engagiertes Mitglied
der NSDAP und der Waffen-SS – bis
1945 über 300 Kinder gezielt getötet
wurden.
Antje Kosemund gehört zu denjenigen,
Das Fachpersonal musste einen
die gegen das Unwissen über NS-EuEid schwören, über die Vorgänge zu
thanasie ankämpfen und gegen das
schweigen. Oft wussten Mitarbei- Vergessen und das Umschreiben der
ter bis zum ersten Arbeitstag nicht, Geschichte vorgehen. Dafür arbeitet
welch tödliche Aufgabe sie erwarte- die Hamburgerin seit knapp 25 Jahte. Ingeborg W., zuständige Schwes- ren als Zeitzeugin mit Jugendgrupter für die Knabenstation, nahm sich pen zusammen. Sie spricht aus, was
am 1. September 1942 in Haus 25 das
einige unter Verschluss halten wollen.
Leben. In diesem Haus war sie maß- Und sie versucht, die wahre Geschichgeblich an der Tötung von Kindern be- te ihrer Schwester Irma ans Tagesteiligt. Dora V. von der Mädchenstati- licht zu bringen. Die Geschichte von
on sagte nach dem Freitod ihrer Kol- Irma, die von den Nazis in eine Psychlegin, dies sei „die Folge der Belastung iatrie deportiert wurde, steht stellvergewesen, welche unsere Tätigkeit mit
tretend für viele Euthanasie-Opfer im
sich brachte“.
„Dritten Reich“.
Obwohl viele von den Morden an
diesen Kindern wussten, mithalfen
oder Augenzeugen waren, gab es daDie Täter blieben unbestraft
mals nur eine vergleichsweise kleine
Opposition, und selbst heute versuchen Menschen die Täter zu schützen
Baumert wurde für die Verbrechen an
den Menschen, wie viele NS-Verbre- oder zu rechtfertigen – und versorgen
cher nach dem Krieg, nicht verurteilt. Hinterbliebene nur spärlich mit InforAls Psychiater machte er eine stei- mationen. „Weiße Flecken“ können
le Karriere und wurde 1958 zum Di- sehr hartnäckig sein.
Das [Weiße Flecken]-Team aus Lüneburg
Tobija Saßnik (17), Helge Stein (17), Christian Meyn (17) (hinten v. l.). Jan Henryk
Wiebe (17), Magdalena Blender (16) und Sarah Schumann (16) (vorne)
Wir kennen uns: Aus unserer Schulzeit auf dem Gymnasium Johanneum und von der gemeinsamen Zusammenarbeit bei der Jugendseite
der Landeszeitung Lüneburg.
Unser Projekt: Wir haben uns mit dem
Thema Euthanasie in Lüneburg befasst, um die weißen Flecken der damaligen Presse aufzudecken. Wir
konnten feststellen, dass die Pres-
se Lüneburgs die Verbrechen, die
im heutigen Landeskrankenhaus begangen wurden, mit keinem einzigen
Wort erwähnt hat. Zwar befand sich
die Anstalt mitten in Lüneburg, aber
durch die dicken Mauern konnte niemand die Schreie der Opfer hören.
Wir haben uns vorgenommen,
Licht in dieses Dunkel zu werfen
und den Ungehörten eine Stimme
zu geben.
Die Lüneburgschen Anzeigen propagieren den Aufbau und Erhalt einer „gesunden Jugend“. Hier in der Ausgabe vom 7.1.1935
EUTHANASIE | LÜNEBURG
STEP 21
„Ihr Tod fiel nicht weiter auf“
Haltlose Diagnosen brachten die 4-jährige Irma in die Psychiatrie. Antje Kosemund
über die Deportation ihrer Schwester
Team Lüneburg: Frau Kosemund, an
welcher Krankheit litt ihre Schwester?
Antje Kosemund: Das wissen wir bis
heute nicht. Die Gutachten von 1933
und später widersprechen sich zum
Teil und sind medizinisch nicht haltbar.
Oft scheint es, als hätten diese Ärzte und Psychologen Irma nie gesehen,
oder ihre Aussagen stützen sich nur
auf nationalsozialistisches Gedankengut. Es könnte sein, dass sie ein autistisches Kind war, jedoch nur mit einer
sehr leichten Behinderung und nicht
wie in einem der ersten Gutachten behauptet: „völlig idiotisch und wertlos“.
Wie kam es zur Einweisung?
Nach Anzeige einer Nachbarin wegen
meiner Schwester Irma, die Defizite
in ihrer Entwicklung zeigte, besuchte
uns eine Familienfürsorgerin, die eine
psychiatrische Untersuchung veranlasste. Mein Vater wurde im Mai 1933
wegen seiner antifaschistischen Tätigkeit durch die Gestapo verhaftet. Während der Haftzeit verlor er durch Berufsverbot seine Anstellung. Als Familie mit neun Kindern ohne Einkommen ging es uns die nächsten Jahre
sehr schlecht. Als Irma in die Psychiatrie Hamburg-Alsterdorf eingewie-
Antje Kosemund, geboren 1928, ist Vorstandsmitglied in der Vereinigung der Verfolgten
des Naziregimes – Bund der Antifaschisten. Foto: Privat
sen wurde, dachten meine Eltern, es
würde ihr dort besser gehen. Niemand
dachte, dass es den Plan gab, Menschen umzubringen. Vor allem konnte
man nicht annehmen, dass sich Ärzte,
Pfleger, Krankenschwestern und Psychologen an den Krankenmorden beteiligen würden.
Wie ging es dann weiter?
So unglaublich und traurig es klingen mag: Bei uns Kindern wurde Irma relativ schnell wegen der vielen
Geschwister und der schwierigen Verhältnisse vergessen. Im Januar 1945
erhielten wir die Nachricht, dass Irma eines natürlichen Todes gestorben sei. Wir nahmen ihren Tod hin,
denn kurz vor Kriegsende kamen täglich Meldungen von gefallenen oder
gestorbenen Verwandten und Freunden. Erst in den achtziger Jahren hielt
ich eines Tages Irmas Sterbeurkunde
in der Hand und wurde stutzig, weil
das Sterbedatum und die Ausstellung der Urkunde ein Jahr auseinander lagen.
Wie verliefen Ihre Recherchen?
In den Alsterdorfer Anstalten erhielt
ich sofort die wenigen dort vorhandenen Krankenakten und man lud mich
zu einem ausführlichen Gespräch
ein. Ich erfuhr, dass Irma am 16. August 1943 zusammen mit 227 anderen Frauen und Mädchen in die Psychiatrie in Wien deportiert wurde. Der
heutige Leiter der Anstalt, Professor
Gabriel, gab mir bei meiner ersten Anfrage 1983 nur zwei Krankenblätter
meiner Schwester. Die anderen seien
im Laufe des Krieges verloren gegangen. Auf die Frage, wo das Grab meiner Schwester sei, sagte er, dass laut
geltender Friedhofsverordnung das
Grab aufgelassen und neu belegt sei.
[WEISSE FLECKEN] 11
Das stellte sich jedoch später als Lüge
heraus.
Inwiefern waren die Krankenblätter
verwertbar?
Die Krankenblätter enthielten nur sehr
wenige Informationen, deren Inhalt jedoch schockierend war. Innerhalb von
acht Wochen verlor meine damals
13-jährige Schwester zwölf Kilo und
wog nur noch 28 Kilo. Wörtlich heißt
es, sie „hat eine große Fensterscheibe eingeschlagen, ohne sich zu verletzen – Zwangsjacke“. Einen Tag später
schlug sie wieder eine Fensterscheibe ein, diesmal kam sie in ein Gitterbett, das auch oben verschlossen war.
Die Kinder ahnten, dass ihnen Schlimmes bevorstand. Irma hat sich bis zuletzt gewehrt.
Wie ging es weiter?
Irma ist mit zwölf anderen Mädchen
in die Kinderfachabteilung gekommen.
Sie war mit 13 Jahren die Älteste, das
Jüngste war gerade drei Jahre alt. An
ihnen führte man – auch nach damaligem Gesetz verboten – medizinische
Versuche durch. Nach dreieinhalb Monaten lebte von ihnen keines mehr. Soweit sie nicht an Unterernährung, Kälte und Luminalspritzen gestorben waren, bekam sie eine Spritze, die den
Tod herbeiführte.
Euthanasie
Euthanasie setzt sich aus den griechischen Wörtern „eu“ und „thanatos“
zusammen und heißt übersetzt „guter Tod“.
Zur NS-Zeit steht dieser Begriff nicht
wie in der griechisch-römischen Antike
für einen schönen, schmerzlosen und
leichten Tod ohne Einwirkung eines Außenstehenden. In den Euthanasie-Programmen des „Dritten Reichs“ geht es
um die organisierte „Tötung lebensunwerten Lebens“. Teils industriell, teils
zu angeblich wissenschaftlichen Zwecken werden Menschen getötet, die
nicht dem nationalsozialistischen Idealbild des nordischen Herrenmenschen
entsprechen: psychisch kranke Menschen, so genannte Asoziale, Alkoholiker und lernschwache oder auffällige Kinder. Auch physisch Kranke fallen der Euthanasie zum Opfer. All diese Menschen gelten als lebensunwert
und werden auf Befehl Hitlers zur Vernichtung freigegeben. Die Zahl der Opfer kann nur geschätzt werden. Etwa
350.000 Erwachsene und Kinder werden zwischen 1933 und 1945 im Zuge
der NS-Euthanasie ermordet.
Eine der typischen Sterbeurkunden, die den Familien der Opfer zugeschickt wurden. Oft
ohne Eintrag der Todesursache – oder mit einer erfundenen.
Foto: Bildungs- und Gedenkstätte „NS-Psychiatrie in Lüneburg“
+ + + [Weiße Flecken]-Coaches + + + + [Weiße Flecken]-Coaches + + + + [Weiße Flecken]-Coaches + + + + [Weiße Flecken]-Coaches + + +
Markus Deggerich
Journalist
„Ich bin dabei, damit aus den weißen
keine blinden Flecken werden!“
Ronnie Koch
Sandra Schramm
Magnus Koch
Olaf Mischer
Online-Redakteur
Studentin
Historiker
Historiker/Dokumentationsredakteur
„Ich unterstütze [Weiße Flecken], weil „Anhand der eigenen Geschichte kann „Regionale Recherchen machen Ge- „Im Journalismus sind die spannendsschichte(n) lebendig und verbinden sie ten Geschichten immer die, die noch
es ein wichtiges Thema behandelt, man eine Menge spannender Dinge
niemand erzählt hat. Die Teilnehmer
mit unserem eigenen Leben. So wird
lernen: neugierig nachfragen, Leute
und weil die Auseinandersetzung mit
ihre Bedeutung für die eigene Identi- von [Weiße Flecken] machen sich auf
treffen und zum Erzählen bringen, gut
Geschichte Spaß macht.“
die Suche nach solchen Geschichten.
schreiben und formulieren. Geschich- tät, Werte und Normen deutlich. Die
persönliche Meinung ist besser zu hin- Es wäre schade, wenn sie niemand
te hat immer mit unserer Gegenwart
zu tun – das zu zeigen, ist die Aufgabe terfragen und die Ziele des eigenen po- mehr erzählen würde.“
für alle, die sich mit historischen The- litischen, gesellschaftlichen oder kulturellen Engagements werden klarer.“
men befassen.“
Allen ehrenamtlichen Coaches einen herzlichen Dank für ihren sehr engagierten und kompetenten Einsatz!
Sarah Benecke
Studentin
„Ich unterstütze [Weiße Flecken], weil
es toll ist! Ich finde es für die Zukunft
wichtig, dass man sich mit der Vergangenheit beschäftigt und sie aufarbeitet.“
Kathleen Bernsdorf und Beate Mössner
Lars Kämpgen
Markus Oddey
Corina Brucker
Gestaltung/Printproduktion
Abiturient
Lehramtsreferendar
Studentin
„Medienkompetenz und Medienkritik „Das Projekt [Weiße Flecken] bringt „Ich finde das Projekt [Weiße Flecken] „Wir unterstützen [Weiße Flecken],
sind in unserer heutigen Zeit der Mas- Licht ins Dunkle: durch die ‚Schatz- cool, weil es zeigt, dass sich Jugend- weil es ein sehr interessantes Projekt
liche im Gegensatz zur üblichen Mei- ist, das sich mit unserer Vergangenseninformation von elementarer Be- suche‘ in Archiven, das Gespräch mit
nung sehr wohl für die deutsche Ver- heit auseinandersetzt und es ermögdeutung. Und das lernt man am besten Zeitzeugen, Spaß am Schreiben und
licht, bisher verborgene Geschichten
aus der eigenen Geschichte und der den Austausch in internationalen Ar- gangenheit interessieren.“
zu veröffentlichen.“
beitsgruppen.“
Beschäftigung mit ihr.“
RUCH HARCERSKI R PRASA PODZIEMNA | KRAKAU
12 [WEISSE FLECKEN]
Przysie˛ga trzech me˛żczyzn
Ruch oporu polskich harcerzy
Jak opowiada nam Józef Drożdż, ugrupowania harcerzy w Bielsku i Białej,
miastach położonych około 100 kilometrów od Krakowa, już w 1937 r.
przeczuwały, że wojna między Polską
a Niemcami jest nie do uniknięcia. W
Bielsku i Białej powstają nowe niemieckie organizacje i ugrupowania.
Partia Młodoniemiecka w Polsce organizuje demonstracje i przemarsze,
na których śpiewane są faszystowskie
pieśni i skandowane hasła nacjonalsocjalistów. Organizacja ta, pod względem zarówno ideologicznym, jak i organizacyjnym, przypomina NSDAP.
Od sierpnia 1939 r. w Bielsku
rozpoznać można pierwsze przygotowania do wojny: magazynowana jest
żywność, młodych ludzi rekrutuje się
do wojska. W dniu 22 sierpnia 1939
r. Józef Drożdż otrzymuje zlecenie kierowania tajną grupą konspiratorów.
Od tego momentu obydwa miasta –
Bielsko i Biała – mają wspólnego komendanta harcerstwa. Pierwsze przygotowania do podziemnego ruchu
oporu zostały poczynione.
Harcerze roznosili poczte˛ i prase˛
podziemna˛. Na zdje˛ciu Zawiszacy podczas
Powstania Warszawskiego, 1944 r.
W nocy z 31 sierpnia na 1 września
1939 r., o wpół do piątej rano, harcerze dowiedują się o napaści Niemiec
na Polskę. Zaczęła się wojna. Zaczęto
rozdawać broń, bardzo kiepską, z
czasów I Wojny Światowej. W reakcji na gwałtowny opór Polaków Niemcy zabili wielu polskich mieszkańców
miasta.
Harcerze z Bielska i Białej uciekają
do Krakowa, gdzie otrzymują polecenie, by wraz z harcerzami krakowskimi zadbać o zachowanie porządku na
dworcu głównym. Pomagają ludności
przy ewakuacji, rozdzielają żywność
i kierują ruchem na przepełnionych
ulicach w pobliżu dworca. Po pobycie w Krakowie harcerze uciekają
do Bruchowic niedaleko Lwowa. Po
upływie dwóch miesięcy Józef Drożdż
i inni harcerze wracają. Od teraz
działać mogą już tylko w podziemiu.
W różnych domach chowają polskie
książki, by zachować polską kulturę.
Legalne przynależenie do harcerstwa w tym czasie nie jest już możliwe.
Nacjonalsocjaliści likwidują główne
kwatery harcerstwa.
Jest 19 listopada 1939 r., w mieszkaniu przy ulicy Głowackiego w Bielsku
trzech mężczyzn – Józef Drożdż, Edward Zajączek i Zbigniew Czernelecki –
składa przysięgę. Każdy z nich jest odpowiedzialny za utworzenie dalszych
podziemnych grup oporu oraz rozpowszechnianie ich idei i wiadomości.
W ruchu oporu biorą udział również
kobiety. Na przykład Jadwiga Chmiel,
która jest sanitariuszką i jako jedyna
posiada radio, przez które członkowie
podziemia uzyskują informacje dla
swych gazetek podziemnych. Miejscem spotkań jest mieszkanie rodziny
Orawskich, gdzie Józef Drożdż odbiera
gazetki i przekazuje dalej łącznikom.
Jako łącznik zna tylko dwie osoby: tę,
od której mógł się czegoś dowiedzieć,
albo od której mógł coś otrzymać,
oraz tę, której się przekazuje dalej
wiadomości lub rzeczy. Przy pomocy
takiego systemu miano uniknąć problemów. „Kto mniej wie, jest bezpieczniejszy …“, opowiada Józef Drożdż.
Dopiero wiele lat po wojnie nawiązał
kontakty z ludźmi, którzy działali jako łącznicy.
Poszczególne akcje harcerzy w
czasie wojny i okupacji są dzisiaj
trudne do zrekonstruowania. Brakuje materiałów. Wielu harcerzy
zabrało swe historie ze sobą do grobu. Nie opowiedzieli ich ze względu
na bezpieczeństwo swoich krewnych
lub przyjaciół. Ich działalność jest
białą plamą w historii polskiego ruchu
oporu.
STEP 21
Józef Drożdż – życiorys
Józef Drożdż urodził sie˛ 22. 1. 1918 r. w
powiecie bielskim. Jako mały chłopiec
wsta˛pił do zwia˛zku harcerstwa i w wieku 15 lat dowodził własna˛ grupa˛. Kiedy w dniu 3 września 1939 r. żołnierze
Wehrmachtu wkroczyli do Bielska, dwudziestojednoletni harcerz został dowódca˛ grupy oporu. Jego zadanie polegało
przede wszystkim na kolportażu nielegalnej prasy w okre˛gu bielskim. Rok
później grupa została rozbita przez hitlerowców, niemal wszystkich konspiratorów aresztowano. Również Józef
Drożdż został aresztowany przez gestapo w dniu 18 grudnia 1940 r. i przewieziony do pobliskiego obozu koncentracyjnego w Oświe˛cimiu, gdzie otrzymał
numer wie˛źnia 7602. Naste˛pnie
przewożony był do różnych obozów
koncentracyjnych i obozów pracy. W
sumie przebywał w ośmiu obozach:
w Oświe˛cimiu (1940 –1941), Bytomiu
(luty 1941), Zabrzu (lipiec 1941), w
wie˛zieniu w Brzegu (1941–1944), Sosnowcu (1944), Mysłowicach (styczeń
1945) oraz w obozie koncentracyjnym w Mauthausen-Gusen 2 (1945),
w którym pozostał do momentu wyzwolenia przez aliantów 5 maja 1945. Dwa
miesia˛ce później wrócił do Bielska.
W tajemnicy
Polska prasa podziemna wypełnia luki informacyjne
W czasach okupacji niemieckiej w Polsce istniały dwa rodzaje prasy: oficjalna i podziemna, drukowana i kolportowana nielegalnie.
Pod kontrolą gubernatora generalnego Hansa Franka na okupowanych terenach Polski ukazywał się Goniec Krakowski, oficjalna gazeta będąca tubą propagandy nacjonalsocjalistycznej. Poza nią
w całym Generalnym Gubernatorstwie
ukazywało się około 50 oficjalnych gazet w języku niemieckim i polskim.
Aby informować społeczeństwo
polskie o realnej sytuacji oraz przebiegu wojny, polski ruch oporu drukował
nielegalne biuletyny informacyjne. Jako źródło wiadomości służyły przede wszystkim zagraniczne radiostacje aliantów. Do podziemnych gazetek lewicy politycznej w Krakowie
należały Dziennik Polski oraz Tygodnik Polski. Od roku 1942 publikowano tu regularnie komunikaty o sytuacji
żydowskich oraz polskich więźniów
obozów koncentracyjnych. W listopadzie 1942 r. Dziennik Polski ogłosił
Grupa z Krakowa
likwidację getta krakowskiego, w
kwietniu 1943 r. zamieścił informację,
o tym, że w ciągu minionych dwóch lat
w tzw. „fabrykach śmierci“ czyli komorach gazowych, obok ludzi innych
narodowości, w tym głównie Polaków,
zamordowano 900 000 Żydów.
Porównywaliśmy prasę podziemną
z legalnie wydawanym Gońcem Krakowskim. W Gońcu Krakowskim nie
wspomina się o tak ważnych wydarzeniach, jak np. o powstaniu w dniu
27 kwietnia 1940 r., obozu koncentracyjnego w Oświęcimiu, transporcie
pierwszych więźniów 14 czerwca 1940
r., pierwszej selekcji do komory gazowej w dniu 4 maja 1942, czy też o
Nielegalne gazety przekazypowstaniu w obozie koncentracyjnym
wane sa˛ w tajemnicy
7 października 1944. W przeciwieństwie
do tego gazeta Polska Żyje obszernie informowała o tych zbrodniach.
Nielegalne gazetki kolportowali prze- Członkowie ruchu oporu ryzykowali w
podziemiu życiem, by przeciwdziałać
de wszystkim harcerze, którzy krótko
przed wybuchem wojny utworzyli taj- „białym plamom“ w oficjalnej prasie.
ne zgrupowania. Ich akcje podziemne okazały się niezwykle skuteczne.
W Krakowie ukazywała się podziemGeneralne Gubernatorstwo
na gazeta pt. Polska Żyje, również kolportowana przez harcerzy. Na stronie
Generalnie Gubernatorstwo terenów
tytułowej umieszczono odezwę do czyokupowanych Polski ustanowione
telników, by przeczytaną gazetę podać
zostało przez Rzesze˛ Niemiecka˛ 26
dalej i także ustnie przekazywać dalej
października 1939 r. Ta jednostka adprzeczytane wiadomości.
ministracyjna obejmowała te cze˛ści
Polski, które nie zostały przyła˛czone
bezpośrednio do Rzeszy. Generalne
Gubernatorstwo dzieliło sie˛ na cztery
dystrykty, krakowski, warszawski, radomski i lubelski. Stolica˛ był Kraków.
Od sierpnia 1941 r. jako pia˛ty dystrykt
doła˛czyła Galicja Wschodnia. (Mapa
na stronie 28)
Polska Żyje z 6.7.1940 r., gazeta polskiego podziemia pisze, że kapitulacja Francji to
cie˛żki cios dla całego świata w walce przeciwko Niemcom, Biblioteka Jagiellońska
Kraków; na stronie obok zdje˛cie niemieckoje˛zycznej gazety Extrablatt der Krakauer und
Warschauer Zeitung z 14.6.1940 r.
Komentarz
Bez wpływu
Maria Mrówca (23), Kasia Lorenc (21), Karolina Drapała (21) (rza˛d górny od lewej);
Ania Fryda (21), Adrian Golis (20) i Kasia Król (20) (rza˛d dolny od lewej)
Nasza drużyna to sześcioro krakowskich studentów germanistyki. Nazywamy się Kasia, Maria, Ania, Kasia, Karolina i Adrian. Mamy różne
hobby, a tym, co nas łączy, jest upodobanie do języka i kultury niemieckiej oraz zainteresowanie stosunkami polsko-niemieckimi. Praca dziennikarska dla większości z nas jest
czymś nowym, więc tym bardziej
cieszyliśmy się na ten projekt.
Długo poszukiwaliśmy odpowiedniego tematu, aż w końcu zdecydowaliśmy się na zaprezentowanie prasy
podziemnej i jej kolportażu przez ruch
harcerski. Możliwość przeprowadzenia wywiadów ze świadkami tamtych
czasów była dla nas wielkim zaszczytem. W tym miejscu chcielibyśmy serdecznie podziękować świadkom tamtych czasów za to, że poświęcili nam
swój czas oraz za ich zaangażowanie.
Czym jest wojna? Mimo wszelkich
wysiłków z mojej strony nie udałoby
mi się zdefiniować tego pojęcia we
właściwy sposób, bo w tym przypadku
nie ma właściwej lub fałszywej definicji.
Dla każdego człowieka wojna oznacza coś innego. Zazwyczaj uzależnione
jest to od naszego doświadczenia
życiowego. Jakoś nie czuję się uprawniona, aby pisać o wojnie. Urodziłam
się i żyję w czasach pokoju i wojna
ma dla mnie inne znaczenie niż dla ludzi, którzy ją przeżyli. Myślę jednak,
że wojna zawsze oznacza pewien rozpad cywilizacji ludzkiej. Jeżeli dochodzi do wojny, oznacza to dla ludzi, że
nie są już w stanie prowadzić ze sobą
dialogu i jedyne rozwiązanie widzą w
zastosowaniu przemocy! Obydwie strony nie są w stanie porozumieć się na na-
Katarzyna Król
jprostszej płaszczyźnie międzyludzkiej,
i to jest tragiczne.
Świadkowie tamtych czasów, z
którymi rozmawialiśmy w ramach projektu [Weiße Flecken], byli przeważnie
w naszym wieku, kiedy wybuchła II
Wojna Światowa i tak samo jak my, ci
młodzi ludzie mieli niewielki wpływ na
to, co działo się na świecie. Żyjący w
dzisiejszych czasach młody człowiek z
pewnością zastanawia się nad tym, co
by było, gdyby urodził się o 60 czy 70 lat
wcześniej. Czy przetrwałby to ogromne
cierpienie, które przynosi ze sobą wojna? Trzeba być świadomym tego, że
mamy niewielki wpływ na nasze życie,
nie możemy decydować o tym, w jakim
kraju i w jakich czasach się rodzimy. O
naszym człowieczeństwie nie świadczy
to, co o sobie samych mniemamy. Tyl-
ko konkretna sytuacja życiowa może
nam pokazać, jak „ludzcy“ jesteśmy.
O naszym człowieczeństwie zaświadcza to, jak postępujemy w wyjątkowo trudnych sytuacjach. Tutaj
istotna jest miłość bliźniego. Pokazał
ją nam wielki męczennik Oświęcimia,
Św. Maksymilian Kolbe, który dobrowolnie dał się ukarać i zabić, by ocalić
życie człowieka będącego ojcem rodziny. To powinno nam, ludziom
współczesnym, służyć jako przykład.
Nasze pokolenie – tak jak my w projekcie [Weiße Flecken] – ma wyjątkową
możliwość poznania osobiście ludzi,
którzy przeżyli Oświęcim. Możemy się
wiele od nich nauczyć i przede wszystkim powinniśmy z tego, co oni nam
opowiadają, wyciągnąć właściwe wnioski na przyszłość.
STEP 21
PFADFINDERBEWEGUNG UND UNTERGRUNDPRESSE | KRAKAU
Der Schwur dreier Männer
Der Widerstand polnischer Pfadfinder
Wie Józef Drozdz uns berichtet, spüren die Pfadfinder-Gruppierungen in
Bielitz und Biala, ca. 100 Kilometer
von Krakau entfernt, schon 1937, dass
der Krieg zwischen Deutschland und
Polen nicht zu verhindern ist. In Bielitz
und Biala entstehen immer mehr deutsche Organisationen und Vereine. Die
Jungdeutsche Partei für Polen organisiert Demonstrationen und Märsche,
auf denen faschistische Lieder gesungen und nationalistische Parolen skandiert werden. Die Organisation steht
ideologisch und organisatorisch der
NSDAP sehr nah.
