9.1.Dunkle Materie.2.

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Dunkle Materie
Nicht-gravitative Hinweise
und das
Λ-CDM
Modell
Peter Butzhammer
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung
2
2
Λ-CDM
3
3
4
Modell
2.1
Bestimmung der Rotverschiebung mit SN Ia . . . . . . . . . . . .
3
2.2
Kosmische Hintergrundstrahlung
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
2.3
Primordiale Nukleosynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
2.4
MACHOS als dunkle Materie
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
2.5
Heiÿe oder Kalte Materie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
2.6
Parameter des
2.7
Strukturbildung im
Λ-CDM
Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Λ-CDM
Modell . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
10
Alternative Erklärungen
10
3.1
Gravitationsgesetz nur ein Grenzfall? . . . . . . . . . . . . . . . .
12
3.2
Newtonsche Mechanik falsch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
3.3
Relativistische Eekte vernachlässigt?
13
3.4
Test auf groÿen Skalen - galaxy cluster merger
Zusammenfassung
. . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
14
15
1
1
Einleitung
Wie im vorhergehenden Vortrag dargestellt, reicht die sichtbare Materie nach
der Newtonschen Gravitationstheorie bei Weitem nicht aus, um verschiedene
Beobachtungen im uns umgebenden Universum zu erklären. Diese Diskrepanz
wurde auf verschiedenen Gröÿenordnungen, von Galaxien bis zu Galaxiesuperclustern beobachtet. Aus den Daten ergeben sich direkt einige interessante Fragen:
•
Führen die gemessenen Daten zwangsweise zu dunkler Materie?
•
Gibt es auch andere (nicht-gravitative) Hinweise auf dunkle Materie?
•
Welcher Art ist dunkle Materie?
•
Wie viel dunkle Materie gibt es?
Antworten auf diese Fragen zu nden ist eines der Hauptgebiete der aktuellen
kosmologischen Forschung. Dabei haben die heute möglichen Experimente die
Kosmologie in eine Präzisionswissenschaft verwandelt. Dazu hat vor allem die
Untersuchung der kosmischen Hintergrundstrahlung beigetragen, für die John
C. Mather und George F. Smoot 2006 den Nobelpreis der Physik erhielten.
In diesem Vortrag soll nun anhand dieser Fragen ein Modell des Kosmos erarbeitet werden. Es wird auch diskutiert werden, inwiefern dieses Modell die heute
beobachtbaren Strukturen erklären kann.
2
2
Das
Λ-CDM
Modell
Λ-Cold Dark Matter Modell fasst verschiedene Beobachtungen zusammen.
Obwohl es kleinere Unschlüssigkeiten enthält und auch alternative Modelle existieren, wird es zur Zeit von den meisten Kosmologen als das Standard-Bild des
Universums gesehen. In diesem Kapitel soll es von verschiedenen Beobachtungen
abgeleitet und seine Parameter bestimmt werden.
Das Modell fügt allerdings nur die Daten verschiedener Experimente zu einem
schlüssigem Bild zusammen. Es versucht nicht diese Daten zu erklären. Daher
wird es von Kritikern auch als Parametrisierung der Unwissenheit bezeichnet.
2.1 Bestimmung der Rotverschiebung mit SN Ia
Wie in vorangegangenen Vorträgen schon behandelt wurde, handelt es sich bei
Supernovae vom Typ Ia um gute standardisierbare Standardkerzen. Da sie
sehr hell sind kann man mit ihrer Hilfe das Verhältnis von Entfernung zu Rotverschiebung noch bei sehr groÿen Entfernungen (z
= 2)
bestimmen.
Abbildung 1: Entfernung von Ia Supernovae in Abhängigkeit der Rotverschiebung. Die Linien zeigen theoretische Berechnungen für verschiedene Verhältnisse
von Materie- zu Energie-Dichte (ΩN R /ΩΛ ). Von T.Padmanabhan [14]
Einige Daten entfernter Supernovae sind in Abb. 1 eingetragen. Es zeigt sich,
dass die Rotverschiebung dabei langsamer zunimmt als die Entfernung. Dies
bedeutet aber eine beschleunigte Ausdehnung des Universums.
Albert Einstein hatte in seine Feldgleichung
Rµν −
8πG
R
gµν = 4 Tµν
2
c
3
(1)
welche die Geometrie des Raumes mit den Energie-Impuls-Tensor in Beziehung
setzt, eine so genannte
kosmologische Konstante Λ eingeführt. Dies tat er um ein
statisches Universum zu erklären ohne eine kritische Dichte fordern zu müssen.
