die verschwörung des fiesco zu genua

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DIE VERSCHWÖRUNG DES
FIESCO
ZU GENUA
Meine Herren! Ich bin
so frei gewesen, Sie zu
einem Schauspiel bitten
zu lassen – Nicht aber,
Sie zu unterhalten,
sondern Ihnen Rollen
darin aufzutragen.
die verschwörung des fiesco zu genua
Ein republikanisches Trauerspiel von Friedrich Schiller
Fiesco, Graf von Lavagna
Leonore, seine Frau
Andreas Doria, Herzog von Genua
Gianettino Doria, sein Neffe
Julia, Gräfin Imperiali, Schwester Gianettinos
Verrina, ein Republikaner
Bourgognino, ein Adeliger
Muley Hassan, ein Mohr
Simon Bauer
Cornelia Gröschel
Hannes Fischer
Paul Grill
Sophia Löffler
Robert Besta
Thomas Halle
Matthias Lamp
Regie
Felix rothenhäusler
Bühne
Michael Köpke
Kostüme
Katharina Kownatzki
Musik
Matthias Krieg
LichtdesignChristoph Pöschko
Dramaturgie
Kerstin Grübmeyer
Premiere 24.11.11 Kleines Haus
Aufführungsdauer ca. 2 Stunden, keine Pause
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Regieassistenz Mathias Hannus Bühnenbildassistenz Viktoria StrikiĆ Kostümassistenz kim lotz Soufflage Dagmar Weber Inspizienz Jochen Baab Regiehospitanz Esther Weickel
Technische Direktion Harald FaSSlrinner, Ralf Haslinger Bühne Hendrik
Brüggemann, Edgar Lugmair Leiter der Beleuchtung Stefan Woinke Leiter der
Tonabteilung Stefan Raebel Ton Jan Fuchs, Dieter schmidt Leiter der Requisite
Wolfgang Feger Requisite Clemens Widmann Werkstättenleiter Theo F. Hauser
Malersaal Dieter Moser Leiter der Theaterplastiker Ladislaus Zaban Schreinerei
Günter Furrer Schlosserei Mario Weimar Polster- und Dekoabteilung Ute Wienberg Kostümdirektorin Doris Hersmann Gewandmeister/in Herren Petra Annette
Schreiber, Robert Harter Gewandmeisterinnen Damen Tatjana Graf, Karin
Wörner, Annette Gropp Waffenmeister MICHAEL PAOLONE Schuhmacherei
Thomas Mahler, Barbara Kistner, Gülay Yilmaz Modisterei Diana Ferrara,
Jeanette Hardy Chefmaskenbildner Raimund Ostertag Maske Friederike
Reichel, Sonja Ross, Renate Schöner
die unbändigen Leidenschaften des Volks, gleich
den stampfenden Rossen,
mit dem weichen Spiele des
Zügels zu zwingen – Ich bin
entschlossen!
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Paul Grill, Hannes Fischer
3
verliebte,
verschwörer
& Verbrecher
ZUM INHALT
Genua 1547. Ein Maskenball im Haus des
Fiesco, Graf von Lavagna. Während Fiesco
mit Julia, der Gräfin Wittwe Imperiali,
flirtet, fürchtet seine Frau Leonore, dass
es sich um mehr als eine „Galanterie“
handelt und dass ihr Mann als „Retter
Genuas“ verloren sei. Denn Julia ist die
Schwester Gianettino Dorias, der von seinem Onkel Andreas Doria, dem Herzog von
Genua, zum Nachfolger ernannt wurde.
Gianettino ist bei Adel und Volk als zukünftiger Tyrann gefürchtet – und Fiesco
in aller Augen der Hoffnungsträger eines
politischen Umsturzes. Das weiß auch
Gianettino, der deswegen den Mohren
Muley Hassan für einen Auftragsmord an
Fiesco bezahlt. Der Republikaner Verrina
und der Adelige Bourgognino versuchen
Fiesco für eine Verschwörung gegen
die Doria zu gewinnen. Doch dieser gibt
sich als gänzlich unpolitischer, verliebter
Genussmensch und verbirgt seine eigenen
politischen Ziele. Nachdem Fiesco den
Mordanschlag des Mohren verhindern
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konnte, engagiert er diesen selbst, um
ihn als Spion und Handlanger einzusetzen. Der Mohr berichtet Fiesco, dass die
Stimmung in Genua sich gegen die Doria
wendet; in der Stadt spricht alles über
Fiesco als Anführer eines möglichen Aufstands. Als Gianettino die Prokuratorwahl
eigenmächtig und gegen die demokratischen Wahlregeln beendet und damit für
sich entscheidet, entbrennt ein Aufruhr
und Bourgognino und Verrina erscheinen
erneut in Fiescos Haus.
Wieder lehnt Fiesco jede Beteiligung an
einer Verschwörung ab, als interessierten
ihn die Staatsgeschäfte nicht. Indessen
wirft der alte Herzog Andreas Doria seinem
Neffen und Nachfolger Gianettino vor,
durch sein eigenmächtiges Handeln das
Regierungsgebäude Genuas zerstört zu
haben; einzig die Tatsache, dass beide
verwandt sind, hindert ihn an einer blutigen
Bestrafung Gianettinos. Fiesco führt ein
Gespräch mit den Genuesern darüber,
r
welches die beste Staatsform sei, und
überzeugt die Genueser und sich selbst
von der Monarchie – unter seiner eigenen
Führung. Gianettino hat sich mit dem deutschen Kaiser Karl verbündet und deutsche
Soldaten angefordert, um einen Aufstand
niederschlagen zu können; er glaubt immer
noch, dass Fiesco dem Mordanschlag des
Mohren zum Opfer fallen wird. Doch nun
beginnt Fiesco zu handeln – er lässt den
Mohren öffentlich gestehen, dass Gianettino ihn gedungen hat, und verzichtet dann
auf dessen Bestrafung. Bourgognino und
Verrina haben sich eine neue Strategie
ausgedacht, um Fiesco für ihre Sache zu
gewinnen: Ein „Gemälde“ soll ihn anrühren
und seinen republikanischen Geist wecken.
Aber Fiesco führt sie erneut vor – und offenbart ihnen endlich, dass er den Umsturz
längst selbst geplant und sich der Unterstützung durch die Franzosen mit Soldaten,
Galeeren und Geld versichert hat.