Ab August 1939 kann man in der
Stadt Bielitz die ersten Vorbereitungen für den Krieg erkennen: Lebensmittel werden gesammelt und Jugendliche für die Armee rekrutiert. Am
22. August 1939 wird Józef Drozdz
beauftragt, eine geheime Gruppe von
Konspirateuren zu leiten. Seitdem haben die zwei Städte Bielitz und Biala einen gemeinsamen Pfadfinderführer. Die ersten Vorbereitungen für
den Widerstand im Untergrund sind
getroffen.
In der Nacht vom 31. August auf
den 1. September 1939, morgens um
halb fünf, erfahren die Pfadfinder vom
deutschen Angriff auf Polen. Der Krieg
hat begonnen. Es werden Waffen ausgeteilt, sehr schlechte Waffen aus dem
Ersten Weltkrieg. Als Reaktion auf den
heftigen Widerstand bringen die Deutschen viele der polnischen Bewohner um.
Die Pfadfinder aus Bielitz und Biala fliehen nach Krakau, wo sie damit beauftragt werden, mit den Krakauer Pfadfindern am Hauptbahnhof
für Ordnung zu sorgen. Sie helfen der
Bevölkerung bei der Evakuierung, teilen Essen aus und regeln den Verkehr
in den überfüllten Straßen in der Nähe
des Bahnhofs. Nach dem Aufenthalt in
Krakau fliehen sie weiter nach Bruchowice in der Nähe von Lemberg. Nach
zwei Monaten kehren Józef Drozdz
und andere Pfadfinder nach Bielitz zurück. Ab jetzt können sie nur noch im
Untergrund aktiv werden. Sie verstecken polnische Bücher in verschiedenen Häusern, um die polnische Kultur
zu bewahren. Die legale Ausübung des
Pfadfindertums ist nicht mehr möglich.
Die Hauptquartiere werden von den
Nationalsozialisten liquidiert.
Es ist der 19. November 1939. In
einer Wohnung an der Glowackiego in
Bielitz leisten sich drei Männer einen
Schwur: Józef Drozdz, Edward Zajaczek und Zbiegniew Czernelecki. Jeder
von ihnen ist verantwortlich, weitere
Untergrundgruppen zu bilden und ihre
Ideen und Nachrichten zu verbreiten. Auch Frauen sind dabei. So Jadwiga Chmiel, die sich um Sanitätshilfe
kümmert und als einzige ein Radio besitzt, über das die Widerständler an Informationen für die Untergrundblätter
kommen. Treffpunkt ist die Wohnung
der Familie Orawski, wo Józef Drozdz die Zeitungen abholt, die er dann
an Mittelsmänner weitergibt. Als Mittelsmann kennt man nur zwei Personen: diejenige, von der man etwas erfährt oder bekommt und diejenige, der
man es weitersagt oder -gibt. Mit diesem System sollen Probleme vermieden werden. „Wer weniger weiß, ist sicherer“, erzählt Józef Drozdz. Erst viele Jahre nach dem Krieg nimmt er mit
den Leuten Kontakt auf, die als Mittelsmänner tätig waren.
Die einzelnen Aktionen der Pfadfinder in der Kriegs- und Besatzungszeit sind heute schwer zu rekonstruieren. Es fehlt an Material. Viele der
Pfadfinder haben ihre Geschichten mit
ins Grab genommen, da sie sich zum
Schutz ihrer Angehörigen und Freunde nicht mitgeteilt haben. Ihr Wirken
ist ein „weißer Fleck“ in der Geschichte des polnischen Widerstands.
Unter der Hand
Untergrundzeitungen trotzen der NS-Propaganda in der offiziellen Presse
offizielle Presse: Extrablatt der Krakauer und Warschauer Zeitung vom 14.6.1940. Auf der gegenüberliegenden Seite: Untergrundpresse
Polska Zyje (Polen lebt) vom 6.7.1940: Der „Blitzkrieg“ gegen Frankreich war ein schwerer Schlag für die ganze Welt im Kampf gegen
den Nationalsozialismus. Archiv der Jagiellonia Bibliothek in Krakau
In der Okkupationszeit gibt es in Polen zwei Arten von Presse: die offizielle
und die Untergrundpresse, die illegal
gedruckt und verteilt wird.
Unter der Kontrolle des Generalgouverneurs Hans Frank erscheint in
den besetzten polnischen Gebieten der
Krakauer Bote (Goniec Krakowski), die
offizielle Zeitung, die Teil der nationalsozialistischen Propaganda ist. Daneben gibt es im gesamten Generalgouvernement ca. 50 weitere offizielle Zeitungen in deutscher und polnischer
Sprache.
Generalgouvernement
Das „Generalgouvernement für die
besetzten polnischen Gebiete“ wurde
vom Deutschen Reich am 26. Oktober
1939 eingerichtet. Diese Verwaltungseinheit umfasste diejenigen Teile Polens, die nicht unmittelbar ins Reichsgebiet eingegliedert wurden. Das Generalgouvernement war in die Distrikte
Krakau, Warschau, Radom und Lubin
unterteilt. Hauptstadt war Krakau. Ab
August 1941 kam Ostgalizien als fünfter Distrikt hinzu. (Karte auf Seite 28)
Um die polnische Bevölkerung über
die reale Situation und über den Kriegsverlauf zu informieren, druckt der polnische Widerstand illegale Informationsbulletins. Als Nachrichtenquelle dient
hauptsächlich der ausländische alliierte Rundfunk. Zu den Untergrundblättern der politischen Linken in Krakau
zählen das Polnische Tagesblatt (Dziennik Polski) und die Polnische Wochenzeitung (Tygodnik Polski). Ab 1942 werden hier regelmäßig Meldungen veröffentlicht, die sich mit der Situation von
jüdischen und polnischen Häftlingen
in Konzentrationslagern beschäftigen.
Im November 1942 gibt das Polnische
Tagesblatt die Räumung des Krakauer Ghettos bekannt. Im April 1943 berichtet das Polnische Tagesblatt, dass
in den Mordfabriken, d. h. in den Gaskammern, während der letzten beiden
Jahre neben Menschen anderer Nationalitäten hauptsächlich Polen und über
900.000 Juden ermordet wurden.
Verbreitet werden die illegalen Zeitungen vor allem von Pfadfindern, die
kurz vor dem Krieg geheime Gruppierungen gebildet haben. Ihre Untergrundaktionen haben große Wirkung.
In Krakau erscheint die Untergrundzeitung Polen lebt (Polska Zyje), die
[WEISSE FLECKEN] 13
Lebenslauf Józef Drozdz
Józef Drozdz wurde am 22.1.1918 im
Kreis Bielitz (Bielsko) geboren. Als kleiner Junge trat er den Pfadfindern bei und
leitete schon mit 15 Jahren eine eigene
Gruppe. Als die Wehrmacht am 3.9.1939
in Bielsko einbrach und es besetzte, wurde der 21-jährige Pfadfinder Leiter einer geheimen Gruppierung. Seine Aufgabe war es vor allem, illegale Presse
im Kreis Bielitz zu verbreiten. Ein Jahr
später wurde die Gruppe von den Nazis
zerschlagen und fast alle Konspirateure wurden verhaftet. Auch Drozdz wurde am 18.12.1940 von der Gestapo verhaftet und in das in der Nähe liegende KZ
Auschwitz gebracht, wo er die Häftlingsnummer 7602 bekam. Danach wurde
Drozdz in verschiedene Konzentrations- Zeitzeuge Józef Drozdz
und Arbeitslager verschleppt. Er war insgesamt in acht Lagern: Auschwitz (1940 –1941), Bytom (Februar 1941), Zabrze (Juli
1941), Brzeg-Zuchthaus (1941–1944), Sosnowiec (1944), Mysłowice (Januar 1945),
KZ Mauthausen-Gusen2 (1945), wo er bis zu der Befreiung von den Aliierten am
5.5.1945 blieb. Zwei Monate später kehrte er wieder nach Bielsko zurück.
Kommentar
Kein Einfluss
Was ist der Krieg? Trotz aller meiner Bemühungen würde ich es nicht
schaffen, den Begriff richtig zu definieren. Denn es gibt keine richtige oder falsche Definition. Für jeden
Menschen bedeutet Krieg etwas anderes. Meistens ist das von unseren
Lebenserfahrungen abhängig. Irgendwie fühle ich mich auch nicht dazu berechtigt, über den Krieg zu schreiben.
Da ich in den Friedenszeiten geboren
bin und lebe, hat der Krieg eine andere Bedeutung für mich, als für die
Menschen, die ihn überlebt haben. Ich
meine jedoch, dass der Krieg immer
einen gewissen Verfall der menschlichen Zivilisation bedeutet. Wenn es zu
einem Krieg kommt, dann bedeutet es
für die Menschen, dass sie nicht mehr
im Stande sind, einen Dialog miteinander zu führen; dass sie den Ausweg
aus einer bestimmten Situation nur in
Gewalt sehen! Die beiden Seiten können sich auf der einfachsten menschlichen Ebene nicht verständigen, es ist
tragisch.
Die Zeitzeugen, mit denen wir
im Rahmen des Projekts [Weiße Flecken] gesprochen haben, waren meistens in unserem Alter, als der Zweite Weltkrieg begann. Und genauso wie wir, hatten die jungen Menschen kaum Einfluss darauf, was auf
der Welt geschah. Der Jugendliche
von Katarzyna Król
von heute macht sich sicherlich Gedanken darüber, was gewesen wäre, wenn er 60, 70 Jahre früher geboren wäre. Hätte er dieses große Leiden überstanden, das der Krieg mit
sich bringt? Man muss sich dessen
bewusst sein, dass wir auf unser Leben ganz wenig Einfluss haben, wir
können nicht darüber entscheiden, in
welchem Land, in welcher Zeit wir geboren werden. Von unserer Menschlichkeit zeugt nicht das, was wir von
uns behaupten. Nur eine bestimmte Lebenslage kann beweisen, ob wir
in der Lage sind, menschlich zu handeln.
Von unserer Menschlichkeit zeugt
die Tatsache, wie wir uns in einer Extremsituation zurecht finden. Hier
zählt die Menschenliebe. Sie hat uns
der große Auschwitz-Märtyrer, der
heilige Maksymilian Kolbe gezeigt, der
sich in Auschwitz für das Leben eines
Familienvaters hat bestrafen und umbringen lassen. Das sollte für den heutigen Menschen ein Vorbild sein. Unsere Generation hat – wie wir mit dem
Projekt [Weiße Flecken] – die einzigartige Möglichkeit, Auschwitz-Überlebende persönlich kennen zu lernen.
Wir können von ihnen viel lernen, und
vor allem sollten wir aus dem, was sie
sagen, richtige Schlussfolgerungen für
unsere Zukunft ziehen.
Team Krakau
auch von den Pfadfindern verteilt wird.
Auf der Titelseite befindet sich der Aufruf an alle Leser, die gelesene Zeitung
weiter zu geben und die enthaltenen
Informationen auch mündlich weiter
zu verbreiten.
Die illegalen Zeitungen
werden unter der Hand
weitergereicht
Wir haben die Untergrundpresse mit
dem legal gedruckten Krakauer Boten
(Goniec Krakowski) verglichen. Im Krakauer Boten werden wichtige Ereignisse, etwa die Entstehung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. April
1940, die Ankunft der ersten Häftlinge am 14. Juni 1940, die erste Selektion für die Gaskammer am 4. Mai 1942
oder der Aufstand im KZ-Lager am
7. Oktober 1944 nicht erwähnt. Dagegen wird in Polen lebt ausführlich über
diese Verbrechen informiert. Damals
riskierten Widerstandskämpfer im Untergrund ihr Leben, um den „weißen
Flecken“ in der offiziellen Presse etwas entgegen zu setzen.
Maria Mrówca (23), Kasia Lorenc (21) und Karolina Drapała (21) (hinten v. l.);
Ania Fryda (21), Adrian Golis (20) und Kasia Król (20) (vorne v. l.)
Unser Team besteht aus sechs Krakauer Germanistikstudenten. Wir
haben verschiedene Hobbys, was
uns aber verbindet, ist die Vorliebe für deutsche Sprache und Kultur
und unser Interesse an deutsch-polnischen Beziehungen. Journalistische Arbeit ist für die meisten von
uns etwas Neues, umso mehr haben
wir uns auf dieses Projekt gefreut.
Wir suchten lange ein passendes
Thema und entschieden uns schließlich, die Untergrundpresse und deren Verbreitung durch die Pfadfinderbewegung zu beleuchten. Die
Interviews mit Zeitzeugen waren
für uns eine Ehre. An dieser Stelle
möchten wir uns bei unseren Zeitzeugen für ihre Zeit und ihr Engagement herzlich bedanken.
Team Krakau hat die Artikel auf Deutsch geschrieben
FAMILIE SCHOLL | ULM
14 [WEISSE FLECKEN]
STEP 21
Wie lange noch Scholl? – eine unberechtigte Frage
Familie Scholl
Eltern:
schmuggelt. Sie teilen das Essen mit
den Mithäftlingen. Diese Großzügigkeit passt eindeutig nicht in das Bild,
das die Nazis von der Familie zu vermitteln versuchen.
„Wie lange noch Scholl ? – eine berechtigte
Frage“: So titelt die NSDAP-Kreisleitung am
8. Oktober 1943 im Ulmer Sturm / Tagblatt.
Der Artikel, der unter anderem von der Hinrichtung der Geschwister Hans und Sophie
Scholl handelt, beschimpft den Vater Robert
Scholl als „moralisch längst verurteilt“ und
„zersetzendes Vorbild für die Familie“.
„Der Artikel sollte sicher die Leute abschrecken, mit uns Kontakt aufzunehmen und verbreiten, dass wir in Ulm
unmöglich tragbar sind“, sagt Elisabeth Hartnagel, Schwester von Hans
und Sophie, über den Zweck des Artikels. „Die Volksgemeinschaft weiß, in
welchem Ausmaß er und einzelne seiner Familienmitglieder sich gegen das
Wohl des deutschen Volkes vergangen haben“, hetzt die Kreisleitung gegen Robert Scholl. Und sie droht unmissverständlich der ganzen Familie:
„Wir sind mit den Juden fertig geworden, wir werden auch mit den Scholls
fertig“.
Der von den Nazis häufig verwendete Leitspruch „Für den Verräter haftet die Sippe“ findet für die Scholls beispielhafte Anwendung: Die Geschichte
ihrer gesellschaftlichen Brandmarkung
beginnt mit der Hinrichtungsmeldung
der Geschwister Hans und Sophie vom
27. Februar 1943 im Ulmer Sturm/Tagblatt. Die kleine Notiz verschweigt jedoch Details über die Gründe der Hinrichtung. Die Ulmer Bevölkerung ist
zutiefst schockiert. Bis zur Veröffentlichung des Artikels hatte man die Geschwister Scholl für vorbildliche junge
Nationalsozialisten gehalten.
Sechs Monate Schutzhaft
für die ganze Familie
Noch am selben Tag wird die Familie – mit Ausnahme des jüngsten Sohnes Werner, der sich an der Front befindet – in Schutzhaft genommen. Elisabeth Hartnagel erinnert sich: „Wir
haben gefragt, warum wir verhaftet
werden. Der Gestapo-Beamte erwiderte, dass wir in Schutzhaft kämen. Als
wir fragten, vor wem sie uns schützen
wollen, hat er gelacht und gesagt: Vielleicht vor der Ulmer Bevölkerung.“
Die Scholls wissen, dass dies ein fadenscheiniger Vorwand ist. Sechs Mo-
Die Nazis finden einen Grund,
Robert Scholl zu verurteilen –
wegen Rundfunkverbrechen
Meldung über die Hinrichtung von Hans und Sophie Scholl am 22. 2. 1943.
Ulmer Sturm / Tagblatt vom 27. 2. 1943. Stadtarchiv Ulm
nate bleibt die Familie inhaftiert, nur
Tochter Elisabeth wird vorzeitig entlassen. Von diesem Zeitpunkt an ist die
22-Jährige jedoch vom alltäglichen Leben in Ulm ausgeschlossen. Sie ist auf
sich allein gestellt. Ehemalige Schulfreundinnen weichen ihr aus, Geschäftsleute wollen ihre Bestellungen
nicht entgegennehmen.
Eines Tages öffnet Elisabeth die
Wohnungstür. Vor ihr steht eine Frau,
die sagt: „Ich wollt’ bloß mal jemanden aus der Familie von Geköpften sehen.“ Laut Inge Aicher-Scholl ist dies
eines der erschreckendsten Erlebnisse, mit denen ihre Schwester Elisabeth
konfrontiert wurde. Nur wenige helfen
ihr und der Familie, unter ihnen der
Wehrmachtsoffizier Fritz Hartnagel,
Rechtsanwalt Dr. Witzigmann und der
Gestapo-Beamte Anton Rechtsteiner.
Rechtsteiner veranlasst im Gefäng-
nis Frauengraben mehrere Treffen der
Familie, die er beaufsichtigt. Häufig
diskutiert er mit den Scholls über Politik und das Handeln von Hans und Sophie. Er sagt zu Elisabeth Scholl: „Wissen Sie, vor mir brauchen Sie keine
Angst zu haben ...“ Seinen Vorgesetzten
meldet er nichts von den Gesprächen.
Getarnt als Akten bekommen die
Scholls Lebensmittel ins Gefängnis ge-
Robert Scholl
(*1891 † 1973)
Geschwister:
Inge Aicher-Scholl
(*1917 † 1998)
Hans Scholl
(*1918 † 22. 02. 1943)
Nach drei Monaten finden die Nazis
einen Grund, Robert Scholl endgültig
Elisabeth Hartnagel (geb. Scholl)
festzuhalten. Man wirft ihm „Rundfunk(*1920)
verbrechen“ vor. Alexander Schmo(heiratete 1945 Fritz Hartnagel)
rell, ein wichtiges Mitglied der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, soll bei eiSophie Scholl
nem Verhör angegeben haben, mit der
(*1921 † 22. 02. 1943)
Familie den „Feindsender“ Radio Beromünster gehört zu haben. „Wir haben
Werner Scholl
das nie geglaubt“, so Elisabeth Hartna(*1922 verschollen seit 1944)
gel bezüglich der vermeintlichen Belastungsaussage. Robert Scholl und sein
Rechtsanwalt Witzigmann verlangen,
Schmorell als Zeugen zu laden. Aber
ihre Bitte wird abgelehnt; Schmorell
wird im Juli 1943 hingerichtet.
Im Juni 1944 zieht der Rest der Familie in den Schwarzwald nach EwatLaut Elisabeth Hartnagel tritt an
Schmorells Stelle die ehemalige Se- tingen. Inge Aicher-Scholl begründet
kretärin Scholls als Zeugin auf. Ma- dies als Flucht vor der Gestapo. Elisabeth Hartnagel ist jedoch überzeugt:
ria Müller* hatte bereits im August
1942 in einem Prozess wegen „Heim- „Dies war kein Versteck vor der Gestatücke“ gegen Robert Scholl ausgesagt. po, sondern wir hatten in Ulm einfach
keine Wohnung mehr. Die Partei sagte:
Damals bezeugte sie die Äußerung
Scholls, Hitler sei die größte Gottesgei- Wir wollen die Scholls nicht in Ulm.“
Im November 1944 stößt der Vater
ßel der Menschheit.
Mutter Magdalene Scholl und Toch- zu ihnen. Nach Kriegsende kehrt die
ter Inge werden freigesprochen. Ro- Familie nach Ulm zurück. Robert
bert Scholl wird zu einer 18-monati- Scholl wird noch im selben Jahr das
gen Haftstrafe verurteilt. Er sitzt noch Amt des Oberbürgermeisters übertragen, das er aber aufgrund seiner prinim Frauengraben in Haft und wartet
zipiellen, demokratischen Toleranz
auf seine Überführung nach Kislau
bei Bruchsal – gleichermaßen Zucht- auch gegenüber ehemaligen Nazis
schon 1948 abgeben muss.
haus, Gefängnis und KZ – als im Ulmer
Sturm/Tagblatt der Artikel „Wie lange
noch Scholl ?“ erscheint.
* Name von der Redaktion geändert
Team Mementote Scelerum aus Ulm
Arkadiusz Blaszczyk (18), Sarah Manz (17) und Teresa Krätschmer (17) (v. l.)
Mementote Scelerum!!! … aber wer
verbirgt sich hinter diesem Namen?
Mementote Scelerum – das sind Sarah, Teresa und Arkadiusz. Wir sind
drei 17–18-jährige, politisch und geschichtlich interessierte Jugendliche aus Ulm. Dort besuchen wir
den zwölften Jahrgang des AnnaEssinger-Gymnasiums. Durch unseren Lehrer, Heinz Mohn, haben wir
von dem Projekt [Weiße Flecken]
erfahren. Für uns war dieses Projekt von Anfang an etwas Besonderes: eine Möglichkeit, die Öffentlichkeit über die Verbrechen des Nationalsozialismus aufzuklären, aber
auch unser Augenmerk für manipu-
Magdalene Scholl
(geb. Müller, *1881 † 1958)
lative Texte zu schärfen. Wir gaben
uns frei nach dem Motto „Unser Name ist Programm“ den Namen „Mementote Scelerum“ (lat. Gedenkt der
Verbrechen).
Mit Hilfe des Historikers Dr. Silvester Lechner einigten wir uns auf
das Thema „Scholl“: eine der wohl
berühmtesten Ulmer Familien, deren Namen man vor allem mit den
Geschwistern Hans und Sophie als
Gründungsmitglieder
der
„Weißen Rose“ verbindet. Es folgten Recherchen, Gruppentreffen, Interviews und intensive Schreibarbeit,
die schließlich in diese Zeitungsseite mündeten.
Ulmer Sturm / Tagblatt vom 8.10.1943. Stadtarchiv Ulm
FAMILIE SCHOLL | ULM
STEP 21
[WEISSE FLECKEN] 15
Kommentar
Wählen ist Bürgerpflicht. Meinungsbildung auch!
Warum Scholl? Hunderte von Büchern,
Zeitungsartikeln, Fernsehsendungen
und sogar einen Kinofilm gibt es schon
zu diesem Thema. Ein riesengroßer
Materialberg. Warum also kauen wir
es schon wieder durch?
Nein, nicht nur, weil die Familie
Scholl im Vergleich zu den Geschwistern Hans und Sophie wenig behandelt wird. Sondern weil diese Familie eine Insel der Menschlichkeit und
freien Persönlichkeitsentfaltung in einem Meer von Mitläufern war. Robert
Scholl, überzeugter Demokrat, war von
Anfang an gegen Hitler und die Politik
des NS-Regimes. Schon zur Machtübernahme der NSDAP am 30. Januar 1933
sagte Scholl: „Das bedeutet Krieg!“
Seine Kinder ließ Robert Scholl ihre eigenen politischen Wege gehen. So
leisteten Hans und Sophie gewaltfreien Widerstand gegen das NS-Regime.
Während ihrer Studienzeit gründeten
sie in München die „Weiße Rose“ und
mussten für ihre Ideale mit dem Leben bezahlen. Für die Bewohner Ulms
war das, wie wir durch Zeitzeugen erfuhren, nicht nachvollziehbar, hatten
Hans und Sophie in ihrer Kindheit doch
der Hitlerjugend beziehungsweise dem
Bund Deutscher Mädel angehört.
Wie kam es zur Entscheidung für
den Widerstand? Hans und Sophie
Scholl hatten nachgedacht und sich zu
dem System, das sie beherrschte, ihre
eigene Meinung gebildet.
Wahrscheinlich stimmt uns jeder
zu, dass das Hinterfragen politischer
Gegebenheiten und der Gesellschaft
wichtig für das Überleben eines demokratischen Staates ist. Wir fragen uns
also: Setzen wir uns heute genug mit
den Beschlüssen aus Berlin auseinander? Immerhin beeinflussen sie unser
aller Leben.
Wir wollten erfahren, ob die Generation, die die Unterdrückung durch
das NS-Regime persönlich miterlebt
hat, aus ihren Erfahrungen Konsequenzen gezogen hat, ob sie kritisch
gegenüber Regierungsentscheidungen
ist. Darum haben wir am 18. September 2005, am Tag der Bundestagswahl,
einige Menschen dieser Generation direkt nach ihrer Stimmabgabe befragt.
Im politischen Spektrum liegen die
Einstellungen der Befragten weit auseinander. Eine 81-jährige Frau sagte
uns, dass sie mit der aktuellen wirtschaftlichen Situation sehr unzufrieden sei. Ausländer würden der jungen
Generation die Arbeitsplätze wegneh-
men, ereiferte sie sich, und dass unter
Hitler wenigstens alle Arbeit gehabt
hätten. Ihre Einstellung beweist, dass
Nazipropaganda in manchen Menschen immer noch fortlebt.
Ein älteres Ehepaar meinte, dass
die Deutschen mehr Nationalstolz zeigen sollten. Mit Ausländerfeindlichkeit dürfe das allerdings nichts zu tun
haben.
Einig sind sich die Befragten darin gewesen, dass jeder wählen gehen
sollte. Nichtwähler hätten kein Recht,
sich zu beschweren, sagte dazu das
ältere Ehepaar. Ihrer Meinung nach
könne man nichts erreichen, wenn
man nicht zur Wahl gehe. Für einen
anderen Befragten ist Wählen sogar
Bürgerpflicht. Zwar könne er als Individuum nichts verändern, wohl aber
als Teil der großen Masse.
Manfred Eger, überzeugter Kommunist, erzählte uns, dass das Wahlrecht erkämpft wurde: „Leute haben sich dafür totschlagen lassen“.
Er selbst hält es für äußerst wichtig, seine Stimme abzugeben. Selbst
wenn er sich für keine Partei entscheiden könnte, würde er doch zumindest
durch Ungültigmachung seines Stimmzettels seinen Unmut kundtun.
Robert Scholl mit seinen Kindern Inge, Hans, Elisabeth, Sophie und Werner (v. l.)
vor dem Schloss in Ludwigsburg, aufgenommen zwischen 1925 und 1930.
Foto: SV-Bilderdienst: Geschwister Scholl-Archiv
Alle der von uns Befragten haben
sich – so unser Eindruck – mit dem Programm der von ihnen gewählten Partei
auseinander gesetzt. Sie haben sich ihre eigenen Gedanken gemacht. Das
zeigt, dass wenigstens ein Teil der damaligen Generation etwas aus der Ver-
gangenheit gelernt hat. Auch wenn der
größte Teil der heutigen deutschen Bevölkerung nie eine Diktatur durchlebt
hat, bildet dieser sich hoffentlich eine
eigene Meinung. Dann hätten wir gute
Voraussetzungen, um weiterhin in einem
demokratischen Staat zu leben.
+ + + + [Weiße Flecken]-Paten + + + + [Weiße Flecken]-Paten + + + + [Weiße Flecken]-Paten + + + + [Weiße Flecken]-Paten + + + +
Julia Jentsch
Steffen Möller
Adé Bantu
Prof. Dr. Gesine Schwan
Virginia Jetzt!
