Besprechung der Parteiführer über die Bildung eines Landeskabinettes am 17. 8. 1946 im Stahlhof zu Düsseldorf Beginn: 11.30 Uhr, Schluß: 16 Uhr NW 30 P Umdruck Anwesend: Ministerpräsident Dr. Amelunxen, Münster; Generalreferent Dr. Menzel, Münster; Generalreferent Dr. Stricker, Münster; Pers. Referent des Ministerpräsidenten Reg.Rat Dr. Schilling, Münster; Bezirkssekretär Paul, Düsseldorf (KPD); Parteivorsitzender Reimann1, Herne (KPD); Oberbürgermeister Renner, Essen (KPD); Oberbürgermeister Görlinger2, Köln (SPD); Oberbürgermeister Gnoß, Düsseldorf (SPD); Oberbürgermeister Groß3, Bielefeld (SPD); Oberbürgermeister Henssler4, Dortmund (SPD); Minister Severing5, Bielefeld (SPD); Ministerialdirektor 1 Max Reimann (1898–1977), kommunistischer Politiker (seit 1919). Werarbeiter in Danzig, dann Bergarbeiter im Ruhrgebiet. Bis 1933 Unterbezirkssekretär der KPD in Hamm/Westf. 1933–1945 Illegalität, zeitweilige Emigration, dann sechs Jahre Zuchthaus- und KZ-Ha. Ab 1945 Vorsitzender des KPDParteibezirks Ruhrgebiet-Westfalen, dann KPD-Vorsitzender der Britischen Besatzungszone; 1949–1956 KPD-Vorsitzender in der Bundesrepublik. Ab 1946 Mitglied des Landtags von Nordrhein-Westfalen. 1948/49 Mitglied des Parlamentarischen Rates. 1949–1953 Mitglied des Bundestages und Fraktionschef der KPD. 2 Robert Görlinger (1888–1954), sozialdemokratischer Politiker, gelernter Elektrotechniker. 1919–1933 Stadtverordneter in Köln. 1933 Emigration nach Frankreich; dort 1940 interniert; 1943–1945 Ha im KZ Sachsenhausen. 1946–1954 Ratsherr in Köln; ab 1946 Bürgermeister, 1948/49 und 1950/51 Oberbürgermeister. Vorsitzender des SPD-Bezirkes Mittelrhein. Von 1947 bis 1949 Mitglied des Landtags von Nordrhein-Westfalen. 1949–1954 Mitglied des Bundestages. Die Angabe „Oberbürgermeister“ im Kopf der Niederschri ist unzutreend, da Görlinger erst 1948 Oberbürgermeister wurde. 3 Emil Groß (1904–1967), Verleger und sozialdemokratischer Politiker. Nach kaufmännischer Ausbildung und Studium der Staatswissenscha (1930–1933) Emigration in die Niederlande (1933–1941). Nach der Rückkehr nach Deutschland Verhaung durch die GESTAPO und vierjährige Zuchthausha (1941–1945). Ab 1945 Ratsherr in Bielefeld. Ab 1946 Verleger und Mitherausgeber der Tageszeitung „Freie Presse“ und Vorsitzender des Nordwestdeutschen Zeitungsverlegervereins. 1946–1948 Mitglied des Zonenbeirats der britischen Zone. 1946–1967 Mitglied des Landtags von Nordrhein-Westfalen (1956–1958 Vorsitzender der SPD-Fraktion). 1951–1954 Vorsitzender des Gesamtverbandes Deutscher Zeitungsverleger; ab 1954 stellv. Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger. Bis 1963 Mitglied des Rundfunkrates des WDR; 1963–1967 Mitglied des Fernsehrates des Zweiten Deutschen Fernsehens. Oberbürgermeister (wie im Kopf der Niederschri angegeben) ist Groß nicht gewesen. 4 Fritz Henssler (1886–1953), sozialdemokratischer Politiker, gelernter Schrisetzer. 1905 Eintritt in die SPD. Ab 1908 Tätigkeit als Schrisetzer und ehrenamtlicher SPD-Funktionär in Münster/Westf. 1911– 1916 Redakteur bei der „Arbeiter-Zeitung“ in Dortmund. 1916–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg; anschließend wieder Journalist. 1924 Wahl zum Stadtverordneten in Dortmund; 1925–1933 Vorsteher der Stadtverordnetenversammlung. Von 1930–1932 Mitglied des Reichstags (Wahlkreis Westfalen-Süd). 1933 zweimalige „Schutzha“, danach Widerstandsaktivitäten (verbunden mit dem Betrieb einer Leihbücherei in Dortmund-Barop); 1936 Verhaung und KZ-Ha bis zur Befreiung im Mai 1945. Im April 1946 Wahl zum Oberbürgermeister von Dortmund. Ab 1946 Mitglied des Landtags von Nordrhein-Westfalen; von 1947 bis zum Tode Fraktionsvorsitzender der SPD. 5 Carl Severing (1875–1952), sozialdemokratischer Politiker, gelernter Schlosser. Tätigkeit als Gewerkschassekretär. 1907–1911 und 1920–1933 Mitglied des Reichstags. 1920 Reichs- und preußischer Staatskommissar für Westfalen. 1920–1926 und 1930–1932 preußischer Innenminister; 1928–1930 Dr. Spiecker, Essen (Zentrum); Dr. Middelhauve6, Opladen (FDP); Oberbürgermeister Dr. Adenauer7, Rhöndorf (CDU); Oberbürgermeister Albers8, Köln (CDU); Rechtsanwalt Dr. Heinemann, Essen (CDU); Rechtsanwalt Dr. Jöstingmeier9, Münster (CDU). Protokoll: Dr. Schilling. Herr Ministerpräsident Dr. Amelunxen erstattete zunächst Bericht über die Durchführung des ihm am 1. August 1946 vom Landesbeauragten für Nordrhein-Westfalen, Mr. Asbury, erteilten Aurags, ein Kabinett für die neue Landesregierung vorzuschlagen, sowie über die verschiedenen Unterredungen, die er in der Folge mit der Militärregierung und den Führern der politischen Parteien zu diesem Zwecke hatte. Er ließ sodann den in der Anlage beigefügten Brief des hiesigen Provinzbeauragten von Westfalen, Mr. Berry10, vom 16. August 1946 verlesen. In der sich anschließenden Aussprache wurde auf Anfrage des Herrn Dr. Adenauer geklärt, daß diese Sitzung keinen vertraulichen Charakter habe. Auf Wunsch von Herrn Minister Severing wurde – etwa Reichsinnenminister. 1932 Amtsenthebung durch die Reichsregierung von Papen; Eintritt in den Ruhestand. Ab 1945 Vorsitzender des SPD-Bezirks Östliches Westfalen. 6 Dr. phil. Friedrich Middelhauve (1896–1966), Buchhändler und Verleger, liberaler Politiker (vor 1933 Deutsche Staatspartei, ab 1945 FDP). 1946–1958 Mitglied des Landtags von Nordrhein-Westfalen; 1947– 1954 Fraktionsvorsitzender der FDP. 1947–1956 Landesvorsitzender der FDP. 1954–1956 Minister für Wirtscha und Verkehr. 1949/50 und 1953–1957 Mitglied des Bundestages. 7 Dr. iur. Konrad Hermann Joseph Adenauer (1876–1967), christlicher Politiker (1906–1933 Zentrum, ab 1945 CDU). Nach dem Studium der Rechtswissenschaen und Assessorzeit 1906 Wahl zum Beigeordneten der Stadt Köln. 1917–1933 Oberbürgermeister der Stadt Köln und Mitglied des rheinischen Provinziallandtags. 1920–1933 Präsident des preußischen Staatsrats. 1933 Amtsenthebung durch die Nationalsozialisten; Eintritt in den Ruhestand. 1934 und 1944 vorübergehende Inhaierungen. Im Mai 1945 Wiedereinsetzung als Kölner Oberbürgermeister durch die amerikanische Besatzungsmacht; am 6. 10. 1945 Entlassung durch die britische Besatzungsmacht. 1945 Beteiligung an der Gründung der CDU; 1946 Wahl zum CDU-Vorsitzenden in der britischen Besatzungszone. 1946–1950 Mitglied des Landtags von Nordrhein-Westfalen; bis 1948 Vorsitzender der CDU-Fraktion. Innerparteilicher Gegner des Ministerpräsidenten Arnold. 1948/49 Präsident des Parlamentarischen Rates. 1949– 1967 Mitglied des Bundestages. Am 15. 9. 1949 Wahl zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland (Wiederwahlen 1953, 1957 und 1961); von 1951–1955 zugleich Bundesaußenminister. 1950–1966 Bundesvorsitzender der CDU. Am 15. 10. 1963 Rücktritt vom Amt des Bundeskanzlers. 8 Johannes Albers (1890–1963), christlicher Politiker (bis 1933 Zentrum, ab 1945 CDU), gelernter Schrisetzer. Teilnahme am Ersten Weltkrieg. 