DIE VERSCHWÖRUNG DES FIESCO ZU GENUA Meine Herren! Ich bin so frei gewesen, Sie zu einem Schauspiel bitten zu lassen – Nicht aber, Sie zu unterhalten, sondern Ihnen Rollen darin aufzutragen. die verschwörung des fiesco zu genua Ein republikanisches Trauerspiel von Friedrich Schiller Fiesco, Graf von Lavagna Leonore, seine Frau Andreas Doria, Herzog von Genua Gianettino Doria, sein Neffe Julia, Gräfin Imperiali, Schwester Gianettinos Verrina, ein Republikaner Bourgognino, ein Adeliger Muley Hassan, ein Mohr Simon Bauer Cornelia Gröschel Hannes Fischer Paul Grill Sophia Löffler Robert Besta Thomas Halle Matthias Lamp Regie Felix rothenhäusler Bühne Michael Köpke Kostüme Katharina Kownatzki Musik Matthias Krieg LichtdesignChristoph Pöschko Dramaturgie Kerstin Grübmeyer Premiere 24.11.11 Kleines Haus Aufführungsdauer ca. 2 Stunden, keine Pause 1 Regieassistenz Mathias Hannus Bühnenbildassistenz Viktoria StrikiĆ Kostümassistenz kim lotz Soufflage Dagmar Weber Inspizienz Jochen Baab Regiehospitanz Esther Weickel Technische Direktion Harald FaSSlrinner, Ralf Haslinger Bühne Hendrik Brüggemann, Edgar Lugmair Leiter der Beleuchtung Stefan Woinke Leiter der Tonabteilung Stefan Raebel Ton Jan Fuchs, Dieter schmidt Leiter der Requisite Wolfgang Feger Requisite Clemens Widmann Werkstättenleiter Theo F. Hauser Malersaal Dieter Moser Leiter der Theaterplastiker Ladislaus Zaban Schreinerei Günter Furrer Schlosserei Mario Weimar Polster- und Dekoabteilung Ute Wienberg Kostümdirektorin Doris Hersmann Gewandmeister/in Herren Petra Annette Schreiber, Robert Harter Gewandmeisterinnen Damen Tatjana Graf, Karin Wörner, Annette Gropp Waffenmeister MICHAEL PAOLONE Schuhmacherei Thomas Mahler, Barbara Kistner, Gülay Yilmaz Modisterei Diana Ferrara, Jeanette Hardy Chefmaskenbildner Raimund Ostertag Maske Friederike Reichel, Sonja Ross, Renate Schöner die unbändigen Leidenschaften des Volks, gleich den stampfenden Rossen, mit dem weichen Spiele des Zügels zu zwingen – Ich bin entschlossen! 2 Paul Grill, Hannes Fischer 3 verliebte, verschwörer & Verbrecher ZUM INHALT Genua 1547. Ein Maskenball im Haus des Fiesco, Graf von Lavagna. Während Fiesco mit Julia, der Gräfin Wittwe Imperiali, flirtet, fürchtet seine Frau Leonore, dass es sich um mehr als eine „Galanterie“ handelt und dass ihr Mann als „Retter Genuas“ verloren sei. Denn Julia ist die Schwester Gianettino Dorias, der von seinem Onkel Andreas Doria, dem Herzog von Genua, zum Nachfolger ernannt wurde. Gianettino ist bei Adel und Volk als zukünftiger Tyrann gefürchtet – und Fiesco in aller Augen der Hoffnungsträger eines politischen Umsturzes. Das weiß auch Gianettino, der deswegen den Mohren Muley Hassan für einen Auftragsmord an Fiesco bezahlt. Der Republikaner Verrina und der Adelige Bourgognino versuchen Fiesco für eine Verschwörung gegen die Doria zu gewinnen. Doch dieser gibt sich als gänzlich unpolitischer, verliebter Genussmensch und verbirgt seine eigenen politischen Ziele. Nachdem Fiesco den Mordanschlag des Mohren verhindern 4 konnte, engagiert er diesen selbst, um ihn als Spion und Handlanger einzusetzen. Der Mohr berichtet Fiesco, dass die Stimmung in Genua sich gegen die Doria wendet; in der Stadt spricht alles über Fiesco als Anführer eines möglichen Aufstands. Als Gianettino die Prokuratorwahl eigenmächtig und gegen die demokratischen Wahlregeln beendet und damit für sich entscheidet, entbrennt ein Aufruhr und Bourgognino und Verrina erscheinen erneut in Fiescos Haus. Wieder lehnt Fiesco jede Beteiligung an einer Verschwörung ab, als interessierten ihn die Staatsgeschäfte nicht. Indessen wirft der alte Herzog Andreas Doria seinem Neffen und Nachfolger Gianettino vor, durch sein eigenmächtiges Handeln das Regierungsgebäude Genuas zerstört zu haben; einzig die Tatsache, dass beide verwandt sind, hindert ihn an einer blutigen Bestrafung Gianettinos. Fiesco führt ein Gespräch mit den Genuesern darüber, r welches die beste Staatsform sei, und überzeugt die Genueser und sich selbst von der Monarchie – unter seiner eigenen Führung. Gianettino hat sich mit dem deutschen Kaiser Karl verbündet und deutsche Soldaten angefordert, um einen Aufstand niederschlagen zu können; er glaubt immer noch, dass Fiesco dem Mordanschlag des Mohren zum Opfer fallen wird. Doch nun beginnt Fiesco zu handeln – er lässt den Mohren öffentlich gestehen, dass Gianettino ihn gedungen hat, und verzichtet dann auf dessen Bestrafung. Bourgognino und Verrina haben sich eine neue Strategie ausgedacht, um Fiesco für ihre Sache zu gewinnen: Ein „Gemälde“ soll ihn anrühren und seinen republikanischen Geist wecken. Aber Fiesco führt sie erneut vor – und offenbart ihnen endlich, dass er den Umsturz längst selbst geplant und sich der Unterstützung durch die Franzosen mit Soldaten, Galeeren und Geld versichert hat. Andreas Doria ist entsetzt über die Aufdeckung des Mordversuchs seines Neffen; er fürchtet den Aufstand. Doch Gianettino weiht ihn in seinen Plan ein, in einem Staatsstreich zwölf Senatoren ermorden zu lassen, darunter Fiesco, Verrina und Bourgognino, und sich zum Alleinherrscher Genuas zu machen. Er versichert sich bei seiner Schwester