Andreas Doria ist entsetzt über die
Aufdeckung des Mordversuchs seines
Neffen; er fürchtet den Aufstand. Doch
Gianettino weiht ihn in seinen Plan ein,
in einem Staatsstreich zwölf Senatoren
ermorden zu lassen, darunter Fiesco,
Verrina und Bourgognino, und sich zum
Alleinherrscher Genuas zu machen. Er
versichert sich bei seiner Schwester
Julia, dass Fiesco sie noch immer umwirbt und damit harmlos ist. Verrina
weiht Bourgognino in seinem Plan ein,
Fiesco nach dem geglückten Umsturz zu
ermorden; er fürchtet, dass Fiesco sich
zum neuen Tyrannen entwickeln könnte.
Fiesco ringt währenddessen um die eigene Entscheidung – die Herzogswürde ablehnen und die Republik retten oder doch
den Purpurmantel umlegen und sich zum
Herrscher über Genua aufschwingen?
Durch den Mohren erfährt Fiesco von der
zweiten Mordverschwörung Gianettinos
gegen sich und die übrigen Adligen. Als er
seinem Widersacher bei Julia begegnet,
versöhnt er sich jedoch zum Schein mit
ihm und macht ihm die Anwesenheit der
französischen Truppen im Hafen damit
plausibel, dass er gegen die Türken in
den Krieg ziehe. Den Mohren serviert
Fiesco ab, da er seine Dienste nicht mehr
benötigt. Dieser beschließt daraufhin,
Fiescos Verschwörung an Andreas Doria
zu verraten.
Fiesco hat die Verschwörer zu sich
gerufen und erklärt ihnen die „Komödie“
und den von ihm geplanten Ablauf des
Aufstands. Als die Nachricht vom Verrat
des Mohren in die Versammlung der Verschwörer platzt, muss Fiesco feststellen,
dass ihn Andreas Doria in seiner „Größe“
übertrifft, da dieser sich ihm als Reaktion
auf die Verschwörung ausliefert. Als er
schon bereit ist, aufzugeben und alles zu
gestehen, wird er von Verrina an seine
Verantwortung erinnert. Der Plan für den
Umsturz wird beibehalten. Verrina soll
mit Fiescos französischen Soldaten die
Schiffe Gianettinos im Hafen erobern.
Bourgognino soll Gianettino ermorden.
Fiesco trifft auf Julia, die ihm ihre Liebe
gesteht – woraufhin er sie damit konfrontiert, dass er ihr nur eine Komödie vorgespielt hat. Leonore, die nun ebenfalls
die Wahrheit kennt, versucht, Fiesco von
seinen Plänen, sich selbst zum Herzog
zu machen, abzubringen und ihn von
einem überirdischen Liebesglück an ihrer
Seite als Alternative zu einem korrumpierenden Herrscheramt zu überzeugen.
Doch der Kanonenschuss als Signal zum
Beginn des Umsturzes ertönt, und Fiesco
folgt seinem eigenen Plan – mit ungewissem Ausgang.
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die politik
der inszenierung
ZUM STÜCK
Drei verschiedene Enden des Fiesco sind
überliefert, diesem vielleicht schwierigsten,
komplexesten und auch faszinierensten
Stück Schillers. Es sperrt sich einer eindeutigen Einordnung, schwankt zwischen politischem Intrigenstück und Familiendrama,
ist weder eindeutig psychologisch noch
ausschließlich politisch zu deuten. Schon
die Zeitgenossen Schillers sahen nach dem
Erscheinen der ersten Fassung 1783 und
der ersten Aufführung im selben Jahr Bedarf zur Überarbeitung, so dass Schiller für
den Mannheimer Intendanten Dalberg eine
an die Bühnenpraxis angepasste zweite
Fassung erstellte – mit einem vollkommen
veränderten Schluss.
Der historische Fiesco, auf den Schiller
durch seine Rousseau-Lektüre gestoßen
war, nahm ein höchst unheroisches Ende:
Nachdem ihm der Aufstand gegen die
Doria geglückt war, rutschte er am Hafen
auf einer Planke aus, fiel ins Wasser und
ertrank. In seiner ersten Fassung hatte
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Schiller bereits nachgeholfen und Fiescos
Mitverschwörer, den Republikaner Verrina,
den potentiellen Tyrannen Fiesco ins Hafenbecken stoßen lassen. Doch auch dieses
Ende blieb unbefriedigend, da sich der Held
zuvor ganz unheldisch für die Herzogswürde und gegen die Freiheit, die Republik
entschieden hatte.
So wendete sich das Blatt vollständig in
der Mannheimer Bühnenfassung, die 1784
uraufgeführt wurde: Fiesco lässt Verrina
bis zum Schluss in dem Glauben, er wolle
sich selbst zum Herzog machen – um ihm
und dem Volk von Genua schließlich voll
Großmut die Freiheit zu schenken: „Ein
Diadem erkämpfen ist groß. Es wegwerfen
ist göttlich.“ Nicht wenige Interpreten haben darauf hingewiesen, dass auch diese
Wendung keinesfalls den Verzicht Fiescos
auf Macht und Einfluss bedeutet, sondern
auch ein weiterer seiner brillanten Schachzüge sein könnte. Aber das „Happy End“
für die Republik folgte Schillers eigenem
Simon Bauer
g
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„prä-revolutionärem Unbehagen“ und dem
„Bemühen um die Beseitigung einer alten
Ordnung, freilich noch ohne das Programm
zur Gestaltung einer neuen“, wie der Literaturwissenschaftler Jürgen Wertheimer
schreibt. Auch die Angst vor der Zensur
kann eine Rolle für diesen zweiten Schluss
gespielt haben, denn einen Fürsten auf offener Bühne zu ermorden konnte die Grenze des politisch Geduldeten überschreiten.
Außerdem war die Darstellung eines Todes
durch Ertrinken wie in der ersten Fassung
für die Theater des 18. Jahrhunderts eine
fast unüberbrückbare praktische Herausforderung.
Nur fünf Jahre später ist Schiller fasziniert
und kurz darauf entsetzt und abgestoßen
von der Französischen Revolution und ihren
Folgen, der blutigen Jakobinerherrschaft.