1919 Kartellsekretär der christlichen Gewerkschaen in Köln. 1924–1931 Stadtverordneter in Köln. 1931–1933 Direktor des Versicherungsamtes der Stadt Köln; 1933–1944 Geschäsführer der städt. Betriebskrankenkasse. 1944 Inhaierung; Zuchthausha in Berlin bis Mai 1945. Beteiligung an der Gründung der CDU in Köln (1945–1963 Vorsitzender der Kreispartei) und an der Gründung des Deutschen Gewerkschasbundes. 1946–1950 Mitglied des Landtages von NordrheinWestfalen. 1949–1957 Mitglied des Bundestages. Oberbürgermeister (wie im Kopf der Niederschri angegeben) ist Albers nicht gewesen. 9 Dr. iur. Georg Jöstingmeier (geb. 1905), Rechtsanwalt und Notar, christlicher Politiker (bis 1933 Zentrum, ab 1945 CDU). 1947–1958 Mitglied des Landtags von Nordrhein-Westfalen. 10 Sir Henry Vaughan Berry (geb. 1891), britischer Politiker (Labour Party) und Wirtschasmanager. 1919– 1925 Mitglied der Interalliierten Hohen Kommission für das besetzte Rheinland. Vom 1. Mai bis zum 23. August 1946 Leiter der Militärregierung der Provinz Westfalen. 1946–1949 Leiter der Militärregierung des Stadtstaates Hamburg. Ab 1949 britischer Vertreter bei der internationalen Ruhrkontrollbehörde. 1/2 Stunde nach Beginn der Aussprache – nachstehendes Protokoll über den Gang der Verhandlungen aufgenommen: Protokoll der Sitzung über die Bildung des Kabinetts Amelunxen am 17. August 1946 1. Severing (SPD): Die wirtschaliche Lage wird immer weiter verschlechtert, wenn man uns die politischen Einwirkungsmöglichkeiten nimmt. Wenn wir jetzt uns eine Regierung gefallen lassen müssen, die weiter unter der Botmäßigkeit der englischen Militärbehörden steht, wird man daraus Konsequenzen ziehen für eine Verschlimmerung der wirtschalichen Situation. Das sind die Gründe, die uns bewegen, im Entgegenkommen bis an die alleräußerste Grenze zu gehen. Wenn zwei Kandidaten, die die CDU genannt hat, zurückgewiesen werden mußten, der eine, weil er nicht bekannt und der andere, weil er sehr belastet war, ist das ein sehr ungünstiges Omen. Wir müssen darauf bestehen, daß das Innenministerium von einem unserer Leute besetzt wird. Ich möchte auf weitere Ausführungen in diesem Augenblick verzichten. Wir erkennen die historische Bedeutung dieser Stunde an und sind bereit zu einer positiven Mitarbeit. 2. Dr. Adenauer (CDU): Meine Herren! Über meine Ausführungen, die ich in Hannover gemacht habe11, liegt ein Stenogramm vor und sie sind gemacht worden vor einer mehrtausendköpgen Zuhörermenge. Der Rundfunk hat sie aus den DPD12-Meldungen. Ich habe dem DPD-Büro gestern das Stenogramm meiner Rede übergeben. Ich verstehe Herrn Minister Severing nicht, warum er bemängelt13, daß ich so gelegentliche Bemerkungen hier mitzuverwerten suche. Ich nde, wenn der Herr Ministerpräsident mir sagt, die CDU erhalte die Stellvertretung, dann ist es doch richtig, wenn man darauf erwidert, daß der Herr Ministerpräsident selbst den Posten eines stellvertretenden Ministerpräsidenten als völlig inhaltslos mir gegenüber bezeichnete. Das Bedenken von Herrn Minister Severing, daß, wenn die Verhandlungen hier scheiterten, im Ausland ein sehr ungünstiger Eindruck entstehen würde, teile ich nicht. Es wird schon ein Ministerium hier gemacht werden. Ich glaube nicht, daß das Ausland auf unsere Verhandlungen hier wirklich so viel Wert legt. Was die Ausführungen des Herrn Ministers Severing angeht, daß seine Partei sich bereit gefunden habe, unter Opfern sich zu beteiligen, damit eine freiere Betätigung der Wirtscha dadurch ermöglicht werde, so kann ich antworten, daß die Steuerung der Wirtscha ja durch die Zonalinstanz erfolgt, die jetzt mit der amerikanischen verkoppelt ist, und daß eine freie Betätigung der Wirtscha nicht in der Hand des Wirtschasministeriums liegt. Er hat gesagt, wir hätten einen ungünstigen Start gehabt, indem wir zwei Persönlichkeiten genannt hätten, die als politisch nicht einwandfrei bezeichnet worden wären. Er hat damit gemeint Herrn Lammers14 und Herrn Peters15. Über Herrn Peters hat Herr Ministerpräsident Amelunxen schon 11 Adenauer hatte am 11. 8. 1946 auf dem Parteitag des CDU-Landesverbandes Hannover gesprochen. Deutscher Presse-Dienst. 13 sic! 14 Dr. med. h. c. Aloys Lammers (1877–1966), Beamter und Politiker (CDU). 1921–1925 Ministerialrat, danach (bis 1933) Staatssekretär im preußischen Kultusministerium (1932/33 dessen kommissarischer Leiter). 1946 Leiter der Kulturabteilung im Oberpräsidium der Nordrheinprovinz. 1948–1952 Präsident 12 Ausführungen gemacht. Ich kenne andere Fälle, meine Herren, nehmen wir den des damaligen Herrn Oberstadtdirektors Kolb16, der auch lange Zeit in Belgien in der Zivilverwaltung tätig war und trotzdem zugelassen wurde. Ich sehe nicht ein: Was für Herrn Kolb recht ist, ist für Herrn Peters billig17. Was Herrn Lammers angeht, so möchte ich auf die Vorgänge des Jahres 1932 nicht ausführlich zurückkommen. Diese Verordnungen, die Herr Lammers als Staatssekretär damals unterzeichnet hat, sind von Herrn Görlinger zur richtigen Zeit in die Rheinische Zeitung gebracht worden. Herr Lammers hat mir gesagt, Herr Görlinger hätte das zugegeben. Und sie scheinen ja auch ihren Zweck erfüllt zu haben. Nun möchte ich folgendes dazu sagen: Mir ist für meine Person manches unverständlich, was sich im Jahre 1932 ereignet hat. Es haben Verhandlungen stattgefunden über Bildung eines großen Kabinetts unter Zuziehung der Nationalsozialisten, und zwar auf Veranlassung des Reichspräsidenten von Hindenburg, und bei diesen Verhandlungen haben die Nationalsozialisten erklärt: Wenn jetzt mit uns über die Bildung einer Regierung verhandelt wird, dann ist es unmöglich, daß wir weiter so behandelt werden wie die Kommunisten, d. h. daß unserer Jugend keine Turnhallen gegeben werden sollen. Ich möchte für mich haben, daß ich mich an allen diesen Verordnungen damals nicht gestört habe. Meine Herren! Nun ist im Verfolg dieser Verhandlung dem Herrn Lammers der Aurag zugekommen, diese Verfügung zu erlassen, und er hat sie erlassen. Ich weiß nicht, ob die britische Militärregierung diese Zusammenhänge so kennt und ob sie, wenn sie sie kennt, bei der Ablehnung des Herrn Lammers bleiben würde. Ich bin der Auassung, man solle nun anfangen vielleicht mit dem Jahr 1933 und solle nicht zurückgehen auf das Jahr vor 1933. Wir sind aber auch bereit, auf das Jahr vor 1933 zurückzugehen. Sehr interessant ist, was Herr Minister Severing sagte, warum Sie bei einem so schlechten Start der CDU nicht daran denken können, daß ein Ministerium, das die wichtigsten personalen Entscheidungen zu treen habe, in die Hände der CDU gelangt. Es war doch sehr interessant, von Herrn Minister Severing die Ausführungen seiner Freunde darüber zu hören. Ich verstehe, daß sie Wert darauf legen, dieses Ministerium zu bekommen. 