Damit wird die Feldgleichung zu
Rµν −
8πG
R
gµν + Λgµν = 4 Tµν
2
c
(2)
Ein solcher Term kann eine beschleunigte Ausbreitung des Universums herbeiführen. Heute interpretiert man den Term häug als Vakuumenergie. Auf dieses
Thema wird in einem der folgenden Vorträge ausführlich eingegangen.
Die Daten der Supernova-Rotverschiebungen lassen sich am Besten durch
ΩΛ =
erklären. Dabei ist
ΩΛ
ρΛ
= 0.68
ρkrit
(3)
die Dichte der Vakuumenergie im Verhältnis zur kriti-
schen Dichte des Universums
ρkrit =
Bei dieser Dichte würde für
ΩΛ = 0
3H02
8πG
(4)
das Universum nicht kollabieren, sondern
sich asymptotisch einer gewissen Gröÿe nähern.
Die Entfernungsmessungen mithilfe von Supernovae vom Typ Ia haben allerdings eine relativ starke Unsicherheit, da man bisher (zum Glück) keine Ia
Supernova beobachten konnte die nahe genug für eine exakte Entfernungsbestimmung mittels Parallaxe war. Die Eichungen der Entfernungsbestimmung
beruhen daher wiederum auf anderen Methoden, wie Cepheiden, Doppelsternspektroskopie oder Tully-Fisher-Relation. Dabei panzen sich systematische und
stochastische Fehler immer weiter fort. Näheres dazu nden sie bei dem entsprechenden Vortrag über Entfernungsmessung.
2.2 Kosmische Hintergrundstrahlung
Nachdem sich im frühen Universum die Elemente gebildet hatten war der Raum
von einem Plasma gefüllt. Darin standen die Photonen mit den freien Elektronen
in den lokalen Raumbereichen im thermischen Gleichgewicht.
Nach etwa 380 000 Jahre el die Temperatur auf unter 3000 K. Unterhalb dieser Temperatur rekombinieren die Wassersto- und Heliumkerne mit den freien
Elektronen zu neutralen Elementen. Da Photonen im Wesentlichen an freien
Elektronen gestreut werden, konnten sie sich ab diesem Zeitpunkt ungehindert bewegen - man spricht hier von Entkopplung von Strahlung und Materie.
Seitdem kann sich diese so genannte
kosmische Hintergrundstrahlung
(Cosmic
Microwave Background) beinahe ungestört ausbreiten. Mit der weitergehenden
Ausdehnung des Universums nahm auch die Wellenlänge der Photonen zu.
Schon 1948 sagte George Gamow diese Strahlung voraus, es sollte aber noch bis
1965 dauern bis es Arno Penzias und Robert Wilson von den Bell Telephone Laboratories gelang sie (eigentlich als störendes Rauschen) zu messen. Die beiden
erhielten dafür 1978 den Nobelpreis der Physik.
4
Abbildung 2: Von COBE aufgenommene Messpunkte mit
1σ
Fehlerbalken und
berechnetes Schwarzkörperspectrum bei 2.725 K. Die Fehlerbalken verschwinden
leider hinter der Linie. Von Fixsen et al. [6]
Die gemessene Strahlung hat heute eine Temperatur von 2,725 K und ist eine
nahezu perfekte Schwarzkörperstrahlung (siehe Abb. 2). Aussagekräftiger als
das Strahlungsspektrum selbst sind allerdings die lokalen Abweichungen und
die Polarisierung, da diese sehr sensibel auf die verschiedenen Parameter im
Universum sind. Der Ursprung dieser Schwankungen und ihre Abhängigkeit von
den Parametern ist Thema eines anderen Vortrags und soll hier nur kurz erwähnt
werden.
Während der Phase des inationären Wachstums wurden Inhomogenitäten aufgebläht und resultierten in gröÿeren Dichteschwankungen des Plasmas. Diese
Schwankungen breiteten sich bis zur Rekombination 380 000 Jahre lang mit
Schallgeschwindigkeit aus. Als die Strahlung dann von der Materie entkoppelte
wurde der letzte Plasmazustand in der Hintergrundstrahlung sozusagen eingefroren. Man kann wohl davon ausgehen, dass Anfangsinhomogenitäten zu akustischen Schwingungen im gesamten Spektrum führten. Allerdings sieht man in
der Hintergrundstrahlung nur jene Frequenzen, welche zur Zeit der Entkopplung
gerade ein Maximum hatten. Andere tragen zu dieser Zeit nicht zu Dichte- und
Temperaturschwankungen bei.