Julia, dass Fiesco sie noch immer umwirbt und damit harmlos ist. Verrina weiht Bourgognino in seinem Plan ein, Fiesco nach dem geglückten Umsturz zu ermorden; er fürchtet, dass Fiesco sich zum neuen Tyrannen entwickeln könnte. Fiesco ringt währenddessen um die eigene Entscheidung – die Herzogswürde ablehnen und die Republik retten oder doch den Purpurmantel umlegen und sich zum Herrscher über Genua aufschwingen? Durch den Mohren erfährt Fiesco von der zweiten Mordverschwörung Gianettinos gegen sich und die übrigen Adligen. Als er seinem Widersacher bei Julia begegnet, versöhnt er sich jedoch zum Schein mit ihm und macht ihm die Anwesenheit der französischen Truppen im Hafen damit plausibel, dass er gegen die Türken in den Krieg ziehe. Den Mohren serviert Fiesco ab, da er seine Dienste nicht mehr benötigt. Dieser beschließt daraufhin, Fiescos Verschwörung an Andreas Doria zu verraten. Fiesco hat die Verschwörer zu sich gerufen und erklärt ihnen die „Komödie“ und den von ihm geplanten Ablauf des Aufstands. Als die Nachricht vom Verrat des Mohren in die Versammlung der Verschwörer platzt, muss Fiesco feststellen, dass ihn Andreas Doria in seiner „Größe“ übertrifft, da dieser sich ihm als Reaktion auf die Verschwörung ausliefert. Als er schon bereit ist, aufzugeben und alles zu gestehen, wird er von Verrina an seine Verantwortung erinnert. Der Plan für den Umsturz wird beibehalten. Verrina soll mit Fiescos französischen Soldaten die Schiffe Gianettinos im Hafen erobern. Bourgognino soll Gianettino ermorden. Fiesco trifft auf Julia, die ihm ihre Liebe gesteht – woraufhin er sie damit konfrontiert, dass er ihr nur eine Komödie vorgespielt hat. Leonore, die nun ebenfalls die Wahrheit kennt, versucht, Fiesco von seinen Plänen, sich selbst zum Herzog zu machen, abzubringen und ihn von einem überirdischen Liebesglück an ihrer Seite als Alternative zu einem korrumpierenden Herrscheramt zu überzeugen. Doch der Kanonenschuss als Signal zum Beginn des Umsturzes ertönt, und Fiesco folgt seinem eigenen Plan – mit ungewissem Ausgang. 5 die politik der inszenierung ZUM STÜCK Drei verschiedene Enden des Fiesco sind überliefert, diesem vielleicht schwierigsten, komplexesten und auch faszinierensten Stück Schillers. Es sperrt sich einer eindeutigen Einordnung, schwankt zwischen politischem Intrigenstück und Familiendrama, ist weder eindeutig psychologisch noch ausschließlich politisch zu deuten. Schon die Zeitgenossen Schillers sahen nach dem Erscheinen der ersten Fassung 1783 und der ersten Aufführung im selben Jahr Bedarf zur Überarbeitung, so dass Schiller für den Mannheimer Intendanten Dalberg eine an die Bühnenpraxis angepasste zweite Fassung erstellte – mit einem vollkommen veränderten Schluss. Der historische Fiesco, auf den Schiller durch seine Rousseau-Lektüre gestoßen war, nahm ein höchst unheroisches Ende: Nachdem ihm der Aufstand gegen die Doria geglückt war, rutschte er am Hafen auf einer Planke aus, fiel ins Wasser und ertrank. In seiner ersten Fassung hatte 6 Schiller bereits nachgeholfen und Fiescos Mitverschwörer, den Republikaner Verrina, den potentiellen Tyrannen Fiesco ins Hafenbecken stoßen lassen. Doch auch dieses Ende blieb unbefriedigend, da sich der Held zuvor ganz unheldisch für die Herzogswürde und gegen die Freiheit, die Republik entschieden hatte. So wendete sich das Blatt vollständig in der Mannheimer Bühnenfassung, die 1784 uraufgeführt wurde: Fiesco lässt Verrina bis zum Schluss in dem Glauben, er wolle sich selbst zum Herzog machen – um ihm und dem Volk von Genua schließlich voll Großmut die Freiheit zu schenken: „Ein Diadem erkämpfen ist groß. Es wegwerfen ist göttlich.“ Nicht wenige Interpreten haben darauf hingewiesen, dass auch diese Wendung keinesfalls den Verzicht Fiescos auf Macht und Einfluss bedeutet, sondern auch ein weiterer seiner brillanten Schachzüge sein könnte. Aber das „Happy End“ für die Republik folgte Schillers eigenem Simon Bauer g 7 „prä-revolutionärem Unbehagen“ und dem „Bemühen um die Beseitigung einer alten Ordnung, freilich noch ohne das Programm zur Gestaltung einer neuen“, wie der Literaturwissenschaftler Jürgen Wertheimer schreibt. Auch die Angst vor der Zensur kann eine Rolle für diesen zweiten Schluss gespielt haben, denn einen Fürsten auf offener Bühne zu ermorden konnte die Grenze des politisch Geduldeten überschreiten. Außerdem war die Darstellung eines Todes durch Ertrinken wie in der ersten Fassung für die Theater des 18. Jahrhunderts eine fast unüberbrückbare praktische Herausforderung. Nur fünf Jahre später ist Schiller fasziniert und kurz darauf entsetzt und abgestoßen von der Französischen Revolution und ihren Folgen, der blutigen Jakobinerherrschaft. Musste jeder gewaltsame Umsturz nicht zwangsläufig im Terror münden? Doch dieser Frage stellte sich Schiller mit seinem Fiesco noch nicht, galt sein Interesse viel eher der Gestaltung eines „großen, furchtbaren Kopfes“, der „gleich dem gebährenden Geist aus dem Chaos einsam und unbehorcht eine Welt ausbrütet“, der „nichts fürchtet, als seinesgleichen zu finden – der stolzer darauf ist, sein eigenes Herz zu besiegen, als einen furchtbaren Staat“. An Fiesco faszinierte Schiller die Möglichkeit, eine Figur mit Größe auf die Bühne zu bringen, ob sie „tugendhaft oder verbrecherisch war, konnte bis auf weiteres offen bleiben“, schreibt Rüdiger Safranski. Doch auch der zweiten Fassung bleibt der Erfolg versagt. Enttäuscht schreibt Schiller über die Mannheimer Aufführung: „Den Fiesko verstand das Publikum nicht. Republikanische Freiheit ist hier zu Lande ein Schall ohne Bedeutung, ein leerer Name – in den Adern der Pfälzer fließt kein rö8 misches Blut.