3. Görlinger (SPD): Ich stelle zur Bemerkung des Herrn Dr. Adenauer fest, daß Herr Dr. Lammers sagte: Warum behandeln Sie mich so schlecht in der Zeitung? Ich habe festgestellt, daß er damals doch als Kultusminister verantwortlich war für die ganze Geschichte. Herr Dr. Lammers ist mit der Einstellung, die er damals gezeigt hat, ein für uns nicht annehmbarer Mann. Wir wissen, daß in Deutschland nach den 12 Jahren Nazizeit nur durch die politischen Parteien das politische Bewußtsein neu gefördert werden kann, und das Ausland sieht viel stärker zu uns herüber als Herr Dr. Adenauer zugeben will. Die Wägung der einzelnen Ministerien führt zu nichts. Gewiß hat das Innenministerium eine Bedeutung. Ich bin nicht beleidigt, daß Herr Dr. Amelunxen mit uns in Zusammenhang gebracht werden soll. der Katholischen Deutschen Akademikerscha. Dr. Lammers und Dr. Peters (s. Anm. 16) waren mit Schreiben vom 8. 8. 1946 an Ministerpräsident Amelunxen von den beiden Landesvorsitzenden der CDU in Nordrhein-Westfalen, Adenauer und Gronowski, als Minister für Erziehung bzw. für Ernährung und Landwirtscha vorgeschlagen worden. Beide wurden von der Militärregierung abgelehnt. 15 Dr. rer. pol. Johannes Peters (geb. 1899), Landwirtschasfachmann und Politiker (CDU). Ab 1924 Tätigkeit beim Verband ländlicher Genossenschaen in Münster/Westf.; Unterbrechung durch den Einsatz als Leiter des Verbandes deutscher Genossenschaen Wartheland in Posen (ab 1941). 1950–1970 Mitglied des Landtages von Nordrhein-Westfalen (Wahlkreis Warendorf). Von 1953 bis 1956 Minister für Ernährung, Landwirtscha und Forsten. 16 Dr. Walter Kolb; von Oktober 1945 bis Februar 1946 Oberbürgermeister, anschließend (bis Juli 1946) Oberstadtdirektor von Düsseldorf. Später Oberbürgermeister von Frankfurt/M. 17 sic! 4. Dr. Adenauer (CDU): Ich habe gesagt: Jedenfalls ein Gegner der CDU. 5. Görlinger (SPD): Mit derselben Berechtigung könnte ich sagen: Jedenfalls ein Gegner der Sozialdemokratie. Wir hatten Wert darauf gelegt, den stellvertretenden Ministerpräsidenten zu stellen. Wir waren aber durchaus einverstanden, daß Herr Arnold den stellvertretenden Ministerpräsidenten macht18. Herr Arnold war der Meinung, daß seine Freunde ihn stützen werden. Wir waren alle der Meinung, es sei durchaus möglich, daß er den Kultusminister macht. Ich darf hier betonen, daß wir der Meinung waren, alle politischen Parteien müßten bei der ersten Kabinettsbildung die Verantwortung mit übernehmen, und der Ausgleich war der richtige. In der ersten Sitzung19 waren wir mit Ihnen einig. Die Überlegungszeit haben Sie und wir uns vorbehalten. Danach waren wir positiver eingestellt. Die CDU hat sich zurückgehalten, während die übrigen Parteien nicht das Tempo der CDU mitmachen wollten. Bei der Konstruktion des Kabinetts waren Sie verpichtet, auch mitzumachen. In der Auswahl der Persönlichkeiten sind Sie frei und wir wünschen, daß Sie Persönlichkeiten bringen, die in dieses Kräespiel hineinpassen, und wir hoen, daß die Lösung noch gefunden wird. Ich glaube auch mit meinem Freunde Severing einig zu sein. Wir müssen versuchen, unter allen Umständen zu Rande zu kommen, damit nicht das Bild entsteht, daß wir unfähig wären, eine Regierung zu bilden. Ich glaube, Herr Oberbürgermeister Adenauer, das können Sie nicht machen. 6. Severing (SPD): Ich habe gefunden, daß Oenheit immer die beste Politik ist. Jawohl, weil der Posten des Innenministers von so großer Bedeutung ist, legen wir Wert darauf, daß er von einem SPD-Mann besetzt wird. Wenn wir eine Analyse der politischen Parteien machen würden, dann müssen Sie sagen, daß Sie in Ihren Reihen viele Anhänger der ehemaligen Rechtsparteien nden. Sie selbst haben ein Beispiel von Intoleranz geliefert. Ich glaube, daß Sie gerade am wenigsten diese Ablehnung hätten hier vortragen sollen. Wenn es die Kommunisten getan hätten oder die SPD, wäre es verständlich. Sie aber wissen ganz genau, wie Dr. Amelunxen politisch gerichtet ist, wenn er auch nicht das Firmenschild der CDU trägt. Personalpolitik wird ja nicht nur im Innenministerium betrieben. Die Entscheidung wird das Kabinett treen nach den Richtlinien, die der Herr Ministerpräsident dem Kabinett vorbehalten hat. Das Kultusministerium hat auch eine große Anzahl von Personalien, und diese Personalien sind m. E. in Bezug auf die Erziehung des Volkes fast ebenso wichtig wie die Personalien des Innenministeriums. Selbst wenn das richtig ist, was Herr Dr. Adenauer eben anführt, meine ich, daß in dieser Zeit des Gärens und Brodelns ein neues Ministerium in einem gewissen Rahmen das sein wird, was es aus sich selbst macht. Aber davon sollten die Engländer eigentlich am leichtesten zu überzeugen sein, daß, wenn es irgendwo aufzuräumen gilt, das in der Justiz sein muß. 7. Albers (CDU): 18 sic! Gemeint ist die Sitzung am 6. 8. im Stahlhof (s. Dok. 2 a) oder eine Besprechung zwischen Amelunxen, Gronowski (s. Anm. 23), Görlinger, Reimann, Reismann (Zentrum) und Middelhauve am 9. 8. in Münster. 19 Herr Minister Severing hat der CDU Anhänger zugeschoben, die mehr oder weniger heute in allen politischen Lagern vertreten sind. Auch in der SPD hat sich ein ganzer Kreis von solchen Anhängern gefunden, und man darf heute mehr oder weniger die KPD auch anhängen. Was Herr Oberbürgermeister Dr. Adenauer als die Meinung der Partei vorgetragen hat, ist gestern in stundenlanger engster Beratung festgelegt worden, und dabei sind wir ausgegangen davon, daß eine Partei die entsprechende Selbstachtung zeigen muß. Wie die Dinge gelaufen sind, kann man von einer Respektierung der Meinung der Partei und Würde der Partei der CDU nicht mehr sprechen. Herr Arnold ist vor 14 Tagen berufen worden. Es wurde ihm das Angebot gemacht, stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister zu werden. Herr Arnold hat nach Zustimmung der Parteiinstanzen seine Zustimmung gegeben. Als ich gestern das Ergebnis hörte, mußte ich sagen: So kann auch Herr Arnold, der berufen wurde, und dem die Engländer das Angebot gemacht hatten, nicht behandelt werden, daß man ihn von dieser Funktion in eine weniger wichtige hineinzudrängen versucht. Es ist der Nachweis erbracht worden, daß wir mit dem ernsten Willen an die Geschichte herangegangen sind, und daß wir o den Nachweis erbracht haben, die Besten unserer Partei mit in Vorschlag zu bringen. Nach dem, was sich jetzt zeigt, läßt sich noch nicht die notwendige Einigung schaen, außer, daß die Sozialdemokraten vielleicht das Innenministerium uns konzedieren und ihrerseits den größten Wert darauf legen, den stellvertretenden Ministerpräsidenten zu stellen. 