Abbildung 3 zeigt die Temperaturschwankungen der Hintergrundstrahlung. Man
beachte dabei, dass die verwendete Skala lediglich
±200 µK umfasst. Entwickelt
man die beobachtete Struktur nach Multipolmomenten (also mathematisch nach
Kugleächenfunktionen), so erhält man die in Abbildung 4 dargestellte Verteilung. Deutlich erkennt man den ersten Peak. Dieser tritt bei einer Multipolordnung von etwa 220 auf. Dies entspricht Flecken von ca. 1
◦
◦
Gröÿe (der Vollmond
hat einen Durchmesser von etwa 0,5 ). Aus der Lage dieses Peaks lässt sich ab-
5
Abbildung 3: Räumlich aufgelöste Abweichung der Temperatur der Hintergrundstrahlung vom Mittelwert 2,725 K. Das Bild zeigt einen Temperaturbereich von
±200 µK.
Von der NASA WMAP Homepage [23]
leiten, dass das Universum eine ache Geometrie, also kritische Dichte besitzt.
Ω=
ρ
=1
ρkrit
(5)
Aus dem Verhältnis der Amplituden verschiedener Peaks ndet man u.a. das
Verhältnis von Materie (sichtbare und dunkle) zu dunkler Energie, aus der Polarisation das Verhältnis von Photonen zu Baryonen, sowie den Zeitpunkt der
Reionisation.
ΩM = 0, 266
(6)
Die genauen Zahlenwerte und Fehler für die verschiedenen Parameter werden in
Kapitel 2.6 zusammengefasst.
2.3 Primordiale Nukleosynthese
Auch über dieses Thema wurde schon in einem vorhergegangenen Vortrag berichtet. Hier sollen lediglich die für das Verständnis der Parameter des
Λ-CDM
Modells notwendigen Ergebnisse zusammengefasst werden.
Die primordiale Nukleosynthese ist die Theorie der Elemententstehung während des Urknalls, also vor Bildung der ersten Sterne. Diese Prozesse ereigneten
sich einige Minuten nach dem Urknall bei Temperaturen von etwa 10
10
K, was
typischen Teilchenenergien von 1 MeV entspricht [22].
Der Verlauf und damit das Endergebnis der Zusammensetzung der leichten Elemente ist dabei stark von der Baryonendichte im Universum abhängig. Abbildung 5 zeigt diese berechnete Abhängigkeit nach D. Schramm & N. Turner [17].
ρB
2
ρkrit h die relative Baryonendichte und h der Hubbleparameter. Der hellblaue und gelbe vertikale Streifen zeigt dabei die experimentell
Dabei ist
Ω B h2 =
6
Abbildung 4: Entwicklung der gemessenen Temperaturschwankungen der kosmischen Hintergrundstrahlung nach Multipolmomenten. Aus G. Hinshaw et al.
[9]
bestimmten Werte nach verschiedenen Messmethoden. Man ndet dabei
0.016 ≤ Ωb h2 ≤ 0.024
Da
h2
ungefähr
0, 5
(7)
ist entspricht dies einer Baryonendichte von
3, 2%
bis
4, 8%
[22]. Beobachtet man die sichtbaren Massen im Universum (das sind im Wesentlichen die Sterne, sowie im Röntgenspektrum leuchtende interstellare Gase)
kommt man allerdings nur auf Werte von etwa
1, 2%
[20].