Schauspielerin
Schauspieler und Kabarettist
Musiker und Gründer der
Präsidentin der Europa-Universität
Musiker
„Durch gemeinsame, kreative Arbeit „Sophie und Hans Scholl haben un- „Gegen Rechts zu sein gebietet die VerBrothers Keepers
Viadrina
„Das Konzept von [Weiße Flecken] „In einer Zeit, in der Geschichtsverfäl- haben die deutschen und polnischen ter Einsatz ihres Lebens versucht, der nunft. Jugendlichen wird häufig Desinbraunen Propaganda der Nationalso- teresse und Gleichgültigkeit gegenüber
hat mich sofort überzeugt: Ereignis- schung und Relativierung überhand Jugendlichen bei [Weiße Flecken] die
nehmen, Zeitzeugen – somit Primär- Gelegenheit, sich über die Beschäfti- zialisten mit Flugblättern entgegenzu- Politik und Gesellschaft unterstellt. Es
se, über die damals nicht geschrieben
gung mit der NS-Vergangenheit für die wirken. Nachzuempfinden und zu ver- gibt zum Glück viele junge Leute, die
werden durfte, und die deshalb in Ver- quellen – allmählich aussterben, ist es
gessenheit gerieten, werden so in un- von enormer Bedeutung, dass sich die gegenwärtigen und künftigen deutsch- stehen, was Unfreiheit und Unterdrü- dieses Vorurteil widerlegen. Das Enckung, Diskriminierung und existenti- gagement der Jungredakteure von
junge Generation in Deutschland ih- polnischen Beziehungen einzusetzen.“
ser Bewusstsein zurückgeholt und
elle Bedrohung für Würde und Leben
können kollektiv aufgearbeitet wer- rer Verantwortung gegenüber der Ge[Weiße Flecken] ist ein hervorragendes Menschen bedeuten, ist Voraus- des Beispiel.“
schichte bewusst wird. Denn nur so
den. [Weiße Flecken] erscheint mir
setzung zur aktiven Verteidigung diekann sie sich von der Last der Verdeswegen eines der originellsten und
ser Werte für die Zukunft. [Weiße Flebesten Konzepte der Jugendarbeit im gangenheit befreien und eine selbstbecken] sensibilisiert Jugendliche genau
Umgang mit dem Nationalsozialismus, wusste Rolle in dem sich vereinenden
dafür.“
und ich kann dem Projekt nur viel Er- Europa annehmen.“
folg wünschen!“
Prof. Dr. hc. mult. Karl Dedecius
Marion Horn
Prof. Jobst Plog
Ulrich Noethen
Michael Degen
Autor und Übersetzer
Chefredakteurin von BILD Hamburg
Intendant des NDR
Schauspieler
Schauspieler und Autor
„Gegen antisemitische Vorurteile helfen „Der kritische Umgang mit Medien ist „Vergangenheit bewältigen und prak- „Die Kombination aus Erinnerungsar- „Es gibt für mich keinen schöneren Gedanken als an die Zuversicht auf die
nur Aufklärung und Bildung. Deswe- heute eine zentrale Schlüsselkompe- tisch mit Medien arbeiten: [Weiße Fle- beit und journalistischer Praxis beim
gen unterstütze ich [Weiße Flecken]: tenz, wenn man sich in der Gesell- cken] kombiniert zwei Konzepte mo- Projekt [Weiße Flecken] überzeugt Jugend, die sich ihrer Verantwortung
für die Zukunft bewusst ist und dafür
derner Bildungsarbeit. Ein Projekt, mich.“
Hier lernen Jugendliche nicht nur für schaft orientieren und zurechtfinden
lebt: lernt, arbeitet, wirkt.“
sich selbst aus der Vergangenheit, will. Auch die Erinnerung an die Ver- das in vielerlei Hinsicht hilft auf dem
brechen der Nationalsozialisten ist ei- Weg zum mündigen Bürger.“
sondern geben ihr Wissen [...] an ein
ne nach wie vor dringende Aufgabe.“
breites Publikum weiter.“
Hauptförderer
Weitere Förderer
Kooperationspartner
DIE „ROTE KAPELLE“ | POTSDAM
16 [WEISSE FLECKEN]
Harro Schulze-Boysen – für
die Gestapo ein bezahlter Spion
Für die Geheime Staatspolizei (Gestapo) waren die Mitglieder der Berliner Gruppierung
„Rote Kapelle“ von der Sowjetunion bezahlte Landesverräter. Die Geschichte des
Widerstandskämpfers Harro Schulze-Boysen.
Am 31. August 1942 stehen zwei Männer der Gestapo vor der Bürotür des Luftwaffenoffiziers Harro Schulze-Boysen. Sie
bitten ihn nach draußen. Vor den Toren
des Reichsluftfahrtministeriums steht ein
schwarzer Wagen mit laufendem Motor zur
Abfahrt bereit. Dem 33-Jährigen werden
Handschellen angelegt. Die Männer erklären ihm nüchtern, dass er wegen Spionage
verhaftet ist.
nack, der im Reichswirtschaftsministerium arbeitete, von dem bevorstehenden Angriff auf die Sowjetunion. Ohne
zu zögern begann er, alle ihm zugänglichen Informationen aus dem Reichsluftfahrtministerium
zu
sammeln.
Nicht aus kommunistischer Zuneigung,
sondern aus klarer Ablehnung des Nationalsozialismus heraus nutzte Schulze-Boysen den Kontakt Harnacks zur
sowjetischen Botschaft, um die Informationen weiterzuleiten.
Harro Schulze-Boysen wurde am 2. September 1909 in Kiel geboren. Bereits
in jungen Jahren existierten Einträge in der Zentralkartei der Gestapo
Kurzer Funkkontakt mit
über seine Aktivitäten gegen die NaziBewegung. Mit 22 wurde er Herausge- Moskau – „1000 Grüße
ber der Zeitschrift Gegner, in der ver- an die Freunde“
schiedene politische Strömungen Kritik am Nationalsozialismus äußerten.
Die Zeitschrift wurde 1933 verboten, In Moskau war man über den WahrSchulze-Boysen Ende April zusammen
heitsgehalt der Warnung im Unklaren.
mit mehreren Redaktionsmitgliedern Stalin bezeichnete Schulze-Boysen als
von der Sturmabteilung (SA) verhaf- „Desinformator“. Dennoch setzte er eitet und misshandelt. Durch die Bemü- nen Funkspruch an den Geheimagen-
Beide waren jedoch nur bedingt funktionsfähig. Der Aufbau einer Funkverbindung war von Anfang an zum
Scheitern verurteilt. Schon nach dem
ersten Testfunkspruch „1000 Grüße
an die Freunde“ wurde er aus technischen Gründen eingestellt.
Nachdem die deutschen Truppen
im Dezember 1941 vor Moskau durch
einen Gegenangriff der Russen gestoppt und die USA in den Krieg eingetreten waren, schien ein Wendepunkt
erreicht. Der Optimismus bei HitlerGegnern wuchs. Bei kleinen Treffen
um Schulze-Boysen und Harnack wurden Vorträge gehalten und Essays vorgestellt. Darin griffen sie patriotische
Gedanken auf, prangerten die Verbrechen der Nationalsozialisten an der
Zivilbevölkerung an und stellten die
Aussage der Propagandamaschinerie, dass der Endsieg noch möglich sei,
in Frage. Mit Flugblättern wandten sie
sich auch an die Öffentlichkeit.
Mit Flugblättern und Klebezetteln gegen die Propaganda
vom „Endsieg“
Harro Schulze-Boysen und seine Frau Libertas. Beide wurden am 22. Dezember 1942 in
Berlin-Plötzensee hingerichtet. Foto: Gedenkstätte Deutscher Widerstand.
hungen seiner Mutter bald wieder entlassen, absolvierte er eine Fliegerausbildung und bekam eine Anstellung im
Reichsluftfahrtministerium.
Dass Harro Schulze-Boysen kein
Anhänger nationalsozialistischer Politik war, war der Gestapo bekannt, wie
jedoch war der Vorwurf der Spionage
begründet?
Im März 1941 erfuhr Schulze-Boysen über seinen Freund Arvid Har-
ten „Kent“ in Brüssel, der sich persönlich mit Schulze-Boysen treffen sollte.
Wenige Tage später trafen sich die beiden Männer in Berlin, woraufhin Kent
sieben Funksprüche nach Moskau sendete. Er bat um technische Ausrüstung
für Schulze-Boysen und Harnack, damit ein Funkkontakt zwischen Moskau
und dem aufkeimenden Widerstand
geschaffen werden konnte. Die Russen
schickten tatsächlich zwei Funkgeräte.
Team Flugblatt aus Potsdam
Als Anfang Mai 1942 im Berliner Lustgarten die antisowjetische Propagandaausstellung „Das Sowjetparadies“ öffnete, schlug Schulze-Boysen
eine Klebezettelaktion vor. Viele seiner Freunde waren gegen diese Aktion. Er bekam jedoch starken Rückhalt von jungen Angestellten und Studenten, die nicht nur reden, sondern
auch handeln wollten. In der Nacht
vom 17. zum 18. Mai 1942 klebten etwa 15 Personen in verschiedenen Berliner Stadtteilen Zettel.
Alle Fahndungsbemühungen gegen
die unbekannten Widerstandskämpfer
führten ins Leere. Dann, Mitte August
1942, gelang es der Gestapo, den Dechiffrierungscode der Sowjets zu knacken. Alle zuvor aufgefangenen Funksprüche konnten nun entschlüsselt
werden. Auch der 1941 gesendete
Funkspruch Moskaus an Kent, der die
Adressen und Telefonnummern von
Schulze-Boysen und Harnack enthielt.
Dieser Funkspruch war für die Ermittler der Beweis für ein ausgedehntes Spionagenetz inmitten der Reichshauptstadt. Eine solche Meldung gab
der erfolgshungrigen Staatspolizei
neuen Antrieb. Umgehend rief sie eine Sonderkommission zur Aufspürung
der Spione ins Leben. In der Phraseologie der Gestapo wurde ein Funker
als „Pianist“ und eine Gruppe als „Kapelle“ bezeichnet. Da als Empfangsstation die Sowjetunion vermutet wurde, entstand der Fahndungsname „Rote Kapelle“.
STEP 21
Kommentar
Menschlichkeit und Menschenwürde
Es ist eigentlich vollkommen egal,
ob man zum Widerstand im „Dritten
Reich“, zur Französischen Revolution
oder irgendeinem anderen Ereignis in
der Geschichte recherchiert. Eine Frage stellt sich am Ende immer: Warum gibt es Menschen, die, egal in welcher Zeit, ihr Leben auf Spiel setzen,
um ihre Überzeugung zu vertreten?
Sind sie einfach nur stur der Meinung,
dass sie auf jeden Fall Recht haben?
Oder müsste man sie dafür bewundern, dass sie ungeachtet der Umstände nicht von ihrer Überzeugung abweichen? Und wenn: Sollte man differenzieren zwischen Menschen, die sich
für etwas einsetzen, das aus unserer
heutigen Sicht „richtig“ ist und denen,
die etwas aus unserer Sicht „Falsches“
vertreten haben?
Die Antwort auf diese Frage ist
nicht leicht; vielleicht gibt es keine.
Letztendlich bleibt es uns selbst überlassen, welche Menschen wir als „Helden“ bezeichnen wollen. Die öffentliche Meinung über viele von ihnen än-
dert sich durch Zeit und Politik. Doch
eine Art von Helden sollte es geben, deren Andenken davon unberührt bleibt,
und zwar aus dem Grunde, dass sie
sich für etwas eingesetzt haben, das in
jeder Zeit und unter jeder Staatsform
erstrebenswert ist und bleibt: Menschlichkeit und Menschenwürde. Solange jemand für diese Ziele, die die gesamte Menschheit hinter sich vereinen,
kämpft und einsteht, sollte es egal sein,
von welcher Seite er kommt, welcher
Rasse er angehört, welche Regierungsform er bevorzugt. Unabhängig davon
sollte man seine Leistung anerkennen
und würdigen; denn eine solche Person hat etwas geleistet, von dem man,
bevor man in eine ähnliche Situation
kommt, nie sagen kann, ob man ebenfalls den Mut dazu gehabt hätte.
Darum möchten wir unsere Achtung allen Menschen aussprechen, die
sich dem Naziregime unter Einsatz ihres Lebens widersetzten – egal, welcher politischer Gesinnung sie gewesen sein mögen.
Im September und Oktober 1942
verhaftete die Gestapo über 100 Männer und Frauen der „Roten Kapelle“.
91 von ihnen wurden vor dem Reichskriegsgericht angeklagt, 19 Frauen
und 31 Männer zum Tode verurteilt.
Am 22. Dezember 1942 wurden die
Urteile in Berlin-Plötzensee vollstreckt.
Unter den Ermordeten sind auch
Schulze Boysen und seine Frau Libertas. Einher mit den Hinrichtungen ging
der Befehl, keinerlei Berichterstattung
in der Presse zuzulassen.
Die „Rote Kapelle“ war ein Konstrukt der Gestapo. Tatsächlich hat sie
niemals als Spionage-Organisation bestanden. In den verbleibenden Jahren
des „Dritten Reichs“ wurde die Existenz der Gruppe nahezu totgeschwiegen. Zu ihren Reihen gehörten hochrangige Vertreter aus nationalsozialistischen Ministerien und Organisationen – ein Eingeständnis von Mängeln
im Bereich der inneren Sicherheit wäre inakzeptabel gewesen. Zudem war
man sich sicher, erst einen kleinen Teil
der Mitglieder eines sehr viel größeren
Spionagenetzes gefasst zu haben, und
wollte die verbleibenden nicht durch
öffentliche Hinrichtungen und Presse warnen.
Da es keinerlei öffentliche Berichterstattung über die „Rote Kapelle“
gab, war die einzige Grundlage nach
Kriegsende der Bericht der Gestapo, in
dem alle Vermutungen über ein „sowjetisches Spionagenetz“ als Tatsachen
festgeschrieben worden waren. Ganz
besonders nach der Teilung Deutschlands im Jahre 1949 wurde die Beurteilung dieser mutmaßlich kommunistischen Gruppierung zu einem Politikum. Während die „Rote Kapelle“ in
Westdeutschland als bezahlte sowjetische Spionageorganisation von der allgemeinen Ehrung des Widerstandes
ausgeschlossen wurde, wurde sie in
Ostdeutschland als Vorbild einer sozialistischen Volksfront gefeiert und ihre
Mitglieder zu Helden stilisiert.
Schulze-Boysen wollte alle
Schuld auf sich ziehen
Stefanie Becker (18), Andrea Gau (18) und Anton Lißner (19) (v. l.)
Gestatten: Wir sind Andrea, Anton und Stefanie – das [Weiße Flecken]-Team aus Potsdam. Was anfangs noch fünf Leute waren, reduzierte sich schnell auf uns drei, aber
wir ließen uns nicht einschüchtern
und verfolgten weiterhin unsere Rechercheziele. Unser Anliegen war es,
den Widerstand gegen das NS-Regime zu beleuchten. Dabei spezialisierten wir uns besonders auf die
„Rote Kapelle“, die im Berliner Raum
aktiv war. Sicherlich wird das „Dritte Reich“ des Öfteren in der Schule thematisiert. Dennoch ist es ein
Unterschied, wenn man sich selber
auf Spurensuche begibt und mit Betroffenen spricht. Es lässt einen vieles besser verstehen und nachempfinden. Wir sind der Meinung, jeder
sollte so eine Chance nutzen, solange sie noch besteht!
Nach wenigen Minuten hält das Auto im Hof der Prinz Albrecht-Straße 8.
Als Schulze-Boysen die Handschellen
abgenommen werden, befindet er sich
in einem kleinen Raum ohne Fenster.
Die Einrichtung besteht lediglich aus
einem Tisch und zwei Holzstühlen.
Die Beweise gegen den Luftwaffenoffizier liegen für die Männer klar auf
der Hand, doch ihnen sind noch mehr
Namen bekannt. Schulze-Boysen versucht die Schuld auf sich zu ziehen,
versucht andere zu entlasten. Sein Leben wird bald zu Ende gehen, dessen
ist er sich in diesem Augenblick bereits bewusst.
Am 22. 12. 1942 werden die Todesurteile gegen Schulze-Boysen und andere Mitglieder
der „Roten Kapelle“ von höchster Instanz, vom „Führer“, bestätigt.
Foto: Gedenkstätte Deutscher Widerstand
DIE „ROTE KAPELLE“ | POTSDAM
STEP 21
[WEISSE FLECKEN] 17
aus Moskau gearbeitet hatte. Diese
Sichtweise passte ins politische Klima
nach 1950. Sie führte zu Anfeindungen gegenüber den Überlebenden bis
hin zu Anklagen, diese würden weiterhin für den sowjetischen Geheimdienst arbeiten.
Ein verdienter Platz
Im „Dritten Reich“ durften Zeitungen über
die „Rote Kapelle“ keine Zeile schreiben.
Nach 1945 ist die Bewertung der Widerstandsgruppe in Ost- und Westdeutschland
widersprüchlich. Erst heute findet eine
neutrale Auseinandersetzung statt.
Geht man die Korridore der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin
entlang, begegnet man auf den ausgehängten Bildern vielen bekannten
Gesichtern. Rechts ein Gang, in dem
ein Foto Claus Schenk Graf von Stauffenbergs unübersehbar an der Wand
hängt. Geradeaus ein weiterer Gang,
in dem die Gesichter von Hans und Sophie Scholl auf den Besucher blicken.
Wendet man sich jedoch vom Eingang nach rechts, läuft man durch
den Teil der Ausstellung, in dem auf
den ersten Blick keine bekannten historischen Persönlichkeiten zu erkennen sind. Er ist einer weiteren Widerstandsorganisation gewidmet: der
„Roten Kapelle“.
Vor 1945: Kein Bericht über
die „Rote Kapelle“
„Dieser Abschnitt kam erst sehr spät
dazu“, sagt Hans Coppi. Der 62-Jährige zeichnet sich für diesen Teil der
Ausstellung mitverantwortlich. Und
das nicht ohne Grund: Seine Eltern
Hilde und Hans Coppi waren selbst
im Widerstand organisiert und standen in enger Verbindung zum Kreis
um Arvid Harnack und Harro Schulze-
Boysen. „Die ‚Rote Kappelle‘ zur Ausstellung hinzuzufügen, ging nicht ohne Schwierigkeiten ab“, so Coppi weiter. „Die Nachkommen der Gruppe um
Stauffenberg zum Beispiel waren nicht
sehr angetan von der Vorstellung, eine
sowjetische Spionageorganisation hier
verewigt zu sehen.“ Bei diesen Worten
lächelt er ironisch. Zu Recht.
Beschäftigt man sich mit der Berichterstattung über die „Rote Kapelle“, findet man von der Zerschlagung der Gruppe durch die Gestapo
Ende 1942 bis zum Mauerfall 1989
ein mustergültiges Beispiel politisch
beeinflusster
Geschichtsschreibung.
Nicht nur, dass auf Befehl Hitlers nicht
über die „Rote Kapelle“ berichtet wurde. Nach Kriegsende und mit der Teilung Deutschlands wurden die überlieferten Informationen über die Widerstandsgruppe zum Politikum und der
jeweiligen Einstellung zum Kommunismus angepasst. Wie kamen derart
unterschiedliche Überlieferungen zustande?
Beschäftigt man sich mit zeitgenössischen Publikationen, ergibt sich das
Bild einer aus verschiedenen Freundeskreisen bestehenden Widerstandsgruppe. Die über 100 Menschen, die
zur „Roten Kapelle“ gehörten, kamen aus unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten und hatten uneinheitliche politische Vorstellungen. Was sie
im Widerstand verband, war der Widerwillen gegenüber nationalsozialistischer Politik. Von einer „sowjetischen
Spionageorganisation“ kann keine Rede sein. Weder Schulze-Boysen noch
ein anderes Mitglied der „Roten Ka-
Nach 1945: von Moskau
bezahlte Spione oder
antifaschistische Volksfront ?
Zur Abschreckung berichtete die Presse durchaus über Todesurteile und Zuchthausstrafen. So schreibt der Völkische Beobachter ausführlich über Strafmaßnahmen gegen
Fleischer und Viehhändler wegen Schwarz-Schlachtung und Unterschlagung. Die am Tag
zuvor vollstreckten Todesurteile gegen Schulze-Boysen und andere Mitglieder der „Roten
Kapelle“ dagegen werden mit keiner Silbe erwähnt.
Völkischer Beobachter, Berliner Ausgabe, 23. 12. 1942, Staatsbibliothek zu Berlin
pelle“ pflegten regelmäßige Kontakte
nach Moskau.
Spätestens mit Ausbruch des Kalten Krieges war in Westdeutschland
die Frage, ob die Sowjets ein Spionagenetz über ganz Europa ausgebreitet hatten, von besonderem Interesse.
Als Fachleute fungierten dabei auch
Mitglieder der früheren Gestapo, die
für sich herausnahmen, einen ganzheitlichen Blick auf die Situation zu
haben. Überlebende der „Roten Kapelle“ dagegen hatten lediglich einen eingeschränkten Wissensstand –
durch den lockeren Zusammenhalt
und aus Sicherheitsgründen war kein
Mitglied umfassend über alle Aktivitäten der Gruppe informiert. So wurde mit der Zeit aus einer Widerstandsgruppe, die nur zum Teil sozialistisch
eingestellt war, eine kommunistische
Spionageorganisation, die für Geld
In der DDR fiel die Berichterstattung
ungleich positiver aus. Die Mitglieder
der „Harnack-Schulze-Boysen-Gruppe“ gehörten zu den Helden des antifaschistischen
Widerstands.
Aufgrund der unterschiedlichen Herkunft ihrer Mitglieder wurden sie
als Vorbild für die Umsetzung einer Volksfront dargestellt. 1966 erschien die „Geschichte der Arbeiterbewegung“. Ähnlich wie im Westen
heißt es darin, die „Rote Kapelle“ habe Beschlüsse aus Moskau vorbildlich ausgeführt. In der DDR war dies
aber natürlich kein Diskreditierungsgrund.
Erst nach der Wiedervereinigung
erfolgte eine politisch neutralere Auseinandersetzung mit der „Roten Kapelle“. Zunehmend wird die Gruppe als das dargestellt, was sie laut
der Berliner Gedenkstätte Deutscher
Widerstand auch war: eine Gruppe
von Menschen, die nicht durch ihrer
Sympathie zur Sowjetunion, sondern
durch ihre Ablehnung des Nationalsozialismus im Widerstand vereint wurde. Menschen, die sich mit Sicherheit
ihren Platz in der Gedenkstätte verdient haben.
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isa enka f, Ent ig
[ Wei§e Flecken]
ist ein Projekt von STEP 21.
Mehr dazu unter www.step21.de
Auf Initiative von STEP 21 recherchieren 15
jugendliche Teams aus Deutschland und
Polen die historische Wahrheit hinter den
Falschmeldungen ihrer Lokalzeitungen.
Die Verbrechen in der NS-Zeit wurden in der
gelenkten Presse verschwiegen oder manipuliert: von Krakau bis Lüneburg, zwischen
Dresden und Ulm war die Presselandschaft
voller weißer Flecken. Mit Erinnerungen der
letzten lebenden Zeitzeugen füllen die
Jugendlichen journalistische Lücken aus der
NS-Zeit.
Am 23. Januar 2006 stellen die 80 jungen
Redakteure ihre Zeitung in Berlin vor. Erster
Leser ist der Bundespräsident und Schirmherr
von STEP 21, Prof. Dr. Horst Köhler.
Diese einmalige Zeitung wird dann in hoher
Auflage Schulen und Jugendeinrichtungen
zur Verfügung gestellt.
Auch heute sind Pressefreiheit und verantwortlicher Journalismus nicht selbstverständlich und müssen als wichtige
Errungenschaften der Demokratie ständig neu
belebt werden.
+ + + + Die [Weiße Flecken]-Zeitung zum Download unter www.step21.de/weisseflecken + + + +
DAS SCHICKSAL DER CLARA ROSENTHAL | JENA
18 [WEISSE FLECKEN]
Keine Ruhe gefunden
Das Schicksal der Clara Rosenthal, einer ausgegrenzten Jenaer Jüdin
An einem verregneten Herbsttag gibt
die alte Villa mit dem verwilderten
Garten oberhalb der Kahlaischen Straße in Jena ein ziemlich melancholisches, ein unheimliches Bild ab. Äußerlich ist nur noch zu erahnen, wie
prachtvoll das Gebäude einst gewesen sein muss. Doch hinter der großen
Holztür verbergen sich immer noch
Spuren des ehemaligen Glanzes. Erinnerungen an die Zeit, zu der Clara Rosenthal in der Villa lebte.
Fanny Clara wurde am 9. April
1863 in Karlsruhe als Tochter des
Kaufmanns Julius Ellstaetter geboren.
Im August 1885 heiratete sie den bekannten Juristen, Professor Eduard
Rosenthal. 1892 ließen sie die geräumige Villa in der Saalestadt erbauen,
in der sie mehrere Jahre gemeinsam
mit ihrem Sohn lebten. Dieser kam im
Ersten Weltkrieg ums Leben. Die trauernden Eltern errichteten zum Gedenken einen kleinen Tempel im Garten,
der immer noch existiert.
Clara Rosenthals Villa
wurde zum Inbegriff
der guten Gesellschaft
Heute wohnt Klaus Hermes in der Villa,
weshalb ihn Clara Rosenthals Schicksal sehr interessiert. Er selbst kannte
sie zwar nicht, hat aber mit vielen ihrer Bekannten gesprochen. „Sie war
wohl eine sehr attraktive Frau und
nach außen hin eine äußerst freundliche Persönlichkeit“, berichtet der 80Jährige. „Clara kleidete sich immer
nach der aktuellen Mode. Sie liebte es,
in Gesellschaft zu sein, und nahm gerne an Festlichkeiten und Bällen teil.“
Tatsächlich entwickelte sich die Villa
Verlorene Würde
„Wenn ich einmal wirklich an der
Macht bin, dann wird die Vernichtung
der Juden meine erste und wichtigste Aufgabe sein. Sobald ich die Macht
dazu habe, werde ich zum Beispiel in
München auf dem Marienplatz Galgen
neben Galgen aufstellen lassen. [...]
Genauso wird in anderen Städten verfahren, bis Deutschland vom letzten
Juden gereinigt ist.“
(Adolf Hitler, 1922).
Die Judenverfolgung war eines von
Hitlers vorrangigen Zielen. Auch in Jena wurde sie erbarmungslos und planmäßig vollstreckt. 1925 zählte die jü-
ten und zeigte eine große Vorliebe für
ihren Garten“, berichtet Hermes.
Trotzdem übergab sie das Grundstück im August 1929 bereits vorzeitig an die Stadt, die sich bereiterklärte,
die Villa mit allen anfallenden Nebenkosten zu übernehmen.
Eine Villa wird „arisiert“.
Der Oberbürgermeister
duldet dort keine Jüdin
Die Villa Rosenthal heute.
bald zu einem kulturellen Mittelpunkt
und zum Inbegriff der guten Gesellschaft in Jena.