8. Dr. Spiecker (Zentrum): Ich möchte Herrn Albers zunächst nur erwidern, daß die Besprechungen, die vor den oziellen Besprechungen mit dem Herrn Ministerpräsidenten stattgefunden haben, kaum sehr viel zählen düren. Denn als die Besprechung mit Mr. Asbury stattgefunden hat, ist von Herrn Dr. Amelunxen ein Schreiben verlesen worden, nach dem dem Zentrum zwei Ministerstellen zugestanden worden waren, und später war es nur eine. Ich habe mich zu Wort gemeldet, um noch einmal, ohne mit Herrn Adenauer streiten zu wollen, darauf zurückzukommen, daß wir erkannt haben, warum er in der vorigen Besprechung die Person des Herrn Amelunxen schärfstens abgelehnt hat. Heute haben wir gehört: Weil er nach seiner Auassung der SPD nahestünde. Wenn Herr Dr. Amelunxen uns die Erklärung abgegeben hat, daß er keiner Partei nahestünde, haben wir davon Kenntnis genommen. Wir haben uns für Herrn Amelunxen ausgesprochen, weil wir in ihm einen rechten und geraden Demokraten erblicken, und ich bedaure es, daß die CDU es für richtig hält, aus parteipolitischen Erwägungen heraus Herrn Dr. Amelunxen abzulehnen. Ich sage ganz klar und oen: Sie wissen, Herr Dr. Adenauer, wie ich zur CDU stehe. Aber ich würde es aus staatspolitischen Gründen aufs tiefste bedauern, wenn die CDU sich nicht an der Bildung des neuen Kabinetts beteiligte. Wir leben noch im Kriegszustand und haben keine Verantwortung zu tragen. Es sind die ersten Schritte zur Demokratie. Es ist wichtig, festzustellen, wie die einzelnen Parteien auf dem Weg zur Demokratie sich benehmen. Ich möchte, das das Experiment der CDU gelingt, und es kann nur gelingen, wenn Sie wirklich alle Parteien, die Sie bei sich zusammengeschlossen haben, zur Demokratie erziehen. 9. Dr. Amelunxen: Meine Herren, die Angrie, die auf mich gemacht wurden, nehme ich nicht tragisch. Ich darf eines richtigstellen: Es ist gesagt worden, Herrn Arnold sei der Posten des stellvertretenden Ministerpräsidenten und des Innenministers angetragen worden. Das tri nicht zu. Es heißt in dem Schreiben des Herrn Asbury: Herr Arnold sollte nach Möglichkeit stellvertretender Ministerpräsident und zugleich Innenminister sein, vorausgesetzt, daß er diese Stellung annimmt und die Parteien dieses annehmen. Nun haben alle Parteien mit Ausnahme der CDU gesagt, daß der Innenministerposten mit einem Herrn der SPD besetzt werden soll. 10. Dr. Adenauer (CDU): Keine Partei hat gefragt, zu welcher Partei Sie sich rechnen, nur die CDU hat das getan. Zuerst hat in der Presse gestanden: „Herr Ministerpräsident Amelunxen steht der CDU nahe“. Dazu haben wir Stellung genommen. Dann hat Herr Minister Severing sich gewundert, daß ich, der ich Herrn Dr. Amelunxen seit Jahren kenne, so spreche. Ich kenne Herrn Dr. Amelunxen seit Jahren und schätze ihn als Menschen nach wie vor. Wenn ich aber hier spreche in einer politischen Angelegenheit, dann müssen alle persönlichen Verbindungen zurücktreten, dann bin ich gehalten, die Meinung meiner Parteifreunde hier wiederzugeben, und was ich zur Persönlichkeit des Herrn Amelunxen gesagt habe, ist die einstimmige Meinung meiner westfälischen Parteifreunde, die ihn doch seit über einem Jahr kennen, und diese Meinung ist so, daß er nach ihrer Auassung, abgesehen von gewissen weltanschaulichen Verschiedenheiten, der SPD in seinen Zielen nahestehe, daß er jedenfalls ein Gegner der CDU sei. Trotzdem – das bitte ich festzuhalten – haben wir uns bereiterklärt, unter ihm als Ministerpräsidenten Leute zu stellen und mitzuarbeiten und waren durchaus loyal dazu bereit. Ich muß aber gestehen: Der Lauf der Verhandlung in dieser Regierungsbildung, die der Engländer bestimmt, ist derartig, daß wir doch immer mehr einsehen, wie richtig unser Standpunkt ist. Wenn zum Beispiel heute Herr Minister Severing erklärt, daß die CDU nicht den Posten des Ministers des Innern bekommen dürfe, weil so viele reaktionäre Elemente in der Partei seien (Zuruf Severing: nicht reaktionäre, sondern Rechtselemente, sage ich), dann muß ich Ihnen gestehen, daß das allerdings ein solches Mißtrauen gegen uns verrät, daß es unseren bisherigen Standpunkt nur noch weiter verstärkt. 11. Görlinger (SPD): Ich habe mich gefreut, daß Herrn Dr. Amelunxen das gelungen war, was wir alle wünschten: daß diese Sonderverhandlungen unmöglich sind20. Wir wußten, daß außer diesen Besprechungen wegen Herrn Arnold auch andere Besprechungen gelaufen waren, daß mit Dr. Lehr21 auch verhandelt worden war für das Innenministerium. Es war unser aller Wunsch, daß das auören solle. 12. Dr. Adenauer (CDU): Ich habe nur festgestellt, daß der Engländer seine Ansicht gewechselt hat und gesagt hat, Herr Arnold komme nicht mehr in Frage. 13. Görlinger (SPD): Wenn Sie die Sozialdemokratie als Regierungspartei hinstellen: Im Regierungsbezirk Köln ist die Sozialdemokratie nicht an einem einzigen Amt beteiligt. Ich habe nie gefunden, daß Sie daran irgendwie Anstoß genommen haben. 14. Paul (KPD): Es erweist sich immer mehr, daß die CDU nicht mit sich reden lassen will über die Beteiligung und auch über die Behandlung der einzelnen Ministerien. Am vergangenen Mittwoch stand die Frage noch etwas 20 sic! S. Dok. 1 Anm. 3. 21 anders. Es wurde durch Herrn Gronowski22 zum Ausdruck gebracht, daß die CDU sehr wohl bereit sei, sich zu beteiligen, und auch unter Preisgabe des Innenministeriums. Das ist heute morgen gar nicht mehr zum Ausdruck gekommen. Es erweist sich immer mehr, daß die CDU aus wahltaktischen Erwägungen heraus nun glaubt, nicht mitmachen zu müssen. Ich glaube, daß das eine große Gefahr für das gesamte politische Leben mit sich bringen könnte. Damit fällt aber auch der CDU durch ein solches Verhalten ihre Verantwortung zu, die wir abzulehnen hätten, nämlich die Verantwortung, nicht alle Kräe aufgeboten zu haben, im Rahmen des von den Engländern festgelegten Rahmens im Interesse unserer Bevölkerung das herauszuholen, was herauszuholen ist. Wir sind der Auassung, daß auch im Rahmen dieser von den Engländern abgesteckten Gebiete sehr wohl etwas für die Bevölkerung zu tun ist. Ich glaube, daß es auch für die CDU ein schlechter Start wäre, wenn sie auf eine solche Möglichkeit verzichtet. Die Haltung heute morgen beweist jedenfalls, daß die CDU von vornherein vor allen Dingen seit den letzten 14 Tagen nicht bereit war, sich an einer Lösung im positiven Sinne zu beteiligen. 15. Dr. Amelunxen: Ich hatte den Vorschlag gemacht, eine etwas andere Aueilung der Ministerien vorzunehmen, und zwar zunächst ein Ministerium „Verfassung und Justiz“ zu bilden. In diesem Ministerium würde die kommende Verfassung sein und die Neugliederung innerhalb der Zone und die Planung der Verwaltungsreform. Ferner ein „Ministerium des Innern“. In diesem Ministerium des Innern wären die Personalien, die Kommunalaufsicht und die Polizei. Stellvertretender Ministerpräsident Herr Arnold, Ministerium für Verfassung und Justiz ein Herr der Sozialdemokratie und Ministerium des Innern Herr Arnold. Wenn die CDU auf diesen Vorschlag eingegangen wäre, dann hätte die CDU noch zu besetzen das Ernährungs- und das Kultusministerium. 16. CDU: Wir haben das nicht abgelehnt. 17. Dr. Amelunxen: Jedenfalls, wenn das eine Verhandlungsbasis wäre, müßte die CDU noch zwei Herren benennen, für das Ernährungs- und Kultusministerium. Soll darüber noch diskutiert werden? Würde die CDU das als eine Lösung ansehen? 18. Dr. Adenauer (CDU): Herr Paul hat eben angedeutet, als wenn Herr Gronowski bereit gewesen wäre23, in stärkerem Maße mitzuarbeiten. Kollege Reimann hat es angedeutet: Ich bin gestern zum Schluß der Verhandlungen meiner Parteifreunde nach Recklinghausen24 gekommen und die Herren haben mir das Ergebnis ihrer Verhandlungen, an denen ich gar nicht beteiligt war, mitgeteilt, und ich habe erkannt, das stimmt überein mit meinem (Standpunkt- M. K.). 