2.4 MACHOS als dunkle Materie
Etwa 66% bis 80% der aus der primordialen Nukleosynthese erwarteten dunklen
Materie sind nicht durch Sterne oder leuchtende Gase zu erklären [20]. Als mögliche Kandidaten dafür gelten so genannte Massive Compact Halo Objects, wie
braune oder weiÿe Zwerge, kalte Neutronensterne, kleine schwarze Löcher oder
Planeten. Derzeit laufen mehrere Experimente auf der Suche nach solchen Objekten. Dabei wird eine groÿe Anzahl an Sternen (∼
107 )
über einen langen
Zeitraum beobachtet. Durchwandert ein massives Objekt die Sichtline zwischen
Stern und Teleskop, so kommt es durch einen Gravitationslinseneekt zu einer
kurzzeitigen Zunahme der beobachteten Helligkeit (microlensing eect). Verschiedene Experimente (u.a. MACHO, EROS und OGLE) kamen bei ihren Untersuchungen zu ziemlich unterschiedlichen Ergebnissen, konnten aber alle nicht
die erforderliche Menge an dunkler baryonischer Materie in den Randbereichen
der Galaxien nachweisen (EROS-2 kommt für die Milchstraÿe auf 8% der Gesamtmasse [21]). OGLE hat sich allerdings als sehr eektiv bei der Suche und
Charakterisierung von extrasolaren Planeten erwiesen.
7
Abbildung 5: Berechnete Abhängigkeit der Häugkeit leichter Elemente von
der absoluten Baryonendichte
Ω B h2 .
Die Dicke der Kurven entspricht der
2σ
Unsicherheit an. Von D. Schramm & N. Turner [17]
2.5 Heiÿe oder Kalte Materie?
Eine Möglichkeit für (nichtbaryonische) dunkle Materie stellen Neutrinos da.
Aus der experimentell inzwischen gut gesicherten Neutrinooszillation weiÿ man,
dass Neutrinos eine, wenn auch sehr geringe, Ruhemasse besitzen müssen. Während der Nukleosynthese in den ersten Minuten des Universums entstanden viele
solcher Neutrinos mit hoher kinetischer Energie. Diese gelten als Kandidaten für
heiÿe, dunkle Materie (Hot Dark Matter). Wäre allerdings die gesamte dunkele Materie heiÿ, so würde sie nicht, wie beobachtet, um die Galaxien klumpen.
Auch wären die in der kosmischen Hintergrundstrahlung vorhandenen Dichteuktuationen von HDM ausgewaschen worden und hätten nicht zu den heute
beobachtbaren Strukturen führen können.
Aktuelle kosmologische Untersuchungen (unter anderem des 2dFGRS Projekts)
kommen auf einen maximalen Anteil von etwa 20% HDM an der gesamten
Materiedichte [5]. Bei einem höheren Anteil wäre die Strukturbildung so nicht
möglich gewesen, da die Materie nicht stark genug geklumpt hätte. Experimente mit Neutrinodetektoren weisen jedoch darauf hin, dass auch bei groÿer
angenommener Neutrinomasse lediglich etwa 5% der Materiedichte von diesen
Teilchen resultieren. Durch Auswerten verschiedener kosmologischer Beobachtungen (COBE, WMAP, 2dFGRS, HST, XLF ...) fand ein Team um R.Rebolo
8
einen Best Fit Wert von 5% der dunklen Materie, also ca. 4% der Materie [15].
Um die Strukturbildung und vor allem die Klumpung der dunklen Materie erklären zu können benötigt man allerdings einen sehr groÿen Teil an kalter, dunkler
Materie (Cold Dark Matter). Dabei handelt es sich um dunkle Materie, die
so schwer ist, dass die bei der Entstehung vorhandene thermische Energie im
wesentlichen in Ruhemasse umgewandelt wurde. Die theoretische Physik liefert
mehrere Kandidaten für solche Weakly Interacting Massive Particles.
Verschiedene Kandidaten für CDM, sowie laufende und geplante Experimente
zur Suche nach ihnen werden Thema des nächsten Vortrags sein.
2.6 Parameter des Λ-CDM Modells
Im
Λ-CDM
Modell werden die oben dargestellten Ergebnisse, sowie die vieler
anderer Experimente, zu einer Beschreibung des Universums zusammengefasst.
Dabei geht man von einem Universum aus, in dem die kosmologische Konstante
Λ
die vorherrschende Rolle spielt. Auch eine Phase inationären Wachstums
wird dabei angenommen. Tabelle 1 zeigt eine kleine Auswahl der bestimmten
Parameter nach D.Spergel [9]. Dabei handelt es sich um Best Fit Werte für
die drei Jahres WMAP-Daten, sowie Ergebnissen des Sloan Digital Sky Survey
[24], des 2 degree Field Galaxy Redshift Survey [25] und des High-Z Supernova
Search Teams [26].