Musste jeder gewaltsame Umsturz nicht
zwangsläufig im Terror münden? Doch dieser Frage stellte sich Schiller mit seinem
Fiesco noch nicht, galt sein Interesse viel
eher der Gestaltung eines „großen, furchtbaren Kopfes“, der „gleich dem gebährenden Geist aus dem Chaos einsam und unbehorcht eine Welt ausbrütet“, der „nichts
fürchtet, als seinesgleichen zu finden – der
stolzer darauf ist, sein eigenes Herz zu besiegen, als einen furchtbaren Staat“. An
Fiesco faszinierte Schiller die Möglichkeit,
eine Figur mit Größe auf die Bühne zu bringen, ob sie „tugendhaft oder verbrecherisch war, konnte bis auf weiteres offen
bleiben“, schreibt Rüdiger Safranski.
Doch auch der zweiten Fassung bleibt der
Erfolg versagt. Enttäuscht schreibt Schiller
über die Mannheimer Aufführung: „Den
Fiesko verstand das Publikum nicht. Republikanische Freiheit ist hier zu Lande ein
Schall ohne Bedeutung, ein leerer Name
– in den Adern der Pfälzer fließt kein rö8
misches Blut.“ Schließlich überarbeitete
Schiller sein Stück 1785 ein drittes Mal,
nicht zuletzt deshalb, weil sich unautorisierte Bearbeitungen anderer Autoren im Umlauf befanden, die bekannteste die des Berliner Theaterdichters und -praktikers Karl
Martin Plümicke. Die Plümicke-Fassung
lässt Fiesco am Ende seine Herzogswürde
an den alten Herzog Doria zurückgeben
und Selbstmord begehen – Plümicke greift
verkürzend in die Sprache Schillers ein, er
„popularisiert“ das Stück, macht es sentimentaler und politisch konservativer, indem
er mit seinem Schluss die „alte Ordnung“
wiederherstellt und Fiesco sich selbst bestrafen lässt.
Die Dresdner/Leipziger Bühnenfassung,
die dritte Fassung Schillers, die nicht im
Original überliefert und daher in ihrer
Authentizität umstritten ist, endet wieder
mit dem Tod Fiescos, der nun von Verrina
erstochen wird, woraufhin dieser sich dem
Gericht des Volkes ausliefert. Da das Ende
eine Zurücknahme des heroischen Verzichts Fiescos auf die Macht darstellt, wird
vermutet, dass es sich bei der Leipziger
Fassung um ein Konglomerat handelt, für
das ein Mitglied der Theatertruppe Bondini,
die die Fassung 1786 in Dresden und Leipzig
aufführten, den Schluss geschrieben hatte.
Ein Stück mit drei Schlüssen – wieso konnte
Schiller sich nicht für einen entscheiden?
Was bedeuten die drei Enden für den Charakter seines Helden? Handelt es sich
hier um ein besonderes Experiment, das
die Zeitgenossen vor unlösbare Probleme
und Rätsel stellte, uns heute aber wie eine
ideale Vorlage erscheint, das Spiel mit den
Möglichkeiten aufzugreifen? Die Kritik, die
bis heute in der Forschung geäußert wird,
das Stück sei in seiner Handlungsstruktur
„inkonsequent, bzw. die verschiedenen
Schlüsse ließen es an dramatischer Notwendigkeit fehlen, die Psychologie der
Figuren sei unwahrscheinlich und konstruiert, die politische Aktion nicht plausibel,
das Gegeneinander von Charakter und
Handlung, von Figuren- und Geschehnisdrama nicht aufgelöst und unstimmig“, um
nur einige aus Nikola Roßbachs FiescoArtikel im Schiller-Handbuch entnommene
Wertungen zu zitieren – diese Kritik erscheint plausibel, verfehlt jedoch das
Potential des Stücks, die scheinbaren Unstimmigkeiten produktiv zu machen. Es ist,
wie Jürgen Wertheimer schreibt, zum einen
ein „ernüchtertes und ernüchterndes Stück
Politikanalyse“, zum anderen aber auch
ein virtuoses Spiel mit Theatermetaphern
und -situationen: „Illuminationen, Masken,
Larven bestimmen das Bild ... und selbst
die republikanischen Verschwörer erscheinen in Masken. Titel und Ämter werden im
Karnevalsrausch vergeben und entzogen,
und es scheint, als spiele man alles nur:
Liebe, Politik, Verschwörung. Und keiner,
der genau zu sagen wüsste, wo die so genannte ‚Wirklichkeit‘ anfängt und wo das so
genannte ‚Spiel‘ endet.“
Fast an jeder Stelle des Stücks ist ein anderer Ausgang, eine neue Wendung, eine
vollkommen gegensätzliche Reaktion denkbar. Sei es, dass die Liebesaffäre zwischen
Fiesco und Julia, der Schwester seines Erzfeindes, durchaus von einem echten Gefühl
durchdrungen und keine reine Täuschung
sein könnte; sei es, dass die Verschwörung
durch den Verrat des Mohren plötzlich
wirklich beendet und der Umsturz vereitelt
sein könnte. Nicht nur die drei verschiedenen Schlüsse, auch die grundsätzliche Undurchschaubarkeit der Figuren deuten darauf hin, dass hier nichts gesichert ist – und
das Stück damit einen Raum der Möglichkeiten öffnet. Die ausufernde Verwendung
Folgeseite Simon Bauer, Paul Grill, Thomas Halle
von Theatermetaphern und -begriffen führt
auf die Fährte, was diese Möglichkeiten
sein könnten. „Schiller liebte das Spiel von
Maskierung und Enthüllung ebenso wie die
Unvorhersehbarkeit der Freiheit, im Leben
wie auf der Bühne“, schreibt Rüdiger Safranski. Daher widerstrebt ihm die „Illusion
der Notwendigkeit“, in die ein Autor seine
Figuren deterministisch versetzt, indem er
suggeriert, dass ausgehend von einer bestimmten Situation ihre Handlungen nur so
und nicht anders hätten verlaufen können.
Die Freiheit ist etwas anderes, sie ist ungeheuer, unberechenbar, unvorhersehbar.
Dass Schiller sich nie für ein endgültiges
Ende seines Fiesco entscheiden konnte,
liegt in dieser Freiheit begründet, die im
unendlichen Spiel mit den Möglichkeiten
steckt; also auch mit denen des Theaters.
Ob es die Anwesenheit von „Masken“ auf
einem Maskenball ist oder das inszenierte
Spiel der Verführung, der „Polit-Poker“
oder die Darstellung der revolutionären
Affekte in einem Gemälde – oder schließlich die explizite Aufforderung Fiescos
an alle Adeligen Genuas, sich zu einem
„Schauspiel“ in seinem Palast einzufinden,
um ihnen dort ihre „Rollen“ in dem von ihm
geplanten Umsturz zuzuteilen – stets kreist
das Stück um die Frage, wie und zu welchem Zweck etwas inszeniert ist und wer
eigentlich welches Spiel spielt. Fiesco ist
ein brillanter Spieler und ein „großer Kopf“.