22 Johannes Gronowski (1874–1958). 1922–1933 Oberpräsident von Westfalen. Ab 1945 CDU-Politiker. sic! 24 Am 16. 8. 1946 hatten maßgebliche Persönlichkeiten der CDU, darunter Gronowski und Heinemann, in Recklinghausen die Möglichkeiten und Voraussetzungen einer Beteiligung der CDU am Kabinett Amelunxen erörtert. Adenauer war erst kurz vor dem Ende der Sitzung hinzugekommen. 23 Herr Ministerpräsident, zu der Frage bietet sich da eine Möglichkeit. Ich war bei diesen Verhandlungen, die Sie gehabt haben, nicht zugegen. Ich habe am Schlusse dieses Schreibens stehen, daß eine Beteiligung auf der von Ihnen gelegten Grundlage unmöglich sei. Ich bitte Sie, uns zu gestatten, uns einen Augenblick zurückzuziehen. 19. Dr. Amelunxen: Es soll ein Ministerium „Verfassung und Justiz“ gebildet werden. Damit würde das Justizministerium wegfallen. Weiter sollte ein „Ministerium des Innern“ gebildet werden. Ich hatte daran gedacht, daß das erste Ministerium geführt würde von einem Herrn der SPD, Herrn Menzel, und das zweite von Herrn Arnold, wobei Herr Arnold gleichzeitig stellvertretender Ministerpräsident werden könnte. In dem zweiten Ministerium wären die gesamten Personalien, die Kommunalaufsicht, die Polizei und einige andere Verwaltungsgebiete. 20. Dr. Adenauer (CDU): Ich hatte eben gehört, die SPD sei dagegen. 21. Görlinger (SPD): Ich habe das vorige Mal in der Besprechung schon erklärt, daß die Teilung des Innenministeriums nicht tragbar sei. Die CDU wird sich schon entschließen müssen, selbst dann zu den anderen Fragen Stellung zu nehmen. Ich hatte den Eindruck, daß Herr Arnold der Meinung war, das Innenministerium solle der SPD verbleiben. Seine Bedenken gegen das Kultusministerium waren nur die, die bei seinen Freunden waren. Da wir diese Meinung nicht hatten, glaube ich, sollte man einen Weg nach der Seite suchen. 22. Dr. Adenauer (CDU): Ich frage, ob Sie nach der Feststellung des Herrn Görlinger die Teilung fallen lassen? 23. Dr. Amelunxen: Nein. 24. Middelhauve (FDP): Wir haben den Eindruck, daß wir hier nicht weitergekommen, sondern auseinandergekommen sind. Der einzige positive Vorschlag ist durch Herrn Ministerpräsidenten Amelunxen gemacht worden, und dieser Vorschlag sollte diskutiert werden. Wäre es nicht möglich gewesen, von den Herren der CDU, von sich aus einen Vorschlag zu machen? Es ist darauf hingewiesen worden, daß wir das Ansehen der Parteien auch bei der Kabinettsbildung unter allen Umständen wahren sollten. Die SPD hat erklärt, daß sie zu weitgehendem Entgegenkommen bereit sei. Ich hoe, daß diese Behauptung durch die Tat bewiesen werden kann. Ist denn gar keine Möglichkeit für die Herren der CDU, einen Vorschlag zu machen, über den wir diskutieren könnten? 25. Gnoß (SPD): Man muß noch einmal anknüpfen an die Ausführungen des Herrn Albers. Man muß jeder Partei eine gewisse Selbstachtung zusprechen. Wenn ich nun einmal untersuche, wie von Seiten der Herren Vertreter der CDU diese Selbstachtung ausgelegt wird, stelle ich fest, daß eine Reihe von Ministerien nur ein unbedeutendes Gewicht haben. Dazu gehört aber nicht nur das Landwirtschasund Ernährungsministerium, auch das Arbeitsministerium, das zentral kontrolliert wird, das Wiederauauministerium und die Justiz. Von den eigentlichen Ministerien von Gewicht bleiben übrig Finanzen, Inneres, Kultus und Wohlfahrt. Die Selbstachtung, die von den Herren der CDU für ihre Partei in Anspruch genommen wird, drückt sich darin aus, daß sie Wohlfahrt, Innenministerium und Kultus für sich in Anspruch nimmt. Wie dürfen wir dann noch Selbstachtung für uns haben, wenn wir auf alles das verzichten wollen. Auf einer solchen Diskussionsgrundlage kann man die Dinge nicht weiterführen. Wir haben es in Nordrhein-Westfalen mit drei Parteien von Gewicht zu tun, SPD, CDU und KPD. Wir haben die Verpichtung, jeder dieser drei Parteien eines dieser Ministerien von Bedeutung beizumessen, Inneres für die Sozialdemokraten, Wohlfahrt für die Kommunisten, Kultus für die CDU. Sie sind nicht bereit, das Kultusministerium mit uns auszutauschen, Sie wollen alles. Sträuben Sie sich und sehen Sie nur auf Ihre eigene Selbstachtung als Partei, sehe ich keine Verhandlungsgrundlage mehr. 26. Dr. Jöstingmeier (CDU): Man kann eine so große Partei wie die CDU nicht von allen Ministerien ausschließen, die ins Gewicht fallen. Wir verzichten nicht darauf, einen prominenten Vertreter der christlichen Arbeiterscha an einer Stelle zu sehen, die wirtschalich und sozial von größter Bedeutung ist. Es soll uns das politisch so wichtige Ministerium des Innern vorenthalten werden. Man darf die CDU nicht überall auf das Nebengeleise schieben. Wie wäre es, wenn die SPD den Posten des stellvertretenden Ministerpräsidenten übernimmt, und was für Konzessionen würde sie dafür machen? Würde sie auf das Innenministerium oder das Wirtschasministerium verzichten? Diese Frage möchte ich aufwerfen. 27. Dr. Amelunxen: Es ist nicht so, als ob die CDU keine wichtigen Ressorts haben sollte. Das Kultusministerium ist auch ein sehr wichtiges Ressort. 28. Dr. Jöstingmeier (CDU): Ich erkenne an, daß das Kultusministerium sehr wichtig ist, aber ich sprach von den wirtschalich und sozial wichtigen Ministerien. Das Ernährungsministerium ist vorläug ein Kopf ohne Unterlage. Die gesamte landwirtschaliche Organisation ist nicht Selbst-, sondern Sonderverwaltung. Dr. Amelunxen: Die Ministerien sind fast alle gleich, sie sind zum Teil alle ausgehöhlt. Das wichtigste ist, daß tüchtige Leute hineinkommen. Es kommt darauf an, ob die CDU die Verantwortung mitübernimmt. Ich halte das Innenministerium nicht für wichtiger wie25 das Kultusministerium. 29. Dr. Adenauer (CDU): Die CDU bejaht das. Es wurde von Ihnen, Herr Ministerpräsident, der Vorschlag einer Teilung des Ministeriums des Innern wieder aufgegrien. Es wurde von unserer Seite der Vorschlag gemacht, die SPD 25 sic! möchte den stellvertretenden Ministerpräsidenten-Posten übernehmen, darauf wird überhaupt keine Antwort gegeben. 30. Dr. Amelunxen: Daß die anderen Ressorts nicht mit Herren der CDU besetzt worden sind, liegt daran, daß die beiden Herren, die von der CDU benannt worden sind, abgelehnt worden sind, und daß die Kandidatur Peters selbst von der Partei nach 48 Stunden zurückgezogen wurde. Dr. Adenauer (CDU): Mir ist gestern erklärt worden, daß der CDU mitgeteilt worden sei, sieben Ministerien seien der Partei zugesagt und drei seien übriggeblieben. 31. Dr. Amelunxen: Das habe ich nicht gesagt. Es sollte verhandelt werden auf dieser Basis. Die Posten sind nicht vergeben. Ich kann noch mit einer ganz neuen Liste zu Herrn Asbury kommen. 