Die Kulturverbundenheit der Familie Rosenthal zeigt sich auch im
gemeinsamen Testament der Eheleute von 1924, in dem sie die Villa
nach ihrem Tod der Stadt Jena vermachen wollten. Diese sollte die Villa für Ausstellungen nutzen, den Garten pflegen und öffentlich zugänglich
machen. Dem überlebenden Ehepartner wurde lebenslanges Wohnrecht in
der Villa zugesichert. 1926 starb Eduard Rosenthal. Clara ließ zur Erinnerung an ihn ein Medaillon anfertigen,
das heute noch im kleinen Tempel der
Familie zu finden ist. Nach dem Tod
ihres Mannes zog sie sich aus der Öffentlichkeit zurück. Sie wohnte nun
ganz allein in der großen Villa. „Mit
dem Leben nach dem Tod ihres Mannes kam sie eigentlich problemlos zurecht. Soviel ich weiß, tätigte sie in ihrer Freizeit verschiedene Handarbei-
dische Gemeinde Jena noch 277 Mitglieder. Schon bis 1933 halbierte sich
diese Zahl. Vorstellbar ist, dass viele
Juden durch den sich verstärkenden
Antisemitismus ins Exil oder in den
Selbstmord getrieben wurden. Eindeutig geklärt ist dieser große Rückgang
jedoch nicht.
Der erste direkte und öffentliche
Angriff auf die jüdische Bevölkerung
in Jena erfolgte kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, am
16. März 1933. Ein von der NSDAP
und mittelständischen Vereinen organisierter Mob forderte auf dem Marktplatz die Schließung jüdischer Einrichtungen. Dazu zählten in Jena unter anderem Kaufhäuser und Schuhgeschäfte. Als nächstes führte ein von
Team Search-&-find-Clara aus Jena
Clara zog sich in das Erdgeschoss zurück, die restlichen Wohnräume wurden von der Stadt vermietet. Doch bereits wenige Jahre nach der Machtübernahme durch die NSDAP begann der
tragische Teil der Geschichte der Jüdin
Clara Rosenthal. Die antisemitische Politik und Propaganda Adolf Hitlers blieb
auch in Jena nicht ohne Folgen. 1936
endete das gegenseitige Einverständnis
zwischen der Stadtverwaltung und Clara Rosenthal. Die Mieteinnahmen würden angeblich nicht mehr ausreichen,
um die Sanierung und den Ausbau der
Villa zu finanzieren, weshalb die fehlenden Mittel von ihr gefordert wurden.
Besonders der damalige Oberbürgermeister Dr. Elsner, der selbst in die
Villa eingezogen war und für sich ausbauen ließ, störte sich daran, mit einer
Jüdin im selben Haus zu leben. In einem Brief des Städtekämmerers heißt
es: „Herr Oberbürgermeister will nicht
dulden, dass die Jüdin Rosenthal noch
länger in einem städtischen Hause
wohnt. Abgesehen davon könne auch
den arischen Mietern nicht zugemutet
werden, mit einer Jüdin in einer Hausgemeinschaft zu leben.“ Der Oberbürgermeister wollte die Villa „judenfrei“
machen und Clara Rosenthal in eines
Passanten vor einem zerstörten jüdischen
Geschäft in Berlin nach der Pogromnacht
vom 9. 11. 1938. Foto: akg-images
höchster Stelle angeordneter Boykott
am 1. April 1933 dazu, dass Besitzer
und Kunden jüdischer Geschäfte, Arztpraxen und Anwaltskanzleien von SAMännern attackiert wurden.
Nachdem die Juden weitestgehend
aus dem Geschäftsleben ausgeschlossen worden waren, verloren sie durch
das „Gesetz zur Wiederherstellung des
Berufbeamtentums“ am 7. April 1933
auch ihre Titel und Würden. Dies traf
unter anderem 27 jüdische Akademi-
der so genannten Judenhäuser umquartieren, in die jüdische Bürger nach
dem „Gesetz über Mietverhältnisse mit
Juden“ vom Mai 1939 ziehen mussten.
Doch dazu kam es nicht mehr. Ganz
auf sich allein gestellt, konnte Clara
dem Druck der fadenscheinigen Anschuldigungen, Diskriminierungen und
Drohungen durch die Stadtverwaltung
nicht mehr standhalten.
Clara Rosenthal wird auch
die letzte Ruhe verwehrt
1940 änderte Clara Rosenthal ein letztes Mal ihr Testament. Sie wollte ihren
Verwandten, die durch die „Arisierung“
verarmt waren, Geld hinterlassen. Das
restliche Erbe sollte von der bekannten Jenenserin Grete Unrein verwaltet
werden. In ihrem gebrochenen Stolz
und ihrer Verzweiflung wählte Clara
am 11. November 1941 den Freitod.
Doch Clara Rosenthal sollte auch
nach ihrem Tod keine Ruhe finden. Die
Frage nach dem Verbleib ihrer Urne
ist bis heute ungeklärt. Angeblich soll
sie im Rosenbeet des Gartens bestattet
worden sein, konnte aber bei einer Ausgrabungsaktion nicht gefunden werden.
Wahrscheinlich bleibt sie, wie so viele
weitere Aspekte des Lebens von Clara
Rosenthal, für immer verschollen.
Die Gedenktafel zeigt Clara Rosenthal. Sie
steht in der Villa Rosenthal. Ein Foto von
Clara Rosenthal gibt es heute nicht mehr.
ker an der Jenaer Universität, die für
ihre frühe und starke antisemitische
Tendenz bekannt war, sowie die Direktorin des Jenaer Stadtmuseums.
Erste Deportationen erfolgten Ende
Oktober 1938. Zehn so genannte Ostjuden wurden nach Polen verschleppt.
Am 15. September 1939 hielten sich
nur noch 50 jüdische Bürger und Bürgerinnen in der Stadt auf.
In der Reichspogromnacht wurden
die restlichen jüdischen Geschäfte zerstört. Die verbliebenen Juden wurden
in den zwei „Judenhäusern“ zusammengepfercht, mehrere ins nahe gelegene KZ-Buchenwald deportiert. Bis
1942 gelang es mehreren vermögenden Juden, nach Amerika auszureisen.
Dafür mussten sie ihren ganzen Besitz
an den NS-Staat abtreten. Die Übriggebliebenen wurden in das KZ-Theresienstadt oder das Ghetto Belzyce in Polen
verschleppt. Der letzte Transport aus
Jena fand am 31. Januar 1945 statt.
Nur elf der über die Jahre rund 50 Deportierten überlebten die Vernichtungsmaschinerie des Holocaust.
STEP 21
Keine Distanz
Der Selbstmord von Clara Rosenthal
fand keinen Platz in den Zeitungen
Über das Leben und den Selbstmord
der Jüdin Clara Rosenthal haben wir
in den NS-gelenkten Zeitungen nichts
gefunden – ihr tragisches Schicksal
kam nicht an die Öffentlichkeit. Um
dennoch zu erfahren, was die Jenenser über die Ausgrenzung ihrer jüdischen Mitbürger wissen konnten, haben wir uns mit einem weltbekannten
Ereignis aus der deutschen Geschichte
befasst, das auch Jena betraf. Uns hat
interessiert, was genau die Jenenser
über die so genannte Reichspogromnacht in der Zeitung lesen konnten.
Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 ist bis heute Symbol für
die Angriffe auf Juden und deren Verfolgung während der NS-Zeit. Als Auslöser galt der tödliche Anschlag auf
den deutschen NS-Diplomaten Ernst
Eduard von Rath in Paris am 7. November. Der Täter war der jüdische
„Teenager“ Herschel Grynspan. Aber
bereits in den Tagen zuvor hatte es in
ganz Deutschland Übergriffe auf Juden gegeben.
In der Jenaischen Zeitung erschien
am 11. November 1938 ein „Aufruf an
die Bevölkerung“, verfasst von Hitlers
Propagandaminister Joseph Goebbels.
Goebbels fordert darin die Deutschen
auf, die „Vergeltungsaktionen gegen
die jüdischen Gebäude und Geschäfte“
einzustellen. Zwar sei die „Empörung“
der Bevölkerung über den „feigen jüdischen Meuchelmord berechtigt und
verständlich“, doch würde Deutschland dem „Judentum“ durch „Gesetze
und Verordnungen“ antworten.
Die Intention des Artikels ist klar:
Die Regierung distanziert sich von den
Ausschreitungen. Allerdings nicht, weil
diese unmenschlich sind, sondern weil
sie gegen den deutschen „Rechts- und
Ordnungsgedanken“ verstoßen.
Doch das ist nicht die ganze Wahrheit: Es ist zwar nicht geklärt, inwiefern die Spitzen der NSDAP mit der
Organisation und Durchführung der
Übergriffe in Beziehung standen, aber
auf lokaler Ebene waren vor allem SATruppen an den Aktionen beteiligt.
Auch nutzte das NS-Regime die Ereignisse im Land und die Ermordung des
Nazi-Diplomaten, um in Reden und
Veröffentlichungen gegen Juden zu
hetzen. So billigten sie indirekt die Gewalt. Auch in der Jenaischen Zeitung
distanzierte man sich nicht von der
Gewalt, vielmehr wird Zustimmung zu
diesen Methoden deutlich.
Kommentar
Kein Rahmen für individuelles Gedenken
Katja Bornkessel (15), Justus Jonscher (15), Elias Günther (15),
Kristin Schlicht (16) und Friederike Kammel (15) (v. l.)
Wir sind das [Weiße-Flecken]-Team
aus Jena. Zu fünft haben wir uns auf
die Suche nach Spuren von Clara Rosenthal gemacht. Zum einen ist da
Katja, unsere angehende Profi-Journalistin. Dann wäre da Justus, der
viel mehr in Geschichte als ins Artikelschreiben vernarrt ist. Außerdem
Kristin, die immer wieder für Wir-
bel sorgt, wenn uns die Recherche
mal zu trocken wird, und Elias, der
mit seinem umfassenden Allgemeinwissen immer helfen kann. Last but
not least Fredda, unsere Teamchefin, die unsere Motivation aufrechterhält, uns zum Arbeiten drängt und
ohne die wir schon lange das Handtuch geworfen hätten.
Unweit des Brandenburger Tores, des
Bundestages und des Berliner Tiergartens befindet sich das HolocaustMahnmal. 2.751 Betonstelen auf
19.000 Quadratmetern verteilt sollen
an die Ermordung der europäischen
Juden erinnern. Zahlreiche Gedenkstätten in Deutschland dienen dem
gleichen Zweck – doch bleiben die
Menschen, derer gedacht werden soll,
meist anonym und gesichtslos. Solche
Denkmäler, so wichtig sie auch sind,
können nicht den Rahmen für individuelles Gedenken bieten.
Schon gar nicht, wenn über die Opfer so wenig bekannt ist wie über Clara
Rosenthal. Eine Biografie gibt es nicht,
andere Dokumente sind ebenfalls unauffindbar. Es scheint, als wurden nach
ihrem Tod und wahrscheinlich auch
schon zu ihrer Lebzeit wichtige Informationen zu ihrer Person beseitigt, weil
sie Jüdin war. Solche „weißen Flecken“
müssen aufgeklärt werden, denn gerade anhand einzelner Schicksale wird
uns der Schrecken der NS-Zeit bewusst.
Ein bedrückendes Beispiel dafür ist das
Tagebuch der Anne Frank. Durch das
individuelle Nachempfinden des Terrors und der Verfolgung, unter denen
die jüdische Bevölkerung litt, können
und müssen wir lernen.
Goebbels ruft die Bevölkerung auf,
Wir tragen die Verantwortung, dass
die Pogrome einzustellen. Man werde
sich solche Ereignisse, ganz gleich wo, „dem Judentum“ auf dem Wege der Gesetznie mehr wiederholen und Rassismus, gebung antworten. Dieser Aufruf
Antisemitismus und Neo-Nationalsozi- erschien am 11. 11. 1938 auch in der
alismus in all ihren Formen bekämpft Jenaischen Zeitung.
werden.
Foto: akg-images
STEP 21
Ich weiß nicht, wer Josef
verraten hat
Herr B., heute 76 Jahre alt, ist der Bruder
des in den Fall verwickelten und ermordeten Johann. Zum Zeitpunkt des Vorfalls war
Herr B. 13 Jahre alt und lebte bei seiner
Familie in Oberelchingen bei Ulm.
Was wissen Sie über den Mordfall Josef W.?
Zu dieser Zeit waren meine Familie
und ich in Oberelchingen, denn nachdem unser Haus in Söflingen von den
vielen Bombenangriffen zerstört worden war, wurden wir im Februar 1945
evakuiert. Aufgrund dessen haben wir
von dem Mordfall nur durch Erzählungen erfahren.
Wer hat den französischen Zwangsarbeiter denunziert?
Ich weiß bis heute nicht, wer ihn verraten hat. Ich kann nur mit Sicherheit
bestätigen, dass mein Bruder Johann
und dessen Freund Heribert nicht in
die Sache involviert waren. Wie bereits erwähnt, waren wir zu diesem
Zeitpunkt in Oberelchingen.
Warum wurden die Jungen Johann
und Heribert umgebracht?
Da wir in Oberelchingen nichts mehr
zu essen hatten, schickte meine Mutter
Johann und seinen Freund Heribert
am 15. April 1945 zum „Brotgut“, eine
Art Bäckerei, nach Söflingen. Johann
hatte von seinem Kriegseinsatz in Stalingrad, bei dem ihn ein Genickschuss
traf, einen steifen Arm und ein steifes
Bein. Dadurch war er nicht in der Lage, noch am selben Abend nach Hause zurückzukehren. Also übernachteten die beiden Jungen im Keller eines verlassenen Hauses in der Söflinger Wanne.
Weil Johann nichts anderes zum
Anziehen hatte, trug er seine schwarze Panzerjägeruniform. Obwohl er all
seine Abzeichen von der Uniform entfernt hatte, wurde er von Nachbarn
sofort als Angehöriger der SS identifiziert. Die Nachbarn haben die französische Kommandantur informiert. Daraufhin wurden Johann und Heribert
vom französischen Militär abgeholt
und umgebracht.
DAS SCHICKSAL DES JOSEF W. | ULM
Für Josef stand auf Plündern Todesstrafe
Drei Menschen sterben in einer Verstrickung von Rache und Vergeltung
Es sind die letzten Kriegstage in
Deutschland: Überall herrscht Durcheinander. Die Menschen versuchen, das
Nötigste zum Überleben zu beschaffen.
Auch durch Plündern. Doch manch einer zahlt dafür mit seinem Leben ...
Ulm, 19. April 1945, morgens. Auf
den Charlottenplatz strömen Frauen,
ältere Männer und sogar Kinder. Sie
versammeln sich um den Ahornbaum,
an dem ein Mann hängt. Um seinen
Hals trägt er ein Schild mit der Aufschrift „Ich habe geplündert“. Einige
der Schaulustigen kennen den Gehängten. Es ist der 25-jährige Franzose Josef W. Er arbeitete als Zwangsarbeiter
auf dem Güterbahnhof. Untergebracht
war er im Lager Türmle in Söflingen,
einem Stadtteil Ulms.
Weil der im Elsass geborene Josef
W. sehr gut deutsch sprach, war er der
Sprecher seiner Mitgefangenen. Die
meisten Kinder in der Umgebung des
Lagers mochten ihn, denn er brachte ihnen oft Süßigkeiten. Doch für viele der Erwachsenen war er nur ein
französischer Zwangsarbeiter, unerwünscht – zuletzt auch noch ein Plünderer.
Wer Josef W. am Ahornbaum auf
dem Charlottenplatz aufgeknüpft hat,
vermag heute niemand mehr zu sagen.
Sicher scheint jedoch, dass er nicht
dort gelyncht wurde. Wahrscheinlich
wurde er im Hof des nahe gelegenen
Untersuchungsgefängnisses gehängt
und dann auf den öffentlichen Platz
gebracht.
Auch Deutsche plündern.
Erhängt wird der
Franzose Josef W.
Der Franzose ist noch in den letzten
Kriegstagen den Nazis zum Opfer gefallen. Josef W. sollte die Menschen ab-
Plündernde Menschen auf dem Ulmer Güterbahnhof nach dem Bombenangriff vom
15./16. April 1945. Aufnahme vom 19.4.1945. Foto: Josef Brünner/Stadtarchiv Ulm
schrecken, sollte zeigen, was Anhänger
Hitlers mit Plünderern machten.
Wenige Tage zuvor, nach einem
amerikanischen Bombenangriff auf
den Bahnhof, hatte er, wie andere Ulmer auch, aus einem zerstörten Zug
ein Paar Filzstiefel „organisiert“. Doch
anders als die Deutschen wurde er denunziert. Die Hitlerjungen Heribert K.,
15, und Johann B., 19, sollen ihn verraten haben. Johann, Angehöriger der
SS, arbeitete als Wachmann im Türmle. Kriegsdienst konnte er nicht mehr
verrichten, da er einen steifen Arm
und ein steifes Bein hatte.
Fünf Tage nach der Hinrichtung
auf dem Charlottenplatz wird Ulm
von US-Amerikanern eingenommen.
Am 27. April 1945 kommen Franzo-
[WEISSE FLECKEN] 19
Johann und Heribert
haben ihn denunziert
Herr F., heute 66 Jahre alt, lebte damals bei
seinem Großvater in Söflingen. Den im
nahe gelegenen Türmle lebenden Josef W.
kannte er persönlich. Herr F. hat den Bombenangriff miterlebt und selbst aus den
Zügen geplündert.
Was wissen Sie über den Mordfall Josef W.?
Josef W. hatte geplündert, wurde denunziert und daraufhin aufgehängt.
Damals habe ich den Franzosen am
Charlottenplatz mit eigenen Augen gesehen. Mein Großvater hat ihn mir gezeigt. Er kannte den Franzosen, hatte
von dem Vorfall gehört und wollte sich
selbst überzeugen, ob es tatsächlich
der ihm bekannte Mann war.
Wer hat den französischen Zwangsarbeiter denunziert?
Die beiden Jungen, Johann B. und Heribert K., haben ihn denunziert. Sie
waren in der Hitlerjugend. Es war allgemein im Gespräch, dass Johann und
Heribert es getan hatten.
Warum wurden die Jungen Johann
und Heribert umgebracht?
Die Franzosen haben sie umgebracht,
als Vergeltung dafür, dass sie ihren
Landsmann denunziert haben.
sen – sehr wahrscheinlich ehemalige Zwangsarbeiter – in einem Geländewagen nach Söflingen. Sie erkundigen sich nach Heribert und Johann,
greifen die beiden schließlich am Gemeindeplatz auf und nehmen sie mit.
Tags darauf werden die Jugendlichen
im Hinterhof der Klingensteinerstraße
57 tot aufgefunden. Erschlagen der eine, mit einem Kopfschuss getötet der
andere. Einige Tage später werden
Heribert und Johann auf dem Söflinger Friedhof beerdigt.
Am 26. Juli 1945 wird die Urne
von Josef W. auf dem Ulmer Friedhof,
Abt. 82, Nr. 800, beigesetzt. Er hinterlässt eine 23-jährige Frau, eine einjährige Tochter und einen zweijährigen Sohn.
Arbeitsgesuche und Heiratsanzeigen
Ulmer Sturm / Tagblatt, 20. 4. 1945
Josef W. wird öffentlich erhängt, doch die Presse schweigt
Ulmer Sturm / Tagblatt, so hieß die einzige Tageszeitung Ulms in der NS-Zeit.
Auch gegen Kriegsende erschien sie
täglich – Propaganda war für die Nationalsozialisten immer noch sehr wichtig. Der Umfang der Zeitung nahm ab,
von anfangs zehn Seiten blieben aber
immerhin noch sechs. Und das, ob-
wohl in der letzten Kriegszeit alle verfügbaren Männer eingezogen wurden
und das Ulmer Sturm / Tagblatt als Einmannbetrieb weiterarbeitete.
Trotz der kriegsbedingt chaotischen
Zustände, mit denen die Ulmer Bevölkerung in dieser Zeit konfrontiert war –
es gab keinen Strom, kein fließend Was-
ser und kaum Lebensmittel – standen
sehr banale Dinge in der Zeitung. Zur
Genüge gab es Anzeigen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Suchenden
und solchen, die etwas gefunden haben.
Sogar der Liebe wurde noch eine Chance gegeben: In Heiratsanzeigen suchte
man den passenden Partner.
Kommentar
Andere Themen dagegen wurden
gänzlich unterschlagen. So auch die
Ereignisse um Josef W.. Obwohl er
auf einem öffentlichen Platz, für jedermann sichtbar, aufgehängt wurde,
was gezielt zur Abschreckung der Leute dienen sollte, konnten wir in keiner
Ausgabe des Ulmer Sturm / Tagblatts
etwas darüber finden. Ein Grund dafür
war, dass später keine schriftlichen Beweise gegen die Verantwortlichen vorliegen sollten. Außerdem wurde wegen der großen Bombenangriffe vom
15. und 16. April 1945 möglicherweise
nichts geschrieben, was die Ulmer Bevölkerung noch mehr strapaziert hätte. All diese Umstände machten unseren Fall zu einem weißen Fleck.
Team Schwarzlicht aus Ulm
Zweierlei Maß
Geplündert haben viele während der
letzten Kriegstage 1945 – sowohl
Zwangsarbeiter als auch Ulmer. Sehr
schockiert hat uns jedoch, dass bei
der Bestrafung von Plünderern Unterschiede zwischen deutschen Staatsbürgern und ausländischen Arbeitern
gemacht wurden.
Deutsche gingen jetzt, kurz vor dem
Zusammenbruch des „Dritten Reichs“
meist straffrei aus. Dafür waren die
Strafen für Zwangsarbeiter oft umso
strenger. Den Franzosen Josef W. haben
Ulmer Nazis gehängt – ohne Gerichtsverfahren – weil er ein Paar Stiefel aus
einem Eisenbahnwagon gestohlen hat.
Keiner der Deutschen, die gleichzeitig
den Wagon geplündert haben, ist deshalb mit dem Tod bestraft worden. Auch
Johann B. und Heribert K. wurden getötet – ohne Verfahren.
Weil es nur mündliche Überlieferungen dieser Todesfälle gibt, waren
die Recherchen für unseren „weißen
Fleck“ nicht immer leicht. Gerade bei
den Gesprächen mit Zeitzeugen sind
wir auf gegensätzliche Meinungen gestoßen: Etwa bei der Frage, ob die Hit-
lerjungen Heribert und Johann, wie
von vielen behauptet, Josef W. denunziert haben oder nicht. Bezweifelt wird
selbst, dass es ungerecht war, Josef W.
aufzuhängen.
Wir stellten fest, dass die Antworten stark von der politischen Einstellung beeinflusst waren und sind. So
mancher, der der NSDAP nahe stand
und in Zwangsarbeitern bestenfalls
Menschen zweiter Klasse gesehen hat,
maß in Sachen Bestrafung und Recht
der Ausländer im Vergleich zu deren der Deutschen mit zweierlei Maß.
Zeitzeugen, die dagegen persönlichen
Kontakt zu Zwangsarbeitern hatten
und in ihnen mehr sahen als billige Arbeitskräfte, empören sich noch heute
über die ungleiche Behandlung.
So Richard Betzler, dessen Familie
einen französischen Zwangsarbeiter aus
der Champagne nach einem schweren
Bombenangriff vom 17. Dezember 1944
für vier Monate beherbergte. Auch nach
dem Krieg ließen sie den Kontakt nicht
abbrechen. Es gab also durchaus auch
freundschaftliche Beziehungen zwischen Zwangsarbeitern und Deutschen.
Anfangs hatten wir Hemmungen im
Umgang mit den Zeitzeugen. Wir fürchteten, Wunden aus vergangenen Zeiten
aufzureißen. Aber von Treffen zu Treffen ist es uns immer leichter gefallen,
die Interviews zu führen. Bei den Gesprächen konnten wir große Unterschiede feststellen: Manche konnten
sich sehr gut erinnern, haben sehr offen und detailliert erzählt. Andere wiederum konnten oder wollten nur wenig
berichten, weil das Thema innerhalb
der Familie totgeschwiegen worden war
oder sie Einzelheiten vergessen hatten.
So lernten wir, dass man nicht alle Details der Zeitzeugen wortwörtlich
nehmen darf, da die Erinnerungen oft
sehr verschwommen sind und von den
Fakten abweichen können.
Neben den teilweise mühsamen
Recherchen hatten wir auch sehr viel
Spaß, insbesondere bei den Zeitzeugengesprächen. Letztendlich war es
eine Zeit voller positiver Erfahrungen, auch wenn wir oft traurige oder
schmerzliche Dinge erfuhren. Wir haben viel dazugelernt und unseren Horizont erweitert.
Eva-Marina Paulen (16), Katharina Sauter (16), Johanna Brüssermann (17),
Nicola Missel (15), Sarah Brockmann (17) (v. l.)
Wir sind Schülerinnen der 11. Klasse des Anna-Essinger Gymnasiums
in Ulm. Ulm hatte in der NS-Zeit eine
zentrale Stellung, wenn es um den
Transport von Kriegsgütern ging.
Denn Ulm verfügte über einen großen Güterbahnhof. Dort ereignete
sich im April 1945 die tragische Geschichte um Josef W.
Zuerst waren wir zu fünft: Nicola,
Johanna, Katharina, Eva-Marina und
Sarah. Jetzt sind wir nur noch zu viert,
da Sarah für ein Jahr in Amerika ist.
Zum Projekt [Weiße Flecken] sind wir
über einen unserer Lehrer gekommen,
der uns dafür begeistern konnte.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten haben wir uns mit Hilfe Herrn
Lechners von der Ulmer Gedenkstätte darauf geeinigt, zu dem Mordfall
des französischen Zwangsarbeiters
Josef W. zu arbeiten.
PARTYZANCI | CIE˛ ZKOWICE
20 [WEISSE FLECKEN]
Terroryści czy bohaterowie?
Działania partyzantów i ich przedstawienie w prasie podziemnej i oficjalnej
Podziemie znacznie
przewyższało liczbą wydawanej prasy organa
oficjalne. Pod koniec roku 1939 ukazywało się
około 30 tytułów różnych
nielegalnych czasopism,
gazetek, w 1940 było
ich już prawie 200, a rok
później ponad 290.
Prasa
podziemna
wzywała do walki z
wrogiem i informowała
Wraz z rozpocze˛ ciem okupacji niemieckiej
na ziemiach polskich, likwidacji uległy prawie wszystkie wydawane oficjalnie dota˛d
tytuły prasowe. Pozostała ta cze˛ść, która potrzebna była okupantom do rozpowszechniania propagandy, reszta prasy mogła
odta˛d ukazywać sie˛ jedynie na emigracji lub
nielegalnie – w podziemiu.
W Generalnej Guberni władze niemieckie utrzymały kilka tytułów o bardzo
wysokim nakładzie, co sprzyjało rozpowszechnianiu propagandy hitlerowskiej. Do największych nakładem należał
Nowy Kurier Warszawski (150 tysięcy w
dni robocze, 300 tysięcy wydanie weekendowe), oraz Goniec Krakowski. Pisma
te wydawane były w języku polskim. W
języku niemieckim wydawany był Krakauer Zeitung.
Od początku wojny na terenach
pod okupacją niemiecką ukazywała się
również prasa konspiracyjna. Z czasem
stała się ona jednym z najważniejszych
elementów oporu.
Wiadomości z
28.09.1944 – gazeta
polskiego podziemia i
wzmianka o akcji partyzantów Batalionu „Barbara“ pod Pławna˛, Archiwum
Państwowe w Krakowie.