Er ist, so Nikola Roßbach, „Autor, Regisseur und ständig die Rollen wechselnder
Hauptdarsteller“, der das „Geschehen fast
bruchlos als Probe seiner Größe in seinen
Lebensplan zu integrieren weiß“. Die Verschwörung des Fiesco zu Genua kann
also als ein früher Versuch Schillers gelesen werden, zu einer Ästhetik des Spiels
im Drama zu finden. Der größte Spieler ist
dabei der Autor selbst.
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aus den
nebeln
eine schöpfung
ZUM AUTOR
Johann Christoph Friedrich Schiller, Sohn
des Leutnants Johann Kaspar Schiller und
dessen Frau Elisabeth Dorothea, wird am
10. November 1759 in Marbach geboren und
entdeckt schon als Kind seine dichterische
Neigung. Im Alter von 14 Jahren wird er
auf Geheiß des Herzogs Karl Eugen von
Württemberg in die Militär-Pflanzschule auf
der Solitude bei Stuttgart eingezogen. Hier
herrscht strenge Disziplin und die Beschäftigung mit Literatur ist nur heimlich möglich.
1776 lernt Schiller jedoch in den Vorlesungen
des Philosophie-Professors Jakob Friedrich Abel das Werk Shakespeares kennen;
später wird er Abel seinen Fiesco widmen.
„Bei Shakespeare fand der junge Schiller
das große Welttheater, diesen Tumult der
menschlichen Schicksale und Konflikte.
Seine ersten Menschenkenntnisse las er
sich aus Shakespeares Stücken zusammen“,
schreibt der Biograph Rüdiger Safranski.
Durch Abel entdeckt Schiller auch die Philosophie, liest Rousseau, Herder, Wieland, und
schreibt an seinem ersten Stück, Die Räuber.
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An die Zeit auf der verhassten Militärschule
schließt sich ein Jura- und Medizin-Studium
und eine Anstellung als mäßig erfolgreicher
Militärarzt bei einem Stuttgarter Grenadierregiment an. 1781 gibt Schiller anonym Die
Räuber im Selbstverlag heraus; im Januar
1782 wird das Stück in der Regie des Intendanten Heribert von Dalberg am Hof- und
Nationaltheater Mannheim uraufgeführt.
Die fünfstündige Aufführung ist ein Ereignis,
wie aus einem Augenzeugenbericht hervorgeht: „Das Theater glich einem Irrenhause,
rollende Augen, geballte Fäuste, stampfende
Füße, heisere Aufschreie im Zuschauerraum! Fremde Menschen fielen einander
schluchzend in die Arme, Frauen wankten,
einer Ohnmacht nahe, zur Tür. Es war eine
allgemeine Auflösung wie im Chaos,
aus dessen Nebeln eine neue Schöpfung
hervorbricht.“ Schiller gerät nun in einen
Konflikt zwischen seinen Pflichten dem
Militär gegenüber und dem Wunsch, eine
Laufbahn als Schriftsteller einzuschlagen.
Im Juli 1782 wird ihm durch den Herzog das
„Komödienschreiben“ verboten und ein
zweiwöchiger Arrest in der Festung Asperg
bei Ludwigsburg über ihn verhängt, weil er
zur Uraufführung der Räuber unerlaubt nach
Mannheim gefahren war. Während dieser
Haft arbeitet er unter anderem am Fiesco.
Im September entschließt er sich zur Flucht;
gemeinsam mit seinem Freund, dem Musiker
Andreas Streicher, macht er in Mannheim
und Oggersheim Station. Die erste Lesung
des Fiesco 1782 in Mannheim gerät allerdings zum sprichwörtlichen Fiasko. Die
anwesenden Theaterleute, darunter der
berühmte Schauspieler Iffland, spenden
keinen Beifall und entfernen sich noch vor
Ende der Lesung. Streicher zitiert in seinem
Bericht über den Vorfall einen Schauspieler,
der, als er das Drama später selbst noch
einmal gelesen hatte, es plötzlich für ein
„Meisterstück“ hält: „Wissen Sie auch, was
schuld daran ist, dass ich und alle Zuhörer
es für das elendste Machwerk hielten?
Schillers schwäbische Aussprache und die
verwünschte Art, wie er alles deklamiert! Er
sagt alles in dem nämlichen hochtrabenden
Ton her, ob es heißt: Er macht die Türe zu,
oder ob es eine Hauptstelle seines Helden
ist.“ Schiller erhält schließlich von Dalberg
eine Anstellung als Dramatiker in Mannheim und den Auftrag, den Fiesco für die
Bühne umzuarbeiten. Im Frühjahr 1785 folgt
Friedrich Schiller einer Einladung seines
Bewunderers Christian Gottfried Körner
nach Leipzig und zieht zwei Jahre später
nach Weimar, wo er Wieland und Herder
kennen lernt, sowie am 7. September 1788
schließlich Johann Wolfgang von Goethe,
der ihm zwar eine Professur am Lehrstuhl für
Geschichte der Universität Jena vermittelt,
ihn zunächst aber als erheblich jüngeren
Konkurrenten ablehnt. In der Zwischenzeit
erlebt der Fiesco in unterschiedlicher Fassung Aufführungen in Bonn, Mannheim und
Leipzig, in Frankfurt wird Kabale und Liebe
Folgeseite Cornelia Gröschel, Simon Bauer
uraufgeführt. Schillers Aufsatz Was kann
eine gute stehende Schaubühne eigentlich
wirken? erscheint, sowie Teile des Don
Karlos, der 1787 in Mannheim uraufgeführt
und in Leipzig als Buchausgabe veröffentlicht wird. Schiller kann jedoch von seinen
Einnahmen kaum seinen Lebensunterhalt
bestreiten und ist auf Freunde, Gönner und
Mäzene angewiesen, oft auch auf Frauen
wie Henriette von Wolzogen, die Mutter
eines ehemaligen Mitschülers, die ihm bei
seiner Flucht geholfen hatte. Die von Goethe
vermittelte Professur in Jena, obwohl unbezahlt, bringt jedoch eine gewisse Sicherheit,
so dass Schiller eine Familie gründen kann.
Am 22. Februar 1790 heiratet er Charlotte
von Lengefeld, mit der er vier Kinder bekommt.