32. Dr. Adenauer (CDU): Herr Ministerpräsident, wir richten ganz konkret nochmals (an Sie) die Frage: Besteht die Möglichkeit einer Verständigung? Besteht die Möglichkeit einer Verständigung dahin, daß die Sozialdemokratische Partei den Posten eines stellvertretenden Ministerpräsidenten bekommt oder nicht? 33. Dr. Spiecker (Zentrum): Ich möchte an Herrn Adenauer die Frage richten, ob er unter sachlichen Gesichtspunkten eine Aufspaltung des Innenministeriums für richtig hält. Ich halte eine solche Teilung für unzweckmäßig. Es ist aus Unzweckmäßigkeitsgründen dieser Vorschlag von der Sozialdemokratie abgelehnt worden. Gnoß (SPD): Ich wollte Herrn Adenauer fragen, ob seine Partei Verwaltung und Justiz übernehmen will. 34. Görlinger (SPD): Wir sind bereit, Ernährung gegen Arbeit zu tauschen, wenn Sie darauf Wert legen. 35. Dr. Adenauer (CDU): Ich möchte die Herren bitten, uns zu erlauben, uns zu einer kleinen kurzen Beratung zurückzuziehen. Sie haben, Herr Ministerpräsident, in einer der letzten Sitzungen den Vorschlag einer Aueilung dieser beiden Ministerien gemacht. Sie haben diesen Vorschlag wiederholt. Darf ich selbst vorschlagen, ob Sie bei diesem Vorschlag jetzt noch bleiben oder nicht26. 26 sic! 36. Dr. Amelunxen: Ich hatte den Eindruck, daß alle Parteiführer, die am Mittwoch in Recklinghausen27 waren, keinen Geschmack an der Sache hatten. 37. Dr. Adenauer (CDU): Wir sind im letzten Stadium der Geschichte. Sie haben den Vorschlag gemacht: Verfassung und Justiz – SPD, Ministerium des Innern, Personalien, Polizei und was daran hängt, kommunale Aufsicht – CDU. Machen Sie diesen Vorschlag, halten sie ihn aufrecht oder nicht? Dr. Amelunxen: Ja, sicher. 38. Dr. Adenauer (CDU): Und auf den stellvertretenden Ministerpräsidenten-Posten legt die SPD keinen Wert? 39. Görlinger (SPD): Sicher legen wir Wert darauf, es war eine Konzession, die wir gemacht hatten, um Ihre Verhandlungen zu erleichtern. CDU und SPD ziehen sich zu kurzer Beratung zurück. Nach Wiedererönung der Sitzung sagte: 40. Dr. Adenauer (CDU): Wir sind bereit, auf dem von Herrn Ministerpräsident vorgeschlagenen Boden uns zu einigen, und zwar dahingehend, daß zwischen dem Justizministerium und dem Ministerium des Innern eine andere Gliederung stattndet – der Vorschlag ist bekannt, ich brauche ihn nicht einzeln zu wiederholen –, und Herr Arnold das Ministerium des Innern erhält und gleichzeitig stellvertretender Ministerpräsident wird mit Kulturminister Rastrop28 – Dortmund. Wir müssen uns allerdings im Augenblick vorbehalten – etwa 24 Stunden – einen Namen nach Rücksprache mit Dr. Amelunxen zu nennen, wer das Ministerium für Landwirtscha bekommt. 27 Gemeint ist eine Besprechung zwischen Amelunxen, Gronowski, Arnold, Heinemann, Görlinger, Gnoß, Spiecker und Paul am 14. 8. Eine protokollarische Aufzeichnung darüber (die aber nur die Teilnehmer der CDU nennt) in HStAD RWN 122–2 (NL Gumppenberg). 28 Gemeint ist vermutlich Prof. Dr. rer. pol. Heinrich Raskop (geb. 1904), westfälischer CDU-Politiker und Medienfachmann. 1939–1945 Tätigkeit beim Dortmund-Hörder Hüttenverein. Ab 1945 Berater für Bildungsfragen der westfälischen Provinzialregierung. 1948 Berufung in den Verwaltungsrat des NWDR (1949/50 Vorsitzender). Von 1948 bis 1973 Professor für Soziologie, Sozialpädagogik und politische Bildung an der Pädagogischen Hochschule Dortmund. 1955–1958 Mitglied des WDR-Rundfunkrats. Raskop war im Dezember 1946 noch einmal als Kultusminister im Gespräch (Hüttenberger, NordrheinWestfalen, S. 240). 41. Severing (SPD): Ich bin bevollmächtigt, im Namen aller anderen Parteien zu erklären, daß wir die von Herrn Ministerpräsidenten Dr. Amelunxen vorgeschlagene Teilung des Innenministeriums für unzweckmäßig halten und daß diese Teilung in der Praxis zu Zuständen führt, die wir beachten müssen. Wir sind deshalb nicht bereit, freudig auf diesen Boden des Herrn Dr. Amelunxen zu treten, weil ich Schwierigkeiten voraussehe, die eintreten werden. Es hat schon einmal in der Preußischen Verwaltung eine Teilung gegeben. (Es folgen Ausführungen über die Organisation des preußischen und des ReichsInnenministeriums in der Zeit vor und nach 1933, wobei die Teilung als nachteilig bezeichnet wird.) Wenn wir uns trotzdem bereitgefunden haben, dieser von Dr. Amelunxen vorgeschlagenen Teilung zuzustimmen, dann müssen wir aber im Namen aller Parteien – da das Innenministerium die Personalien, die Polizei und die Kommunalverwaltung bearbeitet – einen Sozialdemokraten beanspruchen. Wir sind jedoch bereit, der CDU das Justizministerium und die Verfassungsabteilung anzubieten. 42. Dr. Adenauer (CDU): Ich habe meine Erklärung abgegeben. 43. Dr. Amelunxen: Dann ist der letzte Versuch gescheitert. Ist das Ihr letztes Wort, Herr Dr. Adenauer? 44. Dr. Adenauer (CDU): Ja, das ist das letzte Wort, nachdem Herr Severing als Sprecher der Sozialdemokraten im ersten Teil unserer heutigen Tagung erklärt hat, daß mit Rücksicht darauf, daß bei uns soviel Leute aus der Rechtsrichtung wären, uns das Innenministerium nicht gegeben würde. Nachdem wir Herrn Arnold, der zu den Kreisen der Gewerkschaen gehört, als Minister des Innern vorschlagen, sind wir einen anderen Vorschlag zu machen, nicht in der Lage. Ich bitte Kenntnis zu nehmen, Herr Ministerpräsident, daß wir bereit sind, in der Weise uns an der Kabinettsbildung zu beteiligen, wie von mir vorgetragen wurde, in einer anderen Weise nicht. Severing (SPD): Von Görlinger aufmerksam gemacht, schlage ich vor, Arbeitsministerium mit Landwirtschasministerium auszutauschen, damit Herr Arnold, der ja von Ihnen als Arbeitervertreter genannt worden ist, gleich im Kabinett vertreten ist. 45. Dr. Adenauer (CDU): Wir halten an unserem Vorschlag fest. 46. Dr. Amelunxen: Also ist Herr Arnold Arbeitsminister und gleichzeitig stellvertretender Ministerpräsident? 46. Dr. Adenauer (CDU): Wir lehnen diesen Vorschlag ab. 47. Dr. Amelunxen: Dann ist keine Basis mehr für weitere Verhandlungen. Ich frage nunmehr, ob die anderen vier Parteien bereit sind, selbst ein Kabinett zu bilden, ohne die CDU? 48. Dr. Adenauer (CDU): Dann darf ich also feststellen, daß Sie unseren Vorschlag, der sich Ihrem Vorschlag anpaßt, fallen lassen, nachdem er von der SPD Widerspruch erfährt. (Zwischenruf: Im Namen aller Parteien.) Sie lassen den Vorschlag fallen, weil er von den anderen vier Parteien abgelehnt ist? 49. Severing (SPD): Ich habe zweimal erklärt, im Namen aller Parteien die Erklärung abzugeben. 50. Paul (KPD): Und das Arbeitsministerium gegen (das) Landwirtschasministerium auszuwechseln. 51. Dr. Adenauer (CDU): Haben Sie denn Verständnis für unsere Lage? Nachdem mit der Begründung, die Minister Severing gemacht (hat), uns das Ministerium des Innern nicht anvertraut werden kann, obwohl wir Herrn Arnold präsentierten, können wir nicht mitmachen? 52. Groß (SPD): Ich möchte bitten, das im Interesse der Klarheit ins Protokoll aufzunehmen. 