Na stronie obok Goniec
Krakowski z 15.09.1944
r, Archiwum Biblioteki
Jagiellońskiej w Krakowie
Akcja pod Pławna˛
„Założyć minę, wysadzić nadjeżdżający
transport i niezależnie od okoliczności
opanować go. Zdobyć jak największą
ilość broni a transport zniszczyć“ – tak
brzmiało zadanie wyznaczone porucznikowi Michałowi Steczeszynowi pseudonim „Kalina“ i dowodzonej przez
niego IV. Kompanii „Ewa“. Wśród licznych przeprowadzonych walk i akcji, w
pamięci partyzantów szczególne miejsce zajmuje właśnie ten atak, którego
celem miał być niemiecki pociąg pancerny. Działo się to 14 września 1944
roku, w rejonie południowo-wschodniej Polski, nieopodal miejscowości
Pławna i Zborowice, na trasie kolejowej Tarnów-Grybów.
Akcja była zaplanowana dużo
wcześniej.
Wywiad
tarnowskiego
oddziału Armi Krajowej poinformował
o dokładnej dacie przejazdu pociągu
z zaopatrzeniem militarnym dla frontu wschodniego. W nocy z 14 na 15
września kompania licząca około 100
żołnierzy w szyku bojowym dotarła
do Zborowic, gdzie wzdłuż linii kolejowej, na odcinku około 400 metrów,
usytuowano miejsca ataku. Porucznik „Kalina“ rozmieścił swoje plutony na grzbiecie wzniesienia, założono
plastikowe miny i w pełnej gotowości
nasłuchiwano odgłosów lokomotywy.
„Bardzo długo czekaliśmy na przyjazd pociągu. Około godziny 2.30
Partyzanckie życie
Pan Jan Golec ma 80 lat, był partyzantem Batalionu „Barbara“. Opowiada nam jak trafił do partyzantki i jak wyglądało wtedy jego życie:
„Miałem kontakty z ruchem oporu. Poprzez roznoszone gazetki i broszury
dowiedziałem się o decyzji utworzenia nowego oddziału partyzanckiego,
zgłosiłem się razem z bratem. Nasze
oddziały chowały się przed wojskami
niemieckimi w lesie, przetrwanie tam
nie było łatwe. Spaliśmy najczęściej
pod gołym niebem, na stercie liści,
mchu lub gałęziach. Noce były bardzo zimne a rano często przymrozki. Zamarzały nam włosy i brwi, całe
ciało było tak skostniałe, że kilka minut trwało rozgrzewanie organizmu.
W lesie musieliśmy zachwywać się niezwykle cicho i ostrożnie. Nie było mowy
o zapaleniu papierosa, czy rozpaleniu
ogniska. Poruszaliśmy się po lesie bezszelestnie. Patrole informowały nas o
bliskiej obecności wroga, z tego powodu często musieliśmy przenosić się w
inne miejsce“.
Grupa „Entdeckerteam“ z Cie˛żkowic
usłyszeliśmy nadjeżdżający pociąg
i zajęliśmy wyznaczone stanowiska. Zaczął się silny ostrzał. Po chwili podjęto decyzję o odwrocie. Jak się
później okazało, cel partyzantów- słabo
eskortowany pociąg z amunicją i bronią
został zatrzymany w Tuchowie z powodu zatarcia osi, a kilka godzin później
wyjechał pociąg z dywizją pancerną o
ogromnej przewadze militarnej i osobowej i to na niego nastąpił atak.
Siła niemieckiego kontrataku spowodowała brak kontroli polskiego dowództwa nad akcją i zerwanie całkowitej łączności. Każdy próbował ratować
się na własną rękę. Jedni wycofywali
się pokonując zasieki z drutu kolczastego lub uciekali otwartym polem pod
silnym ostrzałem wroga, inni ukrywali się w okopach. „Nie wiem i właściwie
nie wiedziałem – relacjonuje starszy
strzelec „Jaś“ – którędy wracałem do
miejsca postoju batalionu, a właściwie
naszej
Czwartej
Szaroszeregowej
Kompanii. Dosłownie ze łzami radości
Białe plamy. To pojęcie jeszcze do
niedawna bylo dla nas niejasne, nie
budziło konkretnych skojarzeń. To
zmieniło się odkąd wzieliśmy udział
w projekcie [Weiße Flecken], który opracowany został przez zespół
STEP 21. Grupa „Entdeckerteam“
dołączyła do niego na początku
maja 2005. Wszyscy znamy się ze
szkoły. Prowadzeniem wywiadów
ze świadkami II wojny światowej
zajęli się Klaudia i Wojtek. Kinga
zbierała pamiątki i zdjęcia z tamtego okresu. Agnieszka natomiast
prowadziła nadzór nad wspólną
pracą i opracowała końcowe teksty.
Praca nad projektem nie była łatwa,
jednak trud włożony w realizację powierzonych nam zadań przyniósł
nam wiele satysfakcji.
„Bandyci“, „terroryści“,
„agenci“
Oficjalna prasa niemiecka prawie wogóle nie pisała o ruchach oporu, walkach wyzwoleńczych partyzantów, akcjach dywersyjnych i sabotażowych na
ziemiach polskich nie chcąc umacniać
w narodzie ducha walki. Jeśli już pisano, to działania partyzantów przedstawiane były jako napady bandyckie, a
sami partyzanci byli nazywani mianem:
„Banditen“ „Terroristen“, „Agenten“.
O sukcesach polskiego państwa podziemnego informowała prasa konspiracyjna. Niestety i tu niewiele uwagi
witaliśmy każdego powracającego
spod Pławnej. Wracali przez połowę
dnia. Boże! Co myśmy przeżyli, w tym
czasie oczekiwania, aż wróci bez mała
setka partyzanckich braci.“
W walce śmierć poniosło czterech
polskich żołnierzy, a kilku ciężko raniono. Pomimo dużych strat akcja
przyniosła jednak efekty. Przerwa w
ruchu kolejowym na linii przyfrontowej
wynosiła 18 godzin, a według obserwatora wywiadu kolejowego w Tarnowie, dokąd wycofano pociąg, wyniesiono około sześćdziesiąt noszy z zabitymi
i rannymi Niemcami.
Dowódca SS kazał spalić
połowe˛ wsi
Nazajutrz rankiem 15 września 1944
roku, w odwecie za akcję partyzantów,
do wioski wtargnęła ekspedycja kar-
poświęcono działaniom partyzantów
w naszym rejonie, gdyż w okresie
kiedy przeprowadzane były w rejonie Ciężkowic opisywane przez nas w
reportażu działania, prasę podziemną
zdominowała tematyka Powstania
Warszawskiego, które trwało od
1 sierpnia 1944 do 2 października
1944 roku. Przeszkodą w dokładnym
informowaniu o wydarzeniach lokalnych były również trudności w przekazywaniu meldunków. W gazetce
wydawanej przez polskie podziemie,
Wiadomościach z 28 września 1944
roku (czyli dwa tygodnie po akcji pod
Pławną) znaleźliśmy wzmiankę: „W
rejonie Ciężkowic wojska nasze w sile
jednej kompanii wykoleiły niemiecki
transport wojskowy“.
W historii obydwu krajów: Polski
i Niemiec znaleźć można jeszcze dziś
wiele „białych plam“. Świadomie przemilczane lub sfałszowane zostały fakty,
o ogromnym znaczeniu. Odkrywanie
historii na nowo i rozjaśnianie ciemnych miejsc to praca niezwykle trudna.
Pokazuje ona jednak bardzo wyraźnie,
jak
łatwo
można
manipulować
społeczeństwem oraz zmieniać jego
świadomość.
na oddziału SS, żandarmerii polowej
i gestapo. „Widzę go (dowódcę akcji
Hauptsturmführera SS – przyp. autor) jak stoi z lornetką i wskazuje, które domy palić“ – relacjonuje ks. Jan
Kozioł, ówczesny proboszcz tamtejszej
parafii.
„Stanąłem, pozdrowiłem go. Zapytałem: Czy wszystko będziecie palić? –
aż się cofnął. Już łapał za futerał z pistoletem. Poszedłem do innych domów,
tam już nieżyjący mężczyzna, zginął
od kuli, kobieta zmarła na udar serca. ‚Kommen Sie!‘ Prowadzi mnie,
gdzie twarzą do ziemi leżało pięciu
zabitych partyzantów. Butem, jak
padlinę jakąś, odwraca i każe mi
zidentyfikować. Aż żal ściskał serce!
Oczywiście, żadnego nie znałem, więc
mówię mu: Widzi pan, wszystko to obcy ludzie“. Na prośbę księdza Niemcy
opuścili spacyfikowaną wioskę, zabrali
jednak ze sobą dziesięciu zakładników,
ranili kilkoro dzieci i spalili trzynaście
gospodarstw.
Polskie Państwo Podziemne i działania partyzantów
Utrata niepodległości oraz zagrożenie
wobec narodu w całej okupowanej
Polsce zrodziło powszechne dążenie
do przeciwstawienia się zamierzeniom wroga. Ruch oporu, u którego podstaw ideowych leżał głęboko
pojęty patriotyzm i antyfaszyzm był
dziełem ofiarności Polaków. Organizacje o charakterze konspiracyjnym
zostały utworzone w całym państwie
i przybierały różne formy walki z
nieprzyjacielem, począwszy od zorganizowanej samoobrony ludzi aż po szeroko rozbudowane zbrojne podziemie
antyhitlerowskie.
W pierwszych miesiącach wojny do
lasów wycofywały się dziesiątki pojedynczych oddziałów partyzanckich, które zorganizowane były jako wojsko konspiracyjne wchodzące w skład struktur
polskiego państwa podziemnego.
Batalion „Barbara“
przeprowadzał sabotaże na
zapleczu frontu
Agnieszka Syrek (16), Kinga Cygan (15), Klaudia Tabiś (15) i Wojciech Filipowicz
(14) (od lewej)
o jej wynikach, o faktycznym położeniu
Niemców na froncie, o sytuacji politycznej w całej Europie i miała olbrzymi
wpływ na wydarzenia w kraju. Mimo
grożących represji wydawano, powielano, przepisywano na maszynie wiele
pism i gazetek centralnych i lokalnych,
wydawano broszury o treści politycznej, gospodarczej, prawnej, i ustrojowej.
STEP 21
Armia Krajowa była polską armią
podziemną, liczącą w 1944 roku ponad 300 tysięcy żołnierzy i oficerów,
zgromadzonych w grupach konspiracyjnych i oddziałach partyzanckich.
Prowadziła walkę w terenie, wykonała
około 6 tysięcy zamachów na Niemców, zniszczyła m.in. ok.1200 transportów wroga, 26 tysięcy jednostek taboru kolejowego, 4,5 tysiąca pojazdów,
38 mostów.
Batalion „Barbara“ powstał wraz
z rozpoczęciem akcji „Burza“, latem
Grupa partyzantów nad zdobyta˛ bronia˛, zdje˛cie: własność prywatna Klaudii Tabiś
1944 roku, jako zgrupowanie większej
ilości mniejszych jednostek. Jego zadaniem było przeprowadzanie dywersji na tyłach cofającej się armii niemieckiej w porozumieniu z nadchodzącym
powoli frontem radzieckim. 1. Batalion
16 pułku piechoty Armii Krajowej „Barbara“ był jednostką zmobilizowaną na
akcję przez tarnowski obwód AK. Rozkaz mobilizacji pochodził z 4 sierpnia
1944 roku. Koncentracja oddziałów
następowała dosyć sprawnie. W sumie walczyło w nim ponad sześciuset
żołnierzy, którzy mieli do dyspozycji
stanowczo mniej broni i amunicji , niż
potrzebowali. Dla pełnej konspiracji
6 września batalionowi nadano nazwę
„Barbara“.
Siły partyzanckie powodowały stan
niepokoju i niepewności na zapleczu
frontu, zagrażały liniom komunikacyjnym, tym samym blokując trans-
port broni i amunicji na front wschodni oraz wyrządzały okupantowi ogromne szkody w ludziach, sprzęcie wojskowym i artykułach żywieniowych.
Pomimo znacznych starań i wysiłków
podjętych w celu zwalczenia polskiego podziemia, licznych aresztowań,
rozstrzeliwań i wysyłania ludzi do obozów koncentracyjnych, Niemcy nie byli
w stanie stłumić ruchu oporu.
5 maja 2005 roku, w związku z
sześćdziesiatą rocznicą zakończenia II
wojny światowej marszałek Senatu RP
Longin Pastusiak podziękował kombatantom wojennym za ich wkład w walkę
z hitlerowcami i dodał: „Historia nie zamyka się wraz z odchodzeniem pokoleń,
które były jej uczestnikami i twórcami.
Ona trwa w pokoleniach następnych
i staje się rzeczywistą nauczycielką
życia, jeśli te kolejne pokolenia potrafią
wyciągnąć z niej wnioski“.
PARTISANEN | CIE˛ ZKOWICE
STEP 21
[WEISSE FLECKEN] 21
Polnischer Untergrundstaat und Partisanenbewegung
Der Verlust der Unabhängigkeit und die
Bedrohung des Volkes weckten im besetzten Polen starke Bestrebungen, sich den
Absichten des Feindes zu widersetzen.
Es bildete sich eine patriotische und antifaschistische Widerstandsbewegung.
Im ganzen Land wurden konspirative Organisationen gegründet, die
den Gegner auf verschiedenste Weise bekämpften: von organisierter ziviler Selbstverteidigung bis hin zu breit
ausgebauten bewaffneten Untergrundkämpfen gegen die Nazis.
In den ersten Monaten des Krieges
zogen sich dutzende von Partisaneneinheiten in den Wald zurück, organisiert als Armee innerhalb der Struktur
des Polnischen Untergrundstaates.
Die Heimatarmee „Armia Krajowa“ (AK) war die polnische Untergrund-
armee. 1944 gehörten ihr über 300.000
Soldaten und Offiziere an, organisiert
in konspirativen Gruppen und Partisaneneinheiten. Sie kämpften im Gelände, führten etwa 6.000 Anschläge auf
die Deutschen aus und zerstörten unter
anderem 1.200 Transporte des Feindes,
2.600 Eisenbahnfuhrparks, 4.500 Fahrzeuge und 38 Brücken.
Bataillon „Barbara“ sabotiert
im Hinterland der Front
Das 1. Bataillon des 16. Infanterieregiments der Heimatarmee „Barbara“ wurde vom AK-Kommando Tarnow mobilisiert. Es entstand als Zusammenschluss kleinerer Einheiten
im Rahmen der Aktion „Gewitter“ im
Sommer 1944. Seine Aufgabe war es,
im Rücken der sich zurückziehenden
deutschen Armee und in Abstimmung
mit der langsam anrückenden Roten
Armee zu sabotieren.
Der Befehl zur Mobilmachung erging am 4. August 1944. Die Konzentration der Einheiten verlief recht glatt.
Die insgesamt 600 Soldaten des Bataillons hatten deutlich weniger Waffen
und Munition zur Verfügung, als sie
brauchten. Zur vollkommenen Konspiration gab man dem Bataillon am
6. September den Namen „Barbara“.
Die Partisanen stifteten Unruhe
und Unsicherheit im Hinterland der
Front und waren eine Bedrohung für
die Kommunikationswege. Sie blockierten Munitions- und Waffentransporte an die Ostfront und fügten dem
Feind hohe Verluste an Menschen, Militärausrüstung und Lebensmitteln zu.
Trotz starker Bemühungen, die Partisanen zu bekämpfen, trotz zahlreicher Festnahmen, Erschießungen und
Deportationen in Konzentrationslager,
waren die Deutschen nicht in der Lage,
die polnische Widerstandsbewegung
zu ersticken.
Am 5. Mai 2005 dankte der Präsident des Senats der Republik Polen,
Longin Pastusiak, anlässlich des 60-jährigen Kriegsendes den Veteranen für ihren Beitrag im Kampf gegen die Nationalsozialisten. Er sagte: „Die Geschichte
ist mit dem Abtreten der Generationen,
die sie erlebten und schufen, nicht zu
Ende. Sie wirkt Generationen hindurch
und wird zu einer wirklichen Lehrerin
des Lebens, sofern die folgenden Generation aus ihr lernen können.“
Helden oder Terroristen
Der Zeitzeuge Jan Golec als Schütze
„Sanok“, 1944. Foto: Privatbesitz
Wie die offizielle Presse und die Untergrundpresse über Partisanen berichtete
standsbewegung. Durch illegale Zeitungen und Broschüren erfuhr ich
von dem Beschluss, eine neue Partisaneneinheit zu gründen, und meldete mich zusammen mit meinem Bruder. Unsere Einheiten versteckten sich
vor den deutschen Truppen im Wald.
Dort zu überleben war nicht einfach.
Wir schliefen meistens unter freiem
Himmel, auf Blätterhaufen, Moos und
Zweigen. Die Nächte waren sehr kalt,
und morgens gab es oft Frost. Unsere
Haare und Augenbrauen gefroren, der
ganze Körper war so erstarrt, dass der
Organismus einige Minuten brauchte, um aufzutauen. Im Wald mussten
wir uns absolut leise und vorsichtig
verhalten. Eine Zigarette anzuzünden,
kam nicht in Frage, ganz zu schweigen von einem Lagerfeuer. Geräuschlos bewegten wir uns durch den Wald.
Die Patrouillen informierten uns darüber, ob der Feind in der Nähe war,
dann mussten wir an einen anderen
Ort umsiedeln.“
Zu Beginn der deutschen Okkupation Polens wurden fast alle offiziell herausgegebenen Zeitungen liquidiert. Übrig blieb der
Teil, den die Besatzer brauchten, um ihre Propaganda zu verbreiten. Der Rest der
Presse konnte nur noch in der Emigration
oder im Untergrund weiterarbeiten.
Im Generalgouvernement blieben einige Zeitungen mit sehr hohen Auflagen
bestehen, die der Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda dienten.
Zu den auflagenstärksten gehörten der
Nowy Kurier Warszawski (Neuer Warschauer Kurier) und der Goniec Krakowski (Krakauer Bote). Diese Schriften wurden in polnischer Sprache veröffentlicht. Auf deutsch wurde die Krakauer Zeitung herausgegeben.
Von Beginn des Krieges an erschien in den deutsch besetzten Gebieten auch konspirative Presse. Mit
der Zeit wurde sie zu einem der wichtigsten Elemente des Widerstands. Im
Untergrund erschienen viel mehr Titel
als auf Seiten der Besatzer. Ende 1939
gab es ungefähr 30 illegale Druckwerke, 1940 waren es schon fast 200, ein
Jahr später über 290 – vorwiegend
Flugblätter und Broschüren.
„Banditen“, Terroristen“ und
„Agenten“
Die Untergrundpresse rief zum Kampf
gegen den Feind auf, informierte über
die wirkliche Lage an der Front und
über die politische Situation in ganz
Europa. Sie hatte einen gewaltigen Ein-
Der Goniec Krakowski (Krakauer Bote) verbreitet NS-Propaganda. Schlagzeile: „So haben sich die Bolschewiken in Lemberg
eingerichtet.“ 15.9.1944. Jagiellonia Bibliothek in Krakau. Auf der gegenüberliegenden Seite: die Untergrundpublikation Wiadomości
(Nachrichten) vom 28.9.1944 mit einem Bericht über den Anschlag bei Pławna
fluss auf das Geschehen im Land. Trotz
der drohenden Repressionen wurden
viele lokale und überregionale Zeitschriften und illegale Zeitungen herausgegeben, vervielfältigt, auf Schreibmaschinen abgeschrieben. Es wurden
politische, wirtschaftliche und juristische Broschüren veröffentlicht.
Die offizielle deutsche Presse berichtete wenig über die polnische Widerstandsbewegung, um den Kampfgeist
Die Aktion bei Pławna
„Die Mine anbringen, den anfahrenden
Transport entgleisen lassen und unabhängig von der Umgebung unter Kontrolle bekommen. So viele Waffen wie
möglich erbeuten und den Transport
zerstören.“ – So lautete die Aufgabe,
die dem Oberleutnant Michał Steczeszyn mit dem Pseudonym „Kalina“ und
der von ihm geführten IV. Kompanie
„Ewa“ übertragen wurde. Der Angriff
fand am 14. September 1944 im südöstlichen Polen statt, in der Nähe der
Ortschaften Pławna und Zborowice,
auf der Eisenbahnstrecke TarnówGrybów.
Die Aktion war lange im Voraus geplant. Der Nachrichtendienst der Tarnower Heimatarmee informierte über
den genauen Zeitpunkt, zu dem der
Zug mit militärischer Versorgung für
die Ostfront die Stecke passieren sollte.
In der Nacht vom 14. auf den 15. September erreichte die Kompanie „Ewa“
mit etwa 100 Soldaten Zborowice. Dort
sollte der Anschlag stattfinden.
Oberleutnant „Kalina“ verteilte seine Einheiten über die Steigung des
Kamms. Man legte Plastikminen. In
voller Bereitschaft hörte man das Rat-
Partisanenleben
Jan Golec ist 80 Jahre alt. Er war Partisan im Bataillon „Barbara“. Er erzählte uns, wie er zu den Partisanen
kam und wie sein Leben damals aussah: „Ich hatte Kontakte zur Wider-
tern der nahenden Lokomotive. „Wir
warteten sehr lange auf den Zug. Ungefähr um 2.30 Uhr hörten wir ihn herankommen und nahmen die zugeteilten Plätze ein. Es begann starker Beschuss. Einen Augenblick später fiel
die Entscheidung zum Rückzug. Wie
sich später herausstellte, war das ursprüngliche Ziel der Partisanen – der
schwach bewachte Munitions- und
Waffentransport – in Tuchów aufgrund eines Achsenschadens angehalten worden. Erst einige Stunden später fuhr er wieder los – jetzt mit einer
Panzerdivision an Bord, an Menschen
und Material den Partisanen also klar
überlegen. Und auf diesen Zug traf der
Anschlag.“
Die Stärke der deutschen Gegenwehr ließ die polnische Führung die
Kontrolle über die Aktion verlieren.
Die Einheit brach auseinander. Jeder
versuchte, sich auf eigene Faust zu
retten. Die einen flohen über den Stacheldrahtzaun oder unter starkem Beschuss über das freie Feld, andere versteckten sich in Gräben.
„Ich weiß nicht mehr und habe wohl
auch damals nicht mehr wahrgenom-
im Volk nicht zu stärken. Wenn überhaupt berichtet wurde, beschrieb man
die Aktivitäten der Partisanen als Überfälle von Verbrechern und bezeichnete die Partisanen selbst nur als „Banditen“, „Terroristen“ und „Agenten“.
Über die Erfolge des Polnischen Untergrundstaates informierte dagegen
die konspirative Presse. Leider wurde
der von uns thematisierten Partisanenaktivität in der Region um Ciężkowice
nicht viel Aufmerksamkeit gewidmet.
Zu jener Zeit wurde die Berichterstattung dominiert vom Warschauer Aufstand, der vom 1. September bis zum
2. Oktober 1944 dauerte.
In den Nachrichten vom 28. September 1944, einer Art Flugblatt, fanden
wir die Notiz: „In der Region Ciężkowice
ließen unsere Truppen in der Stärke einer Kompanie einen deutschen Militärtransport entgleisen.“
In der Geschichte beider Länder, Polen und Deutschland, kann man heute noch viele „weiße Flecken“ finden. Fakten wurden bewusst verschwiegen oder verfälscht. Die Wiederentdeckung der Geschichte und
die Erhellung ihrer „weißen Flecken“
ist eine ungewöhnlich schwierige Arbeit.
Sie zeigt aber sehr deutlich, wie einfach
man die Gesellschaft manipulieren und
ihr Bewusstsein verändern kann.
men, wie ich zum Standort des Bataillons beziehungsweise zu unserer Kompanie zurückkam“, berichtet Jaś, einer
der älteren Schützen.
„Mit Freudentränen in den Augen
begrüßten wir jeden, der aus Pławna
zurückkam. Einen halben Tag dauerte
es, bis der letzte wieder da war. Gott!
Was haben wir durchgemacht, bis die
Kameraden zurückgekehrt waren.“
Vier polnische Soldaten starben im
Kampf. Einige wurden schwer verletzt.
Aber trotz der großen Verluste war die
Aktion auch ein Erfolg: Für 18 Stunden
war die Eisenbahn an der Vorfrontlinie lahm gelegt. Einem Beobachter
des Nachrichtendienstes bei der Eisenbahn Tarnow zufolge wurden etwa
60 Tragen mit getöteten und verletzten
Deutschen aus dem Zug getragen.
Am Morgen darauf, am 15. September 1944, fiel ein Strafkommando
der SS, der Feldpolizei und der Gestapo als Vergeltung für die Partisanenaktion in das Dorf ein. „Ich sehe ihn
(den Hauptsturmführer SS) noch vor
mir, wie er mit dem Feldstecher da
steht und auf die Häuser zeigt, die verbrannt werden sollen“, berichtet Pater Jan Kozioł, damals Pfarrer der örtlichen Gemeinde. „Der SS-Mann führte mich zu einer Stelle, an der fünf ge-
tötete Partisanen mit dem Gesicht zur
Erde lagen. Mit dem Schuh, als wären
es irgendwelche Kadaver, dreht er die
Männer um und befiehlt mir, sie zu
identifizieren. Mir zog sich das Herz
zusammen. Ich kannte niemanden der
Männer und sagte: Sehen sie, das sind
alles Fremde.“
Auf Bitten des Pfarrers verließen die
Deutschen das Dorf, nahmen aber zehn
Geiseln mit, verletzten einige Kinder
und brannten 13 Höfe nieder.
Das Entdeckerteam aus Cie˛żkowice
Agnieszka Syrek (16), Kinga Cygan (15), Klaudia Tabiś (15) und Wojciech Filipowicz
(14) (v. l.)
„Weiße Flecken“. Dieser Ausdruck
war uns bis vor kurzem unbekannt
und weckte in uns keine Assoziationen. Das änderte sich mit unserer Teilnahme an dem Projekt [Weiße Flecken] von STEP 21. Das Entdeckerteam hat sich dem Projekt Anfang Mai 2005 angeschlossen.
Wir kennen uns alle aus der Schu-
le. Die Interviews mit Zeitzeugen des
Zweiten Weltkriegs führten Klaudia
und Wojtek. Kinga sammelte Andenken und Fotos aus dieser Zeit. Agnieszka koordinierte die gemeinsame Arbeit und erarbeitete die Schlusstexte.
Die Arbeit im Projekt war nicht leicht,
aber wir haben viel Mühe hinein gesteckt und sind jetzt sehr zufrieden.
LAGER ROLLWALD | SELIGENSTADT
22 [WEISSE FLECKEN]
„Natürlich haben die Leute gemunkelt“
Die Zeitzeugin Margot Berg erinnert sich an das Lager Rollwald
Außenkommando „Wiesenmühle“ des Lagers zur Rollwald – Zur landwirtschaftlichen Erschließung des Rodgaus wurden Häftlinge
eingesetzt. Foto: Sammlung Werner Stolzenburg
Rollwald, Ostern 2005. Ein idyllischer
Park. Hochgewachsene Bäume säumen den Schotterweg. In den Beeten blühen Tulpen und Narzissen. Nur
ein einsamer Gedenkstein zwischen
den Bäumen erinnert daran, dass es
hier vor nicht einmal 70 Jahren noch
ganz anders aussah. Davon zu berichten weiß Margot Berg, damals elf Jahre alt. 1938, am Karsamstag, wollte
sie mit dem Fahrrad von Jügesheim
über Rollwald nach Dieburg fahren.