“ Schließlich überarbeitete Schiller sein Stück 1785 ein drittes Mal, nicht zuletzt deshalb, weil sich unautorisierte Bearbeitungen anderer Autoren im Umlauf befanden, die bekannteste die des Berliner Theaterdichters und -praktikers Karl Martin Plümicke. Die Plümicke-Fassung lässt Fiesco am Ende seine Herzogswürde an den alten Herzog Doria zurückgeben und Selbstmord begehen – Plümicke greift verkürzend in die Sprache Schillers ein, er „popularisiert“ das Stück, macht es sentimentaler und politisch konservativer, indem er mit seinem Schluss die „alte Ordnung“ wiederherstellt und Fiesco sich selbst bestrafen lässt. Die Dresdner/Leipziger Bühnenfassung, die dritte Fassung Schillers, die nicht im Original überliefert und daher in ihrer Authentizität umstritten ist, endet wieder mit dem Tod Fiescos, der nun von Verrina erstochen wird, woraufhin dieser sich dem Gericht des Volkes ausliefert. Da das Ende eine Zurücknahme des heroischen Verzichts Fiescos auf die Macht darstellt, wird vermutet, dass es sich bei der Leipziger Fassung um ein Konglomerat handelt, für das ein Mitglied der Theatertruppe Bondini, die die Fassung 1786 in Dresden und Leipzig aufführten, den Schluss geschrieben hatte. Ein Stück mit drei Schlüssen – wieso konnte Schiller sich nicht für einen entscheiden? Was bedeuten die drei Enden für den Charakter seines Helden? Handelt es sich hier um ein besonderes Experiment, das die Zeitgenossen vor unlösbare Probleme und Rätsel stellte, uns heute aber wie eine ideale Vorlage erscheint, das Spiel mit den Möglichkeiten aufzugreifen? Die Kritik, die bis heute in der Forschung geäußert wird, das Stück sei in seiner Handlungsstruktur „inkonsequent, bzw. die verschiedenen Schlüsse ließen es an dramatischer Notwendigkeit fehlen, die Psychologie der Figuren sei unwahrscheinlich und konstruiert, die politische Aktion nicht plausibel, das Gegeneinander von Charakter und Handlung, von Figuren- und Geschehnisdrama nicht aufgelöst und unstimmig“, um nur einige aus Nikola Roßbachs FiescoArtikel im Schiller-Handbuch entnommene Wertungen zu zitieren – diese Kritik erscheint plausibel, verfehlt jedoch das Potential des Stücks, die scheinbaren Unstimmigkeiten produktiv zu machen. Es ist, wie Jürgen Wertheimer schreibt, zum einen ein „ernüchtertes und ernüchterndes Stück Politikanalyse“, zum anderen aber auch ein virtuoses Spiel mit Theatermetaphern und -situationen: „Illuminationen, Masken, Larven bestimmen das Bild ... und selbst die republikanischen Verschwörer erscheinen in Masken. Titel und Ämter werden im Karnevalsrausch vergeben und entzogen, und es scheint, als spiele man alles nur: Liebe, Politik, Verschwörung. Und keiner, der genau zu sagen wüsste, wo die so genannte ‚Wirklichkeit‘ anfängt und wo das so genannte ‚Spiel‘ endet.“ Fast an jeder Stelle des Stücks ist ein anderer Ausgang, eine neue Wendung, eine vollkommen gegensätzliche Reaktion denkbar. Sei es, dass die Liebesaffäre zwischen Fiesco und Julia, der Schwester seines Erzfeindes, durchaus von einem echten Gefühl durchdrungen und keine reine Täuschung sein könnte; sei es, dass die Verschwörung durch den Verrat des Mohren plötzlich wirklich beendet und der Umsturz vereitelt sein könnte. Nicht nur die drei verschiedenen Schlüsse, auch die grundsätzliche Undurchschaubarkeit der Figuren deuten darauf hin, dass hier nichts gesichert ist – und das Stück damit einen Raum der Möglichkeiten öffnet. Die ausufernde Verwendung Folgeseite Simon Bauer, Paul Grill, Thomas Halle von Theatermetaphern und -begriffen führt auf die Fährte, was diese Möglichkeiten sein könnten. „Schiller liebte das Spiel von Maskierung und Enthüllung ebenso wie die Unvorhersehbarkeit der Freiheit, im Leben wie auf der Bühne“, schreibt Rüdiger Safranski. Daher widerstrebt ihm die „Illusion der Notwendigkeit“, in die ein Autor seine Figuren deterministisch versetzt, indem er suggeriert, dass ausgehend von einer bestimmten Situation ihre Handlungen nur so und nicht anders hätten verlaufen können. Die Freiheit ist etwas anderes, sie ist ungeheuer, unberechenbar, unvorhersehbar. Dass Schiller sich nie für ein endgültiges Ende seines Fiesco entscheiden konnte, liegt in dieser Freiheit begründet, die im unendlichen Spiel mit den Möglichkeiten steckt; also auch mit denen des Theaters. Ob es die Anwesenheit von „Masken“ auf einem Maskenball ist oder das inszenierte Spiel der Verführung, der „Polit-Poker“ oder die Darstellung der revolutionären Affekte in einem Gemälde – oder schließlich die explizite Aufforderung Fiescos an alle Adeligen Genuas, sich zu einem „Schauspiel“ in seinem Palast einzufinden, um ihnen dort ihre „Rollen“ in dem von ihm geplanten Umsturz zuzuteilen – stets kreist das Stück um die Frage, wie und zu welchem Zweck etwas inszeniert ist und wer eigentlich welches Spiel spielt. Fiesco ist ein brillanter Spieler und ein „großer Kopf“. Er ist, so Nikola Roßbach, „Autor, Regisseur und ständig die Rollen wechselnder Hauptdarsteller“, der das „Geschehen fast bruchlos als Probe seiner Größe in seinen Lebensplan zu integrieren weiß“. Die Verschwörung des Fiesco zu Genua kann also als ein früher Versuch Schillers gelesen werden, zu einer Ästhetik des Spiels im Drama zu finden. Der größte Spieler ist dabei der Autor selbst. 