53. Severing (SPD): Die Demokratisierung der Verwaltung und Entnazizierungs-Aufgaben sind in der Hand der SPD am besten gelegen. Görlinger (SPD): Ich darf aber noch weiter bemerken, daß bei der Stellung eines Stellvertreters durch die CDU doch das politische Gewicht der SPD zum Ausdruck kommen muß. Wir können nachempnden, daß die CDU Wert auf den Kultusminister legt. SPD legt Wert auf Innenminister. 54. Dr. Adenauer (CDU): Ich lege Wert auf einen Durchschlag des Stenogramms. Dann möchte ich doch zur Klarstellung noch folgendes sagen: Herr Görlinger hat ausgeführt – wie ich verstand – daß nach Auassung der SPD und aller anderen Parteien das Ministerium des Innern auch am besten in der Hand der SPD liege, weil dadurch die Demokratisierung und die Entnazizierung am besten durchgeführt wird. So haben Sie doch wohl gesagt. Es interessiert zu hören, ob Herr Görlinger auch im Namen aller Parteien spricht. (KPD: Herr Adenauer macht seinen Schmus.) Noch ein Wort, Sie, Herr Renner, behaupten, daß wir uns einen Absprung sichern. (Renner: Sicher.) Bitte hören Sie mich doch ganz an: Sehen Sie mal, daß wir von der CDU uns damit abgefunden haben, daß das Wohlfahrtsministerium einem Herrn der KPD, in der Person des Herrn Renner übertragen wurde, obgleich weitaus überwiegend die gesamte freie Wohltätigkeit von den christlichen Konfessionen vertreten wird; daß wir uns damit abgefunden haben, möge Ihnen doch gezeigt haben, daß wir bestimmt nicht abspringen wollen, sondern zur Mitarbeit bereit sind. 55. Dr. Spiecker (Zentrum): Ich möchte Dr. Adenauer erwidern, daß die Erklärungen von Herrn Görlinger, nicht die meiner Partei gewesen sind. Ich möchte deutlich machen, daß wir uns für ein Ministerium des Innern der Sozialdemokratie aussprechen, weil wir der Sozialdemokratie mit weniger Mißtrauen begegnen als der CDU. Wir haben aber das Mißtrauen gegen Sie vollkommen überwunden in dem Wunsche, daß Sie trotz dieses Mißtrauens in der Ihnen parteilich zukommenden Bedeutung mitwirken. Das ist unser Standpunkt und kein anderer. 56. Severing (SPD): In Bezug auf die Bearbeitung von Personalien sei nur auf eine andere Untugend – Intoleranz – aufmerksam gemacht. Ein Beispiel hierfür hat Dr. Adenauer selbst gegeben, daß er die Person des Herrn Ministerpräsidenten als politischen Exponenten ablehnt. 57. Dr. Adenauer (CDU): Ist das, Herr Minister, Intoleranz? Wenn Sie Intoleranz sehen wollen, gehen Sie bitte nach Frankfurt. (KPD: Köln liegt näher als Frankfurt; wenn zwei dasselbe tun, ist es noch lange nicht dasselbe). 58. Dr. Middelhauve (FDP): Ich habe für meine Partei zu erklären, daß die Äußerungen Görlingers abweichen von denen Severings heute morgen und nicht Äußerungen der Parteien gewesen sind. Unsere Stellungnahme zur Frage der Besetzung des Ministeriums des Innern und Stellvertretenden Ministerpräsidenten haben wir nicht erst heute eingenommen, sondern schon häug. 59. Dr. Amelunxen: Ich glaube, eine Einigung kann nicht herbeigeführt werden. Eine Kabinettsbildung unter Beteiligung sämtlicher Parteien, die ich angestrebt habe, ist also gescheitert. 60. Dr. Spiecker (Zentrum): Das Kabinett aus fünf Parteien! 61. Dr. Amelunxen: Ich frage, sind Sie bereit ein Kabinett zu bilden, in dem die anderen vier Parteien vertreten sind? 62. Alle außer CDU: Wir sind dazu bereit. CDU entfernt sich. 63. Dr. Amelunxen: Folgende Minister werden der Militärregierung zur Genehmigung vorgeschlagen: Innenminister: Menzel Finanzminister: Höpker-Ascho Wirtschasminister: Nölting Verkehrsminister: Stricker Arbeitsminister: Halbfell Wohlfahrtsminister: Renner Kultusminister: Hamacher Justizminister: Kremer Wiederauauminister: Paul Landwirtschasminister: Heukamp Fünf Rheinländer und fünf Westfalen29. 64. Dr. Middelhauve (FDP): Herr Ministerpräsident, ich möchte darum bitten, daß ein zweiter Minister der FDP zugestanden würde, ich schlage vor Herrn Maier-Bode30 für die Ernährung. 65. Dr. Amelunxen: Ich lege großen Wert auf Heukamp. 29 Hier irrte Amelunxen. Nur vier der Genannten waren Rheinländer (Renner, Hamacher, Paul und Kremer). 30 Friedrich-Wilhelm Maier-Bode (geb. 1900). Nach Studium der Agrarwissenscha in München und Weihenstephan (Abschluß als Diplom-Landwirt) sowie Staatsexamen für den höheren landwirtschalichen Lehr- und Verwaltungsdienst (München 1921) Tätigkeit im landwirtschalichen Schul- und Beratungswesen. Von 1933 bis 1945 keine Parteizugehörigkeit, seit 1945 Mitglied der FDP. Berufung zum Ministerialdirigenten und Leiter der Abteilung II (Landwirtschaliche Erzeugung) im Ministerium für Ernährung und Landwirtscha des Landes Nordrhein-Westfalen durch Kabinettsbeschluß vom 30. September 1946. 1950 Wechsel ins Bundesministerium für Ernährung, Landwirtscha und Forsten. 66. Dr. Middelhauve (FDP): Es ist nicht nötig, daß es der Minister für Landwirtscha ist, obwohl ich der Überzeugung bin, daß Herr Maier-Bode ein außerordentlich geeigneter Mann wäre, aber das soll keine Schwierigkeiten machen. 67. Dr. Amelunxen: Chef der Landeskanzlei? Ich denke an Herrn Dr. Wandersleb. 68. Dr. Middelhauve (FDP): Dr. Wandersleb gehört nicht zur FDP (parteilos). Er ist ein tüchtiger und befähigter Mann und sehr zu begrüßen, aber er gilt nicht als Vertreter der FDP. 69. Görlinger (SPD): Heukamp ist auf dem Gebiete durchaus vertretbar. 70. Dr. Middelhauve (FDP): Ich verstehe gut, aber Sie dürfen nicht vergessen, daß meine Partei mir mit Recht den Vorwurf macht, wo jetzt die Möglichkeit bestand, eingeschaltet zu werden, die Initiative unter allen Umständen zu ergreifen31. Staatssekretär ist nicht das gleiche wie Minister. 71. Dr. Amelunxen: Ich verstehe das, aber ich möchte nicht auf Heukamp verzichten. 72. Dr. Spiecker (Zentrum): Wir haben uns durchgerungen zu dieser unzweckmäßigen Aueilung, daß das Justizministerium gleichzeitig die Verfassungsabteilung mit übernimmt, was an sich falsch ist. Hier könnte man vielleicht den Wunsch der Demokraten erfüllen? 73. Dr. Amelunxen: Sehen Sie mal, Herr Dr. Middelhauve, Sie sagen der Presse und der Öentlichkeit, daß das wichtigste Finanzministerium Herr Dr. Höpker-Ascho32 hat. Das Finanzministerium ist vielleicht das wichtigste Ressort. 31 sic! Dr. iur. Hermann Höpker-Ascho (1883–1954), Beamter und liberaler Politiker (zunächst DDP; 1930– 1933 Deutsche Staatspartei, nach 1948 FDP). Nach dem Studium der Rechtswissenschaen 1921–1925 Tätigkeit im preußischen Justizdienst (Landgericht Bochum, dann OLG Hamm). 1921–1932 Mitglied des preußischen Landtages; 1932/33 Mitglied des Reichstages. 1925–1931 preußischer Finanzminister. Während des Zweiten Weltkriegs Tätigkeit in der für die Beschlagnahme und Verwaltung staatlicher und 32 74. Dr. Middelhauve (FDP): Gewiß, aber das hätten Sie nicht zugestanden, wenn Sie nicht in ihm den Fachmann hätten. 75. Dr. Amelunxen: Können Sie jemand anderes präsentieren? 76. Dr. Spiecker (Zentrum): Besteht die Möglichkeit, daß Sie jemanden für Justiz benennen? 77. Dr. Amelunxen: Wir können das bei den Staatssekretären regeln. Kremer ist als sehr tüchtiger Mann bekannt und ich möchte nicht auf ihn verzichten. 