„Ein Mann in Parteiuniform hielt mich
an. Er sagte: Hier kann niemand mehr
durchfahren, das Gebiet ist gesperrt!
Ich musste einen Umweg von vier Kilometern machen.“
Das war am 9. April. Am Montag
darauf wurde das Lager Rollwald eröffnet.
„Natürlich haben die Leute gemunkelt, drüben im Rollwald würden die
Nazis bauen. Aber wirklich gewusst
haben wir es nicht. Vielleicht wollte
auch keiner etwas wissen.“ Letzteres
ist wahrscheinlicher. Schließlich waren die Leiter des Lagers nicht von der
SS oder der SA sondern rangniedere
Parteifunktionäre, Einwohner der umliegenden Dörfer. „Es wurde nicht viel
drüber geredet. Mit denen wollte man
keinen Ärger haben, keinen Kontakt.“
Unfreiwillig in Kontakt mit dem
Lager kam Margot Berg bereits eineinhalb Jahre später: „Unser damaliger Nachbar hatte Hühner. Manchmal gingen meine Mutter und ich hinüber, brachten ihm Brot und bekamen im Gegenzug Eier. Eines Morgens,
STEP 21
im Herbst 1939, klopften wir vergeblich an seine Haustür. Doch wir dachten nicht lange darüber nach – zu dieser Zeit verschwanden viele.“
Wochen später war der Nachbar
wieder da. „Er kam zu uns und bat
um Brot. Er sah heruntergekommen
aus, war sehr dünn geworden. Er sagte nicht viel. Nachdem wir ihn mit Fragen bedrängt hatten, fing er ganz leise an zu berichten. Er sagte, es stimme,
was die Leute redeten. Ein Satz hat sich
für immer in meine Seele gebrannt. Nie
werde ich vergessen, mit welcher Angst
in den Augen er sagte: Ich darf nichts
erzählen, sonst muss ich zurück!“
Nach dem Krieg bleibt keine
Zeit, sich zu erinnern
Dieses Erlebnis hat die heute 78-Jährige sehr schockiert. Sie vermied von da
an jeglichen Kontakt mit dem Lager.
Sie wollte es vergessen, nicht mehr daran denken – wie viele ihrer Generation. Auch nach dem Krieg änderte sich
das nicht. „Nach dem Krieg hatten wir
besseres zu tun, als uns darum zu kümmern. Keiner wollte noch irgendetwas
mit dem Nazi-Kram zu tun haben.“
Verdrängung ist zwar keine schöne,
aber effektive Art der Vergangenheitsbewältigung. Selbst heute redet kaum
jemand über das Konzentrationslager
Rollwald – es sei denn, man fragt sehr
genau nach.
Knochenbrüche und Unterernährung
Das Lager Rollwald in Nieder-Roden
Um die Justizvollzugsanstalten zu entlasten, entstanden im Auftrag von
Reichsjustizminister Franz Gürtner
1935 unzählige Lager, unter anderem
das Lager Rollwald in Nieder-Roden.
Ob es sich bei dem Lager um eine KZAußenstelle gehandelt hat oder um ein
Straf- und Arbeitslager, lässt sich bis
heute nicht eindeutig sagen.
Vor dem Bau des Lagers war das
Gebiet bewaldet. Mit seiner Einrichtung wollte man gleich zwei Ziele erreichen. Aufgrund von Masseninhaftierungen wurde Platz für immer
mehr Strafgefangene nötig, deren Arbeitskraft nicht ungenutzt bleiben sollte. Zugleich sollte der Rodgau landwirtschaftlich erschlossen werden. So
mussten die Inhaftierten den Kiefernwald roden. Das Lager wuchs und
wuchs, der Name Rollwald entstand.
Es dauerte bis zum 11. April 1938,
dann war das Lager bezugsfertig. In
15 Holzbaracken mit einer Fläche
von 36,5 Metern Länge und 10 Metern Breite waren jeweils 100 Insassen untergebracht. Die Baracken hatten Maschendraht an den Fenstern
und waren in enge Tages- und Schlafräume unterteilt. Die Ausstattung bestand aus Tischen, Hockern, Bettzeug
und Strohsäcken. Notdurft wurde in
den Baracken in einem Salz- oder Heringsfass verrichtet. Zum Lager gehörten außerdem eine Kranken- und eine
Isolierstation mit jeweils 50 Betten sowie ein Operationsraum.
Erst- und Vorbestrafte wurden von
den anderen Arbeitsgefangenen getrennt. Insgesamt gab es in dem Lager
1.500 Gefangene und 200 Wachmänner. Häufige Knochenbrüche und Unterernährung kosteten vielen Inhaftierten das Leben. Dies wurde jedoch
verheimlicht. Die ärztliche Versorgung
war katastrophal, Ärzte ignorierten
Symptome und diagnostizierten häufig
Herzattacken, wo andere Ursachen für
den Tod der Gefangenen verantwortlich waren.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs
nutzten die amerikanischen Behörden
die Anlage drei Jahre lang als Kriegsgefangenenlager. Heute stehen auf
dem ehemaligen Lagergelände Häuser. Nur ein Gedenkstein erinnert an
die Vergangenheit dieses Ortes.
Team Fleckenlöser aus Seligenstadt
Häftlinge des Lagers Rollwald beim Appell zum Wochenbeginn am 23. 6. 1941. Foto: Sammlung Werner Stolzenburg
Kommentar
Das Lager vor unserer Haustür
David Grimm (20), Sebastian Steinheimer (19) und Johannes Herold (18) (hinten v. l.)
Eva Berg (19) und Michele S. White (19) (vorne)
Wir sind das Team aus Seligenstadt: David, Eva, Sebastian, Michele und Johannes. Wir kommen aus
Seligenstadt in Hessen, wo wir alle
den Geschichte-Leistungskurs in der
13. Klasse der Einhard Schule besuchen.
Unser Thema ist das Lager
Rollwald/Nieder-Roden. Wir haben
uns zu diesem Thema entschlossen,
da vielen die großen Lager wie Buchenwald und Auschwitz ein Begriff
sind, man die wirklich „greifbaren“,
unmittelbar in der Nähe gelegenen Lager aber oft überhaupt nicht
kennt. So ist das Lager Rollwald in
unserer Umgebung und bei der Bevölkerung kaum ein Thema, und den
Opfern wird die gebührende Erinnerung nur zum Teil gewährt.
Auschwitz, Bergen-Belsen, Buchenwald, Mauthausen – Orte des Schreckens, Synonyme, die zu Recht auf
ewig für die Verbrechen der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft
stehen werden.
Desinteresse, Verdrängung oder
Unwissen führen dazu, dass „kleinere“
Orte des Verbrechens wie das Lager
Rollwald Nieder-Roden in Vergessenheit geraten sind und zu „weißen Flecken“ in unserer Geschichte wurden.
Selbst im näheren Umkreis des Lagers wurde nach Kriegsende nicht an
die Opfer erinnert – stattdessen regte man sich über den Verlust des Waldes und das daraus entstandene Defizit in der Stadtkasse auf. Kein Gedanke wurde daran verschwendet, den
Friedhof zu pflegen. Heute stehen die
Angehörigen der Opfer vor einer ver-
steppten Fläche. Der Friedhof existiert
nicht mehr. Ein Mahnmal in Form eines Gedenksteins ist der letzte Beweis
für die Existenz des Lagers. Die Opfer
sind aus den Köpfen der Bevölkerung
verschwunden. Dabei können gerade
Lager wie Rollwald zeigen, dass Gräueltaten tatsächlich passiert sind, und
zwar nicht abstrakt – weit weg „im Osten“ – sondern real, eben hier, direkt
vor unserer Haustür.
Ein Förderverein hat sich von 2000
bis 2005 der Aufarbeitung der Lagergeschichte gewidmet. Daraus hervorgegangen sind unter anderem ein
Buch und eine Internetseite, die über
die Vergangenheit informieren. Doch
konnte der Verein seine Aufgabe erfüllen, die Bevölkerung Rodgaus darauf hinzuweisen, dass direkt vor ihrer
Nase ein Lager existierte? Wir haben
100 Jugendliche dazu befragt, denn
diese sind die Zukunft Deutschlands.
Sie haben die Aufgabe, mit der Vergangenheit zu leben, sie zu verstehen
und Lehren aus ihr zu ziehen. Von den
100 Jugendlichen wussten nur 25 von
der Existenz des Lagers. Ein ernüchterndes Ergebnis. Von diesen 25 wiederum wussten jedoch nur drei bereits vor der Arbeit des Fördervereins
vom Lager, die anderen 22 wurden
erst durch das Buch von Heidi Fogel
auf die Geschichte ihrer Region aufmerksam. Der Verein hat also zweifellos hervorragende Arbeit geleistet.
Dieses Beispiel sollte Schule machen
und dazu motivieren, weitere Vereine ins Leben zu rufen, die sich um die
Aufarbeitung lokaler Geschichte kümmern und dabei helfen, „weiße Flecken“ zu füllen.
LAGER ROLLWALD | SELIGENSTADT
STEP 21
[WEISSE FLECKEN] 23
Der Rodgau wird
fruchtbarer gemacht
Die Zeitungen schreiben von Flurbereinigung.
Die Gefangenen werden mit keiner Silbe erwähnt
Wir befinden uns im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt. Vor uns schier endlos schwarz-weiße Seiten, eine NegativAufnahme auf Mikrofilm: voller Meldungen über das „glor- und siegreiche
deutsche Volk“, Modewerbung, Kleinanzeigen, Gerichtsbeschlüsse, Sportergebnisse.
Wir suchen in Ausgaben des Darmstädter Tagblatts vom Frühjahr 1938
nach Spuren des Lagers Rollwald, das
am 11. April 1938 eingerichtet wurde.
An diesem Montag, einen Tag nach der
Volksabstimmung über den „Wiederanschluss“ Österreichs ans Großdeutsche Reich, jubiliert man auf der Titelseite: „99,08 Prozent sagen Ja!“
Die Artikel schäumen über vor Lobgesang auf Hitler. Kein Wort über das
neue Gefangenen- und Arbeitslager,
nicht einmal im Lokalteil Hessen. Dort
berichtet man lieber von einem Besuch
des Bürgermeisters von Griesheim in
der städtischen Volksschule.
In der Ausgabe vom 26. März 1938
werden wir ansatzweise fündig. „Der
Rodgau wird fruchtbarer gemacht“,
heißt es in einem Bericht über die geplante Begradigung der Flüsse Rodgau, Gersprenz und Bieber. Dass es
Gefangene des Lagers Rollwald sein
werden, die in den kommenden Monaten neue Flussbetten ausheben und alte trocken legen, wird mit keinem Wort
erwähnt.
Auch im Stadtarchiv Offenbach findet sich keinerlei Hinweis auf die Einrichtung des Lagers. Am 15. Januar
1938 heißt es in den Offenbacher Nachrichten „Der Rodgau soll fruchtbarer
gemacht werden“. Dass dies durch die
Gefangenen des Lagers Rollwald verwirklicht werden soll, wird wie schon
im Darmstädter Tagblatt mit keiner
Silbe erwähnt.
In den folgenden Monaten und Jahren wird das Lager nicht einmal erwähnt. Dabei berichten die Zeitungen
durchaus darüber, dass der Rodgau
immer mehr genutzt werden soll; etwa
am 27. Mai 1938, wo es heißt: „Offenbachs Abwässer werden zum Rodgau
geleitet“. Auch als das Lager 1945 zum
Internierungslager
umfunktioniert
wird, schreiben die Zeitungen nichts
über die „alten Räumlichkeiten“.
Erst 1953 wird der Rollwald wieder
in der regionalen Presse erwähnt, aber
nicht etwa um den Opfern zu gedenken.
Die wirtschaftlichen Verluste durch die
Abrodung des Waldes stehen im Zentrum der Berichte. Wut angesichts der
Jahresverluste von bis zu 150.000 Mark
wird in Berichten der Offenbach Post
vom 17. und 26. September 1953 laut.
Die so genannte „Rollwald-Misere“ wird sogar im Landtag thematisiert. Der Kreis fordert eine Wiedergutmachungszahlung von insgesamt
1,2 bis 1,8 Millionen Mark. Die Begründung: „Die Erosion des Bodens sei
so katastrophal, dass schon heute an
vielen Stellen die fruchtbare Erde weggeweht sei und der blanke Kies oder
Fels herausschaue. Riesige Staubwolken würden bei stürmischem Wetter
bis nach Hanau (ca. 30 km von Rollwald entfernt) geblasen. Das Forstamt
habe nachgewiesen, dass an manchen
Tagen ein Zentimeter Höhe der Ackerkrume weggeweht werde. Der Rollwald ist ein Schandfleck für ganz Hessen und ein Schulbeispiel dafür, was
aus einer Landschaft zu werden droht,
wenn man nicht rechtzeitig geeignete
Maßnahmen ergreift.“
Erst am 23. Juli 1955 wird in der
Offenbach Post an die „Vergessenen
Toten zwischen Gras und Gestrüpp“ erinnert. Hier wird klar, dass zehn Jahre nach Ende des NS-Regimes den Toten der nötige Respekt nicht gewährt
wird: Ihre Gräber sind komplett überwuchert, dabei sind sie die letzten Erinnerungen an das Lager. Heute existieren nicht mal mehr sie.
In den folgenden Jahren ist das Lager kein Thema für die Bewohner Rodgaus. Ab und zu erscheint ein Leserbrief. So schreibt ein ehemaliger Insasse
am 17. Februar 1981, dass es ein Skandal sei, außer auf einer Gedenktafel in
Dachau keinen weiteren Hinweis auf
das Lager Rollwald finden zu können.
Erst in neuester Zeit begann ein
Förderverein, sich der Aufgabe zu widmen, den „weißen Fleck“ Rollwald aufzuarbeiten. Gegründet Anfang 2000,
beauftragte er die Autorin Dr. Heidi Fogel, die Geschichte der Nazi-Einrichtung zu erforschen. 2004 erschien ihr
Buch „Das Lager Rollwald – Strafvollzug und Zwangsarbeit“, dessen Verkaufszahlen selbst den Förderverein
überraschten. Der Verein hat sich Ende
November 2005 aufgelöst. Eine Internetseite informiert aber weiterhin über
das Lager Rollwald.
Darmstädter Tagblatt vom 26. 3. 1938: „Der Nationalsozialismus vollbrachte (in nur vier Jahren) die vierfache Leistung (im Vergleich
zum alten System). Dazu kommt, dass die Kosten … um 60 % niedriger wurden.“ Dass diese „Erfolge“ auf den Einsatz von Zwangsarbeitern zurückgehen, wird mit keiner Silbe erwähnt.
In der rechten Spalte nationalsozialistische Propaganda: Die Wahlrede des Gauleiters Sprenger wird unkommentiert an den Leser
weitergegeben. Hessisches Staatsarchiv Darmstadt
+ + + + [Weiße Flecken]-Paten + + + + [Weiße Flecken]-Paten + + + + [Weiße Flecken]-Paten + + + + [Weiße Flecken]-Paten + + + +
Iris Berben
Schauspielerin
„Wir müssen unsere Geschichte kennen.
Nur dann sind wir für die Gegenwart
gewappnet und können positiv unsere
gemeinsame Zukunft gestalten.“
Prof. Dr. Wolfgang Benz
Johannes B. Kerner
Talkmaster und Sportreporter
Historiker und Leiter des Zentrums
„Verantwortlicher Journalismus und
für Antisemitismusforschung
„Forschende Aneignung – statt bloßer der kritische Umgang mit Medien werden bei [Weiße Flecken] von JugendBetroffenheit – ist der Weg, Kenntnis
zu gewinnen und Erinnerung verste- lichen gleichermaßen trainiert: Ein
originelles und wichtiges Projekt von
hend zu bewahren. Deshalb begrüße
STEP 21, das ich gerne unterstütze.“
ich das Projekt [Weiße Flecken] und
wünsche ihm Erfolg, als Beitrag zur
Verständigung und zum Frieden über
geographische und generationelle
Grenzen hinweg.“
Shlomo Sally Perel
Autor
„Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer es ist,
über die oftmals schmerzhaften Erinnerungen an den
Holocaust zu sprechen. Aber: Ein Zeitzeuge ist der
beste Geschichtslehrer.
Deswegen finde ich [Weiße Flecken] so gut: Junge
Menschen ergreifen die Initiative und gehen auf diejenigen zu, die aus eigenem Erleben von Auschwitz, vom
Krieg und vom Faschismus erzählen können.
Und die Zeitzeugen finden so den Mut, auf die junge Generation zuzugehen und ihre eigenen Erinnerungen weiter zu geben. Denn nur Aufklärung kann eine Wiederholung der Geschichte verhindern. Nur wer
um die Vergangenheit weiß, kann aus ihr lernen und
für Verständigung, Verständnis und für Annäherung
eintreten.“
Unterstützen auch Sie unsere Arbeit!
Stiftung STEP 21
Spendenkonto:
SEB Bank
BLZ 480 101 11
Konto 1 372 924 100
HITLERJUGEND | SOEST
24 [WEISSE FLECKEN]
Kinder – Nachschub für die Front
nannte man die Kinder im Deutschen
Jungvolk – wurden über die Ferien in
bombenfreie Gebiete geschickt. Der
Krieg war so zumindest für diese Zeit
„ganz weit weg“. Als eine Art Pfadfinderlager angepriesen, nutzten die Nationalsozialisten die Kinderlandverschickung aber auch, um die Jugend
ideologisch zu drillen.
Bald brauchten die Nazis „Nachschub“ für die Millionen gefallener
Soldaten. Also steckten sie meist noch
nicht mal 16-jährige Jungen in Uniformen und schickten sie als bewaffnete Soldaten in den so genannten Volkssturm. Tausende starben, als der Krieg
Fanfarenzug der Hitlerjugend vor dem Soester St. Patrokli-Münster. Datum unbekannt.
für Deutschland längst verloren war.
Foto: Stadtarchiv Soest
Mehr Glück hatten die Soester Hitler1. Dezember 1936 war die Mitglied- jungen. Kurz vor dem Sturm der Ameri„Eine gewalttätige, herrische,
schaft in der Organisation Pflicht. Für kaner wurden die Jugendlichen von der
unerschrockene, grausame Jugend
viele Jugendliche war der Dienst in der westlichen Frontlinie abgezogen und
will ich ...“
Hitlerjugend jedoch weit mehr als rei- entgingen so vielfach dem Tod.
Adolf Hitler
ne Pflichterfüllung. Für sie war die HJ
„Ich brauchte nur zu brüllen, den Dau- eine Art Jugendtreff, wo sie zusammen
mit ihren Freunden zum Beispiel Reimen auf und ab zu bewegen und die
Liegestütze zu zählen … Die armen ten und Segelfliegen konnten – SportKerle stöhnten und schwitzten, schnap- arten, die sonst sehr teuer waren.
Trotz der gesetzlichen Pflicht wurpten nach Luft, aber sie gehorchten“,
erinnert sich ein Hitlerjugendführer de die Teilnahme an Großveranstalan seine Zeit in der NS-Jugendorga- tungen wie Paraden und Aufmärschen
in Soest nicht brutal erzwungen. Wer
nisation.
Drill, Gehorsam und Uniformität andere „volksgemeinschaftliche Dienswurden der deutschen Jugend im Na- te“ in einer Musikkapelle oder bei
Sportwettkämpfen erbrachte, konnte
tionalsozialismus eingeimpft. Sie sollte
körperlich fit und wehrfähig gemacht, zu Hause bleiben.
1940, der Krieg war in vollem Ganihr Wille sollte gebrochen werden. Bege, erließ Hitler eine Verordnung zur
deutend wurde die 1922 gegründete
genannten
Kinderlandverschi- Soester Jungvolk. Datum unbekannt.
Hitlerjugend (HJ) mit der Machtergrei- so
fung der Nazis im Jahre 1933. Ab dem ckung. Pimpfe und Jungmädel – so
Foto: Stadtarchiv Soest
Kinder als Kanonenfutter
STEP 21
Kommentar
Mit offenen Augen
Folgsamkeit, Führertreue, Ausdauer
und Nationalismus – dies waren Leitwörter der Hitlerjugend. Aus heutiger Sicht klingt das ausnahmslos negativ. Damals jedoch waren viele freiwillig Mitglied in der Jugendorganisation der NSDAP.
Von 1936 an war es keine Frage
mehr, ob man mitmachen wollte. Wer
nicht in die Hitlerjugend eintrat, wurde dazu gezwungen; zum Teil sogar gegen den Willen der Eltern von der Polizei zu Hause abgeholt.
Nach unseren Recherchen fragen
wir uns: Könnte sich heute eine Jugendorganisation durchsetzen, die
Folgsamkeit und das Aufgeben der eigenen Persönlichkeit verlangt, die den
Willen ihrer Anhänger bricht und dafür Zusammenhalt und Freundschaft
verspricht?
Beispiele wie der Versuch eines australischen Lehrers, eine HJ-ähnliche
Organisation an seiner Schule zu etablieren, sprechen dafür. Diese authentische Geschichte wird in dem Jugendbuch „Die Welle“ erzählt. Auch heute
noch gibt es Außenseiter, die in einer
Organisation, die Gleichheit und Einheit verspricht, ihre Chance sehen.
Die Möglichkeiten, Jugendliche anzusprechen, sind enorm gewachsen.
Während es früher nur den „Volksempfänger“ und Zeitschriften gab, buhlen
heute zahllose Bands mit extremen politischen Ansichten oder Internetseiten
um Aufmerksamkeit. Die Gesellschaft
ist offener. Wir werden von allen Seiten beworben – Vereine, Konzerne, Organisationen beeinflussen unsere Mei-
nung und wollen unsere Stimme für
sich gewinnen.
Wir sind die Generation der Möglichkeiten, kaum eine Chance wird uns
verwehrt. Es ist kaum denkbar, dass
sich in diesem Zusammenhang noch
eine Idee durchsetzt, die andere Ideen
so stark bekämpft wie der Nationalsozialismus.
Damals gab es nur vereinzelte Widerstandsgruppen wie die „Weiße Rose“.
Würde das heute anders aussehen?
Nach der NS-Zeit entstanden viele unterschiedliche Bewegungen wie die Hippieoder Punkszene. Gesellschaftliche Minderheiten begannen sich zu emanzipieren. Die Menschen fingen an, ihre Chancen wahrzunehmen und zu handeln,
wenn ihnen etwas nicht gefiel. Auch Jugendliche. So entstand die Punkbewegung als Subkultur, weil Jugendliche in
England keine Zukunft mehr sahen und
ihrer Unzufriedenheit Ausdruck verleihen wollten. Auch in Deutschland zogen
vergleichbare Bewegungen viele Teenager an. Die Nachkriegsgeneration wollte mit Vaterland und Führerkult nichts
zu tun haben. Die eigene Meinung war
gefordert, der Do-it-yourself-Gedanke
rückte in den Vordergrund.
Heute gehen Jugendliche mit offeneren Augen durch die Welt und machen sich mehr Gedanken um die nationale Politik als damals. Das beweisen politische Festivals, Projekte und
Aktionen der Jungparteien. So gesehen ist die erneute Entstehung einer
deutschlandweiten, gleichgeschalteten
Jugendorganisation, wie es die HJ war,
unwahrscheinlich.
Der Bombenangriff in Soest im Spiegel der Presse
Was genau geschah in Soest am 28. tik wurden dagegen außen vor gelassen,
um nicht den Eindruck zu erwecken,
März 1945? Eine eindeutige Antwort
wird man auf diese Frage wohl nie er- dass Deutschland am Ende war und der
Zusammenbruch bevorstand.
halten. Die strenge Pressezensur des
Stattdessen berichtete der Soester
Naziregimes ließ auch in den Lokalzeitungen keine Themen zu, die nicht in Anzeiger über die Heldentaten der Hitlerdas System der Propagandamaschine- jugend an der Ostfront. „Ausnahmslos
kriegsfreiwillige“ Jungen hätten gegrie Joseph Goebbels’ passten.
nerische Panzer zerstört, überall dort
Ob dies auch auf den Bombenangriff
der US-Amerikaner auf den Zug bei So- „wo überraschend sowjetische Panzer
est zutraf, ist nicht sicher. Die National- durchbrachen“. Die reale Lage sah aber
sozialisten hätten den Angriff zur Het- ganz anders aus. Am 5. März 1945 hatze gegen die Alliierten nutzen und die- te die Wehrmacht angeordnet, alle 16se als Kindermörder verleumden kön- Jährigen zum Kriegsdienst an die Front
nen. Umso erstaunter waren wir, als wir zu schicken. Der Krieg war bereits so
in der Lokalzeitung aus Soest keine ein- gut wie verloren, die Westfront besiegt.
zige Meldung zum Angriff fanden, ledig- Im Osten machte die Sowjet-Armee imlich allgemeine Artikel über den Krieg. mer mehr Boden wett – nur zwei Wo„Verstärkter Feinddruck zwischen Sieg- chen später begann die Schlacht um
burg und Koblenz“ lautete eine Über- Berlin. Dass ihre Kinder als Kanonenschrift am 29. März 1945 im Soester An- futter in einen verlorenen Krieg zogen,
sollten die Deutschen natürlich nicht in
zeiger. Auch wurde gemeldet, dass die
der Zeitung lesen.
Amerikaner zwischen Mainz und dem
Um Ereignisse in das umzuwandeln,
Odenwald durch „bessere Materialausnutzung“ weitere Fortschritte erziel- was das Volk von diesen denken sollte,
ten. Details zum Kriegsverlauf oder Kri- rief Joseph Goebbels auf einer Reichs-
pressekonferenz in Berlin regelmäßig
Journalisten zusammen. Dort wurde ihnen vorgegeben, was sie zu schreiben
hatten und was auf keinen Fall erwähnt
werden durfte. Zeitungen wurden
gleichgeschaltet, kritische Journalisten
erhielten Arbeitsverbot, ganze Zeitungen wurden verboten. Es gab aber auch
viele Journalisten und Verleger, die sich
freiwillig anpassten und hinter dem Nationalsozialismus und seiner Propaganda standen.
Ausschnitt aus dem Soester Anzeiger vom 29. 3. 1945. Stadtarchiv Soest
„
Team Memo aus Soest
Anna Tenholt (16), Salima Hamadou-Sroka (16), Eva Heymig (17),
Dorothea Jebe (17) und Lena Scharwei (17) ( v. l.)
Wir sind das Team Memo aus Soest.
Bei Memo fielen uns die kleinen gelben Notizzettelchen ein, und das fanden wir passend für unser Team. Denn
unsere Artikel sollen euch, indem
sie an die Vergangenheit erinnern,
ein Merkzettel für die Zukunft sein.
Wir, das sind: Anna, die Kritische,
Salima, die antreibende Kraft, Eva,
die Engagierte, Doro, die Kreative,
Lena, die zum Nachdenken anregt.