9 10 11 aus den nebeln eine schöpfung ZUM AUTOR Johann Christoph Friedrich Schiller, Sohn des Leutnants Johann Kaspar Schiller und dessen Frau Elisabeth Dorothea, wird am 10. November 1759 in Marbach geboren und entdeckt schon als Kind seine dichterische Neigung. Im Alter von 14 Jahren wird er auf Geheiß des Herzogs Karl Eugen von Württemberg in die Militär-Pflanzschule auf der Solitude bei Stuttgart eingezogen. Hier herrscht strenge Disziplin und die Beschäftigung mit Literatur ist nur heimlich möglich. 1776 lernt Schiller jedoch in den Vorlesungen des Philosophie-Professors Jakob Friedrich Abel das Werk Shakespeares kennen; später wird er Abel seinen Fiesco widmen. „Bei Shakespeare fand der junge Schiller das große Welttheater, diesen Tumult der menschlichen Schicksale und Konflikte. Seine ersten Menschenkenntnisse las er sich aus Shakespeares Stücken zusammen“, schreibt der Biograph Rüdiger Safranski. Durch Abel entdeckt Schiller auch die Philosophie, liest Rousseau, Herder, Wieland, und schreibt an seinem ersten Stück, Die Räuber. 12 An die Zeit auf der verhassten Militärschule schließt sich ein Jura- und Medizin-Studium und eine Anstellung als mäßig erfolgreicher Militärarzt bei einem Stuttgarter Grenadierregiment an. 1781 gibt Schiller anonym Die Räuber im Selbstverlag heraus; im Januar 1782 wird das Stück in der Regie des Intendanten Heribert von Dalberg am Hof- und Nationaltheater Mannheim uraufgeführt. Die fünfstündige Aufführung ist ein Ereignis, wie aus einem Augenzeugenbericht hervorgeht: „Das Theater glich einem Irrenhause, rollende Augen, geballte Fäuste, stampfende Füße, heisere Aufschreie im Zuschauerraum! Fremde Menschen fielen einander schluchzend in die Arme, Frauen wankten, einer Ohnmacht nahe, zur Tür. Es war eine allgemeine Auflösung wie im Chaos, aus dessen Nebeln eine neue Schöpfung hervorbricht.“ Schiller gerät nun in einen Konflikt zwischen seinen Pflichten dem Militär gegenüber und dem Wunsch, eine Laufbahn als Schriftsteller einzuschlagen. Im Juli 1782 wird ihm durch den Herzog das „Komödienschreiben“ verboten und ein zweiwöchiger Arrest in der Festung Asperg bei Ludwigsburg über ihn verhängt, weil er zur Uraufführung der Räuber unerlaubt nach Mannheim gefahren war. Während dieser Haft arbeitet er unter anderem am Fiesco. Im September entschließt er sich zur Flucht; gemeinsam mit seinem Freund, dem Musiker Andreas Streicher, macht er in Mannheim und Oggersheim Station. Die erste Lesung des Fiesco 1782 in Mannheim gerät allerdings zum sprichwörtlichen Fiasko. Die anwesenden Theaterleute, darunter der berühmte Schauspieler Iffland, spenden keinen Beifall und entfernen sich noch vor Ende der Lesung. Streicher zitiert in seinem Bericht über den Vorfall einen Schauspieler, der, als er das Drama später selbst noch einmal gelesen hatte, es plötzlich für ein „Meisterstück“ hält: „Wissen Sie auch, was schuld daran ist, dass ich und alle Zuhörer es für das elendste Machwerk hielten? Schillers schwäbische Aussprache und die verwünschte Art, wie er alles deklamiert! Er sagt alles in dem nämlichen hochtrabenden Ton her, ob es heißt: Er macht die Türe zu, oder ob es eine Hauptstelle seines Helden ist.“ Schiller erhält schließlich von Dalberg eine Anstellung als Dramatiker in Mannheim und den Auftrag, den Fiesco für die Bühne umzuarbeiten. Im Frühjahr 1785 folgt Friedrich Schiller einer Einladung seines Bewunderers Christian Gottfried Körner nach Leipzig und zieht zwei Jahre später nach Weimar, wo er Wieland und Herder kennen lernt, sowie am 7. September 1788 schließlich Johann Wolfgang von Goethe, der ihm zwar eine Professur am Lehrstuhl für Geschichte der Universität Jena vermittelt, ihn zunächst aber als erheblich jüngeren Konkurrenten ablehnt. In der Zwischenzeit erlebt der Fiesco in unterschiedlicher Fassung Aufführungen in Bonn, Mannheim und Leipzig, in Frankfurt wird Kabale und Liebe Folgeseite Cornelia Gröschel, Simon Bauer uraufgeführt. Schillers Aufsatz Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken? erscheint, sowie Teile des Don Karlos, der 1787 in Mannheim uraufgeführt und in Leipzig als Buchausgabe veröffentlicht wird. Schiller kann jedoch von seinen Einnahmen kaum seinen Lebensunterhalt bestreiten und ist auf Freunde, Gönner und Mäzene angewiesen, oft auch auf Frauen wie Henriette von Wolzogen, die Mutter eines ehemaligen Mitschülers, die ihm bei seiner Flucht geholfen hatte. Die von Goethe vermittelte Professur in Jena, obwohl unbezahlt, bringt jedoch eine gewisse Sicherheit, so dass Schiller eine Familie gründen kann. Am 22. Februar 1790 heiratet er Charlotte von Lengefeld, mit der er vier Kinder bekommt. Ab 1794 entwickelt sich seine enge Freundschaft zu Goethe; sie tauschen Briefe, Dramen, Lyrik und ästhetische Schriften aus. 1799 zieht Friedrich Schiller mit seiner Familie dauerhaft nach Weimar, die „Weimarer Klassik“ wird geboren. Auch wenn sich Schillers Hoffnungen, vom Weimarer Hof eine sichere Stellung zu erhalten, nicht bestätigen, so gelingt es ihm dennoch, seine Familie finanziell abzusichern. 