Parameter
Wert
Beschreibung
H0
+2,4 km
70, 9−3,2
s·M pc
Hubblekonstante
ΩB
+0,0042
0, 0444−0,0035
Baryonendichte
ΩM
0, 266+0,025
−0,040
Gesamte Dichte der Materie
τ
0, 079+0,029
−0,032
Optische Dichte bis zur Reionisation
As
0, 813+0,042
−0,052
Skalare Fluktuationsamplitude
ns
0, 948+0,015
−0,018
Skalarer Sprektralindex
+0,06
0, 94−0,09
· 10−26 kg/m3
kritische Dichte
ΩΛ
0, 732+0,040
−0,025
Dichte der dunklen Energie
zion
+2,6
10, 5−2,9
Rotverschiebung der Reionisation
σ8
0, 772+0,036
−0,048
Galaxie Fluktuationsamplitude
t0
P
mν
13, 73+0,12
−0,17
· 109
< 0, 66eV
(95% CL)
ρkrit
Jahre
Alter des Universums
Summe der Neutrinomassen
Tabelle 1: Einige wichtige Parameter des
Λ-CDM
Modells. Die unteren 5 Werte
lassen sich dabei aus den oberen berechnen. Werte nach D. Spergel [18].
Man ndet also, dass das Universum gerade kritische Dichte besitzt, welche sich
folgendermaÿen aus Einzelkomponenten zusammensetzt:
9
Dunkle Energie
Materie
73 %
27 %
.. Neutrinos
1,2 %
.. Baryonische Materie
.... Sichtbare Materie
4 %
1,2 %
Das unbefriedigende Ergebnis ist also, dass wir lediglich 2,5% der Dichte unseres Universums überhaupt kennen (Neutrinos und sichtbare Materie). Unsere
(experimentell bestätigten) physikalischen Modelle beschreiben nicht einmal ein
zehntel der Dichte.
Betrachtet man die angegebenen Fehler der Parameter, so sieht man eine Entwicklung, die erst in den letzten 10 bis 15 Jahren möglich wurde: Die Kosmologie
hat sich zu einer Präzisionswissenschaft entwickelt. Die Parameter der Modelle
lassen sich auf 10% und genauer messen. Damit wird es auch möglich immer
mehr Erklärungsversuche durch harte experimentelle Fakten zu widerlegen. Im
nächsten Jahrzehnt sind viele Unternehmen geplant, die dazu führen sollen die
Ergebnisse noch weiter zu Verbessern und den Spielraum der möglichen Modelle
noch weiter einzuschränken.
Allerdings fordert das
Λ-CDM Modell geradezu nach Erklärungen. Es kann zwar
das Universum so wie wir es heute sehen gut beschreiben, aber es beinhaltet
keinerlei Anhaltspunkt was dunkle Materie sein könnte oder warum es zu einem
Inationären Wachstum gekommen ist.
2.7 Strukturbildung im Λ-CDM Modell
Am Rande sei hier ein interessantes Projekt erwähnt mit dem Forscher anhand von Computersimulationen klären wollen, ob die Vorhersagen des
Λ-CDM
Modells ausreichen, um die heute beobachteten Strukturen im Universum zu erklären. Die Programme für diese s.g. Millennium Simulation wurden vom VirgoKonsortium geschrieben und auf einem IBM p690 am Rechenzentrum der Max
Plank Gesellschaft in Garching gerechnet [19].
10
Dabei wurden etwa 10
8
Teilchen mit einer Masse von 8,6·10
MJ
in einer Box
mit Kantenlänge 500 Mpc/h von z=127 bis heute simuliert. Abbildung 6 zeigt
ein Bild aus dem Ergebnis. Dabei ist sowohl sichtbare als auch dunkle Materie
eingezeichnet.
Die Ergebnisse des Projektes zeigen nicht nur, dass die im
Λ-CDM
Modell be-
stimmten Dichteschwankungen im frühen Universum bei der gefundenen Zusammensetzung der Dichte zu den heute beobachteten Strukturen führen können,
sondern geben auch Aufschluss über die Prozesse der Strukturbildung. So ist es
auch die erste Simulation die frühe Quasare in beobachteter Anzahl sowie eine
richtige Verteilung von Galaxiegröÿen vorhersagen konnte.