„Das Leben kann nur rückblickend
verstanden werden. Es muss aber
vorausschauend gelebt werden.“
Sören Kierkegaard (1813–1855)
“
Möbelwagen voller Leichen
Der Soester Hans Fuest über den Bombenangriff auf seine Heimatstadt
Rosen und Strauchbäume im Vorgarten,
ein schön bunt geschmückter Fenstersims und freudiges Kindergeschrei
empfangen die Gäste im Mehrfamilienhaus der Familie Fuest im Soester Norden. Auch der kleine Mischlingsrüde,
der zwischen den Beinen seines Besitzers hindurchschlüpft, freut sich über
den Besuch. Doch die Geschichte, die
der 75-jährige Hans Fuest erzählt, passt
so gar nicht in dieses idyllische Bild.
Als 15-jähriger Knabe erlebte er
den Angriff der amerikanischen Jagdbomber auf die Essener Hitlerjungen
in Soest mit: „Das war der schlimmste Tag meines Lebens!“, fasst er die Ereignisse jenes Tages zusammen.
Als der Sirenenalarm einsetzte, flüchtete Fuest mit seinem Bruder in einen
nahe gelegenen Bunker. „Von da aus
hörten wir die Jagdbomber. Als der
Angriff vorbei war und wir zurückkamen, sahen wir die Verletzten und Toten. Überall war Blut, und schreiende
Menschen liefen durcheinander. Es war
furchtbar“, berichtet er sichtlich bewegt. „Ein Junge lag schreiend auf dem
Hydranten vor unserem Haus. Mein Vater, damals Schrankenwärter, hob den
Jungen herunter, dabei fiel dem Opfer
der gesamte Unterkörper ab. Es war
kein Blut zu sehen. Der Junge muss bereits im Zug auseinander gerissen, doch
durch den starken Luftdruck wieder zusammengepresst worden sein.
Die Sanitäter halfen, wo sie nur
konnten“, erzählt Fuest weiter. „Sie
versuchten, mit Tischtüchern, Bettlaken und Gardinen die Verletzten zu
verbinden. Die Jugendlichen flüchteten aus dem noch langsam fahrenden Zug. Ein Teil rannte in Richtung
der nahe gelegenen Zuckerfabrik. Der
Rest versuchte, sich in Richtung Stadtmitte zu retten. Diejenigen, die in Richtung Zuckerfabrik davonrannten, kamen fast alle davon. Die Jugendlichen
jedoch, die über den Bahndamm liefen,
wurden auf dem freien Feld abgeknallt
wie Hasen bei der Treibjagd“, beschreibt Fuest den Angriff und schüttelt verständnislos den Kopf.
Er schildert weiter, dass die Toten
in Möbelwagen abtransportiert werden mussten, da keine anderen Fahrzeuge zur Verfügung gestanden hätten.
Dieses Bild hat sich bei ihm eingebrannt: „Noch heute sehe ich den
Möbelwagen mit den Toten auf der
Straße stehen, wenn ich den Bahnübergang überquere“, erzählt Fuest.
Er selbst wünscht sich endlich eine
heile und friedliche Welt. „Ich habe gesehen wie Menschen alles verloren haben. Auch unser Haus wurde weggebombt. Das Leben ist zu kurz, um es
mit Hass und Krieg zu vergeuden. Wir
sollten froh über das sein, was Gott
uns schenkt und wie er uns geschaffen
hat.“
Skizze eines Bombenangriffs
In den letzten Kriegswochen, am
28. März 1945, bombardierten amerikanische Jagdbomber kurz vor Soest
einen Zug. Im Zweiten Weltkrieg war
dies allein nichts Besonderes – alle
Kriegsparteien versuchten zu verhindern,
dass der Gegner Nachschub an die
Front bringen konnte. Dafür nahmen
sie auch den Tod von Menschen in
Kauf. Doch in diesem Zug waren weder
Soldaten noch Waffen – sondern Hitlerjungen aus Essen. An Bord waren, je
nach Quelle, zwischen 400 und 1.200
Jugendliche im Alter zwischen 15 und
18 Jahren. Laut Chronik der Reichsbahn starben 32 von ihnen, 76 wurden
verletzt. Wie viele von ihnen noch in Lazaretten und Krankenhäusern starben,
ist durch das Chaos der letzten Kriegswochen nicht mehr feststellbar. Ein Großteil der Jungen, Fähnlein- und Jungzugführer des Jungvolks, sollte nach Korbach (nahe Kassel) evakuiert werden,
da die englischen Truppen schon am
Westrand des Ruhrgebiets standen. Der
Rest war auf dem Weg nach Mitteldeutschland, um als Luftwaffenhelfer
zu dienen. Während der 16-stündigen
Fahrt wurde häufig Fliegeralarm ausgelöst. So auch kurz vor Soest. In der Nähe
eines Waldes stoppte der Zug. Die Insassen suchten Deckung, doch nichts
passierte. Nach einiger Zeit setzte der
Zug seine Fahrt fort. Kurz vor der Stadt
griffen Tiefflieger den Zug an. In Panik
sprangen die Jungen aus den Waggons
und versuchten, sich in der näheren
Umgebung in Sicherheit zu bringen.
Die Bomber setzten ihren Angriff fort.
ZWANGSARBEIT | BAD ZWISCHENAHN
STEP 21
Das traurige Singen
Eine Zeitzeugin erinnert sich an die Zwangsarbeiter der Firma Intelmann
„Die Leute haben bei der Arbeit immer
diese traurigen Lieder gesungen“, berichtet Hannelore Vock in Gedanken
versunken. Sie ist die Tochter des damaligen Bad Zwischenahner Bürgermeisters Roggemann, der von 1933
bis 1945 im Amt war. Das Grundstück
der Bürgermeisterfamilie grenzte an
das Betriebsgelände der Firma Intelmann, in der hauptsächlich Holzspulen
für Garn hergestellt wurden. Mehrere
hundert Zwangsarbeiter waren in diesem Unternehmen tätig.
„Wir brauchten keinen Wecker. Morgens zwischen sechs und halb sieben
gingen ein paar hundert Leute an unserem Haus vorbei. Meistens hatten sie
Holzlatschen an, manche hatten auch
nur Lappen um die Füße gewickelt. Ich
habe selbst einmal gesehen, dass da
welche im Schnee barfuß liefen, weil
sie keine Schuhe hatten“, erinnert sich
Hannelore Vock an ihre Kindheit in der
NS-Zeit. Jeden Morgen wurden die russischen Arbeiter von den Baracken in
dem wenige Kilometer entfernten Ort
Specken an ihrem Haus vorbei zur Firma Intelmann geführt. „Die wurden
bewacht, mit Gewehren“, berichtet sie.
Wer den Zwangsarbeitern
Essen brachte, dem drohte
Prügel oder Schlimmeres
1944 war Vock zehn Jahre alt. Oft
stand sie gemeinsam mit anderen Kindern hinter einer Mauer, um die Män-
ner und Frauen zu beobachten. „Sträflingsanzüge trugen sie keine, wie Gefangene sahen sie nicht aus“, erklärt
sie nachdenklich. Dennoch war das
Firmengelände mit einer Mauer umgeben, so dass keiner der Arbeiter entkommen konnte. Hinter dem am Bahnhof gelegenen Haus des Mädchens waren kräftige Männer damit beschäftigt,
Baumstämme von der Bahn herunter zu rollen und zu stapeln. Auf dem
Hof bauten sich die Kinder oft Buden
aus den Holzstämmen und versteckten
sich dort. „So waren wir oft bei den Arbeitern“, begründet sie die Verbundenheit mit den Fremden. Diese Menschen
hatten wenig zu Essen, das erkannte
das junge Mädchen bald und brachte
ihnen Wurzeln, Kartoffeln oder Kohl
aus dem eigenen Garten – wohl wis-
Fremdarbeiter und Freund
Die Geschichte einer deutsch-polnischen Freundschaft
Neben der wachsenden Zahl an
zwangsverschleppten polnischen Arbeitskräften kamen einige Polen – zum
Teil schon seit Jahren – freiwillig zum
Arbeiten nach Deutschland. Dabei entstanden Freundschaften. So etwa zwischen dem Polen Josef Selinger und
dem damals zehnjährigen Adolf Harms
aus Garnholt bei Westerstede.
„Der Josef war ein guter Mann“, erzählt Adolf Harms. Als die beiden sich
1939 kennen lernten, war Josef Selinger bereits zum 18. Mal als Erntehelfer
nach Deutschland gekommen. „Es ist
wichtig, dass zwischen Zwangs- und
Fremdarbeitern unterschieden wird“,
erklärt Harms weiter. „Josef ist nie unter Zwang nach Deutschland gekommen. Er verdiente hier Geld für seine Familie, die in einem Dorf in Polen lebte.“ Zwei Jahre später war die
Freundschaft der Familie gegenüber
Josef so intensiv, dass Vater Harms Josef über den Winter zu seiner Familie
nach Polen schickte. Im darauf folgenden Frühling kam Josef unter ei-
Unwichtiges Unglück
Im Ammerland wurde über die vorbildliche
Leistung ansässiger Firmen berichtet. Das
Schicksal der Zwangsarbeiter war nur eine
Randnotiz wert.
Das nach dem Brand restaurierte Gebäude der Firma Intelmann in den 1960er Jahren.
Das Verwaltungsgebäude der Holzspulenfabrik (hinten links) wird heute als Jugendzentrum „Stellwerk“ genutzt“. Foto: Otto Renken
Die polnische Familie Selinger. Monica
und Gina (hinten v. l.); Maria und Josef
(vorne) Foto: A. Harms
nigen Schwierigkeiten zurück nach
Garnholt auf den Betrieb der Familie
Harms. Die Einreise nach Deutschland
war zu diesem Zeitpunkt bereits erschwert, da Josef keine Arbeitserlaubnis mehr besaß.
1942 brachte Josef seine ganze Familie mit nach Deutschland. Auch seine Frau Maria und seine jüngste Tochter Gina arbeiteten im Betrieb der Familie Harms mit, die älteste Tochter
send, dass es Prügel gab, wenn sie erwischt wurde. Um nicht entdeckt zu
werden, versteckte sie das Essen für
die Arbeiter in ihrer Holzbude. Auch
ein benachbarter Bäcker wollte helfen und schob sein übrig gebliebenes
Brot unter dem Zaun durch. Eines Tages wurde der hilfsbereite Bäcker erwischt und in ein Konzentrationslager
eingewiesen. Später starb er an den
Folgen der Tortur.
Am 16. April 1945 wurde die Fabrik
von Tieffliegern der Alliierten beschossen. Ein großer Teil des Gebäudes wurde zerstört. Rettungskräfte versuchten vergeblich, das Feuer zu löschen.
Die heute 71-jährige Hannelore Vock
wird diese Zeit nie vergessen. „Es war
schrecklich. Allein dieses traurige Singen, das höre ich heute noch oft.“
Monica auf einem Hof in der Nachbarschaft. Dort wurde sie aber nicht so
gut behandelt, wie Monica später der
Familie Harms erzählte.
Fremdarbeiter wurden von ihren
Landsleuten nach Kriegsende als Kollaborateure verdächtigt und bestraft.
1945 kam die polnische Polizei nach
Garnholt und „befreite“ die Fremdund Zwangsarbeiter, teilweise auch
mit Gewalt. Sie fragten die polnischen
Arbeiter, ob sie gut behandelt worden
seien. War dies nicht der Fall, wurden
die deutschen Bauern bestraft. Waren
aber die polnischen Arbeiter freiwillig
dort und hatten sogar Freundschaften
entwickelt, wurden die Fremdarbeiter als Verräter verdächtigt und mitgenommen. Auch Josef wurde unter
Zwang von der polnischen Polizei weggebracht, erzählt Adolf Harms.
Obwohl Adolf Harms Jahre später
versucht, bei der polnischen Botschaft
Informationen über den Verbleib von
Josef Selinger zu bekommen, bleiben er und seine Familie spurlos verschwunden. „Ich befürchte, dass es Josef nicht mehr gibt“, sagt Harms und
starrt betroffen ins Leere. Er nimmt
an, dass Josef hingerichtet wurde.
[WEISSE FLECKEN] 25
In Oldenburg und im Landkreis Ammerland, zwei Hochburgen des Nationalsozialismus, erschienen mehrere
Lokalzeitungen: die Oldenburger Stadt
und Land, die Oldenburgsche Landeszeitung und Der Ammerländer. Schon
früh waren diese Zeitungen von der
NSDAP beeinflusst, die in der Region
bereits vor 1933 viele Anhänger hatte und großen Einfluss auf die Medien ausübte. Über die Firma Intelmann,
die in Bad Zwischenahn nachweislich
mehr als hundert Zwangsarbeiter beschäftigt hat, ist in keiner der Zeitungen berichtet worden. Jedoch stießen
wir in der Oldenburger Stadt und Land
auf einen Artikel über die Warpsspinnerei in Oldenburg, die als Musterbeispiel für einen ordentlichen Betrieb ei-
ne Urkunde im Namen des „Führers“
erhielt. Die Zwangsarbeiter, die nachweislich auch in dieser Firma gearbeitet haben, wurden nirgends erwähnt.
Nie erschienen Bilder von Baracken
oder Berichte über Krankheiten und
Bestrafungen von Zwangsarbeitern.
Exemplarisch für zahllose Betriebe
zeigt dieser Fund, dass das Schicksal
von Zwangsarbeitern hingenommen
oder gar nicht erst wahrgenommen
wurde. Was zählte und belohnt wurde,
war allein die „gute Leistung“.
Über das Zugunglück in Bad Zwischenahn, bei dem 32 Zwangsarbeiter
ums Leben kamen, erschien ein kurzer
Bericht in den Meldungen der Gestapo Oldenburg, nicht aber in einer der
lokalen Zeitungen. Möglicherweise erschien den Menschen das Zugunglück
zu nebensächlich, um eine Meldung
zu bringen. So gibt es gerade im Ammerland viele „weiße Flecken“, die bis
heute nicht gefüllt wurden.
Oldenburger Stadt und Land von 1939 über die Leistungserfolge der Warpsspinnerei
Kommentar
Die Schwierigkeit der Materialauswahl
In unserem Umfeld – das haben wir
festgestellt – stecken viele Geheimnisse, die tatsächlich als „weiße Flecken“
sichtbar wurden: Geleugnete Vertreibung, wilde Euthanasie, unbeachtete
Kindergräber oder tolerierte Zwangsarbeit. Letzteres regte uns besonders
zum Nachdenken an, da das Bad Zwischenahner Jugendzentrum der erhalten gebliebene Teil des ehemaligen Fabrikgebäudes der Firma Intelmann ist.
Vor etwas mehr als 60 Jahren waren
in diesem Gebäude über 100 Zwangsarbeiter unter den wachsamen Augen
der Nationalsozialisten tätig.
Um herauszufinden, was damals
wirklich geschah, haben wir diverse
Quellen recherchiert. Wir führten acht
Interviews mit Zeitzeugen und Experten. Dabei haben wir die Unsicherheit
im Umgang mit Zeitzeugen verloren
und Einblicke in die Vergangenheit bekommen. Über die Schicksale der Menschen nachzudenken, Erzählungen zu
hinterfragen und über die heutigen
Auswirkungen der Vergangenheit zu
diskutieren – all das wurden zentrale
Bestandteile unserer Gruppenarbeit.
Beim journalistischen Teil des Projekts mussten wir feststellen, wie viel
Überwindung es kostet, Berichte über
recherchierte Fakten wegzuschmeißen, weil sie nicht verwendet werden
können. Für uns war es wichtig, die
verschiedenen Facetten der Zwangsarbeit aufzuzeigen, weil uns vor allem
die Entschlossenheit einzelner Menschen beeindruckt hat: Der Mut des
Bäckers, die Erinnerungen der Bürgermeistertochter und die seltenen
besonderen Freundschaften zwischen
Deutschen und den als „Menschen
zweiter Klasse“ diffamierten Fremdbzw. Zwangsarbeitern.
Uns wurde klar, dass wir die Ereignisse der Vergangenheit nicht mehr
ungeschehen machen können. Daher
bleibt uns nur, auf sie hinzuweisen.
Team Tracing aus Bad Zwischenahn
32 Zwangsarbeiter aus Rotterdam sterben bei Zugunglück
Die Deportation von 1.500 streikenden
Niederländern endet mit einem Zusammenstoß im Bad Zwischenahner Bahnhof.
Es war im November 1944. Der Kriegsapparat der Nationalsozialisten lief auf
Hochtouren. Zur selben Zeit legte in
dem von den Deutschen besetzten Rotterdam ein Generalstreik wichtige Industriezweige lahm. Da aber Rüstungsgüter schnell verladen werden sollten,
wurden alle streikenden Männer im
Alter zwischen 16 und 55 Jahren zur
Strafe in Sammelstellen getrieben: Ein
Akt der Willkür, wie er für diese Zeit, in
der der Krieg eigentlich schon verloren
war, charakteristisch war.
Unter den Männern befand sich
Cornelius de Jong. Der 24-jährige Familienvater wurde am 10. November
1944 gegen fünf Uhr aus dem Bett gejagt und mitgenommen. Alles was er
bei sich tragen durfte, war eine Decke. Nachdem er in einem verdreck-
ten Kahn über das Ijsselmeer gebracht
wurde, begann der drei- bis vierstündige Marsch in das für seine Grausamkeiten berüchtigte Sammellager Wezep. Dort warteten schon SS-Männer.
„Da war einer unter ihnen, der hatte
einen Haken an der Hand. Wenn man
an ihm vorbei ging, schlug er schmerzhaft auf die Leute ein“, erinnert sich de
Jong. Caspar Sla, ein weiterer Überlebender, berichtet von getöteten Flüchtlingen, die zur Abschreckung überall
herumlagen. Nach einer Woche begann
der Transport über Groningen mit dem
Ziel Südweihe bei Bremen. Dort sollten
sie für die Deutsche Reichsbahn zur
Erdarbeit eingesetzt werden. Doch sie
kamen nie an. Am 20. November 1944
um 2:45 Uhr prallte der vollbesetzte
Zug im Bahnhof Bad Zwischenahn auf
einen stehenden Güterzug.
„Wir waren von dem Knall aufgewacht, ich habe nur die fürchterlichen
Schreie gehört“, erinnert sich Anwoh-
nerin Hannelore Vock. „Überall wimmerten und schrieen Menschen um
Hilfe“, sagte sie. Bis heute kann auch
der 85-jährige de Jong die herumfliegenden Glassplitter und das Geschrei
nicht vergessen.
Menschliches Versagen war die Unfallursache. Der übermüdete Lokführer Rudolf Erdmann hatte ein Haltesignal übersehen und fuhr mit 60 km/h in
den Bahnhof ein. Erdmann überlebte das Unglück mit einem Schock. 32
Niederländer und vier Deutsche kamen ums Leben. 45 Menschen wurden schwer und 21 leicht verletzt. Die
Schwerverletzten wurden in die Krankenhäuser von Westerstede und Oldenburg gebracht. Die Leicht- oder Unverletzten wurden schon nach wenigen
Tagen wieder zur Zwangsarbeit weiter
transportiert oder vor Ort eingesetzt.
In Bremen liegen heute 27 der verstorbenen Niederländer begraben – wo genau ist nicht bekannt.
Sina Zimmermann (18),
Sandra Hinzmann (18),
Katharina Krause (18)
(v. l.)
Dass geschichtliche Forschungen Spaß machen können, erfuhren wir – das
Team Tracing aus Bad Zwischenahn – in den letzten Monaten während unserer Projektarbeit. Wir drei, Sina, Sandra und Katharina kennen uns bereits
seit der Grundschule, beziehungsweise der 7. Klasse. Wir sind 18 Jahre alt
und besuchen die 13. Klasse des Gymnasiums Bad Zwischenahn-Edewecht.
Wir leben in den Dörfern Wittenriede und Petersfehn, einige Kilometer von
Oldenburg entfernt.
Über die Teilnahme am Projekt [Weiße Flecken] mussten wir nicht lange
nachdenken. Unser Interesse an journalistischen Tätigkeiten und geschichtlichen Hintergründen besteht schon lange.
ZERSTÖRUNG DER SEMPER-SYNAGOGE | DRESDEN
26 [WEISSE FLECKEN]
STEP 21
Worte wie Feuer – Die Pogromnacht 1938
im Spiegel der Dresdner Presse
Die brennende Semper-Synagoge während der Reichspogromnacht 1938. Foto: Helmut Hoffmann
„Grünspan schoß auf Europa“ –
„Schluß mit den jüdischen Machenschaften“ – „Der Judentempel niedergebrannt“. Am 10. November 1938 berichteten die beiden großen Tageszeitungen Dresdner Nachrichten und
Dresdner Anzeiger über den Brand
der Sempersynagoge in der vorangegangenen Nacht. Trotz des großen öffentlichen Interesses erschienen die
drei Artikel jedoch nicht auf der Titelseite.
Durch vorgeblich unkommentierte Aufzählungen von Fakten wie Uhrzeit und Hergang des Brandes, Verhalten der Feuerwehr sowie Reaktion
der Schaulustigen, erwecken die kurzen Artikel den Anschein objektiver
Berichterstattung. Tatsächlich jedoch
werden die Ereignisse verzerrt dargestellt, etwa wenn sich laut Zeitungsbericht die Feuerwehr auf den Schutz
der umliegenden Wohngebäude beschränken musste. Der Dresdner Augenzeuge Hans Schneider hat ganz anderes erfahren: „Die Feuerwehr war
wohl da, aber die haben bloß so bissel
getan und waren im Übrigen damit beschäftigt, erst mal eine große Bresche
in die Mauer zu schlagen.“
Ist in einem der Artikel nur von
der Ansammlung einer „großen Menschenmenge“ und „großem Beifall“
bei der Abnahme der Davidsterne die
Rede, so waren die Reaktionen der
Schaulustigen in Wahrheit viel diffe-
renzierter. Sie umfassten eine Bandbreite von hämischen Bemerkungen,
johlender Zustimmung bis hin zur – im
Übrigen verschwiegenen – Misshandlung jüdischer Gemeindemitglieder
durch die SS. Andere wunderten sich
über die Untätigkeit der Feuerwehr.
Vereinzelt kam es zu offenem Protest, immer verbunden mit der Angst
vor der Gestapo. So berichtet Augenzeuge Otto Griebel: „Einem gepflegt
aussehenden, grauhaarigen Passanten war das Geschehene zu viel, und
voller Empörung rief er aus: ‚Unglaublich, das ist ja das schlimmste Mittelalter!‘ Kaum hatte er das gesagt, griffen ihn zwei Gestapobeamte und nahmen ihn mit.“
Szenen wie im schlimmsten
Mittelalter
Team Plaun’ sche Spitzen aus Dresden
Dimitri Kulitzscher
(18), Michael
Blessing (18), Eva
Henschke (16),
Stefanie Richter (16),
Josephine Schmidt
(15), Ann-Christin
Heinig (19) und
Lehrerin Christine
Liebscher (v. l.)
Die Stadt Dresden ruft viele Assoziationen hervor. Zum Beispiel die Zerstörung durch zwei Bombenangriffe im Februar 1945 und das Wirken
Viktor Klemperers. Und Dresden ist
die Landeshauptstadt von Sachsen,
in dessen Landtag die rechtsextreme NPD sitzt. Die Spuren jüngster
Geschichte sind überall.
Aber Dresden ist auch die Stadt,
aus der das Team „Plau’nsche Spitzen“ kommt, angetreten, um auf jenen jüngsten Spuren zu wandeln.
Wir haben uns nach der Schülerzeitung unserer Schule, des Gymnasiums Dresden-Plauen benannt.
Wir bestehen aus drei Schülerinnen der zehnten (Josephine, Eva
und Stephanie), einer Schülerin und
zwei Schülern der zwölften Klasse.
(Ann-Christin, Dimitri und Michael). Auf das [Weiße Flecken]-Projekt
sind wir gestoßen, als die Ausschreibung in die Hände unserer betreu-
ten die Ermordung des deutschen Ge- des Brandes, „eines einzigen Feuersandtschaftsrats Ernst von Rath durch
meeres“, das mit „unheimlicher GeHerschel Grynspan in Paris angepran- schwindigkeit“ voranschritt, und den
gert, dem Vorwand der Nationalsozia- „leeren, rauchgeschwärzten Fensterlisten für die Pogrome.
höhlen“ der Brandruine entsteht der
Mit Bedeutung aufgeladen wird
Eindruck einer mystischen, beinahe
dieser Vorfall durch die Überschrif- „höheren“ Vergeltung der „jüdischen
ten in den Zeitungen („Beileidstele- Schandtaten“.
gramm des Führers an die Eltern“;
„Aufbahrung in der Botschaft – Anteilnahme in Frankreich“) und den Inhalt Wechselspiel von Propader Berichte, die über eine Ehrenwache und das Beileid hoher Persönlich- ganda, Verschleierung und
keiten informierten. Ziel war es, den
vorgeblicher Objektivität
Leser emotional zu berühren. Die reißerische und pathetische Berichterstattung über das „furchtbare Leiden“ Die Entpersonifizierung der Geschävon Ernst von Rath soll Mitleid erregen
digten durch Begriffe wie „Judentum“
und Angst vor dem „verbrecherischen
oder „der Jude“ kreiert im Kopf des
Wirken des Weltjudentums“ schüren.
Lesers das Bild eines geschlossenen,
„Grünspan schoß auf Europa“, ti- „verbrecherischen Feindes des deuttelten die Dresdner Nachrichten. Der
schen Volkes“.
Mordfall wird von der Nazi-Presse
Die Berichterstattung über den
zum Angriff der Juden auf die Welt- Brand der Sempersynagoge lebt vom
ordnung hoch stilisiert. Pseudowissen- Wechselspiel unverhüllter Propaganschaftliche Argumente wie die „Zer- da, Verschleierungen und vorgeblistörung der Industrien durch die Ju- cher Objektivität – wohl auch, um das
den“ und die ungleich kürzere Be- bürgerliche Rechtsempfinden durch
richterstattung über das eigentliche
die Schilderung grober Gewalttaten
Ereignis tragen dazu bei, den Synago- nicht zu verletzen.
genbrand in einen explizit antisemitiDie Einzigen, die der Nazi-Propaschen Kontext zu stellen. Durch diesen
ganda etwas hätten entgegensetzen
enden Geschichtslehrerin, Christine
Liebscher, gelang.
Die Zerstörung der Sempersynagoge als Thema zu wählen lag nahe,
wurde doch ihr Neubau vor wenigen Jahren kontrovers und heiß diskutiert, wenn auch vor allem wegen
seiner modernen Architektur. Es folgten Streifzüge durch das Stadtarchiv
und durch die Sächsische Landesund Universitätsbibliothek. Vor allem bei „HATiKVA“, einem Verein für
jüdische Geschichtsforschung, bekamen wir überaus freundliche Unterstützung, fachkundige Beratung und
viele Anregungen.
Lesen wir jetzt anders Zeitung?
Mit Sicherheit. Angesichts der Vielzahl von Untertönen und Interessensgruppen, die es aufzuspüren
gilt, haben wir gelernt, dass das
Lesen einer Zeitung bewusst erfolgen und dass man selbst immer aufmerksam bleiben sollte.
Ähnliche Erinnerungen hat Hans
Schneider. Das betretene Schweigen
der Umstehenden sei das Erschütterndste, das könne er bis heute nicht
vergessen.