1802 wird Schiller in den Adelsstand erhoben. Seit seiner Kindheit immer wieder von schweren Krankheiten geplagt, ist Schiller dennoch zeitlebens äußerst produktiv, verfasst u. a. die Dramen Maria Stuart, Die Jungfrau von Orleans, Wilhelm Tell und Wallenstein, zahlreiche Theaterbearbeitungen und Übersetzungen anderer Autoren, historische und ästhetische Schriften, Prosa und Balladen. Als er 1805 an einer nie ganz auskurierten Lungenentzündung stirbt, geht eine Epoche zu Ende. Wenige Wochen nach Schillers Tod schreibt Goethe: „Ich dachte mich selbst zu verlieren, und verliere nun einen Freund und in demselben die Hälfte meines Daseins.“ 13 14 15 DIE FREIHEIT DES SPIELS ZUR INSZENIERUNG „Schiller als Spieler? Ausgerechnet Schiller? ... alles Mögliche verbindet sich mit seinem Namen. Aber nichts, was auf Leichtigkeit, Ironie, Verspieltheit hinwiese.“ In seinem Buch Schillers Spieler und Schurken stellt Jürgen Wertheimer fest, dass Schiller zwar nicht die „unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ besessen habe, dafür aber die „artistische Leichtigkeit des Spiels“, an dem er auch theoretisch interessiert war. In Schillers 1793 verfasstem Essay Über die ästhetische Erziehung des Menschen beschreibt er das Spiel als die Fähigkeit des Menschen, die zwischen seinen verschiedenen „Trieben“ vermitteln und ihm zu einer „Ganzheit“ und damit zur Freiheit verhelfen kann: dem „sinnlichen Trieb“, durch den er von seinen Empfindungen beherrscht wird, und dem „Formtrieb“, durch den er sich in Freiheit und Harmonie setzen will, nach Wahrheit und Unveränderlichkeit strebt. Der Trieb, der beide Seiten vereint, ist der „Spieltrieb“: „Denn, um es 16 endlich einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ Die ästhetische Kunst ist das Spielfeld, auf dem sich der Spieltrieb und somit auch die Menschwerdung entfalten kann. „Schillers Konzept ist komplex und greifbar zugleich ... Richtig zu spielen heißt für ihn mit allen Sinnen zu agieren, heißt das Spiel zu spielen und mit dem Spiel zu spielen, leicht und schwerelos zu werden, heißt Freude, Freude am Schein, am ‚schönen Schein’, am ‚Schein der Dinge’ zu empfinden“, so Jürgen Wertheimer. Die Spur dieses Gedankens zu verfolgen heißt für Felix Rothenhäusler und sein Ensemble, das Spiel selbst als Inhalt und Form ernst zu nehmen und es zum Motor aller Ereignisse und Handlungen auf der Bühne zu machen. Jede Bewegung, jede Äußerung und jeder Blick wird zum Schachzug; jeder Schachzug dient nur dem einen Zweck – das Spiel weiter zu spielen und sich gegenseitig darin zu übertreffen, darin frei zu werden. Die Bühne wird von Hand betrieben und ist selbst ein großes Spielzeug, inspiriert durch alte Theatermaschinen und das im 19. Jh. populäre Papiertheater. Mit dem Papiertheater spielten die Bürger in den Salons ihre Lieblingsdramen in einem voll ausgestatteten, zweidimensionalen Miniaturtheater aus Papier nach, mit ebenfalls aus Papier gefertigten Figuren, die in immer neuen Konstellationen aufgestellt werden konnten. Wenn Schauspieler aus Fleisch und Blut auf einer Bühne spielen wie mit einem Papiertheater, wird die Theatersituation, das „als ob“ radikal offen gelegt. Die Heimlichkeiten der Verschwörer werden öffentlich, alles passiert vor aller Augen – und jeder benutzt jeden für das eigene Spiel. Das „Volk“ ist eine leicht zu beeinflussende Masse, der Hintergrund oder auch der Spiegel, vor dem sich die Verschwörer und Gegenverschwörer, die alten und neuen Machthaber, die Ehefrauen und Geliebten, die Verbrecher und Idealisten selbst inszenieren und in dem sie ihre eigene Inszenierung bewundern. Vorhänge, Gassen, Windmaschine, Konfetti, rote Farbe, Theaterschwerter und Römerhelme stehen zur Verfügung; Texte aus Niccolo Machiavellis Der Fürst, Schillers Ode An die Freude oder eine Variation des Dies irae – dem Tag des Zorns – gehören ebenso zum Arsenal der „Spielsachen“, wie die Puderquaste der Julia oder der Fächer der Leonore. „Wer spielt ist engagiert und distanziert zugleich, steht zwischen und über den Dingen. Es ist kein Zufall, dass Schiller selbst nie das war, was man einen Parteigänger nennt. Keine Zeile Revolutionsschwärmerei aus seiner Feder ... Schiller untersucht Ideologien, er bewohnt sie nicht“, so Wertheimer. Schillers Inter- esse im Fiesco gilt nicht der Ideologie der Freiheit, der „Republik“, er zeigt dagegen, „wie politische Inszenierungen kippen und selbst gläubiger Idealismus sich in Intrige verwandelt.