3
Alternative Erklärungen
Da man bisher noch keinen Kandidaten für dunkle Materie beobachten konnte,
drängt sich natürlich die Frage auf, ob die Interpretation der Messergebnisse als
10
Abbildung 6: Verteilung der Strukturen von sichtbarer und dunkler Materie im
Weltall nach der Millennium Simulation. Von V. Springel et al. [19]
Λ-CDM
Modell wirklich richtig ist. Daher gibt es auch viele sehr interessante
Arbeiten, die nach alternativen Erklärungen suchen. Einige davon sollen hier
erwähnt werden.
11
3.1 Gravitationsgesetz nur ein Grenzfall?
Das Gravitationsgesetz geht von einem Potential
Φ=G
M
r
(8)
aus. Dies ist auch für im Labor messbare Gröÿenordnung relativ gut bestätigt.
Allerdings ist die Gravitationskonstante aufgrund der Schwäche der Kraft nur
sehr schwer zu bestimmen. Für entfernte Objekte (wie dem Mond) erschweren
Vielkörperprobleme und Unsicherheiten bei der Massenbestimmung die genaue
Verizierung des Gesetzes.
Man geht heute davon aus, dass es auf sehr kleinen Skalen zu einer Abweichung
von diesem einfachen
1/r-Potentials
kommt, da spätestens ab der Gröÿenord-
nung der Plancklänge Quantisierungseekte der Gravitation eine Rolle spielen
werden. Eine Abweichung wäre natürlich auch auf groÿen Skalen denkbar und
ist experimentell nur sehr schwer auszuschlieÿen.
J.Moat schlug 2004 eine relativistic modied gravity genannte Theorie vor
[13], eigentlich mit dem Ziel die Abweichung des Lense-Thirring Eekts bei den
Gyroskopmessungen von Gravity Probe-B zu erklären. Er wendete diese Methode später auch auf andere Gravitationsphänomene an. Dabei geht er von einer
asymmetrischen Korrektur zur Gravitation der allgemeinen Relativitätstheorie
aus, welche auch als Grenzfall enthalten ist.
3.2 Newtonsche Mechanik falsch?
Eine mögliche Erklärung für die gemessenen Galaxierotationen wäre, dass die
Newtonsche Bewegungsgleichung
−
→
→
F =m·−
a
(9)
nur einen Grenzfall für groÿe Beschleunigung darstellt. Um die Rotationskurven von Galaxien zu erklären schlug Mordehai Milgrom 1983 eine Modizierte
Newtonsche Mechanik vor. Dabei sollte das Gesetz zu
−
→
a →
F = m · µ( ) · −
a
a0
werden.
a0
mit
(
1 für |x| 1
µ(x) =
x für |x| 1
ist eine neue fundamentale Konstante. Der genaue Verlauf von
(10)
µ(x)
wurde nicht explizit angegeben. Mit dieser Modikation, sowie relativistischen
Verallgemeinerungen davon, können viele Eekte erklärt werden. Andererseits
treten sowohl im täglichen Leben als auch in den irdischen Experimenten, im
Vergleich zur Anziehungskraft einer Galaxie zu einem Lichtjahre entfernten Objekt, nur sehr groÿe Kräfte auf. Dies würde erklären, warum diese Abweichung
der newtonschen Theorie noch nicht aufgefallen war.
Für ein weit vom Zentrum einer Galaxie mit Masse
M
entferntes Objekt würde
damit die Bewegungsgleichung zu
F =
a
a2
GM m
=
m
·
µ(
)
·
a
=
m
·
r2
a0
a0
12
(11)
da
a a0
gilt.
Löst man dies nach
a
auf und setzt das Ergebnis in die Gleichung für die Zen-
tripetalbeschleunigung einer Kreisbahn
√
a=
v2
GM a0
=
r
r
ein, dann erhält damit für groÿe Entfernungen eine vom Abstand
(12)
r unabhängige
Rotationsgeschwindigkeit
v=
p
4
GM a0
(13)
Abbildung 7 zeigt berechnete und gemessene Rotationskurven nach R. Sanders
& E.Noordermeer [2].
Abbildung 7: Gemessene und mit dem MOND-Modell berechnete (blau) Rotationskurven nach R. Sanders & E.Noordermeer [2]
3.3 Relativistische Eekte vernachlässigt?
Im Sommer 2005 schlugen F. Cooperstock und S. Tieu eine andere Erklärung
der Messdaten vor. Sie modellierten eine Galaxie als relativistisches, stationäres,
axialsymmetrisches, druckfreies Fluid und berechneten die Rotationsrate in Abhängigkeit von Dichteverteilung und Entfernung [3]. Dabei gingen sie eigentlich
den entgegengesetzten Weg. Sie suchten nach dem Best Fit für die gemessene Geschwindigkeitsverteilung in unserer Milchstraÿe und drei andern Galaxien und
rechneten diese auf die notwendigen Massenverteilungen zurück. Dabei kamen
sie auf Dichten, die in der Gröÿenordnung der sichtbaren Materie liegen.