78. Dr. Middelhauve (FDP): Besteht die Möglichkeit, den stellvertretenden Ministerpräsidenten ohne Ressort zu lassen? 79. Dr. Spiecker (Zentrum): Ich bitte, doch hier auch den Eindruck des Ministeriums nach Außen zu berücksichtigen. 80. Severing (SPD): Könnten Sie nicht die Ansprüche der FDP durch eine bevorzugte Berücksichtigung bei den Staatssekretariaten berücksichtigen33, daß die FDP nicht einen, sondern mehrere Staatssekretäre erhält und auf Erfolge hinweisen kann? 81. Dr. Middelhauve (FDP): Durch verspätetes Telegramm und Telefonstörungen sitze ich heute alleine hier und bende mich in einer Zwickmühle, in der ich mich zu einer so schwierigen Entscheidung nicht durchringen kann. Zwei Staatssekretäre ist nicht das gleiche wie ein Minister. Es ist sehr wesentlich, daß meine Partei anerkannt wird, etwa dadurch, daß Heukamp Staatssekretär wird und Maier-Bode Landwirtschasminister. 82. Dr. Amelunxen: privater polnischer Vermögenswerte zuständigen „Haupttreuhandstelle Ost“. 1945/46 Generalreferent für Finanzen in der Provinzialregierung Westfalen. Ab 1946 Honorarprofessor für Finanzwissenscha an den Universitäten Münster und Bonn. Höpker-Ascho wurde 1948, zunächst ohne Parteizugehörigkeit, von der nordrhein-westfälischen FDP in den Parlamentarischen Rat entsandt. 1949–1951 Mitglied des Bundestages. 1951–1954 erster Präsident des Bundesverfassungsgerichtes. 33 sic! Heukamp macht politisch einen besseren Eindruck, er ist 13 Monate in Westfalen in unserer Provinzialregierung tätig und hat nach allgemeinem Urteil seine Aufgabe sehr gut gelöst. Es ist auch wesentlich besser, einen bekannten Mann zu nehmen, als jemand, der den breiten Kreisen fremd ist. Damit will ich nichts gegen Herrn Maier-Bode sagen, den ich persönlich nicht kenne. 83. Görlinger (SPD): Wenn die CDU mitgemacht hätte, würde er auch nicht in Erscheinung getreten sein! 84. Dr. Amelunxen: Nach Erfahrungen, die mit unbekannten Kandidaten gemacht worden sind, gibt es vielleicht ein Unglück; dies ist bei Heukamp nicht zu befürchten. 85. Dr. Middelhauve (FDP): Höpker-Ascho wird von uns außerordentlich geschätzt, aber ob er der richtige Mann ist, die Ideen unserer Partei mit der Entschiedenheit zu vertreten, wie es unter Umständen nötig sein könnte, ist bei aller Wertschätzung doch fraglich. 86. Severing (SPD): Können Sie sich nicht selber vorschlagen? Warum nicht? 87. Dr. Amelunxen: Vorschlag: Regierungspräsident Jänecke34 (Zuruf: Gehört der CDU an!). 88. Dr. Middelhauve (FDP): Ich bitte, den Staatssekretär im Kultusministerium gegebenenfalls meiner Partei vorzubehalten. 89. Dr. Amelunxen: Staatssekretariate etc. können erst nach erfolgter Kabinettsbildung zusammengestellt werden. 34 Gemeint ist vermutlich Dr. iur. h. c. Wolfgang Jänicke (geb. 1881), Beamter und Diplomat. Nach dem Studium der Rechtswissenscha und der Assessorzeit ab 1910 Stadtrat in Potsdam. 1913/14 Bürgermeister in Elbing. 1914–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg. 1918 Oberbürgermeister in Zeitz. 1919–1928 Regierungspräsident in Breslau. 1928/29 Deutscher Sonderbeauragter in Britisch-Indien. 1930–1933 Regierungspräsident in Potsdam. 1930–1932 Mitglied des Reichstages (Deutsche Staatspartei). 1933 Versetzung in den Ruhestand. Ab 1933 zeitweilig Berater für Fragen der Verwaltungsreform in China. 1945–1950 Staatskommissar bzw. -sekretär für das Flüchtlingswesen und die Displaced Persons in Bayern. 1952–1954 Botschaer der Bundesrepublik Deutschland in Pakistan, 1954–1957 beim Heiligen Stuhl. 90. Dr. Middelhauve (FDP): Verstehen Sie nochmals meine Bitte um den zweiten Posten im Kabinett. Das, was Sie meiner Partei als einen Ausweg vorschlagen, in das Sekretariat zurückzugehen, schlagen Sie das Ihren parteilosen Herren vor. 91. Severing (SPD): Ist es nicht möglich, den Posten des Justizministers oen zu halten? 92. Dr. Amelunxen: Geht nicht, ich muß in einer Stunde die Vorschläge Mr. Asbury vorlegen. 93. Groß (SPD): Es ergibt sich für die Engländer eine neue Position. 94. Dr. Middelhauve (FDP): Wären Sie geneigt, gegebenenfalls einem Vertreter der FDP, der geeignet zu sein scheint, das Justizministerium zu geben und Herrn Kremer ins Sekretariat zu verweisen? 95. Dr. Amelunxen: Es braucht kein Jurist zu sein, aber das Ansehen ist sehr gehoben, wenn es ein Jurist ist. 96. Renner (KPD): Ja, es muß ein Mann sein, der nach Möglichkeit in Justizdingen Erfahrung hat. 97. Dr. Middelhauve (FDP): Ich suche nach einer Lösung im Interesse der Kabinettsbildung. Ich hoe, daß ich nicht in den Ruf kommen kann, wirklich gerechte Wünsche der Partei nicht vertreten zu haben; dazu bin ich verpichtet. 98. Paul (KPD): Ich kann verstehen, daß von seiten der Freien Demokraten diese Forderungen erhoben werden. Wir würden auch gern sehen, wenn noch ein zweiter Herr den Freien Demokraten gegeben würde. Überlegung, ob nicht das Arbeitsministerium gewechselt werden kann, und dafür der SPD das Ernährungsministerium übergeben? – Nur ein Gedankengang. 99. Görlinger (SPD): Können wir nicht das Ernährungsministerium mit Maier-Bode besetzen und Herrn Heukamp zum Staatssekretär machen? 100. Dr. Amelunxen: Wenn er nicht als Fachmann gilt, wird er vermutlich von den Engländern abgelehnt. 101. Dr. Middelhauve (FDP): Maier-Bode, Ende der Vierziger (45 bis 48), ein tüchtiger Mann, der von landwirtschalichen Dingen wirklich etwas versteht, er hatte einen eigenen Hof gehabt. Wir würden nicht Herrn Maier-Bode als zweiten Kandidaten bereit haben, wenn wir nicht überzeugt wären, daß er ein tüchtiger und geeigneter Mann ist. Das einzige, was gegen ihn spricht, ist, daß er hier nicht bekannt ist. Einmal muß man doch berühmt werden! 102. Dr. Amelunxen: Besser wäre Heukamp, außerdem besteht die Gefahr, daß Maier-Bode von der Militärregierung abgelehnt wird, weil Maier-Bode zu wenig bekannt ist. 103. Dr. Middelhauve (FDP): Maier-Bode als Staatssekretär, ist sehr freundlich gemeint, aber es ist ein Unterschied zwischen einem Staatssekretär und (einem) Minister. Die Minister allein haben Stimmrecht im Kabinett. 104. Dr. Amelunxen: Wir berücksichtigen Ihre Wünsche bei der weiteren Besetzung in den verschiedenen Ministerien. Die Zurückstellung Ihrer Wünsche liegt im Augenblick im Interesse aller vier Parteien. 105. Severing (SPD): Bei der Besetzung der Staatssekretäre entscheidet nur der Erfolg. Höpker-Ascho ist ein tüchtiger Mann. Wir werden die Wünsche der Freien Demokraten bei den demnächstigen Verhandlungen berücksichtigen. 106. Dr. Middelhauve (FDP): Ich gebe nicht leichten Herzens, sondern im Interesse des Gesichtes des Kabinetts, wie von Herrn Ministerpräsident gewünscht, die Bemühungen auf. Ich hoe, daß das meiner Partei bei der Besetzung der Staatssekretariate angerechnet wird. 107. Dr. Amelunxen: Ich danke Ihnen sehr, Herr Dr. Middelhauve, und allen Herren für Ihre Ausdauer und Mitarbeit. 14.30 Uhr Die vier Parteien setzen sich zur Abfassung der nachstehenden Presse- und Rundfunkerklärung35 zusammen. Schluß der Sitzung: 16.00 Uhr. 35 In NW 30 P nicht vorhanden.