Landesverband Lippe: Veranstaltungen Die aktuelle Sonderausstellung „Bei den Hörnern gepackt“ im Wald-und Forstmuseum Heidelbeck. Bei den Hörnern gepackt! Neue Sonderausstellung im Wald- und Forstmuseum Heidelbeck H örner und Geweihe sind ein auffälliger Kopfschmuck vieler Tierarten. Sie sind geschwungen, gedreht, gegabelt, weit ausladend, kurz oder lang. Sie faszinieren den Menschen, wie ein Blick auf die Trophäensammlung eines Jägers oder in die historischen Jagdzimmer der Fürstenhäuser zeigt. Seit Jahrtausenden nutzen Menschen Hörner und Geweihe. Sie fertigen daraus Gebrauchsgegenstände und glauben an magische und heilende Kräfte, die den Stirnwaffen innewohnen. Doch warum tragen die Tiere solche Gebilde auf dem Kopf? Wie und wozu haben sich Hörner und Geweihe entwickelt? Vor rund 30 Millionen Jahren entwickelten sich bei den Vorfahren der heutigen Hirsche (Cervidae) spießartige Stirnbeinauswüchse, die die verlängerten oberen Eckzähne als Waffe ablösten. Die Spieße wa- 142 ren durchgängig von Haut überzogen und wurden nicht abgeworfen. Sie boten den Vorteil, dass die Tiere nun auch höher hängende Äste von Büschen und Bäumen mit Duftstoffen markieren konnten. Die Duftstoffe wurden von Drüsen in der Haut abgesondert. Auch die heutigen Hirsche markieren auf diese Art Büsche und Bäume mit Drüsensekreten aus der Basthaut. Bei den Hirsch-Vorfahren wurde die Haut, die den Geweihknochen umgab, bei Rivalenkämpfen häufig verletzt. Diese Verletzung führte zu einer mangelnden Versorgung des Knochens und schließlich zu seinem Absterben. Totes Gewebe ist eine Gefahr für den Körper, daher wurde der abgestorbene Knochen abgeworfen. Allmählich entwickelte sich ein geregeltes Wachsen und Abwerfen des Geweihknochens und eine Kopplung an den Fortpflanzungszyklus. Auf diese Weise regelte sich die Neubildung des Geweihknochens so, dass die Stangen zur Zeit der Paarungskämpfe hautlos, unempfindlich und belastbar waren. Schließlich entwickelten sich aus den Spießen einfache Gabelgeweihe, dann Geweihe mit mehreren Enden und Schaufelgeweihe wie sie heute Damhirsche und Elche tragen. Die Entwicklung zu mehrendigen Geweihen wurde durch sexuelle Selektion vorangetrieben. Bei den Hirscharten, bei denen die Männchen während der Paarungszeit ein Rudel Weibchen um sich sammeln und gegen Rivalen verteidigen wie der Rothirsch, hat sich das Geweih als Waffe und Signal etabliert. Kräftige Männchen mit entsprechenden Erbanlagen und sehr gutem Ernährungs- und Gesundheitszustand können sich ein großes Geweih mit vielen Enden leisten. Ein großes Geweih ist gut sichtbar und Rivalen können daran die Körpergröße und Stärke des Besitzers abschätzen. Schwächere Hirschbullen fordern ein stärkeres Männchen gar nicht erst heraus. Fühlt sich ein Herausforderer jedoch überlegen, kommt es zum Kampf. Dieser Kampf läuft nach festgelegten Regeln ab. Mit Hilfe der Gabelungen der Geweihe verhaken die Kontrahenten ihre Stirnwaffen ineinander. Jetzt geht es um die reine Kraft, denn die beiden Hirschbullen versuchen nun, einander wegzudrücken, ähnlich wie beim Armdrücken. Merkt einer der beiden, dass er unterlegen ist, löst er sich aus der Verhakelung und flieht ohne vom Sieger verfolgt zu werden. So sind Verletzungen weitgehend ausgeschlossen. Das Geweih ist ein sogenanntes ehrliches Signal, das zum Einen anzeigt, dass sein Besitzer gute Gene hat, die es ihm ermöglichen, ein Geweih entsprechender Größe auszuformen, und zum Anderen signalisiert, dass sich sein Träger in guter körperlicher Verfassung befindet und genügend Energiereserven übrig hatte, um die Knochenmasse für ein großes Geweih zu bilden. Die hohen Kosten, die ein mächtiges Geweih verursacht, werden ausgeglichen durch den größeren Fortpflanzungserfolg, also die höhere Zahl an Nachkommen, die ein Hirschbulle mit großem Geweih zeugt. Etwas jünger als die Geweihe sind die Hörner. Vor etwa 25 Millionen Jahren begann bei den Vorfahren der heutigen Hornträger (Bovidae) die Ausbildung der Stirnwaffen. Von da an bis heute haben sich Hörner in ganz