Ab 1794 entwickelt sich seine enge Freundschaft zu Goethe; sie tauschen Briefe,
Dramen, Lyrik und ästhetische Schriften
aus. 1799 zieht Friedrich Schiller mit seiner
Familie dauerhaft nach Weimar, die „Weimarer Klassik“ wird geboren. Auch wenn
sich Schillers Hoffnungen, vom Weimarer
Hof eine sichere Stellung zu erhalten, nicht
bestätigen, so gelingt es ihm dennoch, seine
Familie finanziell abzusichern. 1802 wird
Schiller in den Adelsstand erhoben. Seit
seiner Kindheit immer wieder von schweren
Krankheiten geplagt, ist Schiller dennoch
zeitlebens äußerst produktiv, verfasst u. a.
die Dramen Maria Stuart, Die Jungfrau von
Orleans, Wilhelm Tell und Wallenstein,
zahlreiche Theaterbearbeitungen und Übersetzungen anderer Autoren, historische und
ästhetische Schriften, Prosa und Balladen.
Als er 1805 an einer nie ganz auskurierten
Lungenentzündung stirbt, geht eine Epoche
zu Ende. Wenige Wochen nach Schillers Tod
schreibt Goethe: „Ich dachte mich selbst zu
verlieren, und verliere nun einen Freund und
in demselben die Hälfte meines Daseins.“
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DIE FREIHEIT DES
SPIELS
ZUR INSZENIERUNG
„Schiller als Spieler? Ausgerechnet
Schiller? ... alles Mögliche verbindet sich
mit seinem Namen. Aber nichts, was auf
Leichtigkeit, Ironie, Verspieltheit hinwiese.“ In seinem Buch Schillers Spieler und
Schurken stellt Jürgen Wertheimer fest,
dass Schiller zwar nicht die „unerträgliche
Leichtigkeit des Seins“ besessen habe,
dafür aber die „artistische Leichtigkeit
des Spiels“, an dem er auch theoretisch
interessiert war. In Schillers 1793 verfasstem Essay Über die ästhetische Erziehung
des Menschen beschreibt er das Spiel als
die Fähigkeit des Menschen, die zwischen
seinen verschiedenen „Trieben“ vermitteln
und ihm zu einer „Ganzheit“ und damit zur
Freiheit verhelfen kann: dem „sinnlichen
Trieb“, durch den er von seinen Empfindungen beherrscht wird, und dem „Formtrieb“,
durch den er sich in Freiheit und Harmonie
setzen will, nach Wahrheit und Unveränderlichkeit strebt. Der Trieb, der beide Seiten
vereint, ist der „Spieltrieb“: „Denn, um es
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endlich einmal herauszusagen, der Mensch
spielt nur, wo er in voller Bedeutung des
Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz
Mensch, wo er spielt.“ Die ästhetische
Kunst ist das Spielfeld, auf dem sich der
Spieltrieb und somit auch die Menschwerdung entfalten kann. „Schillers Konzept ist
komplex und greifbar zugleich ... Richtig
zu spielen heißt für ihn mit allen Sinnen zu
agieren, heißt das Spiel zu spielen und mit
dem Spiel zu spielen, leicht und schwerelos
zu werden, heißt Freude, Freude am Schein,
am ‚schönen Schein’, am ‚Schein der Dinge’
zu empfinden“, so Jürgen Wertheimer.
Die Spur dieses Gedankens zu verfolgen
heißt für Felix Rothenhäusler und sein Ensemble, das Spiel selbst als Inhalt und Form
ernst zu nehmen und es zum Motor aller Ereignisse und Handlungen auf der Bühne zu
machen. Jede Bewegung, jede Äußerung
und jeder Blick wird zum Schachzug; jeder
Schachzug dient nur dem einen Zweck
– das Spiel weiter zu spielen und sich
gegenseitig darin zu übertreffen, darin frei
zu werden. Die Bühne wird von Hand betrieben und ist selbst ein großes Spielzeug,
inspiriert durch alte Theatermaschinen und
das im 19. Jh. populäre Papiertheater. Mit
dem Papiertheater spielten die Bürger in
den Salons ihre Lieblingsdramen in einem
voll ausgestatteten, zweidimensionalen Miniaturtheater aus Papier nach, mit ebenfalls
aus Papier gefertigten Figuren, die in immer
neuen Konstellationen aufgestellt werden
konnten. Wenn Schauspieler aus Fleisch
und Blut auf einer Bühne spielen wie mit
einem Papiertheater, wird die Theatersituation, das „als ob“ radikal offen gelegt. Die
Heimlichkeiten der Verschwörer werden öffentlich, alles passiert vor aller Augen – und
jeder benutzt jeden für das eigene Spiel.
Das „Volk“ ist eine leicht zu beeinflussende Masse, der Hintergrund oder auch der
Spiegel, vor dem sich die Verschwörer
und Gegenverschwörer, die alten und
neuen Machthaber, die Ehefrauen und
Geliebten, die Verbrecher und Idealisten
selbst inszenieren und in dem sie ihre
eigene Inszenierung bewundern. Vorhänge, Gassen, Windmaschine, Konfetti, rote
Farbe, Theaterschwerter und Römerhelme
stehen zur Verfügung; Texte aus Niccolo
Machiavellis Der Fürst, Schillers Ode An
die Freude oder eine Variation des Dies
irae – dem Tag des Zorns – gehören ebenso zum Arsenal der „Spielsachen“, wie
die Puderquaste der Julia oder der Fächer
der Leonore. „Wer spielt ist engagiert und
distanziert zugleich, steht zwischen und
über den Dingen. Es ist kein Zufall, dass
Schiller selbst nie das war, was man einen
Parteigänger nennt. Keine Zeile Revolutionsschwärmerei aus seiner Feder ...
Schiller untersucht Ideologien, er bewohnt
sie nicht“, so Wertheimer. Schillers Inter-
esse im Fiesco gilt nicht der Ideologie der
Freiheit, der „Republik“, er zeigt dagegen,
„wie politische Inszenierungen kippen und
selbst gläubiger Idealismus sich in Intrige
verwandelt.“ Der Schauplatz, Genua im
Jahre 1547, aber auch der Umsturz einer
alten Ordnung zugunsten einer neuen, der
Aufstand der „Republikaner“ gegen einen
mutmaßlichen „Tyrannen“ sind Kulisse,
illustrativer Rahmen für den eigentlichen
Inhalt: das Spiel, in dem der Gewinner
nicht unbedingt der ist, der sich am Ende
den purpurnen Herzogsmantel umlegt. Der
„Genueser Fiesco sollte zu meinem Fiesco
nichts als den Namen und die Maske
hergeben – das übrige mochte er behalten“, so formuliert Schiller es im Theaterzettel zur Mannheimer Bühnenfassung. Er
experimentiert mit dem Theater als einem
„Laboratorium“, in dem die „Wirkung aller
Materialien, der Gefühle, der Gedanken“
getestet werden kann. Für Schiller ist das
Theater „eine Maschine zur Herstellung
großer Gefühle“, so Rüdiger Safranski.