“ Der Schauplatz, Genua im Jahre 1547, aber auch der Umsturz einer alten Ordnung zugunsten einer neuen, der Aufstand der „Republikaner“ gegen einen mutmaßlichen „Tyrannen“ sind Kulisse, illustrativer Rahmen für den eigentlichen Inhalt: das Spiel, in dem der Gewinner nicht unbedingt der ist, der sich am Ende den purpurnen Herzogsmantel umlegt. Der „Genueser Fiesco sollte zu meinem Fiesco nichts als den Namen und die Maske hergeben – das übrige mochte er behalten“, so formuliert Schiller es im Theaterzettel zur Mannheimer Bühnenfassung. Er experimentiert mit dem Theater als einem „Laboratorium“, in dem die „Wirkung aller Materialien, der Gefühle, der Gedanken“ getestet werden kann. Für Schiller ist das Theater „eine Maschine zur Herstellung großer Gefühle“, so Rüdiger Safranski. „Unglückseliger Durst nach Größe!“ ruft Fiesco sich selbst am Ende seines großen Monologes zu, in dessen Verlauf er sich die möglichen Ausgänge seines Spiels bewußt macht: „Gehorchen und Herrschen! – Sein und Nichtsein!“ Nicht zufällig zitiert Schiller hier einen anderen großen Spieler der Theaterliteratur, Shakespeares Hamlet. In Fiescos Fall aber sind „Gehorchen“ und „Herrschen“ nur zwei Seiten derselben Medaille, die es im Spiel zu erringen gilt. Eine Entscheidung zwischen beiden kann es nicht geben, sich für ein „richtiges Ende“ des Dramas zu entscheiden, würde den Regeln des Spiels zuwiderlaufen, da es auf das „Menschsein“ an sich gerichtet ist, auf das unendliche Erproben der Möglichkeiten, auf einen ständigen, unabgeschlossenen Prozess der Selbstfindung. 17 AN DIE FREUDE Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium, wir betreten feuertrunken, Himmlische, dein Heiligtum! Deine Zauber binden wieder, was die Mode streng geteilt; alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt. Wem der groSSe Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu sein, wer ein holdes Weib errungen, mische seinen Jubel ein! Ja, wer auch nur eine Seele sein nennt auf dem Erdenrund! Und wer’s nie gekonnt, der stehle weinend sich aus diesem Bund. Seid umschlungen Millionen! Diesen KuSS der ganzen Welt! Brüder – überm Sternenzelt MuSS ein lieber Vater wohnen. Friedrich Schiller 18 Matthias Lamp, Hannes Fischer 19 homo ludens Vom Ursprung der Kultur im Spiel Spiel ist älter als Kultur; denn so ungenügend der Begriff Kultur begrenzt sein mag, er setzt doch auf jeden Fall eine menschliche Gesellschaft voraus, und die Tiere haben nicht auf die Menschen gewartet, dass diese sie erst das Spielen lehrten ... Alle Grundzüge des Spiels sind schon im Spiel der Tiere verwirklicht. Man braucht nur junge Hunde beim Spielen zu beobachten ... Sie laden einander durch eine Art von zeremoniellen Haltungen und Gebärden ein. Sie beobachten die Regel, dass man seinem Bruder das Ohr nicht durchbeißen soll. Sie stellen sich alle so, als ob sie fürchterlich böse wären. Und das Wichtigste ist: an alledem haben sie offensichtlich ungeheuer viel Vergnügen und Spaß ... Das Vorhandensein des Spiels ist an keine Kulturstufe, an keine Form von Weltanschauung gebunden. Ein jedes denkende Wesen kann sich die Realität Spiel, Spielen, sogleich als ein selbständiges, 20 eigenes Etwas vor Augen führen, sogar wenn seine Sprache kein allgemeines Begriffswort dafür besitzen sollte. Das Spiel lässt sich nicht verneinen. Nahezu alles Abstrakte kann man leugnen: Recht, Schönheit, Wahrheit, Güte, Geist, Gott! Den Ernst kann man leugnen, das Spiel nicht. Mit dem Spiel aber erkennt man, ob man will oder nicht, den Geist. Denn das Spiel ist nicht Stoff, worin auch sein Wesen bestehen mag ... Erst durch das Einströmen des Geistes, der die absolute Determiniertheit aufhebt, wird das Vorhandensein des Spiels möglich, denkbar und begreiflich. Das Dasein des Spiels bestätigt immer wieder, und zwar im höchsten Sinne, den überlogischen Charakter unserer Situation im Kosmos. Die Tiere können spielen, also sind sie bereits mehr als mechanische Dinge. Wir spielen und wissen, dass wir spielen, also sind wir mehr als bloß vernünftige Wesen, denn das Spiel ist unvernünftig ... Alles Spiel ist zunächst und vor allem ein freies Handeln. Befohlenes Spiel ist kein Spiel mehr. Höchstens kann es aufgetragenes Wiedergeben eines Spiels ein. Schon durch diesen Charakter der Freiheit sondert sich das Spiel aus dem Lauf eines Naturprozesses heraus. Es fügt sich ihm an und legt sich wie ein schönes Kleid über ihn hin. Freiheit muss hier natürlich in dem weiteren Sinne verstanden werden, in dem das Problem vom Determinismus unberührt bleibt. Man würde ja sagen können: Diese Freiheit besteht nicht für das junge Tier und das Kind; sie müssen spielen, weil ihr Instinkt es ihnen befiehlt und weil das Spiel zur Entfaltung ihrer körperlichen und selektiven Vermögen dient. Mit der Einführung des Begriffs Instinkt versteckt man sich jedoch hinter ein X, und wenn man von vornherein die vorausgesetzte Nützlichkeit des Spiels unterstellte, würde man eine petitio principii begehen. Das Kind und das Tier spielen, weil sie Vergnügen daran haben, und darin eben liegt ihre Freiheit ... Das Spiel beginnt, und in einem bestimmten Augenblick ist es ‚aus’. Es ‚spielt sich ab’. Solange es im Gange ist, herrscht Bewegung, ein Auf und nieder, ein Abwechseln, bestimmte Reihenfolge, Verknüpfung und Lösung ... Jedes Spiel bewegt sich innerhalb seines