verschiedenen Längen, Dicken und Windungen entwickelt. Und im Unterschied zu den Geweihträgern haben bei den Hornträgern oft auch die Weibchen Hörner. Die verschiedenen Hornformen haben sich zusammen mit verschiedenen Kampfstilen der Männchen und den unterschiedlichen Lebensweisen der Hornträger entwickelt. Einzelgängerische Arten haben ein Revier, welches sie stets gegen Eindringlinge verteidigen. In Herden lebende Arten kämpfen um die Rangordnung. Doch vor allem während der Paarungszeit konkurrieren die Männchen untereinander um die Weibchen mittels ritualisierter Kämpfe. Bei diesen Kämpfen geht es darum herauszufinden, wer der Stärkere ist, und nicht darum, den Schwächeren zu verletzen oder zu töten. Größere und kräftigere Männchen haben auch größere Hörner. Rivalen können daher schon an der Horngröße die Kraft ihres Gegenübers abschätzen. Treffen zwei ungefähr gleich starke Männchen aufeinander, kommt es zum Kampf. Dabei sind die Kampfstile der einzelnen Hornträger-Arten ganz verschieden. Die Hornformen spiegeln die Kampfstile wider. Arten mit dicken, gewundenen Hörnern und einer breiten Basis wie die Wildschafe rennen gegeneinander an und nutzen ihre Hörner als Rammwaffen. Arten mit langen, geraden Hörnern wie die Spießböcke tragen eher Fechtkämpfe aus. Und Arten mit nach oben innen gebogenen Hornspitzen wie Bisons kämpfen, indem sie mit einer Seitwärtsbewegung des Kopfes zustoßen. Männchen mit größeren Hörnern sind bei den Kämpfen im Vorteil. Sie setzen sich gegenüber schwächeren Männchen durch und zeugen mehr Nachkommen. Das macht den Nachteil der höheren energetischen Kosten wett. Daher wurden die Hörner der Männchen mit der Zeit immer größer. Bei den Hornträgern gibt es viele Arten, bei denen auch die Weibchen Hörner haben. Allerdings sind diese fast immer kleiner oder dünner als die Hörner der Männchen. Für weibliche Tiere bedeuten Hörner viel größere zusätzliche Kosten als für Männchen. Denn die Weibchen tragen auch die Kosten für das Austragen und Aufziehen der Jungen. Daher leisten sie sich keine so großen Hörner wie Männchen. Nur wenn es ihnen einen tatsächlichen Vorteil bringt, bilden auch die Weibchen Hörner aus. Hier spielt die unterschiedliche Lebensweise der Hornträger-Arten eine entscheidende Rolle. Bei Arten, die aufgrund ihrer Körpergröße auffällig sind, nicht so flink fliehen können und in offenen Lebensräumen wie Savannen leben, tragen die Weibchen Hörner als Waffe gegen Raubtierangriffe. Bei kleinen, unauffälligen Arten, die in geschlossenen Lebensräumen wie Wäldern leben, brauchen die Weibchen keine Hörner zur Verteidigung, da sie sich im Dickicht verstecken können. Bei einigen wenigen Arten besetzen die Weibchen Reviere. In diesen Fällen benutzen die Weibchen ihre Hörner als Waffe gegen ihre Artgenossen zur Verteidigung ihrer Territorien. In der aktuellen Sonderausstellung in Heidelbeck erfahren die Besucher, was sie schon immer über Hörner und Geweihe und ihre Träger wissen wollten und erleben die ganze Bandbreite der Stirnwaffen: das wenig gegabelte Geweih eines asiatischen Sambars, das weit ausladende Geweih eines Rentieres, die mächtigen Hörner eines Kaffernbüffels, die riesigen Hörner eines afrikanischen WatussiRindes, die gedrehten Hörner einer indischen Hirschziegenantilope, die gebogenen Hörner einer Rappenantilope und die winzigen Spießer einer Rehantilope. Über allem thront ein alter Kalletaler und begrüßt die Besucher. Es ist ein Wisent aus dem ehemaligen Kalletaler Tierpark, der dort im Sommer 1977 gestorben ist. Die Sonderausstellung „Bei den Hörnern gepackt“ ist noch bis zum 1. November im Wald- und Forstmuseum Heidelbeck zu sehen. Dipl.-Biol. Dorothee Suray Freiberufliche Ausstellungsmacherin [email protected] Info Wald- und Forstmuseum Kalletal-Heidelbeck Kurstraße 7 32689 Kalletal-Heidelbeck Telefon Gemeinde Kalletal: 0 52 64 / 64 40 Dauer der Ausstellung: bis 1. November 2013 Öffnungszeiten Samstag, Sonntag und an Feiertagen: 10.00 Uhr – 18.00 Uhr Für Gruppen (ab 10 Pers.) Termine und Führungen nach Absprache 143