„Unglückseliger Durst nach Größe!“ ruft
Fiesco sich selbst am Ende seines großen
Monologes zu, in dessen Verlauf er sich die
möglichen Ausgänge seines Spiels bewußt
macht: „Gehorchen und Herrschen! – Sein
und Nichtsein!“ Nicht zufällig zitiert Schiller hier einen anderen großen Spieler der
Theaterliteratur, Shakespeares Hamlet. In
Fiescos Fall aber sind „Gehorchen“ und
„Herrschen“ nur zwei Seiten derselben
Medaille, die es im Spiel zu erringen gilt.
Eine Entscheidung zwischen beiden kann
es nicht geben, sich für ein „richtiges
Ende“ des Dramas zu entscheiden, würde
den Regeln des Spiels zuwiderlaufen, da es
auf das „Menschsein“ an sich gerichtet ist,
auf das unendliche Erproben der Möglichkeiten, auf einen ständigen, unabgeschlossenen Prozess der Selbstfindung.
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AN DIE
FREUDE
Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligtum!
Deine Zauber binden wieder,
was die Mode streng geteilt;
alle Menschen werden Brüder,
wo dein sanfter Flügel weilt.
Wem der groSSe Wurf gelungen,
eines Freundes Freund zu sein,
wer ein holdes Weib errungen,
mische seinen Jubel ein!
Ja, wer auch nur eine Seele
sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wer’s nie gekonnt, der stehle
weinend sich aus diesem Bund.
Seid umschlungen Millionen!
Diesen KuSS der ganzen Welt!
Brüder – überm Sternenzelt
MuSS ein lieber Vater wohnen.
Friedrich Schiller
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Matthias Lamp, Hannes Fischer
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homo
ludens
Vom Ursprung der Kultur im Spiel
Spiel ist älter als Kultur; denn so ungenügend der Begriff Kultur begrenzt sein
mag, er setzt doch auf jeden Fall eine
menschliche Gesellschaft voraus, und
die Tiere haben nicht auf die Menschen
gewartet, dass diese sie erst das Spielen
lehrten ... Alle Grundzüge des Spiels sind
schon im Spiel der Tiere verwirklicht. Man
braucht nur junge Hunde beim Spielen zu
beobachten ... Sie laden einander durch
eine Art von zeremoniellen Haltungen und
Gebärden ein. Sie beobachten die Regel,
dass man seinem Bruder das Ohr nicht
durchbeißen soll. Sie stellen sich alle so,
als ob sie fürchterlich böse wären. Und
das Wichtigste ist: an alledem haben sie
offensichtlich ungeheuer viel Vergnügen
und Spaß ...
Das Vorhandensein des Spiels ist an keine
Kulturstufe, an keine Form von Weltanschauung gebunden. Ein jedes denkende Wesen kann sich die Realität Spiel,
Spielen, sogleich als ein selbständiges,
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eigenes Etwas vor Augen führen, sogar
wenn seine Sprache kein allgemeines
Begriffswort dafür besitzen sollte. Das
Spiel lässt sich nicht verneinen. Nahezu
alles Abstrakte kann man leugnen: Recht,
Schönheit, Wahrheit, Güte, Geist, Gott!
Den Ernst kann man leugnen, das Spiel
nicht. Mit dem Spiel aber erkennt man,
ob man will oder nicht, den Geist. Denn
das Spiel ist nicht Stoff, worin auch sein
Wesen bestehen mag ... Erst durch das
Einströmen des Geistes, der die absolute
Determiniertheit aufhebt, wird das Vorhandensein des Spiels möglich, denkbar
und begreiflich. Das Dasein des Spiels
bestätigt immer wieder, und zwar im
höchsten Sinne, den überlogischen
Charakter unserer Situation im Kosmos.
Die Tiere können spielen, also sind sie
bereits mehr als mechanische Dinge.
Wir spielen und wissen, dass wir spielen,
also sind wir mehr als bloß vernünftige
Wesen, denn das Spiel ist unvernünftig ...
Alles Spiel ist zunächst und vor allem ein
freies Handeln. Befohlenes Spiel ist kein
Spiel mehr. Höchstens kann es aufgetragenes Wiedergeben eines Spiels ein.
Schon durch diesen Charakter der Freiheit sondert sich das Spiel aus dem Lauf
eines Naturprozesses heraus. Es fügt
sich ihm an und legt sich wie ein schönes
Kleid über ihn hin. Freiheit muss hier natürlich in dem weiteren Sinne verstanden
werden, in dem das Problem vom Determinismus unberührt bleibt. Man würde
ja sagen können: Diese Freiheit besteht
nicht für das junge Tier und das Kind; sie
müssen spielen, weil ihr Instinkt es ihnen
befiehlt und weil das Spiel zur Entfaltung
ihrer körperlichen und selektiven Vermögen dient. Mit der Einführung des Begriffs
Instinkt versteckt man sich jedoch hinter
ein X, und wenn man von vornherein die
vorausgesetzte Nützlichkeit des Spiels
unterstellte, würde man eine petitio
principii begehen. Das Kind und das Tier
spielen, weil sie Vergnügen daran haben,
und darin eben liegt ihre Freiheit ...