Spielraums, seines Spielplatzes, der materiell oder nur ideell, absichtlich oder wie selbstverständlich im Voraus abgesteckt worden ist ... Die Arena, der Spieltisch, der Zauberkreis, der Tempel, die Bühne, die Filmleinwand, der Gerichtshof, sie sind allesamt der Form und der Funktion nach Spielplätze, d. h. geweihter Boden, abgesondertes, umzäuntes, geheiligtes Gebiet, in dem besondere eigene Regeln gelten. Sie sind zeitweilige Welten innerhalb der gewöhnlichen Welt ... Das Spiel fordert unbedingte Ordnung. Die geringste Abweichung von ihr verdirbt das Spiel, nimmt ihm seinen Charakter und macht es wertlos. Diese innige Verknüpfung mit dem Begriff der Ordnung ist vielleicht der Grund, dass das Spiel, wie wir schon im Vorübergehen anmerkten, zu solch großem Teil innerhalb des ästhetischen Gebiets zu sein scheint. Das Spiel, so sagen wir, hat eine gewisse Neigung, schön zu sein. Der ästhetische Faktor ist vielleicht identisch mit dem Drang, eine geordnete Form zu schaffen, die das Spiel in allen seinen Gestalten belebt. Die Wörter, mit denen wir die Elemente des Spiels benennen können, gehören zum größten Teil in den Bereich des Ästhetischen. Es sind Wörter, mit denen wir auch Wirkungen der Schönheit zu bezeichnen suchen: Spannung, Gleichgewicht, Auswägen, Ablösung, Kontrast, Variation, Bindung und Lösung, Auflösung. Das Spiel bindet und löst. Es fesselt. Es bannt, das heißt: es bezaubert. Es ist voll von den beiden edelsten Eigenschaften, die der Mensch an den Dingen wahrzunehmen und auszudrücken vermag: es ist erfüllt von Rhythmus und Harmonie ... Jedes Spiel hat seine eigenen Regeln. Sie bestimmen, was innerhalb der zeitweiligen Welt, die es herausgetrennt hat, gelten soll. Die Regeln des Spiels sind unbedingt bindend und dulden keinen Zweifel. Paul Valéry hat es einmal beiläufig gesagt, und es ist ein Gedanke von ungemeiner Tragweite: Gegenüber den Regeln eines Spiels ist kein Skeptizismus möglich. Ist doch die Grundlage, die sie bestimmt, unerschütterlich gegeben. Sobald die Regeln übertreten werden, stürzt die Spielwelt zusammen. Dann ist es aus mit dem Spiel. Johan Huizinga Folgeseite Hannes Fischer, Paul Grill, Sophia Löffler, Simon Bauer, Matthias Lamp, Robert Besta 21 22 23 felix rothenhäusler Regie Nach einem Studium der Theater- und Medienwissenschaft in Bayreuth und Paris wechselte Felix Rothenhäusler für ein Regiestudium an die Theaterakademie Hamburg. Während des Studiums erhielt er u. a. den 1. Preis beim Internationalen Regiekongress in Moskau und wurde zum Festival Universo Teatro in Benevento, Italien eingeladen. Seine Inszenierung Ödipus war 2009 zum Körber Studio Junge Regie in Hamburg und zum Festival Radikal Jung am Münchner Volkstheater eingeladen, die Affäre der Rue de Lourcine wurde 2010 auf dem Festival Premières in Straßburg gezeigt. Er inszenierte u. a. am St. Pauli Theater, am Deutschen Schauspielhaus und am Thalia Theater in Hamburg, am Theater Bielefeld, Staatstheater Saarbrücken, am Deutschen Theater in Göttingen, am Theater Heidelberg und zukünftig auch am Düsseldorfer Schauspielhaus. Ab der Spielzeit 2012/13 wird Felix Rothenhäusler als Hausregisseur am Theater Bremen engagiert sein. 24 michael köpke Bühne Aufgewachsen in Hildesheim, studierte Michael Köpke Bühnenbild und audiovisuelle Medien in Utrecht, Prag, BerlinWeißensee, Paris und Karlsruhe und arbeitete als Bühnenbildassistent am Thalia Theater Hamburg. Dort assistierte er u. a. der Bühnenbildnerin Annette Kurz und für Inszenierungen von Luk Perceval, Christiane Pohle und Nicolas Stemann. Als Bühnenbildner arbeitete er u. a. mit Corinna Sommerhäuser am Thalia Theater Hamburg, mit Gernot Grünewald und Frank Abt am Jungen Theater Göttingen, außerdem in Osnabrück, Bielefeld, Paderborn, Bamberg, Dijon, für das theaterlabor Bremen und in Berlin für die Sophiensäle und das Theater an der Parkaue. Daneben wirkte er mit an der Schlafsaalinstallation Alpinarium, die zwischen 2003 und 2007 auf Theaterfestivals in Frankreich, Deutschland und der Schweiz gezeigt wurde. Michael Köpke gestaltet auch Bühne und Kostüme für Philotas+ im STUDIO. katharina kownatzki Kostüm Geboren 1978 in Hannover, studierte Katharina Kownatzki zunächst Philosophie und Musikwissenschaft an der dortigen Hochschule für Musik und Theater, später Kostümbild an der Fachhochschule für Design und Medien sowie Szenographie an der Musikhochschule in Bratislava, Slowakei. Von 2006 bis 2009 war sie als Kostümassistentin am Thalia Theater in Hamburg engagiert. Hier entwickelte sie eigene Kostüm- und Bühnenbilder u. a. für Regen in Neukölln von Paul Brodowsky in der Regie von Hasko Weber. Sie arbeitet regelmäßig mit dem Regisseur Stephan Kimmig, u. a. bei Macbeth am Burgtheater Wien und Öl von Lukas Bärfuss am Deutschen Theater in Berlin und mit Andreas Kriegenburg, für den sie u. a. am Schauspiel Frankfurt das Kostümbild für Goldonis Der Diener zweier Herren entwarf. Mit Felix Rothenhäusler arbeitete sie bereits in Heidelberg und Göttingen zusammen. Am Oldenburgischen Staatstheater entwarf sie die Kostüme für King Lear und Der Kirschgarten. matthias krieg Musik Matthias Krieg wurde 1980 in Karl-MarxStadt (Chemnitz) geboren. Er studierte Psychologie an der Freien Universität Berlin, später Sound Engineering am SAE Institute Berlin. Seit 2006 arbeitet er als Theatermusiker. Erste Produktionen enstanden im Theater Eigenreich in Berlin, wo er unter der Regie von Aureliusz Smigiel u. a. an Ernst Tollers Hinkemann und T.S. Elliots The Waste Land beteiligt war. Die erste Zusammenarbeit mit Felix Rothenhäusler ergab sich 2008 bei Ödipus im Thalia Theater in der Gaußstrasse, Hamburg. Seitdem arbeiteten beide im Team u. a. an den Theatern in Göttingen, Bielefeld, Heidelberg und demnächst auch Düsseldorf. Matthias Krieg komponierte außerdem die Musik für die ZDF-Dokumentarfilme Showdown in Anklam: Eine Stadt kämpft um die Demokratie sowie Jugendamt Wedding von Lutz Ackermann und war mit seiner Hörspielinszenierung des Textes Freiburg von Claudius Lünstedt für den diesjährigen ARD Hörspielpreis „Premiere im Netz“ nominiert. 25 Simon Bauer Fiesco, Graf von Lavagna Geboren wurde Simon Bauer 1981 in Morbach und wuchs in Überlingen am Bodensee auf. Während seines Studiums an der Universität der Künste Berlin spielte er bereits am Maxim Gorki Theater und am Deutschen Theater Berlin. 2010/11 gehörte er zum Ensemble des Theaters Heidelberg. In Karlsruhe ist er auch in Die Hermannsschlacht zu sehen. Robert Besta Verrina Seit der Spielzeit 2005/2006 ist Robert Besta im Schauspielensemble des STAATSTHEATERS und war u. a. in Die Kontrakte des Kaufmanns und Woyzeck zu sehen. Mit dem Schauspieler Tom Gerber gründet er „Arts in Dialog“ und veranstaltet in Karlsruhe die Dionysien und die miniAID. Er steht auch in Die Hermannsschlacht auf der Bühne. Hannes Fischer Andreas Doria Die Staatstheater in Würzburg und Nürnberg, das Düsseldorfer Schauspielhaus, Volkstheater Wien, Theater Baden-Baden, Schauspiel Essen und das Staatstheater Kassel gehören zu den Stationen Hannes Fischers, der seit 2007/08 im Karlsruher Ensemble engagiert ist. Hier war er u. a. als König Lear zu sehen und spielt auch in Die Hermannsschlacht. Paul Grill Gianettino Doria Paul Grills erste Rolle 2011/12 war der Hermann in Die Hermannsschlacht. Nach seinem Schauspielstudium in Leipzig führten ihn Engagements nach Dresden, Cottbus und Heidelberg. Dort war er u. a. als Franz Moor in Die Räuber, als Danton in Dantons Tod und als Hamlet zu sehen, den er in dieser Spielzeit auch in Karlsruhe spielen wird. Cornelia Gröschel Leonore, Gräfin von Lavagna Geboren 1987 in Dresden, begann Cornelia Gröschel mit neun Jahren, in TV-Serien und Fernsehfilmen vor der Kamera zu stehen. Nach dem Abitur absolvierte sie ihr Schauspielstudium in Leipzig und spielte währenddessen am Neuen Theater Halle. Ihre erste Rolle am STAATSTHEATER war die Thusnelda in der Hermannsschlacht. Thomas Halle Bourgognino 1987 in Berlin geboren, studierte Thomas Halle Schauspiel an der Hochschule „Ernst Busch“ in Berlin. Im Studium spielte er in der Regie von Andreas Kriegenburg am Deutschen Theater Berlin den Hamlet und am bat-Studiotheater die Hauptrolle in Sven Regeners Der kleine Bruder. Seine erste Premiere in Karlsruhe war Die Hermannsschlacht. 26 matthias Lamp Muley Hassan, ein Mohr Matthias Lamp wurde 1981 in Heidelberg geboren, studierte Anglistik und Romanistik in seiner Heimatstadt und in Barcelona und Schauspiel an der Hochschule „Ernst Busch“ in Berlin. Während des Studiums spielte er u. a. am Maxim Gorki Theater und der Schaubühne. Seine ersten Premieren waren Der große Marsch und Minna von Barnhelm. sophia löffler Julia, Gräfin Imperiali Sophia Löffler wurde 1985 in Potsdam geboren und begann 2007 ihr Schauspielstudium an der Leipziger Hochschule „Felix Mendelssohn Bartholdy“. Ab der Spielzeit 2009/2010 gehörte sie zum Schauspielstudio am Staatsschauspiel Dresden. Sie spielt auch in Minna von Barnhelm und Der große Marsch. Dachtet ihr, der Löwe schliefe, weil er nicht brüllte? Waret ihr eitel genug, euch zu überreden, daSS ihr die Einzigen wäret, die Genuas Ketten fühlten? Die Einzigen, die sie zu zerreiSSen wünschten? Eh ihr sie nur fern rasseln hörtet, hatte sie schon Fiesco zerbrochen. 27 bildnachweise impressum Umschlag Szenenfotos S. 24/25 S. 26/27 Herausgeber BADISCHES STAATSTHEATER Karlsruhe Jochen klenk Jochen klenk JOCHEN KLENK DIVERSE TEXTNACHWEISE Johan Huizinga, Auszug aus Homo Ludens. Versuch einer Bestimmung des Spielelementes der Kultur, Übersetzung ins Deutsche von Hans Nachod, Copyright für die deutsche Übersetzung © 1956 Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Hamburg Friedrich Schiller, Auszug aus An die Freude, in Sämtliche Werke in fünf Bänden, dtv 2004 Nicht gekennzeichnete Texte sind Originalbeiträge für dieses Heft von Kerstin Grübmeyer. Generalintendant Peter Spuhler VERWALTUNGSDIREKTOR Michael Obermeier Chefdramaturg Bernd Feuchtner Schauspieldirektor Jan Linders Redaktion Kerstin Grübmeyer Konzept Double Standards Berlin www.doublestandards.net Gestaltung Danica Schlosser Druck medialogik GmbH BADISCHES STAATSTHEATER Karlsruhe 11/12, Programmheft Nr. 20 www.staatstheater.karlsruhe.de Ich könnte hier stehen und hingaffen und ein Erdbeben überhören Matthias Lamp, Thomas Halle, Sophia Löffler