Doch nicht nur die lückenhafte Berichterstattung – der die Brandursache nicht zu entnehmen ist – macht die
Artikel zu Propaganda der NS-Ideologie. Auf der Titelseite der Morgenausgabe der Dresdner Nachrichten wird
umfangreich und in bewegenden Wor-
Ausschnitt aus dem Leitartikel des Dresdner Anzeigers vom 10.11.1938.
Stadtarchiv Dresden
werden das Geschehen und die Reaktionen der Schaulustigen gerechtfertigt.
Aber auch in der Wortwahl der Artikel über den Synagogenbrand selbst
wird die nationalsozialistische Grundhaltung sichtbar. So wird die Sempersynagoge als „Judentempel“ bezeichnet. Durch die reißerische Schilderung
Eine große Menschenmenge betrachtet die zerstörte Semper-Synagoge am Folgetag.
Foto: Helmut Hoffmann
können, waren die Augenzeugen vor
Ort. Doch auch diese schwiegen lange.
Hans Schneider, der damals 19 Jahre alt war, bringt die traurige Grundeinstellung auf den Punkt: „Und so
schwieg ich leider auch, wie fast ein
ganzes Volk. Wie es dann weiterging,
wissen wir ja nun alle.“
ZERSTÖRUNG DER SEMPER-SYNAGOGE | DRESDEN
STEP 21
„Keine einfachen Fragen“
Nora Goldenbogen über jüdisches Leben in Deutschland heute
Nora Goldenbogen ist Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Dresden und Leiterin des
Vereins „HATiKVA“, einer Bildungs- und Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und
Kultur in Sachsen.
Inwieweit wird die Judenverfolgung
vor dem Hintergrund der Pogromnacht in der jüdischen Gemeinde heute thematisiert?
Es ist noch ein sehr aktuelles Thema, weil nur sehr wenige Gemeindemitglieder die Judenverfolgung überlebt haben. Von den etwa 5.000 Gemeindemitgliedern von vor 1933 sind
nach dem Krieg etwa 40 übrig geblieben. Von denen leben heute noch drei,
zu denen wir auch noch Kontakt haben. Dann gibt es natürlich deren Kinder, die sehr stark an diesem Thema
interessiert sind, und die vielen Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Die Geschichte ist immer präsent, einfach durch die persönliche Geschichte des Einzelnen.
Wie bewerten Sie die heutige Stellung
jüdischer Deutscher in der Bundesrepublik?
Das ist keine einfache Frage. Es gibt
in ganz Deutschland etwa 30.000 jü-
Nora Goldenbogen
dische Deutsche – eine absolute Minderheit. Dann gibt es noch ungefähr
100 bis 150.000 Zuwanderer, die in
den letzten 15 Jahren nach Deutschland gekommen sind, und etwa 25.000
Menschen jüdischer Herkunft, die sich
nicht zum Judentum bekennen. Alle tragen diese Geschichte mehr oder
weniger in sich. Auch wenn man selbst
nur ein Nachfahre ist, so ist man dennoch geprägt dadurch, dass es eine
Zeit in Deutschland gab, in der Juden
nicht mehr sein sollten. Es kann auch
heute durchaus noch vorkommen,
dass man sich in bestimmten Situationen ausgegrenzt fühlt, vergleichbar
vielleicht mit bereits integrierten Ausländern wie den Vietnamesen.
Gibt es Dinge, die die Menschen noch
nicht voneinander wissen, aber wissen sollten?
Ich denke einerseits, dass es wichtig
ist, ein gewisses Maß an Wissen über
andere Kulturen und Religionen zu
besitzen, um Vorurteilen vorzubeugen. Andererseits wäre es schön, ein
Stück mehr Normalität darin zu sehen,
beispielsweise den Nachbarn einfach
als Mitmenschen wahrzunehmen und
nicht als Juden.
Wurden sie als jüdisches Kind auch
nach dem Krieg anders behandelt als
andere Kinder?
Nein, das hat keine Rolle mehr gespielt.
Ich bin hier in Dresden zur Schule gegangen. Als Nachkriegsgeneration haben wir uns sehr zusammengehörig
gefühlt. Negativreaktionen habe ich
erst sehr viel später erfahren, von dem
Zeitpunkt an, ab dem es wieder möglich war, Fremdenfeindlichkeit zu artikulieren, also nachdem die Rechten
wieder die Möglichkeit hatten, sich zu
äußern.
+ + + + [Weiße Flecken]-Erfahrungsbericht + + + + [Weiße Flecken]-Erfahrungsbericht + + + +
[WEISSE FLECKEN] 27
Kommentar
Fleckige Wortkrabben
Mein Name ist Mensch. Wo komme
ich her? Woran glaube ich? Wen liebe
ich? Wie sehe ich aus? All diese Fragen sollten zu Beginn des 21. Jahrhunderts kein Problem mehr darstellen. Doch trotz des Weichspülmittels P.
C. (political correctness) und einer steten Toleranzströmung schleichen sich
immer wieder kleine schwarzfleckige
Wortkrabben ins Sprachnetz.
Etwas konkreter: Haben Sie je bemerkt, dass im Zusammenhang mit einem bekannten kraushaarigen Schlagersänger und Vater eines unehelichen Kindes stets dessen Hautfarbe („farbig“) erwähnt wird? Dass die
Religionszugehörigkeit eines ehemaligen, überaus öffentlichkeitswirksamen
Talkmasters und Staranwalts („jüdisch“) eng mit jeder Nachricht über
diesen verbunden zu sein scheint?
Dass politische Leitartikel sich gern
über die sexuelle Orientierung eines
jugendlich-agilen Politikers („homosexuell“) auslassen? – Und dass Sie
durch die Angaben in Klammern vermutlich viel schneller erraten haben,
um welche Persönlichkeiten es sich bei
den Genannten handeln könnte?
Es drängt sich der Gedanke auf,
dass in Deutschland immer noch all
jene, die das Pech, das Glück, das
Schicksal haben, zu einer Randgruppe zu gehören, als solche, sozusagen als die Papageienfische des
Schwarms, hervorgehoben werden.
(Oder würden Sie sagen: Der weiße
heterosexuelle Sänger K. gab gestern
ein Konzert?)
Was sind das für Töne, und wie sollte
man sie entschuldigen? Nachlässigkeit,
unbewusste Beleuchtung des Außergewöhnlichen? (Wobei der Begriff suggeriert, es könne auch das „Gewöhnliche“
geben. Doch wie definiert sich dieses
in unserer viel besprochenen pluralistischen Gesellschaft?)
Oder anders, härter: Sensationshascherei bis hin zu unterschwelliger
Diskriminierung? Man hüte seine Zunge! Verantwortung für den Sprachgebrauch kommt den Medienmachern
zu, aber nicht nur. Wenn wir uns mit
Geschichte beschäftigen sollen, dann
darum, um zu lernen: Mit Worten
fängt es an.
+ + + + [Weiße Flecken]-Coaches + + + +
In die Geschichte eingetaucht
Was wir in 8 Monaten Projektarbeit bei [Weiße Flecken] erlebten
Von Sina Zimmermann
Es war eine kleine Meldung in der Zeitung:
„Junge Journalisten gesucht“. Wie sich zeigen sollte, steckte hinter [Weiße Flecken]
aber viel mehr als nur ein Zeitungsprojekt.
Für mich waren diese wenigen Zeilen Grund genug, mehr über das Projekt erfahren zu wollen. Ich fragte zwei
Freundinnen, ob sie Lust hätten, mitzumachen, und so bewarben wir uns
in Hamburg. Andere Gruppen erfuhren
über ihren Geschichtslehrer oder aus
dem Internet vom STEP 21- Projekt.
[Weiße Flecken] – Unsere Zeitung
füllt journalistische Lücken aus der NSZeit: Der Titel fasste die Aufgabe für
die nächsten acht Monate knapp zusammen. 15 Teams aus Deutschland
und Polen sollten in ihrer Region Ereignisse recherchieren, die während
der NS-Zeit in der Lokalzeitung gar
nicht oder falsch dargestellt wurden,
und diese journalistisch aufarbeiten.
Leichter gesagt als getan. Nachdem
mit Hilfe von Lehrern oder durch
eigene Nachforschungen ein Thema
gefunden worden war, begann die
zeitintensivste Arbeit des Projekts:
die Recherche. Meist führte der Weg
in Archive. So auch beim „Entdeckerteam“ aus Ciężkowice, das dafür eine fünfstündige Fahrradtour auf sich
nahm. Alle mussten wir uns durch Geschichtsbücher, Zeitungsartikel und
Dokumente lesen. Wir haben Friedhöfe und Gedenkstätten besucht. Und wir
haben Interviews mit Autoren, Zeitzeugen und Historikern geführt.
Historische Ereignisse aus
erster Hand
Gerade die Gespräche mit Menschen,
die die NS-Zeit persönlich erlebt haben, erwiesen sich als spannend und
waren für viele eine neue Erfahrung.
So erfuhren wir historische Ereignisse mal nicht vom Geschichtslehrer, der
seine Informationen im Endeffekt auch
nur aus Büchern hat, sondern von jemandem, der die Geschichte persön-
lich miterlebt hat. Für uns war dies
besonders interessant. Schließlich sind
wir die letzte Generation, der es möglich ist, mit diesen Zeitzeugen zu sprechen.
Viele erzählten uns gerne von ihrer Vergangenheit und freuten sich, in
uns wissbegierige Zuhörer gefunden
ner Recherche konnte das Schreiben
beginnen. Alle zeigten sich sehr motiviert. Viele Gruppen sprengten das
Zeichenlimit für ihre Teamseite. In Zusammenarbeit mit den Coaches lernte so mancher junge Autor, dass zwischen dem gewohnten Schreiben in Agata Frank
Melanie Hubermann
der Schule und dem journalistischen Studentin
Journalistin
Schreiben ein großer Unterschied be- „Ein Projekt wie [Weiße Flecken], in „Nicht jede Geschichte erzählt die
steht. Bei letzterem geht es vor allem
dem Deutsche und Polen zusammen- Wahrheit. Hier haben die Jugendlidarum, dass der Leser das Interesse arbeiten, ist der beste Weg, den Dialog
chen die einmalige Chance zu entdenicht verliert. Dazu müssen Fakten mit
zwischen den Ländern zu vertiefen.
cken, wie vorsichtig man mit InformaEmotionen verbunden, AufmerksamWspólna praca Niemców i Polaków tionen umgehen sollte. Und wie viel
keit erregende Überschriften erdacht
przy projekcie takim jak [Weiße Fle- Verantwortung jeder einzelne bei der
und spannende Über- und Einleitun- cken] to najlepsza okazja, by budować Verbreitung von Informationen trägt.
gen geschrieben werden. Alles Dinge, dialog pomiędzy tymi dwoma krajami.“
Schweigen hat den Holocaust erst
die man in der Schule nicht unbedingt
möglich gemacht. [Weiße Flecken] will
lernt. So korrigierten wir unsere Texte,
auch noch das letzte Schweigen breverfassten sie neu, kürzten oder verabchen.“
schiedeten uns sogar ganz von ihnen.
Das Interesse des Lesers
bannen
Sina und Katharina vom Team Tracing aus
Bad Zwischenahn geben ihrer Zeitungsseite ein Gesicht. Foto: Frederik Röh
zu haben. Einige Teams erlebten, dass
das Berichten den Zeitzeugen sehr nahe ging. Andere Gruppen wurden von
ihren Interviewpartnern gebeten, dieses oder jenes nicht zu schreiben, da
sie noch heute Sorge oder sogar Angst
vor unangenehmen Reaktionen haben. Oder Zeitzeugen sagten getroffene Verabredungen wieder ab.
Bei den Interviews fühlten wir uns
häufig nicht nur als Zuhörer oder Protokollanten. Wir entwickelten Bilder vor unserem geistigen Auge und
tauchten für einen Moment tief in die
Geschichten ein. Trotzdem mussten
wir lernen, mit dem Erfahrenen kritisch umzugehen, denn Zeitzeugenberichte und Tatsachen stimmten nicht
immer überein. Diese bewusst oder
unbewusst veränderten Erinnerungen versuchten wir mit Hilfe anderer
Quellen einzuordnen und zu korrigieren. Nach erfolgreich abgeschlosse-
Schließlich füllten sich unsere Zeitungsseiten mit Texten und Bildern,
und nun halten wir das druckfrische
Ergebnis in den Händen. In den ver-
Iris Kampf
Sören Reimer
Journalistin und Historikerin
Student
„Das Projekt [Weiße Flecken] von „Auch nach 60 Jahren ist die AuseinSTEP 21 finde ich großartig und wich- andersetzung mit der NS-Diktatur
tig. Es ermöglicht Jugendlichen, sich wichtig. Ein Schlussstrich darf – geradie Zeit des Nationalsozialismus nicht
de in Deutschland – NIEMALS gezogen
nur aus Büchern anzueignen, sondern werden. In einer Zeit, in der Neonaüber eigene Recherchen und Zeitzeu- zis in Landtagen sitzen, die Angst vor
der so genannten Überfremdung den
gengespräche zu nähern. Ich wünsche
mir, dass die Jugendlichen ein persön- bürgerlichen Rassismus bestärkt und
liches Geschichtsbewusstsein entwi- neue Formen des Antisemitismus aufckeln, das Vergangenes in der Zukunft treten, ist ein Projekt wie [Weiße FleSebastian vom Team Fleckenlöser
cken] eine Bastion des Antifaschismus’
verhindert. Dabei geht es aber nicht
aus Seligenstadt im Gespräch mit der
nur darum, sich nicht nur rechtsextre- und absolut unterstützenswert. GeraZeitzeugin Margot Berg.
men Strömungen entgegenzustellen, de die Besinnung auf die Pressefreiheit
gangenen Monaten haben wir nicht
sondern sich auch aktiv für Demokra- als Garant der Freiheit und Demokratie in der europäischen Gesellschaft
nur journalistische und historische Er- tie und Menschenrechte einzusetzen.“
halte ich für besonders wichtig. Zufahrungen gesammelt, sondern auch
dem ist die Aufarbeitung der journalismenschliche. Wir können das Vergantischen Tätigkeiten im „Dritten Reich“
gene zwar nicht rückgängig machen,
längst überfällig.“
aber wir können es aufarbeiten und
daraus für die Zukunft lernen.
VERMISCHTES
28 [WEISSE FLECKEN]
Guten Tag, Herr Nachbar
Ein beschämtes Schlusswort
von Markus Deggerich
Die Frage war ein Treffer. Wir saßen im
Auto, irgendwo auf der Autobahn in
Österreich, zwei Reporter-Kollegen aus
Israel und der Journalist aus Deutschland. Seit Tagen unterwegs, gemeinsam
in Archiven, bei Zeitzeugen, bei mutmaßlichen Mitwissern und Helfern, auf
der Suche nach Spuren von Dr. Aribert
Heim. Ein Arzt, der im Konzentrationslager Mauthausen 1941 mehrere Hundert Menschen ermordete: Mit Benzinspritzen ins Herz, durch Operationen
ohne Betäubung, aus medizinischer Neugier, als Zeitvertreib. Heim wird seit
Jahrzehnten mit internationalem Haftbefehl gesucht, und wir sind überzeugt,
dass er, mittlerweile 92 Jahre alt, noch
lebt. Wir haben ihn überall gesucht. An
diesem Tag waren wir auf dem Rückweg von Innsbruck, wo wir voller Erwartung, aber wieder mal vergeblich,
an einer Tür geklingelt hatten. Nach
wochenlangen Recherchen voller neuer
Erkenntnisse und neuer Enttäuschungen saßen wir ernüchtert im Auto. Wir
kannten uns schon sehr gut, fühlten
uns sehr verbunden durch die gemeinsame Arbeit, die „Mission“ – und doch
traf die Frage wie ein harter Strahl:
„Markus, was ist während des Krieges
in deinem Heimatdorf passiert?“
Ich glaube, jede Antwort wäre „gut“
gewesen – egal, wie beschämend oder
schrecklich oder grausam oder viel-
leicht auch harmlos sie gewesen wäre. Aber ich hatte nur die schlechteste aller Antworten parat: „Ich weiß es
nicht“. Ich stammelte noch was darüber, dass mein Dorf sehr klein und unbedeutend ist, mein Großvater, Heim-
Redaktionskonferenz in Hamburg
am 11.9.2005. Foto: Frederik Röh
kehrer von der Ostfront, nie was erzählen wollte über die Zeit, meine
Eltern noch Kinder waren und sich allenfalls an Anekdoten über Kartoffel-
wache (Mutter) oder die Flucht aus
Schlesien (Vater) erinnern. Und während ich noch stammelte, wurde mir
dieses Missverhältnis immer deutlicher: Ich beschäftige mich nicht nur
berufsmäßig mit dem Thema, schreibe Reportagen und Analysen, ich besuche die Gedenkstätten, lese Bücher, hänge vor dem Fernseher, wühle in Archiven, höre Vorträge, interviewe Zeitzeugen, begaffe Fotos – jetzt
auch in Farbe! – beklatsche den Untergang, ich schwimme mit im Informationsstrom über den Nationalsozialismus: Aber was weiß ich eigentlich? Titelgeschichten über die Nazi-Zeit verkaufen sich gut, das Histotainment im
Fernsehen über Hitlers Helfer und andere erreicht große Einschaltquoten, wir errichten doch noch das Holocaust-Mahnmal mitten in der Hauptstadt und spenden für eine ansatzweise Entschädigung der Zwangsarbeiter.
Aber ist es so, dass wir immer mehr sehen und doch immer weniger wissen?
Sind wir, als Erinnerungsproduzenten
und -konsumenten, Teil eines Ablasshandels, in dem wir uns gegenseitig
freisprechen? Verwechseln wir Interesse mit Faszination?
[Weiße Flecken] ist anders. [Weiße
Flecken] behauptet nicht großkotzig:
Ich jage den berüchtigten KZ-Arzt Aribert Heim. [Weiße Flecken] sucht kleine Antworten auf die Frage: „Markus,
was ist in deinem Heimatdorf passiert?“
[Weiße Flecken] geht an die Wurzeln
des Übels, es deckt nicht nur journalistische Lücken – damals und heute - auf,
sondern auch persönliche. [Weiße Flecken] kehrt vor der eigenen Tür. [Weiße Flecken] lebt nicht vom Thrill des
STEP 21
großen Themas, [Weiße Flecken] interessiert sich für die kleinen Geschichten im eigenen Haus, im Haus nebenan, auf der Straße vor der Tür. [Weiße Flecken] findet nicht auf alles Antworten, aber [Weiße Flecken] stellt die
richtigen Fragen. [Weiße Flecken] ist
originär: [Weiße Flecken] macht nicht
[Weiße Flecken]-Redakteurinnen
den Fehler, Betroffenheit an die Stelle
von Professionalität zu setzen. [Weiße
Flecken] macht mir erschreckend klar,
dass es aufregend klingen mag, mit dickem Spesenkonto Aribert Heim sonstwo auf dem Planeten zu suchen; dass
ich aber gar nicht mehr auf den Gedanken komme: Der KZ-Arzt könnte in
meinem Nachbarhaus gelebt haben –
und immer noch leben. Ich ziehe den
Hut vor den Kolleginnen und Kollegen
von [Weiße Flecken].
Wenn Sie Urheber- oder Persönlichkeitsrechte an einzelnen Bildern oder
Dokumenten geltend machen möchten,
melden Sie sich bitte bei STEP 21.
Über STEP 21
Das Deutsche Reich und annektierte bzw. besetzte Gebiete 1942. Hintergrund zu den
polnischen Team-Seiten. Kartografie: Waltraut Seegers
und regionalen Projekten, Aktionen
und Begegnungen. Alle Aktionen
und Projekte orientieren sich an den
Interessen und Anliegen der jugendlichen Zielgruppe.
STEP 21 hat sich als konkret wirkende Jugendinitiative schnell etabliert und verfügt über weit verzweigte Kontakte zum
schulischen und außerschulischen Umfeld von
Jugendlichen.
In knapp sechs Jahren
hat STEP 21 mit über
6.000 Schulen gearbeitet
und mehr als 200.000 Jugendliche in spannende
Projekte eingebunden.
STEP 21 wird zurzeit von der gemeinnützigen GmbH Jugend fordert! und
deren Gesellschaftern BBDO Germany, Bertelsmann, Siemens und Sonja
Lahnstein (geschäftsführend) getragen. Begleitend ist 2005 die Stiftung
STEP 21 gegründet worden. Stiftun-
bezwingen die Zeit, wir beherrschen den Raum,
umspinnen die Welt und wissen schon — kaum
die Dinge geschehen, —
alles in Wirklichkeit ausgesehen.
Richard-Reinhard Schulz.
Gedicht über die deutsche Presse. Aus den Lüneburgschen Anzeigen vom 1. 1. 1935
Archive und Bibliotheken
Biblioteka Jagiellońska, Bildungs- und
Gedenkstätte „Opfer der NS-Psychiatrie“ Lüneburg, Deutsches Historisches Museum, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Gedenkstätte Deutscher
Widerstand, Dokumentationszentrum
Oberer Kuhberg Ulm e.V., Gemeindearchiv Bad Zwischenahn, Geschichtswerkstatt Oberhausen e.V., Hessisches
Staatsarchiv Darmstadt, I Liceum
Ogolnoksztalcace, Muzeum Historyczne Miasta Krakowa, Instytut Filologii
Germańskiej im. H. Sienkiewicza, Muzeum Ziemi Lubinskiej, Niedersächsisches Staatsarchiv Oldenburg, Rotenburger Werke der Inneren Mission,
Staatsbibliothek zu Berlin, Stadt Oberhausen, Stadt Soest, Stadtarchiv Pforzheim, Stadtarchiv Ulm
Zeitzeugen
Ein besonderer Dank gilt den Zeitzeugen. Sie haben den [Weiße Flecken]Redakteuren mit informativen und
anregenden, mit eindrucksvollen und
sehr privaten Erinnerungen einen lebendigen Einblick in die Vergangenheit
gewährt. Ohne ihre Mitarbeit wäre diese Zeitung nicht möglich gewesen:
Margot Berg, Eva Braun, Józef Drożdż,
Hans Fuest, Jan Golec, Adolf Harms,
Elisabeth Hartnagel, Katarzyna Jach,
Zofia K., Antje Kosemund, Herrn Linters, Stanisław Maziej, Walter Rose,
Almuth Rösick, Wilhelm Schwenk, Tadeusz Sobolewicz, Józef Stos, Franciszek Świtalski, Władysław Szepelak,
Hannelore Vock u. v. a.
Coaches
Die [Weiße Flecken]Zeitung – auch
im Klassensatz
erhältlich!
Weil die Wahrheit mit uns und das Wort und der Glaube,
Ist niemand so stark, daß die Kraft er uns raube.
Die Macht, uns vom Schicksal beschieden —
Wir setzen sie ein — für Freiheit und Frieden!
Heut sind wir nicht mehr ein elender Haufen
von jedem Schieber und Juden zu kaufen, —
Geschlossen dem Volk und dem Führer die Hand!
Uns geht es um nichts als — d a s V a t e r l a n d !
Irene Brosig-Duchardt, Jens Burnicki,
Hans Coppi, Marten Dannenberg, Frank
Dittmeyer, Dr. Heidi Fogel, Nora Goldenbogen, Justyna Gasior, Klaus Hermes, Günter Heuzeroth, Ruth Hoting,
Joanna Jach, Dr. Lars Jockheck, Katharina Lindenberg, Teresa Malik, Katharina Mayländer, Marcin Młynarski, Heinz
Mohn, Michał Niezabitowski, Otto Renken, Maximilian Rodorff, Antje Schrader, Nina Schwarz, Waltraut Seegers,
Bente Stachowske, Dr. Ruthard Stachowske, Izabela Szynal, Thomas Tamke, André Wilger, Sebastian Winkler
Bertelsmann AG, Interconti u. v. a.
… und allen anderen, die hier nicht namentlich erwähnt sind, aber am Entstehen der Zeitung beteiligt waren!
Wir helfen dem Volk, wir wollen den Frieden,
Wir mitteln und schlichten, wo im Hasse sieden
Die Völker. — Wo Männer an grünen Tischen
Unheil planen — wir funken dazwischen.
Was scheren uns Banken und Börsen der Erde!
Wir wollen, daß Ehre dem Volk wieder werde.
Weh euch! — Wollt ihr uns stören?
Ihr wollt uns’re mahnende Stimme hören.
Dorothea Bonna, Małgorzata Brataniec, Gabriele Busche, Agnieszka Droździak, Martin Fleck, Hansjörg Greimel,
Emmy Helbig, Marta Holda, Jürgen
Homann, Dr. Silvester Lechner, Christine Liebscher, Dr. Margit Plietz, Jürgen Schlichting, Alexandra Schnurr,
Katarzyna Tabis, Cordula Weinke,
Christiane Wienert, Renata Zujewicz
Allen ehrenamtlichen Coaches und den
Gestalterinnen einen herzlichen Dank
für ihren sehr engagierten und kompetenten Einsatz!
Die deutsche Presse.
Wir
Wir
Daß
Wie
Mentoren der Teams
Weitere Unterstützer
HISTORISCHE KARTE
Die gemeinnützige Jugendinitiative
STEP 21 unterstützt Jugendliche in
ihrem Engagement für eine lebendige Demokratie und für Grundwerte wie Toleranz, Verantwortung und
Zivilcourage, ohne den moralischen
Zeigefinger zu heben. Engagement
braucht vor allem Unterstützung.
STEP 21 initiiert daher
innovative Bildungsangebote und öffentlichkeitswirksame Projekte mit Jugendlichen.
Mit inhaltlich fundierter Arbeit fördert
STEP 21 die Entwicklung der Jugendlichen zu selbstbewussten Persönlichkeiten und stärkt ihre sozialen, kulturellen und kommunikativen Kompetenzen. Die Idee
zu STEP 21 entstand in den Jahren 1993/95 im Zusammenhang mit
den damaligen ausländerfeindlichen
Übergriffen.
DANK
Das STEP 21-Team [Weiße Flecken] bei der Schlussredaktion:
Johanna Drescher, Helga Stieff, Kirsten Pörschke und Peer Junker (v. l.)
Nicht auf dem Foto: Agata Frank und Tim Schmalfeldt
Kernelemente des Angebots sind
die innovativen und handlungsorientierten Medienboxen zum Thema [Zukunft : Identität] und multimediale Bustouren für Schulen und
Jugendeinrichtungen sowie ein Jugend-Netzwerk mit bundesweiten
gen, Mäzene, u. a. Herz für Kinder
e.V., sowie viele ehrenamtliche Helfer und Prominente unterstützen
STEP 21 projektbezogen. Bundespräsident Horst Köhler ist Schirmherr. Weitere Informationen finden
Sie unter www.step21.de.
Die Zeitung vereint die Ergebnisse
innovativer Projektarbeit und kann
wertvolle Anregungen für zeitgemäße
Formen des Gedenkens und für eine
übergreifende Erinnerungssarbeit in
Schulen und Jugendeinrichtungen
liefern.
Weitere Informationen unter:
www.step21.de/weisseflecken
Die Zeitung ist nach Zusendung des
Portos in Briefmarken als Einzelexemplar oder im Klassensatz erhältlich.
1 Exemplar: 1,44 Euro
20 Exemplare: 2,37 Euro
30 Exemplare: 2,70 Euro
Bestellung: [email protected]
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