Das Spiel beginnt, und in einem bestimmten Augenblick ist es ‚aus’. Es
‚spielt sich ab’. Solange es im Gange ist,
herrscht Bewegung, ein Auf und nieder,
ein Abwechseln, bestimmte Reihenfolge,
Verknüpfung und Lösung ... Jedes Spiel
bewegt sich innerhalb seines Spielraums,
seines Spielplatzes, der materiell oder
nur ideell, absichtlich oder wie selbstverständlich im Voraus abgesteckt
worden ist ... Die Arena, der Spieltisch,
der Zauberkreis, der Tempel, die Bühne,
die Filmleinwand, der Gerichtshof, sie
sind allesamt der Form und der Funktion
nach Spielplätze, d. h. geweihter Boden,
abgesondertes, umzäuntes, geheiligtes
Gebiet, in dem besondere eigene Regeln
gelten. Sie sind zeitweilige Welten innerhalb der gewöhnlichen Welt ... Das Spiel
fordert unbedingte Ordnung. Die geringste Abweichung von ihr verdirbt das Spiel,
nimmt ihm seinen Charakter und macht
es wertlos. Diese innige Verknüpfung
mit dem Begriff der Ordnung ist vielleicht
der Grund, dass das Spiel, wie wir schon
im Vorübergehen anmerkten, zu solch
großem Teil innerhalb des ästhetischen
Gebiets zu sein scheint. Das Spiel, so
sagen wir, hat eine gewisse Neigung,
schön zu sein. Der ästhetische Faktor ist
vielleicht identisch mit dem Drang, eine
geordnete Form zu schaffen, die das Spiel
in allen seinen Gestalten belebt. Die Wörter, mit denen wir die Elemente des Spiels
benennen können, gehören zum größten
Teil in den Bereich des Ästhetischen. Es
sind Wörter, mit denen wir auch Wirkungen der Schönheit zu bezeichnen suchen:
Spannung, Gleichgewicht, Auswägen,
Ablösung, Kontrast, Variation, Bindung
und Lösung, Auflösung. Das Spiel bindet
und löst. Es fesselt. Es bannt, das heißt:
es bezaubert. Es ist voll von den beiden
edelsten Eigenschaften, die der Mensch
an den Dingen wahrzunehmen und auszudrücken vermag: es ist erfüllt von Rhythmus und Harmonie ...
Jedes Spiel hat seine eigenen Regeln. Sie
bestimmen, was innerhalb der zeitweiligen
Welt, die es herausgetrennt hat, gelten
soll. Die Regeln des Spiels sind unbedingt
bindend und dulden keinen Zweifel. Paul
Valéry hat es einmal beiläufig gesagt,
und es ist ein Gedanke von ungemeiner
Tragweite: Gegenüber den Regeln eines
Spiels ist kein Skeptizismus möglich. Ist
doch die Grundlage, die sie bestimmt, unerschütterlich gegeben. Sobald die Regeln
übertreten werden, stürzt die Spielwelt
zusammen. Dann ist es aus mit dem Spiel.
Johan Huizinga
Folgeseite Hannes Fischer, Paul Grill, Sophia Löffler, Simon Bauer, Matthias Lamp, Robert Besta
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felix rothenhäusler Regie
Nach einem Studium der Theater- und
Medienwissenschaft in Bayreuth und
Paris wechselte Felix Rothenhäusler für
ein Regiestudium an die Theaterakademie
Hamburg. Während des Studiums erhielt
er u. a. den 1. Preis beim Internationalen
Regiekongress in Moskau und wurde zum
Festival Universo Teatro in Benevento, Italien eingeladen. Seine Inszenierung Ödipus
war 2009 zum Körber Studio Junge Regie
in Hamburg und zum Festival Radikal Jung
am Münchner Volkstheater eingeladen,
die Affäre der Rue de Lourcine wurde 2010
auf dem Festival Premières in Straßburg
gezeigt. Er inszenierte u. a. am St. Pauli
Theater, am Deutschen Schauspielhaus
und am Thalia Theater in Hamburg, am
Theater Bielefeld, Staatstheater Saarbrücken, am Deutschen Theater in Göttingen,
am Theater Heidelberg und zukünftig auch
am Düsseldorfer Schauspielhaus. Ab der
Spielzeit 2012/13 wird Felix Rothenhäusler
als Hausregisseur am Theater Bremen
engagiert sein.
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michael köpke Bühne
Aufgewachsen in Hildesheim, studierte
Michael Köpke Bühnenbild und audiovisuelle Medien in Utrecht, Prag, BerlinWeißensee, Paris und Karlsruhe und
arbeitete als Bühnenbildassistent am
Thalia Theater Hamburg. Dort assistierte
er u. a. der Bühnenbildnerin Annette Kurz
und für Inszenierungen von Luk Perceval,
Christiane Pohle und Nicolas Stemann.
Als Bühnenbildner arbeitete er u. a. mit
Corinna Sommerhäuser am Thalia Theater Hamburg, mit Gernot Grünewald und
Frank Abt am Jungen Theater Göttingen,
außerdem in Osnabrück, Bielefeld, Paderborn, Bamberg, Dijon, für das theaterlabor
Bremen und in Berlin für die Sophiensäle
und das Theater an der Parkaue. Daneben
wirkte er mit an der Schlafsaalinstallation Alpinarium, die zwischen 2003 und
2007 auf Theaterfestivals in Frankreich,
Deutschland und der Schweiz gezeigt wurde. Michael Köpke gestaltet auch Bühne
und Kostüme für Philotas+ im STUDIO.
katharina kownatzki Kostüm
Geboren 1978 in Hannover, studierte
Katharina Kownatzki zunächst Philosophie
und Musikwissenschaft an der dortigen
Hochschule für Musik und Theater, später
Kostümbild an der Fachhochschule für
Design und Medien sowie Szenographie an
der Musikhochschule in Bratislava, Slowakei. Von 2006 bis 2009 war sie als Kostümassistentin am Thalia Theater in Hamburg
engagiert. Hier entwickelte sie eigene Kostüm- und Bühnenbilder u. a. für Regen in
Neukölln von Paul Brodowsky in der Regie
von Hasko Weber. Sie arbeitet regelmäßig
mit dem Regisseur Stephan Kimmig, u. a.
bei Macbeth am Burgtheater Wien und Öl
von Lukas Bärfuss am Deutschen Theater
in Berlin und mit Andreas Kriegenburg, für
den sie u. a. am Schauspiel Frankfurt das
Kostümbild für Goldonis Der Diener zweier
Herren entwarf. Mit Felix Rothenhäusler
arbeitete sie bereits in Heidelberg und
Göttingen zusammen. Am Oldenburgischen
Staatstheater entwarf sie die Kostüme für
King Lear und Der Kirschgarten.
matthias krieg Musik
Matthias Krieg wurde 1980 in Karl-MarxStadt (Chemnitz) geboren. Er studierte
Psychologie an der Freien Universität Berlin,
später Sound Engineering am SAE Institute
Berlin. Seit 2006 arbeitet er als Theatermusiker. Erste Produktionen enstanden im
Theater Eigenreich in Berlin, wo er unter
der Regie von Aureliusz Smigiel u. a. an
Ernst Tollers Hinkemann und T.S. Elliots The
Waste Land beteiligt war. Die erste Zusammenarbeit mit Felix Rothenhäusler ergab
sich 2008 bei Ödipus im Thalia Theater in
der Gaußstrasse, Hamburg. Seitdem arbeiteten beide im Team u. a. an den Theatern
in Göttingen, Bielefeld, Heidelberg und
demnächst auch Düsseldorf. Matthias Krieg
komponierte außerdem die Musik für die
ZDF-Dokumentarfilme Showdown in Anklam:
Eine Stadt kämpft um die Demokratie sowie
Jugendamt Wedding von Lutz Ackermann
und war mit seiner Hörspielinszenierung des
Textes Freiburg von Claudius Lünstedt für den
diesjährigen ARD Hörspielpreis „Premiere im
Netz“ nominiert.