13
Sie kommen zu dem Schluss, dass in einer Galaxie trotz der geringen Geschwindigkeiten und der schwachen Kräfte nichtlineare relativistische Eekte eine groÿe
Rolle spielen.
Andere Gruppen waren in der Lage verschiedene Fehler und Ungereimtheiten
in den Betrachtungen von F. Cooperstock und S. Tieu sowie ihrer Auswertungen zu nden [4][7][10]. Allerdings räumen alle drei ein, dass dieser Ansatz zu
Korrekturen bei den Rotationskurven führt und damit auch die vorhergesagte
Dichte an dunkler Materie nach unten korrigieren wird. Allerdings schätzen sie
die Eekte viel geringer ein ohne genaue Zahlen zu nennen.
3.4 Test auf groÿen Skalen - galaxy cluster merger
Douglas Clowe und seine Mitarbeiter veröentlichten im letzten Jahr eine Arbeit, mit der sie nach ihrer Meinung alle Theorien, die ohne dunkle Materie
auskommen, experimentell ausschlieÿen können [2].
Dazu untersuchten sie den galaxy cluster merger 1E0657-558 bei z=0,3. Bei
diesem Objekt handelt es sich um zwei Galaxie Cluster, die sich gegenseitig
durchogen haben. Die sichtbare Materie (also die Sterne in den einzelnen Galaxien) konnten dabei nahezu ungehindert weiteriegen. Anders beim interstellaren Gas. Diese
H-
und
He-Wolken
prallten aufeinander und wurden dabei
abgebremst und so aus den Galaxieclustern herausgerissen.
Abbildung 8: Bilder vom merging cluster 1E0657-558. Links sind im optischen
Spektrum (aufgenommen mit der ACS des Hubble Space Telescops) die Sterne
und rechts im Röntgenspektrum (aufgenommen mit Chandra) die interstellaren
Gase zu sehen. Die grünen Linien zeigen die Stärke des Gravitationslinseneekts.
Dieser hat sein Zentrum bei den Sternen und nicht bei dem Gas, das den Groÿteil
der baryonischen Materie enthält. Von D. Clowe et al. [2]
Abbildung 8 zeigt Bilder der Cluster im optischen und im Röntgenspektrum.
Die Röntgenstrahlen kommen von dem Abgebremsten interstellaren Gas. Durch
Auswertung der Strahlungsintensitäten ndet man ein Massenverhältnis zwischen Sternen und Plasma von 1/5 bzw. 1/7,5. Durch Vermessung der Gravitationslinseneekte konnten Clowe et al. zeigen, dass die Zentren der Gravitation
mit 8σ Sicherheit nicht bei dem Zentrum der sichtbaren Masse (also im interstellaren Gas) liegen.
14
Ist bei der Analyse der Daten kein groÿer systematischer Fehler unterlaufen, so
ist dieses Ergebnis ein starkes Indiz gegen die MOND-Hypothese und für das
Λ-CDM
Modell. Allerdings behaupten J. Brownstein und J. Moat, dass die
Beobachtungen mithilfe der von Moat selbst entwickelten Modied Gravity
Theorie ohne die Annahme von dunkler Materie zu erklären sei [1].
4
Zusammenfassung
Im Moment sprechen verschiedene, teilweise sehr präzise Experimente für die
Existenz von dunkler Energie und dunkler Materie. Auch sagen Elementarteilchentheorien mögliche Kandidaten zumindest für dunkle Materie voraus. Dennoch nden wir uns in der unbefriedigenden Situation für über 90% der Dichte
im Universum keine Erklärung zu haben.
Jedoch sind wir durch das
Λ-CDM
Modell in der Lage die Entwicklung der
Strukturen im Universum zu untersuchen und beispielsweise die Entstehung der
Galaxien zu genauer zu studieren und zu verstehen.
15
Literatur
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The Bullet Cluster 1E0657-558 evidence shows Modied Gravity in the absence of Dark Matter,
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