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Simon Bauer Fiesco, Graf von Lavagna
Geboren wurde Simon Bauer 1981 in Morbach und wuchs in Überlingen
am Bodensee auf. Während seines Studiums an der Universität der
Künste Berlin spielte er bereits am Maxim Gorki Theater und am Deutschen Theater Berlin. 2010/11 gehörte er zum Ensemble des Theaters
Heidelberg. In Karlsruhe ist er auch in Die Hermannsschlacht zu sehen.
Robert Besta Verrina
Seit der Spielzeit 2005/2006 ist Robert Besta im Schauspielensemble des
STAATSTHEATERS und war u. a. in Die Kontrakte des Kaufmanns und
Woyzeck zu sehen. Mit dem Schauspieler Tom Gerber gründet er „Arts
in Dialog“ und veranstaltet in Karlsruhe die Dionysien und die miniAID. Er
steht auch in Die Hermannsschlacht auf der Bühne.
Hannes Fischer Andreas Doria
Die Staatstheater in Würzburg und Nürnberg, das Düsseldorfer Schauspielhaus, Volkstheater Wien, Theater Baden-Baden, Schauspiel Essen
und das Staatstheater Kassel gehören zu den Stationen Hannes Fischers,
der seit 2007/08 im Karlsruher Ensemble engagiert ist. Hier war er u. a.
als König Lear zu sehen und spielt auch in Die Hermannsschlacht.
Paul Grill Gianettino Doria
Paul Grills erste Rolle 2011/12 war der Hermann in Die Hermannsschlacht. Nach seinem Schauspielstudium in Leipzig führten ihn Engagements nach Dresden, Cottbus und Heidelberg. Dort war er u. a. als
Franz Moor in Die Räuber, als Danton in Dantons Tod und als Hamlet zu
sehen, den er in dieser Spielzeit auch in Karlsruhe spielen wird.
Cornelia Gröschel Leonore, Gräfin von Lavagna
Geboren 1987 in Dresden, begann Cornelia Gröschel mit neun Jahren,
in TV-Serien und Fernsehfilmen vor der Kamera zu stehen. Nach dem
Abitur absolvierte sie ihr Schauspielstudium in Leipzig und spielte
währenddessen am Neuen Theater Halle. Ihre erste Rolle am STAATSTHEATER war die Thusnelda in der Hermannsschlacht.
Thomas Halle Bourgognino
1987 in Berlin geboren, studierte Thomas Halle Schauspiel an der Hochschule „Ernst Busch“ in Berlin. Im Studium spielte er in der Regie von
Andreas Kriegenburg am Deutschen Theater Berlin den Hamlet und am
bat-Studiotheater die Hauptrolle in Sven Regeners Der kleine Bruder.
Seine erste Premiere in Karlsruhe war Die Hermannsschlacht.
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matthias Lamp Muley Hassan, ein Mohr
Matthias Lamp wurde 1981 in Heidelberg geboren, studierte Anglistik
und Romanistik in seiner Heimatstadt und in Barcelona und Schauspiel
an der Hochschule „Ernst Busch“ in Berlin. Während des Studiums
spielte er u. a. am Maxim Gorki Theater und der Schaubühne. Seine ersten Premieren waren Der große Marsch und Minna von Barnhelm.
sophia löffler Julia, Gräfin Imperiali
Sophia Löffler wurde 1985 in Potsdam geboren und begann 2007 ihr
Schauspielstudium an der Leipziger Hochschule „Felix Mendelssohn
Bartholdy“. Ab der Spielzeit 2009/2010 gehörte sie zum Schauspielstudio
am Staatsschauspiel Dresden. Sie spielt auch in Minna von Barnhelm
und Der große Marsch.
Dachtet ihr, der Löwe schliefe,
weil er nicht brüllte? Waret ihr
eitel genug, euch zu überreden,
daSS ihr die Einzigen wäret,
die Genuas Ketten fühlten?
Die Einzigen, die sie zu zerreiSSen
wünschten? Eh ihr sie nur fern
rasseln hörtet, hatte sie schon
Fiesco zerbrochen.
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bildnachweise
impressum
Umschlag
Szenenfotos S. 24/25 S. 26/27
Herausgeber
BADISCHES STAATSTHEATER
Karlsruhe
Jochen klenk
Jochen klenk
JOCHEN KLENK
DIVERSE
TEXTNACHWEISE
Johan Huizinga, Auszug aus Homo Ludens.
Versuch einer Bestimmung des Spielelementes der Kultur, Übersetzung ins
Deutsche von Hans Nachod, Copyright für
die deutsche Übersetzung © 1956 Rowohlt
Taschenbuch Verlag GmbH, Hamburg
Friedrich Schiller, Auszug aus An die
Freude, in Sämtliche Werke in fünf
Bänden, dtv 2004
Nicht gekennzeichnete Texte sind
Originalbeiträge für dieses Heft von
Kerstin Grübmeyer.
Generalintendant
Peter Spuhler
VERWALTUNGSDIREKTOR
Michael Obermeier
Chefdramaturg
Bernd Feuchtner
Schauspieldirektor
Jan Linders
Redaktion
Kerstin Grübmeyer
Konzept
Double Standards Berlin
www.doublestandards.net
Gestaltung
Danica Schlosser
Druck
medialogik GmbH
BADISCHES STAATSTHEATER
Karlsruhe 11/12,
Programmheft Nr. 20
www.staatstheater.karlsruhe.de
Ich könnte hier
stehen und hingaffen
und ein Erdbeben überhören
Matthias Lamp, Thomas Halle, Sophia Löffler
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